Titel: Dunkle Abgründe
Autor: Lorien
Genre: eine Art Episoden-Tag zu 3x07 "Common Ground", Introspection, Freundschaft, Action, Hurt/Comfort
Rating: PG-13, Hauptpersonen: McKay und Sheppard, GEN (aber wahrscheinlich kann der, der es unbedingt will, ein bis zwei Szenen vielleicht als Pre-Slash interpretieren)
Warnung: Spoiler vor allem für SGA 3x07 "Common Ground", verschiedene kleinere Anspielungen auf frühere Folgen. Außerdem eine Anspielung auf SG-1 10x15 "Bounty".
Länge: ~23.000 Wörter
Inhalt: Es heißt, der Weg zur Hölle ist gepflastert mit guten Absichten ... Nach den Ereignissen von "Common Ground" muss John Sheppard das Erlebte verarbeiten, wobei seine Freunde (und vor allem McKay) versuchen ihm helfend zur Seite zu stehen. Doch als scheinbar alles nur immer schlimmer wird, versucht Rodney John mit einem Ausflug auf die Erde abzulenken.
Anmerkung: Einen Riesendank an Antares, die mich zunächst mit ihrer Fanart zum Weiterschreiben motiviert hat und dann auch noch die Zeit fand kurz vor knapp einen tollen Beta abzuliefern. Ohne sie würde der Story einiges fehlen - vor allem in den hinteren Teilen, wo mir die Zeit fehlte genauer zu überarbeiten, bevor ich sie ihr schickte! Alle restlichen Fehler gehören allein mir. Wer darauf besteht, kann sie aufzeigen, muss aber damit rechnen, dass ich sie der Kreativität halber behalte.
Für alle, die auf eine Fortsetzung meiner anderen FF warten: ich habe die Story nicht vergessen, nur hatte mir das RL es unmöglich gemacht, irgendwas zu schreiben. Und in all dem Stress war mir irgendwann die Muse abhanden gekommen. Für diese neue Geschichte hier, die im Rahmen einer Fanart/Fanfiktion-Challenge enstanden ist, hatte ich jedoch ein Abgabedatum einzuhalten. Und irgendwie im Laufe dieses "Schreiben müssens" habe ich die Lust daran wieder gefunden. Ich werde sehen, wie viel Zeit ich haben werde, aber das nächste Projekt wird definitv die Beendigung der angefangenen FF sein.
Und ja, die Story hier ist bereits fertig und komplett! Ich werde sie in 8 Teilen alle zwei bis drei Tage posten. Viel Spaß!
Fanart: Ein tolles Wallpaper von Antares, bei dem ich immer noch fasziniert bin, wie sie es geschafft hat, die beiden Ebenen der Story einzufangen, obwohl sie mit nichts als einer Kurzzusammenfassung gearbeitet hat. Und als sie 3 Tage vor der Abgabe dann auch noch mit einem genialen Cover ankam, war ich restlos glücklich! (Bilder sind im Spoiler!)
Dunkle Abgründe
Ein Junge weint nicht! Ein Junge beißt
Sich auf die Zunge, auch wenn das Herz reißt.
Das musst du wohl noch lernen?!
Gerhard Schöne – Ein Junge weint nicht
***
In dem mit modernster Präsentationstechnik ausgestattetem Auditorium, welches sich im Curie-Gebäude der physikalischen Fakultät einer kleinen im mittleren Westen der USA gelegenen Privatuniversität befand, war es dunkel und stickig. Doch noch immer folgten die etwa zwanzig Anwesenden wie gebannt der Vorführung, die auf dem Podium stattfand. Dort war Dr. Rodney McKay gerade dabei, in seinem üblichen „Ich-weiß-alles-und-ihr-nichts“-Tonfall die Funktionsweise der auf der großen Projektionswand gezeigten Schaltpläne zu erklären. Während die Geschwindigkeit, in der er sprach, jeden Normalbürger längst zur Verzweiflung getrieben und dafür gesorgt hätte, dass ihm keiner mehr folgen konnte, schien hier niemand Probleme damit zu haben.
Niemand, außer mir vielleicht, stellte John Sheppard leicht amüsiert fest. Ich hätte mich wahrscheinlich doch nicht in die letzte Reihe setzen sollen.
Er hatte beinahe laut aufgelacht, als ihm die Sitzordnung in dem nach hinten hin ansteigenden Raum das erste Mal so richtig bewusst geworden war. In der ersten Reihe saßen die, die man eigentlich nur als Anhänger bezeichnen konnte. Dicht gedrängt, hingen sie an jedem einzelnen Wort. Sie würden ohne zu zögern alles glauben, was Rodney ihnen erzählte. Dahinter kamen zwei bis drei Reihen Zweifler. Sie bildeten momentan noch die größte Gruppe und waren bisher mehr oder weniger neutral oder skeptisch eingestellt. McKay würde es bis zum Ende seiner Präsentation jedoch problemlos schaffen, mindestens die Hälfte von ihnen noch auf seine Seite zu ziehen, sie sozusagen zu bekehren. Mit ein wenig Abstand kamen dann die beiden Ungläubigen. Kein Beweis auf der Welt konnte sie von Rodneys Genie überzeugen. So weit wie möglich auseinander sitzend machten sie sich eifrig Notizen, um Rodney am Ende die scheinbar entdeckten Fehler nur so um die Ohren zu hauen. Allein Sheppard saß noch weiter hinten, sozusagen als neutraler Beobachter.
Auch wenn es sicherlich eine Rolle spielte, dass er der einzige Nichtwissenschaftler im Raum war, lagen seine Verständnisprobleme wohl eher daran, dass er sich von Anfang an nicht wirklich Mühe gegeben hatte, Rodneys Ausführungen zu folgen. Vielmehr hatte sich John damit begnügt, den Wissenschaftler zu beobachten.
Die Normalität, die McKay ausstrahlte, während er seinen Kollegen sein Genie vorführte, faszinierte Sheppard. Es war, als wären die letzten zwei Wochen nie gewesen und für einen seltenen Augenblick lang konnte auch John sie – nicht vergessen, aber zumindest in den hintersten Winkel seines Bewusstseins verdrängen.
Hier war niemand, der John besorgt beobachtete, so als ob er darauf warten würde, dass er zusammenbrechen würde, nur weil das eine verständliche Reaktion nach einem Tag in der Hölle wäre. Niemand, der ihm hinterher schlich, aus Angst, dass er wieder verschwinden könnte. Niemand, der ihn dazu zwingen wollte, über das Vorgefallene zu reden, nur weil es besser sei, nicht alles in sich hineinzufressen. Niemand, der ihn missbilligend anblickte, nur weil er sich wieder bis zur Erschöpfung verausgabt hatte, um wenigstens eine Nacht mal zu müde zum träumen zu sein. Nicht, dass dies je funktioniert hätte.
Nur die Stimme eines Freundes, die einen Hauch von überlegener Arroganz nicht unterdrücken konnte, als sie neue Wege der Energieeffizienz aufzeigte.
Mit einem leisen Lächeln breitete John die Arme über die benachbarten Stuhllehnen aus und rutschte, die Beine ausstreckend, in eine bequeme Pose - nun, zumindest so bequem, wie es die harten Holzstühle zuließen. Entspannt wie schon lange nicht mehr setzte er seine intensive Beobachtung von Rodney fort.
***
Schmerz.
Nie zu enden scheinende Folter.
Weißglühende Agonie.
Hilflosigkeit.
Nicht glauben können, dass es wirklich geschah.
Ohnmächtiges Zerren an den Fesseln.
Wut.
Wut auf Gefängniswärter, die sich nicht zu schade waren, einen gemeinsamen Feind als Folterinstrument zu benutzen.
Wut auf den Mitgefangenen, der zu abgestumpft schien, um sich gegen sein Schicksal aufzulehnen.
Hände, die sich ihm entgegenstreckten.
Und wieder Schmerzen, unerträgliche Schmerzen.
Ohne den Knebel hätte er sich wahrscheinlich längst heiser geschrieen.
Ein Kaleidoskop aus Bildern und Gefühlen, die ihn in einem immerwährenden Strudel gefangen hielten - und zwischen allem Kolyas zu einer grinsenden Fratze verzogenes Gesicht.
„Sheppard…“
***
Sheppard…
„JOHN!“
Der besorgte Ausruf seines Namens brachte Sheppard in die Wirklichkeit zurück. Ein einziger Blick nach unten auf das Podium zeigte ihm Rodneys hilflos aufgerissene Augen. Das reichte aus, um auch die letzte Illusion von Normalität zerplatzen zu lassen. Nervös um sich schauend wurde John bewusst, dass alle Augen im Raum auf ihn gerichtet waren.
Oh Gott, er war doch nicht etwa eingenickt und hatte im Schlaf geschrieen?
Unbewusst wanderte Johns Hand zu seinem Hals, um seine trockene Kehle zu massieren. Auch ohne sich in einem Spiegel sehen zu können, war ihm klar, dass der Versuch eines beschwichtigenden Lächelns kläglich scheiterte und sein Gesicht viel eher einer Grimasse ähneln musste, die ihn erst recht durchgeknallt erscheinen ließ.
„Äh … Hi! Sorry für die Unterbrechung.“
Ob es nun daran lag, dass die Wissenschaftler einfach nur exzentrisches Verhalten von ihren Kollegen gewöhnt waren, oder daran, dass er vielleicht doch keinen völligen Idioten aus sich gemacht hatte, wusste er nicht. Jedenfalls begannen sich die ersten Köpfe bereits wieder dem Podium zuzuwenden. Allein Rodneys Aufmerksamkeit war noch immer voll und ganz auf John gerichtet.
Für einen Moment trafen sich ihre Augen und Sheppard konnte in McKay deutlich den Kampf widersprüchlicher Gefühle lesen. Hilflosigkeit angesichts des Unvermögens einem Freund helfen zu können. Der Wille es trotzdem zu versuchen, auch wenn das bedeuten würde, Johns Wunsch nach mehr Freiraum zu ignorieren. Und Mitleid.
Oh, wie er das Mitleid hasste!
Nichts wollte er nach den letzten zwei Wochen mehr entfliehen als dem mitleidigen Ausdruck in den Augen derjeniger, die wussten, was geschehen war. So als ob sie glaubten verstehen zu können, wie er sich fühlen musste. Armer, gebrochener Colonel Sheppard.
Ein unsicherer Schritt von Rodney in seine Richtung brach den Bann und ließ John aufspringen. Durch seine Adern floss noch immer das durch den Alptraum erzeugte Adrenalin und trieb ihn mit nur wenigen Schritten durch die Tür des nahe liegenden oberen Ausgangs. In dem Moment als er hindurch war, schob er sie auch schon wieder zu und lehnte seinen Kopf gegen die glatte Holzoberfläche.
Mit pochendem Herzen versuchte er nach Geräuschen aus dem Inneren zu lauschen. Flehend murmelte er leise vor sich hin: „Bitte, lass ihn nicht hinter mir her rennen … bitte Rodney, versuch diesmal nicht ein guter Freund zu sein und lass mich einfach für einen Moment allein … bitte …“
***
Kaum hatte sich John von dem Wraith abgewandt und den Jumper betreten, hob das kleine Fluggerät auch schon ab und machte sich auf den Weg nach Atlantis. Nur Sekunden später war er von seinem Team umringt. Sheppard war sich bewusst, dass sie ihn seit ihrer Wiedervereinigung kaum aus den Augen gelassen hatten, doch bis auf die anfänglichen Fragen hatten sie ihn bisher größtenteils in Ruhe gelassen. So als ob die Anwesenheit des Wraith wie eine unsichtbare Barriere zwischen ihnen gestanden hätte.
Mit einem Mal redeten alle gleichzeitig.
„Wie ist das möglich?“
„Er sieht wirklich jünger aus, Carson!“
„Kommen Sie, Colonel. Setzen Sie sich hin, damit ich Sie kurz durchchecken kann.“
Ein wenig überwältig, ließ sich John widerstandslos zu einer der Bänke des Jumpers dirigieren. Mit dem Abliefern des Wraith schien ihn alles Adrenalin plötzlich verlassen zu haben und ihn die Ereignisse des letzten Tages schließlich doch noch einzuholen. Müde ließ er sich auf die Bank fallen.
Teylas Hand lag unvermittelt wie ein schweres Gewicht auf seinem Arm und auch wenn die Geste sicherlich beruhigend gemeint war, brachte die Berührung seine Haut zum Kribbeln. Als auch Rodney seine Hand ausstreckte, wie um sich zu vergewissern, dass er wirklich real war, konnte John ein instinktives Zurückweichen nicht verhindern. Um dem verletzten Ausdruck in Rodneys Blick zu entkommen, schloss er, ohne die Erschöpfung vortäuschen zu müssen, seine Augen. Es war noch gar nicht so lange her, da war Sheppard überwältigt und unglaublich erleichtert gewesen, dass seine Freunde aufgetaucht waren, doch jetzt war zu müde, um auch nur zu versuchen, ihnen mit seinem üblichen Grinsen zu versichern, dass es ihm gut ging.
Es fiel ihm immer schwerer, den Worten um ihn herum zu folgen. Nach und nach verschwamm alles zu einem einheitlichen Gemurmel, dass direkt über ihm zu hängen schien.
***
Fortsetzung folgt ...