Star Wars: Ein Franchise zum Vergessen?

SG-1 Daniel Jackson   |   Ferne Welten   |   vom 03.10.2016

Teaser - Ein Franchise zum Vergessen

Es werden mehr und mehr Pläne zum großen Star Wars-Franchiseplan bekannt, Trailer zum ersten Ableger Rogue One schwemmen das Internet, die gut geölte Hypemaschinerie – die bereits für das Marvel Cinematic Universe verantwortlich zeichnet – läuft schnurrend an.

Nur ich stehe wieder einmal neben der jubelnden Menge und frage mich, aus welchen Quellen dieser Jubel sich überhaupt speist.

 

Manche Dinge sind Verklärung durch einen dicken Filter aus Nostalgie – waren die Eiskugeln früher wirklich größer? - der es immens erschwert, noch eine sachliche Diskussion zu bestimmten Themen zu führen, weil es eben nicht bloß ein Thema ist, sondern beinahe schon eine Ideologie.

Ähnlich verhält es sich, sollte man dem unvorsichtigen Drang erliegen diesen Titel in den Mund zu nehmen, diesen Namen wie Donnerhall auszusprechen, sollte man tatsächlich über Star Wars reden wollen. Selbst unter der strikten Beschränkung auf die Film-Saga gehen Verfechter der Originaltrilogie fackelschwenkend auf die Barrikaden, lässt der Gesprächspartner auch nur ein gutes Haar an den Prequels. Im Gegenzug wird anhand irrwitziger Argumente versucht die technische Leistung der „alten“ Filme im Nachgang zu schmälern und selbstverständlich kann die andere Seite niemals auch nur einen Punkt haben, der als zutreffend eingestuft wird.

Schon hier erreichen wir einen Punkt, an dem eine Diskussion dadurch unmöglich wird, dass keine der Seiten das Argument des anderen bloß ablehnt, es scheint ihnen vielmehr unmöglich, diese Meinung überhaupt zu vertreten. Ab jetzt diskutiert man über die Legitimität von Meinung, mit der es meist nicht weither ist, beherrschen doch feste Blöcke des Diskurs.

Addieren wir nun noch das Expanded Universe – oder jede andere Bezeichnung, die im Meer aus nicht-sprechenden Wörtern nicht schnell genug davonlaufen kann – innerhalb dieser Gleichung hinzu, ist ein Punkt an Absurdität erreicht, der tatsächlich ohne Rückkehr bleiben dürfte. Sobald nun also Diskussionen darüber ausbrechen, ob ein Lichtschwertdesign dem Kanon entspreche, sogar in Buch X aus Jahr Y Erwähnung findet und die Gegenseite vehement beteuert, Buch X aus Jahr Y sei eben nicht einmal Teil des Erzählkanons, setzt es aus. Worüber reden wir denn gerade?

Hier findet sich das erste Hauptproblem des Star Wars-Universum, wie es vor der Disneyübernahme existierte: Es hat keine konsistente Lore. Entgegen anderen Großproduktionen vom Schlag eines Der Herr der Ringe besteht eben keine ausgearbeitete Welt, deren Verlauf durch einen Autoren oder ein Autorenteam festgelegt wurde und in dessen Grenzen es definierte Konstante gibt.

Tolkin selbst lieferte mit dem Silmarillion – posthum – eine detaillierte Darlegung der erzählten Welt, innerhalb der die einzelnen Erzählungen Mittelerdes angesetzt sind, weshalb keine logischen Brüche innerhalb dieser auftreten, sondern sich ein homogener Stil durch sämtliche Werke zieht. Dies ist eben Folge einer inneren Logik.

Star Wars besitzt diese jedoch nicht, entstand doch alles um die erste Trilogie herum in einem stetigen Evolutionsprozess. In den Prequels entsteht nun die Verrenkung, der Macht, eine zuvor als mythisch eingestufte Kraft, die keiner Erklärung bedurfte, eben doch ihren Mythos zu nehmen, indem auf mikroskopische Lebensformen in den Körpern aller Lebewesen zurückgegriffen wird.

Diese Information wird dem Zuschauer dabei lapidar vor die Füße geworfen, er soll es einfach hinnehmen, dass dieses Wissen durch den Fall der Republik eben verloren ging, was ihm allerdings niemals gezeigt, ja nicht einmal erklärt wird. Ein gutes Beispiel für „lazy storytelling“, versuchen die Autoren hier doch, dem Zuschauer eine neue, alles verändernde Information als Trivialität darzustellen. Für die handelnden Figuren mag dies zutreffen, nicht jedoch für den Zuschauer, welcher die Macht eben bloß als mythisches Kraftfeld kennt, dessen Auswirkungen alles Leben durchdringen. Ihm müssten die Filme eine Erklärung liefern, wie dies in die erzählte Welt passt.

Ein Effekt der sich exponentiell verstärkt, je mehr neue Werke im Nachgang eines abgeschlossenen Erzählkanons entstehen, durch sie finden immer wieder neue Paradigmen Eingang in die erzählte Welt, ergeben in deren etablierter Logik jedoch keinerlei Sinn. Insbesondere die Bücher aus der Zeit der Klonkriege und die Serie The Clone Wars sehen sich diesem Problem ausgesetzt, verändern sie doch oft retroaktiv die Charakterentwicklung und -zeichnung einzelner Figuren, deren Handeln in späteren Werken damit seine Stringenz verliert. Teilweise ergeben Charaktere in ihrer kompletten Ausrichtung keinen Sinn. Andere Fragen werden komplett trivialisiert, so verliert Anakins Verlangen nach einem normalen Leben außerhalb des Zölibat der Jedi deutlich an Wucht, arbeiten sich doch viele der Werke des Expanded Universe an unerheblichen und rundheraus austauschbaren Romanzen ab. Im Roman Feuertaufe geht es auch um eine verbotene Liebschaft, ebenso bei Obi-Wans Zusammentreffen mit den Biodroiden, hier geht ein Klonkrieger romantischen Gefühlen nach und selbst im Prequel-Roman um Darth Maul verliebt sich natürlich eine junge Padawan.

Mir wird allerdings über die ersten drei Episoden stets eingebläut, wie wichtig der Erhalt von Ordnung in der erwählten Welt ist: Die Republik entscheidet sich für ein stehendes Heer aus geklonten Menschen, entgegen ihrer diplomatischen Grundkonstellation, um ihre Ordnung aufrecht zu erhalten. Keiner der Jedi zeigt jemals Anzeichen den Regeln auf lange Sicht zu widersprechen, ihnen ist die Bedeutung von Ordnung klar, weil sie im gegensätzlichen Teil des Paradigmas – dem Chaos – die Werte der Sith repräsentiert sehen. Im Fall der Republik wäre es die Anarchie.

Wo in den Filmen noch Anakins Bewegung in den topologischen Raum Chaos zu einem Beuteholer-Effekt führt, der in seiner Wandlung zu Darth Vader resultiert, verliert dieses Ereignis im großen Erzählkanon an Relevanz. Tatsächlich muss man als Rezipient nachgerade die Frage stellen, weshalb bei einer solch massiven Menge an Zweifeln, nicht längst die Auflösung des alten Ordnungsbegriffs gegenüber einem neuen stattfand.

Tatsächlich war ich froh über die Ankündigung seitens Disney, man wolle das gesamte Expanded Universe aus dem Erzählkanon streichen, sodass eine Festigung des eigenen Erzählstils und der inneren Logik der erzählten Welt daraus resultiere. In meinem Hinterkopf meldete sich jedoch ein kleines, giftiges Stimmchen, das nicht müde darin wurde mir einzuflüstern, es handle sich bei Star Wars bloß um das nächste große Franchise nach dem MCU, dem eine klare Linie verloren gehe.

Bis zum Kinostart von Episode VII konnte ich vielleicht noch daran glauben, es würde alles werden, sahen die ersten Bilder unter der Ägide Abrams derart vielversprechend aus und mitten in diese Parade der aufkeimenden Vorfreude fährt mir die Ankündigung von Rogue One wie ein Güterzug.

Manche Geschichten muss man nicht erzählen, an manchen wunden Punkten nicht rühren, aber anscheinend macht es der breiten Masse nichts aus, einen weiteren heruntergekurbelten Actionstreifen zu bekommen, auf dem nun zufällig der Titel Star Wars prangt. Das Rogue One dabei eine Geschichte erzählen wird, die eigentlich keiner wirklich sehen muss, sondern die aus reinem Selbstzweck in die Kinos kommt, interessiert dabei freilich auch niemanden.

Es gibt so etwas wie Legendenbildung in einer – erzählten – Welt, manche Taten werden heroisiert, um ein leuchtendes Beispiel für alle anderen zu sein und waren tatsächlich eine dreckige Angelegenheit, der es zumeist an all den heroischen Attributen fehlte. Nun kommen diese Legenden in ausbuchstabierten Bildern und werden selbstverständlich genauso heroisch, wie sie es in den Erzählungen zu einem späteren Zeitpunkt sind. Zudem fehlt noch etwas wesentlich wichtigeres: Eine Spannungskurve. Der Zuschauer weiß bereits wie der Film ausgehen muss, wodurch schon einmal eine was-Spannung eliminiert wird. Nun mag der ein oder andere sich melden und anbringen, dass selbst im Nibelungenlied eine wie-Spannung angewandt wurde, dennoch involviert das Geschehen den Leser. Dazu: Natürlich ist dies richtig, aber für eine geeignete Ausnutzung dieser dramaturgischen Form, müssen die Charaktere dem Zuschauer sofort ans Herz wachsen.

Allerdings würde dies einen – nicht unerheblichen – Aufwand an Exposition erfordern, welcher den Beginn des Film stark strecken würde, zumal der Cast relativ groß ist und sämtlich Figuren eine ausreichende Charakterzeichnung erhalten sollten. Gleichzeitig müssen die Figuren jedoch unbedeutend genug bleiben, sodass sie keinen bleibenden Einfluss auf die Handlung der Episoden IV-VII hätten. Somit besteht die Chance sie zu vergessenen Soldaten zu machen, die in Ausübung ihrer Pflicht fielen, allerdings vollbringen sie einen Dienst, der sie nach der inneren Logik unvergessen machen müsste – wie können sie also derart in Vergessenheit geraten?

Andererseits können sie auch nicht einfach überleben und dann vollkommen unerwähnt bleiben in den anschließenden Filmen, die sie natürlich nicht erwähnen können, weil sie bereits existieren.

Doch wieso fliegen diverse Helden nicht die wichtigen Einsatz? Es bräche erneut die erzählerische Kontinuität.

Selbstverständlich kann ich nicht über den finalen Film sprechen, ist dieser doch noch nicht zu sehen gewesen, allerdings geben die Trailer einen guten Eindruck von den zu erwartenden Dingen, weshalb ich zumindest eine begründete These aufstellen kann, die ich im Zweifelsfall liebend gern revidiere.

Das gesamte Konstrukt einer zusammenhängenden Welt wird für ein Franchise aufgegeben, das eben einen simplen Zweck verfolgt: Den Gewinn zu maximieren.

In den nächsten Jahren wird es mehr Filme, Serien und andere Medienprodukte geben, auf denen der Name Star Wars steht und am besten kennt man als Kinogänger dann auch alle Ableger, weil Informationen eben nicht mehr konsistent in einer Erzählung vorliegen, sondern möglichst breit ausgewalzt werden, damit auch jeder Film ein Erfolg wird. Der Zuschauer soll alles ansehen. Er soll konsumieren und sich nicht mit den lästigen Stolpersteinen von Rezeption herumschlagen, an dieser Ausrichtung erhängte sich nun auch Episode VII, der leider an extrem vielen Punkten nicht funktioniert. Denken wir bloß einmal an die Logiklücken: So beherrscht Rey die Macht in gezielter Weise, ohne dafür einen langen Trainingsprozess durchlaufen zu müssen, was jedoch nach der Logik in der erzählten Welt nicht aufgeht. Bisher wurde klar gemacht, dass die Macht sich bloß als diffuses Gefühl äußert, welches den Betreffenden beeinflusst. Nicht umgekehrt.

Gegenargument wäre, Rey sei nun einmal besonders und könne deshalb die Macht in diesem Logikbruch beherrschen, allerdings wird bis zum Ende des Films nicht einmal gezeigt, weshalb sie so besonders sein sollte. Das wäre somit keine erzählerisch herbeigeführte Erklärung – sollte sie noch aufkommen – sondern bloß eine herbei geschriebene.

Dann ihr Duell mit Kylo Ren: Wie kann sie gegen einen ausgebildeten Schwertkämpfer bestehen, der zudem noch die dunkle Seite der Macht nutzte und hiermit durch eine Verletzung sogar noch verbissener kämpfen müsste. Dies ist in der Welt angelegt, ergibt sich die Macht der dunklen Seite doch aus negativ konnotierten Gefühlen, unter denen Schmerz durchaus seinen Rang haben dürfte.

Rey hingegen hat gerade einmal ein paar Leute mit ihrem Stock verdroschen. Wieso kann sie plötzlich mit einem Lichtschwert umgehen, einer Waffe die auch für ihren Träger potenziell tödlich sein kann? Soll dies auch durch ihre tiefe Verbindung zur Macht erklärt werden, über die ich bereits gesprochen habe? Selbst unter der Annahme, der Bowcaster sei eine besonders machtvolle Waffe, und die Verletzung dadurch besonders schwerwiegend, hätte Ren sie immer noch innerhalb von zwei Schwerthieben erstechen müssen.

Das Finn hingegen eine Waffe zumindest führen kann, ergibt sich aus der Tatsache, dass er eine Grundausbildung bei den Sturmtruppen erhalten haben wird, egal ob er später Wartungsarbeiten erledigt oder nicht, seine Soldaten bildet man aus. Allerdings hält auch er nicht lang gegen den versierten Ren durch und wird innerhalb kürzester Zeit besiegt.

Und sollte mir jemand erzählen wollen, all dies habe Ren so stark erschöpft, dass er nun keine Chance mehr gegen ein Mädchen hat, wirkt das doch wie Zweckopposition. Die Punkte dazu sind bereits hinreichend ausgeführt.

Ich könnte noch weiter machen und die Ideenlosigkeit im Bezug auf die feindliche Motivation kritisieren oder das Star Wars inzwischen scheinbar ein Videospiel ist, in dem man alles dreimal tut, damit es auch wirkt und von dem Lichtschwert – das eigentlich bei Bespin im All schweben müsste. Wo ist denn das Lichtschwert, mit dem Luke in Episode VI kämpft? Das hat er mitgenommen?

Und von der letzten Szene fange ich gar nicht erst an.

Von innerer Logik, einem stringent verfolgten Stil oder tiefen, komplexen Figuren können wir damit Abschied nehmen, denn am Ende eines solchen Fahrplans steht bloß noch der reine Komerz.

Schade, denn als Franchise ist Star Wars für mich völlig vergessenswert.

 


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