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Thema: [ReverseBang] Reise zum Mittelpunkt der Erde

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    Lieutenant General Avatar von Antares
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    Standard [ReverseBang] Reise zum Mittelpunkt der Erde

    Titel: Reise zum Mittelpunkt der Erde (1/16)
    Autor: Antares
    Serien: SGA und SG-1
    Genre: AU, Abenteuer, Romanze
    Rating: von PG bis R (je nach Kapitel)
    Pairing(s): John/Rodney, Rodney/male character und Jack/Daniel
    Inhalt: Wer stiehlt schon das Gepäck von Leuten, die aus Geldnot zu Fuß unterwegs sind, statt das Dampfboot zu nehmen? Diese Frage stellen sich auch Major Sheppard und Colonel O’Neill. Doch dieser Diebstahl ist erst der Anfang einer Reihe seltsamer Ereignisse. Beinahe zu spät finden sie heraus, dass auch Daniel und Rodney mit in die Intrige verwickelt sind, die sie in einen Strudel von Abenteuern reißt, in deren Verlauf sie nicht nur Dr. Zelenka und Sam Carter treffen, sondern auch widerwärtige Gegenspieler und gefährliche Gegner, und an deren Ende eine schwere Entscheidung aber auch neue Freundschaften stehen.
    Beta: Besten Dank an Lyddie für das super aufmerksame Beta, die vielen guten Hinweise und die viele Zeit, die sie in diese Geschichte investiert hat – Danke! Und an Valdan für das Durchsprechen verschiedener Ideen und die lieben Ermunterungen. *g*
    Anmerkungen: Dies ist ein AU, das Anleihen beim Steampunk genommen hat. Es spielt jedoch nicht in einem neo-viktorianischen London, sondern in einem alternativen Universum. Aber viele Versatzstücke, die aus Steampunk-Werken bekannt sind, haben auch hier Eingang gefunden. Den Titel habe ich mir natürlich bei Jules Verne geborgt. (Voyage au centre de la Terre, 1864)
    Fanart: Mein Dank gilt Sinaida, die einen so wunderbaren Dr. Zelenka geschaffen hat, der von einem Teil seiner verrückten Erfindungen umgegeben ist und perfekt das Gefühl für die Zeit herüberbringt, in der die Story spielt.



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    I. Der „Grüne Hahn“

    Es dämmerte bereits, aber das warme Licht der Gaslaternen vermittelte noch fast den Eindruck von Tag. Major John Sheppard war immer wieder erstaunt, wie viel Helligkeit man damit in die Nacht bringen konnte. Bevor er die Straße überquerte, blieb er für einen Moment stehen und bewunderte die wohlproportionierte Fassade des Hauses gegenüber. Halbrunde Säulen rahmten nicht nur die imposante Eingangstür, sondern auch jedes hell erleuchtete Fenster dieses wuchtigen, vierstöckigen Hauses, das aus gelbem Sandstein erbaut worden war. Noch war es nicht rußgeschwärzt wie viele der umliegenden Häuser, aber in ein paar Jahren würden der Kohlenstaub und die Rußpartikel, die immer schwer in der Luft lagen, außer wie heute bei ablandigem Wind, auch diese Fassade dem einheitlichen Grau der Nachbarhäuser angepasst haben.

    Import- und Exportkontor Nova Ashingtonia, verkündeten meterhohe Goldbuchstaben auf der Eingangsfront. Das Gebäude war protzig und sprach vom Reichtum dieser Stadt, die noch vor vierzig Jahren ein verträumtes Fischerörtchen und Piratennest am Ende der Welt gewesen war. Jetzt war sie eine rasch wachsende Handelsmetropole, die mit dem Aufkommen der Dampfschiffe rasant an Bedeutung gewonnen hatte.

    Eines der wichtigsten Handelsgüter, das in Nova Ashingtonia umgeschlagen wurde, waren Menschen. Nicht weniger als ein halbes Dutzend Handelskontore hatte John allein auf der Hauptstraße gezählt, und das waren nur die renommiertesten. Sheppard war sich ziemlich sicher, dass es in den Außenbezirken der Stadt auch Schmuggelware zu kaufen gab – wie bei allen Dingen, stellten Menschen keine Ausnahme dar.

    Dieses Haus war ihm von diversen Kameraden beim Militär empfohlen worden und so beschloss er, hier sein Glück zu versuchen. Er wartete auf eine Lücke in dem dichten Verkehr aus Pferdekutschen und von Eseln gezogenen Wagen. Ließ noch die halbwüchsigen Burschen mit ihren Handkarren passieren und die Dampfwagen, die ohne Pferde auskamen und schnaufend und ratternd in einer Wolke aus Wasserdampf über die unebenen Straßen holperten. Dann nutzte er eine Lücke, schlängelte sich zwischen einem Maultier und mehreren Passanten durch und querte die Straße.

    Hoffentlich fand er in dem Handelshaus das, was er suchte, denn John hatte keine große Lust, viel Zeit auf die Suche zu verschwenden. Seine Ansprüche waren nicht hoch. Er ging noch einmal im Kopf sein Barvermögen durch und derart in Gedanken versunken rempelte er in der Eingangstür einen anderen Kunden an.

    „Oh, Verzeihung!“ Als er aufschaute, um sich wortreicher zu entschuldigen, rief er nach einer Sekunde überrascht: „Colonel O’Neill!“ Der Colonel war ebenso wie er nicht in Uniform sondern in Zivil unterwegs und wahrscheinlich hatte er deswegen einen Moment gebraucht, dem Gesicht unter dem Hut einen Namen zuzuordnen.
    „Major Sheppard. Was für ein Zufall. Was führt Sie hierher?“
    Sie kannten sich flüchtig von dem letzten Feldzug gegen die Wraith, deren Königin immer wieder den Süden des Landes bedrohte. Sie waren beide Offiziere und hatten schon ein paar Mal zusammen zu Mittag gegessen und gemeinsam an einigen Einsatzbesprechungen teilgenommen. Alles berufliche Kontakte, bei denen sie sich weitgehend nur über berufliche Angelegenheiten unterhalten hatten.
    „Ich denke, dasselbe wie Sie, Sir. Für die Krönungsfeierlichkeiten des neuen Königs zur Sommersonnwende brauche ich noch einen Leibdiener.“
    „Aber … die Familie Sheppard hat doch hunderte von Sklaven?“, meinte O’Neill fragend.
    „Mein Vater. Nicht ich“, korrigierte John den Colonel.
    „Ich verstehe.“
    John glaubte nicht, dass O’Neill die Komplexität des Problems, was sein Verhältnis zur Familie im Allgemeinen und zu seinem Vater im Besonderen betraf, auch nur ansatzweise verstand. Aber er hatte auch keine Lust, das in diesem Moment weiter auszuführen und so ließ er es unkommentiert stehen.
    „Nach Ihnen.“ John machte eine einladende Handbewegung in Richtung Tür.
    „Danke.“

    Sie traten durch die Eingangstür und gaben ihre Mäntel und Hüte an der Garderobe ab. Ein in dunkelrote Breeches und hellrote Jack gekleideter feister Verkäufer eilte auf sie zu. Die Farbwahl war sehr unglücklich, denn sie passte gar nicht zu seiner hellen Haut und den rötlichen Haaren. Der Mann wischte sich mit einem Spitzentaschentuch übers Gesicht und steckte das schweißnasse Tüchlein dann in seine Jackentasche.
    „Womit kann ich dienen? Suchen Sie Leibwächter oder Verwaltungsfachleute, Gespielen, Leibdiener oder jemanden für Hausarbeiten? Männlich oder weiblich?“
    „Einen Leibdiener. Aber auf jeden Fall sollte er nicht den Sold eines Soldaten überschreiten“, meinte O’Neill und schaute sich zweifelnd in dem prächtigen Ausstellungsraum um.

    In vergoldeten Käfigen saßen oder standen wunderschöne, spärlich bekleidete Menschen, deren Muskeln eingeölt waren und jetzt im Licht der Gaslampen, die strategisch günstig platziert waren, fein ziseliert oder wuchtig glänzten. Die ganze Doppelmoral ihrer Gesellschaft wurde so augenfällig, denn ansonsten galt es als verwerflich, unbekleidete Körper zu betrachten. Ja, selbst über die Bilder der alten Meister hatten einige Besitzer Tücher oder Schleier malen lassen, um die Nacktheit zu verhüllen, die frühere Generationen noch viel unbefangener dargestellt hatten. Aber diese Einschätzung galt nicht für Sklaven. Sie waren Dinge, Waren, der Bestand in einer Verkaufsliste, nicht mehr. Die Missachtung als Mensch ging soweit, dass nicht nur Männer, sondern auch Frauen und Paare an ihnen entlang flanierten und ihnen gelangweilte oder interessierte Blick zuwarfen. So wie sie es auch bei einem neuen Möbelstück oder Gemälde tun würden.

    Jack wandte seinen Blick wieder von den potentiellen Käufern auf die angebotenen Frauen und Männer. Das mochten ja prächtige Vertreter der Gattung Mensch sein, aber O’Neill konnte sich nicht vorstellen, dass auch nur einer dieser Männer für das Leben, das er beim Militär führte, geeignet war. Er warf einen flüchtigen Blick auf den Mann, der ihm am nächsten war. Was sollte er mit diesem androgynen, langhaarigen Kerl? Was würde passieren, wenn der ihn auf einen Feldzug begleiten musste? Der brauchte ja mehr Zeit für die Haarpflege, als er, um sein Pferd zu satteln. Nein, hier gab es wohl nicht das, was er suchte.

    „Tausend Goldstücke bin ich bereit auszugeben, mehr nicht“, erklärte O’Neill ohne Umschweife. Wenn es dafür in diesem Etablissement nichts gab, konnte er auch genauso gut woanders suchen und bräuchte hier nicht weiter seine Zeit zu verschwenden.
    Das freundliche Lächeln des Verkäufers wurde deutlich kühler. „Tausend Goldstücke? Dafür bekommt man heutzutage nicht mehr viel“, verkündete er jammernd und mit einem Kopfschütteln, ehe er sich hoffnungsvoll an John wandte. „Und der Herr?“
    „Das ist auch meine Vorgabe.“ John war froh, dass es tatsächlich ungefähr die Summe war, an die auch er gedacht hatte, denn es stünde einem Major wohl schlecht an, in Gegenwart eines Colonels mehr ausgeben zu wollen.
    „Ich verstehe.“ Missbilligend presste der schwitzende Verkäufer die Lippen zusammen und winkte einen jungen Burschen heran. „Nyan, zeig den Herrschaften die Ware im vierten Stock. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen.“ Mit einem angedeuteten Kopfnicken verabschiedete er sich und eilte auf wohlbetuchtere Kundschaft zu.

    „Wenn Sie mir bitte folgen wollen.“ Der junge Mann lud sie mit einer Handbewegung ein, ihn zu begleiten. Sie kamen noch an etlichen Käfigen vorbei, vor denen potentielle Kunden standen, ehe sie vor einem Paternoster haltmachten. „Wollen Sie damit fahren, oder lieber die Treppe benutzen?“, fragte der junge Mann.
    „Ich bin noch nie in so einem Ding gefahren“, meinte O’Neill. „Natürlich will ich das mal ausprobieren.“
    „Ich ebenfalls.“ Begeistert war John schon bis an den Schacht getreten.
    „In Ordnung.“ Der junge Mann grinste erfreut. „Die meisten unserer Kunden trauen sich nämlich nicht. Dabei ist es vollkommen ungefährlich.“
    Die drei Männer warteten, bis einer der hölzernen Fahrkörbe vorbeikam, dann sprangen sie hinein und ließen sich vier Stockwerke nach oben transportieren.

    In dieser Etage war weit weniger los, die Käfige waren kleiner, aus einfachem Holz, und oftmals teilten sich mehrere nackte Sklaven einen Käfig. Auf aufwändige Beleuchtung und In-Szene-Setzen hatte man hier verzichtet. Die Kundschaft war nicht in Pelzmäntel oder Seide gekleidet und mit Juwelen behangen, sondern in normale Alltagskleidung aus Wolle oder Tuch gewandet. Zu Wohlstand gelangte Kaufleute oder andere zu Geld gekommene Bürger suchten hier nach Arbeitskräften.
    Das sah schon mehr nach dem aus, wonach O’Neill suchte.
    „Wollen Sie sich umschauen, oder kann ich Ihnen helfen, etwas Bestimmtes zu finden?“, erkundigte sich der junge Verkäufer.
    O’Neill guckte Sheppard an und der meinte: „Wir schauen uns erst mal um, und wenn wir Fragen haben, kommen wir auf Sie zurück?“
    „In Ordnung.“ Nyan zog sich hinter einen Schreibtisch zurück und schlug die erste Akte des hohen Stapels, der mit gefährlicher Neigung auf einem Eck balancierte, auf.

    „Verflucht. Ich hasse das“, meinte der Colonel aus tiefstem Herzen und strich sich mit einer Hand durch den Nacken. „Ehe sie soweit sind, dass man sie zu etwas gebrauchen kann, gehen wieder Wochen und Monate drauf. Warum müssen Offiziere als Statussymbol unbedingt einen Leibdiener haben? Ein simpler Soldat, der mit allen anfallenden Tätigkeiten vertraut ist, täte es doch auch. Stattdessen müssen wir unseren sauer verdienten Sold auf einen … Grünschnabel verschwenden, der von nichts eine Ahnung hat und von dem harten Soldatenleben schon mal gar nicht. Das ist eine unnötige Verschwendung von Zeit und Ressourcen!“
    Sheppard nickte. „Das ist wahr. Das ist wirklich eine überholte Tradition. Bin gespannt, wann die endlich mal abgeschafft wird.“ Auch John würde lieber mit einem routinierten Soldaten zusammenarbeiten, als mit jemandem, der womöglich noch nie eine Waffe in der Hand gehabt hatte. Aber vielleicht hatten sie ja Glück und fanden jemanden mit Kenntnissen auf diesem Gebiet.
    „Werden wir wohl nicht mehr erleben“, O’Neill zuckte resigniert die Schultern. „Dafür mögen viele unserer Offiziere zu sehr das Gefühl von Macht, das sie empfinden, wenn sie sich mit einem Leibdiener umgeben können. Denken Sie nur daran, wie zum Beispiel Colonel Sumner seine häufig wechselnden Leute behandelt.“
    Sheppard und Sumner waren alles andere als Freunde und so nickte John bestätigend.

    „Was ist übrigens passiert, dass Sie ohne Leibdiener dastehen?“, wollte er wissen.
    „Kowalsky ist von einer Schlange gebissen worden.“ O’Neill seufzte. „Ist nur zwei Tage später gestorben. Und bei Ihnen, warum brauchen Sie einen neuen?“
    „Ford ist desertiert. Da waren wohl auch Rauschmittel im Spiel, ich habe das nie ganz genau herausgefunden. Und bei einem Angriff ist er dann zu den Wraith-Truppen übergelaufen.“
    „Wenigstens keine Ori-Priesterkrieger.“
    „Ich weiß wirklich nicht, wer schlimmer ist.“
    „Nein, ich auch nicht.“
    „Was ein trauriges Statement ist, wenn man bedenkt, dass die Ori unsere Politik mitgestalten“, seufzte Sheppard.
    Sie warfen sich einen verständnisvollen Blick zu – es war immer nett, jemanden zu treffen, der genauso dachte wie man selbst – und traten zu dem ersten Käfig.

    * * *
    Im hinteren Teil des Raums hatte ein Mann die Ankunft der beiden genau beobachtet. „Rodney?“, wandte er sich an seinen nackten Zellengenossen.
    „Mhmm?“, fragte der Angesprochene, ohne seine Augen zu öffnen. „Was ist, Daniel?“
    „Es sind gerade zwei hereingekommen, die sich getraut haben, mit dem Paternoster zu fahren.“
    „Na und? Würde ich auch.“ Rodney, der auf der einzigen Pritsche lag, starrte immer noch mit geschlossenen Augen gegen die Decke.
    „Darum geht es nicht. Du weißt, dass uns die Zeit davonläuft. Weiter als bis in die vierte Etage kann man uns nicht mehr verbannen. Wenn wir uns nicht bald so benehmen, dass uns jemand kauft, enden wir womöglich noch in den staatlichen Silberminen.“
    „Mir egal.“
    „Das ist nicht egal! Mir nicht und auch dir nicht. Rede nicht so leichtfertig daher!“ Daniel zwang sich zur Ruhe. „Vertraust du meiner Menschenkenntnis?“, erkundigte er sich sanft und legte Rodney, neben den er sich gekniet hatte, eine Hand auf den Arm.
    Rodney wandte den Kopf und schaute Daniel an. „Du willst dein Schicksal in die Hand eines Mannes legen, nur weil der sich traut, Paternoster zu fahren?“ Daniel war wirklich manchmal zu naiv für diese Welt. Aber er hatte ja auch nur eine Besitzerin gehabt, die ihn wie ihren eigenen Sohn aufgezogen hatte, und nicht wie er Dutzende von wechselnden Besitzern. Da wurden einem vielleicht solch romantische Flausen in den Kopf gesetzt.
    „Irgendein Kriterium muss ich ja anlegen“, meinte Daniel mit einem winzigen Lächeln.

    „Ja, klar.“ Aber Rodneys Neugierde war geweckt. Er wollte sehen, wer dort Daniels Aufmerksamkeit errungen hatte. Er tadelte noch einmal: „Du bist verrückt“, schwang jedoch seine Beine von der Pritsche und setzte sich auf. „Dann lass mal sehen.“
    Daniel setzte sich neben ihn und deutete mit einer Kopfbewegung auf die beiden Männer, die langsam von einem Käfig zum anderen schritten und miteinander diskutierten. Beide waren groß und schlank, trugen schwarze Lederstiefel und braune Hosen, der eine eine dunkelgrüne und der andere eine schwarze Jacke, unter der eine gestreifte Weste und ein weißes Hemd mit einer nachlässig gebundenen Krawatte sichtbar war.
    „Die sind vom Militär, selbst wenn sie jetzt in Zivil sind“, stellte Daniel fest.
    „Und woran erkennst du das? Der Haarschnitt des Schwarzhaarigen ist sicher nicht Standard“, wandte Rodney ein.
    „Es ist ihre Haltung und beide haben einen Stockdegen dabei, die einzige Waffe, die sie unerkannt mit hierher bringen können.“

    Rodney musterte die Neuankömmlinge misstrauisch. Nein, er wollte nicht in die Silberminen, dort würde er wohl nicht lange überleben. Die Geschichten, die man von dort hörte, waren grausam. Rodney gab sich keinen Illusionen hin. Er war kein muskelbepackter Held, der sich dort durchsetzen könnte. Aber er war es auch so leid, von einem dusseligen Besitzer zum nächsten weiterverkauft zu werden. Wenn sein reizender Erzeuger ihn nicht vor Jahren, als er noch minderjährig gewesen war, im Glücksspiel verloren hätte, hätte er jetzt ein kleines Einkommen und würde vielleicht nicht glücklich, aber doch frei in irgendeinem Kaff für Leute Dinge reparieren, um Geld zu verdienen, damit er sich seiner großen Leidenschaft, der Forschung, widmen konnte. Aber so hatte er noch fünf Jahre Sklavendienst vor sich. Die er irgendwo verbringen musste.

    Wahrscheinlich hatte Daniel recht und man sollte selbst in dieser beschissenen Lage versuchen, so viel Einfluss wie möglich auf das eigene Schicksal zu nehmen. Und das fing damit an, dass man sich so frech oder so entgegenkommend verhielt, dass man gekauft wurde oder nicht. Er kannte doch das Spielchen, hatte es schon oft genug mitgemacht. Rodney musterte die beiden genau, denn im Laufe der Jahre hatte er gelernt, dass es einige Anzeichen gab, auf die man achten musste. Es mochte eine Binsenweisheit sein, aber oft schimmerte der Charakter im Äußeren durch – und dann galt es, auf die Warnzeichen zu achten. Unbedingt waren Herrschaften zu vermeiden, die zu Jähzorn neigten, es gab kaum etwas Schlimmeres.

    Er vermutete, dass Daniel ein unbeschriebenes Blatt war, was viele Dinge des praktischen Lebens betraf, aber bisher hatte er recht gute Menschenkenntnis bewiesen, zumindest was die Aufseher und das restliche Personal in diesem Kontor betraf. Wahrscheinlich, weil er einfach länger als er selbst bereit war, sich für einen anderen Menschen zu interessieren. Und Daniel hatte selbst ihm seine … Freundschaft aufgedrängt. Mit einem schiefen Grinsen gestand sich Rodney ein, dass er nicht wusste, ob das für oder gegen gute Menschenkenntnis sprach.

    „Sie haben ein angenehmes Äußeres“, teilte ihm Daniel gerade in dem Moment mit, als auch Rodney dachte, dass sie beide nicht übel aussahen. Weder der Schwarzhaarige, noch der Grauhaarige.
    „Das sagt gar nichts“, gab er missmutig zu bedenken.
    „Hilft aber bei einigen Pflichten.“
    Rodney stieß ein bitteres „Ha“ aus. Vielleicht war Daniel doch nicht so weltfremd?
    „Wollen wir es wagen?“, fragte Daniel zögerlich.
    „Na schön“, zeigte sich Rodney großmütig. „Vielleicht verlieren wir uns dann auch nicht ganz aus den Augen, wenn sich die beiden kennen.“
    „Stimmt.“ Daniel schaute Rodney an. „Und was machen wir jetzt?“
    „Ich halte meine Klappe und du sprichst. Genau das Gegenteil von dem, was wir sonst tun“, meinte Rodney sarkastisch und fuchtelte mit seinem Zeigefinger herum.
    Daniel grinste.

    Das war der Moment, in dem Sheppard und O’Neill an die Gitterstäbe traten.
    „Die ersten beiden, die nicht apathisch oder betont lasziv in ihrem Käfig sitzen“, meinte der Colonel erstaunt zu dem Major.
    Rodney, den es wütend machte, wenn man über seinen Kopf hinweg redete, so als ob er überhaupt nicht anwesend sei, schluckte seinen Ärger hinunter und knuffte Daniel in die Seite.
    Der sprang eilfertig auf und trat ans Gitter. „Hallo, ich bin Daniel Jackson und das ist Rodney McKay. Wir … ähm … wir …“, er schaute sich hilfesuchend zu Rodney um.
    „Sind wahnsinnig erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, was sonst“, rutschte Rodney mit beißendem Spott heraus.
    „Ähm … ja.“ Daniel nickte und rieb nervös seine Hände.
    Sheppard lachte und O’Neill schaute so, als wollte er seinen Ohren nicht trauen.

    In dieser Sekunde wurde Daniel klar, dass er Rodney dazu bringen musste, den Schwarzhaarigen zu nehmen. Wer sonst würde schon über Rodneys freche Äußerungen lachen, statt pikiert zu sein? Bisher jedenfalls noch keiner, Rodneys Bemerkungen hatten mögliche Interessenten meist schnell vertrieben. Wenn es gut gelaufen war, waren sie nur aufm Nimmerwiedersehen verschwunden, wenn es schlecht gelaufen war, und einer der Angestellten es mitbekommen hatte, war Rodney gestraft worden Und deshalb erschien dieser gut aussehende Schwarzhaarige, der über Rodney lachen konnte, wie ein Versprechen auf die Zukunft. Zwar war ein Militärangehöriger nicht der ‚ältere Gelehrte‘, auf den Rodney immer noch hoffte, wie er ihm eines Abends gestanden hatte. Aber bisher war noch keiner aufgetaucht, der auch nur andeutungsweise zu Rodneys Wünschen gepasst hätte, und so beschloss Daniel, dass er Rodney in die richtige Richtung schubsen würde.

    Just in diesem Augenblick tauchte der junge Verkäufer wieder an ihrer Seite auf. „Oh, ich sehe, hier sind Sie inzwischen. Nun, ich fürchte, die beiden sind nichts für Sie. Der eine sagt gar nichts“, er zeigte auf Daniel, „und der zweite hat das bösartigste Mundwerk, das ich je gehört habe. Wollen Sie nicht lieber …?“
    „Wie viel kostet er und wie lange hat er noch?“, fragte Sheppard und zeigte auf Rodney.
    „Tausendzweihundert Goldstücke und seine Dienstzeit beträgt noch fünf Jahre.“
    „Steh auf und komm her“, befahl der Major und gab Rodney mit einem Finger ein Zeichen.

    Das war der Moment, den Rodney am meisten hasste. Sich wie die Ware, das Stück Fleisch, als das er angesehen wurde, begutachten und womöglich noch begrapschen zu lassen. Er wollte sich gerade weigern, als er Daniels flehenden Blick sah, der sich zu ihm von dort, wo er immer noch am Gitter stand, umgedreht hatte. Seine Lippen formten lautlos „bitte komm“. Hieß das, Daniel wollte den Grauhaarigen haben? Dann sollte er es ihm vielleicht lieber nicht vermasseln. Aber nur, weil Daniel ihm ein paar Mal von seinem Essen abgegeben hatte, als die Aufseher ihn für seine Aufsässigkeit mit Essensentzug gestraft hatten.

    Rodney erhob sich von der Pritsche. Jeder Schritt war so, als würde er durch zähen Lehm schreiten. Niemals war er sich seiner Nacktheit mehr bewusst, als in diesem Moment, wenn er sich einem zukünftigen Kunden präsentierte. Es war nicht das erste Mal, dass er das mitmachte, aber es wurde auch nicht einfacher, je öfter er das machte. Würde Daniel nicht mit hoffnungsvollem Blick dort am Gitter auf ihn warten, hätte er am liebsten wieder kehrtgemacht. Egal wie gut der Dunkelhaarige aussah. Noch zwei Schritte, dann stand er an den Gitterstäben, zwang sich die Hände lose am Körper herunterhängen zu lassen und sich nicht zu bedecken. Er starrte den Schwarzhaarigen an. Wenn der ihn jetzt an den Genitalien berührte, könnte Daniel sehen, wo er bliebe. Guter Vorsatz hin oder her. Rodney biss die Zähne aufeinander.

    Vorgestrecktes Kinn. Rebellion. Da hatte sich jemand noch gar nicht mit seinem Los abgefunden. John schaute sich den Mann genauer an. Er war nicht mehr der Jüngste, bestimmt kein Kämpfer, bestimmt keine Erfahrung auf dem Kriegsfeld, bestimmt nicht das, was John sich ursprünglich vorgestellt hatte. Er war von Aiden Ford so weit entfernt wie es nur ging. Der Mann vor ihm hatte schon deutlich sichtbare Geheimratsecken – und wunderschöne, blaue Augen, voller Zorn und … Traurigkeit. John ahnte, dass er sich das Leben sicher nicht leichter machen würde, wenn er jetzt Rodney McKay erstand. Sein Vater hätte missbilligt, dass er freiwillig Konflikte suchte, wo man sie vermeiden konnte.

    Nicht, dass sein Vater – oder sein Bruder – Sklaven schlecht behandelten. Sie waren schließlich eine Investition, die man getätigt hatte und die Rendite abwerfen musste. Und deshalb wurden sie ebenso gepflegt wie auch die Maschinen, Fabrikhallen, Wälder, Pferde oder sonstige Sachen, die in ihrem Besitz waren. Aber niemals hätte Sheppard Senior einen Menschen gekauft, der von vornherein Ärger bedeutete. John grinste innerlich. Ja, vielleicht war das auch ein Grund, warum dieser Sklave interessant für ihn war.
    Die Worte des Verkäufers hatten auch deutlich gemacht, dass er bisher alle Kunden vergrault hatte. Warum nicht ihn? Er würde es herausfinden.
    „Tausend und ich nehme ihn.“ John hoffte nur, dass er jetzt keinen Fehler beging, aber er hatte einer Herausforderung noch nie widerstehen können.
    Das erfreute Grinsen des jungen Verkäufers verriet, dass das wohl immer noch mehr war, als das Handelskontor je erwartet hatte zu bekommen. „Er gehört Ihnen für tausend Goldstücke.“

    „Es stimmt nicht, dass ich nicht rede“, sagte Daniel jetzt mit fester Stimme und schaute den Grauhaarigen an. Er wollte auf gar keinen Fall hier alleine zurückbleiben, jetzt, nachdem er Rodney erfolgreich vermittelt hatte. Zwar war der Mann auf der anderen Seite des Gitters schon älter, hatte recht harte Züge, schmale Lippen und einen durchdringenden Blick und man wollte sicher nicht auf seiner schwarzen Liste stehen. Aber er hatte auch Lachfalten um die Augen und Catherine Langford hatte immer gesagt, damit konnte niemand ein abgrundtief schlechter Mensch sein.
    Daniel warf alles in die Waagschale. „Ich beherrsche Buchhaltung, verstehe mich auf Haushaltsführung und spreche mehrere Sprachen. Ich kann mit Pferden umgehen, kann mich um Ihre Uniform kümmern und werde mich bemühen, alles andere zu erlernen.“ Sollte der Grauhaarige da doch hineininterpretieren, was er wollte. Daniel schaute ihn fest an.

    O’Neills Lippen verzogen sich zu einem schiefen Grinsen. Das war ja ein Pärchen, die beiden! Dieser hier wollte offensichtlich von ihm gekauft werden – und der andere? Nur gut, dass Sheppard sich für ihn entschieden hatte, Jack hätte nicht gewusst, ob er den hätte haben wollen. Jack sah den verzweifelten Versuch des jungen Manns, vor ihm Haltung zu bewahren. Sich anzubieten und doch nicht zu deutlich zu werden. Er hatte knapp schulterlange Haare und trug eine Brille und das gab ihm eine Verletzlichkeit, die Jack berührte. Ja, er würde ihn hier nicht zurücklassen. Und wer konnte schon sagen, wann ihm ein Sklave jemals wieder so viel Entgegenkommen signalisieren würde? Aber er war jung, verdammt jung, selbst wenn die langen Haare natürlich täuschen konnten, da sie sein Gesicht weicher aussehen ließen.

    „Ist er nicht etwas jung für mich?“, fragte Jack Sheppard. „Er ist bestimmt zehn Jahre jünger als ich.“
    „Soll er zehn Jahre älter sein?“, lachte Sheppard. „Wenn er jung ist, ist er widerstandsfähig und ausdauernd. Und das ist in unserem Beruf doch gut.“
    „Stimmt auch wieder. Wie viel?“, wandte er sich an den Verkäufer.
    „Eintausendfünfhundert.“
    „So viel habe ich nicht. Wir hatten doch Tausend gesagt.“ Resigniert schüttelte der Colonel den Kopf.
    „Er hat noch gut acht Jahre, fast das Doppelte von ihm.“ Er zeigte auf Rodney.
    „Es tut mir leid, das ist meine Obergrenze.“
    Der junge Verkäufer schaute auf Daniel und der löste seine Augen nicht von O’Neill.
    „Tausendzweihundert. Und ich darf auf die Rechnung acht Hundert für den“, er zeigte auf Rodney, „und Tausendvierhundert für den schreiben“, wandte sich der Verkäufer an den Colonel. „Mehr kann ich wirklich nicht tun.“ Er zuckte bedauernd mit den Schultern.

    Rodney holte tief Luft, doch ehe er losmeckern konnte, dass das eine Unverschämtheit und unter seiner Würde und Qualifikation sei, brachte ihn Sheppard mit einem bösen Blick zum Schweigen und sagte: „Das ist in Ordnung.“
    Es war nicht nur so, dass John keine Lust mehr hatte, länger weiterzusuchen, wenn O’Neill diesen Sklaven jetzt nicht kaufte und er es als seine Pflicht ansähe, ihn weiter zu begleiten. Es war vor allem das unbestimmte Gefühl, dass der junge Mann zu O’Neill passen würde – woher auch immer er den Eindruck hatte. Mut war eine Eigenschaft, die der Colonel schätzte, und der junge Mann machte den Eindruck, als würde er darüber verfügen. Außerdem, wenn er jünger war, war er vielleicht noch formbarer und hatte keinen so festen Willen. O’Neill könnte aus ihm den perfekten Helfer machen, der ihm vorschwebte.

    In Ordnung? „Ach ja?“ Jack betrachtete den Major mit einer hochgezogenen Braue. Seine Geldbörse fände eine solche Ausgabe wohl gar nicht in Ordnung.
    „Von meiner Seite aus schon. Von Ihrer nicht?“
    Super. Sheppard müsste ja auch nur einen niedrigen Kaufpreis auf den Papieren akzeptieren, obwohl er für den Mann mehr bezahlt hätte. Aber er? Das würde seine ganzen Kalkulationen über den Haufen werfen. Jacks Augen trafen auf Daniels, und die Hoffnung und das Flehen, das er dort sah, ließ ihn antworten: „Doch, doch.“ Er seufzte. „Müssen wir halt an der Rückreise sparen.“
    „Dann gehört Daniel Jackson Ihnen.“ Der Verkäufer rieb seine Hände und zeigte sich hoch erfreut, dass er zwei so schwierige Fälle jetzt in einer einzigen Transaktion verkauft hatte. „Wenn Sie mir dann bitte mit ins Büro folgen wollten, um die Papiere zu unterzeichnen. Wir lassen derweil die Sachen Ihrer Sklaven bringen.“
    Der Verkäufer, O’Neill und Sheppard verschwanden.

    „Zufrieden?“, fragte Rodney, als sie alleine waren.
    „So zufrieden, wie man unter den gegebenen Umständen sein kann“, erwiderte Daniel.
    „Hätte nie gedacht, dass ich mal bei einem Militär lande“, grummelte Rodney.
    „Ich auch nicht.“

    Ein Angestellter des Kontors kam und stopfte durch die Gitterstäbe zwei Bündel, die ihre ganzen Habseligkeiten enthielten, darunter ihre Kleidung. Daniel und Rodney kleideten sich rasch an. Es tat gut, nicht mehr nackt und würdelos herumsitzen zu müssen.
    „Daniel?“ Rodney warf ihm einen unbehaglichen Blick zu.
    „Ja?“
    „Wie soll ich es am besten sagen … du … du weißt schon, dass manche Herren von ihren Sklaven mehr wollen als Hemden waschen und Halstücher bügeln, ja?“ ‚Oh Gott, wie war er nur auf den hirnverbrannten Gedanken gekommen, mit Daniel über so ein heikles Thema zu sprechen?’, fragte sich Rodney. „Ich meine, weil du mir erzählt hast, dass du … wie ein Familienmitglied behandelt worden bist.“ Zwar hatte Daniel Andeutungen gemacht, dass er wusste, was alles zu den Aufgaben eines Sklaven gehören konnte, aber Rodney wettete, das war reine Theorie. In der Praxis war er damit bestimmt noch nicht konfrontiert worden. Und deshalb konnte er ihn da nicht blauäugig reinlaufen lassen.
    „Ja, das weiß ich. Ich werde es lernen, wenn es sein muss.“
    Rodney schloss für eine Sekunde die Augen. So viel Ernsthaftigkeit. Er holte einmal tief Luft und knöpfte derweil seine Jacke zu. „Verspann dich nicht und sieh zu, dass immer Öl oder Creme zur Hand ist. Dann geht es leichter.“ Shit, jetzt gab er schon Tipps zum richtigen Beischlaf zwischen Männern!
    „Danke, Rodney.“
    „Schon gut.“ Rodney winkte Daniels Aufrichtigkeit und Dankbarkeit mit einer wegwischenden Bewegung ab, er konnte nicht gut mit Dank umgehen.
    „Ich hätte auch Tausendfünfhundert für dich geboten“, sagte Daniel noch schnell und mit einem kleinen Lächeln, als er die drei Männer wieder aus dem Büro kommen sah.
    Rodney rollte die Augen. „Ja, ja.“ Er zögerte. „Ich bin das letzte Mal für vierhundert verkauft worden“, stieß er hervor und bereute es im selben Moment.
    Doch Daniel machte sich nicht über ihn lustig, sondern meinte nur: „Du bist weit mehr wert. Pass auf dich auf, Rodney.“
    „D…danke. Du auch.“

    Die beiden schüttelten sich die Hand. Sie kannten sich kaum drei Wochen, waren sich durchaus auf die Nerven gefallen, auf dem engen Raum, auf dem sie immer zusammen gewesen waren. Aber gleichzeitig hatten sie sich gegenseitig durch verzweifelte Tage und deprimierte Nächte geholfen. Sie hatten den anderen nicht als Sklaven behandelt, sondern als vollwertigen Menschen und sie hatten beide zu schätzen gewusst, dass der andere sich noch nicht aufgegeben hatte. Ihnen war bewusst, dass die gegenseitigen Wünsche sehr ehrlich gemeint waren.

    „Kein Grund sich groß zu verabschieden, der Colonel und ich haben beschlossen, gemeinsam zurückzureisen“, sagte Sheppard, als der Verkäufer die Tür des Käfigs öffnete.
    Daniel warf Rodney einen erfreuten Blick zu, O’Neill nickte bestätigend.

    Die beiden Militärs waren übereingekommen, dass das gar keine schlechte Idee war, und nicht nur von ihrer leeren Geldbörse diktiert wurde. Es war immer sicherer, mit vier Leuten zu reisen als zu zweit, selbst wenn der Weg über das Gebirge viel begangen war und als recht sicher galt. Außerdem würden sie bei der gemeinsamen Wanderung ihre neuen Leibdiener besser kennenlernen, bevor sie in der Kaserne ankamen. Die nächsten Tage würden Zeit für Unterhaltungen bieten und es ermöglichen, den anderen besser einzuschätzen. Eine Voraussetzung, die in einer Gefahrensituation, wie einem Feldzug, ganz wichtig war. Dort musste man sicher sein, dass man wusste, wie der andere reagieren würde, musste die Stärken und Schwächen des anderen richtig einschätzen können. Und eine mühsame Wanderung kam dem, was sie später erwartete, deutlich näher als eine fünftägige Reise auf einem Schiff, das wesentlich mehr Annehmlichkeiten bot.

    Der Verkäufer händigte Sheppard und O’Neill je ein Halsband aus. „Es ist mit zwei Flüssigkeiten gefüllt, die sich vermischen, wenn ihr Leibdiener versucht, es mit Gewalt abzunehmen. Die beiden Flüssigkeiten reagieren dann miteinander und es entsteht eine Säure, die ihm die Haut verätzt. Sie haben die fünfstellige Nummer, die Sie mit dem Kaufvertrag ausgehändigt bekommen haben. Wenn Sie die eingeben, greifen kleine Zahnräder ineinander und Sie können das Band ohne Probleme abnehmen.“

    „Neumodisches Zeugs“, meinte der Colonel. „Was spricht gegen ein Brandzeichen oder eine Tätowierung?“
    „Es mindert den Wiederverkaufswert. Nicht alle Käufer möchten die Liste der Vorbesitzer stets vor Augen haben.“
    „Na schön, geben Sie’s her.“ O’Neill streckte die Hand aus. „Daniel?“
    Daniel trat vor O’Neill und warf einen sehr misstrauischen Blick auf das Band. Eine Fessel war eine Sache – aber so etwas? Er schluckte und schaute den Colonel so ruhig es ging an.

    Als Jack Daniel das Metallband umlegen wollte, stellte er fest, dass es wie eine Schlange ausgeformt war. Fein ziselierte Schuppen, winzige rote Steine an den Stellen, wo die Augen bei dem richtige Tier wären, und wenn man es schloss, biss sich die Schlange in den Schwanz, um einen perfekten Ring zu formen. Ungefragt erschien Kowalskys Bild vor Jacks Augen. Der Mann, der ihm für mehr als zehn Jahre zuerst ein Diener und später dann ein guter Kamerad gewesen war, der ihn in alle Schlachten begleitet und ihm mehr als einmal den Hintern gerettet hatte, war wegen eines solchen Tieres gestorben. Nein.
    Angewidert gab Jack das Halsband zurück. „Ich bevorzuge den klassischen Strick“, meinte er und hörte, wie Daniel erleichtert ausatmete.

    In diesem Moment erkannten sie, dass sich bei den anderen beiden eine ganz ähnliche Diskussion entwickelt hatte – nur viel lautstärker und wortreicher.
    „… ist überhaupt nichts für meine empfindliche Haut. Das gibt Ausschläge, rote Pusteln, Schwellungen, ja bis hin zu eitrigen Aufschürfungen.“
    „Ein simples Metallband?“
    „Ja. Ich kann nichts für meine delikate Konstitution.“
    Sheppards Gesicht drückte seinen ganzen Unglauben aus.
    „Und außerdem ist es zu gefährlich. Wer sagt denn, dass der Mechanismus nicht mal versagt? Sich die Flüssigkeiten auch vermischen, weil zum Beispiel … zum Beispiel … Materialermüdung eingetreten ist? Und jetzt sagen Sie mir nicht, Sie haben noch nie davon gehört! Denn bestimmt haben Sie auch schon mal etwas wegwerfen müssen, weil es, trotz bester Pflege, einfach nicht mehr zu gebrauchen war. Und was, bitte, war das anderes als Materialermüdung?“
    „Oh, du hast also Angst vor dem Band?“ Sheppard grinste herausfordernd.
    „Nein. Ich habe aber Angst vor Technik, die von Idioten entwickelt worden ist, die wahrscheinlich nicht genau wussten, was sie taten.“ Rodney machte einen halben Schritt zurück.
    „Das ist ein Halsband aus der Manufaktur Oberoth! Die stellen die besten und fortschrittlichsten Sachen her, die man in dem Bereich bekommen kann“, mischte sich der Verkäufer empört ein.

    Jack nahm dem Verkäufer das Halsband, das für ihn gedacht gewesen war, wieder aus der Hand, warf es auf den Boden und trat einmal kräftig mit dem Stiefelabsatz drauf. Unter den faszinierten Blicken der Zuschauer liefen die beiden Flüssigkeiten aus. Es blubberte und brodelte, als sich die rote mit der blauen vermengte. Für atemlose vier, fünf Sekunden geschah gar nichts, dann fraß sich die lilafarbene Flüssigkeit unter Zischen in den Teppich des Verkaufsraums und brannte ein großes Loch mit hässlichen schwarzen Rändern in ihn.
    „Oh nein!“ Rodneys Blick war voller abgestoßener Faszination.
    „Damit ist die Sache wohl geklärt“, stellte Jack ruhig fest. „Ich bin nicht willens mein teuer erworbenes Eigentum auf diese Art und Weise zu verlieren. Und Mist und Unvorhergesehenes geschehen immer.“
    „Sehr eindrucksvoll“, stimmte ihm Sheppard zu.
    Der Verkäufer nahm dem Major mit übermäßiger Hast das Halsband aus der Hand, bevor es ebenfalls den unrühmlichen Weg des anderen Bandes gehen konnte.
    „Ich werde den Herren zwei kräftige Stricke holen lassen“, verkündete er.

    Es zeigte sich, dass Rodney das Spielchen schon oft genug mitgemacht hatte, denn ohne zu zögern streckte er Sheppard seine Hände hin. Der wickelte das Seil nur um ein Handgelenk und sie setzten sich in Bewegung.
    „Spricht was dagegen den Paternoster zu nehmen?“, fragte Rodney begierig.
    „Nichts.“
    Und so kam Rodney noch zu seiner Fahrt mit dem Paternoster und Major Sheppard kletterte auf seiner Wertschätzungsskala gleich mehrere Stufen nach oben.

    Als sie auf die Straße traten, war es inzwischen ganz dunkel geworden. Der helle Mond erleuchtete die Berge, die am Stadtrand von Nova Ashingtonia steil nach oben ragten und wie eine schwarze Wand wirkten. Die Stadt selbst war nicht nur von etlichen Gaslaternen erhellt, sondern am Hafen brannte auch ein Leuchtfeuer, um den einfahrenden Schiffen, die auch in der Nacht anlegten, eine Orientierung zu bieten.
    O’Neill erkundigte sich: „Wo sind Sie untergebracht?“
    „Ich wohne im ‚Goldenen Stern‘, im Fischerviertel.“
    Das war das Viertel mit den preiswerteren Unterkünften, genau dort, wo Jack auch untergekommen war. „Ich wohne im ‚Grünen Hahn‘, das dürfte ganz in der Nähe sein.“
    „Ja, zwei Querstraßen weiter.“
    „Auf geht’s.“
    Sie setzten sich in Bewegung.

    „Extrablatt!! Extrablatt!!“, brüllte der Zeitungsbursche, der an ihnen vorbeiging und ihnen ein Zeitungsblatt vor die Nase hielt.. „Die ‚Partei des Ursprungs‘ jetzt stärkste Partei.“
    „Was?“ Sheppard riss dem Jungen ein Blatt aus der Hand und händigte ihm die geforderte Münze aus. Er überflog den Text im Schein der Gaslaterne, während der Zeitungsverkäufer laut „Extrablatt“ rufend verschwand.
    „Es stimmt. Adria Mal Dorans Ursprungspartei hat die Stichwahlen in allen Stadtkreisen haushoch gewonnen! Sie verfügt jetzt über eine absolute Mehrheit innerhalb der Volksvertretung“, las John kopfschüttelnd vor.
    „Shit“, sagte O’Neill aus tiefstem Herzen. „Ich habe es nicht glauben wollen, als Major Davis mir sagte, die nächsten Wahlen würden so ausgehen. Ich meine, die machen immer noch dieselbe ultra-konservative, nationalistische Politik. Sie haben sich vor zwei, drei Jahren nur ein junges, hübsches Gesicht als Aushängeschild geholt – und alle fallen darauf herein?“ Er ließ sich von Sheppard das Zeitungsblatt geben und las selbst
    „Sie hat die volle Unterstützung der Ori-Priester, ja böse Zungen munkeln sogar, sie wäre der weltliche Arm der Ori. Und sie hat es geschafft, viele der großen, reichen Familien auf ihre Seite zu ziehen, indem sie versprochen hat, nichts am Status quo zu ändern.“
    „Und ich bezweifle, dass unser neuer König sich gegen sie durchsetzen kann. George war ein anderes Kaliber, der hat die Priester in Schach gehalten. Ich weiß nicht, wie sich Hank so machen wird.“
    Sehr erfreut über die Ehrlichkeit des anderen, was nicht selbstverständlich war, wenn es um politische Themen ging, aber in gedrückter Stimmung kehrten sie in ihre Hotels zurück.


    TBC...
    Geändert von Antares (23.07.2011 um 10:10 Uhr)


  2. #2
    Lieutenant Colonel Avatar von Shahar
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    Also, das ist ja mal was ganz anderes.

    Die Zeit und die Umstände sind ganz anders als erwartet.
    Jack und John sind also auf der Suche nach Leibdienern, Hank (?Landry?) wird zum König gekrönt, die Ori sind in die Politik involviert. Aber dennoch gibt es einen Krieg gegen die Wraith...
    Das ist wirklich interessant und macht Lust auf mehr.

    Irgendwie lustig fand ich ja schon Daniel und Rodney, wie sie versucht haben sich gegenseiteig schnellstmöglichst an den Mann zu bringen. Aber auch ihr Verhalten zueinander ist sehr schön geschriegen.
    Es brachte aber auch natürlich zum Nachdenken, wie es wohl damals wirklich war, als Sklavenhandel wirklich noch in solcher Form existierte.
    Ich finde du hast da ganz wunderbare Arbeit geleistet, diese beiden Welten, also die Geschichte und die Welt von Stargate miteinander zu verbinden.
    Wie gesagt, wirklich interessant, sehr fantasiereich und spannend.
    Ich freue mich schon sehr auf das neue Kapitel und kann es kaum abwarten.

    @Sinaida:

    Eine wirklich sehr schöne Fanart. Toll wie du Zelenka eingearbeitet hast und wie du das gesamt Bild in diesen "alten" Look gebracht hast. Wirklich toll.
    Online:
    SGA: ALEXA: Freaky Fridays
    Lachen und Weinen liegen manchmal so dicht nebeneinander … vor allem Freitags


    Scarcrow and Dr. McKay: Wa(h)re Freundschaft
    Ein russischer Arzt nimmt an einem Ärztekongress in den Staaten teil, doch auf ihn wird ein Anschlag verübt. Will man hinter seine wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Medizin gelangen, oder hat er gar mehr zu bieten?

  3. #3
    Ägypten-Fan Avatar von Valdan
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    @ Antares:

    Mann ist das ein Einstieg in ein AU...eigentlich harmlos, aber mit den Ori hinter der Regierung, das hört sich gar nicht gut an.

    Man fühlt sich sehr gut in dieses andere Universum versetzt und gleichzeitig sind dort so viele bekannte Namen und Versatzstücke aus Stargate eingebunden, dass es überhaupt nicht fremd ist.

    Angefangen bei John's unmilitärischem Haarschnitt, über Catherine Langford bis zu einem meiner Lieblingssätze, der mit den Antikern und ihren so oft daneben gegangenen Experimenten spielt:
    „Das ist ein Halsband aus der Manufaktur Oberoth! Die stellen die besten und fortschrittlichsten Sachen her, die man in dem Bereich bekommen kann“, mischte sich der Verkäufer empört ein.
    ..und schwupps, kurz darauf ist das Teil kaputt.

    Ich freue mich auf die weiteren Teile...

    @ Sinaida:

    Tolles WP - Zelenka sieht einfach nur klasse aus und auch der Hintergrund passt gut zu der Geschichte - von der Farbgebung mal ganz abgesehen. Aber mein Lieblingsstück - und das schon beim ersten Mal, als ich das WP gesehen habe - ist der Dalek. Ich mag die einfach...*gg*
    "Der Mensch fürchtet die Zeit, doch die Zeit fürchtet die Pyramiden."
    arabisches Sprichwort

    ***


  4. #4
    Leitung: Forum Avatar von Redlum49
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    „Was ist übrigens passiert, dass Sie ohne Leibdiener dastehen?“, wollte er wissen.
    „Kowalsky ist von einer Schlange gebissen worden.“ O’Neill seufzte. „Ist nur zwei Tage später gestorben. Und bei Ihnen, warum brauchen Sie einen neuen?“
    „Ford ist desertiert. Da waren wohl auch Rauschmittel im Spiel, ich habe das nie ganz genau herausgefunden. Und bei einem Angriff ist er dann zu den Wraith-Truppen übergelaufen.“
    Hehe, irgendwie kommt mir das sehr bekannt vor
    Schön wie du den Stargatehintergrund mit in die Story gebracht hast. Nicht nur an dieser Stelle.

    Rodney holte tief Luft, doch ehe er losmeckern konnte, dass das eine Unverschämtheit und unter seiner Würde und Qualifikation sei
    In diesem Moment erkannten sie, dass sich bei den anderen beiden eine ganz ähnliche Diskussion entwickelt hatte – nur viel lautstärker und wortreicher.
    „… ist überhaupt nichts für meine empfindliche Haut. Das gibt Ausschläge, rote Pusteln, Schwellungen, ja bis hin zu eitrigen Aufschürfungen.“
    „Ein simples Metallband?“
    „Ja. Ich kann nichts für meine delikate Konstitution.“
    Ich glaube Sheppard wird an seinem Sklaven noch sehr viel Freude haben *gg* - und die Leser auch

    Ich bin mal gespannt, wie es in dem AU weitergeht

    @ Sinaida:
    Wieder ein tolles FA. Schaut so richtig schön alt aus und passt perfekt zu der Welt in Antares FF. Hm nein, eigentlich andersrum … die FF passt zur Welt die du im FA angedeutet hast - egal auf jeden Fall eine tolle Kombination

  5. #5

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    Hach, das verspricht ja mindestens zwei Wochen lesevergnügen.

    Nach dem tollen Anfang in einem faszinierenden, teilweise auch beängstigenden Universum freue ich mich schon drauf.

    Ehrlich, eine Welt, auf der die Ori mitregieren, kann nicht in Ordnung sein. Wenn dann auch nach Daniel und Rodney Sklaven sind, dann wird noch einiges auf uns zukommen...
    Ich bin nett, höflich, liebenswert
    und zuvorkommend.
    Und garantiert nicht ironisch.
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  6. #6
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
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    John und Rodney, Jack und Daniel, diese Anziehung zwischen ihnen bestand schon immer. Das merkt man auch in dieser tollen Geschichte von Dir.

    Schön, dass Du sie, so wie es aussieht, wieder zusammen bringst. Wenn auch in einer ganz anderen Rolle, Zeit und Welt.
    In der wohl auch bald die Ori das sagen haben werden, oh mist.

    Da wird noch eine Menge Chaos zwischen John und Rodney passieren und interessante Gespräche zwischen Jack und Daniel stattfinden. Sie fühlen sich irgendwie magisch zueinander hingezogen. Man spürt es beim lesen Deiner tollen FF.

    Ich bin ja sehr gespannt, was noch alles passiert, vor allem wenn die Ori wirklich an die Macht kommen sollten.
    Geändert von John's Chaya (24.07.2011 um 20:13 Uhr)

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  7. #7
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    @Mella und Kris: danke für das Danke!

    @TinaS: Vielen Dank für die netten Anmerkungen! Es freut mich, dass dir die Freundschaft zwischen Rodney und Daniel gefällt und glaubhaft klingt, in so ganz vielen Episoden spielen diese beiden ja nicht zusammen.
    Und es freut mich natürlich ganz besonders, dass du diese neue Welt, in der sich die Charaktere jetzt befinden interessant, spannend und fantasiereich findest. Was für ein schönes Lob! Danke sehr!

    @Danke für die netten Worte! Und ja, ich fürchte auch, dass Rodney die Rolle eines Leibdieners nicht so ganz perfekt ausfüllen wird. Sheppard wird schon sehen, wen er da gekauft hat. *g*

    @Aisling: es freut mich, dass dir der erste Blick in diese neue Welt gefällt. Und eine Welt mit jeglicher Art von diktatorischer Politik, egal ob die Leute Ori oder anders heißen, macht eine Welt wahrscheinlich immer "beängstigend" wie du so schön sagst.
    Hach, das verspricht ja mindestens zwei Wochen lesevergnügen.
    - - Wohl eher vier, denn ich kann ja nicht jeden Tag 10 Seiten auf die Menschheit loslassen, sondern nur alle zwei, drei Tage.

    @John's Chaya: Vielen Dank, dass du jetzt schon die Anziehung siehst, selbst wenn sie sich erst so kurz kennen! *g* Und ob die Ori an die Macht kommen? Sie haben durch die letzten Wahlen und Adria ja schon einen festen Stand in der Regierung. Und es ist ja nicht gesagt, dass diese Ori dieselben Superkräfte haben, wie die SG-Ori! (Und Raumschiffe gibt es in dieser Welt überhaupt noch nicht. )


    Vielen Dank euch allen für die netten Antworten und morgen geht's weiter .....

  8. Danke sagten:


  9. #8
    Zitronenfalter Avatar von Sinaida
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    Das verspricht wirklich eine spannende Geschichte zu werden, deren erster Teil mir schon sehr, sehr gut gefällt.
    Ganz klasse finde ich, wie du diese Gesellschaft zeichnest. Wie z.B. die Selbstverständlichkeit des Sklavenhandels und damit einhergehend diese seltsame Doppelmoral (ein nackter Sklave ist nur nackte Ware, kein nackter Mensch und darf deswegen auch betrachtet werden) und dann die uns bekannten Charaktere, die natürlich von dieser Welt und ihren Vorstellungen geprägt sind, aber trotzdem positiv herausstechen.
    Die erste Begegnung zwischen John und Rodney hier, fand ich sehr gut gemacht, denn ähnlich wie in der Serie fasziniert Rodney, dass John einen Sinn für die Wissenschaft und den Fortschritt hat und John zeigt sich von Rodneys Schnippigkeit amüsiert und nicht abgestoßen.
    Überhaupt waren die Bezugnahmen auf den Stargate-Canon (z.B. Kowalski, der von einer Schlange gebissen wurde und Ford, der unter Drogen auf und davon ist) sehr gut eingeflochten. Insgesamt bin ich echt begeistert von diesem ersten Teil und freue mich auf die Fortsetzung.

    @Redlum, Valdan und TinaS
    Vielen lieben Dank für die netten Kommentare zu der Fanart. Mit hat es Spaß gemacht, dieses Wallpaper zu erstellen und mich freut es, dass ihr es gelungen findet. Und natürlich, dass Antares eine so tolle Story dazu schreibt.

  10. #9
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    @Sinaida: vielen Dank für dein tolles Feedback! Und ich freue mich sehr, dass dir diese Gesellschaft, die ich erfunden/aus der irdischen Geschichte bunt durcheinander agekupfert habe, gefällt. Und mit Doppelmoral können wir ja selbst heute noch dienen. *g*

    Was ich an AUs so mag, ist es dass man bekannte Ereignisse aus den Folgen einfach ein klein wenig ummünzen kann - und schon passen sie wieder, selbst, wenn es in einer anderen Zeit oder einem anderen Jahrhundert spielt. Sieht so aus, als gäbe es doch ein paar Sachen, die sich nie ändern.

    Und das Wallpaper ist wirklich klasse - und dank deiner durfte Radek jetzt sogar eine fahrbare Mini-Kanone entwickeln! *g*

    Danke sehr!

  11. #10
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
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    @ Sinaida

    Da ist Dir eine sehr schöne Fan-Art gelungen, sieht toll aus!!!
    Tut mir leid, ich dachte ich hätte es im Feedback schon geschrieben.
    Tja, so ist das, wenn man zigtausend Jahre alt ist, man wird vergesslich!!!

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  12. #11
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    Reise zum Mittelpunkt der Erde (2/16)

    Jetzt beginnt die Rückreise - und besonders Rodney ist gar nicht angetan davon.
    (Für dieses Kapitel: Rating: G, Pairing: keins)

    ----------------------------------------

    II. Der „Weiße Hirsch“

    Am nächsten Morgen, nach einem ausgiebigen Frühstück, trafen sich die vier wieder. Das Gepäck, das sie hatten, zwei Reisekisten des Majors, eine des Colonels und die beiden Bündel der Leibdiener, luden sie auf ein Maultier, das Sheppard für die nächsten Tage gemietet hatte. Maultiere waren die einzigen Reittiere, die den steilen und steinigen Anstieg bis hinauf zur Hochebene bewältigen konnten, da nur sie trittsicher und ausdauernd genug waren. Sie konnten das Tier praktischerweise am Ende der Gebirgsüberquerung wieder in einem Mietstall abgeben. Jemand anderes, der nach Nova Ashingtonia reisen wollte, würde es dann wieder zurückbringen. Der Weg, den sie gehen wollten, war ein viel genutzter Überweg über die Cheyenne Mountains, sodass das gar kein Problem darstellte. Und da er immer noch, trotz der Dampfschiffe, eine der wichtigsten Handelsverbindungen aus dem Norden nach Nova Ashingtonia war, war der Weg reichlich begangen und unterwegs ausreichend mit Herbergen, Gasthäusern und Pferdestationen ausgestattet.

    Sie verließen die Stadt in Richtung Norden, dort, wo die Ebene recht abrupt in das Gebirge überging, und kamen an einer riesigen Baustelle vorbei. Gigantische, dampfbetriebene Maschinen fraßen sich in den Berg und transportierten das Erdreich nach draußen. Dort wurden die Steine und Erden auf Maultiere und Sklaven verladen, die den Aushub zum Hafen transportierten, wo er zum Bau einer neuen Mole verwendet wurde. Mächtige Gerüste stützten den Stollen ab und es herrschten ein Höllenlärm und rege Betriebsamkeit.

    „Was wird das?“, brüllte Rodney, der neben Sheppard hertrottete.
    „Das? Das soll mal einen Tunnel geben, der Nova Ashingtonia mit dem Norden verbindet. Weil die Dampfwagen nicht über das Gebirge kommen, hat man sich in den Kopf gesetzt, sie durch den Berg fahren zu lassen.“
    „Mehrere Meilen lang?“
    „Ja. Ich denke auch nicht, dass das funktionieren wird. Man würde besser mehr Geld in die Dampfschiffe investieren und sehen, dass die noch schneller werden und so deren Fahrzeit von fast einer Woche verkürzen.“
    „Warum sind wir eigentlich nicht mit dem Schiff gefahren?“, erkundigte sich Rodney, als es hinter einer Wegbiegung wieder etwas ruhiger war.
    „Weil weder der Colonel noch ich die Passage für vier Personen bezahlen können. Vor allem, da Daniel ja auch noch teurer als geplant war.“
    „Die beiden hätten doch laufen können …“
    „Rodney!“ Und mit einem hinterhältigen Grinsen fügte Sheppard hinzu: „Außerdem macht es Spaß, sich körperlich zu betätigen.“ John hatte nur einen Abend gebraucht, um herauszufinden, dass Rodney lieber im Sitzen arbeitete, anstatt durch die Gegend zu laufen.
    „Oh ja. Es ist wirklich ein Vergnügen, auf den Hintern des Esels vor mir zu starren“, brummelte Rodney.
    Sheppard grinste.

    Der Weg war steil und anstrengend, da es aber noch durch den Wald ging, glücklicherweise nicht unerträglich heiß. Gegen Mittag machten sie eine Pause. O’Neill und Sheppard wählten ein einfaches Gasthaus am Wegesrand, wo sie für alle Eintopf bestellten, ihre Wasserflaschen wieder auffüllten und einen Moment ausruhten, ehe sie sich wieder auf den Weg machten.
    Daniel und O’Neill redeten über Wirtschaft und Politik, und Rodney wurde immer missmutiger, je länger der Tag und je steiler der Weg wurde.
    Sheppard, der wusste, dass es noch mindestens zwei Stunden bis zu der Herberge sein würden, wo sie übernachten wollten, beschloss Rodney etwas abzulenken. Außerdem wollte er gerne etwas über das Vorleben dieses recht seltsamen Sklaven herausbekommen.

    „Erzähl mir von deinen Vorbesitzern. Da musstest du doch bestimmt auch mal laufen. Die sind doch sicher auch nicht immer in der eigenen Kutsche gereist, oder?“
    „Viele von denen haben die Hauptstadt Ashingtonia nie verlassen. Und das waren kurze Wege, nicht so wie jetzt fast vierzehn Tage zu Fuß!“ Schon bei dem bloßen Gedanken, so lange durch die Lande laufen zu müssen, wurde es Rodney ganz angst und bang. Der Major mochte ja recht umgänglich sein, aber Daniel hätte bei seinem Menschenkenntnis-Dings ruhig auch mal voraussehen können, dass er ein hartgesottener Militär war, der zwei Wochen Wandern unter der Rubrik „Spaß“ verbuchen würde.

    „Was hast du für deine anderen Besitzer gemacht?“, erkundigte sich John.
    „Alles was anfiel, vor allem aber Reparaturen. Ich bin ein Genie, was das betrifft. Es gibt nichts, das ich nicht reparieren kann, seien es Uhren, Waffen, hydraulische Pumpen, mechanische Spielzeuge … einfach alles.“
    „Und wie kommt es dann, dass ich in deinen Papieren gelesen habe, dass ich der dreizehnte Besitzer in noch nicht einmal zwanzig Jahren bin? Und das auch nur, weil du bei dem ersten, Carson Beckett und seiner Mutter, fast sechs Jahre geblieben bist. Warum wollte danach niemand das Genie länger behalten?“
    „Was weiß ich, was in dem Kopf von jemandem vorgeht, der Sklaven kauft?“, fragte Rodney schneidend.
    John nahm den Vorwurf ohne sichtbare Regung hin. „Warum haben die Becketts dich verkauft?“
    „Carson, der in meinem Alter ist, wollte, als er achtzehn wurde, Medizin studieren – und woher sollten sie sonst das Geld nehmen? Der alte Beckett war schon Jahre zuvor gestorben und mit der Witwenrente allein war das nicht einfach. Ich konnte von Glück reden, dass sie mich so lange durchgefüttert haben.“ Rodney zuckte betont nachlässig mit den Schultern.

    John konnte nachfühlen, was das für eine schwierige Situation gewesen sein musste. Vielleicht hatte der junge Rodney in jugendlicher Selbstüberschätzung sogar für sich selbst einen Besuch der Hochschule erträumt gehabt? Selbst wenn es Sklaven nicht möglich war, einen Abschluss zu erwerben, so hätte er, wenn seine Besitzer für ihn die Studiengebühren entrichtet hätten, doch an den Vorlesungen teilhaben können.
    „Und die anderen?“, bohrte er nochmals nach. „Warum wollten die niemanden, der so gut ausgebildet ist wie du?“
    „Vielleicht weil es Dummköpfe waren? Und es kann sein … dass ich das in dem einen oder anderen Fall … mal habe verlauten lassen“, beendete Rodney den Satz aufsässig.
    Von dem Wenigen, was John bisher von Rodney kennengelernt hatte, glaubte er ihm aufs Wort, dass er in solchen Fällen den gesunden Menschenverstand ausschalten konnte und Dinge sagte, die man als Sklave besser für sich behielt.
    „Ich verstehe. Das kommt nicht so ganz gut an.“
    „Nein. Die Menschen sind erstaunlich wenig bereit, Fehler einzusehen“, sinnierte Rodney.
    Sheppard räusperte sich. „Vielleicht spielt auch noch das ‚Wie’ eine Rolle?“
    „Ja, Mrs Beckett hat mir das auch immer wieder gesagt. Aber … es ist verdammt schwierig zu entscheiden, wann die geforderte Ehrlichkeit in Unhöflichkeit umschlägt. Das habe ich nie richtig verstanden. Außerdem …“ Rodney seufzte und eine vage Handbewegung übernahm den Rest des Satzes.
    „Bei manchen ist es Zeitverschwendung“, vollendete Sheppard den Satz.
    „Genau.“ Rodney grinste erfreut, dass ihn endlich mal jemand verstand.

    Als es dämmerte, kamen sie endlich am „Weißen Hirsch“ an, dem Gasthaus, das zu erreichen sich O’Neill und Sheppard in den Kopf gesetzt hatten. O’Neill kümmerte sich darum, dass ihr Lasttier gut untergebracht wurde, Sheppard versuchte noch zwei Zimmer zu bekommen.
    Als sie endlich am Tisch saßen, hatten sowohl Daniel als auch Rodney Mühe, die Augen offenzuhalten. Lustlos löffelten sie in ihrem Essen herum.

    O’Neill stieß Sheppard mit seinem Ellenbogen in die Seite. Als er dessen Aufmerksamkeit hatte, zeigte er mit seinem Messer auf Daniel, dessen Augenlider flatterten und dessen Gabel kraftlos auf dem Tellerrand lag.
    „Ausdauernder und widerstandsfähiger, wenn sie jünger sind?“, grinste O’Neill.
    „So kann man sich täuschen.“ Sheppard schüttelte lächelnd den Kopf.
    O’Neill stupste Daniel an. „Hey, Daniel. Du musst essen, sonst hast du morgen keine Kraft.“
    Daniel blinzelte, wurde sich bewusst, wo er war und was von ihm erwartet wurde, und setzte sich aufrechter hin. „Entschuldigung. Ich … ich … es wird nicht wieder vorkommen.“
    „Schon gut und jetzt iss.“

    Auch Rodney war am Ende seiner Kräfte. Es war ihm völlig egal, was zum Abendessen auf den Tisch gebracht wurde, er stopfte es wortlos in sich hinein, weil er eigentlich nur noch schlafen wollte. Er meckerte nicht einmal, als es nur noch ein Lager im Schlafsaal mit zwölf Betten gab, und konnte sich nicht mehr aufraffen zu untersuchen, ob es auch keine Bettwanzen oder Flöhe im Bett gab. Endlich von den Beinen kommen, sich endlich lang ausstrecken können, alles andere war ihm gleichgültig. Jeder Muskel, jedes Gelenk in seinem Körper schmerzte. Er war wirklich nicht geschaffen für diese Art von Dauerbelastung.

    Daniel ging es nicht viel besser, selbst wenn er während der Wanderung seinem Unmut nicht so lautstark Luft gemacht hatte. Anders als die beiden Militärs war auch er an ausdauernde Fußmärsche nicht gewöhnt und auch er spürte am Abend jeden einzelnen Muskel. Wenn er daran dachte, dass es erst schlimmer wurde, ehe es besser wurde, graute ihm schon vor dem morgigen Tag.

    Aber das war nicht der eigentliche Grund, der ihn noch lange wach liegen ließ, nachdem die anderen schon längst eingeschlafen waren. In dem Schlafsaal war es ruhig, draußen bellte in der Ferne ein Hund, jemand schlurfte noch vor dem Fenster her, aber ansonsten hörte man nur gleichmäßiges Atmen und Schnarchen. Daniel konnte seine Gedanken nicht zum Verstummen bringen und sie hinderten ihn daran, ebenfalls in das Reich der Träume zu gleiten.

    Für Daniel hatte sich in den letzten drei Wochen seine ganze Welt verändert. Er war urplötzlich aus seinem behüteten und geruhsamen Leben, das er trotz seines Sklavenstatus gehabt hatte, herausgerissen worden. Der Transport mit den anderen Sklaven, die demütigende Ausstellung, um verkauft zu werden, das manchmal lüsterne, manchmal gierige und manchmal völlig gleichgültige Mustern seines Körpers, das völlig außer Acht ließ, dass er auch noch eine Person mit Gefühlen war, war etwas, worauf ihn sein Leben bisher nicht vorbereitet hatte. Catherine Langford war eher übervorsichtig gewesen, hatte versucht, ihn vor allen Unbilden zu beschützen.

    Daniel war nur froh, dass er die letzten Wochen nicht hatte allein durchstehen müssen. Rodney mit seiner Erfahrung in diesen Dingen und seiner sarkastischen Art, alles zu kommentieren, hatte ihn durch viele Momente der Verzweiflung gebracht und auch etliche ungewollte Aufmerksamkeit von ihm genommen. Vor Rodneys beißender Zunge war manch einer geflüchtet, der ihn sonst vielleicht angegangen wäre. Daniel war sehr froh, dass er ihn gleich am ersten Tag getroffen hatte – und Rodney immer noch in seiner Nähe war.

    Aber die vergangenen Wochen waren ebenfalls nur eine Zwischenetappe gewesen. Ein Schwebezustand, der erst gestern beendet worden war. Der Kauf durch Colonel O’Neill markierte deutlich einen neuen Lebensabschnitt, von dem er noch nicht wusste, was der für ihn bereithielt. Bisher bereute er es nicht, Rodney dazu überredet zu haben, ihre subversive Haltung gerade bei diesen beiden Herren aufzugeben. Der Colonel hatte sich als interessierter und interessanter Mann entpuppt, mit dem er hervorragend diskutieren konnte. Er war nicht ohne Witz und schnell bereit, die Ironie hinter einer Sache zu sehen. Catherine hätte ihn bestimmt gemocht.

    Was ihn zu Catherine und Ernest zurückbrachte. Er war inzwischen fest davon überzeugt, dass der Anwalt der Krone, der die Erbschaftsangelegenheit abgewickelt hatte, ihn vorsätzlich betrogen hatte. Ernest Littlefield und auch Catherine Langford hatten ihm immer wieder versichert, dass sie für den Fall, dass sie beide vor ihm sterben sollten und sein Sklavendienst noch nicht um war, eine Verfügung getroffen hatten, dass er zu einer Nichte von Catherine kommen sollte. Aber überraschenderweise hatte sich unter all den Papieren kein solches Dokument gefunden. Daniel hatte darauf bestanden, dass es das Papier geben müsste, aber natürlich hatte man nicht ihm, sondern dem Anwalt geglaubt.

    Erst im Nachhinein war ihm klar geworden, dass der Anwalt enttäuscht gewesen war, von dem, was man wirklich im Hause der Langford-Littlefields veräußern konnte. Für ihn waren es nur alte Bücher, wertlose Artefakte und verrückte Versuchsanordnungen, für die man kein Geld erzielen konnte. Der Verkauf von Daniel war das einzige Mittel für ihn gewesen, doch noch an ein gutes Honorar für die Abwicklung in dieser Erbschaftssache zu kommen, und so hatte er einfach die Schenkungsurkunde unterschlagen.
    Daniel war völlig vor den Kopf gestoßen gewesen, als er von dem schrecklichen Unfall mit dem Dampfauto gehört hatte, das Ernest und Catherine so schwer verletzt hatte, dass sie noch an der Unfallstelle gestorben waren. Er hatte die Tatsache, dass die beiden Leute, die für so viele Jahre wie Eltern zu ihm gewesen waren, jetzt tot waren, erst einmal verarbeiten müssen. Außerdem hatte er niemals mit der Perfidie des Anwalts gerechnet, sodass er zu dem Zeitpunkt der Testamentsverkündung noch nicht mit Catherines Nichte in Kontakt getreten war, um seine Ansprüche zu untermauern.

    Man hatte ihm lediglich zwei Stunden Zeit gegeben, ein paar Sachen zusammenzusuchen, ein paar Kleidungsstücke, ein paar Bücher. Bereits um das Medaillon von Catherine, in das sein Name eingraviert war, hatte er kämpfen müssen. Aber offensichtlich hatte der Anwalt einen Hauch von schlechtem Gewissen über seine Behandlung verspürt, sodass er die ihn begleitenden Büttel barsch zurechtgewiesen hatte, die es ihm abnehmen wollten.
    Das Medaillon, ein paar Bücher, einmal Kleidung zum Wechseln, das war alles, was von seinem alten Leben geblieben war. Es passte jetzt in das Bündel, das er mit sich herumtrug. Er war noch am Nachmittag an den Repräsentanten des Import- und Exportkontors übergeben worden und mit einer ganzen Ladung von Sklaven nach Nova Ashingtonia verschifft worden, wo er unterwegs auf Rodney McKay getroffen war.

    Und jetzt war er hier, wanderte mit seinem neuen Besitzer in ein Leben, von dem er noch gar nichts wusste. Er nahm sich vor, O’Neill am nächsten Tag genauer über dessen Tagesablauf und alles, was zu seinen täglichen Geschäften gehörte, zu befragen.

    ------------------------------------------------------------------

    III. Der „Lustige Wanderer“

    Die Nacht war viel zu schnell vorbei, das Frühstück verlief mehr als einsilbig. Niemand hatte wirklich gut geschlafen und der erste Tag voller ungewohnter Anstrengung saß Daniel und Rodney in den Knochen. Colonel O’Neill beschloss, vier Stücke saftigen, köstlich aussehenden Apfelkuchen zu kaufen, von dem er versprach, dass es ihn in zwei Stunden, bei der ersten Pause geben würde. Das brachte die beiden Leibdiener, die bisher noch nichts getan hatten, sich diesen Titel zu verdienen, wie O’Neill sehr wohl bewusst war, dann doch noch mit nur einem Minimum an Murren wieder auf den Weg.

    Alles in allem verlief der zweite Tag schweigsamer als der erste. Daniel sprach mit O’Neill über die normalerweise anfallenden Aufgaben im Dienste eines Colonels. Vom Frühstück bereiten, über Einkäufe erledigen, Uniform reinigen und Schriftverkehr erledigen war nichts dabei, was er nicht schon mal gemacht hätte. Nur falls es zu einem Feldzug käme, müsste er wohl noch einiges an Waffenkunde und Schießtraining machen, damit er dem Colonel auch dort von Nutzen sein konnte. O’Neill bemerkte noch lachend, dass auch an seiner Ausdauer noch etwas verbessert werden könnte, aber Daniel versicherte ihm grinsend, dass er nach dieser Gebirgsüberquerung trainiert wie ein kelowianischer Kürassier sei – die gemeinhin aufgrund ihrer schweren Panzerung als die behäbigste aller Truppen galten.

    Sheppard konnte Rodney dazu bewegen, ihm etwas über hydraulische Pumpen zu erzählen. Und als Rodney erst einmal damit angefangen hatte und Sheppard ein paar aufmunternde „Tatsächlich?“ eingestreut hatte, sprudelten die Worte nur so aus ihm heraus. Als sie dann noch feststellten, dass sie beide eine Vorliebe für Mathematik hatten und der Major versprach, Rodney am Abend ein erst kürzlich erschienenes Büchlein über die Eulersche Zahl zu zeigen, verlief der Nachmittag schneller und problemloser als gedacht.

    Sie teilten ihre Kräfte gut ein und gingen wegen der beiden untrainierten Leibdiener nicht besonders schnell, deshalb wurden sie immer wieder von Lastenträgern überholt. Daniel bewunderte die jungen Männer, die schwere Kiepen, große Bündel oder auch unförmige Säcke in einem Tempo herauf trugen, das er nicht einmal ohne Gepäck erreichte. Geschickt überholten sie die langsameren Wanderer auch an engeren Stellen, nahmen Abkürzungen, die wesentlich steiler waren als der Hauptweg und schienen bei alledem doch kaum außer Atem zu kommen. Es war harte Knochenarbeit, die noch nicht einmal besonders gut entlohnt wurde, wie O’Neill zu berichten wusste. Aber die vielen Gasthäuser und Kleinbetriebe, die es auf der Hochebene gab, wollten mit Lebensmitteln, die man dort oben nicht anbauen konnte, und sonstigen Dingen des täglichen Lebens, versorgt werden. Die, die es dann zu etwas Geld gebracht hatten, hatten ein Maultier dabei, das sie bis obenhin beladen hatten und trieben jetzt das Tier den Berg hinauf. Als Daniel sah, welche Lasten diese Tiere tragen konnten, war er erstaunt.

    Noch einmal mussten sie am Abend mit einem großem Schlafsaal Vorlieb nehmen, weil keine Privatzimmer im „Lustigen Wanderer“ mehr frei waren. Ein Herbergsname, der Rodney nur ein sarkastisches Augenbrauenhochziehen und dem Rest der Truppe ein Grinsen entlockte. „Der Wirt gefällt mir“, meinte O’Neill. „Genau meine Art von Humor.“

    Den Humor brauchten sie auch, da die Unterkunft schlecht organisiert und voller Menschen war. Sie mussten ewig lange auf ihr Essen warten, das dann schon fast kalt bei ihnen ankam, als sie kaum mehr damit gerechnet hatten. Der Schlafsaal war mit zwanzig Betten noch größer als der vom Vorabend. Sie konnten nur von Glück sagen, dass sie überhaupt noch ein Bett bekamen, etliche Gäste, die nach ihnen ankamen, hatten keine andere Möglichkeit, als die Nacht auf den Bänken und Tischen in der Wirtsstube zu verbringen. Rodney wollte gar nicht daran denken, was sein Rücken dazu sagen würde. Von daher hielt sich sein Gemecker über das laute Schnarchen von einigen Mitschläfern in Grenzen und die bleierne Müdigkeit tat ein Übriges, ihn doch recht bald in den Schlaf sinken zu lassen.
    Er klammerte sich an O’Neills Versprechen, dass es ab dem nächsten Tag besser werden würde, da sich auf dem Cheyenne-Pass die Wege teilten und die meisten wohl nach Ashingtonia, der Hauptstadt des Vereinigten Städtebundes, weiterreisen würden. Sie jedoch planten nach Olorado zu gehen, wo sowohl Sheppard als auch O’Neill in der größten Kaserne des Landes stationiert waren.

    Olorado war auch die Sommerresidenz der Könige des Vereinigten Städtebundes. Von daher würde der zukünftige König die Zeit bis zur Krönung dort verbringen, ehe er in die Hauptstadt reiste. Wie die letzten Könige vor ihm, war auch Hank II vom Militär gewählt worden. Da niemand ohne die Unterstützung des Militärs regieren konnte, war das nur die logische Konsequenz gewesen, als vor acht Generationen der letzte König des Herrscherhauses kinderlos gestorben war. Den geistig debilen Neffen, der der nächste in der Thronfolge gewesen wäre, hatte niemand auf dem Thron sehen wollen und ab diesem Zeitpunkt – und damit seit nunmehr fast zweihundertfünfzig Jahren – gab es das Soldaten-Königtum.

    George VII war beim Volk sehr beliebt gewesen und hatte dem Land relativen Wohlstand gebracht. Die Kriege mit den Genii waren praktisch zum Erliegen gekommen, stattdessen hatte man auf Handelsbeziehungen gesetzt. In dem Bereich hatte es in den letzten Jahren regen Austausch gegeben und gewaltige Geldströme waren geflossen, die beiden Gesellschaften hatten sich angenähert. Viele Leute waren durch den Handel reich geworden, etliche befürchteten aber auch den Verlust der nationalen Identität – besonders die, die durch den grenzüberschreitenden Handel Verluste in ihren Geschäften erlitten hatten, weil sie nicht mehr konkurrenzfähig waren.
    Außenpolitisch hatte der verstorbene König auch Erfolge zu verzeichnen gehabt. Die Wraith, die immer wieder die Grenzregionen im Süden attackierten, hatte er in Schach gehalten. Hier hatte George mit harter Hand durchgegriffen und sie in drei verlustreichen Schlachten wieder auf ihr Territorium zurückgetrieben.

    Innenpolitisch war er nicht in allen Bereichen erfolgreich gewesen. Seine liberale Haltung hatte George in erbitterte Feindschaft zu der herrschenden Priesterschaft der Ori gebracht und ihr Verhältnis war in den letzten Jahren mehr als angespannt gewesen.
    Ebenso angespannt wie das Verhältnis des Königs zu weiten Teilen des Militärs, aus deren Reihen er ja hervorgegangen war. Aber etliche Militärs sahen durch die Politik des Königs, die mehr auf Vermittlung und Handel statt auf Kriege ausgerichtet war, ihren Einfluss schwinden. Nur so ließ sich auch das hervorragende Abschneiden der Ursprungspartei erklären, denn Adria Mal Doran versprach eine stark nationalistische und erzkonservative Politik, die wieder klare Grenzen zwischen dem Städtebund, den Genii, den Wraith und anderen Völkern zog und die Stellung des Militärs als tragende Säule der Gesellschaft nicht in Frage stellte.

    O’Neill war jetzt schon seit fast einem Jahr nicht mehr in Olorado gewesen. Er war direkt von den Scharmützeln gegen die Kelowaner, einem weiteren Feind des Städtebundes, nach Ashingtonia gereist, um dort an dem Staatsbegräbnis für George VII teilzunehmen. Danach hatte er acht Wochen seines Urlaubs genommen, der sich bestimmt schon auf mehrere Monate belief, und hatte ein paar alte Kameraden besucht. Da er aber zur Krönung nicht ohne Leibdiener auftauchen konnte, war er schließlich nach Nova Ashingtonia gereist, um einen Nachfolger für Kowalsky zu finden.

    So ganz genau wusste er immer noch nicht, warum er eigentlich Daniel Jackson gekauft hatte. Einmal wohl, weil er nicht mehr Zeit als unbedingt nötig auf die Sucherei verschwenden wollte. Dann hatte der junge Mann aber auch eine Seite in ihm berührt, die ihn neugierig gemacht hatte. Jack schätze Mut und Entschlossenheit und die hatte der andere Mann in dem Moment bewiesen, als er an das Gitter getreten war.

    Jack brauchte keinen abgestumpften Sklaven, der nur Befehlen folgte. Er wollte einen Kameraden, einen Waffenbruder und wenn es möglich war, einen Freund, so wie es Charlie Kowalsky für ihn gewesen war. Sicher war es manchmal schön, einfach etwas befehlen zu können und es wurde dann kommentarlos erledigt, aber Kameradschaft war Jack wichtiger als absoluter Gehorsam. Schließlich erinnerte das Wort ‚Leibdiener‘ nicht umsonst daran, dass das eine Person war, mit der man auf engstem Raum zusammenlebte. Jemand, vor dem man kaum ein persönliches Geheimnis bewahren konnte. Hatte er Stinkefüße, Durchfall oder Liebeskummer – man konnte sicher sein, dass der Leibdiener als einer der Ersten davon wusste.

    O’Neill drehte sich auf seiner Pritsche um, damit er im Mondlicht, das durch die Fenster des Schlafsaals herein schien, das Gesicht seines schlafenden Leibdieners betrachten konnte. Ohne Brille wirkte er noch jünger, und Jack hatte ihm sowieso schon ein paar Jahre weniger gegeben, bevor er die Sklavenpapiere gelesen hatte. Wenn er ihn nicht verkaufte, „gehörte“ Daniel Jackson für die nächsten acht Jahre ihm, ehe sein Vertrag auslief. O’Neill fühlte eine Verantwortung für das Wohlergehen seines Sklaven, er hatte sich nie ganz von dem Gedanken lösen können, dass dies ein anderer Mensch war, den nur besondere Umstände in den Sklavendienst gezwungen hatten. Manche Besitzer mochten einen Sklaven mit mehr Leichtigkeit als ein Pferd verkaufen, er gehörte nicht dazu. Er hoffte, dass Daniel all die Ansprüche, die er an ihn hatte, mit der Zeit erfüllen konnte.

    Jack gähnte. Er sollte jetzt lieber mal sehen, dass er Schlaf fände, sonst wäre er morgen genauso griesgrämig wie Rodney und Daniel. Mit dem Gedanken, wie viel Freude Sheppard dann an ihnen hätte, schlief er lächelnd ein.

    -------------------------------------------------------------------

    IV. Wetterwechsel

    Am nächsten Morgen zeigte sich, dass das schöne Frühsommerwetter mit den überraschend warmen Temperaturen, das die letzten vierzehn Tage geherrscht hatte, jetzt erst einmal vorbei war. Dunkle Wolken hingen in den Bergen und selbst wenn es noch nicht regnete, sah es so aus, als könnte es jederzeit losgehen. Ein kalter Wind pfiff ungemütlich über den Bergrücken und die vier Männer legten noch eine weitere Schicht Wäsche an und zogen ihre Umhänge fest um sich. Die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen, stapften sie los.

    Daniel fühlte sich wie gerädert. Jeder Schritt schmerzte, seine Muskeln protestierten bei jeder Bewegung. Durch die ungewohnte Anstrengung der letzten Tage und vielleicht auch durch den Wetterwechsel bedingt, war er bereits mit Kopfschmerzen aufgewacht und deshalb fiel ihm Rodneys missmutiges Schimpfen und Beschweren weit mehr als sonst auf die Nerven. Er konnte ja auch nichts an der Situation ändern, weder an dem schlechten Wetter, das inzwischen zu einem Nieselregen geworden war, noch daran, dass Rodneys Schuhe drückten, noch daran, dass es jetzt schon seit drei Stunden steil bergauf ging und kein Ende in Sicht schien.
    „Würdest du nicht so viel reden, hättest du mehr Luft zum Laufen“, bemerkte er schneidend. Mit weit ausholenden Schritten schloss er zu dem Colonel auf und ließ Rodney allein zurück.
    „Alles in Ordnung?“, erkundigte sich O’Neill, als er neben ihm in den Schritt fiel.
    „Bestens.“ Daniel nickte.
    „Wenn wir die Passhöhe erreicht haben, geht es erst mal nur geradeaus. Also in zwei Stunden ungefähr haben wir es geschafft“, versicherte ihm Jack, obwohl Daniel gar nicht danach gefragt hatte.
    „Das ist gut zu wissen“, meinte Daniel erleichtert.

    Rodney fühlte sich sehr schlecht behandelt und so machte er mit seinen Beschwerden bei Major Sheppard weiter.
    Der hörte sich das eine ganze Weile an, aber im Endeffekt platzte auch ihm der Kragen und er schwor: „Wenn du nicht augenblicklich Ruhe gibst, gehst du heute Abend ohne Essen zu Bett.“ Ihm war auf die Schnelle nichts Besseres eingefallen, aber da McKay eine hohe Wertschätzung für Essen zeigte, hoffte er, dass seine Drohung Wirkung zeigen würde.
    Was sie tat.

    Rodney presste die Lippen fest aufeinander und marschierte schweigend weiter. Das Drücken in seinem linken Stiefel wurde immer unaushaltbarer, aber er traute Sheppard zu, ihn wirklich mit knurrendem Magen ins Bett zu schicken. In dem Handelskontor war das eine Sache gewesen. Dort hatte er den ganzen Tag nichts gemacht, außer herumzusitzen und auf Käufer zu warten, und außerdem hatte Daniel ihm meist doch noch etwas zu essen mitgegeben. Hier unterwegs war das eine ganz andere Sache. Schon seit seiner Kindheit kämpfte er gegen Schwindelanfälle an, wenn er zu lange nichts zu essen bekommen hatte. Wenn er sich jetzt vorstellte, nach so einem anstrengenden Tagesmarsch mit leerem Magen schlafen gehen zu müssen, und am nächsten Tag wieder ausgeruht und stark sein zu müssen, bekam er Angst. Er biss die Zähne zusammen und setzte einen Fuß vor den anderen.

    Der Weg war inzwischen zu einem schmalen Pfad geworden, auf dem sogar ihr Maultier an einigen Engstellen geführt werden musste. Dicke Steinbrocken, die sie übersteigen mussten, lagen immer wieder mitten im Weg. Kein Wunder, dass man hier keine Dampfwagen herschicken konnte und auf die Idee mit dem Tunnel verfallen war, dachte Rodney.

    Die letzten hundert Meter ging es in engen Serpentinen steil nach oben und besonders Daniel und Rodney rangen um Atem. Rodney konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal etwas hatte machen müssen, wozu er so wenig Lust hatte. Er wusste, dass es eine physikalische Unmöglichkeit war, aber er hätte schwören können, dass der Bergrücken ein paar Meter in die Höhe gewachsen war, seit sie losgegangen waren, denn sonst hätten sie ja mal endlich da sein müssen.

    Zu guter Letzt hatte der mühsame Anstieg ein Ende und sie waren an der höchsten Stelle angekommen. Sobald sie die Bergscharte hinter sich gelassen hatten, öffnete sich ein weites Hochtal vor ihnen. Eine raue Landschaft, in der nur noch Krüppelfichten gediehen und sich ansonsten Moore mit kargen Weideflächen für Ziegen abwechselten. Hier trennten sich die Wege nach Olorado und Ashingtonia – und wie Colonel O’Neill vorausgesagt hatte, wollten mehr Menschen in die Hauptstadt reisen als in die Sommerresidenz.
    Ab hier konnte man neben Maultieren auch wieder Pferde mieten. Kleine, drahtige Tiere, die ebenso wie die Maultiere an die rauen Wetterverhältnisse und die langen Winter hier oben angepasst waren. Aber das gab ihre Geldbörse nicht mehr her, sodass sie weiterhin mit ihrem Maultier zu Fuß unterwegs waren.

    Da es ein wichtiger Knotenpunkt war, gab es hier auch ein Gasthaus und Rodney war unendlich erleichtert, als O’Neill nicht dran vorbeilief sondern es tatsächlich betrat.
    Es tat gut, in einen warmen Raum zu kommen und für einen Moment die feuchten, schweren Umhänge ablegen zu können. Heißer Tee und eine Schale mit einem undefinierbaren Gemisch aus allerlei gekochten Gemüsesorten – aber auch warm, und das war das Einzige, das wirklich zählte – waren sehr willkommen.

    Zwischen zwei Bissen erklärte Daniel, dass sie hier „am Mittelpunkt“ der Erde seien – wie es die alten Sagen wollten. Dieses Hochplateau hatten ihre Vorfahren als den Sitz der Götter angesehen. Bei der damals bekannten Welt hatte man sich ausgerechnet, dass sich hier alle Linien kreuzen mussten, in den Landkarten hatte man es als das Zentrum der realen Welt und der Götterwelt eingezeichnet.

    „Wir werden also die nächsten Tage über den Mittelpunkt der Erde reisen“, meinte Daniel mit viel Begeisterung, die er trotz seiner Müdigkeit noch aufbringen konnte. „Ich wollte schon immer mal hier hinauf, aber Catherine und ich haben es nie geschafft.“

    „Das ist ja kein lauschiges Plätzchen, das sich die alten Götter ausgesucht haben“, wandte Rodney ein. „Warum sind sie nicht lieber in wärmere Gefilde gegangen? Schön blöd sich so ein zugiges Eck zu suchen.“
    „Da sie ja nur mythologisch waren, denke ich, machte so ein exponiertes Hochplateau einfach mehr her. Die Menschen kamen nur selten hier hinauf, die Götter blieben unter sich. Und wenn die Götter in dieser unwirtlichen Landschaft überleben konnten, mussten sie doch mächtig sein. Eine der wichtigsten Eigenschaften für Götter“, führte Daniel lächelnd aus.
    „Ich hätte ja ebenso wie McKay einen dekadenten Gott oder eine Göttin, die es sich an den Palmenstränden von Ashingtonia gut gehen lässt, verehrenswerter gefunden“, warf der Colonel ein. „Denn ich meine, wenn ich mächtig und bin und über Reichtum verfüge – warum ihn dann nicht zu meiner Bequemlichkeit einsetzen?“
    „Weil an der Beherrschung eines Palmenstrandes nun mal nichts Furchteinflößendes ist?“, wandte Daniel ein. „Viele der Gipfel, die wir hier um uns herum sehen, sind längst erloschene Vulkane. Und dieses heutige Hochplateau, das den Sitz der Götter markiert, war früher das Innere eines riesigen Vulkans. Der Vulkankegel ist im Laufe der Zeit immer mehr versandet, Regen und Bäche haben Schwemmland mitgebracht und es hier abgelagert. Daraus ist dann diese heutige Hochebene entstanden. Dies muss der größte aller Vulkane hier in der Gegend gewesen sein.“

    „Stimmt, so gesehen macht das mehr her als ein Palmenstrand, vor allem wenn die Vulkane noch gespuckt haben“, gab ihm Rodney zwischen zwei Bissen recht.
    „Ja. Vor Tausenden von Jahren, als unsere Vorfahren den Sitz der Götter hier wählten, kam es hier wohl immer wieder zu imposanten Ausbrüchen, wälzten sich Lavamassen ins Tal und verdunkelte sich die Erde, weil die Götter zornig waren – in Wahrheit aber natürlich, weil sich der nächste Vulkanausbruch mit Ascheregen ankündigte.“
    „Das wusste ich alles gar nicht so genau“, stellte Sheppard fest. „Von dem alten Götterglauben ist nur ganz wenig übrig geblieben. Ein paar Redewendungen, ein paar Geschichten. Nun ja, die Origin-Bewegung und die Ori haben in den letzten Jahrhunderten ja auch zugesehen, dass außer ihrer Lehre nichts als … Wahrheit gilt. Da sieht man dann andere, mächtige Götter wohl als Bedrohung an, selbst wenn schon längst keiner mehr an sie glaubt.“

    „Catherine Langford ist auch nur in ihrer Freizeit dieser Altertums-Forschung nachgegangen. Sie hätte dafür niemals offizielle Geldmittel bekommen. Aber es hat sie interessiert und so haben wir uns überall auf die Suche nach alten Überlieferungen gemacht. Viel ist nicht zusammengekommen, aber genug, um mit recht großer Bestimmtheit sagen zu können, dass die alte Religion über unseren ganzen Kontinent verbreitet war. Doch schon Jahrhunderte bevor die Ori ihre Lehre verkündet haben, hatte sie nicht mehr viele Anhänger, weil die Vulkane nicht mehr ausbrachen – und so eine wichtige Begründung in ihrem Glaubenssystem fehlte.“

    „Daniel? Vergiss nicht zu essen“, ermahnte der Colonel amüsiert, der die Ausführungen ja ganz interessant fand, aber dafür niemals das Essen vergessen hätte.
    Und da Daniel nicht wie Rodney problemlos mit vollem Mund reden konnte, war das tatsächlich eine Entweder-oder-Entscheidung für ihn – die dann im Endeffekt zu Gunsten des Eintopfes ausfiel.
    Viel zu früh drängte der Colonel wieder zum Aufbruch und seine sehr lustlose Truppe machte sich erneut auf den Weg. Wenigstens hatte in der Zwischenzeit der Regen aufgehört, sodass ihre Kleidung nicht weiter durchweichen konnte.


    TBC ...
    Geändert von Antares (25.07.2011 um 08:44 Uhr)

  13. Danke sagten:


  14. #12
    Ägypten-Fan Avatar von Valdan
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    Ich konnte einfach nicht bis heute mittag warten *gg*

    Jetzt sind sie also auf dem Weg und dass es sowohl Daniel also auch Rodney schwer fällt zu marschieren, kann ich gut verstehen. Ganz langsam lernen die Vier sich kennen und man merkt dass John und Jack eine Menge menschenkenntnis haben, denn sie schätzen ihre beiden Leibdiener sehr gut ein.

    „Daniel? Vergiss nicht zu essen“, ermahnte der Colonel amüsiert, der die Ausführungen ja ganz interessant fand, aber dafür niemals das Essen vergessen hätte.
    Und da Daniel nicht wie Rodney problemlos mit vollem Mund reden konnte, war das tatsächlich eine Entweder-oder-Entscheidung für ihn – die dann im Endeffekt zu Gunsten des Eintopfes ausfiel.
    Auch der Exkurs über die Götter fand ich toll und die Beschreibungen der Umgebung lassen einen mitten drin sein.

    Ich möchte eindeutig mehr...*gg*

    LG Val
    "Der Mensch fürchtet die Zeit, doch die Zeit fürchtet die Pyramiden."
    arabisches Sprichwort

    ***


  15. #13
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
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    „Außerdem macht es Spaß, sich körperlich zu betätigen.“ John hatte nur einen Abend gebraucht, um herauszufinden, dass Rodney lieber im Sitzen arbeitete, anstatt durch die Gegend zu laufen.
    Ja, der gute Rodney, er bleibt doch immer der Gleiche. Gewaltmärsche waren ja noch nie sein Ding.

    „Bei manchen ist es Zeitverschwendung“, vollendete Sheppard den Satz.
    „Genau.“ Rodney grinste erfreut, dass ihn endlich mal jemand verstand.
    Man merkt, Rodney und Sheppard haben jetzt schon ein paar Gemeinsamkeiten entdeckt.

    George der VII und Hank der II
    Das sind ja ein Paar besonders nette Könige, kommen mir doch irgendwie sehr bekannt vor.


    „Wenn du nicht augenblicklich Ruhe gibst, gehst du heute Abend ohne Essen zu Bett.“ Ihm war auf die Schnelle nichts Besseres eingefallen, aber da McKay eine hohe Wertschätzung für Essen zeigte, hoffte er, dass seine Drohung Wirkung zeigen würde.
    Auch in dieser Beziehung wird sich Rodney wohl nie ändern und Sheppard hat schnell herausgefunden, wie er Rodney antreiben kann.

    Das ist aber auch ein Gewaltmarsch, den die Vier da absolvieren müssen. All das nur, weil Daniel zu teuer war, aber da merkt man ja schon, dass O´Neill ihn unbedingt haben wollte.

    Also ich finde, Daniel und Rodney haben es doch sehr gut bis jetzt, mit John und Jack als neue Herren, getroffen!
    Bin sehr gespannt wie es weiter geht. Das war wieder ein tolles Kapitel!
    Geändert von John's Chaya (25.07.2011 um 13:38 Uhr)

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  16. #14
    Love is .. SGA Avatar von Mella68
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    Zitat Zitat von Antares Beitrag anzeigen
    Reise zum Mittelpunkt der Erde (2/16)
    Colonel O’Neill beschloss, vier Stücke saftigen, köstlich aussehenden Apfelkuchen zu kaufen, von dem er versprach, dass es ihn in zwei Stunden, bei der ersten Pause geben würde. Das brachte die beiden Leibdiener, die bisher noch nichts getan hatten, sich diesen Titel zu verdienen, wie O’Neill sehr wohl bewusst war, dann doch noch mit nur einem Minimum an Murren wieder auf den Weg.
    *grins* So haben uns unsere Eltern auch nur dazu gekriegt, im Urlaub eine Wanderung zu machen.

    Ich wollte gestern eigentlich mehr als nur "Danke" sagen, bin aber irgendwie davon abgekommen. Ich mag diese Geschichte, auch die Geschichte in der Geschichte, sprich all die schönen Beschreibungen dieser anderen Welt.

    Signaturbild von Anja McKay

  17. #15
    Leitung: Forum Avatar von Redlum49
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    Ich bin ein Genie, was das betrifft. Es gibt nichts, das ich nicht reparieren kann, seien es Uhren, Waffen, hydraulische Pumpen, mechanische Spielzeuge … einfach alles.
    *gg* Rodney wie wir ihn kennen – immer so überaus … bescheiden


    Das ist ja eine ziemlich gewaltige Tour die die Vier da hinter sich bringen müssen und ich kann gut mit den untrainierten Daniel und McKay mitfühlen.

    Bin mal gespannt, was uns bzw. die Protagonisten in deiner FF noch so alles erwartet

  18. #16

    Standard

    Ich habe mit viel Spannung auf den nächsten Teil gewartet.

    Viel Action gab es zwar nicht, aber dafür hast du mit vielen Zwischenmenschlichen Dingen entschädigt. Wie Rodney und Daniel sich mit den harten Touren abplagen, dass man herausfindet, warum Daniel und Rodney wieder verkauft wurden und dass man merkt, wie sich die Besitzer an ihre neuen Sklaven gewöhnen.

    Alles unterlegt mit Rodneys Gemurre, da kann ich mir gut vorstellen, dass es Sheppard zu viel wird. Auch wenn ich befürchte, dass McKay jetzt eine riesengroße Blase am Fuß hat...

    Und weil ich es beim letzten Mal vergessen habe: Ich bin sehr gespannt, wann Zelenka auftaucht und ob das wirklich ein Dalek ist, was ich bei Sinaidas toller Fanart gesehen habe...
    Ich bin nett, höflich, liebenswert
    und zuvorkommend.
    Und garantiert nicht ironisch.
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  19. #17
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    @TinaS: Danke fürs Drücken! *g*

    @Valdan: ich würde auch nicht begeistert sein, wenn man mich tagelang irgendein Gebirge zu Fuß überqueren ließe. *g* Ich kann da Rodney und Daniel gut verstehen in ihrem Missmut. Es freut mich, dass meine Beschreibungen dir ein Bild von dieser Welt geben und dass du nicht bis zum Mittag warten konntest!

    @Mella68: Danke! Schön, dass dir die Beschreibung der Welt gefällt und die Geschichten, die dazu beitragen, sie "runder" zu machen. Und irgendeinen Trick muss es ja geben, die müde Bande zum Weitergehen zu bringen. *g*

    @Redlum49: Ja, trotz der ganzen misslichen Umstände - Rodneys Ego ist immer noch beachtlich.
    Bin mal gespannt, was uns bzw. die Protagonisten in deiner FF noch so alles erwartet
    Alles, was man in einer Steampunk-Story so unterbringen kann ....

    @Aisling: Die reine Action komm schon noch - aber erst einmal muss ich ja ein Gefühl für diese andere Welt vermitteln und auch die Beziehung der Personen untereinander muss ein bisschen gefestigt sein, ehe ich sie in die Gefahrensituation hereinwerfe. *g*
    Und Zelenka ... ein bisschen braucht es noch, und der Dalek ist eine fahrbare Mini-Kanone, die Zelenka gebaut hat. *g*
    Ach ja, um die Blase kümmern "wir" uns noch.

    @John's Chaya: Ich finde George VII klingt wirklich nach König - aber wie man mit einem Namen wie "Hank" König werden konnte, ist mir immer noch ein Rätsel.
    Nun, so müssen ja nicht nur laufen, weil Daniel so teuer war. Die beiden Militärs sind ja überein gekommen, dass das "Spaß" machen würde und sie sich auf der Wanderung besser kennenlernen können.
    Und ich bin überzeugt, dass sie keine besseren Käufer hätten finden können.


    Vielen Dank an euch alle für die netten Anmerkungen und Spekulationen!
    Und morgen geht's weiter .......
    Geändert von Antares (26.07.2011 um 10:12 Uhr)

  20. #18
    Lieutenant Colonel Avatar von Shahar
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    Standard

    Jetzt hatte ich doch glatt vergessen etwas zu schreiben.

    *schnellnachholen*

    Armer Rodney und Daniel. Sie werden mit der Bergsteigerei und Wandereri ganz schön *trainiert*
    Mit ihren Blasen an den Füßen und ihrer Müdigkeit tun sie mir schon ganz schön leid.

    Toll wie Daniel etwas über die Geschichte dieser Orte und Rodney mit seinem Gerede ein Genie zu sein, sich einbringen.
    Deine Art zu schreiben und die Art und Weise wie du die 4 näher bringst, gefallen mir sehr.
    Überhaupt gefällt mir die Story von mal zu mal besser, wobei ich schon am Anfang dachte, dass es wohl gar nicht mehr geht.

    Freu mich schon sehr auf die Fortsetzung
    Online:
    SGA: ALEXA: Freaky Fridays
    Lachen und Weinen liegen manchmal so dicht nebeneinander … vor allem Freitags


    Scarcrow and Dr. McKay: Wa(h)re Freundschaft
    Ein russischer Arzt nimmt an einem Ärztekongress in den Staaten teil, doch auf ihn wird ein Anschlag verübt. Will man hinter seine wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Medizin gelangen, oder hat er gar mehr zu bieten?

  21. #19
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    @TinaS: Danke sehr! Ja, am Ende werden sie wohl wesentlich trainierter sein als vorher. *g* Ich freue mich, dass dir die Art der Vorstellung dieser Leute, die gleichzeitig "unsere" Stargate-Leute sind, dann aber auch nicht, gefällt! Vielen Dank!

    So, und bevor ich ganz schnell los muss, hier der nächste Teil. Noch ein etwas ruhigeres Kapitel zum besseren Kennenlernen, ehe dann Unvorhergesehenes passiert:

    Reise zum Mittelpunkt der Erde (3/16)


    Das Sitzen hatte die Schmerzen in Rodneys Fuß nur noch schlimmer werden lassen und er wusste nicht, wie er die nächste Meile hinter sich brachte. Jeder Schritt war jetzt die reinste Tortur und sein ganzes Denken konzentrierte sich nur noch auf seinen höllisch schmerzenden Fuß. Gerade als er nachgeben wollte – kein Abendessen hin oder her – meinte Sheppard erstaunt: „Du humpelst ja.“
    „Ja allerdi…“ Rodney biss sich auf die Zunge und stoppte die Tirade gerade noch. „Ich meine, ja, tue ich“, endete er lahm.
    „Hast du dir den Fuß vertreten?“
    „Nein. Der Stiefel drückt.“ Stur marschierte Rodney weiter.
    „Dann solltest du etwas dagegen unternehmen, denn wir stehen erst am Anfang der Reise.“
    „Das weiß ich selber.“ Sheppard war ja so superklug!
    „Rodney.“ Sheppard hielt McKay am Arm zurück. „Setz dich …“, er schaute sich suchend um, bis er einen abgerundeten Felsen entdeckte, „… mal dort hin.“
    Rodney machte noch das Dutzend Schritte, das nötig war, dann ließ er sich müde auf den Stein plumpsen. Wenn er doch nur nie wieder aufstehen müsste.
    „Welcher Fuß?“
    Wortlos streckte Rodney den linken vor. Womit er gar nicht gerechnet hatte, war, dass Sheppard vor ihm in die Hocke ging und ihm den Stiefel auszog. Und er schaute den Major mit großen Augen an, als er ihm auch noch den Strumpf auszog und ihm zum Halten anreichte, da das Gras ringsherum nass war.
    Sheppard nahm den Fuß in die Hand und brauchte nicht lange, um die große mit Flüssigkeit gefüllte Blase zu sehen.
    „Warum hast du nicht früher etwas gesagt?“
    „Ich wollte Abendessen.“
    „Was? – Dummkopf.“ John schüttelte den Kopf und wandte sich an Daniel, der ebenso wie O’Neill stehen geblieben war. „Daniel, kannst du mir mal aus der kleineren Reisekiste den blauen Beutel anreichen? Dort sollten ein paar Verbände drin sein.“

    Daniel hielt dem Major dem Beutel in, damit der nach dem richtigen Verband suchen konnte, dann verstaute er den Beutel wieder.

    John schmierte eine Salbe auf die Blase, legte ein Stück weichen Stoff darüber, dann begann er den Verband geschickt um Rodneys Fuß zu wickeln. Er hatte das auf Kriegszügen oft genug machen müssen, sodass es schnell erledigt war. Der Verband saß fest und würde nicht im Stiefel verrutschen, aber auch nicht zu fest, sodass er nichts abschnürte. John nahm Rodney den Strumpf aus der Hand, zog ihn über den Verband und forderte Rodney auf, wieder in seinen Stiefel zu treten.
    Es tat immer noch höllisch weh, aber ein Teil des Drucks war von der malträtierten Stelle genommen. „Danke“, meinte Rodney, der immer noch nicht ganz glauben konnte, dass Sheppard das wirklich für ihn gemacht hatte.
    „Ich konnte doch nicht riskieren, dass dich womöglich der arme Esel auch noch tragen muss“, winkte Sheppard nachlässig ab.
    Rodney verbiss sich den Kommentar, der ihm auf der Zunge lag.

    Sie kamen dann nicht ganz so schnell wie geplant voran und nachdem O’Neill und Sheppard noch einmal ihre Landkarte konsultiert hatten, beschlossenen sie in einem sehr einfachen Gasthaus zu übernachten, das nur noch eine halbe Stunde entfernt war, statt bis zu ihrem eigentlichen Ziel weiterzuwandern.

    Schon von außen wurde ihnen bewusst, dass „Gasthaus“ ein sehr hochtrabend gewählter Name für diese Unterkunft war. Das niedrige, mit Reet gedeckte Haus sah mehr wie eine heruntergekommene Scheune aus. Es lag neben einem kleinen See und war nur über einen ausgetretenen Pfad vom Hauptweg aus zu erreichen.
    Sie betraten eine rauchgeschwängerte, niedrige Gaststube, deren abgestandene Luft ihnen erst einmal fast den Atem benahm. Essensdünste, Tabakrauch und der Geruch ungewaschener Leiber hing schwer in dem Raum. Bei ihrem Eintritt verstummten die Gespräche an den Tischen nach und nach, und fast alle Gäste schauten sie mit Misstrauen, Neid, Gier oder voller Gleichgültigkeit an, ehe sie sich wieder ihren Würfelspielen, Getränken oder Streitereien zuwandten.

    Daniel hätte nicht gedacht, dass er sich in einem einfachen blauen Wollumhang mal fehl am Platze und übermäßig herausgeputzt vorkommen würde. Aber verglichen mit den Lumpen, und den immer wieder gestopften und geflickten Sachen, die die Leute hier trugen, war er fürstlich gekleidet. Etliche von ihnen waren barfuß und so dreckig wie ihre Füße waren, nahm er nicht an, dass sie ihre Schuhe an der Eingangstür ausgezogen hatten.
    Dies hier war eine Gesellschaftsschicht von Leuten, von denen er zwar wusste, dass es sie gab, mit denen er aber noch nie zusammengetroffen war. Sicher, auch in Ashingtonia gab es Tagelöhner und Stadtviertel, in die man sich nach Einbruch der Dunkelheit besser nicht mehr allein wagte, aber er hatte noch niemals näher mit so armen Menschen zu tun gehabt. Torfstecher, Ziegenhirten, Landarbeiter und wer immer hier oben auf der Hochebene sein Auskommen suchte.

    Eine Frau, die offensichtlich die Wirtin war, wischte sich die Hände an ihrer schmuddeligen Schürze ab und blieb mit einem Knicks vor ihnen stehen. „Was kann ich für die Herrschaften tun?“
    „Wir brauchen Zimmer für die Nacht und etwas zu essen“, sagte der Colonel.
    Die Frau warf einen raschen, abschätzenden Blick auf die vier Neuankömmlinge, nahm ihre unterschiedliche Kleidung in Augenschein, wog kurz ab, in welchem Verhältnis die Herren zueinander standen, und offenbarte dann ihre gute Menschenkenntnis, indem sie sich an O’Neill wandte: „Ein Zimmer habe ich. Und soll’n Ihre Diener bei Ihnen schlafen? Oder hier unten in der Gaststube?“

    Sheppard hätte ja zu gerne Rodneys Blick gesehen, wenn er „Gaststube“ sagte, aber O’Neill hatte schon geantwortet: „Sie schlafen bei uns.“
    „Marie!“ Die Wirtin brüllte in Richtung Küche und eine dünne, verhärmte Frau, die ungefähr in ihrem Alter war, erschien. Die Haare lösten sich aus ihrem Haarknoten und die Schürze war noch eine Idee schmutziger als die der Wirtin.
    „Meine Schwester wird das Zimmer vorbereiten. Woll’n Sie derweil was essen?“
    „Welches Zimmer, Martha?“, fragte Marie. „Is’ doch alles besetzt.“
    „Nee, isses nicht, ’tschuldigung“, sagte die Wirtin und zog ihre Schwester mit sich hinter den Tresen, wo sie leise aber mit ausufernden Handbewegungen diskutierten.
    Im Endeffekt nickte Marie und trotte davon.

    „Ich wette, wir haben soeben das Schlafzimmer von Marie und Martha bekommen“, meinte Jack amüsiert.
    „Oh, Gott“, war Rodneys Kommentar.
    „Der Gastraum steht noch zur Auswahl“, offenbarte Jack denselben Sinn für Humor, den auch schon John gehabt hatte.
    „Nein, nein“, winkte Rodney erschrocken, schon fast panisch, ab.

    „So, das wäre geklärt“, sagte Martha zufrieden. „Das macht fünfzehn fürs Zimmer. Essen extra und wenn’se Frühstück wollen, ist das auch extra, also noch mal zehn für alle zusammen.“
    Das war wahrscheinlich mehr, als alle anwesenden Gäste zusammen bezahlten, aber weit weniger, als sie sonst pro Nacht ausgaben und so sagte Jack: „In Ordnung, aber das Futter für unser Maultier ist auch in dem Preis enthalten.“
    „Ja, geht klar“, nickte Martha. „He, Freddy, mach mal Platz und geh dort rüber an den Tisch. Lass die Herrschaften mal am Ofen sitzen“, verscheuchte die Wirtin resolut einen der Gäste, der nicht aufzumucken wagte.
    „Wir ham vorgestern geschlachtet. Ich hätt’nen schönen Schweinebraten mit Blaukraut?“
    „Das klingt fantastisch“, gab sich John ganz als Gentleman. „Wenn es Ihnen nicht zu viele Umstände macht, den nochmals für uns zu erwärmen?“ Er würde nicht in die Küche gehen, um zu sehen, wie das Essen zubereitet wurde, der Hunger würde es wohl hereintreiben.
    „Nee, das passt schon.“ Sie ging zur Küche, drehte sich in der Tür aber um und fragte: „Bier für die Herren?“
    „Ja bitte.“

    Eine viertel Stunde später wussten sie, warum es in diesem schäbigen Gasthaus so voll war. Das Essen war wirklich schmackhaft, schön fettig und gut gewürzt. Jack war schon klar, dass sie wahrscheinlich die größte Portion und das beste Fleisch bekommen hatten, das noch da war, aber selbst wenn die Gerichte für die anderen nur halb so gut waren, war das viel, viel besser als das, was er unterwegs auf Kriegszügen oftmals gegessen hatte.

    Und was das Erfreuliche war, ihr herzhaftes Zulangen und Rodneys lautes, fast wollüstiges Stöhnen: „Oh mein Gott, ist das gut!“, lockerte die zu Beginn etwas feindselige Stimmung deutlich auf.
    „Sie sollten mal ihre Pastete probieren“, meinte einer der Gäste und ein andere lobte: „Ihr Entenbraten ist zum Reinsetzen.“
    Das führte dazu, dass man sich noch eine halbe Stunde über das schlechteste und das beste Essen, das man je gehabt hatte, unterhielt. Kurz bevor sie sich nach oben in ihre Zimmer zurückzogen, zog Jack einen der Männer, mit dem er sich am längsten unterhalten hatte, beiseite. Er versprach ihm eine kleine Kupfermünze, wenn er in der Nacht ein Auge auf ihr Maultier haben würde.
    John hatte derweil Martha gefragt, ob das Tier sicher untergebracht wäre, und sie hatte ihm versichert, dass so lange sie hier Wirtin war, noch kein Tier gestohlen worden war. John war bereit es ihr zu glauben, denn nur wenige würden es sich mit ihr so verderben wollen, dass sie hier nicht mehr essen durften.

    Halbwegs beruhigt begaben sie sich in den oberen Stock. Marie öffnete die Tür und forderte sie auf einzutreten. Es war ein kleines Zimmer mit schrägen Wänden, aber einem halbwegs breiten Bett, das einen Großteil des Raumes einnahm. Es duftete nach frischer Wäsche, offensichtlich hatte sie das Bett neu überzogen.
    „Hier ist Ihr Gepäck.“ Alle Kisten und Bündel lagen bereits auf einer niedrigen Kommode. „Und hier sind zwei Matratzen für Ihre Diener“, wandte sie sich an den Colonel. „Und eine Decke“, fügte sie noch hinzu und wies auf das Bett, wo zwei braune Wolldecken drauf lagen. „Wenn das dann alles wäre?“
    „Ja, besten Dank, Marie. Bis morgen zum Frühstück dann.“
    „Soll ich noch die Hemden und die Strümpfe der Herren bis morgen durchwaschen? Am Ofen werden die trocken bis morgen“, fragte sie schüchtern an.
    Da man nie wusste, wann sich die Gelegenheit wieder ergeben würde, gaben sie ihr noch die Hemden und Strümpfe mit, die sie in den letzten drei Tagen angehabt hatten.
    „Gute Nacht.“ Marie knickste mit ihrem Arm voller Schmutzwäsche und verschwand.

    Das ließ die vier Herren alle nur mit ihren Hosen bekleidet zurück. Aber da es Sheppard und O’Neill vom Militär gewöhnt waren, sich in der Gegenwart von anderen Leuten auszuziehen und Rodney und Daniel fast eine Woche zusammen nackt in einem Käfig verbracht hatten, war auch ihre Hemmschwelle ziemlich niedrig und keiner der vier dachte sich etwas dabei. Rasch machten sie eine Katzenwäsche in der bereitstehenden Wasserschüssel, deren Wasser immerhin lauwarm war.

    Rodney inspizierte die für ihn gedachte Matratze und schon eine Minute später war sein Entsetzen unüberhörbar. „Das ist keine Matratze, das ist ein Sack voll Stroh! Feuchtem, muffigem Stroh!“ Er richtete sich wieder auf und schaute die anderen drei anklagend an.
    Daniel ging zu seiner Schlafstatt. „Aber sie hat doch gesagt …“
    Rodney unterbrach ihn rüde. „Offensichtlich hat sie eine andere Vorstellung davon, was eine Matratze ist, als ich. Da kann ich unmöglich drauf schlafen. Das macht mein Rücken nicht mit.“
    „Was schlägst du also vor?“, fragte Sheppard amüsiert. „Soll einer von uns dort schlafen?“ Er zeigte auf O’Neill und sich. „Oder willst du doch in den Gastraum gehen? Freddy hat sicher ein warmes Plätzchen für dich.“
    „Ich …“ Rodney schaute von dem Strohsack zum Bett, dann auf Sheppard und O’Neill. „Ich … ich weiß nicht. Ist deine Matratze besser, Daniel?“
    „Und wenn sie es wäre, gäbe ich sie dir nicht“, erwiderte Daniel resolut.
    „Aber … Ist sie es?“
    „Nein, Rodney. Wie du schon sagst, feuchtes, muffiges Stroh. Aber besser als der nackte Boden würde ich mal sagen. Wenn wir die Decke drauflegen, sollte es gehen.“

    Sheppard prüfte das breite Bett mit der Hand und meinte anerkennend: „Schön weich.“
    Rodneys Blick wurde sehnsüchtig.
    „Colonel, was meinen Sie, sollen wir unsere verwöhnten Diener mit ins Bett nehmen?“ John grinste über das ganze Gesicht.
    „Oh, ja, bitte.“ Rodney trat neben Sheppard und schaute O’Neill flehentlich an.
    „Wenn ihr auf eurer Seite bleibt“, meinte Jack schulterzuckend zu Sheppard, dann wandte er sich an Daniel. „Daniel?“
    Bei vier Leuten im Bett würde der Colonel ihm sicher keine Avancen machen und so antworte auch Daniel voller Gelassenheit: „Wenn alle damit einverstanden sind.“ Auf diesen modrigen Strohsack als Nachtlager, in dem bestimmt sonst was hauste und krabbelte, konnte er auch gerne verzichten.
    „Abgemacht“, traf Jack für alle die Entscheidung und begab sich in die Mitte des Betts.
    Daniel schlüpfte neben ihm unter die Decke, und auf der anderen Seite verfuhren John und Rodney ebenso.

    Viel Platz blieb nicht, hinzu kam noch, dass die Matratze so weich war, dass sie einen deutlichen Hang hatte, in der Mitte durchzuhängen. Das führte unweigerlich dazu, dass die vier Männer im Laufe der Nacht näher zueinander drifteten.

    Sie erwachten am nächsten Morgen in einem Durcheinander aus Armen und Beinen, aber da Jack sich aus der Mitte herausschälte mit der Bemerkung er müsse das Bier vom Abend wegbringen, war der Situation jede Peinlichkeit genommen. Sie reckten sich, räkelten sich und dann musste auch Rodney als Letzter das schöne, warme Bett verlassen.

    Nach einem Frühstück, das so gut war wie das Abendessen, packten sie ihre frisch gebügelte Wäsche wieder ein, kamen zu einem Maultier, das noch niemals in seinem Leben so sauber gestriegelt gewesen war, und machten sich mit einem viel besseren zweiten Eindruck auf den Weg, als der erste Moment in der Gaststube hatte vermuten lassen.

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    V. Der „Brennende Busch“

    Der folgende Tag verlief ohne Zwischenfall und da es, wie Jack versprochen hatte, nicht mehr bergauf sondern gleichbleibend auf einer Höhe ging, war das Gehen auch nicht so anstrengend wie an den drei Tagen zuvor. Der Weg war auch wieder breiter geworden und sie konnten erneut nebeneinander hergehen. Rodney nutzte die gute Wegbeschaffenheit und las im Gehen die Abhandlung über die Eulersche Zahl, die Sheppard ihm geliehen hatte. Es war nicht ein Wort der Klage über seine drückenden Stiefel oder die Länge des Weges von ihm zu hören.

    Sie erreichten ihr Ziel, den „Brennenden Busch“, vor Einbruch der Dunkelheit und bekamen tatsächlich noch zwei Doppelzimmer. Klein und einfach eingerichtet, aber sauber. Das Essen war nicht ganz so gut wie am Vorabend, aber sie waren hungrig genug, um es in rasender Geschwindigkeit herunterzuschlingen. Zum ersten Mal waren sie so früh dran, dass sie in der Wirtsstube noch eine Runde Wein trinken konnten.

    Danach nutzten Sheppard und O’Neill die Gelegenheit und wiesen ihre Leibdiener in den Gebrauch einer Waffe ein. Es zeigte sich, dass Daniel noch niemals eine in der Hand gehalten hatte und ihr mit gebührendem Respekt begegnete. Er ließ sich von dem Colonel zeigen, wie sie geladen und gespannt wurde und O’Neill versprach ihm, sobald sie in der Kaserne zurück waren, Schießunterricht zu geben.

    Rodney konnte, als er Sheppards Waffe in der Hand hielt, nicht nur sofort sagen, wer sie hergestellt hatte, wie alt sie war, wie das Zündsystem funktionierte, ob es sich um eine Radschloss- oder Steinschlosspistole handelte, er verkündete auch noch ungefragt, dass es kein schlechtes Modell wäre, es aber bessere gäbe.
    „Hhmm“, meinte Sheppard nur ganz leicht verschnupft. „Kannst du sie auch putzen und reparieren?“
    „Selbstverständlich.“
    „Mit anderen Worten, du bist also ein guter Schütze?“ Das würden sie ja noch sehen, ob Rodney tatsächlich besser als er schießen konnte!
    „Davon habe ich nichts gesagt. Waffen reparieren, entwerfen oder verbessern zu können, hat nicht unbedingt etwas mit Schießkünsten zu tun. Ich kann Ihnen sagen, ob der Lauf nach links zieht oder nicht – aber nur wenn ich sie auf ein Stativ montiert habe und so etwas Unwissenschaftliches wie den menschlichen Faktor außer Acht lassen kann.“
    „Der ‚menschliche Faktor‘, wie du so schön sagst, ist aber der, der den Finger am Abdruck hat.“
    „Eben. Und deshalb kann selbst eine hervorragende Waffe in der Hand eines Stümpers nicht zu guten Ergebnissen führen.“ Etwas zu spät fiel Rodney auf, dass man das eben Gesagte auch anders auslegen konnte. Seine Gesichtsfarbe wechselte ins Rötliche und er betrieb Schadensbegrenzung. „Was natürlich übrigens auch heißt, dass eine Waffe, die … äh … nur mittelmäßig ist, in der Hand eines … Könners zu hervorragenden Ergebnissen führen kann.“
    „Gerade noch mal die Kurve bekommen, nicht wahr?“, fragte Sheppard lachend.
    Rodney tat, als wisse er nicht, wovon Sheppard spräche, aber seine lachenden Augen verrieten, dass er entweder sehr erfreut über die Reaktion des Majors war oder darüber, wie gut er sich aus der Situation herausmanövriert hatte.
    Um Sheppard zu beeindrucken, studierte er die Waffe einen Moment genauer und frage den Major dann, ob der Rückstoß manchmal etwas unkontrolliert sei. Als Sheppard bejahte, versprach Rodney, etwas daran zu ändern, sobald er über die passenden Werkzeuge verfügen würde.

    Solcherart den Frieden wiederhergestellt, entschlossen sich die vier noch eine Runde Karten zu spielen und dann endlich ins Bett zu gehen. Daniel holte noch eine Flasche Wein aus der Wirtsstube aufs Zimmer und der Major hatte bereits die Karten verteilt, als er wieder zurückkam. Die vier spielten ungefähr gleich gut, aber – bis auf Rodney – nicht mit voller Aufmerksamkeit, da sie sich dazu auch noch unterhielten.
    Die Zeit flog dahin und als Jack zum dritten Mal in Folge verloren hatte, erklärte er, dass es wohl besser wäre, wenn sie an dieser Stelle aufhörten. Oder er würde noch sein ganzes hypothetisches Vermögen, das in Form von handgeschriebenen „Banknoten“ auf halbwegs säuberlich zurechtgerissenen Papierfetzen vor ihnen lag, verlieren. Er sammelte seine kümmerlichen Reste zusammen und schob sie in eine Westentasche. Rodney raffte seinen Berg von Papierfitzelchen mit einem triumphierenden Blick zusammen und hatte fast Mühe, die ganzen Schnipsel in einer Hosentasche unterzubringen. Sheppard nahm das ganz richtig zum Anlass, sich zu verabschieden und sich mit Rodney zusammen in ihr Schlafzimmer zurückzuziehen.

    Daniel hatte schon den ganzen Abend überlegt, ob O’Neill wohl mehr von ihm wollte, jetzt, da sie zum ersten Mal allein waren. Er hatte keine Ahnung, wie er zu der Idee stand. Er hatte als junger Mann zwei kurze Beziehungen zu Frauen gehabt, die aber nie von Dauer gewesen waren und die ihn niemals mit mehr als kurzem Bedauern zurückgelassen hatten, als es vorbei war. Er wusste von sich selbst, dass er viel mehr Leidenschaft und Schwärmerei für tote Dichter und brillante Ideen von Schriftstellern aufbringen konnte, als er für Share und Sarah je gehabt hatte. Nicht einen Moment hatte er den von seinen Lieblingsdichtern beschriebenen Herzschmerz und die Melancholie verspürt, die doch eigentlich mit der Trennung einhergehen sollten. Seine Empfindungen beim Lesen der entsprechenden Textstellen waren stärker gewesen als in dem Moment, als Sarah ihm gesagt hatte, dass es vorbei sei.

    Daniel machte sich nichts vor, seine Erfahrungen im zwischenmenschlichen Bereich waren sehr begrenzt. Was immer O’Neill von ihm wollte, wäre Neuland für ihn. Aber O’Neill war kein unangenehmer Mensch und Daniel beschloss für sich selbst, dass er auf O’Neills Avancen eingehen würde, von sich aus aber nichts starten würden. Rodney hätte ihn nicht daran erinnern müssen, dass diese Intimitäten zwischen Herrschaften und ihren Leibdienern durchaus üblich waren, es gab genügend literarische Beispiele, die dieses Verhältnis thematisierten und die Daniel natürlich alle gelesen hatte.

    Er wartete gespannt auf die Reaktion des Colonels. Als der auf seiner Seite des Bettes verschwand und Daniel nur eine gute Nacht wünschte, war es Daniel auch recht.

    * * *
    Rodney traf die Erkenntnis, dass er mit Sheppard zum ersten Mal allein war, etwas überraschender, da seine Gedanken in den letzten beiden Stunden voll auf das Kartenspiel und seine Gewinnabsicht konzentriert gewesen waren.
    Aber in ihrem Zimmer angekommen, wurde auch ihm bewusst, dass er bisher noch niemals mit seinem neuen Besitzer allein gewesen war. Er fummelte an seinem Gepäck herum, obwohl es nicht nötig gewesen wäre, und beobachtete den Major aus den Augenwinkeln. Als er mitbekam, dass ihm Sheppard keine Aufmerksamkeit schenkte, zog er die Stiefel aus und setzte sich aufs Bett. Er begann langsam seine Weste aufzuköpfen.
    Mit großer Selbstverständlichkeit zog sich Sheppard aus, warf seine Sachen nachlässig auf einen der Stühle, trat vor die Anrichte und wusch sich ausgiebig mit dem Wasser, das dort bereitstand.
    „Ich wünschte, eine der nächsten Herbergen hätte mal einen Badezuber“, merkte er an, während er mit einem Lappen seine Beine hinaufglitt.
    „Oh ja“, seufzte Rodney sehnsüchtig. „Mit heißem Wasser.“
    „Natürlich heiß, was sonst.“ Sheppard platschte weiter herum, nahm sich nicht sonderlich in Acht bei seiner Wäsche und stand bald in einer kleinen Wasserlache.

    Rodney konnte nicht die Augen von ihm wenden. Sheppard hatte genau die Art von Körper, den er mochte, und den er auch gerne gehabt hätte. Groß, schlank, mehr auf Ausdauer als auf Muskelpakete aus. Jede Bewegung Sheppards verriet, dass das der Körper eines Mannes war, der viel in Bewegung war, der es gewohnt war, zu laufen, fechten, reiten, boxen, schießen und was immer noch in den Aufgabenbereich eines Soldaten fiel.
    Von dort, wo er saß, konnte er einige Narben ausmachen und es war ihm klar, dass Sheppards Beschäftigung – die in Kürze auch seine sein würde – wohl weit gefährlicher war, als ihm lieb war. Solche Narben zog man sich für gewöhnlich nicht am Schreibtisch zu und Rodney wurde wieder mal bewusst, dass sein Leben eine entscheidende Wendung genommen hatte.

    Plötzlich drehte sich Sheppard zu Rodney, der nachdenklich auf dem Bett saß, um. „Bring mir mal das Handtuch“, befahl er und zeigte auf das Tuch, dass über der Rückenlehne des Stuhls hing.
    Rodneys Augen waren auf Taillenhöhe geblieben, als der Major sich umgedreht hatte, und so ruhte sein Blick jetzt auf Sheppards halbhartem Glied. Ja, der Mann hatte nicht nur ein nettes Gesicht, er war überall ansprechend gebaut. Vielleicht etwas behaarter, als Rodney es mochte, aber …
    John klatschte einmal in die Hände, um endlich Rodneys Aufmerksamkeit zu erlangen. „Rodney! Handtuch!“, rief er befehlend
    Das riss Rodney abrupt aus seiner Träumerei und er sprang auf, um das Handtuch zu grapschen. Er brachte es Sheppard und bei jedem Schritt merkte er, dass das verräterische Ziehen in seinen Lenden, das beim ersten Anblick von Sheppards nacktem Hintern angefangen hatte, rasant zunahm. Es war schon verdammt lange her, dass er mit einem anderen Mann, ja, überhaupt mit jemandem zusammen gewesen war.
    Rodney hatte keine Ahnung, ob Sheppard wirklich völlig selbstvergessen diese kleine Plantscherei veranstaltet hatte, ohne sich Gedanken darüber zu machen, welchen Einfluss, dass auf den anderen Mann im Raum hatte. Oder ob er bewusst seine Wirkung auf Rodney getestet hatte? War das Sheppards verdrehte Vorgehensweise, um herauszufinden, ob Rodney an ihm interessiert war? Nun, dessen hätte es nicht bedurft. Ein einfacher Befehl und Rodney müsste seinen Wünschen nachkommen. Obwohl – er wusste noch nicht viel über den Major, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass er sich einen unwilligen Mann ins Bett holte. Dafür hatte er wahrscheinlich zu viele Angebote von Leuten, die nur zu gerne seiner Aufforderung folgten.

    „Rodney! Heute noch!“ John wedelte ungeduldig mit seiner linken Hand.

    Rodney seufzte. Verflucht, wenn es ihn doch nur nicht so anregen würde, wenn ein nackter Mann ihm etwas befahl! Das war seine ganz große Schwäche. So gescheit und durchdacht und analytisch er sonst auch war, herrisches Betragen im Bett war für Rodney schon immer eine heiße Sache gewesen. Mit dem richtigen Partner natürlich nur. Aber John mit seiner Diskussion über Mathematik und seinen wenigstens grundlegenden Kenntnissen, was die Regeln der Mechanik betraf, war bei Weitem der interessanteste Mann, der ihm seit Langem begegnet war. Dazu kam noch der appetitliche Körper … Wer konnte es ihm da verdenken, wenn er da stärker als sonst auf seine befehlende Stimme reagierte?

    Im ersten Moment war John erbost gewesen, dass er seinen Befehl hatte wiederholen müssen. So ein unaufmerksamer Diener war ihm sein Lebtag noch nicht begegnet! Dann war ihm aufgefallen, dass Rodney ihn sehr intensiv musterte und sogar in Tagträumereien versunken schien. Und da er ihn ganz genau beobachtete, als er mit dem Handtuch auf ihn zutrat, sah er, dass Rodney seinen Blick kaum von seinem Schoß losreißen konnte … und dass er selbst mit einer Erektion reagierte. Sei es auf seine Nacktheit, sei es auf das, was er vielleicht noch erwartete, John vermochte es nicht zu sagen. Aber es gefiel ihm. Er beschloss, die Situation weiter auszureizen.

    „Zieh dich auch aus und wasch dich mit dem restlichen Wasser.“
    „Ich …“ Rodney schaute zweifelnd.
    „Das war keine Bitte, das war ein Befehl“, meinte John kurz angebunden, während er sich mit dem Handtuch trocken rieb.
    Rodney schluckte. „In Ordnung.“ Er war sich Sheppards Blick sehr bewusst, als er sich jetzt nicht nur aus seinem Hemd und seinen Strümpfen, sondern auch aus seiner Hose heraussschälte, bis er nackt vor Sheppard stand. Ja, in dem Kontor war die Situation schon einmal ganz ähnlich gewesen, aber da war Rodney zu wütend gewesen, um irgendwie darauf zu reagieren. Jetzt war es etwas anderes. Es waren nur sie beide im Zimmer und Sheppard musterte ihn mit einem intensiven Blick.
    „Waschen! Dort links liegt ein Lappen.“
    Rodney ergriff den Lappen und warf noch einen raschen Blick auf den Major. Der hatte es sich inzwischen im Bett bequem gemacht, saß mit dem Rücken gegen das Kopfteil gelehnt da, hatte die Bettdecke ganz knapp bis zur Taille hochgezogen, die Arme vor der Brust verschränkt und warf ihm jetzt einen spöttischen Blick zu.
    Pah! Wollte Sheppard ihn verunsichern? Da musste er früher aufstehen. Rodney würde sich doch nicht von so einer Kleinigkeit aus der Fassung bringen lassen! Mit Schwung ergriff er den Lappen, tauchte ihn ins Wasser und begann sich abzureiben. Gesicht, Arme, Brust, Bauch und Beine, wobei er vorsichtig um den Verband an seinem Fuß herum wusch. Zwischendurch spülte er den Lappen immer wieder aus und als er ihn endgültig zur Seite legen wollte, sagte Sheppard: „Den Rest auch.“

    Rodney, der bis dahin stur die Kommode fixiert hatte, wendete den Kopf halb zu John um. „Aber …“
    „Wenn du heute Nacht im Bett schlafen willst, bist du sauber. Sonst kannst du gerne auf den Fußboden gehen.“
    „Das ist so ein Unsinn, und das wissen Sie auch“, grummelte Rodney. „Ich bin sauber.“
    „Nicht überall.“ In Johns Stimme schwang viel zu viel Belustigung für Rodneys Geschmack mit. Dann wurde die Stimme dunkler, kompromissloser: „Tu es. Und dreh dich so, dass ich dir dabei zusehen kann.“
    Nein!
    Rodney tauchte den Lappen erneut ins Wasser, dann wickelte er ihn so um sein Glied, sodass Sheppard möglichst wenig sehen konnte. Bei der Berührung mit dem rauen Tuch schoss aber sofort ein angenehmes Kribbeln seinen Rücken hinauf und sandte all die falschen Signale an sein Gehirn. Was immer er jetzt auch als Nächstes machte, es war alles Mist. Rieb er weiter, wurde sein Problem noch größer, nahm er den Lappen weg, wüsste der Major sofort wie es um ihn stand.
    Nach einem Moment des hektischen Nachdenkens, drehte sich Rodney wieder zur Kommode, und rieb mit dem Lappen über seinen Hintern, den er Sheppard zuwandte.
    „So, jetzt sauber?“, fragte er einen Augenblick später wie ein Mann, dessen Geduld über Gebühr strapaziert worden war.
    „Ja, du kannst ins Bett kommen – und lass das Handtuch da“, fügte Sheppard gemeinerweise gleich noch hinzu, als er sah, dass Rodney danach greifen wollte. John hatte noch keine Ahnung, wo das hinführen würde, aber es gefiel ihm, dass Rodney nicht kalt wie ein Fisch war.

    Rodney trocknete sich ganz langsam und bedächtig ab, dann gab es keinen Grund mehr, das Ganze noch mehr hinauszuzögern. Er musste sich umdrehen und mit seiner sichtbaren Erregung zum Bett gehen, in dem Sheppard schon wartete. Bei jedem Schritt, den er machte, spürte er überdeutlich, dass er hart war und Sheppard das ganz genau sehen konnte. Rodney war zwischen Scham und Erregung hin und her gerissen. Als er das Bett erreicht hatte, schlüpfte er schnell unter die Laken und wartete.
    „Nacht, Rodney“, meinte Sheppard und löschte die Kerze.
    „Ah…. Gute Nacht“, erwiderte Rodney perplex.

    Sheppard grinste in sich hinein. Es war nicht so, als hätte er heute Abend nicht gerne noch etwas netten, entspannenden Beischlaf genossen, aber es war ihm noch mehr wert gewesen, Rodney aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ihn zum Nachdenken zu zwingen und ihn jetzt vielleicht auch wünschen lassen, dass er, John, doch noch etwas gegen sein Problem unternommen hätte. Ihn ein wenig in seinem eigenen Saft schmoren zu lassen. Vielleicht wäre er dann an einem anderen Tag etwas entgegenkommender?

    Sheppard war ja so ein Hurensohn! Erst heizte er ihm ein, und jetzt, da Rodney sich ihm widerstrebend hätte hingeben wollen – nichts! Er ließ ihn einfach damit allein! Rodney war drauf und dran, auf Sheppards Bettseite rüberzurutschen, aber dann hielt ihn sein Stolz davon ab. Er würde sich dem Major sicher nicht an den Hals werfen! Wenn der nicht wollte – sein Pech! Rodney drehte sich zur Seite und versuchte an etwas wirklich Ekelhaftes zu denken …

    TBC...
    Geändert von Antares (27.07.2011 um 07:37 Uhr)

  22. Danke sagten:


  23. #20
    Lieutenant Colonel Avatar von Shahar
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    Schön, wie sich Sheppard um Rodneys Fuß gekümmert hat. Hat mir sehr gefallen und zeigt, dass die Beziehung zwischen ihnen wirklich mehr ist, als Leibdiener und "Besitzer".

    Lustig fand ich den vierer im Bett. Muss ganz schön eng gewesen sein, aber so hatte man auch schön warm. Nur Jack, der durfte am Morgen so ziemlich platt gewesen sein, wenn er in der Mitte lag und alle anderen wohl in der Nacht auf ihn rollten und auf ihm gelegen haben.
    Ein Wunder dass sie sich nicht "verknotet" haben.

    Grinsen musste ich aber auch, wie John Rodney erst ein bisschen scharf macht und ihn dann einfach nur im Bett oder wie du sagtest, im eigenen Saft schmoren lässt.
    Na das wird noch was mit den beiden.

    War wieder ein klasse Teil. Hat mir gut gefallen.
    Überhaupt gefällt mir deine Story so gut, dass ich sie mal glatt gebookmarkt habe
    Online:
    SGA: ALEXA: Freaky Fridays
    Lachen und Weinen liegen manchmal so dicht nebeneinander … vor allem Freitags


    Scarcrow and Dr. McKay: Wa(h)re Freundschaft
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