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Thema: [Sea Patrol] HMAS Hammersley - ein Schiff für besondere Fälle

  1. #21
    First Lieutenant Avatar von Zeson
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    Dankeschön, liebe Evaine, für's "Danke". (Irgendwie wird das hier immer weniger ... *seufz*)






    Kapitel 15: Fortschritte


    HMAS Hammersley, 16:40 Uhr, erste Hundewache, Heimathafen


    Mit gemischten Gefühlen betrat EJ die Gangway, die aufs Schiff führte. Einerseits freute sie sich, dass sie wieder gesund war, andererseits fürchtete sie sich aber auch vor der Reaktion ihrer Schiffskameraden. Wie würde man sie wohl aufnehmen? Würde man ihre Rückkehr an Bord überhaupt bemerken? Wie sollte sie sich den anderen gegenüber verhalten?

    Unwillkürlich wurden ihre Schritte langsamer, je weiter sie hinaufging. Mit einem Blick umfasste sie die Brücke, die Aufbauten und die Beiboote, und plötzlich wurde ihr klar, wie sehr sie das alles vermisst hatte. Hier fühlte sie sich heimisch, hier gehörte sie hin. Mit einem Mal wurde ihr Schritt fester und ihre Haltung aufrechter. Ein breites Lächeln erhellte ihr Gesicht, als sie das Deck betrat und salutierte.

    Es war nun fünf Wochen her, seitdem sie angeschossen worden war. Sie hatte die Zeit an Land genutzt und sich über die rechtlichen Schritte informiert, die eine Scheidung einleiten würden. Es würde nicht leicht werden, solange ihr Mann sein Einverständnis verweigerte, aber unter bestimmten Umständen war es möglich, auch ohne dieses von ihm geschieden zu werden. Dazu gehörte unter anderem auch die Tatsache, dass Steve wegen eines tätlichen Angriffs auf sie verurteilt worden war.

    Noch hatte EJ die Scheidung nicht eingereicht, aber sie hatte sich bei einem Anwalt des sozialen Dienstes der Navy Rat eingeholt. Man hatte ihr jede Unterstützung zugesagt, die sie benötigen würde. Doch die Angst, dass er seine Drohung wahr machen würde, saß immer noch tief.

    Ein weiterer Schritt in ein normales Leben war es gewesen, sich an eine Psychotherapeutin zu wenden. EJ hatte es endgültig satt, voller Misstrauen und in ständiger Angst zu leben. Sie würde es aber kaum alleine schaffen, sich von dem Trauma ihrer Ehe zu befreien. Die intensiven Sitzungen, die sie bereits hinter sich hatte, trugen dazu bei, dass sie sich nun schon sicherer im Umgang mit Männern fühlte, aber sie war auch davor gewarnt worden, zu viel von sich zu verlangen. Es würde noch eine ganze Weile dauern, bis sie ihre Erlebnisse verarbeitet hätte.

    Sie wandte sich in Richtung des Schotts, das ins Innere des Schiffes führte, als dieses aufgerissen wurde und Bomber herausgestürzt kam.

    „EJ“, quietschte sie begeistert. „Endlich! Geht es Dir gut? Toll, dass Du wieder da bist!“

    EJ ließ ihre Tasche fallen und fing die Köchin auf.

    „Hey, renn mich nicht gleich um“, lachte sie dabei.

    Sie umarmte die Freundin fest und ließ dann zu, dass diese ihre Tasche aufnahm.

    „Ich bin wieder völlig fit“, erklärte sie ihr, als sie ins Schiffsinnere gingen. „Schließlich hatte ich ja auch lange genug Zeit, mich zu erholen.“

    „Ich hab Dich schrecklich vermisst“, gab Bomber zu. „Allein in der Kabine war es furchtbar langweilig.“

    „Ja, klar doch. Du hast ja schließlich noch nie allein in der Kabine gewohnt“, gab EJ ironisch zurück.

    „Ach, Du weißt doch, wie ich das meine“, entgegnete Rebecca und knuffte sie leicht in die Schulter.

    Das Gesicht zu einer Grimasse verzerrend hielt EJ sich die Stelle und stöhnte übertrieben auf. Erschrocken sah Bomber sie an, aber dann sah sie das Grinsen, das sich auf das Gesicht ihrer Freundin stahl.

    „Oh, verdammt, jag mir gefälligst nicht so einen Schrecken ein“, schimpfte sie los. „Ich dachte schon, ich hätte Deine Verletzung erwischt.“

    „Von der ist kaum mehr was zu spüren“, beruhigte EJ sie. „Es macht mir eben Spaß, Dich ein wenig aufzuziehen.“

    „Das merke ich. So was bin ich gar nicht von Dir gewöhnt.“

    „Ist für mich auch noch ungewohnt, aber ich übe“, grinste sie ihre Freundin an und die Köchin lachte los.

    „Also, zum Üben wirst Du noch viel Gelegenheit haben. Ich bin mal gespannt auf die Gesichter der Jungs, wenn Du auf die Art loslegst.“

    EJ sah sie etwas zweifelnd an, aber dann musste sie ebenfalls lachen.

    „Ich muss leider wieder an die Arbeit“, meinte Bomber, als sie sich wieder beruhigt hatte. „Ich muss noch prüfen, ob wir alle Vorräte an Bord haben.“

    „Soll ich Dir helfen?“, bot EJ sofort an, aber die Köchin schüttelte den Kopf.

    „Nein, Du meldest Dich besser gleich beim CO. Außerdem ist es Dein erster Abend zurück an Bord. Pack Deine Sachen aus und gewöhn Dich wieder ein.“

    „Wie Du meinst, Bomber. Ich seh’ Dich später“, nickte die junge Frau und ging zu ihrer Kabine, während Rebecca in Richtung Kombüse verschwand.

    Nachdem sie ihre Tasche ausgepackt und die Sachen im Schrank verstaut hatte, machte EJ sich auf den Weg zu Mike. Die Tür zum Schiffsbüro stand offen und sie klopfte höflich an.

    „Ja? Oh, EJ. Schön, dass Du wieder da bist“, sagte er erfreut, als er sah, wer ihn sprechen wollte.

    „Seaman Kingston meldet sich zurück an Bord“, salutierte sie, entspannte sich dann aber und lächelte ihn an. „Ja, es ist schön, wieder an Bord zu sein, Sir.“

    „Lass den „Sir“ mal für einen Augenblick weg“, lächelte er zurück. „Wie geht es Dir? Bist Du wieder okay?“

    „Es geht mir bestens, Mike, danke der Nachfrage. Diese Auszeit hat mir in jeder Hinsicht gut getan.“

    Er blickte sie prüfend an und nickte dann.

    „Ja, das kann ich sehen. Du siehst toll aus.“

    Sie lachte auf.

    „Nun übertreib mal nicht. Erholt vielleicht, das lasse ich noch gelten, aber „toll“? Nein, Mike, das wäre doch zu viel behauptet.“

    Er sah sie fasziniert an. In der Frau, die vor ihm stand, erkannte er den Teenager von damals wieder. Sie musste in den letzten Wochen, als er mit der Hammersley auf See gewesen war, sehr an sich gearbeitet haben. Sie deutete seinen Blick richtig und wurde ernst.

    „Ich wollte mich nicht nur zurückmelden, sondern Dich auch darüber in Kenntnis setzen, dass ich mich an den sozialen Dienst gewandt habe“, erklärte sie ihm. „Ich bin derzeit in psychologischer Behandlung und werde jedes Mal, wenn wir wieder hier sind, weitere Sitzungen haben. Ich hoffe, es stört Dich nicht?“

    „Ganz im Gegenteil, ich finde es großartig, dass Du Dich dazu entschlossen hast, Hilfe zu suchen.“

    „Ich werde auch Deine Hilfe brauchen“, fuhr sie etwas unsicherer fort.

    „Wobei denn? Du weißt, dass Du jederzeit auf mich zählen kannst.“

    „Ich habe mich fast dazu durchgerungen, die Scheidung einzureichen“, erklärte sie ernst.

    „Dabei kann Dir aber ein Anwalt besser zur Seite stehen als ich ...“, wandte Mike ein, aber sie unterbrach ihn sogleich.

    „Nicht diese Art von Hilfe. Ich war bereits bei einem Anwalt und habe mich informiert. Nein, ich meinte eher ... moralische Unterstützung.“

    Ihre Stimme war leise und unsicher geworden, aber Mike legte ihr die Hand auf die Schulter und drückte sie aufmunternd.

    „Natürlich werde ich für Dich da sein, keine Frage. Wir werden das schon durchstehen.“

    „Ich ... ich kann einfach seine Drohung nicht vergessen ...“

    „Er wird Dir nichts tun können, EJ. Hier an Bord bist Du sicher“, beruhigte er sie und nahm sie kurz in den Arm.

    Sie löste sich wieder von ihm und sah ihn dann an.

    „Danke, Mike. Für alles ...“

    „Jederzeit, EJ“; nickte er. „Vergiss das nie.“

    Als die junge Frau die Kabine wieder verließ, stieß sie an der Tür fast mit der XO zusammen, der sie mit einem entschuldigenden „Ma’am“ auswich. Kate sah ihr verwundert nach und blickte dann zu Mike, der sie etwas wehmütig anlächelte.

    „Was war denn das?“, fragte sie und betrat den Raum.

    „Familiengeheimnisse“, erklärte er ihr rätselhaft und schüttelte den Kopf, als sie ihn fragend ansah. „Kümmern wir uns lieber um das Schiff, damit wir rechtzeitig auslaufen können“


    ***


    Der Alltag holte EJ schnell wieder ein. Sie merkte rasch, dass es ihr nicht mehr so schwer fiel, auf die Scherze und Neckereien der anderen einzugehen. Zwar verhielt sie sich noch immer zurückhaltend, aber sie schottete sich nicht mehr ab. Ihre Therapiesitzungen hatten ihr in dieser Hinsicht bereits sehr geholfen.

    Immer wieder bekam sie zu hören, dass man sie vermisst hatte. Vielen war erst, als sie nicht mehr da war, aufgefallen, wo sie überall, ohne zu fragen, mit angepackt hatte. Dies ging von kleinen Handreichungen bei Reparaturen über geflickte Kleidung bis zum Kaffee, den sie der Wache ungefragt auf die Brücke gebracht hatte. Zudem hatte sich die Mannschaft bereits an die regelmäßigen Massagen gewöhnt gehabt. Swain hatte sich mehr als einmal gewünscht, auf ihre Unterstützung zurückgreifen zu können. Davon hatte er ihr aber bereits bei seinen Besuchen im Krankenhaus erzählt. Er war sogar so weit gegangen, zu fragen, ob sie sich nicht für den medizinischen Dienst weiterbilden wolle. Das hatte sie zwar abgelehnt, aber sie behielt diese Option für sich im Auge. Wer wusste schon, was die Zukunft bringen würde?

    Am Wohlsten fühlte EJ sich immer noch in der Gesellschaft von Bomber, Swain und Buffer. Der Bootsmann hatte sie ebenfalls, wie die beiden anderen, während ihres Krankenhausaufenthaltes besucht. Er hatte sie mit Geschichten aus dem Schiffsalltag unterhalten und sie so manches Mal zum Lachen gebracht. Seine freundliche Art hatte ihr ein beruhigendes Gefühl gegeben. Er schien wirklich besorgt um ihr Wohlergehen und verhielt sich in keiner Weise aufdringlich. Als die Hammersley ohne sie wieder auf Fahrt ging, hatte sie seine Besuche sogar vermisst.

    EJ wurde derselben Wachmannschaft zugeteilt wie zuvor. Mit Spider, Buffer und Swain kam sie bestens klar, das zeigte sich auch in der Zusammenarbeit bei Entermanövern oder Missionen an Land. Was die Arbeit anbelangte, hatte sie vollstes Vertrauen zu ihren Kameraden. Ganz allmählich lernte sie nun, ihnen auch außerhalb des Dienstes zu vertrauen. Sie bemerkte, dass Swain und Buffer immer ein Auge auf sie hatten, wenn sie in Gesellschaft waren. Das fand sie erstaunlicherweise äußerst beruhigend, und so kam sie allmählich immer mehr aus sich heraus.

    Mit jeder weiteren Therapiesitzung verarbeitete sie ein weiteres Stück ihrer Vergangenheit. Es war nicht einfach, sich selbst eingestehen zu müssen, welche Fehler sie begangen hatte. Sie erkannte, wie falsch es gewesen war, so lange an ihrer Ehe festzuhalten. Ihre Angst vor dem Alleinsein hatte da eine sehr große Rolle gespielt. Sie hatte sich zwar in der Zwischenzeit daran gewöhnt, auf sich selbst gestellt zu sein, aber das hatte sie viel Kraft gekostet. Allmählich schälte sich heraus, dass der Unfalltod ihrer Eltern, als sie erst fünf Jahre alt gewesen war, zu dieser Angst geführt haben musste. Sie war zu klein gewesen, um zu begreifen, dass ihre Eltern sie nicht absichtlich im Stich gelassen hatten. Die Schwester ihres Vaters hatte sie aufgenommen und sich um sie gekümmert, aber sie war schon nicht mehr die Jüngste und ohne die Nachbarn wäre EJ sehr einsam gewesen. Sie hatte sich mehr bei den Flynns als zu Hause herumgetrieben. Dann war Mike, für den sie damals sehr geschwärmt hatte, zur Navy gegangen. Wieder hatte sie sich im Stich gelassen gefühlt und musste einen Verlust ertragen.

    Schließlich, sie war 17 und hatte gerade mit dem College begonnen, verstarb ihre Tante und hinterließ ihr ein wenig Geld, das gerade dazu ausreichte, die Schule zu beenden. Erneut war EJ verlassen worden und dies mochte der Grund dafür gewesen sein, dass sie Steve geheiratet hatte. So viele Verluste - es war kein Wunder, dass sie sich an ihren Mann geklammert hatte, obwohl er sie misshandelte.

    Doch nun sollte damit Schluss sein. Eines Tages nahm sie all ihren Mut zusammen und machte einen Termin mit dem Anwalt, der sie bereits beraten hatte. EJ wies ihn an, die Scheidung so bald wie möglich einzureichen. Sie wollte mit dem Mann, der sie geschlagen, missbraucht und ihr Kind getötet hatte, nichts mehr zu tun haben und hoffte, ihn nie wieder sehen zu müssen.


    Landurlaube waren EJ noch immer nicht geheuer. Wenn das Schiff in einem fremden Hafen lag, blieb sie am liebsten an Bord. Allerdings wollten ihre Kameraden bald nichts mehr davon hören und zwangen sie mit sanfter Gewalt, sich ihnen anzuschließen. Bomber gelang es als Erster, ihre Freundin zu überreden, mit an Land zu kommen. Zuerst war es nur ein Bummel über den örtlichen Markt, dann der Besuch touristischer Attraktionen und eines Abends kam EJ dann mit in eine Bar, in der sich die Mannschaft traf. Ihre Kameraden ließen nicht zu, dass sich ihr jemand Fremdes näherte, und bald verflog ihre Unsicherheit und sie genoss das Zusammensein mit ihren Freunden.

    Das Einzige, was ihr an diesen Abenden an Land unangenehm war, war die Tatsache, dass die Seeleute dabei ordentlich becherten. Zu sehr erinnerte es sie an die Ausfälle, die Steve dann immer gehabt hatte. Alkohol war ihr ein Gräuel, weshalb sie sich auch regelmäßig verabschiedete und aufs Schiff zurückkehrte, bevor sie in Panik geraten konnte. Diesen Punkt zu verarbeiten, war ihr noch nicht wirklich gelungen. Allerdings musste sie zugeben, dass die Schiffskameraden, obwohl der Alkohol auch ihr Verhalten veränderte, niemals in irgendeiner Weise ausfallend oder gar gefährlich wurden. Ganz allmählich lernte sie, zu akzeptieren, dass sie auf diese Art die Spannungen abbauten, die der harte und oft gefährliche Dienst entstehen ließ. So manches Mal beobachtete sie lächelnd, dass einer der Männer mit einem Mädchen verschwand und erst am nächsten Morgen aufs Schiff zurückkehrte.

    Die Arbeit machte EJ viel Freude. Sie mochte die See, die Kameradschaft auf der Hammersley und das Wissen, etwas zum Wohlbefinden der Mannschaft beizutragen, indem sie regelmäßig Massagen verabreichte. Trotz ihres ausgefüllten Arbeitstags hatte sie noch genügend Freizeit, die sie nun nicht mehr allein in der Kabine verbrachte. Die Jungs brachten ihr das Pokern bei, aber nachdem sie einen Abend lang nur verloren hatte, gab sie das Glücksspiel lieber wieder auf. Zu ihrer Überraschung entdeckte sie, dass Buffer Schach spielte. Sie verbrachten manche Freiwache in der Offiziersmesse und spielten gegeneinander, wobei mal der eine, mal der andere gewann, da sie ungefähr die gleiche Spielstärke hatten. Was EJ nicht bemerkte, war die Tatsache, dass Pete sie beim Spiel unverwandt betrachtete und dabei ein seltsames Leuchten in den Augen hatte. Es fiel aber einigen ihrer Kameraden auf und bald wurden insgeheim Wetten darüber abgeschlossen, ob oder wann er sich ihr erklären würde. Erst, als Swain davon Wind bekam, hörten die Spötteleien auf.

    Buffer fiel es zunehmend schwerer, sich von ihr fernzuhalten. Er hatte fasziniert ihre Entwicklung beobachtet und es gefiel ihm sehr, was er sah. Er verliebte sich mehr und mehr in die junge Frau, deren Vertrauen er jedoch nicht enttäuschen wollte. Ihm war klar, dass sie in ihm nur einen Freund sah, auf den sie sich verlassen konnte. Wehmütig dachte er daran, dass es ihm schon einmal mit einer Frau an Bord so ergangen war. Irgendwie schien er kein Glück zu haben, was Beziehungen anging. Zuerst war da Nav gewesen, in die er sich verliebt hatte. Sie jedoch hatte nur Augen für ET gehabt, mit dem sie nun zusammen war, was jeder an Bord wusste, aber offiziell ignorierte. Die beiden schafften es auch spielend, ihre Beziehung aus dem Bordalltag auszuschließen. Niemand hätte auf den Gedanken kommen können, dass hier irgendjemand bevorzugt würde. An Bord war Nav einfach nur ETs Vorgesetzte. An Land jedoch ...
    Nikki war immer noch eine gute Freundin, aber Buffer hatte aus Respekt und Liebe zurückgesteckt. Für ihn war es selbstverständlich, ihr Glück über das seine zu stellen. Er hatte sich dann mit flüchtigen Beziehungen abgelenkt, hier und da versucht, mehr daraus zu machen und bei der einen oder anderen gedacht, dass sie die richtige wäre. Sie waren es nie gewesen. Seine letzte Freundin, Monica, hatte sein Vertrauen sogar ziemlich ausgenutzt und war mit einem anderen Mann, den er nicht einmal kannte, in Urlaub gefahren. Als sie zurückgekommen war und ihn anrief, hatte er sich gerade in einer sehr brenzligen Lage befunden und sie hatte ihn mit ihrem Anruf in höchste Lebensgefahr gebracht. Immer wieder sagte er sich, dass sie das nicht hatte wissen können, aber dennoch war die Beziehung daran zerbrochen. Danach hatte er von festen Verbindungen die Nase voll gehabt. Er hatte seine wiedergewonnene Freiheit ausgiebig gefeiert. Das war auch der Grund dafür gewesen, dass er sich bei der Blutspende nicht sicher gewesen war. Er hatte es nicht so deutlich sagen wollen, aber er war sicher, dass EJ verstanden hatte, worauf er anspielte. Bei einem seiner Besuche im Krankenhaus hatte sie ihm nämlich mitgeteilt, dass er seinen nächsten Bluttest beruhigt machen könne, denn er sei „sauber“. Das hatte wohl eine Untersuchung ihres eigenen Blutes ergeben. Er war heilfroh darüber, nicht wegen seiner eigenen Gesundheit, sondern, weil er ihr keine Krankheit mit übertragen hatte.

    Am Schwersten fiel ihm die Zurückhaltung dann, wenn er an Land war und etwas getrunken hatte. Er achtete genau darauf, wer sich ihr näherte und griff ein, wenn er merkte, dass sie sich bei einer Begegnung mit einem Fremden unwohl fühlte. Sie war nun nicht mehr so scheu und knüpfte langsam auch Kontakte außerhalb des Bootes. Es gefiel ihm nicht, aber er wusste, wie wichtig es für sie war. Ein weiterer Schritt in ein „normales“ Leben. Nachdem er sie jedoch eines Abends „gerettet“ hatte, indem er behauptete, sie sei „sein Mädchen“ und der andere möge sie doch bitte in Ruhe lassen, hatte er betroffen registriert, dass sie vor ihm zurückgewichen war. Es hatte ihn verletzt, dass sie ihn auf diese Weise mit ihrem Mann gleichsetzte und er hatte sich mit einer gemurmelten Entschuldigung abgewandt. Was er nicht mehr hatte sehen können, war ihr erschrockener Blick, und auch ihr geflüstertes „Es tut mir leid“ hatte er nicht gehört.

    EJ war an diesem Abend klar geworden, wie sehr sie sich an Buffers unaufdringlichen Schutz gewöhnt hatte. Ihr Zurückweichen war rein instinktiv erfolgt und hatte mit dem Mann selbst überhaupt nichts zu tun. Sie hatte ihn nicht auf diese Weise brüskieren wollen. Es hatte nur daran gelegen, dass er nach Alkohol gerochen hatte und sie davor noch immer automatisch zurückschreckte. Es würde wohl noch lange dauern, bis sie diese Konditionierung durchbrechen konnte, falls ihr das jemals gelingen würde.


    tbc.
    "It is better to have loved and lost than never to have loved at all"

    Möge alles, was Ihr mir wünscht, tausendfach auf Euch zurückfallen.

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  2. Danke sagten:


  3. #22
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    Hallo,

    hatte die letzte Woche kein Internet. Scheiß Hochwasser

    Gruß Galaxy

  4. Danke sagten:


  5. #23
    Airman First Class Avatar von Gwelwen
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    Sorry, dass ich so lange nichts von mir hab hören lassen. Aber irgendwie bin ich mit dem Lesen nicht hinterher gekommen...
    Jetzt bin ich aber wieder auf Stand und neugierig, wie es weiter geht.

    EJ's Mann ein Trinker, Schläger, Vergewaltiger und Mörder! Ich hatte ja schon befürchtet, dass er kein Heiliger war, aber mit dieser Fülle an negativen Eigenschaften hatte ich nicht gerechnet. Kein Wunder, dass EJ so reagiert, wie sie reagiert.

    Und ich fürchte, dass EJ's Leidensgeschichte noch nicht ganz zu Ende ist und dieser nette Zeitgenosse auftaucht. Hoffentlich sind dann Mike und Buffer in der Nähe...

    Ich bin übrigens auch gespannt, wie EJ reagiert, wenn sie bemerkt, das Buffer ebenfalls von ihrer Vorgeschichte weiß.
    "Wir sind alle nur Menschen - Maschinen stehen in der Küche!" (Danny Wilde)

  6. Danke sagten:


  7. #24
    First Lieutenant Avatar von Zeson
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    Zitat Zitat von Galaxy Beitrag anzeigen
    Hallo,

    hatte die letzte Woche kein Internet. Scheiß Hochwasser

    Gruß Galaxy
    Ach, verdammt, an das Hochwasser hatte ich gar nicht gedacht. Klar, das hatte Auswirkungen ... ich hoffe, es ging trotzdem alles gut und Du hattest kein "Land unter"?

    Ich weiß ja, dass die Story Dich interessiert, aber ich musste doch irgendwas schreiben ... ich hoffe, Du verzeihst mir?


    @Gwelwen:
    Ab und zu hat das RL ja auch Vorrang, nicht wahr? Umso netter finde ich, dass Du Dich jetzt zu Wort gemeldet hast. *hug*

    EJ's Mann ein Trinker, Schläger, Vergewaltiger und Mörder! Ich hatte ja schon befürchtet, dass er kein Heiliger war, aber mit dieser Fülle an negativen Eigenschaften hatte ich nicht gerechnet. Kein Wunder, dass EJ so reagiert, wie sie reagiert.
    Ja, EJ hatte es nicht leicht mit ihrem Mann. Obwohl er am Anfang ihrer Beziehung wohl ein ganz netter Kerl gewesen sein muss, sonst hätte sie sich nicht zur Heirat überreden lassen. Aber Alkohol zerstört einen Menschen und man sieht, was aus ihm geworden ist.

    Und ich fürchte, dass EJ's Leidensgeschichte noch nicht ganz zu Ende ist und dieser nette Zeitgenosse auftaucht.
    Es ist allerdings fraglich, ob er sie tatsächlich in der Navy aufspüren kann. Sie hat ja ihr Bestes getan, um ihre Spuren zu verwischen.

    Ich bin übrigens auch gespannt, wie EJ reagiert, wenn sie bemerkt, das Buffer ebenfalls von ihrer Vorgeschichte weiß.
    Ob sie das je herausfindet? Sicher geht Buffer mit seinem Wissen nicht hausieren.

    Ja, am Montag folgt dann also das nächste Kapitel. Ich hoffe, ihr seid alle wieder dabei ...
    "It is better to have loved and lost than never to have loved at all"

    Möge alles, was Ihr mir wünscht, tausendfach auf Euch zurückfallen.

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  8. #25
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    Vielen Dank, Evaine, Galaxy und Gwelwen, für das "Danke" unter dem letzten Kapitel. Auf die Kommentare bin ich ja bereits eingegangen ...

    Und damit weiter mit







    Kapitel 16: Unfall


    HMAS Hammersley, 11:20 Vormittagswache, Korallenmeer


    „Sir, eine dringende Meldung der Küstenwache über Funk: Die Amanda, ein Touristenboot, ist auf ein Riff gelaufen. Sie melden Wassereinbruch und haben ein Mayday abgesetzt.“

    RO meldete dies mit besorgt gerunzelter Stirn und gab dann die Position des havarierten Schiffes an Nav weiter.

    „Befindet sich sonst noch ein Boot in der Nähe?“, fragte Mike routiniert.

    „Die Kingston und die Wollongong sind ebenfalls in diesen Gewässern unterwegs, aber wir sind am nächsten dran.“

    „In Ordnung, RO, geben Sie der Küstenwache Bescheid, dass wir uns drum kümmern werden. Nav, wie lange brauchen wir bis zur Amanda?“

    „Wenn wir mit voller Kraft und direkt zu den angegebenen Koordinaten fahren, können wir in einer halben Stunde dort sein. Ich würde das aber nicht empfehlen, da die Korallenbänke in diesem Gebiet schon seit mehreren Jahren nicht mehr vermessen wurden. Es gibt eine sichere Fahrtrinne 10° nördlich, die uns in die Nähe führt. In etwa zwei Stunden können wir dort sein.“

    „Gut, dann also die Fahrtrinne.“

    „Jawohl, Sir. Ruder Steuerbord 140, Drehzahl 2 500, Kurs 175.“

    „Ruder Steuerbord 140, Drehzahl 2 500, Kurs 175“, wiederholte ET und führte den Befehl aus. Das Schiff drehte in die eingegebene Richtung und eilte dem havarierten Boot zu Hilfe. Zügig wurden die Beiboote klar gemacht und die Wachmannschaft bereitete sich auf den Rettungseinsatz vor. Niemand wusste, was sie erwarten würde. War das Boot bereits gesunken und hatten die Touristen, die mit Sicherheit an Bord waren, sich retten können, oder würde man nur Tote aus der See bergen? Die Besatzung der Hammersley bereitete sich auf alle Möglichkeiten vor. Es wurden Decken und Verpflegung, aber auch Leichensäcke bereitgelegt. Bomber und Swain bereiteten den Sanitätsraum vor und sorgten dafür, dass ausreichend Verbandsmaterial und Schmerzmittel in Reichweite waren.

    Während RO versuchte, eine Funkverbindung zu dem verunglückten Boot zu bekommen, schickte Mike alle verfügbaren Leute nach draußen, um Ausschau zu halten. Schließlich war es Bomber, die die ersten Anzeichen der Verunglückten entdeckte.

    „Körper im Wasser, rot 20°, Entfernung etwa 300 Meter“, meldete sie und deutete in die angegebene Richtung.

    „Maschinen stopp“, befahl Mike und X gab den Befehl ins Ruderhaus weiter. „Rettungsmannschaften in die Boote.“

    Kate wiederholte den Befehl über die Bordlautsprecher und ordnete gleich darauf an: „Beiboote zu Wasser, Beiboote zu Wasser.“

    Eilig wurden die Boote herabgelassen und hielten dann auf die Havarierten zu. Neun Menschen trieben im Wasser und alle gaben Lebenszeichen von sich, riefen oder winkten mit den Armen. Einer nach dem Anderen wurde eingesammelt und in die Boote gehoben. Sie trugen ausnahmslos Schwimmwesten und waren in einigermaßen guter Verfassung. Das Team in EJs Boot arbeitete auf die bewährte Art gut zusammen. Buffer und Spider halfen den Leuten an Bord, während Swain und EJ sich um die Geretteten kümmerten. Monroe brachte sie vorsichtig so nahe an die im Wasser Treibenden heran, dass die beiden Männer sie nur noch unter den Armen greifen und hereinziehen mussten. Sie wollten gerade dem letzten Verunglückten, einem sehr korpulenten Mann, an Bord helfen, als Buffer plötzlich laut aufschrie. Erschrocken wirbelte EJ herum und sah gerade noch, wie der Bootsmann über Bord ging.

    „Buffer!“, rief sie laut und hastete an Spiders Seite, der vor Schreck wie erstarrt war. „Was war denn los, Spider? Wie ist ... wo ...?“

    „Keine Ahnung, EJ. Gerade hat er mir noch geholfen, diesen ... Herrn hier an Bord zu holen ...“, sein Blick auf den wirklich sehr übergewichtigen Mann war eindeutig abwertend, aber er riss sich zusammen, „und mit einem Mal zuckte Buff zusammen, brüllte auf und fiel ins Wasser.“

    „Ist er aufgetaucht? Verdammt, Spider, er hat doch eine Weste an ... Er muss doch endlich auftauchen ...“

    Die junge Frau wurde immer aufgeregter, als die Zeit verstrich und noch immer nichts von ihrem Kameraden zu sehen war. Kurz entschlossen wollte sie die Weste ablegen und hinterher springen, als das andere Boot näherkam und ET mit einem Schwung ins Wasser hechtete. Nach kurzer Zeit kam er wieder an die Oberfläche und zog einen schlaffen Körper mit sich.

    „Ich hab ihn“, rief er und paddelte herüber. Vorsichtig steuerte Monroe näher, bis sie den Bootsmann, der sich nicht rührte, packen und an Bord hieven konnten. ET schwamm hinüber zum anderen Boot und gemeinsam fuhren sie, so schnell es ging, zur Hammersley zurück. Swain hatte sofort Wiederbelebungsmaßnahmen eingeleitet, die nach kurzer Zeit zum Erfolg führten. Buffer hustete und schlug die Augen auf.

    „Was machst Du denn für einen Mist“, schimpfte Chris leise. „Als ob wir nicht schon genug Leute zu versorgen hätten ...“

    Der Bootsmann grinste kläglich.

    „Mein Rücken“, ächzte er. „Als wir diesen ... den schweren Kerl reinholten, ist mir plötzlich ein höllischer Schmerz durch den Rücken gefahren. Ich hab für einen Moment keine Luft mehr gekriegt und konnte mich nicht mehr bewegen ...“

    Besorgt musterte der Sanitätsoffizier ihn.

    „Und jetzt? Hast Du Gefühl in Armen und Beinen?“

    Vorsichtig versuchte Buffer, die Hände zu Fäusten zu ballen und die Füße zu drehen und seufzte erleichtert auf, als seine Gliedmaßen ihm gehorchten.

    „Tut verdammt weh, aber ja, es geht“, stellte er fest und wollte sich aufrichten.

    „Wirst Du wohl liegen bleiben“, grollte EJ ihn an. „Oder willst Du einen dauerhaften Schaden riskieren?“

    Irritiert von ihrem Tonfall ließ Buffer sich wieder zurücksinken. Erstaunt und etwas misstrauisch sah er sie an.

    „Hey, so schlimm ist das nun auch wieder nicht“, setzte er an, „das ist nur ...“

    „Was Du Dir geholt hast und wie schlimm das ist, musst Du immer noch meinem Urteil überlassen“, fuhr sie ihn an. „Du wärst gerade fast ertrunken, verdammt. Was glaubst Du eigentlich, wie viele Leben Du hast?“

    Aufgebracht blickte sie ihm in die Augen, die dunkel vor Schmerz waren. Die Angst um ihn hatte sie noch immer im Griff. Sie war wütend auf ihn, unglaublich wütend. Es sah ihm gleich, die Angelegenheit herab zu spielen, dabei hätte er sie fast ...

    Abrupt wandte sie sich ab, stand auf und ging zu den geretteten Ausflüglern hinüber. Es war ihr plötzlich klar geworden, dass ihre Angst, wieder von einem Menschen verlassen zu werden, sie zu diesem Ausbruch getrieben hatte. Buffer bedeutete ihr inzwischen sehr viel, aber dass sie so heftig reagierte, erschreckte sie zutiefst.

    Swain beobachtete besorgt, wie aufgewühlt EJ war. Sie kümmerte sich zwar professionell um die Geretteten, aber er sah, dass ihre Hände dabei zitterten. Bis sie an Bord der Hammersley waren, hielt sie sich von Buffer fern, der sie nachdenklich mit den Augen verfolgte. Erstaunlicherweise hielt der Bootsmann sich an die Anweisung der jungen Frau und versuchte nicht noch einmal, sich aufzusetzen. Er musste wohl noch größere Schmerzen haben, als er zugeben wollte.

    An Bord sorgte der Sanitätsoffizier dafür, dass die sieben Touristen, der Kapitän der Amanda und sein Matrose versorgt wurden und man Buffer in die Sanitätskabine brachte. EJ beschaffte den Leuten zusammen mit Bomber, ET und Spider warme Getränke und trockene Kleidung. Sie wurden im Notquartier untergebracht, wo sie sich von dem Schrecken erholen konnten. Swain kümmerte sich unterdessen um die Verletzung des Bootsmannes. Er ließ sich noch einmal genau beschreiben, was vorgefallen war.

    „Ich hab mich, wie die anderen Male auch, hinausgebeugt, um den fetten Kerl hereinzuholen“, berichtete Pete mit gepresster Stimme. „Und mit einem Mal ... es war so, als würde mir einer eine Machete in den Rücken stoßen. Mir blieb die Luft weg, ich verlor das Gleichgewicht und platsch ...“

    Chris schüttelte bedenklich den Kopf.

    „Das hört sich ganz nach einem Fall für EJ an“, meinte er.

    Buffer wollte auffahren, sank aber mit einem Schmerzenslaut zurück.

    „Nicht EJ, bitte“, zischte er. „Hast Du nicht einfach irgendwas, das Du mir spritzen kannst, damit das wieder weggeht?“

    Verblüfft sah Swain ihn an.

    „Wieso willst Du nicht ...?“, wollte er fragen, aber da ging ihm ein Licht auf und er fing an zu grinsen.

    „Hör auf!“, brummte Buffer nur. „Es ... es ist anders, als Du denkst ...“

    „Na, was soll da schon anders sein? Du magst sie eben, daran ist doch nichts Schlimmes?“

    „Hier an Bord schon, Swain, das weißt Du genau. Und außerdem: Es geht Dich nicht das Geringste an, klar?“

    „Deine Gesundheit geht mich durchaus etwas an, Buffer. EJ ist hier die Fachkraft und sie wird Dich untersuchen, ist DAS klar?“, fuhr Swain ihn scharf an.

    Verblüfft sah der Bootsmann ihn an, denn so einen Befehlston war er von seinem Kameraden nicht gewöhnt. Schließlich seufzte er ergeben.

    „Also gut, dann soll sie sich das eben mal ansehen. Aber wenn Du mir was gegen die Schmerzen geben könntest ...?“

    „Wenn sie ihr okay dazu gibt, gerne. Vorher ist es aber nicht sehr ratsam ...“

    Zähneknirschend nickte Pete und Swain ging los, um EJ zu holen. Es dauerte nicht lange, bis er mit ihr zurückkam. Buffer erkannte, dass sie noch immer wütend auf ihn war, aber die Schmerzen plagten ihn inzwischen so sehr, dass ihm das ziemlich egal war. Er würde es mit ihr klären, wenn er wieder in Ordnung war.

    Die junge Frau stellte fest, dass der Bootsmann zur Untersuchung des Rückens umgedreht werden müsste. Mit vereinten Kräften schafften sie das auch, aber Buffer kam es vor, als würde er dabei in zwei Teile gerissen. Er presste die Kiefer so fest zusammen, dass ihm die Zähne wehtaten, aber dennoch entfuhr ihm ein- oder zweimal ein schmerzerfülltes Stöhnen und auf seiner Stirn standen Schweißperlen, als er sich endlich in der Bauchlage befand. Vorsichtig tastete EJ seinen Rücken ab.

    „Das ist eine böse Zerrung“, stellte sie am Ende fest. “Man nennt es auch „Hexenschuss“. Einige Wirbel sind blockiert und außerdem ist die gesamte Rückenmuskulatur völlig verhärtet. Hast Du keine Schmerzen gehabt, bevor das passiert ist?“

    „Doch, ab und zu“, bekannte er mit einem Seufzen. Er wusste, dass es keinen Zweck hatte, EJ belügen zu wollen. Die Tatsachen sprachen für sich.

    „Und warum, verdammt noch mal, bist Du dann nicht eher zu mir gekommen?“, fluchte sie. „Du hättest Dir das hier auch ersparen können.“

    Er zog es vor, zu schweigen, während Swain in sich hinein grinste. Er hatte so eine Ahnung, warum Buffer sich nicht hatte behandeln lassen wollen. Allerdings wäre es unfair gewesen, den Kameraden noch mehr und vor der jungen Frau damit aufzuziehen.

    Seufzend drehte EJ sich zu Swain.

    „Hast Du ein Präparat, das schmerzlindernd und muskelentspannend wirkt? Am besten das, was Du damals RO gegeben hast. Allerdings musst Du es Buffer in den Rücken spritzen, genau hier.“ Sie zeigte auf den am stärksten betroffenen Muskel. „Danach musst Du erst mal still liegen, Buffer, und den Rücken warm halten. Später werde ich dann versuchen, die Wirbel wieder zu lösen.“

    Chris nickte und zog eine Spritze auf, während Pete die Augen schloss und mit den Zähnen knirschte. Er ärgerte sich, dass ihm so etwas passiert war. Zu allem Unglück würde er sich auch noch vor dem CO verantworten müssen, weil die Schwimmweste, die er getragen hatte, offensichtlich einen Defekt gehabt hatte. Er war untergegangen wie ein Stein und hatte vor Schmerz und Schock das Bewusstsein verloren. Hätte ET ihn nicht sofort nach oben geholt ...

    „Wenn Josh Dich nicht rausgeholt hätte ...“, murmelte EJ, als ob sie seine Gedanken gelesen hätte.

    “... dann wärst Du selbst reingesprungen“, ergänzte Swain mit einem Grinsen. „Und jetzt streite das ja nicht ab, mein Fräulein, ich hab selbst gesehen, wie Du die Weste ablegen wolltest.“

    „Du wolltest ... was?“, fragte Buffer entsetzt. „Du bist keine Rettungsschwimmerin, verdammt. Du hättest überhaupt nicht gewusst, was Du tun sollst.“

    „Doch, das hätte ich. Ihr wisst auch nicht alles über mich. Vor Kurzem hab ich einen Lehrgang absolviert, das Prüfungsergebnis ist nur noch nicht offiziell ...“

    „Du hast ... aber warum hast Du das niemandem gesagt?“, fragte Swain erstaunt.

    „Der Boss weiß davon, und bevor ich nicht sicher bin, ob ich bestanden habe, geht es niemanden etwas an.“

    „Ich weiß wovon?“, fragte Mike, der beim Betreten des Raumes gerade noch EJs letzten Satz mitbekommen hatte.

    „Von dem Rettungsschwimmerlehrgang, Sir“, grinste sie.

    Der CO nickte mit einem Schmunzeln.

    „Fast hätten Sie Ihre Kenntnisse anwenden können, EJ“, meinte er.

    „Ja, Sir, aber ET war ein wenig schneller.“

    „Und wie sieht es aus? Wie geht es Ihnen, Buffer?“

    „Es wird langsam erträglich, Sir“, murmelte der Angesprochene.

    „Er hat einen Hexenschuss“, erklärte Swain genüsslich. „Sehr schmerzhaft und es schränkt ihn im Moment sehr ein, aber nichts, was EJ nicht wieder hinkriegen könnte.“

    „Ich denke, er kann morgen schon wieder leichten Dienst verrichten, Sir“, erklärte die junge Frau. „Allerdings nur, wenn er sich strikt an meine Anweisungen hält.“

    „Das ist gut, denn dann kann er direkt einen Bericht über den Vorfall schreiben. Vor allem möchte ich wissen, warum die Ausrüstung nicht genauestens überprüft wurde ...“

    „Jawohl, Sir“, ächzte Buffer, den es ärgerte, dass über ihn gesprochen wurde, als wäre er gar nicht anwesend.

    „EJ, Sie kümmern sich um ihn. Swain, bitte sehen Sie mal nach den Verunglückten. Ich bin nicht sicher, ob sie wirklich alle so gut davon gekommen sind ...“

    „Natürlich, Sir, sofort. Wenn Sie mich entschuldigen?“

    Der Sanitätsoffizier nahm den Notfallkoffer und verließ eilig den Raum. Währenddessen legte EJ einige Wärmekissen in die Mikrowelle und erhitzte sie. Mike beobachtete, wie sie zuerst prüfte, ob sie nicht zu heiß geworden waren, bevor sie die Kissen auf Buffers Rücken packte und ihn anschließend in eine warme Decke hüllte.

    „Eigentlich müsstest Du die nassen Sachen ausziehen, aber im Augenblick kannst Du das wohl nicht“, brummte sie dabei. „Hoffen wir mal, dass Du Dir nicht auch noch eine Erkältung holst.“

    Mit einem Schmunzeln bemerkte der CO, dass Buffers Ohren eine rötliche Tönung bekamen.

    „Es geht schon. Mit den Dingern auf dem Rücken friere ich nicht“, meinte der Bootsmann mit rauer Stimme.

    „In Ordnung, dann komme ich in etwa einer halben Stunde wieder. Rühr Dich nicht von der Stelle!“

    Gegen diesen Befehlston kam er nicht an.

    „Wie denn auch?“, brummte er deshalb nur, als EJ den Raum verließ.

    Mike lachte leise auf.

    „Sie hat sich ganz schön gemausert, nicht wahr?“, meinte er.

    „Allerdings, das hat sie“, bestätigte Buffer undeutlich. „Und sie ist ziemlich sauer.“

    „Sie ist mindestens genauso erschrocken wie wir alle, als Sie plötzlich im Wasser verschwunden sind.“

    „Das hätte nicht passieren dürfen“, gab der Bootsmann zu. „Und ich dachte immer, ich wäre noch gut in Schuss ...“

    „Rückenprobleme kann jeder bekommen“, beruhigte Mike ihn. „Es ist nur fatal, wenn so was während eines Einsatzes geschieht.“

    „Eben!“, brummte Pete. „Es ist ein richtig beschissenes Gefühl, plötzlich so hilflos zu sein.“

    „Kann ich mir vorstellen.“

    „Ich meine, wenn man sich verletzt, angeschossen wird oder in der Richtung, das ist ja noch okay, aber DAS ...?“

    Mike musste sich bei seinem verdrossenen Ton das Lachen verkneifen.

    „Sie hat mich abgekanzelt wie einen kleinen Jungen“, fuhr Buffer hörbar frustriert fort. „Als ob es nicht genug wäre, dass ich mich kaum rühren kann. Sie tut fast so, als hätte ich das vorsätzlich gemacht.“

    „Ich bin sicher, dass EJ weiß, dass Sie nicht absichtlich fast ertrunken sind, Pete“, bemerkte Mike trocken. „Das nimmt keiner an.“

    „Lachen Sie etwa auch noch über mich, Sir?“, fragte Buffer misstrauisch.

    Der CO zog es vor, darauf nicht zu antworten.

    „Nun kommen Sie erst mal wieder auf die Beine, dann sehen wir weiter. Wie EJ bereits sagte: Sie werden zunächst nur noch leichten Dienst tun. Wie sehen uns morgen.“

    Damit verabschiedete er sich und verließ seinen Bootsmann, der nun viel Zeit hatte, über den Unfall und EJs Reaktion darauf nachzudenken.



    tbc.
    "It is better to have loved and lost than never to have loved at all"

    Möge alles, was Ihr mir wünscht, tausendfach auf Euch zurückfallen.

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  10. #26
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    Dankeschön, Evaine und Galaxy, für's Knöpferldrücken.

    Und weiter gehts:







    Kapitel 17: Aussprache


    HMAS Hammersley, 09:15 Uhr Vormittagswache, Korallenmeer


    Die Hammersley ankerte vor Daydream Island. Den kleinen Hafen anzulaufen war unmöglich, sodass die geretteten Touristen und Seeleute mit den Beibooten auf die Ferieninsel gebracht werden mussten. Buffer saß mit leicht angesäuerter Miene auf der Brücke und beobachtete, wie die Boote sich dem Landungssteg näherten. Da er leichten Dienst hatte, war ihm nur die Ankerwache geblieben. Eigentlich war er ganz froh darum, auch wenn er es niemals zugegeben hätte. Wenigstens war er für den Augenblick seinen persönlichen kleinen Plagegeist losgeworden, denn EJ befand sich an Bord des Beibootes Lightning, wohin er eigentlich auch gehört hätte. Er seufzte einmal auf und setzte das Fernglas ab, womit er die Aktion beobachtet hatte.

    „Nanu, so schwermütig?“, fragte Mike, der gerade auf die Brücke kam, belustigt.

    „Ich sollte dabei sein“, erklärte Pete und deutete in Richtung der Insel.

    „Sie können froh sein, dass Sie bereits wieder hier sitzen.“

    Der leichte Vorwurf war deutlich aus der Stimme des CO herauszuhören. Er stellte sich neben seinen Bootsmann und nahm ebenfalls ein Glas zur Hand.

    „Unsere Leute scheinen das auch ohne Sie ganz gut hinzukriegen“, meinte er, nachdem er einen Blick auf die inzwischen am Steg angekommenen Beiboote geworfen hatte.

    „Das ist mir schon klar. Trotzdem ist es ein blödes Gefühl ...“, gab Buffer zurück. „Immerhin bin ich der Bootsmann.“

    „Sie sind im Moment nicht voll einsatzfähig, so sieht es aus.“

    Ohne Kommentar hob Pete sein Fernglas wieder an die Augen und sah zu, wie die Touristen die Insel betraten. Sie wurden begeistert begrüßt und ein Herr im Anzug, vermutlich der Hotelmanager, überzeugte sich persönlich davon, dass alle wohlauf waren.

    „Der macht ja ein ganz schönes Theater“, stellte er fest.

    „Immerhin sind das alles zahlende Gäste. Wenn ihnen etwas zugestoßen wäre, würde das außerdem ein schlechtes Licht auf das Resort werfen“, erklärte Mike grinsend.

    „Zum Glück gibt es ja die Navy ...“, bemerkte Buffer ironisch dazu.

    „Auch so etwas gehört nun einmal zu unserem Job“, seufzte Mike und wandte sich dann direkt an seinen Bootsmann: „Was macht der Rücken, Buffer? Sitzen können Sie ja anscheinend wieder.“

    „Es geht schon. EJ hat wirklich ein Wunder bewirkt. Ich weiß nicht, wie sie das macht, aber ich kann mich schon fast wieder schmerzfrei bewegen.“

    „Solange Sie nicht übertreiben, belasse ich Sie im leichten Dienst. Sobald ich aber Klagen höre ...“

    „Wer sollte sich denn beklagen, Sir?“, fragte Pete betont unschuldig.

    Mike sah ihn nur vielsagend an und wandte sich dann ab. Er ging hinaus, um den Vorgang auf der Insel besser beobachten zu können. Buffer war das ganz recht. Das kurze Gespräch hatte ihm den gestrigen Nachmittag zurück ins Gedächtnis gerufen.

    EJ war tatsächlich nach genau einer halben Stunde wieder bei ihm erschienen und hatte die abgekühlten Wärmekissen entfernt. Dann hatte sie begonnen, behutsam entlang seiner Wirbelsäule den Rücken abzutasten. Plötzlich, ohne Vorwarnung, hatte sie fest zugepackt und an einem Wirbel gedrückt. Es hatte hörbar geknackt und er hatte vor Schmerz laut aufgeschrien. Sie hatte das noch zweimal kurz hintereinander wiederholt. Er hatte es als wahre Folter empfunden, doch nach dem dritten Wirbel ließ der Schmerz im Rücken mit einem Mal nach. Aufatmend hatte er sich entspannt und einfach nur genossen, dass es nicht mehr so weh tat.

    „Besser?“, hatte sie gefragt.

    Er hatte ihr mit einem wohligen Seufzer zu verstehen gegeben, dass es nun viel besser war. Dann begann sie, seine steifen, gepeinigten Rückenmuskeln sanft zu massieren. Sie erklärte ihm dabei, dass sie in diesem akuten Stadium keinen zu großen Druck anwenden könne, da sich Muskeln und Sehnen erst einmal wieder erholen müssten. Dieses behutsame Streichen ihrer Hände war eine noch viel größere Qual für ihn gewesen als die Schmerzen, die er zuvor gehabt hatte. Es war eine ganz andere Art von Folter, der er sich nun ausgesetzt fühlte. Unwillkürlich verkrampfte er sich dabei, aber als sie ihn ermahnte, sich gefälligst zu entspannen, schloss er die Augen und ergab sich. Ihre Hände auf seiner Haut lösten eine tiefe Sehnsucht in ihm aus und er war froh, dass er sich nicht so bewegen konnte, wie er es am liebsten gewollt hätte. Als sie schließlich die Massage beendete, bat er sie, ihn noch einen Moment allein zu lassen. Sie hatte ihm mitgeteilt, dass sie ihn am nächsten Tag direkt nach dem Frühstück zur nächsten Behandlung erwarte, und war dann ohne weiteren Kommentar gegangen. Er wusste nicht, ob sie bemerkt hatte, was sie bei ihm angerichtet hatte. Wenn es so war, hatte sie sich jedenfalls nichts anmerken lassen.

    Heute Morgen war ihm das Aufstehen zwar noch schwer gefallen, aber jetzt, nach der zweiten Behandlung, ging es ihm schon fast gut. Er nahm sich allerdings ihre Ermahnungen zu Herzen, denn so einem Schmerz wollte er so schnell nicht mehr ausgesetzt sein. Sie hatte auch etwas von Übungen gesagt, aber damit wollte er sich befassen, wenn es so weit war. Er hatte nicht vor, sich wie Charge vor den anderen zum Affen zu machen.


    ***


    HMAS Hammersley, 04:30 Uhr, Morgenwache, Korallenmeer


    „Nun komm schon, Buffer. Was ist denn schon dabei?“ EJ drehte sich zu dem widerstrebenden Bootsmann um. „Oder willst Du etwa noch einmal einen Hexenschuss?“

    „Ich werde auf keinen Fall Tai-Chi machen, ist das klar?“, grollte er und folgte ihr auf das Vorderdeck.

    „Hab ich was davon gesagt?“, gab sie zurück. „Nein, das ist was für Könner, also für Charge und mich. Du bekommst einige Übungen für Deinen Rücken gezeigt. Was Einfaches ...“

    Der Spott in ihrer Stimme war nur schwer zu ertragen, aber Pete biss die Zähne zusammen. Wollte Sie damit etwa andeuten, dass er nicht so fit wäre wie der Maschinist? Das konnte ja wohl nicht sein. Sein Körper war gestählt und muskelbepackt, während man Andy ansah, dass er es sich gerne einmal gut gehen ließ. Er, Peter Tomaszewski, konnte 50 Liegestützen hintereinander absolvieren, ohne besonders außer Atem zu kommen. Andy dagegen schaffte nicht einmal 20 ...

    „Jetzt trödel nicht so rum“, drang EJs Stimme in seine Gedanken. „Schläfst Du etwa noch?“

    Provozierend die Hände in die Hüften gestützt, stand sie vor ihm und blitzte ihn an. Bei allem Unmut musste er schmunzeln.

    „Von jemand Anderem würde ich mir das nicht gefallen lassen“, murmelte er.

    „Wie? Hast du was gesagt?“, fragte sie, aber er winkte ab.

    „Nein, schon okay. Nun lass uns endlich anfangen, bevor noch jemand wach wird und uns sieht.“


    Zuerst fand er die Übungen, die sie ihm zeigte, richtiggehend lächerlich, aber nach einigen Tagen merkte er, dass sie ihm tatsächlich halfen. Außerdem bereitete es ihm Freude, EJ mit dem Wissen zu beobachten, dass er sie in diesen frühen Stunden ganz für sich allein hatte. Niemand sonst erheischte ihre Aufmerksamkeit oder wollte etwas Dringendes von ihr. Sie konzentrierte sich bei diesen Übungen ganz auf ihn und das tat ihm zusätzlich gut.

    Eine Woche nach seinem Unfall attestierten EJ und Swain ihm wieder volle Diensttauglichkeit. Die Physiotherapeutin ermahnt ihn jedoch, bei den geringsten Anzeichen von Rückenschmerzen sofort zu ihr zu kommen. Swain drohte ihm Schmerzmittelentzug an, sollte er diese Anweisung missachten und es erneut zu einem solchen Vorfall kommen. Buffer nahm sich vor, gar nicht erst zu erproben, ob der Sanitätsoffizier das ernst meinte.


    Ihr neuester Befehl führte die Hammersley in Richtung Norden. Es war Hochsaison und immer wieder erreichten Hilferufe von Touristenbooten oder Seglern, die sich überschätzt hatten, das Patrouillenboot. Man half, wo man konnte, schleppte beschädigte oder manövrierunfähige Schiffe zum nächsten Hafen oder reparierte sie vor Ort. Charge bekam in dieser Zeit mehr zu tun, als ihm lieb war. Aber auch den Rettungsmannschaften wurde es nicht langweilig. Ein Fischerboot meldete einen Mann über Bord. Die Suche dauerte mehrere Stunden. Zum Glück konnte der Fischer lebend geborgen werden, aber er stand unter Schock und wurde mit einem Medivac-Hubschrauber in das nächste Hospital gebracht.

    Nach mehreren Wochen im Dauereinsatz steuerte die Hammersley schließlich Port Moresby an, um dort nachzutanken und Vorräte aufzunehmen. Die Crew bekam Landgang bis zum nächsten Vormittag, was begeistert begrüßt wurde. Die Ankerwache wurde so eingeteilt, dass jeder etwas vom Landurlaub abbekam. EJ machte sich wie die anderen bereit, den Abend in der von der Mannschaft bevorzugten Bar zu verbringen. Allerdings war sie zur Nachtwache eingeteilt worden, was sie jedoch nicht störte, da sie nun einmal keinen Alkohol mochte und daher kein Problem darin sah.

    Wie an solchen Abenden üblich, wurde zuerst etwas gegessen, aber bald floss der Alkohol in Strömen und die Kameraden wurden immer lustiger und aufgeschlossener. Vor allem dem weiblichen Publikum gegenüber. Es gab immer Mädchen, die sich von den Seeleuten angezogen fühlten. Auch diesmal war es nicht anders. Die vier Frauen der Hammersley saßen an einem Tisch und beobachteten amüsiert, wie die Männer sich plusterten. Einige Mädchen hatten sich zu ihnen gesellt, von denen mehr als eine den Stempel „käuflich“ geradezu auf die Stirn geprägt hatte. Den Jungs schien das jedoch egal zu sein. Insbesondere Spider und Charge bemühten sich um die „Damen“, aber auch Buffer schien nicht abgeneigt zu sein. Je weiter der Abend fortschritt, umso geselliger wurden die Drei, noch angestachelt von ihren Kameraden.

    Bomber beobachtete, wie sich die Miene ihrer Freundin immer mehr verfinsterte, je länger sie den Männern zusahen. Zunächst wusste sie nicht, woran das liegen könnte, aber als sie bemerkte, dass EJs Blick Buffer folgte, als dieser mit einem der Mädchen die Bar verließ, ging ihr ein Licht auf. Sie hielt sich jedoch zurück, weil die beiden Offizierinnen mit am Tisch saßen und sie außerdem selbst bereits ziemlich viel intus hatte. Also beschloss sie, das Thema erst aufzubringen, wenn sie allein in ihrer Kabine waren.

    Als es für EJ Zeit wurde, aufs Schiff zurückzukehren, war Buffer noch nicht wieder aufgetaucht. Er erschien auch nicht am nächsten Morgen, um seine Rückenübungen zu absolvieren. Erst am späten Vormittag kam er zurück aufs Schiff, wobei er sich den Kopf hielt. So war auch seine erste Handlung, zu Swain zu gehen und um eine Kopfschmerztablette zu bitten. Dieser grinste nur und ermahnte ihn, in Zukunft etwas weniger zu trinken.

    Als das Schiff am Nachmittag auslief, kam es dem Bootsmann so vor, als sitze ein Eisblock am Radar. EJ strahlte ihm gegenüber so viel Kälte aus, dass es ihn direkt schauderte. Natürlich war ihm klar, warum sie ihn so behandelte, aber er hatte nicht vor, das lange mitzumachen. Daher ging er ihr, sobald sie abgelöst wurden, nach, um mit ihr zu reden. Er fand sie am Heck, wie sie, die Unterarme auf die Reling gestützt, ins Wasser starrte.

    „EJ“, begann er und lehnte sich mit verschränkten Armen mit dem Rücken zum Wasser neben ihr an das Geländer. „Es tut mir leid.“

    „Was tut Dir leid?“, fragte sie und drehte sich um. Dabei entdeckte sie, dass Kate auf dem oberen Deck stand und sie beobachtete.

    „Das mit gestern Abend ...“

    „Buffer, sag jetzt nichts, was Dir später genauso leidtun könnte“, warnte sie und deutete leicht nach oben.

    Verständnislos sah er hinauf und dann fragend zu der jungen Frau an seiner Seite. Diese schüttelte den Kopf und schwieg. Frustriert wandte sich der Bootsmann um und betrachtete die Wellen. So bekam er nicht mit, wie EJ einen lautlosen Satz mit den Lippen formte:

    ‘Ich liebe ihn, so, wie Du Mike liebst. Wer im Glashaus sitzt ...’

    Kate kniff die Lippen zusammen, machte eine abrupte Kehrtwende und verließ ihren Beobachtungsposten.

    „Na, also, geht doch“, murmelte EJ.

    Erstaunt drehte Buffer sich wieder um, bekam gerade noch mit, wie die X vom Oberdeck verschwand und sah EJ verblüfft an.

    „Was war das denn?“, fragte er.

    „Ach, nichts ...“, meinte sie leichthin. „Du weißt doch, sie kann Lippenlesen ...“

    In plötzlichem Verstehen nickte er.

    „Gut, dann können wir uns ja jetzt ungestört unterhalten.“

    „Und wer sagt, dass ich das will?“, gab sie patzig zurück.

    Er seufzte auf. So schwer hatte er sich das nicht vorgestellt.

    „Niemand zwingt Dich, mir zuzuhören, aber ich bitte Dich darum. Ich ... ich möchte nicht, dass irgendein Missverständnis zwischen uns steht.“

    „Das von gestern Abend war ja wohl kaum misszuverstehen“, stellte sie düster fest.

    „Doch ... nein ... ja ... es war ...“, stammelte er, da er nicht wusste, was er darauf erwidern sollte.

    „Was denn nun? Du bist mit dieser ... Dame gegangen und erst heute Vormittag wieder aufgetaucht. Das ist doch ziemlich eindeutig, oder nicht?“

    Er seufzte schwer auf und versuchte es nochmals.

    „Ich ... hör zu, EJ, das war nichts Persönliches. Ich bin nur ein Mann und als solcher habe ich gewisse körperliche Bedürfnisse. Da steckte nichts Anderes dahinter, glaub mir.“

    Misstrauisch und wütend sah sie ihn an, aber er konnte hinter dieser Wut erkennen, wie verletzt sie war.

    „Ich hab Dir vertraut. Ich dachte ... ich hatte das Gefühl, als ob ...“

    Sie brach ab, unsicher, wie sie das ausdrücken sollte, was sie bewegte. Buffer blickte sie abwartend an, aber in seinem Herzen glomm ein Hoffnungsfunke auf. Verstand er sie richtig oder bildete er sich nur etwas ein?

    „Ich hatte den Eindruck“, sagte sie schließlich leise, „als würde Dir etwas an mir liegen ...“

    Zischend ließ Pete die Luft entweichen. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er den Atem angehalten hatte.

    „Verdammt, EJ, das tut es“, murmelte er. „Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben.“

    Sie starrte ihn ungläubig an. Hatte sie eben richtig gehört? Neu erwachte Hoffnung stritt sich in ihr mit maßloser Eifersucht und Wut.

    Pete wusste nicht, wie er ihr begreiflich machen sollte, dass er die Anspannung, unter der er permanent stand, seitdem er sie kannte, unbedingt abbauen musste, damit sie sich nicht ungewollt entlud. Er musste sich ihr gegenüber zurückhalten und er wollte das auch, aber das würde ohne einen Ausgleich nicht funktionieren. Wie sollte er ihr das nur verständlich machen, ohne sie zu erschrecken? Doch auch nach längerem Überlegen fiel ihm nichts Besseres ein, als ihr seine Zuneigung zu gestehen.

    „Bitte hör mir jetzt genau zu, EJ“, begann er daher. „Das letzte, was ich will, ist, Deine Gefühle zu verletzen.“

    „Was weißt Du schon über mein Gefühlsleben?“, unterbrach sie ihn heftig, aber er legte seine Hand auf ihren Arm und hielt sie so davon ab, einfach davon zu stürmen.

    „Du hast recht, ich weiß nichts darüber, aber ich weiß, was ICH fühle, und das ist eine Menge. Du bist mir sehr wichtig, EJ, und ich möchte, dass Du das weißt. Meine Gefühle gehen weit über das hinaus, was ich für Dich empfinden darf.“

    „Und warum ...“, fuhr sie auf.

    „Das hat überhaupt nichts damit zu tun“, unterbrach er sie sofort. „Es ist ein einfaches, körperliches Bedürfnis, das ich ab und zu befriedigen muss. Ich weiß nicht, ob Du das verstehen kannst, aber ich versichere Dir, es ist wirklich nicht mehr.“

    Er sah sie ganz offen und fast verzweifelt an und sie erkannte, dass er es tatsächlich so meinte, wie er sagte. Ihr kam der Verdacht, dass er vielleicht mehr über ihre Vergangenheit wusste, als sie glaubte. Jeder andere Mann hätte wahrscheinlich versucht, dieses Bedürfnis mit ihr zu stillen. Dass er es nicht einmal versucht hatte, warf ein ganz neues Licht auf ihn.

    „Pete, wie viel weißt Du?“, fragte sie leise.

    Er wusste sofort, was sie meinte, aber er war nicht sicher, ob er es ihr sagen sollte. Dann aber sah er ihren Blick und entschied, dass es an der Zeit war.

    „Ich denke, ich weiß genug“, erklärte er. „Ich habe damals im Krankenhaus Dein Gespräch mit dem CO gehört.“

    Sie nickte. Es war nur die Bestätigung dessen, was sie vermutet hatte. Nun verstand sie, dass seine Zurückhaltung nicht nur auf den Vorschriften basierte. Er wollte sie schützen, sogar vor seinen eigenen Bedürfnissen.

    „Soll ich Dir was verraten? Es hat nicht einmal sonderlichen Spaß gemacht“, bekannte er leise, ihrem Gedankengang folgend.

    Sie lächelte ihn etwas wehmütig an.

    „Nun, wenigstens hat es Dir ein wenig geholfen, den Stress abzubauen, oder?“

    „Du bist mir nicht mehr böse?“, fragte er hoffnungsvoll.

    „Wie könnte ich, nach all dem, was Du mir eben gestanden hast.“

    Seine ernste Miene hellte sich schlagartig auf. Am liebsten hätte er sie jetzt in die Arme geschlossen und geküsst, aber das durfte er ja nicht. So sahen sie einander nur lächelnd an, aber ihre Blicke waren so innig wie die Umarmung, die sie sich hier nicht erlauben konnten.



    tbc.
    Geändert von Zeson (13.06.2013 um 14:44 Uhr)
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  12. #27
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    Vielen Dank, Evaine und Galaxy, für das sichtbare Eingeständnis dessen, dass Euch die Story gefällt. Und auch vielen Dank an alle anonymen Mitleser, denen ich eine solche Masse an Zugriffen verdanke.

    Aber nun weiter mit






    Kapitel 18: Entscheidung


    HMAS Hammersley, 09:40 Uhr Vormittagswache, Arafura-See


    EJ klopfte an die offene Tür des Schiffsbüros.

    „Sie wollten mich sprechen, Sir?“

    Der CO blickte von seiner Besprechung mit dem Bootsmann auf und sah sie an.

    „Ach, Seaman Kingston. Ja, ich hab da was für Sie.“

    Er kramte auf seinem Schreibtisch herum und fischte schließlich ein bedrucktes Blatt Papier hervor.

    „Hier, das kam heute auf meinem persönlichen Mail-Account für Sie an“, meinte er dabei etwas verstimmt.

    „Oh, Entschuldigung, ich hätte natürlich zuerst fragen sollen, aber ich habe Ihre Adresse meinem Anwalt mitgeteilt ... ich wollte nicht, dass das über den allgemeinen Schiffsaccount geht ...“, erwiderte sie zerknirscht.

    „Ich verstehe ... aber Du hättest mir wenigstens etwas sagen können.“

    Seine Stimme klang nun wesentlich versöhnlicher, als er ihr den Bogen reichte. Er beobachtete, wie sie die Zeilen las und urplötzlich leichenblass wurde. Sie schwankte, als sie die Nachricht sinken ließ. Ihr Gesicht war schreckensstarr und es dauerte einen Moment, bis sie etwas sagen konnte.

    „Hast Du ... weißt Du, was drin steht, Mike?“, hauchte sie.

    „Nein, ich pflege nicht die Post anderer Leute zu lesen, selbst wenn sie auf meine Mailbox geschickt wird“, schüttelte er den Kopf.

    Sie gab ihm das Blatt und mit einem prüfenden Blick auf ihre wie eingefroren wirkende Miene las er die Nachricht durch. Ein Laut des Unmuts entfuhr ihm und er sah unwillkürlich zu Buffer, der sich schützend neben EJ gestellt hatte.

    „Darf ich ...?“, fragte Mike und reichte das Papier weiter an Pete, als sie ihm ihr Einverständnis signalisierte.

    „Verdammt!“, entfuhr es dem Bootsmann, nachdem er gelesen hatte. „Das darf ja wohl nicht wahr sein!“

    „Doch“, erwiderte EJ tonlos. „Steve wurde auf Bewährung entlassen.“

    „Aber das heißt doch, dass er bestimmte Auflagen erfüllen muss, oder?“ Buffer sah seinen Vorgesetzten fragend an. Er verstand nicht viel von solchen Dingen, aber er glaubte, schon einmal so etwas gehört zu haben.

    „Ja, sicher“, nickte Mike. „Er muss unter anderem in der Nähe seines Wohnortes bleiben und sich regelmäßig bei seinem Bewährungshelfer melden. Er darf auch nicht verreisen ... Du solltest hier also sicher vor ihm sein, EJ.“

    Mit „hier“ meinte er nicht nur das Schiff, sondern auch die Basis in Cairns, was die junge Frau sofort verstand. Dankbar nickte sie ihm zu.

    „Ja, Du hast recht, Mike. Er darf Melbourne und Umgebung nicht verlassen. Trotzdem ist mir nicht wohl bei dem Gedanken, dass er wieder so gut wie frei herumläuft ...“

    „Er weiß doch nicht, wo Du bist, oder?“, fragte Buffer besorgt.

    Sie schüttelte entschieden den Kopf.

    „Nein, eigentlich weiß niemand, wohin ich gegangen bin, nachdem ich ...“

    Sie brach ab und schluckte. Die Nachricht konfrontierte sie mit Schrecken, die sie überwunden geglaubt hatte. Jetzt stellte sie fest, dass sie die Erinnerung nur verdrängt hatte und nun alles wieder hochkam. Panisch sah sie sich in dem engen Raum um. Plötzlich wollte sie nur noch eines: hinaus an die frische Luft. Sie glaubte, hier drin ersticken zu müssen.

    „Wenn Ihr mich bitte entschuldigt“, brachte sie hervor und verließ dann fluchtartig den Raum.

    Pete wollte ihr schon folgen, als ein Blick auf seinen Vorgesetzten ihn innehalten ließ. Dieser schüttelte den Kopf.

    „Lassen Sie sie gehen, Buffer. EJ muss im Moment allein damit klarkommen, Sie können ihr dabei nicht helfen“, sagte er entschieden, aber in beruhigendem Tonfall.

    Nach einem kurzen Moment des Nachdenkens gab Pete nach und seufzte schwer.

    „Sie haben recht, Sir. Nicht hier und nicht jetzt. Aber ich werde sie im Auge behalten und sollte dieser Kerl jemals hier auftauchen ...“

    „Solange Sie ihn nicht umbringen, Buffer, haben Sie mein vollstes Einverständnis. Aber ich möchte ungern auf meinen Bootsmann verzichten müssen ...“

    Bei aller Ironie schwang deutliche Beunruhigung in seiner Stimme mit und die beiden Männer tauschten einen sorgenvollen Blick. Dann widmeten sie sich wieder dem Thema ihrer unterbrochenen Besprechung, aber es fiel beiden schwer, sich wieder darauf zu konzentrieren.


    ***


    Es dauerte einige Tage, bis EJ sich beruhigt hatte, aber dann war ihr nichts mehr anzumerken. Mit gewohnter Selbstdisziplin verdrängte sie ihre Erinnerungen und die Gedanken an ihren Mann und konzentrierte sich auf die Arbeit. Bei der nächsten Therapiesitzung würde es früh genug sein, sich dem Ganzen zu stellen. Sie zog sich auch nicht wirklich zurück, aber bei Landgängen bevorzugte sie wieder wie früher, an Bord zu bleiben. Sie schaffte das in den folgenden Wochen jedoch nur wenige Male, weil Bomber ihre Ausreden nicht gelten ließ und sie mit sanfter Gewalt mitschleppte.
    Eines Abends, als die Köchin sie wieder einmal davon zu überzeugen versuchte, dass die geplante Party unbedingt ihre Anwesenheit erfordere, entschloss sich EJ, ihre Freundin einzuweihen. Sie erzählte ihr alles Notwendige, um ihr die Situation begreiflich zu machen. Das einzige Resultat hiervon war allerdings, dass Bomber sie nun noch mehr drängte, sich unter die Leute zu mischen. Sie bestand darauf, dass EJ inmitten ihrer Freunde und Kameraden am Sichersten sei. Niemand könne sich ihr dann unbemerkt nähern, erklärte sie.

    Tatsächlich stellte EJ fest, dass ihre Freundin sich an den Tagen und Abenden an Land besonders um sie kümmerte. Auch Buffer und sogar Mike beschützten sie in unauffälliger Art und Weise. Dadurch fühlte sie sich allmählich wieder sicher und sträubte sich nicht mehr, an Land zu gehen. Keinem der anderen Kameraden fiel es auf, dass einer der drei ständig in ihrer Nähe war.


    ***


    In den nächsten Therapiesitzungen versuchte sie, ihre Ängste in den Griff zu bekommen. Ihre Therapeutin ermutigte sie dazu, sich dem Kampfsport zu widmen und Lehrgänge in waffenloser Selbstverteidigung zu belegen. Die Gewissheit, sich jederzeit gegen einen Angreifer wehren zu können, würde ihr Selbstbewusstsein stärken.

    Von ihrem Anwalt wurde sie darauf aufmerksam gemacht, dass in ihrem Fall die Anhörung beim Familiengericht auch durch eine schriftliche Stellungnahme ersetzt werden könne. Er teilte ihr auch mit, dass Steve vermutlich Einspruch gegen das Scheidungsurteil erheben würde. Gleichzeitig beruhigte er sie jedoch, dass ihr Noch-Ehemann keine ausreichende Begründung dafür vorbringen könne und somit gute Chancen bestünden, dass sein Widerspruch abgewiesen und die Scheidung damit rechtsgültig würde.

    Als die Hammersley das nächste Mal auslief, quoll EJs kleines Regal in der Koje fast über vor Informationsmaterial über Lehrgänge und Fortbildungsmaßnahmen bei der Navy. Außerdem hatte sie sich einen Laptop zugelegt und nutzte auch diesen, um sich zu informieren. Sie hatte noch keine Entscheidung getroffen, in welcher Richtung sie sich weiterbilden wollte, aber sie war nun sicher, dass sie ihren Vertrag, der in drei Monaten auslief, verlängern würde. Sie tendierte mehr und mehr dazu, auf den früheren Vorschlag von Swain einzugehen und sich im Sanitätswesen ausbilden zu lassen, aber sie konnte sich auch eine Zukunft als Rettungsschwimmer und Bergungstaucher vorstellen. Selbst eine Kochlehre zog sie in Erwägung, bis Bomber sie lachend daraufhin wies, dass sie zwar ganz anständige Mahlzeiten auf den Tisch bringen könne, ihr das gewisse Etwas jedoch fehlte.

    Die Verkündung der Beförderungen stand an und EJ, die daran gewöhnt war, übergangen zu werden, hörte nur mit halbem Ohr hin, als die einzelnen Seeleute aufgerufen wurden. So musste Lieutenant Commander Flynn ihren Namen zweimal nennen, bis sie, auf einen Rippenstoß von Bomber hin, vortrat. Sie sah den Kommandierenden völlig verwirrt an, als er ihr zum „Able Seaman“ gratulierte.

    „Ich ... aber ... Danke, Sir“, stammelte sie und trat dann wie in Trance zurück in die Reihe.

    Sie registrierte kaum, dass ihre Kameraden sie belustigt angrinsten. Als die Zeremonie vorüber war und die anderen ihr ebenfalls gratulierten, stand sie noch völlig neben sich. Nie im Leben hätte sie gedacht, dass sie einmal befördert werden könnte.

    „Na, da hat sich unser Küken aber gemacht, was?“, tönte Charge und schlug ihr kameradschaftlich auf die Schulter.

    „Jetzt bin ich nicht nur dem Alter, sondern auch noch dem Rang nach der Jüngste“, murrte Spider gespielt enttäuscht. Er hatte die Beförderung wieder einmal verpasst, weil er sich bei einer Aktion einige Wochen zuvor nicht gerade mit Ruhm bekleckert und sich den Unmut des CO zugezogen hatte. Seine Enttäuschung war auch nur zum Teil gespielt, aber er hatte sich vorgenommen, in Zukunft besser aufzupassen und sich den Aufstieg zu verdienen.

    „Toll, EJ, jetzt sind wir ranggleich“, freute sich Bomber.

    „Damit hast Du wohl nicht gerechnet“, grinste Swain und zog sie in eine kurze Umarmung. „Du hast es Dir verdient.“

    Buffer reichte ihr die Hand und grinste sie voller Stolz an.

    „Gratuliere, EJ. Ich kann mich Swain nur anschließen: Du hast es verdient.“

    Sie lächelte zurück, langsam registrierend, dass sie nicht träumte.

    „Wow, danke, Freunde. Ich kann es immer noch nicht ganz fassen“, meinte sie schließlich. „Ich bin Vollmatrose.“

    „Jawohl, das bist Du, und das sollten wir beim nächsten Landgang ausgiebig begießen“, bestätigte ET und legte grinsend einen Arm um ihre Schultern. „Was meinst Du?“

    „Von mir aus“, lachte sie. „Aber ihr wisst ja, ich stoße nur alkoholfrei mit Euch an.“

    „Das können Sie halten, wie Sie wollen“, erklärte Nikki lächelnd. „Wir wissen ja inzwischen, dass Sie auch so mitfeiern können.“

    „Genau“, grinste EJ und löste sich von dem Bordelektroniker. Sie war froh, dass die Navigatorin inzwischen nicht mehr eifersüchtig reagierte, wenn ET sie freundschaftlich an sich zog. Es war klar, dass nichts dahinter steckte, aber anfangs war Nikki ihr mit großem Misstrauen begegnet. Mit der Zeit hatte sie sich jedoch beruhigt und aus dem Waffenstillstand war schließlich eine Art solidarische Kameradschaft der Frauen an Bord entstanden. Einzig Kate stand ihr noch reservierter gegenüber, aber auch sie schloss sich nicht ganz aus.

    Nur wenige Tage später ergab sich die Gelegenheit zum Feiern. Bei der Überprüfung eines verdächtigen Fischerbootes hatte man an Bord in einer versteckten Kammer 15 Menschen entdeckt, die offensichtlich nach Australien geschmuggelt werden sollten. Die Leute waren halb verdurstet und außer sich vor Angst. Unter ihnen befanden sich auch mehrere Kinder. Nachdem man die Mannschaft des Bootes verhaftet hatte und die Flüchtlinge im Notquartier der Hammersley untergebracht und versorgt worden waren, steuerte das Patrouillenboot den Stützpunkt in Darwin an. Dort wurde das Fischerboot samt Besatzung der Bundes- und die Flüchtlinge der Einwanderungsbehörde übergeben.

    An diesem Abend gab EJ pflichtschuldigst eine Runde aus. Sie selbst nahm einen alkoholfreien Longdrink, der fast genauso aussah wie die Getränke der anderen. Sie musste oft mit ihren Kameraden anstoßen und je weiter der Abend fortschritt, umso fröhlicher ging es zu. Nur Buffer zog sich immer mehr zurück. Er hatte noch zu deutlich in Erinnerung, wie EJ vor ihm zurückgeschreckt war. Seit er wusste, dass es der Geruch nach Alkohol war, der in ihr die Erinnerung an das, was ihr Mann ihr in betrunkenem Zustand angetan hatte, hochkommen ließ, fühlte er sich immer ein wenig schuldig, wenn er etwas getrunken hatte, und kam ihr dann lieber nicht zu nahe.

    EJ, die es schon fast nervte, dass er sich so sehr zurückhielt, passte einen Moment ab, in dem Buffer und Swain an der Bar standen und sich unterhielten, um dem ein Ende zu bereiten. Sie ging hinüber und drängte sich zwischen die beiden, legte jedem einen Arm um die Schultern und grinste sie an.

    „Hab ich mit Euch eigentlich schon angestoßen? Ich weiß echt nicht mehr ...“, meinte sie und hob ihr Glas. „Salute! Auf meine Beförderung.“

    Swain prostete ihr fröhlich zu, während Buffer sie verblüfft anstierte. Plötzlich fing er an zu grinsen und hob ebenfalls sein Glas.

    „Auf Deine Beförderung!“, nuschelte er. „Hast es echt verdient.“

    „Ja, das hast Du schon mal erwähnt“, lachte sie.

    Fasziniert sah er sie an, dann hob er plötzlich die Hand und strich mit dem Finger über ihre Wange. EJ hielt den Atem an und versank geradezu in seinem Blick.

    „O ho, seht mal an. Was wird das denn, Buffer?“, grölte ET aus dem Hintergrund und Spider ließ ein anzügliches Pfeifen hören. Selbst Charge gab einen kaum verständlichen Kommentar ab.

    Den beiden wurde schlagartig bewusst, wo sie sich befanden und dass sie nicht allein waren. Trotzdem beließ Pete seine Hand an ihrem Gesicht und sah sie weiterhin verträumt an. Er zwinkerte ihr nur einmal kurz zu, aber EJ verstand sofort, dass er den Anderen nun eine Vorstellung geben würde. Innerlich grinsend wartete sie ab, wie er sie aus dieser Situation herausmanövrieren würde. Auch Swain schmunzelte in sich hinein, denn er hatte Buffers Blinzeln bemerkt und war nun ebenfalls gespannt, was dieser vorhatte.

    „Hey, schöne Frau“, lallte der Bootsmann nun. “Hast Du heute Abend schon was vor?“

    EJ lächelte und schüttelte den Kopf.

    „Außer mit meinen Freunden hier zu feiern? Nein, warum?“

    „Oh, vielleicht könnten wir noch woanders hingehen? Ich meine, die Nacht ist noch jung ...“, fuhr Pete mit dem Theater fort. Er gab sich wesentlich betrunkener, als er in Wirklichkeit war. „Wie wär es denn mit einem Monsch ... Mondscheinspaziergang?“ Er stolperte fast über dieses Wort.

    Sie lachte leise auf, nahm dann seine Hand und legte sie sanft auf den Tresen.

    „Oh nein, mein Lieber, das könnte Dir so passen“, meinte sie dabei leichthin. „Ich glaube, Du verwechselst mich. Die leichten Mädchen stehen da hinten ...“

    Mit diesen Worten löste sie sich von den beiden Seeleuten und ging hinüber zu dem Tisch, an dem Bomber saß und sie fasziniert beobachtete.


    „Eiskalt abserviert“, stellte Charge betrübt fest und schüttelte den Kopf.

    „Sie hat eben kein Herz“, kommentierte ET düster und schlug Pete auf den Rücken.

    „Tja, das war wohl nichts“, grinste Swain.

    Mit einem Hundeblick sah Buffer ihr nach und seufzte dann auf.

    „Wer nicht will ... sie weiß ja gar nicht, was sie verpasst“, stellte er mit schwerer Zunge abschließend fest und wandte sich dann dem Barmann zu, um sich ein Bier zu bestellen.

    Die anderen lachten und prosteten einander zu. Nach kurzer Zeit hatten sie den Vorfall vergessen. Nur Swain grinste in sich hinein und raunte Pete bei passender Gelegenheit ein „gut herumgerissen“ zu.


    „Wow, dem hast Du es aber gegeben“, empfing Bomber ihre Freundin am Tisch. „Ich wusste gar nicht, dass Du so was kannst. Mann, Buffer ist heute aber auch drauf ... So viel hat er schon lange nicht mehr in sich reingekippt.“

    „Lass ihn doch. Es gibt halt was zu feiern“, erwiderte EJ und setzte sich.

    „Na ja, ER ist schließlich nicht befördert worden ...“

    „Vielleicht trinkt er ja deshalb so viel?“

    Die beiden Frauen sahen einander an und fingen an zu lachen.

    „Buffer beim Frustsaufen ...“, kicherte Bomber.

    „Tja, wer weiß ...“, grinste EJ und stieß dann mit ihr an.

    „Wenn ich mir die Jungs so anschaue, sollte ich morgen früh vielleicht anstatt dem Frühstück Aspirin austeilen“, überlegte die Köchin.

    Wieder lachten sie los.

    „Die Idee ist nicht mal schlecht, Bomber. Ich denke, einige werden es nötig haben.“

    „Ja, zum Beispiel Buffer ...“

    „Und Spider, ET, Charge ... soll ich die Liste noch verlängern?“

    „Nav, Swain, die X ...“

    „Was ist mit Dir?“

    „Mir geht’s gut. Ich hab mich heute mal mehr an Deine Fruchtsaft-Cocktails gehalten.“

    Ein prüfender Blick traf Rebecca.

    „Mir war nicht so nach Alkohol“, erklärte sie. „Und außerdem wollte ich mal wissen, wie das für Dich so ist, wenn wir alle betrunken sind, nur Du nicht.“

    „Und, wie ist es?“, erkundigte sich EJ belustigt.

    „Irgendwie seltsam. Und auch witzig. Es wird bestimmt interessant, den Jungs zu erzählen, wie sie sich aufgeführt haben ...“

    „Findest Du das nicht unfair?“

    „Nein, es gibt mir Munition, wenn sie mich mal wieder nicht in Ruhe lassen.“

    „Ich glaube, Du kannst ganz schön gemein sein“, grinste EJ. Sie war froh, dass sie Bomber erfolgreich vom Thema Buffer abgebracht hatte. Gemeinsam zogen sie noch eine Weile über die Männer her, bevor sie beschlossen, zurück aufs Schiff zu gehen.


    ***


    Nach wochenlangem Einsatz in der Arafura-See drehte die Hammersley wieder in Richtung Heimathafen. Die Mannschaft war froh, dass es endlich nach Hause ging. EJ hatte sich noch immer nicht entschieden, was für einen Lehrgang sie belegen sollte und sprach mit allen möglichen Leuten, um sich ein wenig Klarheit zu verschaffen. Sie löcherte sogar Charge wegen technischer Details und ließ sich von Nikki die Grundlagen der Navigation erklären. Swain versuchte wieder, sie zum Sanitätsdienst zu drängen und ET begeisterte sie fürs Tauchen. Es fiel ihr sehr schwer, eine Entscheidung zu treffen, aber letztendlich gaben ETs Geschichten den Ausschlag und sie meldete sich nach Absprache mit Mike zum nächsten Bergungstaucher-Lehrgang an. Dieser begann noch während des geplanten Landurlaubs und würde sie einige Wochen in Cairns festhalten. Der nächste Einsatz der Hammersley würde also ohne sie stattfinden.

    Sie erreichten den Hafen ohne Zwischenfälle und alle machten sich bereit, von Bord zu gehen. Die Kernmannschaft wollte den ersten Urlaubstag noch mit einem Drink in der Stammbar begießen, aber nicht alle sagten zu, mitzukommen. ET entschuldigte sich damit, dass er etwas vorhabe und auch Nav lehnte die Einladung ab. Charge, Spider, Bomber, Swain, EJ und Buffer warfen einander vielsagende Blicke zu und grinsten sich an, aber niemand verlor auch nur ein Wort darüber.

    Vom Oberdeck aus beobachtete Mike, wie seine Crew den Urlaub antrat. Buffer und EJ waren unter den Ersten, die das Schiff verließen. Mit einem Lächeln sah er, dass sein Bootsmann völlig unbewusst die Hand der jungen Frau nahm, während sie nebeneinander den Kai entlang gingen. Doch plötzlich stockte dem CO fast der Atem.

    „Oh nein“, entfuhr es ihm leise.

    „Was ist denn?“, fragte Kate, die neben ihn getreten war.

    „Buffer und EJ. Und dort kommt Commander Marshall“, ächzte er und deutete nach vorn, wo der Genannte gerade auf den Kai einbog.

    Offensichtlich war er jedoch nicht der Einzige, der den Commander bemerkt hatte. Ein lauter Schrei erschallte vom Deck.

    „Hey, wartet, wir kommen auch mit“, rief Bomber und zog Spider, RO und Swain mit sich. ET und Nav folgten ihnen auf dem Fuß.

    Buffer blieb stehen und warf einen Blick über die Schulter zurück, ließ EJs Hand dabei aber nicht los.

    „Na, dann trödelt mal nicht so rum“, gab er lautstark zurück und grinste die junge Frau an seiner Seite an. „Die haben es aber plötzlich eilig.“

    Bomber kam heran und hakte sich bei ihm unter. Verblüfft sah der Bootsmann sie an.

    „Der Commander“, raunte sie ihm zu und deutete mit dem Kopf auf Marshall, der sich ihnen zügig näherte. Dann nahm sie Spiders Hand und verschränkte ihre Finger mit seinen. Auf der anderen Seite waren ET und Nav herangekommen. Der Elektronik-Experte legte den rechten Arm um EJs Schultern und nahm mit der Linken Nikkis Hand, auf deren linker Seite sich wiederum Swain kameradschaftlich einhakte. Andy und Robert folgten der Reihe grinsend.

    „Da soll mich doch ...“, entfuhr es Mike verblüfft. „Nun sieh sie Dir an ...“

    „Eine Demonstration der Solidarität“, lächelte Kate. Dann sah sie ihn an. „Wollen wir ...?“

    Grinsend nickte er und gleich darauf eilten sie ihrer Mannschaft nach. Als sie die beiden Nachzügler einholten, hakte sich Kate bei RO ein, der sie ein wenig verblüfft ansah, während der CO einen Arm um ihre Taille legte und mit dem anderen die Schultern Charges umfasste.

    Commander Marschall sah sich einer Gruppe grinsender Seeleute gegenüber, die es tatsächlich fertigbrachten, respektvoll geradezustehen, ohne einander loszulassen, als er sie erreichte.

    „Landurlaub, Sir“, erklärte Mike grinsend, als er die erstaunt und leicht missbilligend hochgezogenen Brauen seines Vorgesetzten sah. „Wir sind gerade auf dem Weg, ihn gebührend einzuläuten.“

    Mit strengem Blick maß Marshall jeden Einzelnen und ließ sein Auge dabei bedeutungsvoll auf den in vertrauter Geste miteinander verschlungenen Armen und Händen der Besatzungsmitglieder ruhen. Er konnte jedoch nur erwartungsvolle Vorfreude in den Gesichtern erkennen und wandte sich schließlich mit einem undeutlichen Murmeln ab. Mike glaubte, dabei die Worte „Vorschriften“ und „Verbrüderung“ zu vernehmen.

    „Commander, Sie glauben doch nicht ...“, fing er in gekonnt ungläubigem Ton und mit genau dem richtigen Maß an Entrüstung an.

    „Sie müssen zugeben, Mike, dass dies hier schon leicht verdächtig ...“

    „Oh nein, ganz bestimmt nicht, Sir“, wurde er unterbrochen. „Wie ich Ihnen schon mehrmals sagte: Wir von der Hammersley sind wie eine große Familie.“

    Skeptisch blickte Commander Marshall noch einmal von einem zum anderen, aber er sah nur unschuldige Zustimmung.

    „Also gut, ich wünsche Ihnen und Ihrer Mannschaft einen schönen Urlaub“, seufzte er schließlich.

    Alle sahen ihm nach, wie er am Kai entlang weiter zur HMAS Kingston ging, die hinter der Hammersley ankerte.

    „Na, das ging gerade noch mal gut“, bemerkte Mike aufatmend. Mit einem Nicken forderte er die anderen auf, weiterhin untergehakt zu bleiben, bis man außer Sichtweite der Schiffe war. Erst dann trennten sich die Mitglieder der Crew wieder voneinander.

    „Danke“, meinte Buffer zu den Kameraden. „Das hätte auch schief gehen können.“

    „Hey, haben wir nicht geschworen, immer füreinander da zu sein?“, grinste Bomber.

    „Ja, das gilt für den Dienst, aber ...“

    „Wozu sind Freunde da?“, grinste Swain und hob dann die Hand. „Wir sehn uns.“

    „Vielleicht solltet Ihr ein klein wenig subtiler vorgehen“, brummte Charge zum Abschied.

    Mikes missbilligender Blick auf EJ und Buffer sprach Bände, doch er sagte nichts. Schließlich war es Kate, die einen letzten Kommentar äußerte.

    „Ich brauche jetzt wohl nichts über Glashäuser zu sagen“, meinte sie trocken und sah EJ bedeutungsvoll an. Sie ignorierte Mikes fragenden Blick und wandte sich dann ebenfalls ihrem Wagen zu.

    „Schönen Urlaub“, rief sie über die Schulter zurück.

    Buffer, Mike und EJ blickten den anderen nach, bevor sie selbst aufbrachen. Niemand von ihnen ahnte, dass es das letzte Mal gewesen sein sollte, dass sie ihren Freund und Kameraden ET lebend sahen.


    tbc.
    "It is better to have loved and lost than never to have loved at all"

    Möge alles, was Ihr mir wünscht, tausendfach auf Euch zurückfallen.

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  14. #28
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    Vielen Dank an meine sichtbaren (Evaine, Galaxy und Gwelwen) und unsichtbaren Mitleser dafür, dass Ihr meiner Geschichte so viel Aufmerksamkeit schenkt.

    Da ich Euch (mit Absicht, ich gestehe) ein wenig auf die Folter gespannt habe, geht es nun weiter mit







    Kapitel 19: Schock


    Heimatbasis Cairns, 06:15 Uhr, Wohnung von EJ Kingston


    EJ hatte sich gerade eine Tasse Kaffee eingegossen, als ihr Handy, das neben der Tasse auf dem Küchentresen lag, die Ankunft einer SMS signalisierte. Da ihre Nummer nicht vielen Leuten bekannt war, ahnte sie, woher die Mitteilung kam. Sie trank erst einen Schluck, bevor sie die Nachricht öffnete. Es war ein Aufruf an die Besatzungsmitglieder, zum Schiff zurückzukehren, da der Landurlaub bis auf Weiteres gestrichen war. Die Hammersley hatte Befehl zum Auslaufen bekommen. Die Crew hatte bis um 07:30 Uhr Zeit, sich an Bord zurückzumelden.

    EJ seufzte auf. Die Nachricht ging automatisch an alle Crewmitglieder, deshalb war auch sie benachrichtigt worden. Da jedoch der Lehrgang für Bergungstaucher bereits angefangen hatte, war sie von diesem Aufruf nicht betroffen. Indirekt war das allerdings trotzdem der Fall, denn an diesem Abend hatte sie mit Pete ausgehen wollen. Er hatte sie wiederholt zum Essen eingeladen, was sie bisher immer abgelehnt hatte. Diesmal hatte sie seinem Drängen nachgegeben, aber nun würde auch daraus nichts werden.

    Wie als Echo ihrer Gedanken klingelte jetzt das Telefon und mit einem kleinen Zögern nahm sie das Gespräch an.

    „Hey“, sagte sie weich. „Das ist wirklich Pech, was?“

    „Du hast die SMS bekommen?“, fragte Buffer.

    „Ja, aber mich betrifft sie ja nicht, das heißt ...“

    „Ich hatte mich auch schon auf heute Abend gefreut. Das ist wirklich ganz schlechtes Timing.“ Pete klang ziemlich enttäuscht, was EJ irgendwie freute.

    „Weißt Du denn schon, warum ihr sofort auslaufen müsst?“, erkundigte sie sich.

    „Noch nicht, aber der CO wird es mir bestimmt bald verraten.“

    „Muss wohl wichtig sein, sonst hätte man Euch nicht aus dem Urlaub geholt.“

    „Na ja, vielleicht ist das ja auch die Retourkutsche von Commander Marshall ...“

    EJ konnte das Grinsen in Petes Stimme hören und lächelte.

    „Du meinst, er hat uns das mit der „großen Familie“ nicht abgekauft?“, fragte sie belustigt.

    „Na, ich denke mal, er wird ab jetzt ein besonderes Auge auf unser Boot haben ...“

    „Als ob er das nicht sowieso schon hätte.“

    „Stimmt auch wieder. Schließlich bekommen wir ja auch immer die besonderen Fälle ...“

    „Danke!“ EJ gab ihrer Stimme einen Hauch von Entrüstung, während sie grinsend auf seine Reaktion wartete.

    „Hey, so war das nicht gemeint ...“, protestierte er schnell. „Es ist nur so ... wir ... ich ...“

    Sie ließ ihn noch einen Moment zappeln, bis sie ihn beruhigte.

    „Ich weiß doch, wie Du es gemeint hast und Du hast ja auch recht. Marshall drückt Mike immer wieder Problemfälle auf und mutet ihm und der Mannschaft damit so Einiges zu. Und ja, ich bin auch so ein Fall.“

    „Du warst einer“, meinte er sanft. „Jetzt bist Du ein vollwertiges, wertvolles Mitglied der Mannschaft, und es wird seltsam sein, ohne Dich rauszufahren.“

    „Das hört sich ja so an, als ob Du mich vermissen könntest?“, zog sie ihn auf. Dabei wurde sie jedoch von einem warmen Gefühl durchflutet und hätte ihm jetzt am liebsten in die Augen gesehen.

    „Du fehlst mir jetzt schon“, bekannte er.

    „Wir können doch telefonieren und meine Mail-Adresse hast Du auch. Halte mich doch bitte auf dem Laufenden, ja? Dann ist es fast so, als wäre ich bei Euch.“

    „Okay, wenn Du das möchtest? Wann kann ich Dich erreichen?“

    „Ich werde wohl so ab 18 Uhr wieder zu Hause sein. Dann lese ich gleich meine Mails, einverstanden?“

    „In Ordnung. Und das Essen holen wir nach, wenn wir wieder zurück sind, versprochen?“

    „Versprochen“, bestätigte sie. „Und nun mach, dass Du aufs Schiff kommst. Ich muss auch gleich los ...“

    „Viel Spaß auf dem Lehrgang“, verabschiedete er sich.

    „Danke. Und seid vorsichtig.“

    Sie unterbrach die Verbindung und starrte gedankenverloren aus dem Fenster. Ja, es fühlte sich wirklich seltsam an, zu wissen, dass das Schiff ohne sie auslief. Diesmal würde sie für mindestens fünf Wochen in Cairns bleiben, denn so lange würde die Ausbildung dauern. Sie hatte nebenbei noch einen Kurs in Selbstverteidigung belegt, aber der würde erst in zwei Wochen beginnen und dann ihre Abende füllen. Bis dahin würde sie sich wohl daran gewöhnt haben, wie anstrengend die Tauchgänge waren. Ja, sie hatte ihre Fitness in letzter Zeit ein wenig vernachlässigt, aber nun hatte sie Zeit, sich auch darum zu kümmern.
    Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es an der Zeit war, zu gehen. Sie freute sich darauf, am Abend von Pete zu hören, aber bis dahin lag ein arbeitsintensiver Tag vor ihr, der ihre ganze Konzentration fordern würde.


    ***


    Völlig erledigt betrat EJ ihre kleine Wohnung. Der heutige Tauchgang war nach Angaben des Ausbilders „ein Spaziergang“ gewesen, aber dennoch hatte er ihr alles abgefordert. Sie war bereits bei Landgängen von ET zu kurzen Tauchausflügen mitgenommen worden, die in ihr die Freude an diesem Sport geweckt hatten, aber das war überhaupt kein Vergleich zu dem, was von einem Bergungstaucher verlangt wurde. So schwer hatte sie sich das nicht vorgestellt, aber sie war fest entschlossen, den Lehrgang durchzuziehen, schon, weil sie den Kameraden nicht enttäuschen wollte. Doch hier galt es auch, sich selbst etwas zu beweisen. Oft genug hatte sie von Steve gehört, dass sie nichts tauge und nichts könne. Schon deshalb würde sie die Herausforderung annehmen und so gut wie möglich meistern.

    Nachdem sie ihre Tasche ausgepackt und den Schwimmanzug ausgewaschen und zum Trocknen aufgehängt hatte, setzte sie sich ins Wohnzimmer und öffnete den Laptop. Eine kurze Mail von Pete war in ihrem Postfach, in der er ihr ankündigte, dass er erst nach 20 Uhr mit ihr telefonieren könne, weil er die zweite Hundewache hatte. Der kleine Zusatz „Ich vermisse Dich“ löste ein warmes, erwartungsvolles Gefühl in ihr aus. Alles, was sie antwortete, war jedoch ein kurzes „Okay“.

    Sie ließ sich Zeit bei der Zubereitung ihres Abendessens und beim Verzehr desselben. Als sie beim Abwasch war, gab sie vor sich selbst zu, nur die Zeit totzuschlagen, bis Buffer endlich anrufen würde. Sie war begierig, von der Hammersley zu hören, aber genauso sehr sehnte sie sich danach, seine Stimme zu hören.

    Es wurde viertel nach acht, bis das Telefon schließlich klingelte. Erst nach dem dritten Läuten nahm sie ab.

    „Hallo?“, meldete sie sich, als ob sie nicht genau wüsste, wer dran war.

    „EJ, es tut gut, Dich zu hören“, wurde sie warm begrüßt.

    „Wo seid Ihr?“, fragte sei neugierig.

    „Auf dem Weg nach Norden. Du weißt doch, ich darf Dir am Telefon keine genaue Position verraten.“

    „Natürlich nicht. Geht es wieder um die ausländischen Fischer?“, erkundigte sie sich.

    „Man hat wieder eine Leiche gefunden und sie scheint in Zusammenhang mit diesen Vorfällen zu stehen. Ja, wir wurden als Verstärkung angefordert“, bestätigte Pete ihr.

    Einen Moment lang schwieg sie nachdenklich. Das hieß, der Auftrag der Hammersley würde sie bis in den Indischen Ozean führen und somit länger dauern, als sie gehofft hatte.

    „Sag mal“, unterbrach Buffer ihre Gedanken, „hast Du eigentlich ET irgendwo gesehen?“

    „Wieso? Ich dachte, er wäre mit an Bord?“

    „Nein, das ist es ja. Wir konnten ihn heute Morgen nicht erreichen und mussten ohne ihn los. Dir ist er also auch nicht über den Weg gelaufen?“

    „Ich habe keine Spur von ihm gesehen. Allerdings hab ich auch nicht darauf geachtet, weil ich dachte, er wäre bei Euch.“

    „Na gut. Es ist aber schon irgendwie beunruhigend. Wir konnten ihn den ganzen Tag über nicht ausmachen. NAVCOM hat eine Suche nach ihm laufen, aber auch von dort kam noch keine Nachricht.“

    „Ach, er wird schon noch auftauchen. Wollte er nicht tauchen gehen? Vielleicht hat er dort, wo er ist, keinen Empfang? Wäre ja nicht das erste Mal. Und Ihr seid Tage zu früh ausgelaufen ...“

    Obwohl ihre Worte beruhigend klangen, machte EJ sich nichts vor. Auch im Urlaub und ganz egal, wo man sich befand, auf eine Nachricht vom Schiff oder von NAVCOM musste wenigstens reagiert werden. Dass ET das nicht tat, gab berechtigten Anlass zur Sorge.

    „Wie geht es sonst? Alles in Ordnung?“, versuchte sie ihn abzulenken.

    „Außer, dass Du uns fehlst? Ich denke, so weit ist alles okay.“

    Sie konnte jedoch hören, dass ihn noch etwas bedrückte.

    „Was ist los? Du verheimlichst mir doch was?“, hakte sie nach.

    „Würde ich nie. Es ist nur ... Nav ist stark beunruhigt und eigentlich müsste sie ja wissen, wo ET steckt.“

    „Was denn, Nikki weiß es auch nicht? Merkwürdig ...“

    „Wie läuft der Lehrgang?“, erkundigte sich Pete, entschlossen, das Thema zu wechseln.

    „Bis jetzt ganz gut“, ging sie darauf ein. „Es ist anstrengender, als ich dachte.“

    „Hast Du denn schon was gegessen?“, fragte er besorgt. Buffer hatte noch zu gut im Gedächtnis, dass EJ in Stresssituationen den Appetit zu verlieren pflegte.

    „Ja, hab ich“, beruhigte sie ihn lachend. „Was ist mit Dir? Wenn Du Dich nicht beeilst, bekommst Du nichts mehr.“

    „Ich hab mir vor der Schicht was geholt“, meinte er und sie konnte sein Grinsen deutlich heraushören. „Damit ich jetzt in Ruhe mit Dir telefonieren kann.“

    „Ich wünschte, ich wär bei Euch“, seufzte sie.

    „Deine Weiterbildung ist auch wichtig.“

    „Schon, aber trotzdem ...“

    „Hör mal, bis der Lehrgang vorüber ist, sind wir wieder im Hafen. Du wirst sehen, die Zeit vergeht schnell. Und wir bleiben schließlich in Kontakt. Es ist nicht mehr so, wie vor hundert Jahren ...“

    „Nein“, lachte sie, „nicht einmal mehr wie vor dreißig Jahren. Die Technik macht rasende Fortschritte.“

    „Zum Glück“, kommentierte er.

    Sie plänkelten noch ein wenig herum, bis Buffer sie schließlich ermahnte, früh zu Bett zu gehen, damit sie den nächsten Tag gut überstehen würde.

    „Schlaf gut, Kleines“, wünschte er ihr zum Abschied.

    „Du auch“, gab sie leise zurück. „Gute Fahrt.“


    ***


    Am nächsten Abend beeilte sich EJ mit den notwendigen Arbeiten und öffnete dann den Laptop. Es befanden sich mehrere Nachrichten in der Mailbox, die erste stammte von 09:00 Uhr früh. Sie waren fast ausnahmslos von Buffer. Gespannt und leicht beunruhigt las sie ihre Post der Reihe nach.

    „Hey Du,
    wir haben Order bekommen, auf einen neuen Kurs zu gehen. Die Küstenwache bekam eine Bitte um Hilfe. Ein Tauchboot mit 8 Leuten an Bord wird vermisst. Melde mich wieder, sobald ich Näheres weiß.
    Pete“

    Die nächste Nachricht schrieb er zwei Stunden später:

    „Hallo EJ,
    wir nehmen Kurs auf Red Reef. Dort befand sich die letzte Position des Tauchboots. Wir werden am Nachmittag dort eintreffen. Nikki macht sich große Sorgen. Wir sind alle beunruhigt. Ich vermisse Dich. Bis bald.
    Pete“


    Dann kam eine Mail von Bomber, abgeschickt um 17:12 Uhr:

    "Hallo EJ,
    ich hoffe, Du sitzt gut. Ich weiß nicht, ob Dir schon jemand Bescheid gesagt, hat, wenn Du das liest. Falls nicht ...
    Wir haben ET gefunden. Er ... ich weiß kaum, wie ich Dir das beibringen soll, EJ ... er ist tot, genau wie die anderen Männer, die auf dem Tauchboot waren. Das Boot selbst ist verschwunden.
    Der Reihe nach: Wir wurden heute früh von der Küstenwache um Hilfe bei der Suche nach einem verschwundenen Tauchboot gebeten. Wir brauchten sieben Stunden, um die letzte bekannte Position zu erreichen. Auf einer der Inseln in der Nähe entdeckte Buffer Vogelschwärme. Wir fuhren mit dem Beiboot dort hin und fanden die angeschwemmten Leichen von acht Männern. ET war einer von ihnen.
    EJ, Du kannst Dir nicht vorstellen, was Nav gerade durchmacht. Sie hat beinahe durchgedreht. Sie war diejenige, die ihn fand ... Wir wussten ja alle, dass die beiden sich nahe stehen ... Swain hat ihr ein Beruhigungsmittel geben müssen. Buffer kümmert sich nun ein wenig um sie. Ach EJ ... mir kommen ebenfalls die Tränen, während ich Dir das schreibe. Sei froh, dass Du nicht hier bist und das miterleben musst. Es ist einfach schrecklich. Ausgerechnet ET ...
    Ich muss jetzt leider wieder an die Arbeit, aber ich musste mir einfach die Zeit nehmen, Dich zu benachrichtigen. Falls Du jemanden zum Reden brauchst, ruf mich an.
    Gruß
    Rebecca“


    Wie betäubt saß EJ da und starrte den Bildschirm an. Josh war tot? Das konnte doch nicht sein, oder? Dieser stets fröhliche, lebenslustige junge Mann, ein guter Kamerad, ein Freund - tot? Und nicht etwa in einem Einsatz gestorben, sondern bei einem Tauchunfall? Er, der immer so viel Wert auf Sicherheit gelegt hatte, für den die Ausrüstung zu überprüfen das A und O eines jeden Tauchgangs war? Das war schwer begreiflich. So unwirklich. So ... unaussprechlich. Langsam, wie in Trance, öffnete sie die letzte Nachricht, die Pete ihr vor einer halben Stunde geschickt hatte.

    „Mein Schatz,
    ich habe schreckliche Neuigkeiten: ET ist tot. Er starb zusammen mit weiteren sieben Tauchern, anscheinend bei einem Unfall. Wir sind alle erschüttert. Nav ist völlig außer sich. Sie standen sich offensichtlich näher, als uns allen bewusst war. Ich dachte immer, sie hätten nur eine Affäre, aber es ging wohl sehr viel tiefer.
    Ich werde mich in nächster Zeit ein wenig um Nikki kümmern. Sie ist eine gute Freundin und sie tut mir so leid. Ich hatte ihr das Glück mit Josh wirklich gegönnt ...
    Bitte hab Verständnis dafür, dass ich sie jetzt nicht im Stich lasse. Es ändert nichts an meinen Gefühlen für Dich.
    Pete“


    Erst, als es auf ihren Handrücken tropfte, merkte EJ, dass ihr die Tränen über das Gesicht liefen. Jetzt, da sie die Bestätigung durch Pete erhalten hatte, wurde ihr so richtig klar, dass es schreckliche Wirklichkeit war. Mein Gott, was musste nur in Nikki vorgehen? Sie hatte nicht nur einen Freund und Kameraden, sondern den geliebten Mann verloren. Wie würde sie selbst sich fühlen, wenn Buffer ...

    In diese Gedanken hinein läutete das Telefon.

    „Pete“, schluchzte sie hinein, als sie das Gespräch entgegen nahm.

    „Ja, ich weiß“, sagte er mit erstickter Stimme. „EJ, bitte ... nicht auch Du ...“

    „Warum, Pete? Warum ausgerechnet Josh?“

    „Ich weiß es nicht. Wir werden es nie wissen, warum gerade er ...“

    „Wie ... wie geht es Nikki?“

    „Swain hat ihr ein leichtes Beruhigungsmittel gegeben. Sie ist jetzt mit der X beim CO. EJ, ich ... wir alle ... es ist so unbegreiflich ...“

    Die Stimme versagte ihm, als er versuchte, seine Trauer in Worte zu fassen.

    „Er ... er hat mich aufs Tauchen gebracht, Pete. Wenn er nicht gewesen wäre, würde ich jetzt nicht diesen Lehrgang ...“

    Sie schluckte und versuchte, ihrer Stimme einen festeren Klang zu verleihen.

    „Wir müssen ihn in Erinnerung behalten, wie wir ihn gekannt haben. Er war ein toller Kamerad, ein Freund, ein ... Bruder ...“

    „Ja, das war er, EJ. Danke. Weißt Du, ich kenne ... kannte ihn schon recht lange. Ich habe damals die Anfänge seiner Beziehung mit Nav genau mitgekriegt ...“

    Seine Stimme klang wehmütig, aber nicht mehr so verzweifelt wie am Anfang. EJ lauschte seiner Geschichte, wie er Josh einmal fast verprügelt hätte, als dieser sich Nikki in eindeutiger Absicht genähert hatte, von dieser aber abgewiesen worden war. Das war noch auf der alten Hammersley gewesen, der Freemantle-Klasse. Auf der war es noch viel beengter zugegangen als auf dem jetzigen Boot. Später dann hatte ET einen Kurs auf einem U-Boot gemacht, den er aber abgebrochen hatte, als die neue Hammersley der Armidale-Klasse die Hilfe eines hervorragenden Elektronikers benötigte. So war er wieder bei der alten Mannschaft gelandet, was Nav damals überhaupt nicht gefallen hatte. Pete erzählte amüsiert, wie lange es gedauert hatte, bis Josh wieder in Gnaden von der Navigatorin aufgenommen worden war. EJ konnte heraushören, dass das nicht alles war. Sie verspürte einen Anflug von Eifersucht, als sie merkte, wie warm seine Stimme wurde, wenn er von Nikki berichtete. Offensichtlich waren damals starke Gefühle für sie im Spiel gewesen. Wie weit diese allerdings heute noch reichten, konnte EJ nicht erkennen. Sie würde sich allerdings auch nicht die Blöße geben, ihn danach zu fragen.

    Am Ende des Gesprächs hatte Buffer sich wieder gefangen. Er dankte EJ nochmals dafür, dass sie ihm zugehört hatte und versprach, sich wieder zu melden. Diesmal wünschte keiner dem anderen eine gute Nacht. Beiden war klar, dass das nur reine Ironie sein konnte.



    tbc.
    Geändert von Zeson (24.06.2013 um 16:27 Uhr)
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  15. Danke sagten:


  16. #29
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    Vielen Dank an meine fleissigen Leser und natürlich besonders an Evaine und Galaxy, die auch den "Danke"-Button gefunden haben ...

    Nach dem "Schock" des letzten Kapitels möchte ich Euch nicht wieder zu sehr auf die Folter spannen, daher geht es nun gleich weiter mit dem nächsten Kapitel.

    Aber zuerst nochmal der kleine Hinweis: Ab heute Abend geht es auf "Das Vierte" wieder los mit der ersten Staffel der Serie. Man muss sie nicht gesehen haben, um meine Geschichte zu geniessen, aber es hilft doch beim Verständnis derselben. Schaut einfach mal rein, es lohnt sich.

    Und nun:






    Kapitel 20: Abschied


    Heimatbasis in Cairns


    Es fiel EJ unendlich schwer, die nächsten Tage zu überstehen. Sie zwang sich, während der Tauchgänge die Gedanken an den toten Kameraden auszublenden, aber sobald sie aus dem Wasser war, wurde sie richtiggehend davon überfallen. Sie sah ihn vor sich, wie er mit der Ausrüstung hantierte, hatte seine Stimme im Ohr, die ihr genau erklärte, worauf sie achten müsse. Ihrem Ausbilder fiel natürlich auf, dass sie oft abwesend wirkte, und er fragte sie nach dem Grund. Stress konnte während eines Tauchgangs zu Panikattacken führen, was sehr gefährlich war, nicht nur für EJ selbst. So erzählte sie ihm schließlich von ET und es stellte sich heraus, dass der Lehrgangsleiter ihn gekannt hatte.
    An diesem Abend traf sich der gesamte Kurs in der Bar, die auch von den Leuten der Hammersley bevorzugt wurde, und gedachte dem verunglückten Kameraden. Nicht nur dem Ausbilder war der junge Mann bekannt gewesen, auch auf anderen Schiffen hatte man von ihm gehört oder war bereits mit ihm gefahren oder getaucht. Es war keine sehr fröhliche Runde, die da zusammensaß. Fast jeder wusste jedoch eine Geschichte oder eine Episode, in der ET eine Rolle gespielt hatte, und gab sie zum Besten. Immer wieder stieß man miteinander an und am Ende fühlte sich EJ ein wenig besser. Die Kameradschaft der Taucher untereinander hatte ihr den Trost vermittelt, den ihr die Freunde, die so weit von ihr entfernt waren, im Moment nicht geben konnten.

    Buffer rief täglich an, aber er hielt die Gespräche ziemlich kurz. Er erzählte nicht viel von dem, was an Bord vor sich ging, und bis auf ein „vermiss Dich“ am Ende jeden Gesprächs sprach er auch nicht über seine Gefühle. EJ nahm an, dass er unter großem Stress stand, aber es verletzte sie dennoch, dass er sie ausschloss. Von Bomber erfuhr sie, dass die Toten einem anderen Schiff zur Überführung nach Cairns übergeben worden waren und die Hammersley wieder auf ihren ursprünglichen Kurs gegangen war. Auf dem Weg zum Zielpunkt hatte man die Besitzer des Tauchbootes, die auf einer auf dem Weg liegenden Insel Urlaub machten, über den Verlust des Bootes und seiner Crew informiert.

    Als das Schiff mit den toten Tauchern die Heimatbasis erreichte, bat EJ darum, sich von ihrem Kameraden verabschieden zu dürfen. Man führte sie zum medizinischen Institut, wo die Leichen zur Feststellung der genauen Todesursache obduziert werden sollten. Es fiel ihr sehr schwer, Josh noch einmal anzusehen, aber sie fand, dass sie ihm das schuldig war. Still und bleich lag er da und erst jetzt wurde ihr so richtig bewusst, dass er nie wieder lachend seine Scherze treiben oder ihr hilfreich zur Seite stehen würde. Sie blinzelte die Tränen weg, die ihr in die Augen stiegen, und verabschiedete sich stumm von ihm.

    ‘Lass es Dir gut gehen, dort auf der anderen Seite. Ich wünsche Dir immerwährende Tauchgänge ohne Luftmangel. Eines Tages werden wir uns wiedersehen. Du warst ein guter Freund und ich vermisse Dich. Danke, dass Du mir einen Weg gewiesen hast. Ich verspreche, ich werde Dir Ehre machen.’


    Es war ihr, als spüre sie seine kameradschaftliche Umarmung, und als sie sich schließlich abwandte, fühlte sie sich seltsam getröstet.


    ***


    EJ konzentrierte sich mit neuem Elan auf ihre Ausbildung. Die anderen Taucher waren ihr ein gutes Stück voraus, da sie schon längere Zeit diesen Sport betrieben hatten, aber ihr Ehrgeiz wog einiges auf. Was ihr an Erfahrung fehlte, machte sie durch Lerneifer wieder wett. Sie tauchte fast täglich und gewann immer mehr an Sicherheit. Dabei verhielt sie sich jedoch vorsichtig und aufmerksam und war besonders wegen ihres ausgeprägten Teamgeistes bei allen beliebt. Keiner ihrer neuen Kameraden ahnte, dass sie sich noch vor einem Jahr kaum aus ihrer Kabine herausgetraut hatte.

    Die Hammersley befand sich auf dem Rückweg. Das Datum der Trauerfeier für ET wurde festgesetzt, nachdem die Untersuchungsergebnisse bekannt gegeben worden waren. Offiziell handelte es sich um einen Tauchunfall. Man hatte erhöhte Kohlenmonoxidwerte im Blut der Taucher festgestellt und ging davon aus, dass mit der Luftzufuhr auf dem Schiff etwas nicht in Ordnung gewesen war. Die Pumpe, die die Taucher über einen Schlauch mit Atemluft versorgt hatte, musste wohl einen Defekt gehabt haben. Genau war das aber nicht mehr festzustellen, da das Schiff mitsamt dem Equipment gesunken war. Dies war zumindest die Aussage von Fischern, die die Hammersley mit Beute vom Tauchboot aufgegriffen hatte. Sie beteuerten, mit dem Tod der Taucher nichts zu tun gehabt zu haben. Im Zuge dieser Aufklärung hatte man auch einige Männer festgenommen. Sie hatten ausländische Fischer überfallen und getötet, aber jeweils einen der Crew am Leben gelassen, damit dieser davon berichten konnte. So wollte die Gruppe um einen radikalen „Umweltschützer“ die Fischer davon abhalten, in geschützten Gewässern zu fischen. Aber auch diese Leute stritten jede Beteiligung am Tod der Taucher ab.

    EJ wurde ein Tag Urlaub gewährt, um an der Trauerfeier für ihren Kameraden teilnehmen zu können. Die Begrüßung ihrer Freunde war sehr bewegend. Sie konnte nichts sagen, sondern umarmte nur einen nach dem anderen. In den Augen eines jeden sah sie unvergossene Tränen glitzern. Ihr selbst erging es nicht besser, und als das Schiff schließlich auf See war und alle angetreten waren, starrte sie blindlings geradeaus. ETs Eltern trugen die Urne mit seinen Überresten. Ein Geistlicher hielt eine kurze Andacht, dann folgte eine Ansprache des CO. Bomber, die neben EJ stand, schniefte einmal kurz auf, und als Mikes Stimme fast brach, griff EJ unwillkürlich nach Rebeccas Hand, schloss die Augen und kniff die Lippen fest zusammen, um nicht aufzuschluchzen. Nachdem ETs Asche dem Meer und ein großer Kranz den Wellen übergeben worden waren, endete die Zeremonie mit einem Zapfenstreich, den Swain zu Ehren des Verstorbenen blies. EJ blickte unwillkürlich hinauf zum Oberdeck, da sie plötzlich den Eindruck hatte, Josh stünde dort oben und beobachte sie alle mit einem Lächeln. Natürlich war da niemand, aber das tröstliche Gefühl blieb.

    „Es hätte ihm gefallen“, sagte sie später zu Bomber, als die Zeremonie vorüber war.

    „Ja, das glaube ich auch“, erwiderte die Köchin wehmütig.

    Während der Rückfahrt zum Hafen unterhielt sich EJ mit ihren Kameraden. Es war fast wie bei der Trauerfeier der Taucher, man sprach beinahe ausschließlich über den Verstorbenen. EJ beobachtete, dass Mike sich mit ETs Eltern unterhielt, während Kate sich um Nav kümmerte. Buffers Blick wanderte immer wieder besorgt in diese Richtung, was EJ mit einem seltsamen Gefühl erfüllte. Schließlich identifizierte sie es als pure Eifersucht und war selbst ziemlich erschrocken darüber. In einer solchen Situation sollte sie nun wirklich nicht so reagieren, aber sie konnte nicht verhindern, dass es schmerzte.

    „Sag mal, wusstest Du eigentlich, dass Nav und ET heiraten wollten?“, fragte Bomber sie.

    „Was? Ich ... nein, wusste ich nicht“, erwiderte sie verblüfft. „Wie wollten sie denn ...“

    „ET wollte diesen Sommer bei der Navy aufhören. Deshalb machte er auch diesen Nebenjob, verstehst Du? Er hat ihr den Antrag gemacht, bevor er ...“

    „Und woher weißt Du das alles?“, fragte EJ misstrauisch.

    „Die Köchin erfährt vieles ...“, erklärte Rebecca geheimnisvoll.

    „Na, in dem Fall scheint das Gerücht ja wohl zu stimmen.“

    „Ja, das tut es wohl. Die arme Nikki.“ Bomber seufzte schwer auf. „Zum Glück ist sie nicht allein ...“

    EJ nickte und sie sahen beide hinüber, wo die Navigatorin nun mit ihrer Beinahe-Schwiegermutter sprach. Mrs. Holiday schien zu versuchen, der jungen Frau Trost zu geben. Am Ende sah es allerdings so aus, als wäre genau das Gegenteil der Fall. EJ drehte sich um und suchte mit den Augen Buffer. Er stand allein an der Reling und blickte in ihre Richtung, sie konnte aber nicht ausmachen, ob er sie tatsächlich ansah. Es gab ihr einen kleinen Stich, wie verloren er wirkte, doch sie zögerte, zu ihm zu gehen. Etwas hatte sich verändert. Waren es ihre eigenen Gefühle? Sie sah wieder hinüber zu Nikki und registrierte nun, wie schmal und blass diese wirkte. Dunkle Ringe lagen unter ihren Augen, die ernst und traurig in die Welt blickten. Man sah ihr an, dass mit ET auch etwas in ihr gestorben war.

    Was wäre, wenn Buffer etwas zustoßen würde? Könnte sie das durchstehen, so wie Nikki es musste? Wäre sie imstande, solches Leid zu ertragen? Konnte sie das riskieren? Oder wäre es nicht besser, diese Beziehung abzubrechen, bevor sie zu weit gedieh? Schmerzte es nicht schon genug, dass er sich von ihr abzuwenden schien? Es wäre mit Sicherheit besser, für ihr Seelenheil, für Nikki, die ihn jetzt brauchte, und vielleicht auch besser für ihn, wenn sie ihn nun gehen ließ.

    Trotz aller Vernunft trübten diese Überlegungen jedoch ihre Stimmung. Es fiel allerdings kaum auf, da jeder es auf die Trauerfeier und das Gedenken an den toten Kameraden schob. Was EJ allerdings nicht bemerkte, waren die sehnsuchtsvollen Blicke, die Buffer auf ihr ruhen ließ. Ihm gefiel es nicht, dass er sich zurückhalten musste, aber an Bord durfte er sich nicht anmerken lassen, wieviel sie ihm bedeutete. Er ahnte nicht, dass sie bereits dabei war, sich von ihm zurückzuziehen.


    ***


    Die Hammersley lief noch am selben Abend wieder aus und EJ verabschiedete sich erneut von ihren Freunden. Den Ersatzmann für ET bekam sie nicht mehr zu Gesicht, da er erst im letzten Moment auftauchte. Bomber schilderte ihr jedoch in der nächsten Mail, was für ein Typ das war.

    „Er ist so ... so anders, verstehst Du?“, schrieb sie. „Er ist noch jünger, als ET es war, dabei respektlos, hat ständig nur dummes Zeug im Kopf und macht sich nicht gerade beliebt. Na, Du wirst ihn ja erleben, wenn Du wieder hier bist.“

    EJ schmunzelte, als sie das las. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, einen Elektronikspezialisten zu bekommen, der sich so sehr von ET unterschied. Möglicherweise machte es das einfacher für die Crew.

    Die Tauchgänge wurde nun immer anspruchsvoller, außerdem standen die Prüfungen zur Theorie an. EJ nahm es nun mit den Sicherheitsvorkehrungen besonders genau. Sie ging sogar so weit, nur noch die gleichen, von ihr persönlich geprüften Sauerstoffflaschen zu benutzen. Anfangs waren ihre Kameraden ein wenig verwundert, aber sie verstanden, dass ihr der Tauchunfall ETs noch in den Knochen steckte, und respektierten diesen kleinen Tick.

    EJ bestand die theoretischen Prüfungen mit Bravour. Sie hatte Tage zuvor nur noch gebüffelt und war bestens vorbereitet. Am leichtesten fielen ihr die tauchmedizinischen Fragen, aber auch in Tauchphysik, Tauchtheorie der Tauchpraxis und bei den Fragen über die Ausrüstung schnitt sie sehr gut ab. Wenige Tage später sollten die praktischen Tests losgehen.

    Bombers Mails munterten EJ sehr auf, besonders, als sie erzählte, dass „der Neue“ es geschafft hatte, einen Affen an Bord zu schmuggeln, der den Crewmitgliedern alles Mögliche gestohlen hatte, bis die Sache aufgeflogen war. Dass er dabei noch eine Entermannschaft in große Gefahr gebracht hatte, war ihm von den Vorgesetzten schwer angekreidet worden. Dieser „2Dads“ schien wirklich alles dafür zu tun, um sich unbeliebt zu machen.

    Buffer rief nach wie vor täglich an, aber nun hielt sie selbst die Gespräche kurz und beschränkte sich auf die nötigsten Informationen. Es gab Abende, an denen sie seinen Anruf nicht einmal entgegen nahm. Trotzdem meldete er sich am darauffolgenden Abend wieder und erwähnte dann mit keiner Silbe den missglückten Versuch des Vorabends.

    Der Tag der letzten praktischen Prüfung war gekommen. EJ kontrollierte noch einmal, ob ihre Sauerstoffflaschen ausreichend befüllt waren, bevor sie die beiden Tanks mit an Bord des Bootes nahm, das sie zum Prüfungsort bringen würde. Die Aufgabe schien einfach: Sie sollte zusammen mit ihrem Prüfer zu einem Wrack in etwa 40 Meter Tiefe tauchen, dort eine kleine Kiste holen und wieder nach oben kommen. So simpel sich das anhörte, so knifflig war die Aufgabe aber. Zunächst erkundigte EJ sich über die Bedingungen am Tauchort. Sie stellte fest, dass dort mit einer raschen Strömung zu rechnen war, die bei der Risikoanalyse zu berücksichtigen war. Bei dieser Tiefe musste sie außerdem mit Tiefenrausch rechnen und ihren Tauchpartner genauestens im Auge behalten. Ein weiteres Risiko war das unbekannte Wrack, das möglicherweise Kanten hatte, an denen man hängen bleiben konnte.

    Sie berechnete das Tauchprofil und besprach es mit ihrem Partner. Für den gesamten Tauchgang hatte sie knappe 20 Minuten zur Verfügung, was bedeutete, dass sie sich knapp 10 Minuten am Wrack selbst aufhalten und das Kistchen suchen konnte, eher etwas weniger, um noch eine Sicherheitsreserve zu haben. Beim Anlegen der Ausrüstung prüfte sie nicht nur ihre eigene genauestens, sondern hatte auch die ihres Partners im Blick. So entdeckte sie sofort, dass bei seinem Anzug eine Steckverbindung nicht richtig saß, und korrigierte das. Ein anerkennendes Nicken sagte ihr, dass dies bereits ein Prüfungspunkt gewesen war. Eine letzte Absprache der Handzeichen, dann ging es ins Wasser. Sie tauchten schnell nach unten, wobei sie ein wenig gegen die Strömung ankämpfen mussten. Das Wrack, ein Fischerboot, lag auf der Seite und war relativ leicht zugänglich. EJ schwamm zur offenen Ladeluke und leuchtete den Laderaum aus. Sie entdeckte auch tatsächlich das Kästchen, gab ihrem Partner ein Zeichen und tauchte hinein. Als sie die Beute aufgenommen hatte und sich wieder zur Luke drehte, bemerkte sie zum ersten Mal, dass etwas nicht stimmte. Ihr Kopf begann zu schmerzen und ihr wurde schwindlig und übel. Leicht orientierungslos hielt sie inne. Sie nahm einen tiefen Atemzug und versuchte, sich zu beruhigen. Mit kontrolliert langsamen Schwimmzügen verließ sie den Laderaum und sah sich nach ihrem Tauchpartner um. Ihr Herz raste und ihre Atemzüge wurden schneller und flacher. Endlich entdeckte sie seinen Umriss und gab ihm ein Zeichen, dass sie auftauchen müsse. Sie drehte sich noch einmal um und sah zurück, als sie plötzlich glaubte, im Frachtraum einen Körper treiben zu sehen. Entsetzt starrte sie die Erscheinung an, dann deutete sie darauf und wollte zurückschwimmen. Eine Hand an ihrem Arm hielt sie auf. Sie schreckte hoch und blickte ihren Partner an, aber plötzlich sah sie ETs Gesicht vor sich und geriet in Panik. Hastig wollte sie sich losreißen, aber der andere hielt sie unerbittlich fest. In ihren Ohren dröhnte es und ihre Atemzüge wurden immer hektischer. Mit einem Mal vernahm sie eine Stimme, die ihr beruhigend zuraunte.

    ‘Bleib ganz ruhig, hörst Du? Kein Grund zur Panik. Zeig Deinem Kollegen, dass Du Atemprobleme hast und dann tauch langsam auf.’

    Für einen Moment schloss sie die Augen und als sie sie wieder öffnete, sah sie ihren Tauchpartner, der sie besorgt ansah. Sie bedeutete ihm, dass mit ihrer Luftzufuhr etwas nicht stimmte, und gab dann das Zeichen zum Auftauchen. Langsam, fast zu langsam, stiegen sie auf. Ihr Kamerad hielt sie weiterhin am Arm fest und merkte daher, dass EJs Bewegungen immer träger wurden. Kurz entschlossen nahm er ihr das Mundstück heraus und hielt ihr sein eigenes vor. EJ nahm einen tiefen Atemzug und lauschte dabei der Stimme, die ihr sagte, was sie zu tun hatte. Sie erkannte, dass sie kurz davor war, das Bewusstsein zu verlieren und drängte nun auf einen schnellen Aufstieg. Ihr war das Risiko der Taucherkrankheit bewusst, aber sie hatte das Gefühl, zu ersticken. Zudem wusste sie, dass es im Militärhospital in Cairns eine Druckkammer gab, in der sie behandelt werden konnte. Als ihr Tauchpartner mit ihr auf der vorgeschriebenen Höhe pausieren wollte, schüttelte sie den Kopf, machte sich los und stieg weiter auf. Sobald sie die Oberfläche durchbrach, gab sie mit letzter Kraft das Notfallzeichen und versuchte, sich über Wasser zu halten. Noch immer hatte sie ETs Stimme im Ohr, die ihr versicherte, ihre Zeit sei noch nicht gekommen und sie habe noch eine Aufgabe zu erfüllen. Er erklärte ihr auch, dass mit ihr im Grunde genau dasselbe geschah, was für ihn und seine Kameraden tödlich geendet hatte. So konnte EJ, als sie ins herbeigeeilte Boot gezogen wurde, gerade noch „Kohlenmonoxid“ hauchen, bevor sie das Bewusstsein verlor. Sie sah nicht die besorgten Blicke des Ausbilders und ihrer Kameraden, spürte nicht, wie ihr die Atemmaske aus dem Notfallkoffer aufgesetzt und reiner Sauerstoff zugeführt wurde, und nahm auch die Ungeduld nicht wahr, mit der auf den Prüfer gewartet wurde, der die vorgeschriebenen Auftauchpausen machen musste. Sie merkte auch nicht mehr, wie einer ihrer Kameraden das Kästchen aus ihren verkrampften Fingern löste und mit einem vielsagenden Blick dem Ausbilder übergab.


    ***


    HMAS Hammersley, 20:45 Uhr, Nachtwache, Arafura-See


    In der Offiziersmesse hatten sich einige Crewmitglieder der Freiwache zusammengesetzt, um einen arbeitsreichen Tag ausklingen zu lassen. Bomber hatte für Kaffee gesorgt und war dann in ihrer Kabine verschwunden, um „soziale Kontakte zu pflegen“, wie sie es nannte, wenn sie EJ eine Mail schrieb. Swain, Charge und Buffer spielten Karten. Sie hatten den Neuen jedoch fortgeschickt, als er sich ihnen anschließen wollte. Er war ihnen zu geschickt und versuchte jedes Mal, um irgendeinen Einsatz zu spielen. Bei ihm war es Buffer ganz recht, wenn er den Bootsmann herauskehren und ihm unter die Nase reiben konnte, dass Glücksspiel auf dem Schiff verboten war. Dass sie untereinander doch manchmal um kleinere Einsätze spielten, brauchte 2Dads ja nicht zu wissen.

    Kate und Nikki saßen am anderen Ende der Bank und unterhielten sich leise, als Mike in der Tür auftauchte und seine Offiziere ansah.

    „Gibt es etwas?“, fragte Swain und musterte besorgt den ernsten Ausdruck auf dem Gesicht des CO.

    Flynn seufzte schwer auf und betrat dann vollends den Raum.

    „Sie wissen, dass heute EJs Prüfung stattfand?“, fragte er.

    Alle nickten.

    „Ja, das hat sie uns geschrieben. Eigentlich hat sie es Bomber geschrieben, aber die hat es uns gesagt“, bestätigte Charge. „Was ist? Hat sie’s nicht geschafft?“

    Mike sah schweigend in die Runde. Man sah ihm an, dass er mit sich kämpfte. Schließlich seufzte er erneut.

    „Es ... es gab einen Unfall. EJ ...“

    „Oh mein Gott“, murmelte Swain in die schockierte Stille. „Was ... ist sie ...“

    „Sie liegt im Militärhospital in Cairns. NAVCOM hat mich gerade darüber informiert. Man konnte mir noch nicht sagen, was genau passiert ist und wie es ihr geht. Nur so viel: Sie lebt.“

    Ein erleichtertes Aufseufzen ging durch den Raum. EJ war den meisten inzwischen ans Herz gewachsen und so kurz nach ETs Tod hätte wohl niemand einen weiteren Verlust ertragen.

    „Ich werde Sie auf dem Laufenden halten, sobald ich etwas Neues erfahre“, versprach Mike. Er sah besorgt zu seinem Bootsmann, der wie betäubt dasaß. „Kann ich Sie einen Moment sprechen, Buffer?“

    Es dauerte einen Augenblick, bis der Angesprochene realisierte, dass er gemeint war.

    „Ja, natürlich, Sir“, sagte er und erhob sich hölzern. Er folgte seinem Vorgesetzten aufs Vorderdeck.

    „Tut mir leid, dass ich Ihnen diese schlechte Nachricht so überbringen musste“, wandte sich Mike an Pete. „Wie fühlen Sie sich? Kann ich Ihnen helfen?“

    Buffer schüttelte den Kopf und starrte hinaus aufs Meer. Nach einer Weile begann er, zu reden.

    „Sie ist heute Abend nicht ans Telefon gegangen. Ich dachte mir nichts dabei, weil sie das in letzter Zeit ein paar Mal gemacht hat. Ich weiß nicht, warum sie das tut. Es ist fast so, als würde sie sich mir entziehen ...“

    Mike schwieg dazu und sah ihn nur mit aufforderndem Blick an. Er hatte das nicht gewusst und wollte mehr darüber erfahren.

    „Sie ... seit ETs Unfall ... sie hat sich verändert. Sie zieht sich zurück. Es ist nicht so wie früher, das nicht. Aber ... ich weiß nicht. Ich mache mir Sorgen. Und nun das ...“

    Mike sah die Verzweiflung in den Augen seines Bootsmanns, als dieser sich nun zu ihm drehte.

    „Ich hab versprochen, auf sie aufzupassen.“

    „Sie hätten es nicht verhindern können, selbst, wenn Sie dort gewesen wären. Tauchunfälle passieren, das haben wir alle erfahren müssen.“

    Buffer nickte mit düsterer Miene.

    „Sind Sie sicher, dass unser Maskottchen noch an seinem Platz ist? Zwei Unfälle in so kurzer Zeit ...“

    „Ich versichere Ihnen, dass Thor nach wie vor über unser Schiff wacht, Buffer“, beruhigte Mike ihn mit einem wehmütigen Grinsen. „Der Aberglaube hat nichts damit zu tun.“

    „Wenn Sie es sagen ...“, meinte der Bootsmann.



    tbc.
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  17. Danke sagten:


  18. #30
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    Okay, es ist Sonntag und damit Zeit für das nächste Kapitel. Zuvor aber wieder vielen Dank an Evaine und Galaxy für ihr "Danke" und an all die anonymen Mitleser, die eine Scheu davor haben, zuzugeben, dass sie die Story interessant finden und sie ihnen gefällt ...

    Nun aber weiter mit






    Kapitel 21: Ungewissheit


    HMAS Hammersley, 10:50 Uhr Vormittagswache, Arafura-See


    „Sir, ein Anruf von NAVCOM“, meldete RO in die angespannte Stille der Brücke, auf der nur das Summen der Geräte zu hören war. Heute war keinem der Seeleute nach belanglosem Geplänkel zumute.

    „Stellen Sie auf Lautsprecher, RO“, nickte Mike. Er wusste, dass alle auf eine Nachricht über EJ warteten.

    „Mike, hier Marshall. Das Militärhospital hat mich eben informiert, dass Seaman Kingston außer Lebensgefahr ist. Man musste sie in der Druckkammer behandeln, weil sie zu schnell aufgetaucht war.“

    Der Stimme des Commanders war anzuhören, dass das nicht alles war, aber er zögerte, weiterzusprechen.

    „Wie geht es ihr, Commander?“, hakte der CO daher nach.

    „Anscheinend den Umständen entsprechend gut“, antwortete Marschall ausweichend. „Es ist nur ... nun ja, sie liegt in einem Koma.“

    „Im Koma?“, fragte Mike ungläubig. Ein Blick in die Mienen seiner Crew zeigte ihm die Besorgnis, die alle erfasst hatte. „Was für eine Art Tauchunfall war das überhaupt, Sir?“

    „Sie hatte eine Kohlenmonoxidvergiftung, dazu einen leichten Tiefenrausch und dann noch die Taucherkrankheit“, erklärte der Commander. „Die Vergiftung konnte gerade noch rechtzeitig bekämpft werden, aber alles zusammen hat sie schwer mitgenommen.“

    Vom Platz der Navigatorin war ein entsetztes Aufkeuchen zu hören. Swain murmelte schockiert „Oh nein, bitte nicht das!“ vor sich hin und Charge schlug die Hände vors Gesicht. Selbst Robert blickte betroffen mit starrem Blick auf seine Funkstation. Buffers Gesicht war eine steinerne Maske. Nikki sah ihn an und legte mitfühlend eine Hand auf seinen Arm, doch er ließ durch nichts erkennen, dass er dies überhaupt bemerkte.

    „Aber wie konnte sie denn eine Kohlenmonoxidvergiftung bekommen?“, erkundigte sich Flynn bestürzt. „Ich denke, die Sauerstoffflaschen werden vor jedem Tauchgang geprüft?“

    „Sie wurden am Abend vorher befüllt und dann in einer Halle bis zum nächsten Morgen aufbewahrt. Es ist völlig unklar, wie Seaman Kingston an Flaschen mit verunreinigter Luft gekommen ist.“

    „Ich hoffe, die Sache wird untersucht, Sir.“

    „Selbstverständlich, Mike. Es hätte jeden treffen können. So etwas darf einfach nicht passieren.“

    „Nein, das sollte es nicht, Sir. Wollen wir hoffen, dass sie bald wieder aufwacht. Sie halten uns doch auf dem Laufenden, nicht wahr?“

    „Aber sicher, Mike. Es ist immer schwer, wenn einem Mitglied der eigenen Mannschaft so etwas zustößt.“

    Jeder auf der Brücke wusste, was der Commander dachte, aber nicht aussprach: „Und dann gleich zwei Unfälle so kurz nacheinander ...“

    „Vielen Dank Sir.“

    Damit gab Mike seinem Radio Officer das Zeichen, die Verbindung zu kappen. Mit einem Seufzen drehte er sich dann zu seinen Leuten.

    „Sie haben es alle gehört, EJ ist außer Lebensgefahr. Ich bin sicher, sie wird bald wieder gesund werden.“

    Sein Tonfall klang beruhigend, aber die gerunzelte Stirn drückte seine Besorgnis aus. Er hatte sehr wohl bemerkt, dass sein Bootsmann keinen Ton gesagt hatte. Mike ahnte, dass hinter dessen versteinerter Miene die Gefühle tobten, aber Buffer ließ sich nichts anmerken. Er schien auch die mitfühlenden Blicke seiner Kameraden nicht zu wahrzunehmen.


    ***


    In den folgenden Tagen hob sich die gedrückte Stimmung zwar ein wenig, aber je mehr Zeit verstrich, ohne dass es etwas Neues über EJ zu vermelden gab, umso beunruhigter wurden die Crewmitglieder. Swain machte sich keine Illusionen darüber, wie gefährlich dieser Tauchunfall gewesen war. Er hatte von Fällen mit Kohlenmonoxid-Vergiftung gehört, bei denen die Opfer bleibende Nervenschäden erlitten hatten. EJs zu schnelles Auftauchen konnte das Ganze noch verschlimmert haben. Allerdings war sie ja sofort behandelt worden und das steigerte ihre Chancen auf eine völlige Genesung.
    Bomber fuhr damit fort, Mails an ihre Freundin zu schreiben. Als Spider sie darauf hinwies, dass das ziemlich sinnlos sei, da EJ doch im Koma liege und ihre Post nicht lesen könne, fuhr sie ihn wütend an, dass sie ja irgendwann wieder aufwachen würde und sich dann über alles, was in ihrer Abwesenheit geschah, informieren könne. Was sie ihm nicht verriet, war die Tatsache, dass sie selbst auf diese Weise besser mit EJs Unfall fertig wurde.
    Nav war auf übelste Weise wieder mit ETs Tod konfrontiert worden. Sie zog sich ein wenig von den anderen zurück und kümmerte sich liebevoll um den Clownfisch, der, zusammen mit dem Verlobungsring, ETs letztes Geschenk an sie gewesen war. Es gelang ihr, wie bereits zuvor, die Ereignisse zu verdrängen, und nach ein paar Tagen konnte sie wieder so tun, als sei nichts geschehen.
    Buffer verschloss alle Gefühle in sich. Er konzentrierte sich völlig auf die Arbeit und legte dabei großen Wert auf den Drill der Mannschaft, bis diese nahe daran war, zu meutern. Schließlich musste Mike eingreifen und ihm klarmachen, dass es wohl auf keinem der Patrouillenboote eine Besatzung gab, die besser in Form war.
    Eine Woche ging ins Land und die Crewmitglieder gaben es auf, zu fragen. Es genügte ein Blick und das bedauernde Kopfschütteln ihres CO, um ihnen klarzumachen, dass es noch immer keine Neuigkeiten gab. Der Neue, Leo Kosov-Meyer, genannt „2Dads“, wurde allmählich neugierig. Eines Mittags brachte er die Sprache auf EJ.

    „Sagt mal, dieser EJ, was ist das eigentlich für einer?“, fragte er in die Runde.

    RO, Spider und Bomber wechselten verblüffte Blicke, aber bevor Robert den Mund öffnen konnte, blinzelte Bomber ihm verschwörerisch zu.

    „Wie meinst Du das, 2Dads?“, fragte sie scheinheilig.

    „Na ja, das muss ja ein wahrer Wunderknabe sein. Von allen Ecken und Enden höre ich, wie sehr er auf dem Schiff vermisst wird.“

    „EJ fehlt uns wirklich“, erwiderte Spider und grinste Rebecca dabei an. RO nickte ernsthaft.

    „Aber was ist denn so Besonderes an dem Typen? Es scheint ja fast so, als könne er alles. Ich kann’s schon bald nicht mehr hören, EJ hier und EJ da ... Und jetzt hat er auch noch eine Tauchausbildung gemacht, was?“

    „Ja, zum Bergungstaucher. Dabei ist dann der Unfall passiert. Das macht uns alle ziemlich fertig, verstehst Du?“, erklärte Bomber.

    Leo blickte in die ernst gewordenen Mienen seiner neuen Kameraden.

    „Ja, verstehe. Ist echt beschissen, so was. Aber trotzdem, so großartig kann er ja dann doch nicht sein, sonst wär ihm das wohl kaum ...“

    Weiter kam er nicht, da seine Kameraden sich erhoben und drohend vor ihm aufbauten.

    „Sag so was nie wieder, hörst Du?“, fauchte Rebecca ihn an. „Dein Vorgänger hier an Bord war ein sehr erfahrener und dabei vorsichtiger Taucher, aber auch ihm ist das passiert. EJ kann überhaupt nichts für den Unfall, klar?“

    2Dads wurde ein wenig blass und schluckte. Dann grinste er jedoch frech.

    „Ihr zwei steht Euch wohl ziemlich nahe, was?“

    „Oh ja, Kosov-Meyer, das tun wir. Wir sind sogar sehr eng miteinander befreundet“, erklärte Bomber herausfordernd mit stolz erhobenem Kopf.

    „Und davon einmal abgesehen geht Dich das alles nicht das Geringste an“, setzte RO noch nach, als 2Dads Rebecca mit großen Augen ansah.

    Dieser schluckte wieder, blickte die Drei noch einmal zweifelnd an und verließ dann fluchtartig den Mannschaftsraum.

    Grinsend sahen sie ihm nach.

    „Sehr interessant“, kommentierte RO.

    „Ich glaube, das müssen wir den anderen sagen“, meinte Rebecca grinsend. „Nicht, dass sich noch jemand verquatscht und er bekommt heraus, wer EJ wirklich ist.“

    „Gute Idee, ihn im Ungewissen zu lassen. Ich freu mich schon jetzt auf sein blödes Gesicht, wenn er’s merkt.“

    Spider mochte den Neuen zwar, aber selbst ihm gingen dessen Eskapaden mit der Zeit auf den Wecker. Er fand es nur gerecht, dass nun einmal Leo hereingelegt werden sollte.

    Bomber machte sich auf zur Offiziersmesse, wo die höheren Dienstgrade nach dem Essen noch beieinandersaßen. Unter dem Vorwand, abräumen zu wollen, betrat sie den Raum und vergewisserte sich, dass 2Dads nicht in der Nähe war. Dann wandte sie sich an ihre Kameraden.

    „Hört mal, der Neue denkt, dass EJ ein Mann ist. Wir wollen ihn gern in dem Glauben lassen ...“

    Swain und Charge begannen zu grinsen und auch Buffer, Nav und die X fingen an zu schmunzeln.

    „Also, bitte passt auf, was ihr sagt, wenn er in der Nähe ist, okay?“

    Bombers Tonfall hatte etwas Verschwörerisches und alle Anwesenden nickten.

    „Na, das wird ein Spaß“, meinte Andy.

    „Er hat schon so viel Ärger gemacht und uns reingelegt, da wird es Zeit, dass er selbst mal verkohlt wird“, bestätigte Swain.

    „Und dabei ist er noch keine zwei Monate auf dem Schiff“, ergänzte Nav.

    „Hoffen wir mal, dass wir dieses Spiel nicht allzu lange durchhalten müssen“, schloss Kate mit einem Seitenblick auf Buffer, der das Ganze aber gelassen hinzunehmen schien. Wieder einmal versteckte er seine Gedanken und Gefühle hinter einer undurchdringlichen Maske.


    ***


    HMAS Hammersley, 10:25 Uhr Vormittagswache, Heimathafen


    Die Hammersley kam früher als erwartet in den Heimathafen zurück. Bei der Durchsuchung eines chinesischen Bootes hatte man ein Dutzend junger Frauen gefunden, die offensichtlich nach Australien gebracht werden sollten. Sie baten offiziell um Asyl, hatten aber keine Ausweispapiere dabei und der ganze Fall schien reichlich dubios. Das Boot wurde abgewiesen und auf Heimatkurs geschickt, aber an Bord befand sich auch eine junge Frau, die in den Wehen lag und stark blutete. Swain ließ sie auf die Hammersley bringen, aber er konnte ihr nicht mehr helfen. Sie starb, bevor das Baby geboren war. In einer abenteuerlichen Aktion schnitt er unter Anleitung des Stabsarztes, mit dem er über Funktelefon verbunden war, das Baby aus der toten Mutter. Die Wiederbelebungsversuche an dem kleinen Jungen waren von Erfolg gekrönt, und die Hammersley brachte den Kleinen nach Cairns und übergab ihn, ebenso wie den Leichnam seiner Mutter, den Behörden.

    Nachdem Mike den Papierkram erledigt und sich bei NAVCOM gemeldet hatte, um persönlich Bericht zu erstatten und seine Zweifel bezüglich des Bootes mit den jungen Frauen anzubringen, machte er sich auf zum Krankenhaus. Er wollte sich selbst von EJs Zustand überzeugen und mit dem behandelnden Arzt sprechen. Vielleicht konnte er ein wenig mehr aus ihm herauskitzeln, als dies Commander Marschall gelungen war.

    Wie er es nicht anders erwartet hatte, traf er Buffer an EJs Bett an.

    „Wie geht es ihr?“, fragte er.

    „Keine Veränderung, Sir“, erwiderte der Bootsmann bedrückt.

    „Ihr Arzt meint, man könne noch nichts sagen“, erklärte Mike. „Ein Koma wäre nach einem so traumatischen Erlebnis völlig normal. Sorgen müsste man sich erst machen, wenn sie länger als vier Wochen nicht aufwacht.“

    „Soll ich ganz ehrlich sein, Sir? Das hilft mir jetzt auch nicht weiter.“

    Buffer sah seinen Vorgesetzten mit ausdrucksloser Miene an, aber seiner Stimme konnte Mike entnehmen, wie sehr die ganze Sache ihn mitnahm.

    „Ja, ich weiß. Ich finde diese Auskunft auch nicht gerade erhebend, aber mehr wollte er mir nicht sagen.“

    Sorgenvoll betrachteten die beiden Männer die schmale Gestalt, die still in dem Bett lag und an Überwachungsmaschinen angeschlossen war. Die Geräte piepsten zwar beruhigend regelmäßig, aber EJ rührte sich nicht. Schließlich räusperte sich Mike.

    „Buffer, wir müssen zurück aufs Schiff. Wir haben Befehl, heute noch auszulaufen.“

    Der Angesprochene nickte, beugte sich dann über die junge Frau und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn.

    „Ruh Dich aus, aber wach bitte bald wieder auf. Wir brauchen Dich“, sagte er leise.

    „Wo immer Du jetzt bist, EJ: Komm zurück“, ergänzte Mike.


    ***


    HMAS Hammersley, 09:35 Uhr, erste Nachtwache, Arafura-See


    Die Mannschaft machte sich einen Spaß daraus, EJ zu erwähnen, wann immer 2Dads in der Nähe war, ohne auf deren Geschlecht einzugehen. Selbst der CO machte mit und verriet sich in keiner Weise. Gespräche von NAVCOM nahm er nur noch persönlich entgegen, damit bei eventuellen Neuigkeiten über EJ nicht versehentlich verraten wurde, dass es sich hier um eine Frau handelte. Er gönnte seiner Crew diesen Spaß und war wie sie der Meinung, dass es dem jungen Mann nicht schaden würde, einmal selbst das Opfer eines Scherzes zu werden.

    Die Hammersley hatte den Auftrag erhalten, nach dem chinesischen Boot zu suchen und es genauer zu überprüfen. NAVCOM nahm den Vorfall nicht auf die leichte Schulter und stimmte Lieutenant Commander Flynn in dessen Einschätzung zu. Auch die Küstenwache beteiligte sich an der Suche, aber das Boot schien verschwunden. Als es schließlich doch noch aufgegriffen wurde, waren keine Frauen mehr an Bord.
    Flynn folgte einigen vagen Hinweisen, die man dem Handy der Toten entnommen hatte, die zu einem illegalen Mädchenhändler- und Prostitutionsring führten. Am Ende konnte man die Verantwortlichen festnehmen und die Frauen befreien, darunter auch die Schwester der verstorbenen Chinesin. Nun war die Hammersley nach einem nervenaufreibenden Einsatz auf dem Weg zurück zur Basis, wo die Crew drei Tage Landurlaub genießen sollte.

    „Wie sieht es aus, Buffer?“, fragte Flynn, als er noch einmal die Brücke betrat, wo der Bootsmann zusammen mit Swain Nachtwache schob.

    „Alles ruhig, Sir, keine besonderen Vorkommnisse.“

    „Sollte Nav nicht mit Ihnen zusammen ...?“

    „Ich hab sie in die Koje geschickt, Sir“, erklärte Buffer ihm.

    „Medizinische Indikation“, ergänzte Swain. „Sie schläft in letzter Zeit zu wenig.“

    „Das wundert mich nicht“, erwiderte Mike. „Das geht vielen von uns so. Für sie ist es allerdings besonders schwer ...“

    „Dieser zweite Tauchunfall ... das hat sie wirklich fertiggemacht“, nickte der Sanitätsoffizier. „Wenn wir schon davon sprechen, Sir: Gibt es Neuigkeiten?“

    „Nein, leider nicht, alles unverändert“, seufzte der CO. „Ich wünschte, ich könnte etwas anderes berichten. EJ liegt nach wie vor im Koma.“

    Schweigen senkte sich auf die drei Männer, in dem jeder seinen Gedanken nachhing.

    „Sir“, unterbrach Buffer schließlich zögernd die Stille. „Was ist, wenn ...“

    „Daran dürfen Sie nicht einmal denken, Buffer“, unterbrach ihn Mike energisch. „EJ wird wieder aufwachen, ganz sicher. Wir müssen nur ein wenig mehr Geduld haben.“

    Der Bootsmann atmete einmal tief durch, als ob er damit seine trüben Gedanken vertreiben könnte.

    „Sie haben recht, Sir“, meinte er dann. „Wir müssen eben fest genug daran glauben.“

    „Die Kraft der positiven Gedanken“, ergänzte Swain leise.

    „Genau, der Glaube versetzt Berge“, prophezeite Mike.

    „Aber ob er auch EJ aus dem Koma erwecken kann?“, zweifelte Pete.



    tbc.
    Geändert von Zeson (03.07.2013 um 15:43 Uhr)
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    Vielen Dank an alle "heimlichen" Leser, die die Story mit Interesse verfolgen. Nur schade, dass Ihr mich nicht an Euren Gedanken darüber teilhaben lasst. Es wäre echt interessant, zu erfahren, was Ihr von der Geschichte haltet ... *seufz*
    Mein besonderer Dank geht an Evaine und Galaxy für Euer "Danke".

    Und es geht weiter mit






    Kapitel 22: Missverständnisse


    HMAS Hammersley, 14:10 Uhr Nachmittagswache, Heimathafen Cairns


    Die Formalitäten waren erledigt und die Mannschaft der Hammersley bereitete sich auf drei Tage verdienten Landurlaub vor. Allerdings war die Stimmung nicht so ausgelassen und fröhlich wie sonst bei der Aussicht auf Urlaub. Es bedrückte alle, dass es noch keine positiven Nachrichten von EJ gab.

    Pete und Mike waren unter den Letzten, die das Schiff verließen. Gemeinsam gingen sie in Richtung Parkplatz. Flynn warf seinen Bootsmann einen Seitenblick zu und bemerkte dessen entschlossene Miene.

    „Kommen Sie, Buffer, Sie können auch mit mir fahren. Ich nehme doch an, dass wir das gleiche Ziel haben?“

    „Falls Sie das Krankenhaus meinen?“, nickte dieser und nahm das Angebot an.

    Während der Fahrt sprachen sie nicht viel. Im Hospital trennten sie sich. Mike wollte zuerst den Arzt aufsuchen, um Näheres zu erfahren, während sich Buffer direkt zu EJs Zimmer begab. Als er den Raum betrat, wurde er angenehm überrascht. Die meisten Überwachungsgeräte waren entfernt worden. Langsam näherte er sich dem Bett. Ein freudiger Schreck durchzuckte ihn, als die junge Frau die Augen öffnete und ihn ansah.

    „EJ!“, rief er leise aus. „Gott sei Dank, Du bist wieder wach.“

    Sie blickte ihn unverwandt an, dann hauchte sie ein „Hallo!“

    „Hey, wie fühlst Du Dich?“, fragte Pete weich und nahm ihre Hand.

    „Schwach“, murmelte sie und verzog die Lippen fast unmerklich zu einem leichten Lächeln.

    „Ich ... EJ ... wir haben uns so große Sorgen um Dich gemacht. Es war ...“

    Seine Stimme brach und er schluckte schwer, um die Tränen zu unterdrücken, die ihm in die Augen steigen wollten. Er konnte seine Erleichterung kaum in Worte fassen.

    „Ja, ich weiß“, flüsterte sie und drückte schwach seine Hand. „So kurz nach ...“

    „Verdammt, wenn Du auch noch ...“

    „Bin ich aber nicht“, beruhigte sie ihn bereits schon ein wenig kräftiger.

    Er sah sie nur an, aber sein Blick sprach Bände.

    „EJ?“, fragte in diesem Moment Lieutenant Commander Flynn und kam aufgeregt ins Zimmer gehastet. Buffer nickte ihm zu.

    „Sie ist wach, Sir“, bestätigte er.

    „Der Arzt hat es mir gerade gesagt“, erklärte Mike und strahlte die junge Frau im Bett an. „Dem Himmel sei Dank, Du bist wieder da.“

    EJs Lächeln vertiefte sich ein wenig.

    „Ich bin okay, Mike“, versuchte sie, ihn zu besänftigen. „Das wird schon wieder.“

    „Seit wann ...?“, fragte Buffer seinen Vorgesetzten.

    „Sie ist etwa um 12:30 Uhr aufgewacht, sagte der Arzt. Das war gerade, als die Hammersley in den Hafen einlief.“

    „Was? Aber ... das gibt’s doch nicht!“

    Pete warf einen verblüfften Blick auf die junge Frau, die ihre Augen wieder geschlossen hatte. Das Lächeln lag jedoch noch immer auf ihrem Gesicht.

    „Sorry, müde ...“, murmelte sie.

    „Und dabei hast Du doch mehr als zwei Wochen nur geschlafen“, scherzte Mike, der sie am liebsten vor Freude umarmt hätte.

    „War wohl zu viel“, meinte sie mit einem leichten Grinsen. „Hab gespürt, dass Ihr zurückkommt ...“

    Die beiden Männer tauschten einen verwunderten Blick.

    „Du meinst, es war kein Zufall?“, hakte Buffer nach.

    Langsam drehte EJ ihren Kopf von einer Seite zur anderen.

    „Kein Zufall“, bestätigte sie leise. Sie holte einmal tief Luft und öffnete erneut die Augen. Sie fühlte sich noch immer entsetzlich erschöpft, aber die Anwesenheit ihrer beiden Vorgesetzten schien ihr Kraft zu geben.

    „Es war der richtige Zeitpunkt zum Aufwachen“, erklärte sie ein wenig munterer. „Ihr sollt Euch nicht noch länger Sorgen machen.“

    Ein spitzbübisches Schmunzeln stahl sich auf ihre Lippen.

    „Jetzt weiß ich nicht, ob ich erschreckt oder erleichtert sein soll“, bekannte Mike verblüfft. „Soll das heißen, dass Du ... dass Du uns ... beobachtet hast?“

    „Nein, nicht wirklich. Ich habe nur ...“, versuchte sie zu erklären. „Ich habe Eure Besorgnis gespürt, irgendwie ...“

    „Eigentlich wundert mich das nicht, bei so vielen Gedanken, die Dir galten“, lächelte Buffer und akzeptierte einfach, was sie sagte.

    „Es scheint also, dass die Kraft der positiven Gedanken doch Menschen aus dem Koma holen kann“, grinste Flynn in Anspielung auf ihr Gespräch vom vergangenen Abend.

    „Ja, Sir, sieht so aus“, gab Pete zurück. Dass EJ zu wissen schien, worum es ging, erstaunte ihn nicht. Er wusste, es gab Dinge zwischen Himmel und Erde, die keine Wissenschaft erklären konnte. Dieser Fall gehörte offensichtlich dazu.

    Dann fingen die Männer abwechseln an, ihr von dem, was in der Zwischenzeit geschehen war, zu berichten. Buffer ließ es sich nicht nehmen, ihr von 2Dads und seiner Ansicht über sie zu erzählen, was ihr ein amüsiertes Schmunzeln entlockte. Sie freute sich schon darauf, den Neuen kennenzulernen und war gerne dazu bereit, den Spaß mitzumachen. Mike schilderte ihr die Ereignisse, die zur Aufdeckung des Mädchenhändlerrings geführt hatten und als Pete dann erwähnte, dass Swain von einem der Verdächtigen mit einem Messer verletzt worden war, drückte sie ihre Besorgnis aus. Sie war erleichtert, dass es nur eine mehr oder weniger harmlose Fleischwunde war, die Bomber genäht hatte.

    Allmählich wurde sie müde, und als der Arzt schließlich hereinkam und die beiden Männer ermahnte, sie nicht zu überanstrengen, war sie fast dankbar. Beim Abschied versprachen beide, sie noch ein paar Mal zu besuchen, solange sie an Land waren. Kaum waren sie jedoch gegangen, fielen EJ die Augen zu und sie fiel in einen traumlosen Schlaf.


    ***


    In den nächsten Tagen kam es EJ so vor, als weiche Buffer nicht von ihrer Seite. Jedes Mal, wenn sie erwachte, saß er an ihrem Bett.

    „Sag mal, hast Du eigentlich nichts Besseres zu tun?“, fragte sie ihn einmal. „Ständig bist Du hier ...“

    „Nein“, antwortete er nur und sah sie ernst an.

    „Keine Kneipentouren, Mädels anbaggern oder einen Rausch ausschlafen?“, scherzte sie, aber er schüttelte nur den Kopf.

    „Und was ist mit Nikki?“

    „Was soll mit ihr sein? Sie trauert noch immer, aber sie reißt sich zusammen.“

    „Solltest Du nicht bei ihr sein?“

    „Warum? Ich bin ihr keine große Hilfe ...“

    „Aber ... sie braucht Dich“, brachte EJ verwirrt hervor.

    „Du brauchst mich ebenfalls“, erwiderte er ernsthaft. Er verstand nicht, warum EJ darauf pochte, dass er bei der Navigatorin sein sollte, denn er war der festen Überzeugung, dass sein Platz hier an ihrer Seite war, solange er sich nicht auf See befand.

    „Sie hat Deinen Beistand sicher nötiger als ich“, beharrte die junge Frau. „Mir geht es schon wieder ziemlich gut.“

    „Du musst Dich schonen“, meinte er. „Und ich passe auf, dass Du Dich nicht überanstrengst.“

    „Danke, ich brauche keinen Aufseher“, schnappte sie. „Ich weiß schon selbst, was ich mir zumuten kann.“

    „So hab ich das nicht gemeint“, versetzte er, „das weißt Du genau.“

    Für eine Weile schwieg sie trotzig, aber dann gab sie nach.

    „Ja, okay, ich weiß. Ich bin trotzdem der Meinung, dass Du Dich mehr um Nav kümmern solltest. Sie ist so allein ...“

    „Du hast ebenfalls niemanden ...“, fing er an, aber sie unterbrach ihn sofort.

    „Das stimmt nicht, Pete. Ich habe Bomber und Swain und Mike ... eigentlich die ganze Crew. Ihr seid meine Familie. Nikki dagegen ...“

    „Wir sind auch für sie da und das weiß sie. Sie will es nur nicht“, erklärte er. „Sie lässt kaum jemanden an sich ran seit ...“

    „Du dringst zu ihr durch, Pete. Lass sie jetzt nicht im Stich. Und außerdem ...“

    „Ja?“

    „Nun ja ...“ EJ zögerte, aber dann sprach sie doch aus, was sie dachte: „Ihr habt immerhin eine Vergangenheit ... eine gemeinsame, meine ich.“

    „Wir haben was?“, fragte Buffer verblüfft. Dann erkannte er plötzlich, was sie meinte. „Du denkst ... EJ, ich gebe ja zu, dass ich einmal in Nikki verliebt war, aber das ist lange her.“

    Sie sah ihn argwöhnisch an.

    „Klar, ich mag Nikki nach wie vor, aber ich bin nicht in sie verliebt, schon lange nicht mehr“, versicherte er ihr betont. Er spürte aber, dass sie nach wie vor skeptisch war. „Sie liebte damals bereits ET und ich hatte nie eine Chance bei ihr. So viel zu unserer „gemeinsamen“ Vergangenheit.“

    EJ nickte nur und ließ das Thema auf sich beruhen, aber der Zweifel steckte in ihr, wie ein Dorn in der Haut, und ließ sich nicht so einfach beseitigen.

    „Trotzdem ist es nicht gut, wenn Du Deinen gesamten Urlaub hier im Krankenhaus verbringst“, versuchte sie es noch einmal.

    „Das sehe ich nicht so“, erwiderte er. „Es gibt keinen Ort, an dem ich lieber sein möchte.“

    Seufzend akzeptierte sie es schließlich, denn insgeheim freute sie sich über seine Anwesenheit. Dennoch konnte sie nicht ganz ausschließen, dass er nur aus Mitleid bei ihr blieb.


    ***


    Nach zwei Tagen gab der Arzt sein Okay und EJ durfte aufstehen. Sie fühlte sich noch etwas schwach auf den Beinen, aber sie wurde zusehends kräftiger. Die Muskelkrämpfe, die sie anfangs noch gehabt hatte, traten immer seltener auf. Nur manchmal befiel sie noch ein Zittern in den Händen, das auf die Vergiftung zurückzuführen war, aber auch das gab sich allmählich.

    Buffer half ihr, wo er konnte, stützte sie, wenn sie den Gang auf und ab ging, und brachte ihr bei jedem Besuch eine Kleinigkeit mit. Das bedeutete, dass EJs Beistelltisch bald vor Büchern, Zeitschriften, Blumen und Süßigkeiten überquoll, da er ja mehrmals am Tag zu ihr kam. Nachdem er die Kernmannschaft, also die Offiziere und Freunde EJs, per SMS benachrichtigt hatte, dass es ihr wieder besser ging, kamen auch Bomber, Swain, Charge und sogar Spider und RO zu Besuch. Mike sah ebenfalls täglich nach ihr und so konnte sie sich nicht über Langeweile beklagen.

    Am letzten Tag des kurzen Landurlaubs kam, zu EJs großer Überraschung, Nikki herein. Man konnte ihr ansehen, dass es ihr schwerfiel, aber sie überspielte ihr Unbehagen gekonnt. EJ registrierte aber die besorgten Blicke, mit denen Buffer sie verfolgte, was ihren Zweifeln wieder neue Nahrung gab. Dennoch gab es etwas, was sie der Navigatorin erzählen musste und so bat sie ihn schließlich, ihr aus der Cafeteria etwas zu trinken zu besorgen, und wandte sich, als er den Raum verlassen hatte, an Nikki.

    „Nav, es fällt mir sehr schwer, aber ich muss Ihnen etwas mitteilen“, fing sie an.

    „Etwas so Wichtiges, dass Sie es mir nur unter vier Augen sagen können?“, lächelte diese.

    „Ja, allerdings. Und ich möchte, dass Sie wissen, dass ich Sie auf keinen Fall verletzen möchte. Es könnte aber trotzdem ziemlich schmerzlich für Sie sein.“

    Neugierig geworden beugte Nikki sich vor.

    „Dann schießen Sie mal los. Ich verspreche, ich werde Sie nicht umbringen“, scherzte sie.

    EJ verzog in einem müden Grinsen die Lippen.

    „Ich möchte, dass Sie wissen, warum ich diesen Tauchunfall überlebt habe“, begann sie leise. „Vielleicht werden Sie mir auch keinen Glauben schenken ...“

    Wieder zögerte sie, weiterzusprechen, aber ein Blick auf Nikki zeigte ihr, dass diese sie nun voller Ernst ansah.

    „Ich war dort unten nicht allein“, fuhr sie fort.

    „Sicher waren Sie das nicht, EJ, Ihr Prüfer war ja noch mit unten“, bestätigte Nav etwas verwirrt.

    „Nein, das meine ich nicht, Nikki. Mein Tauchpartner hatte gar nicht verstanden, was los war. Ich zuerst ja auch nicht, aber dann ...“ Es fiel ihr schwer, sich deutlich auszudrücken, ohne die Navigatorin zu sehr zu verletzen. „Wissen Sie, ich erinnere mich nicht mehr an viel von dem, was eigentlich passiert ist. Aber eines weiß ich sicher: ET hat mich gerettet.“

    Schockiert sah Nikki sie an.

    „Wissen Sie eigentlich, was Sie da sagen?“, fuhr sie EJ schließlich an. „Wie können Sie behaupten ...“

    „Es ist die Wahrheit, Nikki. Es tut mir leid. Ich weiß, es schmerzt, aber ich ... ich musste es Ihnen einfach sagen. Ich weiß auch, dass es sich verrückt anhört, aber es stimmt. Er hat mir gesagt, was ich zu tun habe. Ohne ihn ... wäre ich jetzt nicht hier.“

    EJs Stimme war immer leiser geworden und sie sah mit großem Bedauern den Schmerz, der im Blick der Navigatorin lag, als diese sie sprachlos anstarrte.

    „Ich verdanke ihm mein Leben, Nikki.“

    Diese Worte rissen Nav aus ihrer Starre und sie schlug eine Hand vor den Mund, als ob sie so das Schluchzen, das in ihr hochstieg, aufhalten könnte. Gegen die Tränen war sie allerdings machtlos. EJ wollte sich aufsetzen und die Offizierin umarmen, um ihr Trost zu spenden, aber diese wehrte sie ab und erhob sich. Tränenblind stürzte sie zur Tür und hinaus, vorbei an Buffer, der ihr entgeistert nachblickte. Er drehte sich um, sah EJ wie ein Häufchen Elend mit schuldbewusstem Blick dasitzen und ging zu ihr.

    „Was war denn das?“, fragte er aufgebracht. „Was hast Du zu ihr gesagt?“

    EJ winkte bekümmert ab, aber so einfach ließ sich Pete nicht abspeisen.

    „Ich fragte, was Du zu ihr gesagt hast“, wiederholte er ärgerlich.

    Früher einmal wäre sie bei diesem Tonfall zusammengezuckt, nun sah sie ihn nur aus traurigen Augen an.

    „Ich wollte sie nicht verletzen“, sagte sie tonlos. „Es tut mir leid, ehrlich.“

    „Was?“

    Nun wirkte er ernsthaft zornig, aber nicht einmal das beeindruckte die junge Frau.

    „Ich kann es Dir nicht sagen, Pete. Das ist eine Sache zwischen Nikki und mir“, erklärte sie müde. „Wenn sie es Dir erzählen will, ist das in Ordnung, aber ...“

    Buffer starrte sie wütend an, dann drehte er sich um und ging zur Tür.

    „Ich werde schon noch herausfinden, was Du gesagt hast, auf die eine oder andere Weise“, knurrte er dabei.

    „Ja, geh lieber zu ihr. Sie braucht Dich jetzt mehr denn je“, meinte EJ resigniert. Seine Reaktion schien alle ihre Befürchtungen zu bestätigen.

    „Wir seh’n uns noch“, erwiderte Pete, aber es klang mehr wie eine Drohung als ein Abschied.



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    Kapitel 23: Trennung


    Heimathafen Cairns, Militärhospital


    An diesem Tag erschien Buffer nicht mehr bei EJ. Sie wusste, dass der Landurlaub am folgenden Tag vorüber war und die Hammersley am Nachmittag wieder in See stechen würde. Offensichtlich hatte sie den Bootsmann jedoch so sehr verärgert, dass er sie nicht mehr sehen wollte. Vielleicht kümmerte er sich nun auch um Nikki, was EJ nur zu gut verstehen würde. Es war ihr klar gewesen, dass die junge Navigatorin so reagieren würde. Dennoch hatte sie ihr erzählen müssen, was sie unter Wasser erlebt hatte. Sie spürte, dass ET es gewollt hätte und ahnte, dass dies noch einmal eine Rolle spielen würde.

    Am Abend kam Mike zu Besuch. Er traf EJ in depressiver Stimmung an und fragte so lange nach dem Grund dafür, bis sie es ihm erzählte. Sie bat ihn allerdings, mit niemandem darüber zu sprechen, weil sie wusste, wie verrückt es sich anhörte, wenn sie davon sprach, dass ET sie unter Wasser begleitet und gerettet hatte. Auch Mike machte sich seine Gedanken, aber er wusste, dass Halluzinationen gerne bei Tiefenrausch auftraten, und ließ die Geschichte auf sich beruhen.

    „Ich habe noch einige Informationen für Dich“, erklärte er.

    Neugierig setzte EJ sich auf.

    „Was denn, darf ich wieder mit auf Fahrt?“, fragte sie begierig.

    „Nein, dieses Mal noch nicht“, lachte er. „Das wäre noch etwas zu früh. Es geht um Deine Prüfung.“

    „Ach, das. Tut mir leid, die hab ich wohl versaut“, meinte sie mit einem Anflug von Enttäuschung in der Stimme.

    „Aber nein, wie kommst Du darauf? Die Prüfung selbst hast Du bestanden“, erklärte Mike. „Du musst allerdings noch eine kleine Nachprüfung machen.“

    „Wie bitte? Wieso ... aber ... ich verstehe nicht ...?“

    Sie sah ihn völlig verblüfft an.

    „Du hast Dich bei der Prüfung vorbildlich verhalten und trotz des Unfalls die Aufgabe gelöst“, machte er ihr klar. „Es geht jetzt nur noch darum, wie Du die Sache psychisch verkraftet hast. Sie wollen wissen, ob Du trotz allem noch tauchen kannst.“

    „Ob ich ... ich weiß nicht. Ich muss es ausprobieren.“

    „Wenn Du wieder hier raus bist und Dein Arzt sein Okay dazu gibt, sollst Du Dich noch einmal bei NAVCOM melden. Dann bekommst Du einen Termin für die Nachprüfung.“

    „Wow. Das hätte ich nicht gedacht. Dann hab ich ET doch nicht enttäuscht.“

    „Du hast alle in Dich gesetzten Erwartungen erfüllt“, sagte Mike mit einem Schmunzeln und ging nicht weiter auf ihre Bemerkung über Josh ein.

    „Hat man inzwischen schon herausgefunden, warum die Flaschen mit falschem Atemgas befüllt waren?“

    „Nein, tut mir leid, diese Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen. Es kann auch sein, dass Du noch dazu befragt wirst. Fest steht nur, dass die Luft in den übrigen Flaschen nicht verunreinigt war.“

    „Dann betraf es also nur meine Sauerstoffflaschen ...“, meinte sie nachdenklich.

    „Wieso „Deine“? Es hätte jeden treffen können.“

    „Nein, Mike, hätte es anscheinend nicht. Ich habe immer dieselben Flaschen genommen und sie entsprechend gekennzeichnet.“

    Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und strich sich nachdenklich über das Kinn. Das warf ein völlig anderes Licht auf die Sache. Nun sah es so aus, als hätte es jemand gezielt auf EJ abgesehen gehabt. Diese Information musste er so schnell wie möglich weitergeben. Um die junge Frau nicht zu beunruhigen, wechselte er dann jedoch lieber das Thema.

    „Ich nehme mal an, dass Du wieder dienstfähig sein wirst, bevor die Hammersley wieder zurück ist“, fing er an.

    „Hm, daran hab ich noch gar nicht gedacht“, erklärte sie. „Werde ich dann irgendwo an Land eingesetzt?“

    „Du kannst auch von einem anderen Schiff in die Nähe unseres Einsatzorts mitgenommen werden. Oder Du kannst die Zeit als Urlaub verbuchen lassen, aber das würde ich Dir nicht raten.“

    „Dann hätte ich in der restlichen Zeit des Jahres überhaupt keinen Urlaub mehr, das meinst Du doch?“, lachte sie.

    „Ja, so ähnlich“, erwiderte er schmunzelnd.

    „Gibt es denn keine Alternative?“

    „Doch die gibt es allerdings. Du könntest einen weiteren Fortbildungskurs anhängen.“

    „Aber ... was soll ich denn machen?“

    „Das liegt ganz bei Dir. Du hast Dich doch so umfassend mit Allem beschäftigt, da gibt es bestimmt etwas, was Dich interessiert.“

    „Ja, schon, aber ich weiß nicht so recht ...“

    „Du könntest auch etwas ganz anderes tun ...“, fuhr Mike geheimnisvoll fort.

    „Das wäre?“, fragte sie misstrauisch. „Du willst mich doch nicht ins Zivilleben drängen?“

    „Nein, der Gedanke ist mir nicht gekommen“, beruhigte er sie. „Ich dachte nur daran, dass Du schließlich einen Collegeabschluss hast ...“

    „Den hab ich zwar, aber was soll der mir hier helfen?“

    „Hast Du schon mal daran gedacht, die Offizierslaufbahn einzuschlagen?“

    „Die ... wie bitte? Nein, das hab ich ganz bestimmt nicht“, entfuhr es ihr verblüfft. „Wie kommst Du nur auf so was?“

    „Das ist ganz einfach: Du hast das Zeug dazu.“

    „Ich habe ...“, wiederholte sie fassungslos. „Bist Du sicher? Ich meine, ein Offizier muss kommandieren können, delegieren, führen ... ich glaube nicht, dass ich das kann.“

    „Ich hab mir schon gedacht, dass Du so reagierst“, nickte Mike. „Du bist noch nicht so weit. Aber ich rate Dir, das im Hinterkopf zu behalten. Diese Tür steht Dir jederzeit offen, Du musst es nur wollen. Ich werde immer ein gutes Wort für Dich einlegen.“

    „Danke für das Angebot, aber Du hast recht, ich bin nicht so weit. Das mit dem Lehrgang lasse ich mir allerdings durch den Kopf gehen.“

    „Tu das. Und egal, für was Du Dich entscheidest, ich stehe hinter Dir. Solange Du danach wieder zurück auf die Hammersley kommst ...“, meinte er mit einem Schmunzeln.

    „Sicher. Ich werde doch meine Familie nicht im Stich lassen“, grinste sie zurück.


    ***


    Am nächsten Vormittag kam dann Buffer, um sich zu verabschieden. Er benahm sich so wie immer, aber EJ konnte nicht vergessen, wie wütend er am Vortag gewesen war, und behandelte ihn ziemlich kühl. Auf seine Frage, wann sie denn zurück aufs Schiff käme, informierte sie ihn lediglich darüber, dass sie noch einen Lehrgang absolvieren wolle.

    „Das sind ja nochmal sechs Wochen, mindestens“, stöhnte er auf.

    „Was dagegen?“, meinte sie schnippisch.

    „Was? Nein, natürlich nicht. Es ist nur ...“, erwiderte er ein wenig hilflos.

    „Tu nicht so, als ob es Dir was ausmachen würde, ob ich nun ein paar Wochen länger an Land bleibe“, schnappte sie und verschränkte die Arme vor der Brust.

    „Du weißt genau, dass Du mir fehlst“, gab er ärgerlich zurück.

    „So, weiß ich das? Du wirst bestimmt genug Ablenkung finden“, stellte sie fest.

    „Verdammt, ich will mich nicht mit Dir streiten“, schrie er sie an, worauf sie nur spöttisch grinste. Er wandte sich ab und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Erregt ging er auf und ab, während EJ ihn aufmerksam beobachtete. Sie erkannte, dass er mit sich kämpfte. Schließlich drehte er sich wieder zu ihr um.

    „Es tut mir leid wegen gestern“, bekannte er. „Ich hätte Dich nicht anschreien dürfen, auch jetzt gerade nicht. Es ist nur ...“ Er zögerte, weil er ihre Skepsis spürte, fuhr aber dann doch fort: „Ich war sehr erschrocken, als Nikki so aus dem Raum gestürzt ist. Sie hat so Schweres durchgemacht ...“

    EJ nickte nur und wartete ab. Sie ahnte, was folgen würde und seine nächsten Worte bestätigten es.

    „Sie bedeutet mir viel, das weißt Du. Vielleicht ist es nur der alten Zeiten wegen, aber ich kann nicht mit ansehen, wenn sie verletzt wird. Diesmal hast Du sie verletzt ... und das ist für mich sehr schwer zu verstehen, weil ich weiß, dass Du sie ebenfalls magst. Ich habe überreagiert, das tut mir wirklich leid. Trotzdem ...“

    Er brach ab, weil er nicht mehr wusste, was er noch sagen sollte. EJ nickte und glaubte nun zu wissen, was in ihm vorging. Er fühlte sich in zwei Teile gerissen und wusste nicht mehr, zu wem er halten sollte. Er konnte sich nicht entscheiden, zu wem er gehörte, und sie beschloss, ihm die Entscheidung abzunehmen.

    „Ist schon okay, ich verstehe“, sagte sie, aber sie konnte die Resignation nicht ganz aus ihrer Stimme verbannen.

    „Nein, ich fürchte, Du verstehst überhaupt nichts“, erwiderte er nach einem Moment entschieden. „Komm her.“

    Er zog sie in eine feste Umarmung, obwohl sie leicht widerstrebte.

    „Hör zu, ich mag Nikki, aber Dich liebe ich“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Und ich möchte, dass Du das weißt und nie vergisst, ganz egal, was geschieht.“

    Für eine kurze Weile genoss EJ seine Nähe, aber sie unterdrückte die Tränen, die ihr in die Augen steigen wollten.

    „Es wird Zeit, Du musst gehen“, murmelte sie schließlich und löste sich von ihm. Sie widerstand der Versuchung, sich weiterhin an ihn zu schmiegen und bemühte sich um eine gelassene Miene.

    Langsam ließ Pete seine Arme sinken und sah ihr in die Augen, die nichts davon verrieten, wie es in ihr aussah. Schließlich seufzte er.

    „Du hast recht, ich muss aufs Schiff. Bitte versuch, mich zu verstehen. Es fällt mir sehr schwer, Dich zu verlassen.“

    „Ich denke, ich weiß, was Du meinst. Ich bin Dir nicht böse, Pete“, versicherte sie ihm. „In ein paar Wochen bin ich wieder bei Euch, keine Sorge. Und ich werde mich bemühen, nicht wieder einen Unfall zu haben.“

    Dieser letzte Versuch, zu scherzen, entlockte ihm nur ein müdes Lächeln.

    „Das will ich hoffen. Dieses eine Mal hat gereicht.“

    Damit wandte er sich um und verließ mit raschem Schritt das Zimmer. Er sah nicht mehr, wie die mühsam unterdrückten Tränen sich nun ihren Weg bahnten und ihr über die Wangen liefen.


    ***


    Am Nachmittag dieses Tages bekam EJ Besuch von ihrem Anwalt. Er teilte ihr mit, dass in der Zwischenzeit ihre Scheidung verhandelt worden war. Wie erwartet, hatte ihr Mann Protest eingelegt und war abschlägig behandelt worden.

    „Im nächsten Monat wird die Scheidung rechtskräftig“, erklärte der Mann. „Sie können dann auch ihren Mädchennamen wieder annehmen, wenn Sie wollen.“

    „Das wird wohl das Erste sein, was ich tue“, antwortete sie. „Auch wenn das viel Papierkram mit sich bringen wird.“

    „Auch dabei kann ich Ihnen behilflich sein“, meinte er. „Für solche Dinge sind wir schließlich da.“

    Dann erklärte er ihr, welche Schritte sie dazu einleiten müsse und half ihr, Formulare auszufüllen und zu unterzeichnen. Er klärte sie darüber auf, was für Änderungen sich durch die rechtskräftige Scheidung ergeben würden und versicherte ihr, dass der soziale Dienst der Navy ihr jederzeit zur Seite stehen würde.

    Als er sich schließlich verabschiedet hatte, gab es vieles, worüber EJ nachdenken musste. Außerdem war ihr bewusst, dass sich die Hammersley gerade zum Auslaufen bereit machte. Dieser Gedanke entlockte ihr ein wehmütiges Lächeln. Sie hatte Heimweh nach ihren Kameraden und wäre am liebsten dabei gewesen, aber sie sah ein, dass sie dazu noch zu schwach war. Dennoch fiel es ihr nicht leicht, zurückzubleiben. Um sich abzulenken, nahm sie ihren Laptop, den Mike ihr in die Klinik gebracht hatte, und beschäftigte sich wieder einmal mit den Möglichkeiten zur Weiterbildung.


    ***


    Am Ende entschied sich EJ für einen Lehrgang, der sie zur qualifizierten Sanitäterin ausbilden würde. Er begann in der kommenden Woche und würde zwei Monate dauern. Einen Tag nach Auslaufen der Hammersley wurde sie entlassen, aber darauf hingewiesen, sich noch zu schonen. Sie meldete sich bei NAVCOM und beantragte die Teilnahme an dem Ausbildungslehrgang für Sanitäter. Dort wurde sie auch über die Ereignisse während des Prüfungstauchgangs befragt und beantwortete die Fragen, so gut sie konnte. Die Episode mit ET ließ sie selbstverständlich weg.

    Ihrer Psychologin berichtete sie allerdings davon. Diese war zunächst geneigt, das Erlebnis ebenfalls auf die Auswirkungen des Tiefenrauschs zu schieben, aber EJ machte ihr klar, dass sie keine Halluzinationen gehabt habe. Sie erzählte, dass sie bereits zuvor, auf der Trauerfeier und bei ihrem Abschied von ihm, den Eindruck gehabt habe, dass er in der Nähe sei. Am Ende akzeptierte die Frau ihre Schilderung. Auch sie wusste, dass es Dinge gab, die wissenschaftlich nicht zu erklären waren.

    EJs Lehrgang begann und erwies sich als äußerst anstrengend. Trotz ihrer Vorbildung im physiotherapeutischen Bereich gab es eine Menge zu lernen. Von vielen Dingen hatte sie bisher keine Ahnung gehabt, aber sie stellte schnell fest, dass es ihr Spaß machte und sie den Lehrstoff geradezu aufsaugte. Die anderen Teilnehmer waren nett und es waren auch einige Frauen darunter, ganz anders, als bei den Bergungstauchern.

    Körperlich wurde EJ immer fitter und schon bald bescheinigte der Arzt ihr, dass sie wieder völlig hergestellt war. Daraufhin beeilte sie sich, einen Termin für die Tauchtauglichkeitsprüfung zu bekommen. Es stellte sich heraus, dass der Unfall keinerlei negativen Auswirkungen gehabt hatte. Physisch und psychisch war sie völlig in der Lage, Aufgaben unter Wasser auszuführen. Sie war sich nur nicht mehr sicher, ob sie das in Zukunft beruflich machen wollte.

    Mit dem Schiff blieb sie in Kontakt. Bomber berichtete ihr fast täglich, was sich ereignete. Sie erzählte von den kleinen Reibereien und Scherzen, die den Bordalltag interessanter machten, aber auch von den Einsätzen, die so manches Mal sehr gefährlich waren, aber letzten Endes immer wieder gut ausgingen. So hatte die Hammersley wieder einmal mit Waffenschmugglern zu tun, die das Ehepaar Robsen, die ehemaligen Arbeitgeber ETs bei seinem Nebenjob, überfallen und gefangen genommen hatten. Mit deren Boot wollten sie Waffen von einer Insel abtransportieren, aber die Robsens hatten noch einen Notruf absetzen können, und die Hammersley war ihnen zu Hilfe geeilt. Nachdem Mike und Spider fast von den Schmugglern getötet worden waren, hatte man diese festnehmen können. Allerdings hatte niemand gewusst, dass sich ein Komplize, der zuvor aus dem Wasser gerettet worden war und der sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen bei der Mannschaft eingeschmeichelt hatte, bereits an Bord befand. In der Nacht wollten die Verbrecher dann mit einem der Beiboote verschwinden, was Mike tatkräftig zu verhindern wusste.

    Bombers Mails lasen sich teilweise wie ein Krimi und EJ freute sich jeden Tag darauf, nach Hause zu kommen und ihre Mailbox zu öffnen. Seltener fand sich auch Post von Buffer darin, aber seine Mitteilungen waren meist recht kurz gehalten. Er versicherte ihr aber jedes Mal, dass er sie vermisse. Offensichtlich schrieb er nicht gerne und seine Anrufe waren ebenfalls meist ziemlich kurz. Oft sagte er, dass er nur einmal wieder ihre Stimme hatte hören wollen und dass er sich darauf freue, sie wiederzusehen.

    Die Scheidung wurde rechtskräftig und nur wenige Wochen später waren auch die Formalitäten erledigt, die dazu führten, dass EJ zukünftig wieder „Walker“ hieß. Sie hatte zunächst Schwierigkeiten, sich daran zu gewöhnen, aber bald war ihr der alte Name wieder geläufig. Es war ein wenig seltsam, die neuen Uniform-Patches anzubringen, aber als sie die alten wegwarf, hatte sie das Gefühl, einen endgültigen Schlussstrich zu ziehen. Seaman Kingston gab es nicht mehr, aber diese Tatsache verschwieg sie ihren Kameraden. In einer persönlichen Mail bat sie Mike, der ihr gratulierte, darum, den anderen nichts zu sagen. Sie hatte vor, sich mit seiner Hilfe einen Spaß mit ihren Freunden zu erlauben und konnte es nun kaum erwarten, den Lehrgang abzuschließen und wieder an Bord zu dürfen.




    tbc.
    "It is better to have loved and lost than never to have loved at all"

    Möge alles, was Ihr mir wünscht, tausendfach auf Euch zurückfallen.

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    Letzte Veröffentlichung: Eine Ergänzung für das Team [ARROW]

  23. Danke sagten:


  24. #33
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    Vielen Dank, Evaine und Galaxy, für's unermüdliche Knöpfchendrücken.

    Dann wollen wir mal weitermachen mit








    Kapitel 24: Überraschung



    HMAS Hammersley, 08:38 Uhr Vormittagswache, Heimathafen


    „Habt Ihr schon gehört? Wir bekommen eine Neue“, verkündete Bomber missmutig, als sie ihre Kameraden auf dem Achterdeck traf.

    „Ach, Seaman Walker ist eine Frau?“, meinte Swain verblüfft. „Mir wurde nur gesagt, dass ich einen zweiten Sanitäter bekomme.“

    „Sie soll in meine Kabine“, meinte die Köchin düster.

    „Und was ist mit EJ?“, fragte Spider, nachdem er sich umgesehen hatte. Von 2Dads war allerdings noch keine Spur zu entdecken.

    „Keine Ahnung. Mir hat sie jedenfalls nichts davon gesagt, dass sie noch nicht mitkommt.“

    „Geschrieben meinst Du wohl“, sagte Charge. „Oder hast Du sie in der Zwischenzeit mal gesehen?“

    „Nein, und auch das ist seltsam. Da stimmt was nicht.“

    „Irgendwie passt das nicht zu ihr“, bemerkte Swain nachdenklich. „Es sei denn ...?“

    „Du meinst, sie hätte doch nicht verlängert? Aber das hätte sie mir doch mitgeteilt, oder nicht?“

    „Ich weiß nicht ...“

    „Da kommt Buffer, vielleicht weiß er mehr?“

    Bomber winkte dem Bootsmann zu, der sich der kleinen Gruppe näherte.

    „Hey, Buffer, weißt Du was von EJ? Sie hat sich nicht mehr gemeldet und nun krieg ich eine Neue in die Kabine ...“

    Der Angesprochene schüttelte den Kopf und man sah ihm an, dass diese Nachricht ihn überraschte.

    „Nein, ich dachte ... ist sie denn noch nicht hier?“

    „Bis jetzt hat sie noch niemand gesehen“, berichtete Spider.

    „Sie wird schon noch auftauchen“, meinte der Bootsmann beruhigend. „Jedenfalls sagte sie, dass sie auf dieser Fahrt wieder mit dabei ist. Und nun macht lieber, dass Ihr Eure Stationen überprüft. Ich möchte nicht, dass wir auslaufen und dann feststellen, dass etwas fehlt.“

    „Wir haben schon festgestellt, dass etwas fehlt: EJ“, muckte Bomber auf, verzog sich aber dann unter Buffers strengem Blick in die Kombüse.


    ***


    „Ist alles bereit, Buffer?“, erkundigte sich Lieutenant Commander Flynn zwei Stunden später auf der Brücke.

    „Alle Leute sind zurück, bis auf EJ. Ach ja, und diese Neue, Seaman Walker, hab ich auch noch nicht gesehen.“

    „Seaman Walker hat sich bei mir persönlich an Bord gemeldet. EJ ist ebenfalls zurück. Wir können also ablegen“, stellte Mike schmunzelnd fest. Er hielt sich nach wie vor daran, vor 2Dads nicht zu verraten, wer EJ war. Dass er nun auch den Rest der Mannschaft im Ungewissen lassen musste, fiel ihm schwer, aber er gönnte seiner „kleinen Schwester“ diesen Spaß.

    „Gibt es bezüglich Seaman Walkers etwas zu beachten, Sir?“, erkundigte sich Buffer hölzern.

    „Ja, sie ist ausgebildete Sanitäterin, also sollte sie nicht in der gleichen Schicht arbeiten wie Swain.“

    Mit einem Nicken nahm der Bootsmann das zur Kenntnis.

    „In Ordnung, dann werde ich sie der Schicht von Nav einteilen. EJ kommt wieder in die alte Schicht.“

    „Buffer, Sie sollten 2Dads in Ihrer Schicht belassen. Ich werde Ihnen später erklären, warum.“

    Ein leicht erstaunter Blick traf den CO, der sich sonst nicht in diese Dinge einzumischen pflegte.

    „Aye, Sir“, bestätigte Pete jedoch nur und widmete seine Aufmerksamkeit dann dem Ablegevorgang.

    Während die Hammersley ihren Liegeplatz verließ, begab sich Bomber in ihre Kabine. Sie hatte die Neue noch nicht zu Gesicht bekommen und war nun gespannt darauf, was das für eine Frau war. Als sie den Raum betrat, wandte Seaman Walker ihr den Rücken zu und bezog gerade ihre Koje. Irgend etwas an ihr kam Rebecca bekannt vor, aber erst als die andere sich umdrehte, begriff sie, warum.

    „EJ!“, rief sie verblüfft aus. „Wieso ... was machst Du ...“

    Dann entdeckte sie den neuen Namenszug auf dem Uniform-Patch und es fiel ihr wie Schuppen von den Augen.

    „Du!“,wetterte sie los. „Du bist Seaman Walker!“

    „Ja, bin ich“, grinste EJ. „Aber bitte verrate es noch niemandem.“

    Bomber stürzte sich auf die Ältere und fing an, sie mit Faustschlägen zu traktieren. Lachend hielt EJ ihre Hände fest und ließ sie erst wieder los, nachdem sich Bomber wieder etwas beruhigt hatte.

    „Verdammt, EJ, warum machst Du das? Ich dachte, wir sind Freundinnen?“, schluchzte Rebecca auf und fiel ihr um den Hals.

    „Jetzt mach mal halblang, Bomber. Darf ich mir nicht auch mal einen Spaß mit Euch erlauben?“ Beruhigend strich EJ ihr über den Rücken. „Ich hätte nicht gedacht, dass es Dich so sehr mitnehmen würde.“

    „Wir haben uns alle Sorgen gemacht, wo Du bist und was los ist. Als ich dann hörte, dass ich eine Neue in die Kabine bekomme ...“

    Betroffen sah EJ sie an.

    „Oh Mann, ich dachte, ich könnte Euch ein wenig aufziehen. Ich glaube, das ging dann ziemlich in die Hosen, was?“, meinte sie zerknirscht.

    „Ach was, ich bin bloß ... ich hatte nicht damit gerechnet, dass Du es bist“, meinte Rebecca. Inzwischen hatte sie sich wieder gefangen und ein spitzbübisches Grinsen erschien auf ihrem Gesicht, als sie eine Idee hatte: „Weißt Du was? Damit können wir 2Dads noch besser reinlegen als zuerst gedacht.“

    „Wie meinst Du das?“

    „Ich denke, ich werde den anderen stecken, dass Du „die Neue“ bist, aber so, dass er es nicht mitbekommt. Ich glaube, sie werden alle mitspielen. Und bei passender Gelegenheit lassen wir dann die Bombe platzen.“

    „Du hast manchmal einfach genial gemeine Einfälle, Bomber“, lachte EJ. „Meinst Du echt, das klappt?“

    „Klar. Warte mal, ich sehe nach, ob die Luft rein ist. Dann gehst Du in den Sanitätsraum und ich schicke Swain zu Dir. Ich verrate ihm aber erst mal noch nichts ...“

    „Meinen ersten öffentlichen Auftritt sollte ich dann wohl beim Essen haben, meinst du nicht? Denkst Du, dass Du das hinkriegst?“

    „Sicher. Ich geh dann mal los. Wenn die Luft rein ist, klopfe ich zweimal an der Tür.“

    EJ nickte und Bomber ging hinaus. Sie trug ein breites Grinsen auf dem Gesicht, während sie Ausschau hielt, wo sich der Elektronik-Experte herumtrieb. Sie fand heraus, dass er damit beschäftigt war, einige Kabelverbindungen im Maschinenraum zu prüfen. Schnell lief sie zurück und pochte zweimal an ihre Kabinentür, bevor sie sich aufmachte, um Swain zu suchen. Sie fand ihn auf der Brücke und richtete ihm aus, dass sein zweiter Sanitäter unten auf ihn warte. Anschließend ging sie in die Kombüse, da es Zeit wurde, das Mittagessen zu richten.


    ***


    Swain betrat mit einem Stirnrunzeln den Sanitätsraum. Es passte ihm nicht, eine Neue einweisen zu müssen, zumal noch immer niemand an Bord EJ gesehen zu haben schien. Das erste, was er von der Frau, die hier auf ihn warten sollte, sah, war ihre Rückenansicht. Sie hatte den Vorratsschrank geöffnet und kramte darin herum. Mit einem ärgerlichen Räuspern machte er sich bemerkbar, aber sie drehte sich nicht einmal um. Stattdessen hörte er ihre Stimme:

    „Sag mal, Swaino, wo habt Ihr denn die Fangopackungen und Wärmekissen versteckt? Die werde ich wohl bald wieder brauchen ...“

    Vor Verblüffung blieb ihm der Mund offen.

    „EJ? Was zur Hölle ...“

    Endlich wandte sie sich vom Schrank ab und drehte sich zu ihm. Tatsächlich, es war EJ, die ihn da anlachte. Sie hatte die Haare wachsen lassen, darum hatte er sie nicht gleich erkannt. Dann bemerkte er, wie Bomber zuvor, den geänderten Namen.

    „Du bist die Neue? Da hast Du uns aber ganz schön an der Nase herumgeführt“, lachte er und zog sie in eine heftige Umarmung. „Mann, tut das gut, Dich zu sehen!“

    „Ja, es ist schön, endlich wieder hier zu sein“, meinte sie und erwiderte den kameradschaftlichen Willkommensgruß. „Ich hab Euch vermisst.“

    „Wie kommt es, dass Du ...“, fragte Swain und die Verwirrung war ihm deutlich anzusehen. „Ein anderer Name? Sanitäterin?“

    „Ich ... nun, meine Scheidung ist endlich durchgestanden und ich hatte nach dem Tauchunfall viel Zeit ...“, gestand sie ihm.

    „Ich wusste nicht, dass Du verheiratet warst“, meinte er.

    „Es war nichts, was erwähnenswert gewesen wäre“, erwiderte sie abwinkend. „Es ist vorbei und das ist die Hauptsache.“

    „Wie ich hörte, hast Du die Tauchprüfung bestanden. Warum also noch eine Ausbildung zur Sanitäterin?“

    „Es bot sich an. Mike ... ich meine, der CO hat mich drauf gebracht. Ich war ja noch nicht fit genug, um mit Euch zu kommen, also musste ich die Zeit an Land irgendwie ausfüllen. Eine Weiterbildung erschien mir am sinnvollsten.“

    „Ich finde das toll. Na warte, wenn die anderen das erst erfahren“, freute er sich und wollte zur Tür, aber EJ hielt ihn zurück.

    „Warte, Swain, es hat seinen Grund, warum ich so ein Geheimnis daraus mache.“

    Und dann erklärte sie ihm, was sie mit Bomber zusammen ausgeheckt hatte. Das Gesicht des Sanitätsoffiziers verzog sich zu einem breiten Grinsen, während er ihr lauschte.

    „Und du möchtest, dass ich die Offiziere sozusagen impfe? Lässt sich machen. Das wird ein Spaß.“

    „Wenn ich nachher zum Essen komme, sollten alle so tun, als wäre ich tatsächlich neu. Später bringe ich Euch dann einen Kaffee auf die Brücke, so wie früher ...“

    „Und da willst Du die Bombe platzen lassen? Gute Idee!“

    EJ grinste ihn nur an.

    „Ich bin ehrlich gespannt auf diesen Leo. Ist er wirklich so schlimm?“

    „Mach Dir am besten selbst ein Bild. Wenn ich jetzt was sage, bist Du voreingenommen.“

    „Das bin ich sowieso schon, von Bombers Beschreibungen und Geschichten.“

    Schlagartig wurde Swain ernst.

    „Sie hat sich große Sorgen gemacht, als Du ihre Mails nicht mehr beantwortet hast. Was war der Grund?“

    „Eigentlich nur der, dass ich Euch überraschen wollte. Ich dachte nicht ...“

    “Was? Dass uns etwas an Dir liegt? Schäm Dich, EJ, Du solltest es wirklich besser wissen.“

    Sie senkte den Kopf.

    „Vielleicht war ich einfach schon zu lange fort. Ist Dir klar, dass es jetzt bereits vier Monate sind?“

    „Es kommt mir sogar noch länger vor. EJ, Du hast uns gefehlt. Bleib nicht wieder so lange weg.“

    „Ich werde mich bemühen“, lächelte sie. „Und ab jetzt bin ich Dir sogar eine vollwertige Hilfe.“

    „Ja, das ist wirklich toll. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.“

    „Hoffen wir, dass sie nicht so oft nötig sein wird.“

    „Das wird vermutlich nur ein Wunsch bleiben. Du weißt ja, wie schnell ein Unfall passieren kann“, seufzte Swain. „Dann werde ich jetzt mal die anderen informieren gehen. Wenn Du willst, kannst Du ja noch hier bleiben und die Vorräte überprüfen.“

    „Damit tue ich dann wenigstens etwas Sinnvolles“, grinste sie und sah ihm nach, als er den Raum verließ.


    ***


    Bomber hatte es tatsächlich geschafft, die gesamte Mannschaft in den Plan einzuweihen. An der Essensausgabe nahm niemand Notiz von EJ, als sie sich anstellte. Manch fragender Blick traf das neue Namensschild, aber keiner verriet auch nur mit einer Silbe, wer sie war. Sie gab sich zurückhaltend, als ob sie tatsächlich neu auf dem Schiff wäre. Der Einzige, der ihr erhöhte Aufmerksamkeit schenkte, war Leading Seaman Leo Kosov-Meyer.

    „Sieh mal an, ein neues Gesicht“, meinte er mit anerkennendem Blick. „Able Seaman Walker. Interessant.“

    „Sie ist die neue Sanitäterin“, bemerkte Bomber harmlos und teilte weiter das Essen aus.

    „Ja, hab ich schon gehört“, erwiderte er. „Von ihr würde ich mich sofort behandeln lassen.“

    „Und wer sagt, dass ich Sie überhaupt behandeln würde?“, gab EJ trocken zurück. „Immerhin ist Swain der erfahrenere Sanitäter.“

    2Dads warf ihr einen verblüfften Blick zu und auch Bomber staunte ein wenig. Sie hatte bei Leos Worten unwillkürlich die Luft angehalten, weil sie sich sofort an Seaman Jones erinnert gefühlt hatte. Ihre Freundin schien es jedoch locker zu nehmen. Tatsächlich war auch sie kurz an Jones erinnert worden, aber der junge blonde Seaman, der sie da frech angrinste, hatte so überhaupt nichts mit ihrem früheren Peiniger gemeinsam. Irgendwie konnte sie seine Sprüche nicht ernst nehmen. Sie war absolut sicher, dass sie ihn sehr leicht in Schach halten konnte. Also hob sie nur spöttisch eine Braue und ging an ihm vorbei in die Mannschaftsmesse, wo sie sich einen Platz am Rand suchte. Das anerkennende Grinsen ihrer Mannschaftskameraden registrierte sie mit Genugtuung. In aller Ruhe verzehrte sie ihre Mahlzeit und ignorierte dabei geflissentlich die Versuche von 2Dads, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Schließlich erbarmte sich Spider und lenkte den Seaman ab.

    Am Ende der Mahlzeit, EJ wollte sich gerade erheben und ihren Teller zurückbringen, erschien Buffer in der Tür.

    „Seaman Walker, kann ich Sie kurz sprechen?“

    „Ja, Sir“, antwortete sie respektvoll und folgte ihm aufs Achterdeck. Dieses Gespräch hatte sie erwartete und gefürchtet, seit sie wieder an Bord war.

    Er ging bis zur hinteren Reling, lehnte sich an und verschränkte die Arme.

    „Seaman Walker also“, sagte er schließlich.

    „Ja“, antwortete sie schlicht.

    „Warum hast Du mir nichts gesagt? Was ist geschehen? Wie kommt es zu der Namensänderung?“

    Sie sah ihn aufmerksam an und erkannte plötzlich Unsicherheit hinter seiner stoischen Maske.

    „Meine Scheidung ist jetzt rechtskräftig, Buffer. Ich wollte durch nichts mehr an meine Ehe erinnert werden. Kannst Du das verstehen?“

    Es dauerte eine Zeit, bis er das Gehörte verarbeitet hatte. Dann sah er sie durchdringend an.

    „Und Du hast es nicht für nötig gehalten, mir davon zu erzählen? Warum?“

    „Keiner wusste davon, nur Mike. Ich wollte niemanden damit belästigen.“

    „Belästigen ...“, murmelte er. „Und ich dachte, zwischen uns wäre etwas Besonderes. Ich muss mich wohl mal wieder getäuscht haben.“

    EJ hörte heraus, wie tief verletzt er war. Sie bemerkte auch, dass er darauf anspielte, in der Liebe nie besonderes Glück gehabt zu haben. Es schmerzte sie, den traurigen und resignierten Unterton zu hören, aber sie verschloss ihre eigenen Gefühle tief in sich.

    „Buffer, ursprünglich ging es mir nur darum, Euch ein wenig aufzuziehen“, erklärte sie. „Deshalb hab ich niemandem etwas von der Namensänderung gesagt. Aber jetzt ...“

    „Ja? Was ist jetzt anders?“

    „Bomber und Swain haben mir klargemacht, dass das alles andere als ein Scherz ist. Ich war zu lange weg ...“

    „Allerdings, verdammt lange“, bestätigte er grimmig. „Du hast nicht nur mir gefehlt ...“

    „Das hab ich jetzt auch erkannt. Tut mir leid.“

    „Und mir erst. Ganz ehrlich, ich verstehe Dich nicht. Was ist geschehen? Hast Du jemanden kennengelernt auf deinem Lehrgang?“

    „Ob ich ...?“, fragte sie verblüfft. „Nein, natürlich nicht. Oder doch, ich hab eine Menge netter Leute kennengelernt - aber niemand Besonderen.“

    Sie wusste nicht, wie sie ihm klarmachen sollte, dass er der einzige besondere Mann in ihrem Leben bleiben würde, auch wenn er sich für Nikki entschied. Es war vielleicht auch besser, wenn sie es ihm nicht sagte. Sie wollte ihn unter keinen Umständen unter Druck setzen.

    Er sah sie mit ernstem Blick an, aber er konnte nicht erkennen, was sie dachte oder fühlte. Frustriert seufzte er auf.

    „Und wie soll es jetzt mit uns weitergehen?“, meinte er. „Wie stellst Du Dir das vor? Sollen wir so tun, als wäre nie etwas gewesen?“

    „Hier an Bord müssen wir das sowieso, Buffer“, ermahnte sie ihn leise. „Wie es weitergehen soll? Ich weiß nicht. Du musst Dich um Nikki kümmern ...“

    „Wer sagt das? Sie kommt ganz gut ohne mich klar. Das ist nur so eine verrückte Idee von Dir.“

    „Ist es das? Oder gehört Dein Herz nicht in Wahrheit ihr?“, murmelte sie so leise, dass er es kaum verstand.

    „Ich versichere Dir hiermit noch einmal: Mein Herz gehört nur einer Frau, und die heißt nicht Nikki. Und ich weiß, was Du jetzt sagen willst, aber Du kannst mich nicht freigeben, niemals.“

    EJ schluckte, trat dann an die Reling und sah mit blinden Augen hinaus auf die See. In ihr tobten die Emotionen und gegen ihren Willen traten Tränen in ihre Augen. Sie klammerte sich fast an das Geländer und bemerkte kaum, dass Buffer neben ihr stand. Erst als seine Hand sich auf ihre legte, wurde sie sich seiner Anwesenheit wieder bewusst.

    „Niemals!“, bekräftigte er noch einmal leise und drückte ihre Hand. Nach einer Weile spürte er, dass sie sich wieder gefasst hatte.

    „Nun gut, wir werden sehen“, meinte er und drehte sich wieder um. „Und nun, Seaman Walker, sollten wir wieder zurück an die Arbeit. Sie sind der nächsten Wache zugeteilt.“

    „Ja, Sir“, antwortete sie mit fester Stimme, stand kurz stramm und ging dann hinein. Buffer sah ihr mit sorgenvoller Miene nach und folgte ihr einige Zeit später.




    tbc.
    Geändert von Zeson (10.07.2013 um 16:43 Uhr)

  25. Danke sagten:


  26. #34
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    Mein herzlichster Dank an Evaine und Galaxy für die anhaltende Treue.

    Es ist Sonntag und somit Zeit für






    Kapitel 25: Entfremdung


    HMAS Hammersley, 16:40 Uhr, erste Hundewache, Korallenmeer


    EJ hatte ihre erste Schicht in der neuen Wachmannschaft gut hinter sich gebracht. Es war ungewohnt, mit Charge, Nav und RO zusammenzuarbeiten anstatt mit Buffer, Spider und Swain. Ihr war aber klar, dass man nicht zwei Sanitäter in einer Schicht lassen konnte und so fand sie sich damit ab. Die Zusammenarbeit mit Nikki bereitete ihr ein wenig Unbehagen, aber die Navigatorin schien das Erlebte tatsächlich recht gut verarbeitet zu haben. Jedenfalls wirkte sie fast so wie früher, nur, dass sie nicht mehr so oft lachte.

    Nachdem sie von der nachfolgenden Wache abgelöst worden waren, ging EJ in die Kombüse und holte Kaffee. Es war Buffers Schicht und die beste Gelegenheit, 2Dads endlich hochzunehmen. Die Kameraden hatten ihn offensichtlich noch ziemlich genervt, indem sie in seiner Gegenwart immer wieder nach EJ gefragt hatten, weil angeblich ständig jemand Hilfe brauchte. Als er auf die Brücke kam, maulte er jedenfalls herum, dass dieser Wunderknabe doch endlich einmal auftauchen sollte, weil er die Fragen nach ihm schon nicht mehr hören könnte. Swain hatte EJ daraufhin einmal kurz zugeblinzelt.

    Nun balancierte sie fünf volle Kaffeebecher auf einem Tablett und stieg hinauf zur Brücke. Sie wusste noch genau, wie jeder seinen Kaffee trank, nur bei dem für 2Dads hatte sie sich bei Bomber kundig machen müssen. Grinsend verteilte sie nun das Getränk. Buffer nahm seinen Becher als Letzter entgegen.

    „Oh, danke, EJ“, sagte er dabei mit einem Lächeln. „Das haben wir lange vermisst.“

    Im Hintergrund war das Geräusch eines fallenden Bechers und gleich darauf ein herzhafter Fluch zu hören. Erstaunt drehten sich alle zu 2Dads.

    „Du ... Sie ... Sie sind EJ?“, stammelte dieser und versuchte dabei, den heißen Kaffee von seiner Kleidung zu entfernen. „Scheiße, ist das heiß!“

    „Ja, warum?“, erkundigte sie sich harmlos, aber gleich darauf brach sie in Lachen aus, weil sein Anblick zu komisch war. Auch die anderen konnten sich nicht mehr zurückhalten und lachten lauthals los.

    „Ich dachte ... ich wusste nicht, dass EJ eine Frau ist“, versuchte der Seaman zu erklären.

    „Und warum sollte ich keine Frau sein?“, kicherte sie.

    „Es war immer von einem Allroundtalent die Rede, jemand, der fast alles kann. Da dachte ich natürlich ...“

    „... dass das keine Frau sein kann, schon klar“, ergänzte EJ trocken.

    2Dads wurde rot, versuchte aber weiterhin, sich zu verteidigen.

    „Sie haben mich das alle glauben lassen“, redete er sich raus, aber Swain blockte sofort ab.

    „Wir haben nur nicht erwähnt, dass EJ kein Mann ist, den Rest hast Du Dir selbst zusammengereimt.“

    „Kleine Retourkutsche für die vielen kleinen Streiche, die Du uns immer spielst. Jetzt kannst Du selbst sehen, wie Du da wieder raus kommst“, feixte Spider.

    „Tja, Kosov-Meyer, an Ihrer Stelle wäre ich ab jetzt vorsichtig“, grinste Buffer. „Mit EJ ist in dieser Hinsicht nicht gut Kirschen essen.“

    „Ach, hab ich schon erwähnt, dass sie unsere Spezialistin für Zerrungen, Verrenkungen und Muskelkrämpfe ist?“, schob Swain noch grinsend nach. „Sie kennt da ein paar ganz fiese Behandlungsmethoden.“

    „Ich glaub, ich hab mich verbrannt“, jammerte Leo.

    „So? Also, an dieser Stelle sollte sich das lieber Swain ansehen“, feixte EJ und verließ dann die Brücke, um Bomber Bericht zu erstatten. Hinter sich hörte sie noch, wie die Männer den unglücklichen Seaman weiter aufzogen.


    ***


    EJ gewöhnte sich schnell an ihre neuen Wachkameraden. Sie führte auch die regelmäßigen Massagen wieder ein, die die Mannschaft so schmerzlich vermisst hatte. Sie wusste noch genau, welche Kameraden eine Behandlung so lange wie möglich hinauszögerten und bat diese als Erste zu einer Untersuchung. Nur in wenigen Fällen musste sie ihre Autorität als Sanitäterin ausspielen und nur ein Mann musste von Swain zur Untersuchung gezwungen werden. Buffer versuchte, sich mit allen Mitteln dagegen zu wehren, aber EJ wusste, dass gerade er vermutlich eine Massage am Nötigsten haben würde. Wie sie erwartet hatte, war sein Rücken hart wie ein Brett. Auf ihre Fragen hin gab er zu, die morgendlichen Übungen wieder eingestellt zu haben, als sie nicht mehr an Bord war. Er leugnete allerdings, Rückenbeschwerden zu haben. Einige gezielte Griffe EJs ließen ihn jedoch vor Schmerz zusammenzucken.

    „Ach ja, Dir tut überhaupt nichts weh? Dass ich nicht lache“, schimpfte sie ihn aus.

    „Wenn Du da nicht herumdrückst, geht’s mir gut“, behauptete er störrisch.

    „Bis zum nächsten Hexenschuss“, meinte sie. „Los, ruhig sein und hinlegen.“

    Aufsässig blieb er stehen und sah sie an. Sie hob jedoch nur eine Braue und versperrte ihm den Weg aus dem Raum. Schließlich gab er mit einem Seufzer nach, zog sich das Shirt über den Kopf und tat, wie sie ihm gesagt hatte. Behutsam begann EJ, seine Muskeln zu lockern. Sie wusste, dass die Prozedur teilweise schmerzhaft für ihn war, aber er gab keinen Laut von sich.

    „Willst Du mir Konkurrenz machen?“, fragte sie scherzhaft, als sie wieder einmal in die Tiefe gehen musste. „Ich weiß, dass das weh tut. Wenn Du Dich ein wenig entspannst, ist es besser.“

    Buffer antwortete nicht, aber sie merkte, dass er sich um Entspannung bemühte. Am Ende schien er erschöpfter zu sein als sie.

    „Und, wie geht es Dir jetzt?“, erkundigte sie sich und wusch sich die Hände.

    „Reine Folter“, meinte er stöhnend.

    „Nur, bis die Muskeln wieder in Ordnung sind. Du kommst jetzt eine Woche lang täglich zur Massage und nimmst Deine Rückenübungen wieder auf, verstanden? Falls nicht, kann Swain Dich dienstuntauglich erklären.“

    „Ja, ich hab verstanden. Du kannst eine richtige Hexe sein, EJ, weißt Du das?“

    „Alles nur zu Deinem Besten“, erwiderte sie schnippisch und entließ ihn endlich.


    Die Reaktion von 2Dads war so vorhersehbar wie der nächste Feiertag. Als er Wind von EJs Tätigkeit bekam, versuchte er, seine Kameraden auszuhorchen.

    „Was denn, wir haben eine Masseuse an Bord?“, fragte er verblüfft und begeistert.

    „Halt Dich zurück, 2Dads. Sie ist Physiotherapeutin, nicht Masseuse“, wurde er sofort von RO belehrt.

    „Wenn Du sie auch nur ein kleines bisschen anmachst, landest Du so schnell im Wasser, dass Du nicht mal „Hilfe“ piepsen kannst“, bestätigte Spider.

    Auch Seaman Monroe und die übrigen Kameraden warfen Leo finstere Blicke zu.

    „Kannst froh sein, dass Bomber Dich nicht gehört hat“, fügte Smith hinzu.

    Leo merkte, dass er sich auf dünnem Eis bewegte, und schaltete einen Gang zurück.

    „Schon gut, sorry, dass ich das verwechselt hab. Aber ... sie massiert wirklich nur den Rücken?“, konnte er sich dennoch nicht verkneifen.

    Buffer, der gerade an der offenen Mannschaftsmesse vorbei gegangen war, blieb abrupt stehen.

    „Kosov-Meyer, zu mir!“, donnerte er.

    Kleinlaut erhob sich der Seaman und trat auf den Gang. Er sah sich einem sehr wütenden Bootsmann gegenüber.

    „Ich warne Sie nur dieses eine Mal, Seaman“, fauchte Buffer ihn an. „Sollte ich jemals wieder eine respektlose Bemerkung über EJ hören, sorge ich dafür, dass Sie fliegen, und zwar in hohem Bogen, ist das klar?“

    „Sonnenklar, Sir“, erwiderte 2Dads mit versteinerter Miene und stand stramm. Er wusste zwar nicht, warum die gesamte Mannschaft so besorgt um die Kameradin war, aber er akzeptierte, dass er mit ihr wohl keine Scherze treiben durfte.

    Mit einem letzten finsteren Blick ließ Buffer ihn stehen und stampfte davon. Erleichtert darüber, dass er so vergleichsweise gut davongekommen war, ließ 2Dads seine Schultern nach vorn sacken und ging zurück in die Messe. Ein Blick auf seine Kameraden zeigte ihm jedoch, dass alle der gleichen Meinung waren wie der Bootsmann.


    ***


    Swain und EJ setzten in der nächsten Zeit alles daran, dass die Mannschaft der Hammersley die gesündeste der ganzen Flotte wurde. Zumindest kam es der Crew so vor, denn EJ bemühte sich nicht nur um die Gesundhaltung, sondern auch um die Vorbeugung von Krankheiten. Sie brannte darauf, ihre Kenntnisse aus dem Lehrgang in die Praxis umzusetzen und hielt sogar Vorträge. Allerdings wurde sie selbst zum Ziel gutmütigen Spotts, als sie sich eine hartnäckige Erkältung zuzog. Dies hielt sie bei einem Einsatz, in dem es um das Leben eines Kindes, das an der Dekompressionskrankheit litt, davon ab, mit dem Jungen auf die ursprüngliche Tauchtiefe zu gehen, um den Druck beim Auftauchen langsam zu normalisieren. Es blieb Swain und Fulton Campbell, einem alten Bekannten, den die Mannschaft in schlechter Erinnerung hatte, der jedoch die nötige Ausrüstung auf seinem Boot besaß, vorbehalten, das Leben des Jungen zu retten.

    Das Bordleben hatte sich normalisiert. 2Dads hatte ein paar Mal versucht, auf seine Art mit EJ zu flirten, aber sie hatte ihm bei einer Massagebehandlung klar gemacht, dass sie, außer dem medizinischen, keinerlei Interesse an ihm hätte und er ihr sowieso viel zu jung wäre. Das hatte zwar sein Ego ein wenig getroffen, aber von da an respektierten sie einander als Bordkameraden.

    EJs Verhältnis zu Buffer blieb kühl. Bei Landgängen achtete er auf sie, so wie früher, aber er versuchte nicht, sich ihr zu nähern oder ein privates Gespräch mit ihr zu beginnen. Sie selbst beobachtete, dass er sich Nav gegenüber sehr aufmerksam verhielt, und fühlte sich bestätigt. Auch wenn er ihr versichert hatte, dass sie ihn nie würde freigeben können, innerlich hatte sie dies bereits getan. Sie wollte sich allerdings nicht eingestehen, wie sehr sie sein Verhalten schmerzte und wie verlassen sie sich fühlte.

    Eines Tages beobachtete sie, wie Buffer und Nav sich auf dem Achterdeck unterhielten. Die Szene wirkte sehr vertraulich und am Ende umarmten die beiden sich. Verletzt zog EJ sich zurück. Sie konnte nicht wissen, dass es bei diesem Gespräch um sie gegangen war.
    Es hatte damit begonnen, dass Nikki einen Augenblick abgepasst hatte, in dem sie den Bootsmann allein antraf. Sie hatte das Gefühl, dass ihn etwas beschäftigte, und wollte versuchen, ihm zu helfen. Er war nach ETs Tod für sie da gewesen, nun wollte sie ihm etwas davon zurückgeben.

    „Sie scheinen in letzter Zeit ein wenig bedrückt“, begann sie das Gespräch, nachdem sie ihm zum Achterdeck gefolgt und eine Weile neben ihm aufs Meer gestarrt hatte.

    Er wandte den Kopf und sah sie an. Buffer konnte nur ehrliches Interesse in ihrem Blick sehen und seufzte. Es fiel ihm schwer, in Worte zu fassen, was ihn bewegte, aber er fand es nur fair, dass gerade Nav auf ihn zukam.

    „Ja, ich habe ein Problem“, gestand er endlich.

    „Es ist EJ, nicht wahr?“, fragte sie mitfühlend.

    „Ist das so deutlich?“

    Sie schüttelte den Kopf.

    „Nein, ganz und gar nicht. Es ist nur ... Ich habe, glaube ich, ein Gespür dafür entwickelt, seit ...“ Sie brach ab und blickte hinaus auf die See. „Wissen Sie, ich frage mich wirklich, was passiert ist. Sie beide gehören zusammen, das spürt fast jeder hier an Bord. Aber nun ... plötzlich scheinen Sie sich fremd ...“

    „Es ist etwas kompliziert, Nikki. Verstehen Sie mich nicht falsch, aber ... nun ja, EJ ist der Meinung, dass ich noch immer in Sie verliebt bin.“

    Verblüfft drehte sich die Navigatorin um und sah ihn an.

    „Wie bitte? Aber wie kommt sie denn auf so etwas?“ Als er bedeutungsvoll schwieg, fiel ihr plötzlich ein, was er meinte. „Nur weil Sie sich um mich gekümmert haben? Das ist doch absurd. Sie waren ein Freund, als ich einen brauchte, aber das ... ich habe nie mehr darin gesehen.“

    „Ich auch nicht, aber EJ ...“

    Prüfend sah Nikki ihn an. Seine bedrückte Stimme verriet ihr mehr, als ihm bewusst war.

    „Sie lieben sie sehr, nicht wahr?“, fragte sie leise. „Wissen Sie, EJs Verhalten erinnert mich an etwas. Können Sie sich noch entsinnen, wie das damals zwischen uns war?“

    Als er zögernd nickte, fuhr sie fort:

    „Sie haben mich damals gehen lassen, weil Sie wussten, dass ich Sie nicht liebe. Ich habe Sie immer respektiert und als einen guten Freund angesehen. Sie ließen mich aus Liebe los, war das nicht so?“

    „Liebe kann man nicht erzwingen“, sagte er leise. „Was hätte ich denn tun können?“

    „Genau, Buffer. Und nun versuchen Sie mal, EJs Verhalten in diesem Licht zu sehen. Es ist zwar nicht dasselbe, aber die Situationen ähneln sich, zumindest aus EJs Sicht.“

    Nachdenklich blickte der Bootsmann sie an.

    „Sie denken, sie will mich gehen lassen, weil sie glaubt, dass ich nicht sie, sondern Sie, Nikki, liebe?“

    „Zumindest wäre das eine Erklärung, meinen Sie nicht auch?“

    Ohne eine Antwort zu geben, drehte er sich um und sah auf die Wellen. Ja, es war eine Erklärung, nur wäre er nie von selbst darauf gekommen. Er wusste ja, dass nichts daran war. Er liebte nun einmal nur EJ und sie würde er niemals gehen lassen. Er würde um sie kämpfen, denn sie war die einzige Frau, die er sogar heiraten würde.

    „Und was soll ich Ihrer Meinung nach nun tun?“, wandte er sich wieder an die Navigatorin. „Sie sind eine Frau, Sie wissen vielleicht eher, wie ich sie überzeugen kann.“

    „Im Augenblick können Sie nicht viel tun, Buffer, außer abzuwarten. Behandeln Sie EJ wie immer, besser, so wie früher. Sie muss erkennen, dass Sie für sie da sind. Sie müssen zugeben, dass Sie sie in letzter Zeit ein wenig vernachlässigt haben. Da musste sie ja auf solche Gedanken kommen.“

    „Sie hat mich ausgeschlossen. Mit einem Mal hat sie das getan. Ich wusste nicht, warum. Ich war völlig verwirrt“, gab er zu.

    „Soll ich mal versuchen, mit ihr zu reden?“, bot Nikki an. „Wenn sich eine Gelegenheit ergibt ...“

    „Ich weiß nicht, ob das etwas bringt. Gerade wenn Sie ...“

    „Ich denke, eben deshalb wird sie es eher akzeptieren. Lassen Sie mich nur machen.“

    Dankbar zog Buffer sie in die Arme.

    „Sie sind eine wirkliche Freundin, Nikki“, meinte er.

    „Schon gut, das tu ich gerne“, gab sie zurück und erwiderte seine freundschaftliche Geste.

    Als sie sich wieder voneinander lösten und ins Schiffsinnere zurück gingen, war von EJ nicht das Geringste mehr zu sehen.



    tbc.
    Geändert von Zeson (16.07.2013 um 08:27 Uhr)

  27. Danke sagten:


  28. #35
    First Lieutenant Avatar von Zeson
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    Vielen Dank an meine Leser, besonders an Evaine und Galaxy, die nach wie vor bestätigen, dass ihnen meine Geschichte gefällt.

    Weil das nächste Kapitel ein sehr langes ist (ich glaube, das längste der ganzen Story), füttere ich Euch bereits heute morgen damit (auf dass es bis zum WE verdaut werden kann ... )

    Also weiter mit






    Kapitel 26: Victory Day Island


    HMAS Hammersley, 11:35 Uhr Vormittagswache, Halfway Island


    „Uff, bin ich geschafft!“ Aufstöhnend ließ Bomber sich in den Sand fallen. „Football ist einfach nicht mein Sport.“

    „Warum hast Du Dich auch dazu überreden lassen?“, grinste EJ. „Ich fand es jedenfalls im Wasser schöner.“

    „Ja, Du“, erwiderte Bomber kopfschüttelnd. „Du bist ja auch schon ein halber Fisch. Lass mal sehen, sind Dir inzwischen schon Schwimmhäute gewachsen?“

    Sie zog eine Hand ihrer Freundin heran und tat so, als untersuche sie diese aufmerksam.

    „Nein, zum Glück scheint das noch nicht der Fall zu sein“, kommentierte sie dann.

    Lachend entzog EJ ihr die Hand und fuhr ihr damit kurz durch die Haare.

    „Was Du für Ideen hast“, meinte sie dazu. „Sag mal, wann gibt es eigentlich was zu essen? Allmählich bekomme ich Hunger.“

    „Da darfst Du nicht mich fragen“, antwortete die Köchin. „Das haben heute die Jungs übernommen. „Grillen ist Männersache“, haben sie gesagt. Na, ich bin ja mal gespannt ...“

    Sie streckte sich im Sand aus und stützte sich auf die Ellbogen. Gemeinsam sahen sie hinüber, wo Swain und Buffer sich um den Grill kümmerten. Charge stand daneben und schien den beiden Kameraden gute Ratschläge zu erteilen.
    Buffers neues Tattoo prangte unübersehbar und farbenprächtig auf seiner linken Schulter und entlockte EJ ein Schmunzeln. Sie erinnerte sich daran, wie sie sich das Lachen verkneifen musste, als sie es zum ersten Mal sah. Die Wahl des Motivs an sich war für Buffer schon ziemlich ungewöhnlich: ein Herz mit einer Schlange und einem Band mit Schriftzug. Das Beste daran war allerdings das gewesen, was auf dem Band zu lesen gewesen war. Die Schrift war in der Zwischenzeit zwar unkenntlich gemacht worden, aber vor Kurzem hatten dort noch die Buchstaben „XO“ gestanden.
    Das Ganze war auf einen betrunkenen Streich zurückzuführen, den Spider dem Bootsmann gespielt hatte. Eigentlich hätte er sich ebenfalls ein Tattoo stechen lassen sollen, aber nachdem Buffer in seinem Rausch auf dem Stuhl des Tätowierers eingeschlafen war, noch bevor dieser angefangen hatte, hatte der junge Seaman kräftig bei der Auswahl des Motivs mitgemischt und ein ordentliches Extrageld dafür bezahlt. In seinem benebelten Zustand hatte er es für einen großartigen Spaß gehalten, aber als Buffer am Ende dahintergekommen war und sich rächte, indem er ihm Extradienste aufbrummte, fand er diese Idee plötzlich nicht mehr so gut.
    Am Peinlichsten an der ganzen Sache war Kates Reaktion auf die Tätowierung gewesen. Sie hatte sich einige Zeit sehr reserviert dem Bootsmann gegenüber gezeigt, obwohl er ihr zu erklären versuchte, dass Spider sich nur einen Scherz mit ihm erlaubt habe. Am Ende waren sich die beiden aber wieder einig und es kostete den jungen Seaman noch einige Runden Drinks, bevor ihm die Sache verziehen worden war.

    „Ich war heute gerade mal gut genug, um die Brötchen aufzubacken und den Salat zu machen“, unterbrach Bomber EJs Gedankengang gespielt gekränkt.

    „Lass sie doch. Männer brauchen nun einmal etwas, womit sie spielen können“, erwiderte EJ und streckte sich ebenfalls aus. „Hauptsache, das, was dabei herauskommt, ist genießbar.“

    „Das will ich doch hoffen! Aber keine Sorge, das machen sie nicht zum ersten Mal.“

    „Ob die das noch vor der Wachablösung hinkriegen?“, zweifelte EJ.

    „Wenn nicht, bringen wir eben was hinüber zum Schiff“, meinte Bomber. „Es muss ja sowieso nur eine Ankerwache an Bord sein.“

    „Ich bin ganz froh, dass RO sich da freiwillig gemeldet hat.“

    „Er hält nicht viel von Strandspielen“, informierte Bomber sie. „Er ist in der Hinsicht ein wenig seltsam.“

    „Nicht nur in dieser ...“

    Sie sahen einander an und brachen dann in Lachen aus.

    „Ja, er ist schon ein merkwürdiger Kauz“, sagte Bomber, als sie sich wieder beruhigt hatten. „Manchmal verstehe ich ihn einfach nicht.“

    „Männer ...“, bemerkte EJ leicht abfällig.

    „Ach, nicht alle sind so.“

    „Wenn Du meinst?“

    „Na ja, an Bord haben wir eigentlich ein paar ganz brauchbare Exemplare, findest Du nicht?“

    Bomber blinzelte EJ verschwörerisch zu. Gleich darauf lachten beide wieder los.

    In dem Moment spritzte der Sand neben ihnen auf und der Football eierte an ihnen vorbei.

    „... und einige weniger brauchbare“, ergänzte EJ daraufhin trocken.

    „Hey, Jungs“, fuhr Bomber empört auf. „Lasst den Quatsch!“

    Spider und 2Dads, die dem Ball nachgerannt waren, tobten nun um die beiden Frauen herum und bespritzten sie dabei mit Sand.

    „He, es reicht!“, rief die Köchin. „Der Spielplatz ist dort drüben auf der anderen Seite. Macht, dass ihr wegkommt!“

    „Nun hab Dich doch nicht so“, grinste Spider, „mach lieber mit.“

    „Nein danke, ich hatte das Vergnügen bereits. Ihr stört!“

    „Ja, Jungs, Mädelsrunde“, grinste EJ. „Oder wollt Ihr Euch mit uns über Schuhe und Klamotten unterhalten?“

    2Dads warf ihr einen entsetzten Blick zu und zog Spider dann mit sich.

    „Komm, wir sind hier eindeutig überflüssig“, meinte er und rannte dann wie gehetzt davon. Das Gelächter der beiden Frauen verfolgte ihn.

    Am Grill beobachteten Buffer und Swain grinsend den Abgang der beiden jungen Seamen.

    „Ich konnte zwar nicht verstehen, was EJ zu 2Dads gesagt hat, aber es hatte offenbar eine durchschlagende Wirkung“, stellte Swain fest.

    „Ja, sie wird mit dem kleinen Draufgänger spielend fertig“, nickte Buffer.

    „Er ist ja auch vergleichsweise harmlos“, beschied Charge.

    Einen Moment sahen sich die Männer bedeutungsvoll an, jeder dachte an jenen anderen Seaman, der längst nicht so ungefährlich gewesen war.

    „Eigentlich hat es mich gewundert, dass sie so locker mit ihm umgeht“, bemerkte der Bootsmann schließlich.

    „EJ hat sich großartig entwickelt, seit sie auf der Hammersley ist“, bestätigte Swain.

    Buffer seufzte auf und warf einen sehnsüchtigen Blick hinüber zu den beiden jungen Frauen. Swain und Charge sahen sich nur an und beschlossen dann einmütig, das Thema zu wechseln.

    „Was meinst Du, sind die Würstchen bald fertig?“, fragte Andy harmlos.


    ***


    Nach dem Essen hätten sich die Damen am liebsten faul in den Sand gelegt, aber die Männer ließen das nicht zu und organisierten ein Volleyball-„netz“. Es bestand aus einer Schnur, die an zwei improvisierten „Pfosten“ quer über den Strand gespannt wurde. Es wurden Teams gebildet und schon begann ein Beachvolleyball-Match. Aus der anfänglichen Unlust wurde bald Begeisterung und selbst Kate hechtete dem Ball nach und holte Punkte für ihre Mannschaft. Bomber erwies sich als geschickte Spielerin und auch EJ und Nav standen ihr in nichts nach. Je länger das Turnier dauerte, umso verbissener kämpften die Mannschaften. Schließlich fand das Spiel ein abruptes Ende, als EJ und 2Dads nach dem gleichen Ball hechteten und die junge Frau über das ausgestreckte Bein Leos stolperte. Sie fiel der Länge nach in den Sand und ein scharfer Schmerz durchzuckte ihren rechten Knöchel. Fluchend und lachend zugleich rappelte sie sich auf, aber sie merkte sofort, dass sie gar nicht erst den Versuch zu machen brauchte, aufzustehen. Vorsichtig tastete sie das Gelenk ab, aber sie war nicht sicher, ob es nur verstaucht, gezerrt oder sogar gebrochen war. Als 2Dads ihr entschuldigend die Hand reichte, um ihr aufzuhelfen, grinste sie ihn kopfschüttelnd an.

    „Sorry, Kumpel, Du hast gerade unsere Mannschaft aus dem Turnier katapultiert.“

    „Wie meinst Du das?“, fragte er verblüfft.

    „Tja, leider scheint der Knöchel hin zu sein. Aber mach Dir nichts draus, beim nächsten Mal gewinnen wir.“

    Er starrte sie fassungslos an, wie sie da so ruhig im Sand saß, ein Bein angewinkelt und den Arm darauf gelegt, das andere weit ausgestreckt. Inzwischen waren die Kameraden darauf aufmerksam geworden, dass etwas nicht stimmte, und umringten die beiden.

    „Was ist los, EJ?“, fragte Buffer besorgt.

    „Nur der Knöchel, nichts Ernstes“, beruhigte sie ihn.

    „Lass mal sehen“, meinte Swain und hockte sich neben sie. „Der rechte?“

    Als sie nickte, untersuchte er das Gelenk behutsam. Dennoch schmerzte es höllisch und EJ biss die Zähne zusammen. Es fiel ihr schwer, die kontrollierten Atemübungen zu machen, aber sie gab keinen Ton von sich.

    „Wir sollten Dich zurück aufs Schiff bringen“, urteilte Swain schließlich. „Er könnte auch gebrochen sein.“

    „Ach Quatsch“, wehrte sie ab, „ich will Euch doch nicht den Tag verderben. Bringt mich einfach ans Wasser, da kann ich den Fuß schon mal kühlen.“

    „Ich fürchte, daraus wird nichts“, mischte Mike sich ein. „RO hat mich gerade eben davon unterrichtet, dass unsere Hilfe benötigt wird. Ein ziviler Hubschrauber hat ein Mayday gesendet und Schwierigkeiten gemeldet, bevor der Kontakt abbrach. Wir sind am Nächsten dran, also sollten wir uns beeilen.“

    Sein Blick drückte das Bedauern aus, den freien Tag abbrechen zu müssen. Er wusste jedoch, dass er sich auf seine Mannschaft verlassen konnte, die sofort von Freizeitvergnügen auf Pflichterfüllung umschaltete. In kürzester Zeit war alles eingesammelt und in den Booten verstaut, dann ging es zurück zum Schiff. Swain half EJ, während Buffer darauf achtete, dass nichts vergessen wurde. Bomber stützte ihre Freundin auf der anderen Seite und gemeinsam hoben sie die Verletzte ins Boot.

    „Verdammt, dass so etwas gerade wieder einmal mir passieren muss“, schimpfte sie.

    „Jetzt hör schon auf. Das hätte jedem zustoßen können“, beruhigte Bomber sie. Sie machte sich größere Sorgen, als sie zeigte. Mit inzwischen geübtem Auge bemerkte sie, dass EJ kontrolliert atmete und das verriet ihr, dass ihre Freundin sehr große Schmerzen haben musste. Sie wechselte einen besorgten Blick mit Swain, der nur den Kopf schüttelte.

    An Bord der Hammersley wehrte sich EJ dagegen, auf der Trage nach unten transportiert zu werden, aber der Sanitätsoffizier bestand darauf, und als Buffer ihr schließlich befahl, sich tragen zu lassen, gab sie ihren Protest resigniert auf. Es war ihr peinlich, nach einem so lapidaren Sportunfall wie eine Schwerverletzte behandelt zu werden.

    Swain war da völlig anderer Ansicht. Er befürchtete, dass es sich nicht um eine einfache Zerrung oder Verstauchung handelte, zu der EJ es herunterspielen wollte. Sie konnte den Fuß nicht bewegen, was auf einen Bruch hindeutete. Das Einzige, was er in dieser Situation tun konnte, war, das Gelenk fest zu bandagieren und EJ strikte Ruhe anzuordnen. Da er seine Kameradin jedoch kannte, spritzte er ihr außer dem Schmerzmittel auch noch ein leichtes Sedativum. Zur Beobachtung ließ er sie im Sanitätsraum schlafen, denn er war sich nicht sicher, ob sie in ihrer eigenen Koje bleiben würde.


    ***


    Als die Hammersley dem Notruf folgte, stellte sich heraus, dass die letzte bekannte Position des Hubschraubers in der Nähe von Victory Day Island, einer radioaktiv verseuchten Insel, gelegen hatte. Dort waren in den 50er Jahren von der britischen Regierung Atomwaffentests durchgeführt worden. Die Insel war insbesondere für Zivilisten gesperrt, da die Strahlung noch immer gefährlich hoch war.

    Es wurde schnell klar, dass sich der Helikopter, abgestürzt oder notgelandet, auf der Insel befinden musste. Durch die Radioaktivität war jedoch der Funk gestört, sodass man nicht wusste, ob noch jemand am Leben war. Swain bat den CO darum, vom Einsatz freigestellt zu werden, da er die Auswirkung der Strahlung fürchtete. Er und seine Frau wollten gerne ein zweites Kind und bemühten sich bereits seit einiger Zeit vergeblich darum. Ein Einsatz in strahlenverseuchtem Gelände würde die Chancen auf Familienzuwachs womöglich noch weiter verringern. Nach anfänglichem Zögern gestand Mike ihm zu, dass er an Bord bleiben könne, und nahm Bomber mit auf die Insel. EJ stand ja durch ihren Unfall ebenfalls nicht zur Verfügung.

    Der Einsatz dauerte nicht lange. Der Hubschrauber war tatsächlich abgestürzt, aber nur ein Mann konnte lebend geborgen werden. Ein zweiter Mann war bereits tot und der Pilot so schwer verletzt, dass er die Bergungsversuche nicht überlebte, was Bomber sehr mitnahm. Der Verletzte wurde an Bord gebracht und versorgt. Er erwachte kurz aus der Bewusstlosigkeit und konnte Mike mitteilen, dass sich noch eine Frau an Bord befunden habe.

    Die Entscheidung, die Lieutenant Commander Flynn nun zu treffen hatte, gehörte zu den Schwersten in seiner Laufbahn. Er musste seine Crew der Gefahr durch die Strahlung noch einmal aussetzen, um die vermisste Frau zu suchen. Besonders Spider muckte auf, als er feststellte, dass erneut Bomber dem Rettungsteam angehörte und Swain an Bord blieb. Er ließ den Sanitätsoffizier deutlich spüren, was er von dessen Verhalten hielt.

    Die Suche dauerte über eine Stunde, doch schließlich fanden Buffer, XO und Bomber die Frau am Rand des mit Wasser gefüllten Aufschlagkraters. Die Strahlenbelastung war hier besonders hoch, wie ein im Helikopter gefundener Geigerzähler anzeigte.

    Die zurückgebliebene Brückenmannschaft verfolgte gerade mit großer Anspannung den Funkverkehr zwischen den Teams, als ein leises Poltern auf der Treppe Mike herumfahren ließ.

    „EJ, was machst Du denn hier?“, fragte er verblüfft. „Solltest Du nicht ...?“

    „Ich hab es unten nicht mehr ausgehalten und bin Swain entwischt“, erklärte sie und hüpfte weiter die Stufen empor. „Sein Schlafmittel hat nur kurz gewirkt. Ich werde das Bein auch so gut wie gar nicht belasten, versprochen.“

    Kopfschüttelnd beobachtete der CO, wie sie auf die Station des EOG zusteuerte. Der wachhabende Matrose machte ihr Platz und dankbar ließ sie sich auf den Sessel sinken.

    „Gibt es schon was Neues?“, wollte sie wissen.

    „Bomber untersucht die Frau gerade“, erklärte Mike. „Spider ist mit einer Trage auf dem Weg nach oben. Ich hoffe, sie kommen da so schnell wie möglich wieder weg.“

    EJ konnte die Besorgnis in seiner Stimme hören. Aus dem wenigen, was sie dem Funkverkehr hatte entnehmen können, war ihr klar geworden, dass Buffer, Kate und Bomber sich in großer Gefahr befanden. Angespannt versuchte sie, auf dem EOG etwas zu erkennen, aber sie entdeckte lediglich das Beiboot, das am Strand lag.

    „Wo sind sie denn alle?“, murmelte sie.

    „RO sollte beim Boot bleiben“, erwiderte Mike zerstreut.

    „Dort ist er aber nicht.“

    „Was zum Teufel ...?“, fluchte der CO und kam herüber, um einen Blick auf den Bildschirm zu werfen. Dann versuchte er, den Radio Officer über Funk zu erreichen, aber er bekam keine Antwort. Stattdessen war plötzlich die aufgeregte Stimme der XO zu hören.

    „Sir, Bomber ist abgestürzt!“

    „Was ist passiert?“, hakte Mike erschrocken nach.

    „Sie ist über den Rand des Kraters gestürzt und liegt jetzt auf einem Felsvorsprung, etwa 8 Meter unter uns.“

    „Ist sie ...?“

    „Wir wissen nicht, wie es ihr geht. Sie bewegt sich nicht und wir können nicht sehen, ob sie atmet.“

    Mit einer Geste, die an Verzweiflung grenzte, fuhr Flynn sich durch die Haare.

    „In Ordnung, X, wir schicken jemanden mit der Seilwinde hinüber“, entschied er dann. „Charge, Sie gehen ...“

    „Nein, Sir“, fiel ihm Swain ins Wort, als er die Treppe heraufkam und EJ dabei einen wütenden Blick zuwarf, „ich werde gehen.“

    „Aber ... sind Sie sicher, dass Sie das wollen?“, hakte Mike zweifelnd nach.

    „Eigentlich sollte sowieso ich dort drüben sein, Sir“, nickte er. „Ich bin sicher.“

    Aufstöhnend schlug EJ die Hände vors Gesicht.

    „Wenn dieser verdammte Unfall nicht gewesen wäre ...“

    „Lass, Du kannst nichts dafür“, meinte Swain und drückte ihre Schulter. „Ich weiß, dass Du sonst diesen Einsatz übernommen hättest.“

    „Dann läge Bomber jetzt nicht dort ...“

    „... sondern vielleicht Du“, unterbrach er sie. „Das ist einfach Schicksal.“ Er wandte sich zur Treppe, sah sie aber dann noch einmal an. „Schon Dein Bein, hörst Du? Ich habe schon genug Patienten.“

    Sie nickte und blinzelte die Tränen aus ihren Augenwinkeln. Sie durfte jetzt ihren Gefühlen nicht nachgeben.

    Auf dem EOG beobachtete sie, wie Swain zur Insel gebracht wurde. Als er den Strand hinaufging, kamen ihm plötzlich Nav und 2Dads entgegen, die einen angeschlagenen RO zwischen sich stützen. Nach einer kurzen Diskussion nahm 2Dads die Tasche mit dem Windengestänge und folgte Swain, während Nav mit dem Funker in das zweite Beiboot kletterte und sich zum Schiff zurückbringen ließ.

    „Ich gehe nach unten und kümmere mich um RO“, verkündete EJ und humpelte zur Treppe. Jeder Schritt sandte Wellen des Schmerzes durch ihren Körper, aber sie ließ sich nichts anmerken. Die anderen hatten bereits genügend Sorgen.

    Während sie den verrenkten Knöchel des Radio Officers verarztete, lauschte sie dem, was er zu erzählen hatte. Anscheinend hatte er eine Gestalt bemerkt, die vor ihm davon gelaufen war. Als er ihr folgte, verfing er sich in einer Schlingfalle und hing eine ganze Weile kopfüber von einem Baum, bis Nav und 2Dads ihn befreit hatten.

    Es dauerte nicht mehr lange, bis auch die gerettete junge Frau, die sich als Jessica Taylor vorstellte, auf dem Schiff eintraf. Sie hatte sich ebenfalls das Fußgelenk verletzt und EJ versorgte sie, so gut sie konnte.

    „Aller guten Dinge sind drei“, meinte sie dabei lakonisch.

    Schließlich hielt sie es jedoch nicht mehr aus und humpelte erneut zur Brücke. Ein Blick zu Uhr hatte ihr gezeigt, dass die „sichere“ Zeit bereits längst um war. Buffer, Kate, Spider und Bomber waren der Strahlung schon länger ausgesetzt, als gut für sie war. Als EJ die Brücke erreichte, brüllte Mike gerade ins Funkgerät und wiederholte den Befehl, sofort die Insel zu verlassen. Er bekam jedoch keine Antwort.

    „Verdammt“, fluchte er und versuchte es noch einmal. „Swain, bestätigen Sie, dass Sie meinen Befehl gehört haben! Swain, bestätigen ... Buffer? XO? Hört mich jemand? Bestätigen Sie den Befehl!“

    Eine geraume Zeit war nur statisches Rauschen zu vernehmen, dann kam Kates Stimme durch.

    „XO an Hammersley, wir ziehen Bomber jetzt nach oben.“

    Mikes erleichtertes Aufseufzen stockte, als ein Schrei ertönte.

    „Das Seil ist gerissen, Sir. Sie sind ins Wasser gestürzt.“

    „Wiederholen Sie das, X. Wie war das?“, hakte er entsetzt nach.

    „Sir, beim Hochziehen ist das Seil gerissen. Bomber und Swain sind in den Krater gestürzt.“

    Schockiertes Schweigen hüllte die Brückencrew ein. EJ schlug die Hand vor den Mund und verlagerte unwillkürlich das Gewicht auf das verletze Bein. Ihr leises Aufstöhnen weckte Charges Aufmerksamkeit und er drängte sie in den Sitz des Funkers.

    „Verdammt, Mädchen“, murmelte er dabei und schüttelte missbilligend den Kopf.

    „Wir sind auf dem Weg nach unten“, ließ sich Kate vernehmen. „Ich hoffe nur ...“

    Wieder blieb nichts anderes als abzuwarten, bis Buffer sich meldete.

    „Wir haben sie gefunden. Es geht ihnen so weit gut“, verkündete er nach einer Weile erleichtert.

    „Gott sei Dank“, entfuhr es Mike. „Gehen Sie so schnell wie möglich zum Strand. Ich schicke Ihnen 2Dads mit dem Beiboot.“

    „Verstanden. Wir brechen zum Strand auf“, bestätigte der Bootsmann.

    „Sir, es muss hier noch jemanden geben“, meldete X. „Wir haben Fußspuren gefunden und irgendwer hat Bomber aus dem Wasser gezogen.“

    „Darum können wir uns im Moment nicht kümmern, X“, bestimmte Mike. „Sie waren bereits zu lange der Strahlung ausgesetzt. Kommen Sie zurück an Bord, so schnell es geht.“

    „Jawohl, Sir, verstanden.“

    Mike ließ das Funkgerät sinken, lief aber unruhig auf und ab wie ein eingesperrter Tiger. Er verfolgte, wie 2Dads das Beiboot zum Strand lenkte, und blickte immer wieder durchs Fernglas.

    „Da sind sie“, sagte er schließlich aufatmend. EJ streckte sich ein wenig, um auf das EOG sehen zu können, das auf den Strand ausgerichtet war. Sie konnte erkennen, wie Buffer und Swain Bomber zwischen sich zum Boot trugen. Dann allerdings wandte Kate sich um und auch 2Dads deutete in den Dschungel.

    „Sir, da ist jemand“, meldete sich XO. „2Dads und ich werden nach ihm suchen. Wir können niemanden auf dieser Insel zurücklassen.“

    Ohne eine Antwort abzuwarten, liefen die beiden zurück in den Urwald.

    „X“, rief der CO in sein Funkgerät. „Lassen Sie ...“ Dann unterbrach er sich, seufzte auf und rief sie dann noch einmal. „In Ordnung, X, aber beeilen Sie sich.“

    Er bekam keine Rückmeldung und konnte wie die anderen nur erneut abwarten. Es dauerte fast eine viertel Stunde, bis er seine zwei Besatzungsmitglieder wieder auf den Strand kommen sah. Mit ihnen kam ein Mann in zerlumpter Kleidung. Der Gestik nach zu urteilen sprach der Mann kein Englisch. Er schien jedoch zu verstehen, dass man ihn von der Insel retten wollte, denn er kletterte bereitwillig ins Boot.

    „Wir lichten Anker, sobald das Beiboot wieder an Bord ist“, bestimmte der CO. „Und Du, EJ, machst jetzt besser, dass Du von der Brücke kommst. Wenn Swain Dich hier erwischt ...“

    Mit einem leichten Grinsen nickte sie und ließ sich von Charge aufhelfen.

    „Aye, Sir“, meinte sie und hüpfte mühselig die Treppe hinab. Es war vermutlich wirklich besser, wenn der Sanitätsoffizier sie nicht erst hier abholen musste. Außerdem schmerzte ihr Knöchel höllisch und sie war froh, als sie den Mannschaftsraum erreicht hatte. Aufatmend ließ sie sich auf die Bank fallen, setzte sich in die Ecke und legte das Bein hoch. Sie lehnte sich zurück und stützte den Kopf an die Wand. Schuldgefühle stiegen in ihr hoch, als sie daran dachte, dass ihre Kameraden so lange der Strahlung ausgesetzt gewesen waren. Selbst Mike hatte sich auf die Insel begeben. Eigentlich wäre die Bergung der verletzten Frau aus dem Helikopter ihre Aufgabe gewesen. Wäre doch nur dieser dumme Unfall nicht passiert, ausgerechnet heute.

    Sie sah auf, als draußen Bomber vorbei in den Sanitätsraum getragen wurde. Die Köchin stöhnte vor Schmerzen und atmete flach. EJ erhob sich sofort und hüpfte hinterher.

    „Kann ich was tun?“, fragte sie, als sie die anderen eingeholt hatte.

    „Eigentlich nicht, außer hierzubleiben und auf sie achtzugeben. Wir müssen erst einmal an Deck“, erwiderte Swain. „Eigentlich sollten auch Bomber und Miss Taylor unter die Dusche zur Dekontaminierung ...“

    „Macht, dass Ihr nach oben kommt“, nickte EJ. „Ich passe schon auf die beiden auf.“

    Sie humpelte mühevoll zu ihrer Freundin, als die Männer den Raum verlassen hatten.

    „Verdammt, was machst Du denn für Sachen?“, murmelte sie und strich ihr die Haare aus dem Gesicht.

    „War bestimmt keine Absicht, dafür schmerzt es zu sehr“, erwiderte diese mit einem verzerrten Grinsen. „Als sie mich das erste Mal hochziehen wollten, hab ich keine Luft mehr bekommen. Swain hat das aber wieder hingekriegt.“

    Sie deutete auf eine kleine Kanüle, die unterhalb des linken Schlüsselbeins aus ihrer Brust ragte.

    „Mist, eigentlich solltest Du unters fließende Wasser“, fluchte EJ. „Ob das mit dem Ding geht?“

    „Sicher, schließlich war ich ja schon im Wasser und es ist gut gegangen. Hilf mir mal hoch.“ Bomber setzte sich mühsam auf. „Gemeinsam schaffen wir es bis unter die Dusche.“

    „Warte mal kurz“, stoppte EJ den Eifer der Köchin und wandte sich zu der jungen Frau, die alles schweigend und mit großen Augen beobachtet hatte. „Kommen Sie, Miss Taylor, sie waren ebenfalls zu lange der Strahlung ausgesetzt.“

    Zögernd deutete die Frau auf ihr Bein.

    „Kann ich denn mit diesem Verband ...? Und wie soll ich überhaupt dorthin kommen?“

    „Um den Verband kümmere ich mich, wir stülpen einfach eine Plastiktüte darüber und machen es wasserdicht. Und wenn Sie hüpfen, so wie ich, und das Bein nicht belasten, schaffen Sie es auch bis zur Dusche.“

    Sie machte ihr vor, wie sie sich bewegen sollte und zögernd erhob sich Jessica. Langsam machten sie sich auf den Weg. Die Kabinen lagen ein Deck tiefer und an der Treppe bekamen sie Schwierigkeiten. Zum Glück begegneten sie Nav, die sofort ihre Hilfe anbot, als sie hörte, worum es ging.

    „EJ, Sie und Bomber gehen in ihre Kabine, Miss Taylor kommt mit in meine“, bestimmte sie und stützte die junge Frau. Dankbar nickte EJ. Sie wollte nicht zugeben, dass ihr der Weg fast zu lang wurde.

    „Komm, das letzte Stück schaffen wir auch noch“, meinte Bomber und umfasste ihre Hüfte.

    Sich gegenseitig stützend erreichten sie schließlich ihr Quartier. Aufatmend ließen sie sich auf Bombers Koje fallen.

    „Los jetzt, raus aus den Klamotten“, diktierte EJ, als sie wieder etwas zu Atem gekommen waren, „und dann ab unter die Dusche. Nicht zu warm und mindestens für 10 Minuten. Wasch Dir die Haare ...“

    „Hey, ich weiß auch, was ich zu tun habe“, begehrte Bomber auf. „Ich hab ebenfalls ein Notfalltraining hinter mir, wie jeder hier auf dem Schiff.“

    „Gut, dann beeil Dich. Ich werde so lange schon mal Deine Klamotten in die Wäsche bringen.“

    Sie versicherte sich, dass es Bomber gut genug ging, um sie allein zu lassen, dann sammelte sie deren Kleidung ein und verließ die Kabine. Auf dem Weg zum Wäscheraum klopfte sie bei Nav an und nahm auch Miss Taylors Sachen mit. Dort angekommen bemerkte sie, dass auch die Männer bereits ihre verstrahlte Kleidung hergebracht hatten. Sie füllte die Maschine, stellte sie an und überlegte dabei, ob sie nicht gleich hier warten sollte, bis die Kleidung gewaschen war. Es würde ihr einen Weg ersparen. Dann aber fiel ihr Bomber unter der Dusche ein und sie machte sich auf den Rückweg.
    Obwohl die zehn Minuten bereits um waren, lief die Dusche immer noch. Besorgt warf sie einen Blick in die Nasszelle, aber der jungen Köchin schien es gut zu gehen.

    „Ich komme gleich“, rief sie, als sie EJ bemerkte, und drehte das Wasser ab. „Reich mir doch bitte mal ein Handtuch.“

    Grinsend tat sie dies, dabei fiel ihr jedoch etwas ein.

    „Warte noch einen Moment, ich bin gleich wieder da.“

    Sie humpelte zu ihrem Spind und nahm ihren Bademantel, den sie hinüberbrachte zu Nikki.

    „Hier, Miss Taylor hat eher meine Größe als Ihre. Nur, solange ihre Kleidung noch nicht trocken ist.“

    „Danke, EJ. Was macht Ihr Bein?“

    „Geht schon. Es gibt Dringenderes“, wehrte sie ab und humpelte wieder davon. Den nachdenklichen und besorgten Blick der Navigatorin bekam sie nicht mit.

    Bomber hatte sich inzwischen Kleidung geholt und war fast fertig angezogen.

    „Komm, machen wir uns auf den Rückweg. Swain wird wohl auch bald so weit sein“, meinte sie und bot EJ den eigenen Körper als Stütze. Sie bemerkte mit Sorge die Schweißtropfen, die ihrer Freundin auf der Stirn standen. „Schaffst Du das?“

    „Klar, das wird schon hinhauen“, grinste EJ mühsam. Inzwischen fiel ihr jeder Schritt schwer. Immer wieder hatte sie den verletzten Fuß belastet, nun war sie mit ihrer Kraft fast am Ende.

    Auf dem Weg kam ihnen 2Dads entgegen, der sofort seine Hilfe anbot. Als er EJ stützen wollte, lehnte sie jedoch ab und meinte, sie schaffe es auch allein. Also half er Bomber, die inzwischen erneut über Schmerzen klagte, während EJ ihnen langsam folgte. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie den Sanitätsraum erreichten. Aufatmend lehnte sie sich an die Wand, während 2Dads Bomber dabei half, sich wieder hinzulegen.

    „Du solltest Dich lieber setzen, oder noch besser, auch hinlegen“, meinte Bomber besorgt.

    „Quatsch, geht schon“, erwiderte EJ, gab aber doch nach, weil ihre Beine auf einmal wie aus Gummi zu sein schienen. Sie machte einen Schritt auf die Sitzbank zu, als ihr schwindlig wurde und sie unwillkürlich das Gewicht auf das verletzte Bein verlagerte. Der Schmerz, der durch sie hindurch schoss, schien sich direkt in ihr Gehirn zu brennen. Mit einem Aufstöhnen sackte sie zusammen.

    „EJ!“, rief Bomber erschrocken aus. Sie hatte noch nie erlebt, dass diese einen Schmerzenslaut ausgestoßen hatte.

    „Was ... EJ? Hey, was ist mit Dir?“, fragte Leo verblüfft. Er beugte sich über die junge Frau. Als er feststellte, dass sie das Bewusstsein verloren hatte, eilte er, laut nach Swain rufend, hinaus.



    tbc.
    Geändert von Zeson (18.07.2013 um 09:13 Uhr)

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  30. #36
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    Es ist Sonntag und meine Leser (sowohl hier, als auch bei ff.de) warten ungeduldig darauf, zu erfahren, wie es weiter geht. Bevor ich aber das nächste Kapitel einstelle, geht mein Dank wieder an meine beiden "Stammleser" Evaine und Galaxy, die sich nach wie vor nicht scheuen, auch visuell deutlich zu machen, dass ihnen die Story gefällt. Vielen Dank für's Knöpchen-Drücken, Ihr zwei ...

    Und nun weiter mit






    Kapitel 27: Zwischenspiel


    HMAS Hammersley, 21:05 Uhr Abendwache, auf dem Weg zur Heimatbasis


    „Wie geht es ihr, Swain?“, fragte Buffer leise, als der Sanitätsoffizier auf die Brücke kam.

    Dieser fragte nicht, welche der drei verletzten Frauen gemeint war. Er erriet auch so, dass es dem Bootsmann um EJ ging.

    „Sie ist noch immer ohne Bewusstsein. Ich mache mir große Sorgen um sie. Wahrscheinlich hätte ich sie in der Koje anbinden sollen.“

    „Du konntest doch auch nicht wissen, dass sie so unvernünftig sein würde.“

    „Wissen vielleicht nicht, aber sei doch mal ehrlich: Wir kennen EJ. Es hätte mir klar sein müssen, dass sie sich nicht an meine Anweisungen halten würde. Außerdem fühlte sie sich schuldig, dass Bomber, und nicht sie, auf der Insel war.“

    „Na ja, da ist sie nicht die Einzige“, meinte Buffer mit einem müden Grinsen.

    „Ich konnte aber wenigstens Bomber retten. EJ war hier auf dem Schiff ...“

    Der Bootsmann nickte nachdenklich.

    „Ich hab gehört, dass sie hier die anderen versorgt hat“, meinte er. „Vermutlich hat sie sich nutzlos gefühlt und musste ganz einfach etwas tun. Ja, ich verstehe ...“

    „EJ hat sich völlig übernommen. Ich hoffe nur, dass ihr Knöchel jetzt nicht völlig hinüber ist. Auf jeden Fall ist das Gelenk stark angeschwollen und heiß.“

    „Morgen früh sind wir in Cairns. Dort wird sie untersucht, Swain.“

    „Ich hoffe, sie wacht vorher auf. Ich hab ihr auf jeden Fall noch ein Schmerzmittel verabreicht. Allerdings möchte ich sie auch nicht unter Drogen setzen ...“

    Selbst Buffer wusste, dass in besonders schweren Fällen nur noch Morphium half und nickte.

    „Davon wäre sie mit Sicherheit nicht begeistert. Wie geht es Bomber und dieser Miss Taylor?“, lenkte er dann ab.

    „Den Umständen entsprechend ganz gut. Miss Taylor - Jessica - war so vernünftig, das Bein nicht zu belasten. Ich denke mal, sie würde niemals den Schmerz riskieren. Und Bomber ... durch diese Kanüle, die die überschüssige Luft ableitet, kann sie normal atmen, aber sie muss auf jeden Fall in der Klinik untersucht werden. Ich glaube aber, dass sie bald wieder in Ordnung sein wird.“

    Für eine Weile herrschte Schweigen zwischen den beiden Männern. Dann aber setzte Buffer zögernd zu einer Frage an.

    „Sag mal, Swaino ... diese Strahlung ...“

    „Ja?“

    „Wie gefährlich ist die eigentlich? Ich meine, was für Schäden können da noch auftreten?“

    „Nun ja ... also ... in einigen Fällen wurde nach Jahren Krebs festgestellt ...“

    „Ein erhöhtes Krebsrisiko also. Und sonst? Gibt es noch mehr?“

    „Ja“, gab Swain nach einigem Zögern zu, „es gibt noch vieles. Es könnten zum Beispiel Veränderungen im Erbgut auftreten, oder wir könnten ... unfruchtbar werden ...“

    Seine Stimme war immer leiser geworden. Buffer sah ihn prüfend an und merkte, dass dieser Gedanke den Steuermann sehr mitnahm.

    „Tut mir leid“, sagte er nach einer Weile.

    „Mir auch“, erwiderte Swain. „Erst recht wegen Euch, Ihr seid schließlich viel länger auf dieser verdammten Insel gewesen als ich.“

    „Ja, das stimmt“, meinte Buffer bedauernd. „Aber es kann ja auch sein, dass es keine Auswirkungen hat, oder nicht?“

    „Das werden wir erst in einigen Jahren erfahren, befürchte ich.“

    „Dann hat es auch keinen Sinn, sich jetzt darüber Gedanken zu machen, richtig?“

    „Eigentlich hast Du recht. Das Leben geht weiter ...“

    „Genau.“


    ***


    HMAS Hammersley, 08:46 Uhr Morgenwache, Heimathafen Cairns


    So ruhig die Fahrt durch die Nacht gewesen war, so betriebsam ging es an diesem Morgen an Deck und auf dem Kai zu. Es wurden zwei Krankenwagen benötigt, um die Verletzten zu transportieren. RO, Bomber und EJ, die inzwischen wach, aber ziemlich benommen war, wurden in dem einen, die beiden Geretteten im anderen Fahrzeug zum Hospital gebracht. Buffer beobachtete den Abtransport vom Oberdeck aus.

    „Ich verstehe das nicht“, meinte 2Dads, der neben ihm stand. „Ich meine, sie hat die ganze Zeit betont, dass es ihr gut gehe.“

    Der Bootsmann wandte den Kopf und blickte ihn an.

    „EJ hat nichts gesagt. Keinen Ton. Woher ... also ich ... ja, okay, ich hätte mir denken können, dass sie Schmerzen haben muss. Aber sie ... warum ...“ Leos Stimme klang fast verzweifelt. „Wieso lässt sie sich nichts anmerken? So was ... so was hab ich noch nie erlebt.“

    Buffer lächelte leicht in Erinnerung daran, dass es ihnen zu Anfang allen so gegangen war. Dann richtete er sich auf und drehte sich zu dem jungen Seaman.

    „So ist EJ. Lass Dich niemals darüber täuschen, dass sie keine Schmerzen hätte. Sie zeigt sie nur nicht.“

    „Aber warum? Das ist doch ... na ja, fast pervers, oder? Ich meine, steht sie drauf oder was?“

    Die Haltung des Bootsmannes bekam etwas Bedrohliches und seine Miene wurde finster.

    „Noch eine solche Bemerkung und ich zeige Dir, was Schmerzen sind, 2Dads.“

    „Hey, war doch nur ‘ne Frage.“

    „Eine äußerst unpassende. EJ hat gelernt, ihren Schmerz zu unterdrücken. Warum das so ist, geht Dich nichts an. Allerdings ist das ein Grund, vermehrt auf sie zu achten. Sie ...“ Er unterbrach sich und schluckte, bevor er weitersprach. „Sie wurde einmal angeschossen und wir haben es erst bemerkt, als sie zusammenbrach.“

    Der Seaman bekam große Augen, als er am ernsten Ausdruck Buffers erkannte, dass dieser nicht scherzte.

    „Sorry, das wusste ich nicht. Ich wollte auch nicht respektlos sein. Es ist nur ... sie wirkt eigentlich nicht so hart, verstehst Du?“

    Der Bootsmann lachte einmal bitter auf.

    „Du hättest sie erleben sollen, als sie auf der Hammersley anfing.“

    Mit dieser rätselhaften Bemerkung ließ er 2Dads stehen, der den beiden Krankenwagen nachdenklich hinterher sah.


    ***


    Die erste Folge des Abenteuers auf der radioaktiv verseuchten Insel bestand darin, dass alle Besatzungsmitglieder, die die Insel betreten hatten, zu einer Untersuchung im Krankenhaus antreten mussten. Dort wurde zwar festgestellt, dass alle ausreichend dekontaminiert worden waren, sie wurden aber auch über eventuelle Spätfolgen der Strahlung aufgeklärt und jeder Einzelne gewarnt, auf Veränderungen der Haut und des allgemeinen Befindens zu achten. Niemand konnte sagen, ob der Aufenthalt dort nicht doch noch Schäden nach sich ziehen würde.

    RO und Bomber waren vergleichsweise glimpflich davongekommen. Der verrenkte Knöchel des Funkers benötigte nur einige Tage Schonung und das kleine Loch im linken Lungenflügel der Köchin hatte sich bereits von selbst geschlossen. Ihre gebrochene Rippe wurde bandagiert und Bomber angewiesen, sich ebenfalls zu schonen.

    Bei EJ wurde ein Bruch diagnostiziert, außerdem war eines der Außenbänder mit angerissen. Zum Glück musste nicht operiert werden, aber einige Tage Aufenthalt in der Klinik waren angesagt, danach strikte Schonung mit Ruhigstellung des Gelenks. Nachdem der Bruch gerade gerichtet worden war, bekam sie eine Kunststoffschiene verpasst.

    „Der Arzt sagte, Du kannst in ein paar Tagen wieder nach Hause“, meinte Mike, als er sie am Abend besuchte. „Allerdings wirst Du für mindestens sechs Wochen ausfallen.“

    „Ja, so ein Pech“, erwiderte sie seufzend.

    „Ich denke, mit Pech hat es nach Deinen Eskapaden weniger zu tun“, rügte er. „Du hast uns allen einen fürchterlichen Schrecken eingejagt, als Du umgekippt bist.“

    „Okay, ich gebe ja zu, dass ich das Bein zu viel belastet habe. Aber ich konnte einfach nicht ...“

    „Klar, ich verstehe schon. Das ändert aber nichts daran, dass Du vielleicht glimpflicher davongekommen wärst, wenn Du Dich an Swains Anweisungen gehalten hättest.“

    Sie ließ schuldbewusst den Kopf hängen und starrte auf die Bettdecke.

    „Wie geht es eigentlich den anderen?“, fragte sie nach einer Weile.

    „Es geht ihnen recht gut. RO und Bomber sollen sich noch schonen, können aber leichten Dienst tun. Der Rest hatte Glück, es gibt keine unmittelbaren Strahlenschäden. Was die Zukunft bringt, steht in den Sternen. Und unsere Passagiere ... die werden noch versorgt, aber sie haben dieses Abenteuer anscheinend ebenfalls ganz gut überstanden.“

    Mikes Bericht sollte beruhigend wirken, aber EJ sah ihm an, dass er sich Sorgen machte und griff nach seiner Hand.

    „Es wird schon gut ausgehen“, meinte sie und drückte sie tröstend.

    „Hoffen wir es mal“, antwortete er seufzend. Dann wechselte er das Thema.

    „Buffer meinte, er wolle morgen früh zu Besuch kommen.“

    Verwundert sah er, wie EJ das Gesicht verzog.

    „Kannst Du ihm nicht sagen, dass er ... ich ... ich möchte nicht, dass er herkommt.“

    „Aber ... was ist los? Ich verstehe nicht ganz ...?“, fragte Mike verblüfft.

    „Er ist mein unmittelbarer Vorgesetzter und da fragst Du, was los ist? Wie sieht das denn aus?“, versuchte sie abzuwiegeln, aber damit kam sie nicht bei ihm durch.

    „Augenblick mal, das hat Dich bisher auch nicht gestört. Raus mit der Sprache, was ist zwischen Euch passiert? Hat er ...?“

    Sein Gesicht verfinsterte sich.

    „Nein, es ist nichts. Er hat gar nichts gemacht“, wehrte sie erschrocken ab. „Ich will auch nicht, dass Du irgend etwas zu ihm sagst.“

    „Aber wenn da nichts ist, wie Du sagst, warum willst Du ihn dann nicht sehen?“

    „Ich ... ich denke, wir passen vielleicht doch nicht zusammen, verstehst Du? Es ist ja auch schwierig, auf dem Schiff, die Vorschriften ... Du weißt schon“, erklärte sie ihm lahm.

    „Ich weiß nur eins“, schloss er nach einem scharfen Blick auf das unglückliche Gesicht der jungen Frau, „nämlich, dass Du Dir etwas vormachst. Aber wenn Du es so willst, werde ich es ihm sagen. Ich werde mich nicht in Eure Angelegenheiten einmischen.“

    EJ nickte nur, und als Mike sich verabschiedet hatte, wischte sie sich verstohlen die Tränen aus den Augenwinkeln.


    ***


    Bomber und Swain besuchten EJ, bevor die Hammersley wieder auslief. Die Köchin versprach, sie wieder über Mails auf dem Laufenden zu halten und Swain ermahnte sie, nicht wieder Blödsinn zu machen und zu früh zu viel zu wollen. EJ musste schwören, sich an die Anweisungen der Ärzte zu halten.

    „Schließlich brauchen wir Dich an Bord und nicht ständig im Krankenhaus“, betonte er.

    Nach vier Tagen wurde sie entlassen mit der Auflage, sich täglich bei der Physiotherapie zu melden. Sie wusste selbst, dass sie das Gelenk nicht zu lange ruhen lassen durfte. Allerdings durfte sie es auch nicht belasten und bekam ein Paar Krücken ausgehändigt, mit denen sie sich leidlich fortbewegen konnte.

    Die Versorgung klappte einigermaßen, nachdem sie einen Mitarbeiter des sozialen Dienstes angefordert hatte, der einmal in der Woche mit ihr zusammen einkaufen ging. In ihrer Wohnung bewegte sie sich meist hüpfend, immer darauf bedacht, das Bein nicht versehentlich zu belasten. Gegen die Langeweile besorgte sie sich Bücher aus der Bibliothek, verschiedene DVDs und Fachliteratur. Auch halfen ihr Bombers tägliche Berichte durch die Zeit der Rekonvaleszenz. Unterhaltsam wie eh und je schrieb sie darüber, was die Crew erlebte. Sie erzählte auch, wie viele Sorgen sie sich gemacht hatte, als Spider nach einem Schwimmunfall an einer Sepsis erkrankt war. Von einem Geisterschiff berichtete sie, auf dem die gesamte Crew getötet worden war und auf dem ein Verrückter sein Unwesen getrieben und beinahe auch XO umgebracht hätte. Ein junger Reserveoffizier, der auf dieser Fahrt dabei gewesen war und zusammen mit XO, Buffer und 2Dads das „Geisterschiff“ hatte nach Cairns überführen sollen, war dem geistig gestörten Mörder zum Opfer gefallen. Buffer und 2Dads, die von dem Mann in der Kühlkammer eingesperrt worden waren, hatten außer einer Erkältung und einer leichten Unterkühlung keine Schäden davongetragen.

    Als die Crew nach zwei Wochen wieder im Heimathafen ankam und Ausgang für einen Abend hatte, traf sich EJ mit ihren Kameraden in einer Bar. Sie wurde begeistert begrüßt, musste sich aber auch einigen Spott gefallen lassen. Zumindest brauchte sie allerdings an diesem Abend nicht mit dem Taxi nach Hause fahren, da die Crew kaum Alkohol trinken durfte. Die Hammersley sollte am nächsten Tag in den Morgenstunden wieder auslaufen, weshalb sich niemand wirklich volllaufen ließ. Swain erbot sich, EJ zu fahren, was diese dankbar annahm.

    In den folgenden Wochen wurde EJs Bein wieder kräftiger, wofür die konsequenten Übungen, an die sie sich hielt, verantwortlich waren. Die Hammersley jagte unterdessen Perlendiebe, die Perlenfischer auf See überfielen und sich mit der Beute davon machten, ohne allerdings jemanden zu verletzen. Bomber erzählte, dass 2Dads vergessen hatte, die Beiboote zu betanken, was eigentlich seine Aufgabe gewesen wäre, und deshalb eine schwere Rüge hatte einstecken müssen. EJ konnte beim Lesen förmlich das Lachen der Freundin hören. Sie berichtete auch, dass plötzlich das Gerücht aufgekommen sei, dass Buffer und XO ein Paar wären. EJ schüttelte beim Lesen nur den Kopf. Wer kam denn auf so einen Schwachsinn? Wäre von dem Bootsmann und Nikki die Rede gewesen, hätte sie es noch verstanden, aber das?
    Am Ende kam heraus, dass der Eigner der Perlenboote selbst in der Geschichte mit den Diebstählen drin steckte. Die Leute wurden festgenommen und nach Cairns gebracht. Auch das Gerücht um Buffer und die X stellte sich - selbstverständlich - als haltlos heraus. 2Dads hatte es in Umlauf gebracht, um sich für die, wie er meinte, übertriebene Reaktion der beiden auf seinen Fehler mit der Betankung zu rächen.

    Wieder traf sich EJ mit ihren Freunden in der Bar. Diesmal konnte sie bereits ohne die stützenden Krücken kommen, aber die Schiene, die sie noch immer am Bein trug, und ihre vorsichtigen Bewegungen zeigten, dass mit ihrer Rückkehr aufs Schiff noch immer nicht zu rechnen war.

    „Etwa zwei Wochen noch, dann komme ich wieder, ganz egal, was der Arzt sagt“, erklärte sie. „Ich halte es hier schön langsam nicht mehr aus.“

    Was sie nicht erwähnte, war der Umstand, dass sie sich in letzter Zeit beobachtet fühlte. Wenn sie sich aber umsah, konnte sie niemanden entdecken, der sich auffällig verhielt. Es war meist nur ein unbehagliches Gefühl, aber es beunruhigte sie in zunehmendem Maße.

    An diesem Abend sah sie Buffer nur von Weitem. Er hatte sich ans andere Ende der Bar gesetzt und trank ein Bier nach dem anderen. Ein blondes Gift hatte sich zu ihm gesellt und flirtete schamlos mit ihm. Am Ende zogen die beiden Hand in Hand ab, ohne dass der Bootsmann auch nur einen Blick in EJs Richtung geworfen hatte. Obwohl sie sich sagte, dass sie ja gewollt hatte, dass er sich von ihr fernhielt, tat dieser Anblick der jungen Frau weh.




    tbc.
    Geändert von Zeson (21.07.2013 um 10:15 Uhr)

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  32. #37
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    Dankeschön, Evaine und Galaxy, für Eure Treue und das "Danke".

    Und weiter geht's mit






    Kapitel 28: Zurück


    Heimatbasis Cairns, fünfte Woche erzwungener „Landurlaub“



    EJ wurde es zunehmend langweiliger und sie beschloss, einen kurzen Lehrgang zu belegen, in dem es um Unfallmedizin und Sofortmaßnahmen ging. Durch das Studieren von Fachliteratur und einschlägiger Fachzeitschriften richtete sich ihr Fokus mehr und mehr auf den medizinischen Sektor. Es hatte ihr schon immer gefallen, sich um Menschen zu kümmern, die gesundheitliche Probleme hatten, und die Befriedigung, die sie daraus zog, wenn sie diesen Leuten tatsächlich helfen konnte, beeinflusste ihre Entscheidung. Sie begann ernsthaft zu überlegen, ob sich ein Medizinstudium für sie lohnen würde.

    Bombers Berichte halfen ihr darüber hinweg, dass die Hammersley ein weiteres Mal ohne sie in See stach. Sie bekam einen riesigen Schrecken, als sie las, dass das Schiff in ein Minenfeld gefahren und dort manövrierunfähig liegen geblieben war. Die Druckwelle einer in der Nähe zur Detonation gebrachten Mine hatte eine Treibstoffleitung beschädigt, was nicht so einfach zu reparieren war. Das hatte sogar fast Charges Fähigkeiten überstiegen. Bei dem, was Bomber jedoch dann noch berichtete, blieb EJ fast das Herz stehen. Als eine der Minen von den Wellen fast bis an die Hammersley herangetrieben worden war, sprang Buffer ins Wasser und schwamm zwischen Mine und Boot, sozusagen als menschlicher Puffer. Er hatte das Ding von der Bordwand abgehalten, bis einige Kameraden mit dem Beiboot kamen und es mithilfe eines Seils langsam und überaus vorsichtig wieder außer Reichweite zogen. Für diesen Alleingang hatte der Bootsmann eine Abreibung bekommen, die sich gewaschen hatte. Nicht nur der CO, sondern auch einige der erfahreneren Schiffskameraden bezeichneten die Aktion als schwachsinnig und verantwortungslos.
    Von den Beibooten war die Hammersley dann schließlich aus dem Minenfeld gezogen worden. Der Minensucher Huon, der ihr zu Hilfe kam, schickte seinen Maschinisten, um Charge bei der Reparatur zu helfen, aber es reichte nur, um das Schiff wieder zurück nach Cairns zu bringen. Bomber erwähnte noch, dass sie dabei einen alten Bekannten wiedergetroffen hatte, der mit ihr zusammen auf einem anderen Boot gedient habe.

    Der unerwartete Aufenthalt im Hafen hieß für die Crew allerdings nur einen Abend lang Landgang. Bereits am nächsten Morgen kam ein Team an Bord, das die Mannschaft für Notfälle trainieren sollte. Es wurden Szenarien entworfen, die entsprechende Situationen nachstellten, wie beispielsweise einen Brand auf dem Schiff. Bomber berichtete, dass die Mannschaft der Hammersley dabei denkbar schlecht abgeschnitten hatte. Die dem Trainingsteam vorstehende Offizierin hatte Buffer bei der Nachbesprechung offenbar richtig rundgemacht. Jedenfalls ließ sich der Bootsmann am Abend nicht in der Bar blicken. EJ traf ihre Freunde dort und wunderte sich nicht wenig über seine Abwesenheit. Dann allerdings verbot sie sich, über ihn nachzudenken und verbrachte einen lustigen Abend mit der Crew.

    Die Übungen gingen weiter und EJ war froh, nicht an Bord zu sein. Lieutenant Commander Luxton, die das Training leitete, nahm die Mannschaft hart ran und war mit nichts zufrieden. Sie schien es besonders auf Buffer als Verantwortlichen abgesehen zu haben. Alle atmeten auf, als die Reparaturen abgeschlossen waren, aber es stellte sich heraus, dass die Trainingseinheit auch beim nächsten Einsatz an Bord sein würde. Cynthia Luxton betonte, dass sie so lange auf dem Schiff bliebe, bis sie mit der Leistung der Crew zufrieden wäre.

    Die Huon, die mit der Suche und Verfolgung des verdächtigen Schiffes, das die Minen ins Wasser gesetzt hatte, beauftragt worden war, hatte um Hilfe gebeten, da das verfolgte Boot sich um einiges schneller als der Minensucher herausstellte. Die Hammersley begab sich auf Abfangkurs und es gelang ihr tatsächlich, die Verdächtigen zu stellen. Während jedoch ein Enterteam auf dem Boot Waffen sicherstellte und die Mannschaft verhaftete, lief die sich nähernde Huon auf eine Unterwassermine auf. An Bord des Minensuchers brach Feuer aus und die Mannschaft der Hammersley eilte zu Hilfe. Es gelang einem Team, zwei eingeschlossene Seeleute zu retten und an Deck zu bringen. Mit dieser Aktion wurde dann endlich auch die Leiterin der Trainingseinheit zufriedengestellt, die nun sah, dass die Crew der Hammersley bei echten Notsituationen einen kühlen Kopf behielt und genau wusste, was zu tun war.

    Weiter erzählte Bomber, dass einer der Geretteten ihr Bekannter, Jamie Patterson, gewesen war. Später stellte sich heraus, dass er Charges Sohn war, den dieser aus den Augen verloren hatte, da Jamie den Kontakt zu seinem Vater abgebrochen hatte und den Namen seines Stiefvaters trug. Die Köchin äußerte aber Hoffnung darauf, dass die beiden wieder zueinanderfinden würden.


    ***


    EJs Kurs war beendet und sie erwartete sehnsüchtig die Rückkehr der Hammersley. Diesmal würde das Schiff nicht ohne sie ablegen. Der Arzt hatte ihr zwar nur eingeschränkten Dienst genehmigt, aber sie konnte es kaum erwarten, wieder an Bord gehen zu können. Sie konnte das verletzte Bein zwar noch nicht uneingeschränkt belasten, aber es genügte, um wieder mit auf Fahrt zu gehen.

    Endlich war es so weit und EJ packte ihre Sachen. Sie hatte von Bomber erfahren, dass die Crew für den Abend freibekommen hatte und sich auf einen Drink in ihrer Stammbar traf. Um zu zeigen, dass sie wieder dabei war, zog sie ihre Ausgehuniform an und ließ sich von einem Taxi dorthin bringen. Sie fand eine fröhliche Gesellschaft vor, die anscheinend dabei war, Buffer aufzuziehen. Dieser ließ das mit einer stoischen Miene über sich ergehen. Nur, als er EJ sah, trat für einen Augenblick ein bedauernder Ausdruck in seine Augen. Der Moment war jedoch so kurz, dass die junge Frau meinte, sich getäuscht zu haben.

    „Buffer gibt eine Runde aus“, wurde sie von Spider informiert.

    „Gibt es dafür einen besonderen Grund?“, erkundigte sie sich.

    „Möglich“, meinte er geheimnisvoll und ging dann zur Bar, um ihr einen ihrer üblichen alkoholfreien Drinks zu organisieren.

    EJ warf Bomber einen fragenden Blick zu, aber diese hob nur unschuldig die Schultern. Zu unschuldig, wie EJ fand. Also musste irgendetwas vorgefallen sein. Sie sollte es schnell genug erfahren, als 2Dads zu ihr kam und ihr den Arm um die Schultern legte. Er hatte bereits einen sitzen und nuschelte ein wenig.

    „Buffer wurde heut von seiner Freundin abserviert“, erklärte er ihr genüsslich. „Er ... er hatte nämlich was mit dieser ... Cynthia Luxton.“ Er nahm einen großen Schluck von seinem Drink und schwankte etwas. „Diese ... diese Tante von der Trainingseinheit. Mann, so, wie die ihn immer rundgemacht hat, muss das was ganz ... was ganz Besonderes gewesen sein.“ Dabei grinste er zum Bootsmann, der mit leicht gequältem Blick vor seinem Bier saß.

    EJ wurde einer Antwort enthoben, als Spider mit ihrem Drink zurückkam. Sie nahm einen Schluck und blickte dabei verstohlen hinüber. Ja, besonders glücklich sah Buffer nicht gerade aus. Es schien also etwas dran zu sein an dem, was Leo gerade erzählt hatte. Aber warum hatte er etwas mit dieser Frau angefangen? Lief es mit Nikki nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte? Der Gedanke, dass er sich jemanden gesucht hatte, mit dem es mehr als nur ein Abreagieren der Triebe war, tat ihr weh. Und offensichtlich musste das der Fall gewesen sein, denn sonst hätte er anders reagiert, so gut kannte sie ihn bereits. Er verbarg seine Gefühle hinter einer Maske, und das bedeutete, dass welche vorhanden waren. Wäre das nicht der Fall, hätte er jetzt mit den anderen gescherzt und sich darüber lustig gemacht.

    Sie ließ sich gerne von ihren Kameraden ablenken, die ihr nun abwechselnd von den Abenteuern erzählten, die sie erlebt hatten, als EJ nicht an Bord war. Als ihr Drink leer war, erklärte 2Dads sich bereit, einen neuen zu holen. Mit einem Grinsen stellte er ihr ein Glas hin, das genau dasselbe zu enthalten schien wie das letzte. Sie brauchte jedoch noch nicht einmal davon zu probieren, um zu merken, dass diesmal Alkohol darin enthalten war. Er versuchte, sie zum Trinken zu animieren, aber sie wand sich immer wieder freundlich heraus. Schließlich merkte Swain, dass etwas nicht stimmte und ging zur Bar. Er kam mit einem identischen Glas wieder und tauschte es, als 2Dads gerade einmal in eine andere Richtung sah, mit EJs Glas aus. Dankbar grinsend nahm sie den Drink entgegen. Leo bekam das Glas in die Hand gedrückt, das er für EJ vorgesehen hatte. Es musste sehr viel Alkohol darin gewesen sein, denn der Seaman wurde, nachdem er es geleert hatte, zunehmend lustiger und lauter. Im Verlauf des Abends brachte er noch mehr Gläser an, die alle von Swain ausgetauscht wurden. Am Ende mussten sie ihn fast an Bord zurücktragen, während EJ so nüchtern wie immer blieb.


    ***


    Die nächste Mission führte die Hammersley bis in fremde Gewässer. Die australische Marine war darum gebeten worden, bei der Überprüfung von Schiffen zu helfen, da der Waffenschmuggel dort überhand genommen hatte. Die indonesische Regierung hatte nicht genügend eigene Schiffe, um das ganze Gebiet abdecken zu können. Auf dem Weg dorthin war 2Dads der Spott der gesamten Mannschaft. Er hatte tatsächlich nicht zum Dienst antreten können, nachdem er am nächsten Morgen mit rasenden Kopfschmerzen und Übelkeit erwacht war. Das hatte zur Folge, dass die nächsten Landgänge für ihn gestrichen wurden und er in Zukunft Ankerwache schieben durfte, während sich die anderen vergnügten. In dieser Hinsicht verstand der CO keinen Spaß. Es dauerte Tage, bis der Seaman herausfand, warum es ihm so dreckig gegangen war, während EJ keine Probleme hatte.

    „Tja, 2Dads“, erklärte sie ihm schließlich lachend, „ich trinke nun einmal keinen Alkohol und merke bereits am Geruch, ob mein Getränk welchen enthält. Und ich habe eine Menge Freunde an Bord.“

    Daraufhin sah er seine Niederlage ein und versprach, solche Scherze nicht mehr mit ihr zu versuchen.


    ***


    Eines Tages wurde EJ ins Büro des CO gerufen. Er hielt ihr mit ernster Miene ein Blatt Papier hin.

    „Das hier kam heute versehentlich in meinem Mail-Postfach an“, meinte er dabei. „Es ist für Dich und ich habe es diesmal gelesen. Du hast es mir ja erlaubt.“

    Sie nickte, nahm die Nachricht entgegen und las sie durch. Dann sah sie auf.

    „Also habe ich mich nicht getäuscht“, sagte sie nur. „Ich hatte in letzter Zeit das Gefühl, dass ich beobachtet werde.“

    „EJ, das ist ernst. Warum hast Du nichts gesagt?“, fragte Mike erschrocken.

    „Was hätte ich denn tun sollen? Außerdem ist mir niemand aufgefallen.“

    „Erlaubst Du, dass ich Buffer hinzuziehe?“

    „Buffer ...“, zögerte sie. „Ich weiß nicht. Eigentlich ist doch Swain der Polizeioffizier an Bord. Könnte er nicht ...?“

    „Ja, natürlich, wenn Dir das lieber ist?“, lenkte der CO ein. Er griff zum Bordfunk und bat den Steuermann ins Büro.

    „EJ, diese Sache zwischen Buffer und Dir ...“, fing er an, während sie warteten.

    „Es ... es gibt nichts zwischen uns, Mike“, unterbrach sie ihn.

    „Egal, was zwischen Euch vorgefallen ist“, fuhr er unbeeindruckt fort, „ich hoffe doch, dass das keine Auswirkung auf Eure Arbeit hat.“

    „Natürlich nicht“, erwiderte sie mit einem Anflug von Empörung, den Mike schmunzelnd registrierte. „Außerdem sagte ich bereits, dass ...“ Sie führte den Satz nicht zu Ende, da in dem Moment Swain klopfte und auf Aufforderung eintrat.

    Nun schilderten Mike und EJ ihm abwechselnd den Sachverhalt, von EJs unglücklicher Ehe bis hin zur vor nur wenigen Wochen rechtsgültig gewordenen Scheidung. Dann zeigte EJ ihm die Nachricht.

    „Dein Exmann hat sich also der Aufsicht der Behörden entzogen“, stellte Swain fest, als er den Text gelesen hatte.

    „Ja offensichtlich ist er bereits vor einiger Zeit untergetaucht. Man hielt es nur nicht für nötig, mich davon zu unterrichten“, nickte EJ.

    „Und warum tut man es jetzt?“, fragte er.

    „Ich habe keine Ahnung. Vielleicht haben sie von seiner Drohung gehört, dass er mich umbringen wird, wenn ich mich scheiden lasse?“

    „Möglicherweise haben die Behörden auch erst jetzt mitbekommen, dass Du diesen Schritt tatsächlich gewagt hast“, gab Mike zu bedenken. „Oder es hat bisher niemand einen Zusammenhang hergestellt.“

    „Eigentlich ist es ja völlig egal, warum wir so spät davon erfahren“, fasste Swain zusammen. „Wichtig ist nur, dass wir nun davon wissen und unsere Gegenmaßnahmen treffen können.“

    „Was denn für Gegenmaßnahmen? Willst Du mich auf dem Schiff einsperren oder was?“, wollte EJ alarmiert wissen.

    „Da hätte ich sowieso keine Chance“, lachte Chris. „Nein, ich dachte eher daran, dass wir Dich nicht aus den Augen lassen, wenn wir an Land sind.“

    „Ach, das wäre nichts Neues“, grinste sie. „Fast so wie früher.“

    „Ein oder zwei Personen müsste ich aber einweihen, sonst wird das nichts.“

    „Tun Sie, was Sie für nötig halten“, schnitt Mike den Protest der jungen Frau im Ansatz ab. „EJs Sicherheit ist jetzt das Wichtigste.“

    „Sicher, Sir. Wir werden das schon schaffen, bis sie ihn gefunden haben“, bestätigte Swain und warf einen leicht verwunderten Blick auf EJ, die Mike ein wenig trotzig ansah.

    „Jawohl, Sir, habe verstanden“, meinte sie zackig, drehte sich dann um und verließ den Raum.

    Mike sah ihr mit gehobener Braue skeptisch nach, dann wandte er sich noch einmal an den Steuermann.

    „Behalten Sie trotzdem Stillschweigen über die Sache, Swain. Ich möchte nicht, dass das an Bord herumgeht.“

    „Ja, Sir. Ich werde Buffer und Charge ins Vertrauen ziehen, sonst niemanden. Zu dritt werden wir ihre Sicherheit wohl garantieren können.“

    „Zu viert, Swain“, nickte Mike und entließ ihn.


    ***


    HMAS Hammersley, 15:40 Uhr Nachmittagswache, Timorsee


    Die Hammersley kreuzte nun schon für mehrere Wochen zwischen den indonesischen Inseln. Immer wieder waren die Enterteams erfolgreich in ihrer Suche nach Schmuggelgut. Es waren nicht nur Waffen, die sie fanden, auch illegale Drogen und sogar Menschen hatten sie aufgefunden. Die Waffenhändler wurden den zuständigen Behörden auf der nächstgelegenen Insel übergeben, ebenso wie Drogenschmuggler. Die illegalen Einwanderer wurden in internationale Gewässer eskortiert und auf den Weg zurück in ihre Heimat gebracht. So manches Mal fiel der Crew das schwer, aber man musste sich an die Vorschriften halten.

    An diesem Tag war der Hammersley ein größerer Fisch ins Netz gegangen. Auf dem Boot, das die Entermannschaft untersuchte, waren sowohl eine Anzahl illegaler Waffen als auch verschiedene Drogen gefunden worden. Die Schmuggler und ihr Boot waren den örtlichen Behörden übergeben worden und die Crew hatte einen freien Abend genehmigt bekommen. Die neuen Befehle wurden erst am nächsten Nachmittag erwartet, sodass der Mannschaft - bis auf 2Dads - ein feuchtfröhlicher Abend ins Haus stand.

    Die kleine Hafenstadt, wenn man denn von einer Stadt sprechen konnte, war der Mannschaft wohlbekannt. Auch hier gab es eine Bar, die man getrost schon als Stammlokal bezeichnen konnte. In diesem fanden sich die Kameraden dann auch am Abend ein. Der bevorzugte Drink auf der Insel war ein „Guava Mojo“, den es für EJ selbstverständlich ohne Vodka gab. Obwohl Buffer, Swain und Charge ein Auge auf die junge Frau hatten, genehmigten sie sich dennoch ebenfalls einen Drink. Sie wollten schließlich unauffällig bleiben, aber Bomber bemerkte, dass sich die drei Männer ungewöhnlich zurückhielten.

    „Sag mal, was ist denn mit Euch los? Ihr seid schon mindestens drei Gläser hinten dran“, beschwerte sie sich, als Buffer noch immer an seinem ersten Drink saß.

    „Vielleicht mag ich heute einfach nicht so viel trinken?“, gab er zurück.

    „Du?“, lachte sie laut. „Ich dachte immer, dazu müssten Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen ...“

    Er grinste nur schief zurück und orderte dann ein zweites Glas. EJ amüsierte sich köstlich und ließ sich von Spider die Geschichte erzählen, wie RO an einem ähnlichen Abend von 2Dads mit einem Transvestiten verkuppelt worden war. Der arme Kerl war damals völlig betrunken gewesen und hatte erst, als es zur Sache gehen sollte, gemerkt, auf wen er sich da eingelassen hatte.

    Nach einer Weile erhob sie sich und entfernte sich von der Gruppe. Buffer ging ihr nach und stellte sich ihr in den Weg.

    „Wohin willst Du denn?“, fragte er misstrauisch. „Du solltest nirgendwo allein hingehen ...“

    „Tut mir leid, aber dorthin kannst Du mich nicht begleiten“, antwortete sie schnippisch.

    „Und warum?“, erkundigte er sich ein wenig begriffsstutzig.

    „Weil da sogar der Kaiser von Japan zu Fuß hingeht“, erklärte sie mit einem boshaften Grinsen.

    Endlich kapierte er und ließ sie mit einem Nicken gehen. Sie ließ sich absichtlich Zeit in den Waschräumen und trocknete Ihre Hände nach dem Waschen übertrieben sorgfältig ab. Als sie dann endlich wieder zu den anderen gehen wollte, stieß sie im Gang vor den Toiletten mit einem Mann zusammen. Erschrocken wollte sie sich entschuldigen, aber die Worte bleiben ihr förmlich im Hals stecken. Als sie dem anderen ins Gesicht sah, wurde sie kreidebleich. Halt suchend streckte sie die Hand aus und stützte sich an der Wand ab.

    „Du!“, flüsterte sie entsetzt.


    tbc.

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  34. #38
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    Vielen Dank, Evaine und Galaxy, für's Drücken des Buttons. Komisch, ich hätte gedacht, nach dem Cliffhanger kommt vielleicht etwas mehr ... Schade!

    Nichtsdestotrotz (oder nonetheless, wie der Brite zu sagen pflegt ...) weiter mit






    Kapitel 29: Befreiung


    In befreundetem Hafen, Coconut-Bar, 20:53 Uhr


    „Ja, ich“, erwiderte der Mann boshaft. „Damit hast Du wohl nicht gerechnet. Erinnerst Du Dich noch an das Versprechen, das ich Dir gab?“

    EJ konnte nur hilflos den Kopf schütteln. Sie war wie gelähmt. Die Vergangenheit stürzte auf sie ein, als sie seinen alkoholgeschwängerten Atem roch und seine Hand auf ihrem Arm spürte.

    „Steve, bitte ...“, wimmerte sie, hob schützend die Arme vor ihr Gesicht und versuchte, zurückzuweichen.

    „Bitte was? Bitte schlag mich nicht? Bitte tu mir nicht weh?“, spottete Steve Kingston. „Oder bitte küss mich? Bitte mach mir noch ein Baby ...?“, fügte er anzüglich grinsend hinzu.

    Entsetzt keuchte EJ auf. So viel Grausamkeit hatte sie nicht von ihm erwartet, obwohl sie wusste, wie gemein Ihr Ex-Mann sein konnte. Sie duckte sich wie unter einem Schlag.

    In diesem Moment kam Bomber um die Ecke.

    „EJ, wo bleibst Du ...“, fragte sie, unterbrach sich jedoch, als sie den Fremden entdeckte, der ihre Freundin offenbar bedrohte. „Hey, was soll das? Lassen Sie EJ in Ruhe!“

    Er drehte sich zu ihr, funkelte sie bösartig an und schnauzte: „Das geht Sie nichts an, Lady. Verschwinden Sie, das ist eine Sache zwischen meiner Frau und mir.“

    Der Köchin ging ein Licht auf, als sie das hörte, und sie bewegte sich nach einem prüfenden Blick auf EJ, die verschreckt den Kopf schüttelte und sie beschwörend ansah, vorsichtig ein paar Schritte zurück. Ohne ihn aus den Augen zu lassen, drehte sie leicht den Kopf.

    „Hey, Jungs, EJ ist in Schwierigkeiten“, rief sie in den Barraum. Obwohl es dort ziemlich laut herging, hatte sie offenbar jemand gehört, denn plötzlich tauchten mehrere Personen am Durchgang auf.

    „Lassen Sie sie sofort los“, herrschte Buffer den Mann an.

    „Ich sagte schon, es ist eine Sache zwischen meiner Frau ...“

    „Sie ist nicht mehr ihre Frau“, unterbrach ihn der Bootsmann heftig. „Wenn Sie nicht sofort von hier verschwinden ...“

    „Was dann?“, grinste Steve boshaft. „Wollen Sie mir drohen?“

    Er stieß EJ beiseite, die sich ängstlich an die Wand drückte, und richtete seine ganze Aufmerksamkeit jetzt auf die Männer, die sich vor ihm aufgebaut hatten.

    „Vorsicht, Buffer, er ist gefährlich“, warnte Swain, der eine schnelle Bewegung des Mannes gesehen hatte. Plötzlich blitzte in dessen Hand ein Messer auf.

    „Na los, Seemann, komm schon“, lockte Steve. Seine Linke winkte einladend, während er in der rechten Hand das Messer ausbalancierte. An seinen Bewegungen war zu erkennen, dass er eine gewisse Erfahrung im Umgang mit dieser Waffe haben musste. Buffer ging in Abwehrstellung, aber man merkte ihm an, dass er etwas getrunken hatte. Seine Bewegungen waren nicht ganz so geschmeidig wie sonst. Ohne Vorwarnung griff Steve an, aber der Bootsmann konnte ihm ausweichen. Der Vorstoß hatte die beiden in den Barraum gebracht, wo nun alle Gespräche verstummten. Mit teilweise entsetzten, teilweise faszinierten Blicken beobachteten die Leute den Kampf, der sich da entspann. Swain und Charge machten sich bereit zum Eingreifen, aber eine warnende Geste Buffers ließ sie innehalten.

    „Mit dem werde ich auch allein fertig“, knurrte er und wich einer erneuten Attacke von EJs Ex-Mann aus. Dieser war zwar ebenfalls alkoholisiert, aber seine Reaktionen waren um einiges schneller als Buffers und er setzte dem Bootsmann sofort nach. Ein leiser Aufschrei und ein Zurückzucken zeigten, dass sein Angriff Erfolg gehabt hatte. Buffer hielt sich den rechten Unterarm, von dem Blut tropfte.

    „Ich sage es jetzt zum letzten Mal“, zischte Steve. „Lasst mich in Ruhe. Sie gehört mir und ich kann mit ihr tun und lassen, was ich will. Beim nächsten Mal schlitze ich Dir nicht nur den Arm auf“

    EJ, die der Auseinandersetzung zunächst zusammengekauert mit verängstigtem Blick zugesehen hatte, richtete sich langsam auf, während sie deren Verlauf verfolgte. Ihre Angst um Buffer nahm zu, je weiter der Kampf gedieh. Als sie nun das Blut an seinem Arm herabrinnen sah und Steves Worte vernahm, war es, als würde in ihr eine Schleuse zerbersten. Eine unbändige Wut erfasste sie und sie sah buchstäblich rot. Sie machte erst einen, dann einen weiteren Schritt auf ihren Ex-Mann zu, bis sie direkt hinter ihm stand. Bombers Hand, die sie zurückhalten wollte, schüttelte sie einfach ab. An der Reaktion der anderen merkte Steve, dass sich etwas verändert hatte. Er drehte sich um und sah sich EJ gegenüber.

    „Siehst Du, es nützt Dir gar nichts, wenn Du versuchst, Dich hinter Deinen Navy-Freunden zu verstecken. Sie können Dir auch nicht helfen“, höhnte er, ohne ihre veränderte Haltung ihm gegenüber zu registrieren.

    „Ich verstecke mich hinter niemandem und ich brauche auch keine Hilfe, um mit Dir fertig zu werden“, fauchte sie wütend. Mit einem schnellen Griff, der ihn völlig überrumpelte, entwaffnete sie ihn und zwang ihn dann zu Boden. „Ich bin ein Mitglied der Royal Australian Navy. Ich habe gelernt, mich selbst zu verteidigen. Und ich habe gelernt, stolz auf das zu sein, was ich bin und was ich kann. Du ... wirst mich nie mehr herumkommandieren, schlagen oder auf irgendeine andere Weise verletzen, ist das klar? Und was noch besser ist: Du wirst ab jetzt wieder aus dem Verkehr gezogen.“

    Seine Arme auf den Rücken gedreht haltend und ihn mit dem Knie fixierend, nickte sie Swain und Charge zu, die sich seiner mit Vergnügen annahmen.

    „Rufen Sie bitte die Polizei“, bat sie den Barkeeper, der sofort zum Telefon eilte. „Dieser Mann ist ein in Australien gesuchter Verbrecher.“

    Irgendjemand begann, Beifall zu klatschen, und die übrigen Gäste der Bar fielen ein. Vor Verlegenheit wusste EJ nicht, wohin sie sehen sollte. Bomber trat auf sie zu und umarmte sie.

    „Ich bin richtig stolz auf Dich“, meinte die Köchin leise. „Das hast Du toll gemacht.“

    „Ich war zuerst wie gelähmt“, gestand EJ ihr. „Aber als er meine Freunde bedrohte, war es aus. Das kann ich einfach nicht zulassen ...“

    Sie löste sich von ihrer Freundin und ging zu Buffer.

    „Lass mal sehen“, verlangte sie.

    Widerstrebend zeigte er ihr die Schnittwunde, die Steve ihm beigebracht hatte. Sie war nicht besonders tief, lief aber fast über die ganze Länge des Unterarms.

    „Das muss sofort desinfiziert werden“, entschied sie. „Komm mit.“

    Sie schleppte ihn zur Bar, wo sie nach dem Getränk mit dem höchsten Alkoholgehalt verlangte. Außerdem bat sie um einen Mullverband und ein sauberes Stück Stoff. Sie bekam 58 prozentigen weißen Rum, ein Tuch und den verlangten Verband. Dann zwang sie den Bootsmann, sich an einen Tisch zu setzen. Als sie begann, mit dem alkoholgetränkten Tuch die Wunde abzutupfen, verzog Buffer gepeinigt das Gesicht und sog zischend die Luft zwischen die Zähne.

    „Stell Dich nicht so an“, rügte sie ihn. „Du hast schon Schlimmeres ausgehalten.“

    „Da war ich aber auch nüchtern“, erklärte er.

    „Und ich dachte immer, Alkohol betäubt“, erwiderte sie trocken und fuhr mit ihrer Verarztung fort.

    Langsam stahl sich ein Grinsen auf Buffers Lippen. Er sah ihr versonnen dabei zu, wie sie sorgfältig den Schnitt desinfizierte und anschließend einen Verband um den Unterarm legte. Schließlich sah sie auf und bemerkte seinen Blick.

    „Was?“, fragte sie ein wenig verlegen. „Was ist denn?“

    „Ich dachte nur gerade daran, wie Du ihn fertiggemacht hast“, grinste er. „Das war echt klasse. Und ganz ehrlich? Ich bin stolz auf Dich. Du hast es endlich geschafft.“

    Zuerst schaute sie ihn misstrauisch an und wusste nicht, was er damit meinte, aber dann hellte sich ihr Gesicht auf.

    „Ja, Du hast recht“, lächelte sie, „ich bin tatsächlich über ihn hinweg. Er kann mir nichts mehr antun.“

    Er erhob sich, legte den unverletzten Arm um ihre Schulter und zog sie an sich.

    „Jetzt bist Du wirklich frei“, meinte er dabei.

    Sie nickte und genoss für einen Moment das wohlige Gefühl, das der enge Körperkontakt in ihr auslöste.

    „Das schreit eigentlich geradezu nach einer Feier“, stellte er schließlich fest. „Du musst einen ausgeben.“

    „Komisch, warum hab ich so etwas erwartet?“, lachte sie auf. „Ihr Jungs nehmt auch jede Gelegenheit zum Trinken wahr.“

    „Natürlich“, erwiderte er grinsend. „Man muss die Feste feiern, wie sie fallen.“

    Er löste sich von ihr, als Swain, der Kingston den Polizisten überantwortet hatte, herüberkam.

    „EJ, Du musst noch eine Aussage machen“, informierte er sie. „Wie geht’s Deinem Arm?“, erkundigte er sich dann bei Buffer.

    „EJ hat ihn versorgt. Schmerzt ein wenig, ist aber auszuhalten“, winkte dieser ab. Er blickte ihr nach, als die junge Frau selbstbewusst zu den Polizisten ging, um mit ihnen zu sprechen.

    „Sie hat sich toll gehalten, findest Du nicht?“, meinte Swain versonnen, als er Buffers Blick folgte. „Ich bin richtig stolz auf sie.“

    „Ich glaube, das sind wir alle irgendwie. Sie ist eine von uns ...“

    „Allerdings, das ist sie. Und sie hat bewiesen, dass sie nicht zulässt, dass andere sich für sie in Gefahr begeben.“

    „Sie hat es geschafft ...“ Ein wenig Schwermut klang in Buffers Stimme mit. „Sie braucht uns nicht mehr.“

    „Nein, das denke ich nicht. Sie kommt ohne unsere Freundschaft und die Kameradschaft an Bord nicht mehr aus. Die Zeiten, in denen sie dachte, sie müsse alles allein schaffen, sind vorbei. Glaub’ mir, sie braucht uns mehr denn je.“

    Was Swain damit ausdrücken wollte, verstand Buffer zwar, aber er zweifelte daran. EJ war so selbstständig geworden. Als er sie vorhin von ihrem Ex-Mann bedroht sah, hatte sich sein Beschützerinstinkt mit aller Macht gemeldet. Am liebsten hätte er diesen Steve vor ihren Augen fertiggemacht, aber dann war alles anders gekommen. Der verflixte Alkohol hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht und am Ende hatte EJ ihn, Peter Tomaszewski, den Bootsmann der Hammersley, vor ihrem Ex retten müssen. Auf die eine Weise war es beschämend, aber andererseits auch irgendwie befriedigend. Sie war ihm ohne zu zögern zu Hilfe geeilt und hatte ihre Angst vor ihrem Ex-Mann überwunden, weil dieser ihn verletzt hatte. Ob das nicht doch ein gutes Zeichen war? Vielleicht war er ihr doch nicht so gleichgültig, wie sie in den letzten Wochen getan hatte?

    „Komm, Buffer, gehen wir feiern“, brachte ein gut gemeinter Schlag auf die Schulter den Bootsmann wieder zurück in die Gegenwart.

    „Ja, auf EJ“, grinste er und folgte Swain zur Bar, wo die anderen über den Vorfall sprachen.

    „Was meint Ihr, wie 2Dads sich ärgern wird, dass er das nicht miterleben konnte“, feixte Bomber. „Ich glaube, dann würde er es sich in Zukunft zweimal überlegen, ob er EJ einen Streich spielt.“

    „Macht er sowieso schon, nach der Sache mit den Drinks“, lachte Charge.

    „Vielleicht sollten wir ihn bei den nächsten Nahkampfübungen EJ zuteilen, was meinst Du, Buffer?“, grinste die Köchin.

    „Diese Idee hat was“, meinte er zustimmend. „Wo bleibt sie denn überhaupt?“

    In diesem Moment gesellte sich die junge Frau zu den anderen.

    „Alles in Ordnung?“, fragte Spider besorgt.

    „Sie hatten nur ein paar Fragen wegen des Haftbefehls, der gegen ihn läuft. Und natürlich wegen des Angriffs.“

    „Ich bin froh, dass es so glimpflich abgelaufen ist“, seufzte Charge. „Und dass die Gefahr jetzt vorüber ist.“

    „Moment mal ... heißt das, Ihr wusstet, dass EJ in Gefahr ist?“, fragte Bomber empört.

    „Bitte, Bomber, reg Dich ab. Ich wollte nicht, dass es jeder weiß“, beruhigte EJ sie.

    „Aber ... aber ich dachte, wir wären Freundinnen?“

    „Das sind wir, Bomber, ganz bestimmt. Deshalb wollte ich auch nicht ... Ich hatte Angst, dass einem von Euch was passieren könnte. Steve ist gefährlich.“

    Eine Weile sahen sie sich schweigend an, dann nickte die Köchin.

    „Okay, ich akzeptiere das. Aber ein klein wenig enttäuscht bin ich trotzdem.“

    EJ ging zu ihr und nahm sie fest in den Arm.

    „Kannst Du denn nicht verstehen, dass ich meine beste Freundin beschützen will?“, fragte sie dabei.

    Rebecca erwiderte die Umarmung.

    „Also gut. Aber Du bist nicht allein, hörst Du? Wir stehen zueinander.“

    „Ja, danke, das hab ich gemerkt. Vielen Dank Euch allen.“

    Die anderen hoben grinsend die Gläser.

    „Auf EJ und ihren Sieg“, meinte Swain.

    „Auf EJ“, wiederholten die übrigen.

    Der Abend wurde feuchtfröhlich und ausgelassen. Zu fortgeschrittener Stunde kam Buffer zu EJ herüber und legte seinen gesunden Arm um ihre Schulter. Er war inzwischen mehr als nur leicht angetrunken und schwankte etwas.

    „EJ, ich habe beschlossen, dass Du Dir etwas Besonderes verdient hast“, fing er an.

    Sie sah ihn skeptisch an, aber er erwiderte ihren Blick so ernsthaft, wie ein Betrunkener nur konnte.

    „Wir ... wir gehen jetzt zu Pauley rüber“, bestimmte er. „Du weißt schon, mein Freund, der Tätowierer. Du bekommst nämlich heute Dein erstes Tattoo ...“

    Er nahm einen großen Schluck aus seiner Flasche, was gar nicht so einfach war, da er dazu den verletzten Arm nehmen musste, weil er den anderen ja noch um EJs Schulter gelegt hatte.

    „Was ist, wenn ich gar keine Tätowierung haben möchte?“, erkundigte sie sich amüsiert.

    „Doch, doch, Du willst eine. Ganz bestimmt“, nickte er ernst. „Ich spendier sie Dir.“

    „Ah ja. Und was schwebt Dir da so vor?“

    „Verrat ich nicht. Ich suche das Motiv aus und Du die Stelle, wo es hin soll, okay?“

    Belustigt warf EJ einen Blick in die Runde, aber zu ihrem Erstaunen fand sie in den Gesichtern ihrer Freunde nur Zustimmung.

    „Tolle Idee, Buffer“, meinte Charge. „Lässt Du Dir auch wieder eins stechen?“

    „Nein, ich bin heute schon genug angepikst worden. Diesmal ist EJ dran.“

    Entschlossen zog er die junge Frau mit sich, die sich nur wenig sträubte. Insgeheim hatte sie schon eine ganze Weile damit geliebäugelt, sich ein Tattoo machen zu lassen, aber irgendwie hatte es sich bisher noch nicht ergeben. Das Einzige, was sie ein wenig beunruhigte, war, dass sie die Wahl des Motivs dem Bootsmann überlassen sollte. Dann aber siegte ihre Abenteuerlust und sie ging bereitwillig mit ins Tätowierstudio.

    Sie wusste genau, wo Pauley sein Kunstwerk, denn das waren alle seine Tattoos, platzieren sollte: auf ihr linkes Schulterblatt. Dort wäre es auch nicht so schlimm, wenn ihr Buffers Auswahl nicht gefallen würde, denn sie würde es höchstens in einem Spiegel sehen können. Während EJ ihr Shirt auszog und den linken Träger ihres BHs herunter schob, flüsterten Buffer und der Tätowierer verschwörerisch. Ergeben lehnte sie sich über den Stuhl und ließ dann die Prozedur über sich ergehen. Buffer musste ein ziemlich kompliziertes Bild ausgesucht haben, denn es dauerte mehrere Stunden, bis Pauley seine Arbeit beendet hatte. Der Morgen graute bereits, als er das fertige Tattoo mit einer Mullkompresse abdeckte und ihr noch einige Verhaltensregeln mitgab. Sie sollte die Haut mit einer kühlenden Lotion behandeln und auf keinen Fall kratzen, wenn es juckte. Das sei völlig normal und würde sich bald wieder geben. Ansehen hatte sie das Kunstwerk aber nicht dürfen. Man würde sowieso erst in einigen Tagen richtig erkennen, was es sei, erklärte er ihr zum Abschied.

    Auf dem Weg zum Schiff nahm Buffer beiläufig EJs Hand. Es verwunderte sie zwar, aber sie ließ es dennoch zu. Dieser Abend war einfach etwas Besonderes gewesen und es schien ihr der passende Ausklang zu sein.


    tbc.

  35. Danke sagten:


  36. #39
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    Hab ich schon mal erwähnt, dass ich mich jedes Mal über die Treue meiner beiden "Danke"-Drücker Evaine und Galaxy freue? Mercí, ihr beiden ...

    Und nun weiter mit






    Kapitel 30: Überführung


    HMAS Hammersley, 05:10 Uhr, Morgenwache, befreundeter Hafen


    Eigentlich hatten Buffer und EJ vorgehabt, sich leise an Bord zu schleichen, aber auf dem Niedergang kam ihnen der CO entgegen.

    „Guten Morgen, Sir“, grüßte Buffer ihn. „So früh schon auf?“

    „Ich bin eben immer ein wenig unruhig, wenn meine Crew in einem fremden Hafen noch nicht vollzählig an Bord ist“, meinte er mit einem Lächeln, aber in leicht vorwurfsvollem Tonfall. „Ich habe gehört, was gestern Abend vorgefallen ist“, meinte er dann. „Bist Du okay, EJ?“

    „Ja, alles in bester Ordnung. Die örtlichen Polizeikräfte kümmern sich um Mr. Kingston“, nickte sie und konnte anschließend ein Gähnen kaum unterdrücken.

    „Lange Nacht, was? Dann geht mal lieber noch eine Weile in die Koje. Wir legen erst gegen 15:00 Uhr ab“, grinste Mike und schlug ihr auf die linke Schulter. Verwundert sah er, wie sie zusammenzuckte, und hob fragend eine Braue.

    „Tattoo“, meinte Buffer erklärend.

    „Sorry, das wusste ich nicht“, nickte Mike verstehend. „Ich wollte Dir nicht wehtun.“

    „Schon in Ordnung. Du weißt ja, ich bin hart im Nehmen“, erwiderte EJ mit einem verzerrten Grinsen.

    „Also dann, gute Nacht, Sir“, verabschiedete sich Buffer und zog EJ mit.

    Mike sah ihnen kopfschüttelnd nach. Er würde sich später genau berichten lassen, was in der Bar vorgefallen war, aber es schien, als hätte seine „kleine Schwester“, dieses Abenteuer mehr als gut überstanden. Offensichtlich hatte sie nun endgültig mit der Vergangenheit abgeschlossen und einen neuen Lebensabschnitt begonnen. Sie hatte sich sogar zu einem Tattoo überreden lassen. Schmunzelnd ging er weiter nach oben, um den neuen Tag auf der Brücke zu begrüßen.


    ***


    HMAS Hammersley, 13:45 Uhr, Nachmittagswache, befreundeter Hafen


    „Wir haben neue Befehle bekommen. Leider ist unsere nächste Aufgabe keine sehr angenehme. Da sie auch EJ betrifft, habe ich sie zu dieser Besprechung hinzu gebeten“, begann Lieutenant Commander Flynn das Briefing. Er sah in die Runde. Seine Offiziere lauschten aufmerksam, aber der ein oder andere schien bereits zu ahnen, worum es ging, denn in einigen Gesichtern zeichnete sich Besorgnis ab.

    „Es geht um meinen Ex-Mann“, sprach EJ schließlich aus, was viele befürchteten. „Wir sollen ihn nach Hause bringen, richtig?“

    Mike nickte ernst.

    „NAVCOM hat uns den Befehl erteilt, Steve Kingston nach Cairns zu überführen. Wir sind das einzige australische Kriegsschiff hier und es ist logisch, dass er in unsere Obhut übergeben wird. Auch, wenn uns das nicht gefällt.“

    Ein leises Aufstöhnen ging durch die Runde.

    „Wir sind für solche Gefangenentransporte aber gar nicht ausgerüstet“, meldete sich Swain. „Wir haben nur das Notquartier ...“

    „Leider muss das genügen“, entschied der CO. „Mr. Kingston soll so schnell wie möglich nach Australien gebracht werden, weil er sich vor einem Militärgericht zu verantworten hat. Er wird wegen des tätlichen Angriffs auf einen Offizier der Navy angeklagt.“

    „Hört sich doch gut an“, grinste Buffer und hob seinen frisch bandagierten Arm in die Höhe. „Immerhin hat er mich ja verletzt.“

    „Ja, an sich begrüße ich diese Entscheidung auch, mir macht nur der Transport Sorgen“, erwiderte Mike mit einem Stirnrunzeln.

    „Ich werde veranlassen, dass immer ein Posten vor der Tür steht“, meldete sich Swain. „Mr. Kingston wird rund um die Uhr bewacht werden. Außerdem werde ich ihn persönlich an eines der Betten fesseln. Er wird keine Chance bekommen.“

    Jeder wusste, was der Polizeioffizier meinte. Alle, die in der Bar dabei gewesen waren, hatten erlebt, wie gefährlich der Mann war.

    „Gut, Swain, organisieren Sie das. EJ?“

    „Ja, Sir?“

    „Sie halten sich von den Notfallquartieren fern, verstanden?“, befahl er ihr ernst.

    „Ja, Sir, verstanden. Ich lege keinen gesteigerten Wert darauf, ihn öfter als unbedingt nötig zu sehen“, bestätigte sie und brachte dabei ein winziges Grinsen fertig.

    „Das kann ich verstehen“, nickte Mike lächelnd. „Hat noch jemand Fragen?“

    „Buffer, wie geht’s Deinem Arm?“, erkundigte sich Charge.

    „Hab schon Schlimmeres überlebt“, winkte der Bootsmann ab. „Kein Grund zur Sorge.“

    „Wollen wir es hoffen“, seufzte Kate.

    „Sir, es ist ganz gut, dass wir nach Hause fahren“, meinte EJ abschließend. „Unsere medizinischen Vorräte neigen sich langsam dem Ende zu.“

    „Bedrohlich oder noch ausreichend?“

    „Gerade noch ausreichend, Sir. Es wird trotzdem Zeit, sie wieder aufzufüllen.“

    „Nun, solange wir noch bis Cairns damit auskommen ...“

    „Ein größerer Notfall darf uns aber nicht dazwischen kommen.“

    „Dann wollen wir doch das Beste hoffen. Meine Damen und Herren, ich möchte pünktlich um 15:00 Uhr ablegen.“

    Der CO erhob sich und zeigte damit, dass die Besprechung beendet war. Im Hinausgehen zuckte EJ unbehaglich mit der linken Schulter.

    „Was ist?“, fragte Swain.

    „Das Tattoo juckt“, erklärte sie.

    „Ich geb Dir eine Salbe. Lass sie Dir von Bomber auftragen“, meinte er und ging mit ihr in den Sanitätsraum. „Hier, das sollte helfen. Was ist es denn überhaupt?“

    Er drückte ihr eine Tube in die Hand und sah sie neugierig an.

    „Ich habe keine Ahnung, Swaino. Buffer hat es mir nicht verraten.“

    „Was denn, Du weißt nicht einmal, wofür Du die ganze Nacht da rumgehangen bist?“, staunte er.

    „Nein, echt nicht. Ich lass mich überraschen.“

    Mit diesen Worten ließ sie ihn stehen und ging zur Kombüse, um Bomber zu suchen. Kopfschüttelnd und grinsend sah er ihr nach.


    ***


    Die Übergabe des Gefangenen ging ruhig vonstatten. Steve betrat das Schiff mit gesenktem Kopf. Dabei prägte er sich jedoch mit flinken Blicken alles ein, was er sah. Er erfasste in Sekundenbruchteilen, wie viele Seeleute sich gerade an Deck befanden, und erkannte sofort einige wieder, die am vorigen Abend in der Bar gewesen waren. Als man ihn unter Deck brachte, merkte er sich genau den Weg, den sie nahmen. Allerdings musste er spätestens, als Swain ihn an eines der Betten fesselte, erkennen, dass eine schnelle Flucht unmöglich war. Zudem registrierte er, dass vor der Tür eine Wache postiert wurde.


    „Gefangenenübernahme erfolgreich abgeschlossen, Sir“, meldete Swain auf der Brücke.

    „In Ordnung. Sobald die indonesischen Sicherheitskräfte von Bord sind, legen wir ab“, bestimmte Mike.

    „Aye, Sir“, bestätigte Buffer, während Swain auf dem Sitz des Steuermanns Platz nahm. Der Bootsmann ging hinaus aufs Oberdeck, um die entsprechenden Befehle zu erteilen und zu überwachen, dass die Gangway eingeholt und die Taue gelöst wurden. Schließlich war es so weit und die Hammersley machte sich pünktlich auf in Richtung Heimat.


    „Sag mal, was ist das eigentlich für ein Gefühl“, fragte Bomber unterdessen in der Kombüse.

    „Was meinst Du?“, erkundigte sich EJ erstaunt.

    „Na ja, ich meine, dass Dein Ex hier an Bord ist. Immerhin wollte er Dich umbringen ...“

    „Er ist einfach nur ein Gefangener, verstehst Du? Es ist, als hätte er nie etwas mit mir zu tun gehabt.“

    „Echt?“ Bomber bekam ganz große Augen. „Das bedeutet ja, ... Du bist wirklich darüber weg, ja?“

    EJ nickte nur. Rebecca strahlte sie an und wollte ihr begeistert auf die Schulter klopfen, hielt aber im letzten Moment inne, als EJ davor zurückzuckte.

    „Oh, sorry, Dein Tattoo. Hätte ich fast vergessen.“

    „Na, ich kann es im Augenblick keine Sekunde vergessen“, meinte EJ mit einem schiefen Grinsen. „Es juckt fürchterlich.“

    „Soll ich Dich eincremen?“, bot Bomber hilfsbereit an. Ihr Eifer entlockte EJ ein leises Lachen.

    „Ich nehm Deine Hilfe gerne an, aber gib es zu: Du bist eigentlich nur neugierig.“

    „Nicht nur, aber ... ja, ich möchte es schon gerne sehen.“

    „Na gut, dann komm mit runter in die Kabine.“

    Schnell überzeugte sich Bomber davon, dass in der Küche alles in Ordnung war, dann folgte sie ihrer Freundin. Als sie jedoch die Mullkompresse entfernt hatte, zog sie ein enttäuschtes Gesicht.

    „Man kann gar nichts erkennen“, murrte sie. „Nur, dass es bunt ist.“

    „Pauley hat mich schon gewarnt, dass es ein paar Tage dauern wird“, grinste EJ. „Ich bin eigentlich ganz froh, dass ich es auf dem Schulterblatt habe. Vielleicht gefällt es mir ja auch gar nicht?“

    „Und Buffer hat Dir wirklich nicht verraten, was es ist? Das finde ich irgendwie schon fast gemein.“

    „Er hat mir nur erklärt, dass es eine Überraschung sein soll. Und er sagte, dass es zu mir passen würde, was immer er damit meint.“

    „Da bleibt uns jetzt wohl nichts anderes, als abzuwarten, nicht wahr?“, seufzte Rebecca und verarztete dann ihre Freundin.


    ***


    HMAS Hammersley, 22:10 Uhr, Abendwache, Arafura-See


    EJ konnte nicht einschlafen. Die Haut um die Tätowierung juckte wie verrückt und auch eine kalte Dusche hatte ihr keine Linderung gebracht. Schließlich beschloss sie, dem Bootsmann, der zusammen mit Spider Wache schob, einen Kaffee zu bringen. Sie hoffte, ihn vielleicht doch dazu bringen zu können, dass er ihr verriet, was sie da nun auf der Schulter trug.

    Mit drei Bechern Kaffee stieg sie hinauf zur Brücke. Spider, der das Radar im Auge behielt, nahm seinen dankbar entgegen.

    „Ziemlich langweilig heute“, meinte er dabei.

    EJ nickte und drehte sich zu Buffer, um ihm ebenfalls seinen Kaffee zu reichen.

    „Danke“, sagte er und streckte die Hand aus, aber er zitterte so sehr, dass er den Becher nicht entgegennehmen konnte. Alarmiert sah EJ ihn an.

    „Buffer, was ist los? Geht es Dir nicht gut?“

    Er drehte langsam den Kopf und starrte sie an. EJ erschrak vor seinem glasigen Blick, der sie kaum wahrzunehmen schien.

    „Alles bestens“, murmelte er schließlich und kippte dann langsam zur Seite.

    „Spider“, rief sie nach dem jungen Seaman, der sogleich aufsprang. „Hilf mir. Mit Buffer stimmt was nicht.“

    Sie stellte schnell die beiden Becher, die sie fast hätte fallen lassen, zur Seite, und versuchte, den Bootsmann aufzufangen. Gemeinsam mit Billy gelang es ihr, Buffer wieder aufzurichten, aber sie stellte schnell fest, dass dieser das Bewusstsein verloren hatte. Eine rasche Untersuchung zeigte, dass seine Temperatur erhöht war und er stark schwitzte.

    „Verdammt“, fluchte sie. „kannst Du ihn halten?“

    Spider nickte und EJ ging zur Funkstation. Sie wählte Swains Quartier für eine Durchsage an.

    „Swain, bitte sofort auf die Brücke. Ein Notfall auf der Brücke. Swain, bitte sofort auf die Brücke.“

    Dann kehrte sie zu den beiden Männern zurück. Buffer hatte sich nicht gerührt und war nach wie vor nicht ansprechbar. Es dauerte nur wenige Minuten, bis der Sanitätsoffizier die Treppe heraufgestürmt kam.

    „Was ist ... Buffer!“

    Er hastete zu ihm und stellte ebenso wie EJ fest, dass der Bootsmann hohes Fieber hatte.

    „Er muss sofort hinunter in den Sanitätsraum. Spider, kommst Du so lange allein klar? Ich schicke Dir Charge“, meinte er, als der Seaman nickte. „EJ, hilf mir mal.“

    Gemeinsam hoben sie den Bootsmann aus dem Kommandosessel. Sie legten seine Arme um ihre Schultern und Swain umfasste seine Hüfte. Vorsichtig schleppten sie ihn die Treppe hinab und bis zum Sanitätsraum, wo sie ihn in die Koje legten. Unterwegs kam Buffer wieder zu Bewusstsein, war aber völlig desorientiert und ließ alles mit sich geschehen.

    „Weiß Du, wie lange er schon ...?“, fragte Swain besorgt und untersuchte die Reaktion der Pupillen Buffers.

    „Nein, ich bin gerade eben erst auf die Brücke gekommen. Ich wollte den beiden einen Kaffee bringen, da ist er einfach umgekippt. Ich ...“

    Sie brach ab, weil ihr erst jetzt bewusst wurde, was eigentlich los war. Buffer war kein Mensch, der wegen einer Kleinigkeit schlappmachte. Ihr kam ein furchtbarer Verdacht, als er sich unruhig herumwarf und sich dabei den verletzten Arm hielt.

    „Swain ...“, begann sie alarmiert, aber er hatte bereits damit begonnen, den Verband zu lösen. Als die Messerwunde zum Vorschein kam, sogen sie beide zischend die Luft zwischen die Zähne. Die Wundränder hatten sich entzündet und bildeten hässliche rote Schwellungen, unter denen Eiter schwärte. Der Bootsmann stöhnte gequält auf, als Swain die Wunde vorsichtig abtastete.

    „Das sieht nicht gut aus“, stellte er düster fest. „Kannst Du ihm bitte den Blutdruck messen?“

    EJ nickte.

    „Viel zu niedrig“, stellte sie gleich darauf fest. „Er liegt bei 95 zu 50.“

    Swain schüttelte bedenklich den Kopf. „Sein Puls rast und hör mal, wie er keucht.“

    „Keuche ... nicht ...“, murmelte Buffer und wollte sich aufrichten, aber als er sich auf den verletzten Arm stützen wollte, sackte er mit einem Schmerzenslaut zusammen.

    „Wenn Du so weitermachst, müssen wir Dich ruhigstellen“, mahnte ihn Swain und drückte seinen Oberkörper zurück auf die Liege.

    „Es deutet alles auf eine Sepsis hin, nicht wahr?“, fragte EJ besorgt.

    „Ich bin mir nicht sicher, aber ja, das könnte sein. So ähnlich hat auch Spider damals reagiert.“

    „Haben wir noch Antibiotika?“

    „Wenn ja, dann nicht mehr viel. Sieh doch bitte mal im Schrank nach.“

    „Brauch keine ... Antibiotika“, murmelte Buffer, aber er war zu schwach, um etwas zu unternehmen. Unruhig drehte er den Kopf von einer Seite zur anderen. „Wo ist ...“

    EJ ging unterdessen hinüber und kramte in den Fächern. Sie fand eine Packung, in der jedoch lediglich eine Tablette übrig war.

    „Das reicht nicht. Wir müssten ihm mindestens fünf von diesen Dingern verpassen, damit es hilft“, meinte Swain besorgt. „Auf jeden Fall braucht er auch eine Infusion.“

    Routiniert legte er dem Bootsmann trotz dessen schwacher Abwehr einen Zugang und hängte dann einen Beutel mit Kochsalzlösung an. EJ hatte sich inzwischen wieder abgewandt und studierte nun die Aufschriften auf den Gläschen, in denen sich Mittel befanden, die injiziert werden mussten. Schließlich wurde sie fündig.

    „Hier ist ein Breitbandantibiotikum. Die Flasche ist noch fast voll.“

    „Zeig mal her“, verlangte Swain und besah sich das Fläschchen. „Ach ja, das hatte ich ganz vergessen. Weißt Du, die meisten auf dem Schiff haben eine fast panische Angst vor Spritzen.“

    „Ich ... brauch keine ...“, wehrte der Bootsmann keuchend ab.

    „Tut mir leid, aber das muss jetzt sein“, meinte EJ unerbittlich und zog eine Spritze auf.

    „Hey, Moment, woher weißt Du, wieviel Du ihm geben musst?“, frage Swain besorgt.

    „Vertrau mir, Swain. Ich habe letztens einen Kurs mitgemacht, in dem wurde dieses Thema auch besprochen. Ich weiß, was ich tue.“

    Sorgfältig spritzte sie das Mittel über den Zugang in Buffers Körper. Dann sah sie Swain an.

    „Nun können wir nur warten, ob es hilft. Allerdings sollten wir die Wunde ausspülen.“

    „Ich ... ich weiß nicht, ob ich sie öffnen kann ...“, zögerte der Sanitätsoffizier.

    „Swain, Du hast schon mal einen Kaiserschnitt gemacht ...“, erinnerte EJ ihn ungeduldig.

    „Die Frau war bereits tot. Ich habe Angst, dass ich ihm mehr schade als helfe. Sollten wir uns nicht lieber mit einem Fachmann beraten?“

    „Um diese Zeit wirst Du da Probleme bekommen, Swaino. Nein, im Augenblick sind wir auf uns allein gestellt. Wenn Du es nicht tust, mach ich es“, erklärte sie entschlossen.

    Chris sah sie zweifelnd an. Buffer, der nur teilweise zu verstehen schien, um was es ging, wandte seinen Blick ebenfalls nicht von der jungen Frau.

    „Glaubst Du wirklich, Du schaffst das?“, fragte der Sanitätsoffizier skeptisch.

    „Haben wir noch genügend Wasserstoffperoxid da?“, gab sie unbeeindruckt zurück.

    „Es müsste noch etwas im Vorrat sein. Ich seh’ mal nach.“

    EJ nahm das als Zustimmung und suchte zusammen, was sie benötigte. Ein Skalpell, frische Wundkompressen, einen Eimer und weiteres Verbandsmaterial. Swain kam mit mehreren Flaschen des Wunddesinfektionsmittels zurück.

    „Gut“, meinte sie, „das müsste reichen. Zuerst müssen wir den Arm betäuben. Kannst Du das übernehmen?“

    Swain nickte und zog eine weitere Spritze auf. Sorgfältig injizierte er das Mittel in die Unterarmmuskeln. Nach einer Weile testete er vorsichtig, ob es wirkte. Buffer verzog keine Miene, als der Sanitätsoffizier noch einmal den entzündeten Schnitt abtastete.

    „In Ordnung, Du kannst loslegen“, nickte er dann EJ zu.

    Sie zog einen Hocker neben die Koje und setzte sich. Dann legte sie den verletzten Arm so, dass er über den Rand des Bettes hing, und nahm das Skalpell zur Hand.

    „Halte ihn bitte fest, falls er unruhig wird. Ich möchte ihn nicht noch mehr verletzen“, meinte sie und setzte das scharfe Instrument an. Bereits beim ersten Schnitt spritzten Blut und Eiter hervor. Sie streckte fordernd die Hand aus.

    „Wasserstoff“, verlangte sie und Swain reichte ihr die erste Flasche. EJ spülte die Wunde so lange aus, bis die Flüssigkeit klar blieb. Dann setzte sie ein Stück weiter unten nochmals an und wiederholte die Prozedur. Vor Konzentration und Anstrengung trat ihr der Schweiß auf die Stirn, aber Swain tupfte ihr die Tropfen wie ein routinierter Assistent ab. Schließlich war der Schnitt der ganzen Länge nach gereinigt und desinfiziert und EJ atmete auf. Buffer hatte sie die ganze Zeit über beobachtet, aber sich nicht gerührt. Sie wusste nicht, ob er in seiner Benommenheit überhaupt begriffen hatte, was da vor sich ging.

    „Ich muss ehrlich sagen, ich zögere, die Wunde zu vernähen. Es könnte sein, dass wir das hier nochmal machen müssen, wenn sich wieder so viel Eiter bildet“, seufzte sie. „Wir können im Moment nur klammern und alles neu verbinden. Hoffen wir mal, dass es das war“

    „Er atmet immer noch flach und schnell“, stellte Swain fest. „Sein Blutdruck ist auch noch nicht besser“, meinte er kurz darauf, nachdem er noch einmal nachgemessen hatte. „Das gefällt mir gar nicht.“

    „Mir ist heiß“, murmelte der Patient.

    EJ enthielt sich einer Antwort. Sie tupfte ihm nur die Schweißtropfen vom Gesicht und versuchte, ihm etwas zu trinken einzuflößen.

    „Ich gebe ihm in zwei Stunden eine weitere Dosis Antibiotikum“, meinte sie schließlich. „Darüber hinaus können wir nur beten ...“

    Ihre letzten Worte kamen nur noch flüsternd und Chris merkte, dass sie darum kämpfte, die Fassung zu bewahren. Buffer war wieder in die Bewusstlosigkeit geglitten und sie strich ihm besorgt über den Kopf. Nun, da sie nichts mehr für ihn tun konnte, nahm ihre Angst um ihn überhand.

    „Ich verstehe nicht, wie so etwas passieren konnte“, sinnierte Swain. „Buffer sollte eigentlich ein ausgezeichnetes Immunsystem haben, sonst hätte er ja bei jedem Tattoo, das er sich stechen ließ, solche Probleme bekommen.“

    „Ja, das stimmt wohl. An diesem Messer muss eine Substanz gewesen sein, die das ausgelöst hat“, erwiderte sie grimmig. „So etwas ist typisch für Steve. Womöglich hatte er es sogar präpariert.“

    „Wer weiß? Ich werde jetzt jedenfalls nach oben zu Spider gehen. Ich hab nämlich ganz vergessen, Charge zu wecken.“

    Mit einem müden Grinsen verabschiedete er sich. Er wusste, dass EJ in dieser Nacht nicht von Buffers Seite weichen würde. Zu groß war ihre Angst, ihn zu verlieren. Er hatte es in ihren Augen gesehen, auch wenn sie es wohl nie zugeben würde.

    EJ prüfte noch einmal Blutdruck und Puls ihres Patienten. Sie war mit beidem nicht zufrieden, konnte es aber im Moment nicht ändern. Dann setzte sie sich auf den Hocker, verschränkte die Unterarme auf der Decke von Buffers Koje und legte den Kopf darauf. So würde sie jede Veränderung sofort spüren, falls die Erschöpfung sie übermannen würde. Ohne es zu merken, glitt sie allmählich in einen leichten Schlaf.



    tbc.

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    Evaine und Galaxy, vielen Dank für das "Danke". Mein Dank gilt auch allen anonymen Mitlesern und deren regem Interesse an der Story.

    Wir nähern uns nun langsam dem Ende der Geschichte, aber noch liegt Einiges vor unseren Protagonisten. Um Euch nicht länger auf die Folter zu spannen, geht es nun weiter mit







    Kapitel 31: Fieber


    HMAS Hammersley, 23:55 Uhr, Abendwache, Arafura-See


    EJ schreckte auf, als Buffer sich unruhig bewegte. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass noch Zeit bis zur nächsten Antibiotika-Gabe war. Der Beutel mit Kochsalzlösung war jedoch leer und sie ersetzte ihn. Dabei stellte sie fest, dass im Vorrat nur noch zwei weitere Beutel vorhanden waren, und seufzte. Buffers Zustand war kritisch und sie hoffte, dass man die Heimatbasis rechtzeitig erreichen würde. Sie wusste, dass eine Sepsis auch tödlich enden konnte, wenn sie nicht richtig behandelt wurde. Eine Messung des Blutdrucks zeigte, dass dieser ein wenig besser war, aber Buffers Puls raste nach wie vor und es ging ihm nicht gut. Das Fieber war auf 40,2° Celsius angestiegen und sein Arm schien zu kochen. Kurz entschlossen nahm EJ ein paar Tücher, legte sie in kaltes Wasser und bereitete dem Bootsmann kühlende Wadenwickel. Sie wusste sich im Moment nicht mehr anders zu helfen.

    „Wie geht es ihm?“, erkundigte Swain sich leise, als er den Raum betrat.

    „Ich versuche, das Fieber zu senken“, erklärte EJ, die sich gerade wieder gesetzt hatte. „Bisher hat das Mittel noch nicht angeschlagen, aber das ist wohl auch ein wenig zu viel erwartet.“

    „Geh schlafen, ich übernehme“, forderte Swain sie müde auf.

    „Weiß der CO schon Bescheid?“, fragte sie.

    „Ja, ich habe ihn über die Situation informiert“, nickte er. „Er möchte sofort wissen, wenn sich etwas ändert.“

    „Also gut.“ EJ erhob sich zögernd, aber plötzlich wurde ihr Arm mit festem Griff gepackt.

    „Nein, nicht ...“, stöhnte Buffer. Er hatte die Augen weit geöffnet, aber sein Blick schien durch sie hindurchzugehen. „Bleib ... hier ...“

    Hilflos sah sie zu Swain, der ihr zunickte.

    „Vielleicht ist es wirklich besser, wenn Du bleibst. Ich lege mich eine Weile hin und sehe in den Morgenstunden wieder nach ihm.“

    „Swain, ich habe Angst“, flüsterte sie. „Was ist, wenn ...“

    „Er wird schon wieder“, beruhigte er sie trotz seiner eigenen Bedenken. Er trat zu ihr und legte den Arm um sie. „Buffer ist stark und wir tun alles, was wir können.“

    Für einen Moment lehnte sie sich Trost suchend an den Kameraden, dann richtete sie sich entschlossen auf.

    „EJ?“, fragte der Bootsmann schwach.

    „Ich bin hier, Buffer“, sagte sie sanft. „Ich gehe nicht weg.“

    Mit einem Seufzen ließ er ihren Arm los, der von seinem harten Griff schmerzte. Seine Hand fiel kraftlos auf die Decke zurück.

    „Ach ja, bevor ich es vergesse: Wie geht es Deinem Tattoo?“, erkundigte Swain sich noch. Verblüfft sah EJ ihn an.

    „Ich habe gar nicht mehr daran gedacht“, gab sie schließlich zu. „Jetzt, wo Du mich daran erinnerst, spüre ich das Jucken wieder, aber es ist längst nicht mehr so schlimm.“

    „Kein Wunder“, nickte er. „Du hast im Moment ja auch ganz andere Sorgen.“

    Mit einem aufmunternden Klaps auf die rechte Schulter verabschiedete er sich und ließ die junge Frau mit dem Patienten allein.

    EJ setzte sich wieder neben Buffer. Sie tupfte den Schweiß von seiner Stirn und bemerkte dabei, dass er sie unverwandt ansah. Sie zwang ein beruhigendes Lächeln auf ihre Lippen, obwohl ihr eher danach zumute war, zu weinen. Es war schrecklich, ihn so hilflos daliegen zu sehen. Ihr wurde bewusst, dass an Mikes Vorwurf, dass sie sich selbst etwas vormache, tatsächlich etwas dran war. Er hatte wohl längst erkannt, wie viel ihr wirklich an dem Bootsmann lag. Sie hätte ihn gehen lassen, wenn er mit einer anderen Frau glücklicher gewesen wäre, ihn jedoch Gevatter Tod zu überlassen, dazu war sie nicht bereit. Sie würde um sein Leben kämpfen, und wenn es sie ihr eigenes kosten würde. Das hatte sie bereits in der Bar bewiesen, als sie Steve entwaffnete und überwältigte, nachdem dieser Buffer angegriffen und verletzt hatte. Sie würde auch jetzt alles tun, um den Bootsmann zu retten. Sie musste sich eingestehen, dass sie sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen konnte.
    Vorsichtig nahm sie seine Hand und drückte sie leicht. Seine Reaktion bestand in einem leichten Lächeln. Er spürte also zumindest, was sie tat.

    „EJ“, flüsterte er. Sie musste sich über ihn beugen, um ihn zu verstehen. „Es ... mein Arm ... er brennt ... wie Feuer ...“

    „Ich werde Dir ein Schmerzmittel geben“, meinte sie und erhob sich. Im Medizinschrank fand sie noch ein Fläschchen mit einem passenden Präparat. Rasch zog sie eine Spritze auf und injizierte ihm davon. „Das hemmt gleichzeitig die Gerinnung Deines Blutes“, erklärte sie dabei. „Es ist auch wieder Zeit für die nächste Dosis Antibiotikum.“

    Nachdem sie ihm auch dieses verabreicht hatte, legte sie die gebrauchten Spritzen in das Sterilisiergerät und stellte es an. Dann wechselte sie die Wadenwickel und legte ihm zusätzlich ein kühles Tuch auf die Stirn.

    „Wie fühlst Du Dich?“, fragte sie leise.

    Er schien die Frage aber nicht verstanden zu haben. Unruhig warf er sich in der Koje herum, wobei sich die Tücher von seinen Beinen lösten.

    „Nicht, Buffer, bitte“, flehte sie ihn an. „Du musst ruhig liegen bleiben, sonst bekommen wir das Fieber nicht in den Griff.“ Sie nahm wieder seine Hand und er beruhigte sich etwas. Nach einer Weile öffnete er die Augen und sah sie an. Sein Blick schien klar, aber als er zu reden anfing, wusste sie, dass er im Delirium sprach.

    „EJ, bitte ... Du musst mir verzeihen ...“

    Ihr stiegen Tränen in die Augen. Sie wusste zwar nicht, was er genau meinte, aber seine leise Stimme klang so drängend.

    „Cynthia ... das war nur ...“ Er atmete keuchend und es dauerte einen Moment, bis er fortfahren konnte. „Du warst so ... abweisend ... ich hab versucht ... Dich zu ... vergessen. Da kam sie ... gerade richtig ... aber ... es klappt nicht. EJ ... ich ... ich kann nicht ...“

    „Ist schon gut“, murmelte sie beruhigend und strich ihm über den Kopf. „Du musst das nicht ...“

    „Doch“, fuhr er heftig auf. „Du musst mir zuhören, EJ. Es ist ... wichtig.“

    „Sshhh“, machte sie und drückte ihn wieder in die Kissen. „Ganz ruhig. Ich höre Dir zu.“

    Er entspannte sich wieder etwas, aber sein Blick lag forschend auf ihrem Gesicht. „Du glaubst mir doch, EJ?“, fragte er ängstlich.

    „Aber ja“, antwortete sie. „Du musst jetzt schlafen, Buffer. Es wird alles wieder in Ordnung kommen.“

    Seine Lider senkten sich langsam, aber noch immer kam er nicht zur Ruhe. „Bitte, EJ, es ist wahr. Es gibt nur eine Frau für mich ...“

    Sie schloss für einen Moment die Augen. Sie war nicht sicher, wen er damit meinte, Sie oder Nikki. Seine nächsten Worte beseitigten jedoch jeden Zweifel.

    „Nur Dich, Lizzie ... für mich gibt es nur Dich.“

    Auch wenn er im Moment ziemlich verwirrt war, sie erkannte, dass er diese Worte todernst meinte. Sie drückte seine Hand und wischte sich die Tränen vom Gesicht. „Ja, Pete, ich glaube Dir“, flüsterte sie dabei. „Jetzt musst Du nur noch wieder gesund werden.“

    Ein leichtes Lächeln spielte um Buffers Mundwinkel, als er in den Schlaf hinüber glitt. EJ betrachtete sein Gesicht. Schmerzen und Fieber hatten es gezeichnet, aber er schwitzte nicht mehr so stark und wirkte entspannter als zuvor. Sie wusste nicht, an wie viel er sich erinnern würde, wenn er wieder erwachte, aber das, was er ihr mitgeteilt hatte, gab ihr zu denken. Offensichtlich hatte ihr Rückzug ihn sehr getroffen.
    Er hatte gesagt, dass es keine andere Frau für ihn gäbe, also auch nicht Nikki? Hatte sie sein Verhalten so verkehrt eingeschätzt? Hatte sie falsche Schlüsse daraus gezogen? Er war in der Bar ohne zu zögern zu ihrer Verteidigung geeilt. Er, nicht etwa Swain. Sie erinnerte sich jetzt auch an viele kleine Details, die ihr kaum aufgefallen waren und die sie nicht in Zusammenhang damit gebracht hatte, dass er etwas für sie empfand. Bei Landgängen in fremden Häfen war er immer irgendwo in ihrer Nähe gewesen und hatte auf sie geachtet. Er hatte sich nach ihr erkundigt und hatte versucht, sie anzurufen, wenn sie im Heimathafen zurückbleiben musste. Sie selbst hatte seine Besuche im Krankenhaus unterbunden. Sie hatte ihn zurückgewiesen, das stimmte. Hatte sie es etwa aus den falschen Gründen getan? War es nur Eifersucht gewesen, die sie so hatte handeln lassen? Je länger sie darüber nachdachte, umso klarer wurde ihr, dass genau dies der Grund gewesen war. Aber anstatt um ihn zu kämpfen, hatte sie ihn aufgegeben.
    Langsam wurde ihr nun klar, warum sie ihn abgewiesen hatte. Tief in ihrem Inneren hatte sie immer noch das Gefühl gehabt, es nicht wert zu sein, von einem solchen Mann geliebt zu werden. Noch so ein Relikt aus der Zeit mit Steve, das sie noch nicht überwunden gehabt hatte. Sie hatte gedacht, dass jemand wie Nikki seine Liebe mehr verdiene. Es war ihm jedoch so wichtig gewesen, dass sie ihm glaubte. Dass sie wusste, was er für sie empfand. Nun war es an der Zeit, die Vergangenheit ein für alle Mal ruhen zu lassen und ein neues Leben zu beginnen. Ja, sie wollte diesen Mann. Für ihn wäre sie sogar bereit, sich an Land versetzen zu lassen. Sie wollte mit ihm zusammen sein, ganz offiziell und ohne Angst haben zu müssen, dass es ihren Karrieren schaden würde. Sie liebte ihn und diese Erkenntnis machte sie glücklich und besorgt zugleich, denn noch war Buffer nicht über den Berg.

    Eine erneute Überprüfung seines Blutdrucks ergab, dass er sich langsam wieder zu stabilisieren schien. Seine Temperatur lag nur noch bei 39,7° Celsius, war damit aber immer noch deutlich zu hoch. EJ zermarterte sich den Kopf, was mit ihm nicht stimmen könnte. Der Schnitt allein konnte es nicht sein, dazu war seine Konstitution eigentlich zu robust. Es musste wohl tatsächlich etwas am Messer selbst gewesen sein ...

    Plötzlich fiel ihr ein Gespräch ein, das sie vor langer Zeit einmal mit Steve geführt hatte. Ihr Ex-Mann war schon immer von Schlangen und ihren Giften fasziniert gewesen und er hatte ihr damals erklärt, dass es dabei welche gab, die nur sehr schwer nachzuweisen waren. Sie führten bei Menschen auch nicht zum sofortigen Tod, sondern wirkten sehr langsam. Er hatte ihr ein Buch gezeigt, in dem beschrieben war, dass der Biss einer solchen Schlange deshalb tödlich war, weil die Vergiftung oft mit einer normalen Sepsis verwechselt und entsprechend behandelt würde. Deshalb würde das nötige Gegengift zu spät oder gar nicht verabreicht, was dann zum Tod führte.

    EJ sprang auf und durchsuchte den Arzneimittelschrank. Sie glaubte, vorhin eine Flasche gesehen zu haben, auf der etwas von „Antitoxin“ gestanden hatte. Nachdem sie eine Weile herumgesucht hatte, hielt sie das Fläschchen in der Hand. Zögernd besah sie sich die Aufschrift, allerdings konnte sie nicht viel daraus entnehmen. Sie warf einen Blick auf den im Moment friedlich schlafenden Bootsmann und ging dann kurz entschlossen zu ihrer Kabine, wo sie, ohne Bomber zu wecken, ihren Laptop holte. Zurück im Sanitätsraum vergewisserte sie sich, dass Buffer noch immer schlief, dann loggte sie sich im Internet ein.

    Über das Antitoxin war im Netz nichts zu finden. Das Mittel schien es überhaupt nicht zu geben und EJ verzweifelte fast. Als letzten Ausweg wählte sie sich ins Netz des Militärs ein, gab den Namen des Mittels ein und stieß schließlich auf eine verschlüsselte Datei, die sich offenbar mit geheimen medizinischen Daten befasste. Sie versuchte, sich einzuhacken, aber es misslang ihr kläglich. Stattdessen wurde sie komplett aus dem Netz geworfen und stöhnte gequält auf. Sie war sicher, dass sie der Lösung des Problems und damit der Genesung Buffers zum Greifen nahe gewesen war, aber nun schien es, als gäbe es keine Chance mehr.

    Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und ein ziemlich zerzauster CO stürmte herein. Ihm folgte Swain, der ebenfalls sehr verschlafen wirkte. Mike sah den Laptop vor EJ und deutete darauf.

    „EJ, was soll das bedeuten? Ich bekomme mitten in der Nacht einen Anruf von der militärischen Sicherheit, dass sich jemand von meinem Schiff aus in geheime militärische Akten hacken will?“

    „Ich ... ich habe nur versucht, Buffer zu helfen“, erklärte sie erschrocken. „Es geht um dieses Mittel hier.“

    Sie hob das Fläschchen hoch und Swain nahm es ihr aus der Hand.

    „Dieses Zeug haben wir beim letzten Aufenthalt in Cairns mitbekommen“, meinte er, als er es sich genauer angesehen hatte. Er reichte es an Mike, der fragend die Brauen hob. „Es ist ein Antitoxin gegen verschiedene Gifte. Schlangen, diverse Fische, Quallen und so etwas. Ein Kombipräparat, das noch in geheimer Erprobung ist.“

    „Und warum sollte das Buffer helfen?“, fragte der CO misstrauisch. Auch Swain sah fragend die junge Frau an.

    „Mir fiel ein, dass Steve früher von Schlangengiften fasziniert war. Es wäre möglich, dass er das Messer mit einem sehr heimtückischen Gift präpariert hat. Es wirkt sehr langsam, aber tödlich, und die Symptome sind anfangs denen einer Sepsis ähnlich.“

    Der Sanitätsoffizier pfiff leise durch die Zähne. „Das würde einiges erklären“, stellte er fest. „Die Frage ist nur, ob dieses Mittel ihm tatsächlich helfen würde.“

    „Genau das habe ich versucht, herauszufinden“, meinte EJ.

    „Das werden wir gleich haben“, erwiderte Mike entschlossen. „Die erwarten sowieso meinen Rückruf, also können sie auch gleich jemanden holen, der uns etwas darüber sagen kann.“

    Er ging zum Telefon und ließ sich vom Wachhabenden mit NAVCOM verbinden. Von dort wurde sein Anruf zur Sicherheitsabteilung durchgestellt. Mike erklärte kurz, was vorgefallen war und verlangte dann, mit jemandem zu sprechen, der sich mit dem Mittel auskannte. Es dauerte eine Weile, bis er zu einem der Entwickler des Antitoxins durchgestellt wurde. Der Mann war offensichtlich aus dem Tiefschlaf gerissen worden, wurde aber schlagartig munter, als er hörte, worum es ging. Mike reichte den Hörer zu EJ, die dem Wissenschaftler ihre Vermutung vortrug und dann angespannt lauschte. Schließlich dankte sie ihm und gab den Hörer an den CO zurück.

    „Wir sollen sehr vorsichtig vorgehen, meinte der Typ“, erklärte sie Swain, während Mike die Sache noch mit der Sicherheit und NAVCOM klärte. „Er ist nicht sicher, ob es auch gegen das Gift dieser Schlangenart hilft, aber wir sollten es ausprobieren. Schaden kann es ihm jedenfalls nicht.“

    Sie nahm einen Zettel und schrieb die genauen Angaben über die Mengen und Abstände der Gabe auf, die ihr der Wissenschaftler genannt hatte. Anschließend nahm sie eine Spritze zur Hand und zog eine kleine Menge des Antitoxins auf.

    „Dann wollen wir mal sehen“, sagte sie, als sie es über den Zugang injizierte. „Die Wirkung soll nicht lange auf sich warten lassen.“

    Gespannt beobachteten sie, ob sich eine Reaktion zeigen würde. Buffer war während der ganzen Aufregung nicht erwacht und EJ befürchtete, dass er vom Schlaf wieder in Bewusstlosigkeit geglitten war. Mike beendete das Gespräch und trat zu ihnen.

    „Ich konnte es so weit klären, aber ein kleines Nachspiel wird diese Aktion schon noch für Dich haben“, brummte er.

    „Anscheinend war es das aber wert“, erwiderte sie und deutete auf den Bootsmann. Dessen Atmung hatte sich verlangsamt und war in normale, tiefe Atemzüge übergegangen. Swain prüfte den Blutdruck und nickte zufrieden.

    „Er normalisiert sich“, verkündete er. „Ich denke, die Krise ist vorüber.“

    Vor Erleichterung begannen EJs Knie zu zittern und sie streckte Halt suchend die Hand aus. Mike fing sie auf und sie klammerte sich an ihn.

    „Gott sei Dank“, schluchzte sie auf.

    „Er wird wieder, EJ“, beruhigte der CO sie und strich ihr über den Rücken.

    „Ich hab es Dir doch gesagt“, meinte Swain. „Er ist stark, er macht das schon.“

    „EJ! Ist alles okay?“, vernahm sie plötzlich Buffers Stimme aus dem Hintergrund. Sie drehte sich um und sah in die klaren, besorgt blickenden Augen des Bootsmanns.

    „Ja! Jetzt ist alles wieder in Ordnung“, lächelte sie unter Tränen und eilte zu ihm.

    Swain und Mike sahen einander an. Der Sanitätsoffizier hob fragend die Augenbrauen, aber sein CO schüttelte nur langsam den Kopf. Swain nickte und verstand. Alles, was heute Nacht hier gesagt und getan worden war, durfte nicht nach außen dringen. Er würde ebenso Stillschweigen darüber bewahren, wie Mike das tat. Es lag auch nicht in seinem Interesse, den Karrieren seiner beiden Kameraden zu schaden, und wenn sein Boss vorgab, nichts zu sehen, war ihm das nur recht.


    tbc.

  39. Danke sagten:


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