Autor: Sinaida
Titel: Vom Glück zu Hause zu sein
Serie: SGA
Rating: PG
Anmerkungen:
• Die Story spielt direkt nach der Folge „The Return 2“, als die Replikatoren vertrieben und alle wieder auf Atlantis sind.
• Auf die Idee zu der FF kam ich durch das Drabble Vom Glück des Nichtstuns von Antares. So stelle ich mir die Vorgeschichte dazu vor.
• Ganz vielen lieben Dank an patk für’s Beta!
Vom Glück zu Hause zu sein
Ronon streckte die Füße aus, lehnte sich zurück und versuchte, es sich auf dem schmalen Stuhl am Konferenztisch so bequem wie möglich zu machen. Er unterdrückte ein Gähnen. Besprechungen, in denen es nicht darum ging wie man die Wraith ausrotten konnte, waren Zeitverschwendung. Aber es war gut wieder zurück zu sein, in der Stadt der Vorfahren, gut, wieder mit seinem Team zusammen zu sein. Besonders mit Sheppard und Teyla. Besprechungen gehörten dazu. Auch wenn es nur um die Planung eines regelmäßigen freien Tages für alle oder den Mullbindenvorrat der Krankenstation ging.
Er ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Sheppard saß lässig in seinem Stuhl und trommelte mit den Fingern der rechten Hand einen lautlosen Rhythmus auf den Tisch. Teyla nippte an ihrem Tee und schien mit den Gedanken weit weg. McKay tippte auf seinem Laptop, machte ab und zu „hm“ und nickte gerade dann bestätigend, als Beckett darüber sprach, wie wichtig es war, Fußpilz vorzubeugen. Ronon grinste. Dr. Weir war wohl die Einzige, die aufmerksam zuhörte.
„Danke, Carson, für die sehr ausführliche Stellungnahme“, sagte sie einen Moment später mit einem angespannten Lächeln. Sie rieb sich die Stirn, als hätte sie Kopfschmerzen.
„Bitte, sehr gerne geschehen, Elizabeth“, erwiderte Beckett und lehnte sich zufrieden zurück.
„Okay, das war’s dann?“, fragte Sheppard hoffnungsvoll und setzte sich aufrechter hin.
„Warum die Eile? Haben Sie noch etwas Wichtiges vor, Colonel?“ Dr. Weir hob die Augenbrauen und neigte den Kopf etwas zur Seite.
„Ah, nein, nichts, was nicht noch etwas warten könnte“, meinte Sheppard verbindlich und lehnte sich wieder zurück.
„Aber wir haben etwas vor“, warf McKay ein, ohne von seinem Laptop aufzublicken. „Oder hast du vergessen, dass wir …“ Er unterbrach sich und sah hoch, als Sheppard seufzte. „Ähm, egal“, winkte er hastig ab.
„Dass Sie - was?“, hakte Dr. Weir nach.
„Wichtige Arbeiten zu erledigen haben“, versetzte McKay rasch. „Ich brauche sein Gen. Für …“ Er wedelte mit der Hand durch die Luft. „Antiker … dinge und Ähnliches.“
Ronon grinste. McKay war ein miserabler Lügner. Fast wie Cousin Lutok, der beim Lügen immer angefangen hatte zu stottern. Todsicher wollten McKay und Sheppard sich wieder in dieses Labor im unteren Bereich der Stadt verdrücken, wo sie dieses langweilige Spiel gefunden hatten. Er hatte sie darüber reden hören.
“Antikerdinge? Soso.“ Um Dr. Weirs Mundwinkel zuckte es kurz, dann fuhr sie ernster fort: „Eine Kleinigkeit noch, dann sind wir fertig.“ Sie nickte Ronon über den Besprechungstisch hinweg zu. „Das betrifft unter anderem auch Sie, Ronon.“
„Hm?“ Ronon sah sie fragend an.
„Wir erwarten mit der nächsten Ankunft der Daedalus mehr Personal. Da Sie alle Ihre bisherigen Quartiere ja sowieso geräumt hatten, ist das ein günstiger Zeitpunkt, um über eine sinnvollere Aufteilung nachzudenken.“ Dr. Weir blickte kurz auf den Bildschirm ihres Laptops. „Ronon, Ihr altes Quartier liegt in der Nähe der Laboratorien. Dr. Parrish hatte beantragt, die Quartiere in diesem Bereich den Wissenschaftlern zur Verfügung zu stellen. Und es wäre günstig, die ständigen Mitglieder der Gateteams in der Nähe des Gateraums unterzubringen.“ Sie sah wieder auf und lächelte Ronon zu. „Wenn Sie bereit wären umzuziehen, könnten natürlich auch persönliche Wünsche berücksichtigt werden. Ein besonders schöner Ausblick, ein Balkon …“
„Rodney zum Beispiel wollte ein Quartier mit Badewanne“, bemerkte Sheppard mit einem leicht neckenden Unterton.
„Und?“, fragte McKay und reckte herausfordernd das Kinn. „Ich ziehe es eben vor zu baden, anstatt zu duschen.“
Vernünftig. Nichts entspannte die Muskeln besser nach einem anstrengenden Training als heißes Wasser. Als Kind hatte Ronon immer gebadet, wenn es möglich war. Später war selten Zeit für diese Art Entspannung gewesen. Sauberkeit war wichtig, schützte vor Krankheiten. Aber ein ausgiebiges Bad in heißem Wasser war Luxus. Und für einen Runner sogar unmöglich. Doch jetzt lebte er hier, in der Stadt der Vorfahren. Und wenn McKay ein Quartier mit Wanne haben konnte …
„Mit Blubberblasenschaum“, ergänzte Sheppard und grinste.
Ronon hob die Augenbrauen. Woher wusste Sheppard, wie McKay badete? Und was war Blubberblasenschaum?
„Hochwertiger, rückfettender Badezusatz, um ein Austrocknen der Haut zu verhindern, das …“
„Und Rosenduft.“
„Meine Herren“, unterbrach Dr. Weir mit einem nachsichtigen Lächeln. „Vielleicht können Sie Dr. McKays Badegewohnheiten später diskutieren.“ Sie sah Ronon fragend an. „Sind Sie damit einverstanden, näher am Gateraum zu wohnen, oder möchten Sie Ihr altes Quartier behalten?“
„Nah am Gateraum ist gut.“ Ronon zuckte mit den Schultern. Es war nicht wichtig, wo er wohnte. „Mein neues Quartier. Hat das auch eine Wanne?“, fragte er nach einem Moment.
„Nein. Es hat eine Dusche, genau wie Ihr früheres.“ Dr.Weir runzelte die Stirn. „Möchten Sie lieber ein Quartier mit Wanne, Ronon?“
„Sicher.“ Wer, außer einem hirnlosen Tulak, würde dazu 'nein' sagen? „Wenn das geht“, fügte er hinzu.
Sheppard hob die Augenbrauen. McKay verschränkte die Arme vor der Brust und wirkte so, als hätte er gerade eine Partie Schach gewonnen.
Dr. Weir räusperte sich und lächelte ihm zu. „Das lässt sich bestimmt einrichten. Ich kümmere mich darum.“
„Danke.“
Sie wandte sich an alle: „So, das war alles. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.“
***
Ronon erwischte McKay kurz vor dem Abendessen als er gerade in die Messe wollte.
„Hey, McKay!“ Er hielt ihn am Arm fest. „Blubberblasenschaum? Was ist das?“
McKay sah ihn einen Moment lang verständnislos an.
„Du badest darin“, erinnerte Ronon.
„Oh, das.“ McKay rollte die Augen. „Um Himmels Willen, es heißt nicht Blubberblasenschaum, das ist nur Sheppards Art um …“ Er winkte ab. „Egal. Badeschaum oder Badezusatz ist die richtige Bezeichnung. Es ist ein … ein Mittel, das man ins Wasser gibt, es duftet angenehm und nicht zwangsläufig nach Rosen, egal was Colonel Aqua Velva behauptet. Zudem schützt es den Säureschutzmantel der Haut, also, die besonders hochwertigen Badezusätze, die ich benutze, haben jedenfalls diesen Effekt, außerdem ...“
Ronon hörte nur mit halbem Ohr zu und nickte. Auf Sateda hatten sie Öle verwendet.
„Wo bekomme ich das?“, unterbrach er McKays Vortrag über Hautjucken und allergische Reaktionen auf Duftstoffe.
„Was?“
„Diesen … Badeschaum?“
„Du willst wirklich …?“ Rodney musterte ihn einen Augenblick, eine steile Falte zwischen den Brauen.
„Ja“, sagte Ronon schlicht.
„Hmm.“ McKay nickte. „Also, hier vermutlich nicht. Jedenfalls nicht die wirklich guten Marken, die ich benutze und andere würde ich nicht empfehlen, denn …“
„Hautjucken und Allergien“, ergänzte Ronon.
„Exakt!“ McKay grinste und deutet mit dem Zeigefinger auf ihn. „Daher hatte ich mir welchen von der Erde mitgenommen.“
„Schade.“ Ronon zuckte mit den Schultern. Dann würde er eben versuchen, etwas Oula-Öl aufzutreiben. Auf dem Straßenmarkt von Croya, vielleicht. Dort gab es alles Mögliche.
***
Dr. Weir hielt Wort. Eine paar Tage später bezog Ronon sein neues Quartier, das ganz in der Nähe des Gateraums lag und einen abgeteilten Raum mit einer großen Badewanne hatte.
Er hatte gerade den Rest seiner Sachen aus seinem alten Quartier geholt, als McKay vor seiner Tür auftauchte.
„Hier, das ist für dich“, sagte er anstelle einer Begrüßung und drückte Ronon ein kleines Päckchen in die Hand, das mit glattem, silberblauem Papier eingeschlagen war.
„Und … ähm … frohe Weihnachten“, fügte McKay hinzu.
„Weihnachten?“
„Jaja, ich weiß, Weihnachten ist längst vorbei, aber … da waren wir gerade auf der Erde und du hier, also keine Möglichkeit für Geschenke und daher - sieh es einfach als verspätetes Weihnachtsgeschenk.“
Ronon betrachtete das Päckchen von allen Seiten. Es war seltsam - die Menschen von der Erde brauchten anscheinend immer einen Anlass, um jemandem etwas zu schenken. Und dieser Tag, den man als Geburtstag eines Mannes festgesetzt hatte, an den die meisten nicht einmal glaubten, war dafür besonders beliebt.
McKay rieb sich die Stirn. „Du … ähm … du weißt doch, was Weihnachten ist?“
Innerlich schüttelte Ronon den Kopf. Glaubte McKay, dass er nach zwei Jahren immer noch nichts über dieses Fest wusste, das für die Menschen, unter denen er lebte, so wichtig war? Wäre er wirklich so unaufmerksam, dann hätte er keine sieben Jahre als Runner überlebt. McKay dachte zu viel über seine Wissenschaft nach und zu wenig über die Leute, mit denen er lebte und arbeitete. Noch etwas, das er mit Lutok gemeinsam hatte. Der hatte die Namen aller Sterne und ihre Bewegungen am Himmel gekannt, sich aber nicht einmal merken können, an welchen Tagen seine engsten Freunde ihr Initiationsjubiläum hatten. Ab und zu hatte Lutok das gebraucht, was Sheppard einen kleinen Dämpfer nannte. McKay schadete das auch nicht.
„Ja.“ Ronon fixierte McKay ausdruckslos. „Das Fest, an dem man Leuten, die man nicht leider kann, beeindrucken will. Man schenkt ihnen viel zu teuren Kram. Den sie dann wieder umtauschen.“
Rodney riss alarmiert die Augen auf und hob abwehrend die Hände. „Nein, nein, nein, das ist … das hast du … gut, zugegeben, ich habe vermutlich das eine oder andere Mal erwähnt, dass ich persönlich …“
Und genau wie Lutok war auch McKay viel zu leicht aufzuziehen. Ronon begann zu grinsen.
„Oh, haha“, bemerkte McKay, rollte die Augen und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Keine Sorge.“ Ronon schlug ihm auf die Schulter. „Dr. Russos Kurs zur Völkerverständigung. Ich hab ihn besucht. Genau wie du. Weihnachten ist das Fest der Liebe. Man beschenkt Freunde und Familie.“
Und ja, ging es nicht genau darum bei diesem Geschenk? Familie. McKay gehörte dazu. Wie Teyla und Sheppard. Wie Lutok, der bei dem letzten Angriff der Wraith auf ihre Heimatstadt an seiner Seite gekämpft hatte.
Wie McKay auf Einsätzen neben ihm kämpfte - auf seine eigene Art. Ungeschickt im Nahkampf, immer mit zu vielen Worten, aber einem Verstand, scharf und tödlich wie ein geschliffener Dolch.
Zuverlässig.
McKay errötete leicht. „Ähm, ja, so … so in der Art“, erwiderte er und räusperte sich. „Willst du’s nicht aufmachen? Dass man Geschenke öffnet, stand bei dem 'Lass uns für die seltsamsten Bräuche und Rituale Verständnis haben'-Kurs doch auch auf dem Programm, wenn ich mich recht erinnere“, bemerkte er spitz, aber mit einem schiefen Lächeln.
Vorsichtig entfernte Ronon das Papier und öffnete die Schachtel. Darin befand sich eine kleine Flasche aus kunstvoll geschliffenem Glas, gefüllt mit einem dickflüssigen Gel. Sie funkelte im matten Licht der Flurbeleuchtung wie ein Juwel.
„Zieh den Stöpsel heraus und riech dran“, forderte McKay ihn ungeduldig auf.
Ronon warf ihm einen zweifelnden Blick zu, tat es aber.
Der Duft von Sommerregen, geschnittenem Gras und herben Wiesenkräutern drang in seine Nase. Er schluckte gegen die Erinnerungen an, die plötzlich in ihm aufstiegen. Als wären in dem kleinen Fläschchen die Gerüche seiner Kindheit eingeschlossen. „Gut“, murmelte er. „Das riecht … sehr gut.“
„Ja, nicht wahr?“ McKay strahlte. „Badeschaum. Ich bekomme mit der nächsten Lieferung der Daedalus sowieso Nachschub von meiner bevorzugten Marke und da du erfolglos nach diesem … diesem Öl gesucht hast …“
„Danke“, sagte Ronon aufrichtig.
„Und“, erklärte Rodney und deutete auf die Flasche in Ronons Hand. „Das ist besser als Öl.“
„Warum?“ Sorgfältig verschloss Ronon die Flasche wieder.
„Öl macht die Hände so glitschig. Ich habe die besten Ideen, wenn ich bade, aber Öl und die Tastatur meines PCs“, er wackelte mit den Fingern. „Keine gute Kombination. Abgesehen davon lässt sich ein Glas mit öligen Händen sehr schlecht festhalten.
„Glas?“
„Ja, ich trinke ab und zu ein Glas Wein beim Baden. Natürlich nur dann, wenn ich nicht gerade an wichtigen Berechnungen sitze, um unser aller Überleben hier sicherzustellen, also - sehr selten.“
Ronon schnaubte belustigt. „Sicher.“
„Nun ja, wie auch immer.“ Rodney winkte ab. „Aber glaub‘ mir, ein heißes Bad, athosianischer Ruus-Wein und dunkler Schokoladenkuchen - es gibt nichts Entspannenderes.“ Er lächelte. „Probier’s aus.“
***
Drei Tage später tat Ronon genau das.
Die Mission nach Hoth, wie McKay und Sheppard die Eiswelt Kunundis nannten, war Zeitverschwendung gewesen.
Kein ZPM, dafür Schnee und eisiger Wind, der durch das dickste Leder drang.
Zähneklappern und durchgefrorene Knochen – mehr hatte ihnen dieser Einsatz nicht eingebracht.
Ronon schälte sich, mit immer noch steifen Fingern, aus seiner Kleidung.
Dann stellte er Wein und Kuchen bereit und ließ sich in dem warmen Wasser, das dank McKays 'Weihnachtsgeschenk' nach seiner verlorenen Heimat roch, zurücksinken.
Es war gut, zu Hause zu sein.
~ Ende ~