Nach einem sehr langen und leider auch sehr langweiligen Vortrag über Goa’uld-Traumgeräte, gönnte sich das SG-1 Team noch einen gemütlichen Tagesausklang beim Chinesen.
„Dr. Lee hat sich mal wieder selbst übertroffen“, spottete der Colonel. „Wenn ich die Traum-Teile nicht schon
vorher gekannt hätte, wäre ich
nachher auch nicht viel schlauer gewesen.“
„Das mag auch daran liegen, O’Neill, dass du etliche Bilder der Präsentation nicht gesehen hast, weil du die Augen geschlossen hattest“, stellte Teal’c trocken fest.
„Ach, komm schon, Teal’c“, verteidigte sich O’ Neill. „Wir haben das beschissene, kleine Mistteil vor nicht ganz vierzehn Tagen live in Aktion gesehen. Wir haben keine zehn Meter entfernt davon in einem Lieferwagen gehockt und wissen genau, was so ein verfluchter Goa damit alles anstellen kann. Und besonders Daniel kann sicher hundert Mal besser als Dr. Lee beschreiben, wie es sich anfühlt, wenn einem damit in den Träumen herum gepfuscht wird!“
Teal’c überdachte das einen Moment, dann meinte er: „Du hast Recht, O’ Neill.“
„Cool!“ Jack grinste erfreut.
„Was mich interessieren würde, ist: welches ist der schlimmste Alptraum, den ihr je hattet?“ Daniel schnappte sich ein Frühlingsröllchen und wartete.
Als keiner antworteten wollte, begann Teal’c: „Die schlimmsten Alpträume habe ich verspürt, als ich drei Tage lang meinen Symbionten mit Master Bra’tac geteilt habe.“ Er erzählte ihnen von seinen furchteinflößenden Wahnvorstellungen und sie waren von der absoluten Aufrichtigkeit in den Worten des Jaffa tief beeindruckt.
Die Bedienung brachte die Hauptgerichte und dieser Moment der Ablenkung reichte, so dass Sam, als Daniel sie auffordernd anschaute, nur ungeschickt in ihrem Essen herumstocherte und dann etwas Unzusammenhängendes von tanzenden Bananen erzählte. Jacks Augenbrauen wanderten ungläubig immer höher und er wunderte sich stumm, was Freud aus dieser Antwort gemacht hätte und was die phallischen Früchte wohl über ihren neuen Freund Pete aussagten.
Er wandte sich an Daniel: „Und, was wollen uns deine Träume sagen?“
Daniel hatte er für einen Moment den verrückten Gedanken, was wohl passieren würde, wenn er mit der Wahrheit herausrückte? Wenn er seinen Freunden gestehen würde, dass er wieder und wieder davon träumte, heißen, umwerfenden Sex mit seinem Teamführer zu haben? Für eine Sekunde war die Versuchung fast unwiderstehlich, doch dann siegte der gesunde Menschenverstand und er entschloss sich, mit einer anderen, harmloseren Wahrheit herauszurücken.
Er zuckte mit den Schultern, bediente sich noch einmal an der Pekingente, während er antwortete: „Ich habe schon ein paar Mal davon geträumt, nackt durch das Stargate zu treten. Die Marines im Torraum fallen daraufhin alle sofort um und…“
„Kein Wunder“, murmelte Jack halb zu sich. Als Sam ihm einen erstaunten Blick zuwarf, erklärte er mit einem übertrieben breiten Grinsen flüsternd: „Nackter Daniel.“
„Ich habe dich gehört, Jack“, meinte Daniel und spürte zu seinem absoluten Horror, wie er bei diesen Worten aus Jacks Mund leicht rot wurde. Er blickte rasch zu Sam und musste mit einem genervten Kopfschütteln zur Kenntnis nehmen, dass auch sie jetzt ein sehr wissendes Lächeln aufsetzte. Er war längst nicht so naiv, wie er in diesen Dingen manchmal tat und wusste genau, dass Janet, Sam aber auch die Schwestern in der Krankenstation ihre männlichen Patienten und Kollegen durchaus manchmal auf ihre Vorzüge und Attribute gnadenlos durchhechelten.
O´Neill war begeistert von Daniels Reaktion und schlug ihm freundlich auf die Schulter. „Kein Grund, verlegen zu sein, Dannyboy. Wir alle haben unsere geheimen Wünsche.“
„Das ist nicht mein geheimer…“, begann Daniel empört. Doch als er die grinsenden Gesichter seiner Freunde sah, änderte er seine Taktik. „Sag uns lieber, was dein schlimmster Alptraum ist, Jack!“
„Dass ich Hammond auf die Glatze küsse“, antwortete Jack prompt.
Zu prompt, wie Daniel fand. So, als ob er sich seine Antwort schon lange im Voraus zurecht gelegt hätte. Deshalb beschuldigte er ihn: „Du hast gemogelt, Jack!“
„WAS? Ist der Traum nicht … schrecklich genug für dich? Was soll ich denn sonst noch gestehen?“
So gefragt hätte Daniel schon eine Antwort parat gehabt, doch wieder suchte er den ungefährlichen Weg und meinte nur: „Nichts.“
***********
Gegen zehn beendeten sie ihr Essen und Sam brachte Teal’c zum Mountain zurück. Als Jack und Daniel bei ihren Autos ankamen, lehnte Daniel sich nachlässig gegen die Fahrertür, während Jack in verschiedenen Hosen- und Jackentaschen nach dem Autoschlüssel suchte.
„Sag mal, Jack, was war das Schlimmste an deinen Alptraum?“, fragte Daniel leichthin.
„Bist du immer noch damit zu Gange?“, erkundigte er sich ungläubig.
„Ja, bin ich. Also was?“
Flapsig meinte Jack: „Die Wahrheit?“
„Falls du das zustande bringst“, erwiderte Daniel spitz, dem es nicht gefiel, dass Jack ihn nicht ernst nahm.
„Hey, sei nicht so schnippisch! Carter war ja auch nicht gerade ... mitteilungsfreudig!“
„Was? Du glaubst ihr nicht, dass sie von langen, wohlgeformten Bananen träumt?“, erkundigte sich Daniel grinsend.
„Daniel!“ Jack hätte sich beinahe an seinem Lachen verschluckt, fühlte sich dann aber genötigt, nicht ganz aufrichtig, hinzuzufügen: „Wir sollten keine so abwertenden Bemerkungen über ein Teammitglied machen.“
„Stimmt. Hammond küssen ist auch nicht besser“, gestand ihm Daniel zu. „Also, was war das Alptraumhafteste daran?“
Jack fand, dass Daniel gerade nervend wie zu seinen besten Zeiten war, irgendwie hatte er gehofft, dass Oma Desala ihm diesen Charakterzug abgewöhnt hätte. Aber das war wohl sogar von einer Antikerin zu viel verlangt, und so fragte er herausfordernd und leicht hochmütig: „Habe ich mit irgendeinem Wort zu verstehen gegeben, dass es ein Alptraum war?“
„Du … hast … was für … Hammond … übrig??“, stotterte Daniel dermaßen perplex, dass ihm nicht auffiel, wie absurd die Frage eigentlich war.
„Daniel!“ Jack lachte laut auf, als faszinierte Abscheu in Daniels Augen schimmerte.
Plötzlich sah Jack den Weg, auf den ihn sein Unterbewusstsein geführt hatte. Denn wenn er den Hammond-Teil abstritt, blieb wohl nur noch der Kuss-Teil übrig. Und dazu wollte er eigentlich lieber nichts sagen. Wie hatte es der verflixte Archäologe eigentlich schon wieder geschafft, ihn so in die Zwickmühle zu manövrieren? Einerseits wollte er keineswegs als engstirnig und kleinkariert dastehen, aber andererseits …
„Angst, meine Frage zu beantworten?“, stichelte Daniel, als so gar nichts kam und grinste den Colonel spöttisch an.
„Ich habe keine Angst!“, protestierte Jack denn auch gleich wie auf Knopfdruck und machte einen Schritt auf Daniel zu.
Angst? Er doch nicht! Jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinne und schon mal gar nicht vor
Jemandem, der am liebsten im Sand spielte! Es gab nur eine Sache, die ihm im Zusammenhang mit Daniel einen riesigen Schrecken versetzte …
Es war vor einigen Monaten, kurz nach Daniels Rückkehr, passiert. Mein Gott, was hatte es ihm für einen Hitzeschub und vor Aufregung zitternde Hände verschafft, als ihm bewusst geworden war, dass er nach einer fast missglückten Mission, Daniel nicht nur gemustert hatte, um zu sehen, ob er unverletzt war, sondern dass ihm gleichzeitig durch den Kopf geschossen war, was für einen attraktiven Körper sein sehr männlicher Freund hatte! Nach all den Jahren niemals ernsthaft in Frage gestellter Heterosexualität und deutlich zur Schau getragener Macho-Haftigkeit,
konnte das einfach nicht sein! Im Zusammenhang mit Daniel an körperliche Attribute zu denken, war wirklich das Letzte, was er brauchen konnte! So war er unzusammenhängendes Zeug murmelnd aus der Umkleide gestürzt, um nicht länger dem Anblick von Daniels Hintern ausgesetzt zu sein, obwohl es in seiner Seele weiterrumorte.
Aber daran würde er jetzt nicht denken. Keine Sekunde. Ganz bestimmt nicht. Daniel, Jeans und Hintern war kein Gedankengang, der jetzt hilfreich war. So wiederholte er großspurig noch einmal: „Ich habe vor nichts Angst!“ und zwang sich, Daniels ruhigem und forschendem Blick standzuhalten.
„Hast du schon mal einen Mann geküsst, Jack?“
„Warum?“ Sah er etwa so aus? Oder so, als ob er es gerne täte? Sein Herzschlag beschleunigte sich.
„DU hast doch von dem Kuss angefangen, nicht ich. Da habe ich mich gefragt …“
„Was gefragt?“ Jack wurde leicht unruhig.
„Ob du es mal probieren willst?“, antwortete Daniel. Oh, Mist, wann würde er endlich lernen, nicht immer alles loszuplappern, was durch seinen Kopf lief? Klar hatte er sich das schon seit Jahren gefragt, aber das war ja noch längst kein Grund, Jack das jetzt auch wissen zu lassen!
„Ist das ein Angebot?“ Jack stand Daniel so nah, dass er spüren konnte, wie Daniels Atem schneller und aufgeregter wurde. Und damit seiner Atemfrequenz schon verdammt nahe kam, die sich bei dieser Frage ebenfalls dramatisch beschleunigt hatte.
Daniel hätte mehr Leichtigkeit vorgezogen, das wurde ihm hier jetzt zu ernst. Denn wenn es Jack gar nicht gefallen würde, war es besser, sie konnten es beide als Scherz abtun. So sagte er betont leichthin: „Aber ja! Neue Erfahrung und so. Wir können dich doch nicht mit einer Bildungslücke weiterleben lassen.“
Das einzig Vernünftige wäre es jetzt, auf Daniels Tonfall einzugehen und irgendetwas von „Bildung ist nicht so mein Ding“ zu faseln, um sich da ganz elegant wieder herauszuschlängeln. Aber Daniels nervöses Streichen seiner Hände über seine Hose und diese Lippen, die Daniel gerade mit seiner Zunge befeuchtete, ließen Jack alle Logik in den Wind jagen. Er würde erst Ruhe vor seinen verwirrenden Anwandlungen haben, wenn er sie aus dem System hätte. Wenn er ein für alle Mal geklärt hätte, dass das nichts für ihn wäre. Dass er es … abstoßend fand. Unnatürlich. Nichts für Männer wie ihn. Dann würde er sicher sein, dass Traum und Wirklichkeit nicht immer deckungsgleich waren und er könnte sich auf das sichere und gefahrlose Terrain der Träumereien zurückziehen.
So sagte er zu Daniels absoluter Verwunderung: „Okay. Tun wir was für meine Bildung.“
„Okay?“ Daniel spürte, wie sich ein schwerer Ball des Unwohlseins in seiner Magengegend bildete. Was hatte er sich nur bei diesem leichtsinnigen Vorschlag gedacht? Er konnte Jack nicht küssen! Ausgeschlossen! Auf gar keinen Fall! Wenn er es mit ganzem Herzen tat, dann würde Jack sofort wissen, was mit ihm los war. Und es nicht mit ganzem Herzen tun, das konnte er sich selber gegenüber auch nicht verantworten, denn vielleicht war das die einzige Gelegenheit, die er je haben würde!
Jack bemerkte Daniels Zögern und versuchte, ihn in seinem Sinn zu beeinflussen: „Hey, so eine Gelegenheit kannst du dir doch nicht entgehen lassen!“ Er war sich sehr wohl des schlüpfrigen Bodens bewusst, auf dem sie beide unterwegs waren. Es war Wahnsinn, mit so etwas herum zu spielen! Wahnsinn, so etwas auch nur in Betracht zu ziehen! Doch gleichzeitig wusste er, dass Daniel der einzige Mann war, dem er genug vertraute, es anschließend nicht gegen ihn zu verwenden. Und die Tatsache, dass Daniel der einzige Mann war, der ihn überhaupt reizte, so etwas zu probieren, war natürlich auch nicht vernachlässigbar.
Daniel wusste, dass er schon viel zu lange zögerte und je länger er es aufschob und nach Ausflüchten suchte, umso misstrauischer würde er Jack machen. Augen zu und durch war jetzt wohl die beste Devise. Das Problem war nur, dass er seine Augen partout nicht schließen konnte als er sich langsam vorbeugte und Jacks Gesicht immer näher kam. Es war wie ein Zwang, jede Einzelheit des geliebten Gesichts einzuscannen. Wie mit großen, gierigen Schlucken jedes Detail hemmungslos einzusaugen, ehe die Nähe sie undeutlich machte und verschwimmen ließ.
Aber dafür gab es ja einen mehr als gleichwertigen Ersatz. Jacks Lippen unter seinen Lippen, etwas, das er schon seit Jahren unter „unerreichbar“ abgehakt hatte. Niemals hatte er einen Moment wie diesen für möglich gehalten und jetzt waren sie einfach so hereingestolpert. Daniel spürte das Blut in seinen Ohren pulssynchron rauschen und fürchtete, dass ihm schwindelig werden würde. Er streckte seine Hände aus und umfasste Jacks Oberarme, hielt sich daran fest und zog Jack dabei halb bewusst, halb unbewusst etwas näher.
Jack war sich Daniels Nähe nur allzu gewahr. Er roch den kalten, abgestandenen Rauch in Daniels Haaren und spürte die Körperwärme des jüngeren Mannes, der sich jetzt an ihn lehnte. Dazu war er sich der Kraft bewusst, die in Daniels Griff lag; das deutlichste Zeichen, dass er gerade einen Mann küsste. Als Daniels Zunge begann, sich stetig zwischen seine Lippen zu drängen, wollte er für einen Sekundenbruchteil panisch: „Keine Zunge!“ rufen, doch dann wurde ihm gerade noch rechtzeitig bewusst, dass das lächerlich klang und nur zu einer weiteren Runde „Hast du etwa Angst?“ führen würde. Warum so etwas riskieren, wenn man es ganz einfach vermeiden konnte indem man einfach die eigene Zunge in Daniels Mund gleiten ließ?
Überraschenderweise ließ Daniel das ohne Kommentar zu und Jacks Zunge strich neugierig an Daniels Zähnen entlang. Daniels eine Hand war in seinen Nacken gewandert und hielt ihn fest, so dass er dem folgenden Ansturm in seinen Mund nicht ausweichen konnte. Nicht, dass er unbedingt gewollt hätte. Jack hatte gerade große Mühe zu sortieren und herauszufinden, was er wirklich wollte.
Denn in einem Punkt hatte er Recht gehabt: dieser Kuss entsprach keineswegs dem, was ihm seine vorsichtigen Tagträume vorgegaukelt hatten. Das waren nette, neckende Küsse gewesen, die ihn in keinster Weise auf die Dominanz, die zeitweilig in Daniels Vorgehen lag, vorbereitet hatte. Doch in einem anderen Punkt hatte er völlig Unrecht gehabt: er fand es ganz und gar nicht abstoßend oder so, dass es ihn ein für alle Mal von dem Wunsch Daniel zu küssen befreit hätte. Er stöhnte leise auf, als Daniel im nächsten Moment wieder nachgiebiger wurde und ihm die erneute Erforschung seines Mundes gestattete.
Da Jack ihm nicht ausgewichen war, ja nicht einmal zurückgezuckt war, sondern jede seiner Bewegungen kopiert hatte und jetzt sogar leise seufzte, war Daniel entschlossen, die Gelegenheit bis zum Letzten auszukosten. Alle Rücksichtnahme beiseite lassend, schmiegte er sich enger an Jack, rieb sich gegen ihn, hielt Jack ständig in der Schwebe, da er laufend zwischen aggressiver Inbesitznahme und passivem Gewährenlassen wechselte. Daniel wusste nicht, was Jack sich unter einem Kuss mit einem Mann vorgestellt hatte, für ihn jedenfalls erfüllte sich gerade jeder seiner sehnlichsten Wünsche.
Er änderte behutsam ein wenig seinen Stand, damit er andeutungsweise ein Bein zwischen Jacks Beine bringen konnte. Würde Jack ihn auf seine Erektion ansprechen, würde er einfach etwas von „automatischer Reaktion“ erzählen. Er lehnte seinen Körper so gegen Jacks, dass der an seiner Hüfte jetzt Daniels Erregung spüren musste.
Da Jacks Verstand in anderen, neuen, überwältigenden Sinneneindrücken gefangen war, die von allen Seiten auf ihn einstürzten, dauerte es fast eine halbe Minute, ehe ihm die Bedeutung dessen, was er dort jetzt spürte, deutlich wurde. Das ließ ihn einen Moment den Kuss unterbrechen und aufgeregt nach Luft schnappen, doch wurde ihm schlagartig bewusst, dass er in einer ganz schlechten Situation für Vorwürfe war. Shit! Ob er es nun wahrhaben wollte oder nicht, er war genauso hart wie der Archäologe!
Als wolle Daniel jeden Zweifel ausräumen, dass er es auch bemerkt hatte, bewegte er sich derart, dass die Reibung zunahm. Glitt an Jacks Bein ein wenig auf und ab, presste sich näher und brachte immer wieder noch ein bisschen mehr Reibungsfläche ins Spiel.
Phantastische Reibung, die ein immenses Kribbeln in Jacks Unterleib erzeugte. Die seine Arme um Daniels Taille brachte, damit er ihn noch ein wenig fester halten konnte. Die seine Hand zögerlich bis auf Daniels Hintern herunter gleiten ließ, bis sie dort einen noch besseren Griff gefunden hatte. Er legte seine Stirn gegen Daniels Stirn, stöhnte in Daniels halbgeöffnete Lippen: „Oh, mein Gott“ und ließ sich wie hypnotisiert immer weiter in die kreisenden, stoßenden Bewegungen ziehen.
Plötzlich ließ sie ein lauter, metallischer „Klick!“ erschrocken auseinander fahren.
„Was…?“ Daniel schaute sich alarmiert und suchend um.
„Mein Schlüsselbund“, beruhigte ihn Jack. Seinen kraftlosen Fingern war der Bund entglitten und auf den Asphalt des Parkplatzes gefallen.
Jack trat aus der Umarmung heraus und bückte sich nach den Schlüsseln. Doch der kurze Augenblick reichte, um ihm den Wahnsinn ihrer Aktion deutlich zu machen.
Verdammt! Sie standen auf einem öffentlichen Parkplatz, mitten in Colorado Springs! Und das, was sie da gerade betrieben, konnte nicht einmal der wohlmeinendste Passant als einen kleinen, harmlosen Abschiedskuss unter Freunden durchgehen lassen! Nicht nur sein ganzer Körper fühlte sich nach Sex an, für einen Außenstehenden musste es auch so wirken!
Jack schaute sich noch einmal hektisch um, aber irgendein glücklicher Zufall hatte sie bisher vor neugierigen Zuschauern bewahrt.
„Steig ein!“, forderte er Daniel auf, als der wieder nach ihm greifen wollte. Er öffnete die Zentralverriegelung des Wagens.
„Aber mein Auto ist…“
„Steig ein, wir müssen reden und ich habe keine Lust, das im Stehen zu tun!“, wiederholte Jack drängender.
Daniel ging um das Auto herum und stieg auf der Beifahrerseite ein. Er wollte sich zu Jack rüberbeugen, hatte schon die Hand ausgestreckt, doch Jack ließ sich schwer in den Fahrersitz fallen und umklammerte das Lenkrad fest mit beiden Händen. Daniel zog seine Hand wieder zurück. Das sah nicht so aus, als würden sie die Aktivitäten von gerade fortsetzen, musste er sich betrübt eingestehen.
Das Wageninnere fühlte sich stickig an. Jack ließ das Seiten-Fenster herunter und musste dann feststellen, dass es nicht nur die abgestandene Luft in dem Wagen war, die ihn bedrückte. Die Intimität des sehr kleinen Raumes, Daniel nur wenige Zentimeter von ihm entfernt, machten ihn unruhig. Daniel, der ihn entgegen seiner Gewohnheit nur abwartend anschaute, statt ihn mit Fragen zu löchern. Okay, hatte er sich das nicht gerade noch gewünscht? Jack ließ ein kleines Aufseufzen vernehmen, als er daran dachte, wie oft man die Dinge nicht zu dem Zeitpunkt bekam, zu dem man sie gerne gehabt hätte.
Und immer noch kein Wort von dem Linguisten! Jack räusperte sich, seine Finger trommelten nervös auf das Lenkrad, er räusperte sich noch einmal und dann wiederholte er entschieden: „Wir müssen darüber reden.“
Dringend. Denn weder das Gefühl der Panik, als er befürchtet hatte, dass sie jemand gesehen haben könnte, noch das Gefühl der Erregung, das er in Daniels Umarmung gespürt hatte, ließ sich verdrängen. Beides beunruhigte ihn. Zutiefst. Und brachte ihn in Aktion. Er startete den Motor und meinte nur: “Wir fahren ein Stückchen, dann ist es einfacher.“
„Okay.” Daniel war ganz froh über den Aufschub, denn er musste sich erst einmal wieder unter Kontrolle bringen. Jacks abrupter Stimmungswechsel ließ ihn gegen einen Kloß in seinem Hals anschlucken. Er hatte für einen Moment wirklich angenommen, dass dieser Kuss sie auf den richtigen Weg gebracht hätte. Richtig in dem Sinne, als dass es genau die Richtung war, die Daniel vorschwebte. Aber Jacks verkrampfte Körperhaltung legte nahe, dass das Band in dem Moment zerrissen war, als Jack sich nach dem Schlüsselbund gebückt hatte. Er war sich sicher, dass das nicht an seiner Kusstechnik lag, denn Jack hatte den Kuss ohne jeden Zweifel erregend gefunden. Es musste also etwas anderes dahinter stecken und Daniel fürchtete sich schon zu hören, was es war. Er ließ Jack Zeit, bis sie auf der Interstate waren, dann fragte er sanft nach: „Also?“
Abrupt stieß O´Neill hervor: „Ich bin nicht schwul oder so, nur damit du das weißt.“ Er starrte geradeaus auf die kaum befahrene Straße, als verlange sie seine ganze Aufmerksamkeit.
Daher wehte also der Wind. Nun gut, bei einem Air Force Colonel vielleicht nicht wirklich überraschend. Deshalb sagte Daniel begütigend: „Jack, natürlich bist du nicht schwul, nur weil du einmal deinen Freund geküsst hast.“
„Okay.“ Nur, dass Daniel nicht wusste, dass da noch mehr war als dieser Kuss. Die Träume. Die Überlegungen. Die Blicke. Das sanfte Prickeln. Der Wunsch, Daniel lachen zu sehen …
„Außerdem muss heute niemand mehr schwul sein, der nicht will”, eröffnete ihm Daniel.
„Wie?“ Jack drehte sich ruckartig zu seinem Freund um. Was war denn das für ein Blödsinn?
“Bisexuell ist das neue Modewort. Es erlaubt dir auf beiden Seiten des Zauns zu spielen, ohne Verdacht zu erregen.“
Jack quittierte das mit einem kleinen, erleichterten Lachen. Daniel hatte wirklich auf alles eine Antwort – und auch noch nett verpackt. Doch er beharrte: „Selbst das ist in meinem Fall noch zu hoch gegriffen.“
„Jack, das sind doch alles nur Begriffe. Die genaue Bezeichnung spielt im besten Fall keine Rolle, im schlechtesten Fall ist sie trügerisch.“
„Das sagt ein Wortverdreher?“, neckte Jack. Als so gar keine Antwort kam, riskierte er einen etwas längeren Blick auf seinen Freund, der im Moment in unliebsamen Erinnerungen unterwegs zu sein schien.
„Man sollte doch meinen, dass es etwas Gutes ist, leicht zu lernen, eine hervorragende Auffassungsgabe zu haben, die besten Noten zu schreiben – aber ich kann dir sagen, das sieht nur geschrieben im Zeugnis so aus. Dein tägliches Leben kann es dir zur Hölle machen. Seitdem bin ich ganz vorsichtig, was Wörter betrifft. Vielleicht bin ich ja auch deshalb Linguist geworden.“ Er zuckte die Schultern und warf Jack ein schiefes Grinsen zu.
Jack spürte Erleichterung. Das, was Daniel da erzählte war auch schlimm, aber er hatte schon Sorge gehabt, dass die bedrückenden Erinnerungen mit Daniels sexueller Orientierung zu tun haben könnten. Was ihn wieder darauf zurück brachte, dass er gar nicht genau wusste, wie die war.
„Ehm…, Daniel, ….äh, …“ Jacks rechte Hand spielte mit dem Knopf des Radios, ohne es anzumachen.
`Da schlug wohl gerade die Konditionierung von fast dreißig Jahren „Don`t ask“ mal wieder mit voller Kraft zu´, musste Daniel denken und erlöste seinen Freund: „Ich spiele – um im eingangs gewählten Bild zu bleiben – für beide Teams, Jack.“
Jack konnte nicht anders, er musste grinsen. „Bilder aus dem Sportkanal für den Colonel?“ Dann fügte er ernster und mit leichtem Bedauern hinzu: „Aber ich glaube nicht, dass ich in meinem Alter das Team noch wechseln werde.”
„Wie kannst du das wissen, wenn du es noch nie ausprobiert hast?“ Daniel befürchtete, dass er etwas zu verzweifelt rüber kam, aber er war sich ziemlich sicher, dass sich eine solche Gelegenheit nicht so bald wieder bieten würde. Wenn sie ihre ziellose Fahrt beendet hätten, würde der Colonel das ganze Gespräch, den kurzen Moment auf dem Parkplatz, in irgendeine Schublade stopfen, wegschließen und nie wieder hervorholen. Ihm blieb nicht viel Zeit. „Wenigstens ein Mal …“
Jack schwieg längere Zeit, dann entgegnete er: „Daniel, ich glaube nicht, dass ich das kann. Es ist … so verschieden, von allem, was ich …“
„Was ist der große Unterschied, Jack? Okay, ich bin ein Mann …“
„Allein das hört sich für mich nach einem riesigen Unterschied von meinen sonstigen Gewohnheiten an!“, unterbrach ihn O’Neill leicht spöttisch. Spott war gut. Spott hielt das ernste Thema ein bisschen auf Distanz.
Aber Daniel ließ sich nicht ablenken. „Was macht für dich erfüllten Sex aus, Jack?“
„Was??“ Jack glaubte, nicht richtig gehört zu haben.
„Wie triffst du deine Entscheidung, mit wem du ins Bett gehst? Was braucht es, damit du nachher sagst: das war gut. Nun?“
„Ist das nicht ein bisschen sehr persönlich?“ Jack runzelte die Stirn.
„Für solche Diskussionen sind beste Freunde da“, versicherte ihm Daniel und nickte heftig.
„Aha.“ Noch immer schaute Jack zweifelnd, aber dann sagte er sich, dass er Daniel ja von seinem Standpunkt überzeugen wollte und welch probateres Mittel, als ihm von vollbusigen Schönheiten vorzuschwärmen, gäbe es wohl?
„Also, wie war der erste Teil der Frage noch: welche Kriterien ich anlege? Nun, Daniel, da kann ich dir versichern, dass mein hervorstechendes Kriterium bisher immer Weiblichkeit war. Kein Busen, kein zweiter Blick.“ Er fand das war eine sehr überzeugende Antwort und warf Daniel einen herausfordernden Blick zu.
Aber Daniel gab sich damit natürlich nicht zufrieden. „Gut. Das trifft auf etwa 50% der Menschheit zu, du musst also noch mindestens
ein weiteres Kriterium haben“, meinte er mit einem winzigen Lächeln.
„Klugscheißer.“ Jack gestattete sich ein amüsiertes Schnauben. Dann seufzte er: „Du willst das jetzt echt durchziehen, nicht wahr?“
„Ja. Du weißt doch wie sehr ich auf neues Wissen fixiert bin“, blieb Daniel im gleichen Tonfall.
„Ja. Ja. Also schön.” Jack schenkte der Frage jetzt einen Moment wirkliche Überlegung, dann stützte er einen Ellenbogen an der Seitentür auf, lehnte seinen Kopf gegen seine linke Faust und lenkte mit nur einer Hand weiter. Er war bereit, etwas ausführlicher zu werden.
„Ich habe keinen bestimmten Typ, der mich sofort anspricht. Mary Steenburgen und meine Ex könnten nicht unterschiedlicher sein. Als ich jünger war, bin ich fast ausschließlich nach Äußerlichkeiten gegangen. Wenn du älter wirst, ändert sich das. Das Äußere ist immer noch wichtig, aber andere Dinge werden wichtiger. Bei Sara z.B. war es ihre ungekünstelte Art, ihr kumpelhaftes Wesen. Davor gab es die Pilotin, mit der ich stundenlang übers Fliegen reden konnte.“ Und dann kam ein Archäologe mit dem ich über alles reden konnte. Jack verscheuchte den Gedanken resolut und endete stattdessen mit: „ … und sie hatten alle einen Busen!“
„Ja, Jack, der Punkt ist jetzt bei mir angekommen“, bemerkte Daniel trocken. Er war erstaunt und erfreut zugleich, wie ehrlich Jack mit ihm war. „Aber was macht guten Sex aus?“
„Hey, Daniel, du weißt schon, dass das jetzt etwas … mmh …, wie soll ich sagen …?“ Jack kratzte sich auf der Suche nach Worten am Kopf.
„Ich bin bereit, die Frage ebenfalls zu beantworten.“
„Bist du?“
„Ja.“
„Kannst du nicht anfangen?“ Bittend schaute ihn Jack an.
„Jack!“
„Okay, okay. Ich kann das.“ Er holte noch einmal tief Luft. „Also, ehm …. Ja!
Gut ist es dann, wenn du dich nachher besser fühlst als vorher!“ Triumphierend schaute er Daniel an, sehr zufrieden mit seinem Geistesblitz. Wenn das den Linguisten nicht beeindruckte …
„Und was hat dich dann dahin gebracht?“ Daniel war nur froh, dass er für gemeinhin über einen ziemlich dicken Geduldsfaden verfügte.
„Mensch! Du bist hier doch der, der mit Worten so gut umgehen kann!“ Jack fühlte sich in die Ecke gedrängt und sprach etwas lauter als beabsichtigt. „Sag du es mir doch!“
Es war Daniel klar, dass so bald nichts mehr von Jack kommen würde, wenn er nicht auch etwas Privates ins Gespräch einbringen würde. So lehnte er sich bewusst entspannt in den Beifahrersitz und versuchte, seine Gedanken in eine ordentliche Reihenfolge zu bringen.
„Ich gestehe dir zu, eine gewisse körperliche Attraktivität muss gegeben sein.“
Jack nickte zustimmend: „Mein Reden!“
„Aber das Allerwichtigste scheint mir Vertrauen zu sein. Wenn du die ganz Zeit auf der Hut bist, ob dein Partner nichts macht, was dir nicht gefallen könnte, dann kannst du dich nicht entspannen. Vertrauen ist auch wichtig, damit du dich nicht lächerlich fühlst, denn seien wir ehrlich, Jack, all das Brabbeln von unzusammenhängendem Zeug, das Stöhnen und Grunzen, das möchtest du doch nur jemanden hören lassen, dem du vertraust.“
„Grunzen, Daniel?“, erkundigte sich Jack amüsiert.
Tief aufseufzend stoppte Daniel seine Ausführungen. Konnte Jack denn nicht mal fünf Minuten ernst sein? „Ja, auch Grunzen.” Er ließ seinen Kopf gegen die Rückenlehne sinken, schloss die Augen und versuchte sich in einer nur mäßig gelungenen Meg-Ryan-Imitation.
Bis Jack alarmiert ausrief: „Okay, okay, ich glaub’s dir ja!“ Verflucht, die Geräusche weckten gewisse Körperteile wieder auf! „Was noch?“ Er musste dringend von seinen unangemessenen Gedanken abgelenkt werden!
Daniel drehte den Kopf so, dass er jetzt genau auf Jacks Profil schauen konnte. Er sah den zusammengebissenen Mund, die gerunzelten Brauen, die äußerste Konzentration und hätte nur zu gerne seine Hand ausgestreckt. Aber er hielt sich zurück und nach einem Moment der Überlegung fuhr er stattdessen fort: „Vertrauen ist wichtig. Aber ich brauche auch das Kribbeln, die Sehnsucht, das Begehren, oder wie auch immer du es nennen willst. Wenn ich in jeden Augenkontakt etwas hereininterpretiere. Wenn ich auf jeden noch so winzigen Blick, jede noch so winzige Berührung sehnsüchtig warte. Wenn es mich Mühe kostet, meine Hände nicht über seine Haut gleiten zu lassen, die auf jede noch so vorsichtige Berührung mit einem kaum merklichen Erschaudern reagiert.“
Obwohl Daniels Kopf noch immer in Jacks Richtung gedreht war, hatte er inzwischen die Augen wieder geschlossen. Seine Stimme war leiser aber auch eindringlicher geworden.
„Oder meine Haut mit einer Gänsehaut reagieren lässt, alle Härchen auf meinem Arm aufrichten lässt, wenn seine Finger drüber streichen. Sanft darüber gleiten und sich doch einprägen, wie ein Brandeisen.“
Jack wagte nicht mehr, Daniel zu unterbrechen. Alles in ihm war in Aufruhr. Es bestand wohl kein Zweifel daran, wen Daniel in diesem Moment vor Augen hatte. Diese sinnliche Seite an Daniel, die sonst niemand kannte, faszinierte Jack. Aber die Bilder, die dazu in seinem Kopf abliefen, waren so realistisch und plastisch wie noch nie, da sie als Referenz jetzt den Kuss vom Parkplatz hatten. Es erschreckte ihn, dass er zu solchen Bildern fähig war. Es war wie ein erster Schritt in Richtung auf eine Kapitulation hin, die er nicht in Betracht ziehen wollte. Doch die einschmeichelnde, überredende Stimme gab noch keine Ruhe.
„Das ist die Übereinstimmung, die ich brauche. Ein Verständnis ohne Worte – auf fast unbewusster Ebene. Und in dem Moment ist es doch ganz egal, ob mein Partner männlich oder weiblich ist. Es ist die Nähe, auf die es ankommt und Nähe hat nichts mit Geschlecht zu tun. Sondern mit Berührungen. Wissen um die Wünsche des anderen. Bereitwilligkeit zu geben aber auch Entgegenkommen das anzunehmen, was der andere geben will. Auch wenn das nicht immer ganz einfach ist. Aber es lohnt sich. Ein Nervenkitzel der ganz anderen Art, als unsere Missionen. Nicht sanfter, nein, aber absolut ungefährlich, nur auf Erregung bedacht.“
Daniel setzte sich etwas anders hin, denn seine eigenen Worte hatten ihn in genau die Erregung gebracht, von der er Jack gerade vorschwärmte. Er berauschte sich an den Traumfetzen, die durch seinem Geist wehten und versuchte Jack ein klein wenig davon sehen und fühlen zu lassen.
„Es macht dich ungeheuer lebendig. Es ist so … körperlich und absolut überwältigend, wenn dich eine andere Hand an deinen empfindlichsten Stellen berührt. Samtig, hart, heiß – das sind alles nur sehr unzureichende Adjektive, um es zu beschreiben. Sie reichen nicht im Entferntesten an die Wirklichkeit heran. Und wenn du mich dann auf den Rücken …“
„Daniel!! Hör auf damit! Genug!“ Jack atmete deutlich schneller und war inzwischen wieder auf dem Weg in die Innenstadt. Plötzlich erschien ihm der Parkplatz wie ein sicherer Hafen, den er unbedingt erreichen musste. „Das ist … das ist ja wie ein … Porno ohne Bilder!“
Daniel war nicht bereit, Jack irgendetwas zu schenken. Am allerwenigsten Seelenfrieden. So drängte er: „Nimm doch einfach die Bilder in deinem Kopf dazu.“
„Das will ich aber nicht!“ Frustriert bemerkte Jack, dass seine Stimme einen leicht hysterischen Unterton hatte. Denn es gab verräterische Teile seines Körpers, die das für eine gute Idee hielten. Jack rang um seine Fassung, versuchte die widerstrebenden Gefühle mit einer Art autogenem Training unter Kontrolle zu bringen – und hatte dann nach einigen tiefen Atemzügen auch halbwegs Erfolg. „Ich denke, ich kann das nicht“, wiederholte er noch einmal mit deutlich mehr Endgültigkeit in der Stimme als Daniel lieb war.
Sie erreichten in diesem Augenblick den Parkplatz und Jack steuerte den Jeep neben Daniels Wagen. Er machte den Motor aus.
„Tut mir Leid, Jack. Ich dachte, dir hätte der Kuss gefallen.“ Daniel war sich bewusst, dass das ein gemeiner Schlag unter die Gürtellinie war, aber er war sich nicht zu schade dafür. Er löste seinen Sicherheitsgurt und öffnete langsam die Beifahrertür. „Nacht, Jack.“
„Nacht, Daniel.“ Jack hielt ihn nicht zurück.
Daniel warf die Tür zu und ging müde zu seinem eigenen Wagen. Wie ein geschlagener Hund. Hängende Schultern und schleppender Gang. Er wollte Jack ganz deutlich sehen lassen, wie mies es ihm ging.
Ein Bild des Jammers, das tief in Jacks Herz einschnitt und sein Gewissen auf den Plan rief. So konnte er den Archäologen nicht in die Nacht entlassen.
„Daniel?“, rief er ihn zurück, bevor er noch ganz an seinem Auto angekommen war.
„Was ist?“ Daniel drehte sich zu ihm um, blieb aber wo er war.
Jack gab ihm ein Handzeichen näher zu kommen. Daniel tat es und stützte die Ellenbogen auf den Fensterausschnitt. „Und?“
„Ich weiß gar nicht, warum du so niedergeschlagen bist. Du …“
„Ach, nein?“, unterbrach ihn Daniel sarkastisch.
„Nein. Du hast heute Abend viel mehr, als du noch heute Morgen hattest.“ Trotz Daniels ungläubigen Blicks fuhr er unbeirrt fort: „Du bist eine große Unsicherheit los, denn du hast mir endlich gestanden, was du für mich empfindest.“
Daniels Augen weiteten sich vor Überraschung, als ihm klar wurde, dass das jetzt wirklich der Fall war. Aber die Überraschung ging noch weiter, denn Jack fuhr fort: „Du weißt jetzt, wie es sich anfühlt, mich zu küssen. Und du weißt jetzt, dass mich deine Küsse nicht … äh … kalt lassen.“ Jack sah es hinter Daniels Stirn richtig rattern, als sein Freund all diese Informationen verarbeitete.
„Ja! Du hast Recht!“, rief er begeistert. „Ich … ich war so davon eingenommen, was ich alles nicht bekommen konnte, dass ich gar nicht gesehen habe, was ich alles bekommen habe! Danke, Jack!“
Daniel strahlte über das ganze Gesicht und musste sich sehr beherrschen, sich nicht in das Auto hinein zu beugen, um Jack zu umarmen. So streckte er nur vorsichtig eine Hand aus, berührte Jack flüchtig am Oberarm und flüsterte noch einmal: „Danke.“
„Ach, komm her!“, grummelte Jack, der aufpassen musste, dass er bei soviel Begeisterung nicht gleich rührselig wurde. Er zog Daniel an seinem Hemd die fehlenden Zentimeter vor und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. „Nacht, Daniel. Und jetzt sieh zu, dass du nach Hause kommst.“
„N …n…acht, Jack.“ Daniel schluckte, atmete, schluckte nochmals und stieß sich den Kopf an, als er sich abrupt und mit einem triumphierenden ausgestoßenen: „JA!“ aufrichtete.
„Aua!“ Er rieb sich seinen Hinterkopf, grinste aber wie ein Irrer dazu.
Jack konnte nicht anders als mitzugrinsen.
„Vielleicht?“, fragte Daniel ganz, ganz zögerlich und mit einem hoffnungsvollen Blick.
Einen Moment überdachte Jack seine Antwort, dann nickte er und meinte leise: „Vielleicht.“
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