In vielerlei Hinsicht erinnert Star Wars: The Acolyte an den umstrittenen zweiten Film der Sequel-Trilogie, The Last Jedi. Beide Projekte spielen (leider oft viel zu sorglos) mit Versatzstücken der Saga, werfen einen kritischeren Blick auf den Jedi-Orden als Institution und bieten zum Teil zwar durchaus interessante Ansätze und eindrucksvolle neue Bilder – pflügen dabei aber deutlich zu eigenwillig und rücksichtslos durch den Canon und können in Sachen Story sowie Charakterentwicklung letztlich ebenfalls nicht überzeugen.
Kontroversen & viele Kritikpunkte
The Acolyte spielt zur Zeit der Hohen Republik, etwa 100 Jahre vor den Ereignissen der Prequels, die bisher – mit Ausnahme der sehr auf die Disney Junior-Zielgruppe zugeschnittenen Animationsserie Young Jedi Adventures – nur in Buch- und Comicform erzählt wurde. Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist eine Mordserie an Jedi durch einen mysteriösen, machtbegabten Attentäter, die im Zusammenhang mit einer schicksalhaften Mission auf dem Planeten Brendok 16 Jahre zuvor steht. Schnell gerät Osha, die ehemalige Padawan-Schülerin von Meister Sol, die von dort stammt und sich inzwischen als Schiffsmechanikerin verdingt, in Verdacht. Doch nicht alles ist, wie es scheint, und im Hintergrund lauert eine noch dunklere Bedrohung ...
Der Versuch, eine Kriminalgeschichte im Star Wars-Universum zu realisieren, ist zwar eine frische Idee (und zuletzt versuchte das Franchise in den Serien auf Disney+ ohnehin vermehrt, andere Genres einzubinden), gelingt aber leider nicht. Dafür sind die Motive der Figuren für ihr Handeln zu oft nicht wirklich nachvollziehbar und wirken willkürlich, kommen die Enthüllungen größtenteils wenig überraschend, ist die Backstory insgesamt zu schwach. Auch die hier überwiegend angewandte klassische Detektiv-Erzählstruktur, bei der sozusagen rückwärts nach und nach die Lösung des Verbrechens aufgedeckt wird, hilft da wenig, denn die Offenlegung dessen, was damals auf Brendok tatsächlich geschah, ist nach dem mitunter recht langwierigen Weg dorthin eher enttäuschend, da die (zu vielen und obendrein forcierten) „unerwarteten Wendungen“ so gut wie kaum aufgehen.
Man sollte außerdem meinen, dass die zeitliche Distanz zur Skywalker-Saga durch die Verlegung der Handlung in die High Republic-Ära die üblichen Fallstricke wie nachträglich geschaffene Plotlöcher geschickt umgeht, aber das ist nicht der Fall: Nebenfiguren, die später ebenso in den Prequels auftauchen, ja sogar der Kern des Geheimnisses um Osha (der zu spoilerlastig wäre, um ihn hier zu verraten) sorgen für zum Teil gehörige Inkonsistenzen. Noch dazu tappt The Acolyte leider in dasselbe Fettnäpfchen wie einst The Book of Boba Fett, indem das schwache, zuweilen gar unfreiwillig komisch wirkende Skript gerade den namhaften Darstellern im Cast wie etwa Carrie-Anne Moss keinen wirklichen Gefallen tut und gemessen an ihrem Können viel zu wenig an die Hand gibt.
Ein weiterer Kritikpunkt, der angesichts der zeitlichen Verortung in der Hohen Republik zumal besonders ins Gewicht fällt, ist die schon beinahe karikaturhafte Darstellung der Jedi. Der Orden befindet sich während dieser Epoche auf der Höhe seiner Macht, in jeder Bedeutung des Wortes. Und dennoch zeigt The Acolyte die Jedi als politisch verstrickte, zutiefst fehlerbehaftete und mitunter wenig ritterliche Institution voller sprichwörtlicher (sowie bisweilen auch echter) „Leichen im Keller“, die Stun-Blaster benutzt und schon mit der bloßen Andeutung eines Jedi-Gedankentricks eine Angstreaktion auslöst. Eine nuanciertere oder sogar subversive Sicht auf die Jedi, die Sith und ihr Verhältnis zueinander kann funktionieren und ist in Star Wars auch nicht unbedingt neu, tritt hier aber bedauerlicherweise so unbeholfen und schon fast verzweifelt unverhohlen zu Tage, dass man sich in so mancher Szene fragt, wie der Orden überhaupt so lange überleben konnte (Ähnliches machen allerdings die Serien, die nach dem Fall des Imperiums spielen, mit der Neuen Republik – zeichnet sich hier ein Muster ab?).
Ein Hoffnungsschimmer? Positive Aspekte
Trotz der zahlreichen negativen Eindrücke, die The Acolyte hinterlässt, gibt es jedoch durchaus auch positive Facetten und Momente, die sich über die neue Star Wars-Serie verteilen und diese zwar nicht retten, aber zumindest unterhaltsamer und für Fans interessanter machen:
Allen voran sind das die mit schnellen, spannungsreich choreografierten Martial Arts-Einlagen gespickten Kampfszenen und optisch beeindruckenden Lichtschwertduelle, die ähnlich wie seinerzeit die Prequels frischen Wind und neue Action in das Konzept bringen. Eher obskure Referenzen wie unter anderem das Metall Cortosis, das ähnlich (wenn auch nicht ganz so widerstandsfähig) wie das Beskar der Mandalorianer gegen Lichtschwertklingen eingesetzt werden kann, der Barash-Eid oder die Lichtpeitsche sind derweil gefundene „Easter Eggs“, und mit der Figur der Jedi-Meisterin Vernestra Rwoh wird zudem eine intermediale Brücke zu den High Republic-Romanen geschlagen.
Darüber hinaus sticht Lee Jung-jae mit seiner weitgehend überzeugenden Darbietung als Meister Sol hervor, eines leicht an Liam Neesons Qui-Gon Jinn erinnernden Jedi-Ritters, dem Gefühle nicht fremd sind, der mitunter impulsiv handelt und der mit dem starren Dogmatismus des Ordens hadert.
Und auch wenn das Produktionsdesign nicht immer punkten kann, so spürt man hier und da doch durchaus den Aufwand und die Ambition durchscheinen, die hinter The Acolyte stecken; von den unterschiedlichen Jedi-Roben für Coruscant und Offworld-Missionen bis hin zu den tricktechnisch einwandfreien Raumschiffszenen. Das Potenzial der erweiterten visuellen Palette, die sich aus der Epoche der Hohen Republik ergibt, wurde ebenfalls erkannt und genutzt, wenn auch nicht voll ausgeschöpft.
Fazit
The Acolyte ist das mutige Experiment, einen Krimi samt der entsprechenden Erzählstruktur im Star Wars-Universum zu realisieren und über dieses Vehikel frische Ideen in das Franchise einzubringen, was letztendlich aber leider nicht glückt. Trotz der Verlegung der Handlung in die Zeit der High Republic ist die Serie nicht vor inhaltlichen Widersprüchen mit der Skywalker-Saga gefeit und noch dazu voller Szenen, die unfreiwillig komisch, ja geradezu peinlich und memehaft wirken.
Einige Pluspunkte wie die gelungene Kampfchoreografie gibt es zwar, diese können The Acolyte aber nicht vor dem schwachen Plot und der zumeist schwer bis nicht nachvollziehbaren Charakterentwicklung bewahren; bis auf einige wenige Ausnahmen bleiben die handelnden Figuren blass und sind selbst nach einem unerwartet drastischen Ende recht schnell wieder vergessen - und zum Staffelschluss bleiben spürbar zu viele lose Fäden und offene Fragen.
Bedauerlicherweise trifft die Serie noch dazu so manche mit Blick auf den Canon höchst kontroverse Entscheidung und dürfte für Star Wars zu einem ähnlichen Minenfeld werden wie The Last Jedi – und tatsächlich sind die Parallelen zwischen den beiden Projekten verblüffend:
Wie schon Rian Johnson vor ihr prescht auch The Acolyte-Schöpferin Leslye Headland mit ihrer Agenda vor und pflügt bei dem wenig subtilen Versuch, die Zuschauererwartung bewusst zu unterlaufen, deutlich zu taktlos durch das Star Wars-Lore. Und das ist sehr schade für die erste Live-Action-Umsetzung der Ära der Hohen Republik, die durchaus mehr Potenzial geboten hätte.