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Thema: [SGA-SG-1] Der Dschinn [NC-17]

  1. #21
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    @feles: Aber es ist doch auch nett, wenn man mal nicht auf Updates warten muss, sondern kann Etliches hintereinander lesen, oder nicht? *g* Und deine Vermutungen gefallen mir!
    Was Weirs ersten Auftritt in Stargate angeht: sie ist blond, statt braunhaarig, das ist wohl der größte Unterschied zu den SGA-Folgen.
    Ich freue mich sehr, dass es dir bisher gefallen hat! Danke sehr für dein nettes Feedback!


    @John's Chaya: Ja, ich weiß, eifrige SG-1 Seher wissen natürlich, wo die Mitglieder von SG-1 in diesem Moment stecken und gegen was/wen sie ankämpfen müssen - aber Rodney und John natürlich nicht. *g* (Sonst säßen sie ja auch nicht so ruhig in ihrem Urlaub. und die Geschichte würde nicht mehr zu den SG-1 Folgen passen. Deshalb musste ich sie noch etwas im Unklaren lassen.
    Und ich kann dir versichern, das Gespräch steht fast unmittelbar bevor. Fast ........ *g*
    Danke für deine lieben Worte!

    -----------------------------------------------

    So und dann gibt es auch noch einen weiteren Teil.


    Der Dschinn (9/13)



    9. Kapitel



    Am nächsten Morgen erzählte Rodney John, dass Dr. Weir als Friedensaktivistin angefangen hatte, seit einigen Jahren aber schon für die Regierung arbeitete und viele bedeutende Friedensverträge ausgehandelt hatte. Rodney war der Ansicht, dass ihre Vergangenheit sie nicht unbedingt für einen Job ausgerechnet in einer Militäreinrichtung prädestinierte.

    „Die ist mal mit einem so einem Tauben-Banner ‚Make Peace, not War!’ rumgelaufen, John!“, erklärte er mit viel Händefuchteln, was sein T-Shirt zum Hochrutschen brachte.

    Rodney war so sehr … Rodney in diesem Moment, dass John einen Seufzer unterdrücken musste. Mit einem sehnsüchtigen Gedanken dachte er daran, dass er gerne seine Hand auf dieses kleine Stückchen nackter Haut gelegt hätte. Aber John riss sich zusammen und konzentrierte sich wieder auf die Situation.

    Er teilte Rodneys Ablehnung nicht. Er schöpfte sogar leise Hoffnung, dass mit so jemandem vielleicht leichter zu verhandeln war als mit dem Militär. Eventuell könnte er dann sogar darauf verzichten, Rodney noch tiefer mit in die Sache hineinzuziehen. Was er ihm natürlich nicht sagte, sondern sich stattdessen erkundigte, ob Rodney wusste, in welcher Verbindung sie zu Kinsey stand. Doch darüber konnte der Wissenschaftler leider keine Auskunft geben. Es gab keine dokumentierten gemeinsamen Auftritte der beiden, ihre Zusammenarbeit schien erst jüngeren Datums zu sein.

    Sie warfen die leeren Kaffeebecher in den Papierkorb, packten ihre wenigen Sachen zusammen, bezahlten das Motel und machten sich wieder auf den Weg.

    Da Rodney anhand eines Sonnenbrandes in seinem Nacken, dem Gesicht und den Armen die richtige Schlussfolgerung zog, dass die Sonne hier in der Wüste Nevadas weit heißer und brennender war als in Springs, hielt er unterwegs bei einem Straßenverkaufstand an. Neben Postkarten und falschem Indianerschmuck, kalter Cola, Eis, Traumfängern und T-Shirts mit dummen Sprüchen gab es tatsächlich Sonnencreme zu kaufen. Rodney wählte die mit dem höchsten Lichtschutzfaktor.

    „Dann brauche ich noch einen Sonnenhut“, verkündete er.
    John hielt ihm eine olivgrüne Kappe mit der schwarzen Aufschrift „Nevada-Arizona“ hin. „Was ist mit diesem?“
    „Baumwolle. Nein, wenn ich schwitze, wird das klatschnass. Ich brauche eine Microfaser.“
    „Microfaser – okay.“ John suchte weiter.

    Rodney auch und hielt mit einem begeisterten Ausruf eine Scheußlichkeit von Hut hoch: „Hier! UV 45+ mit Nackenschutz. Genau das, was ich suche!“
    „Rodney, der Hut ist leuchtend orange.“
    „Hast du was dagegen? Ich mag die Farbe, ich habe sogar eine Fleecejacke in der Farbe.“
    „Das Teil ist abgrundtief hässlich.“ John hoffte, dass das deutlich genug war.

    „Das Teil gibt meiner empfindlichen Haut genau den richtigen Schutz.“ Mit einer resoluten Geste streckte er der Verkäuferin den Hut hin. „Praktische Erwägungen und Gesundheitsaspekte sollten immer vor schnöden Überlegungen wie Schönheit rangieren“, teilte er John ungefragt mit.
    John zog ein Gesicht, das seine Abneigung ausdrückte, Rodney ließ sich aber nicht davon beirren und setzte den Hut, nachdem er ihn bezahlt hatte, sofort auf.

    Am Auto angekommen, suchte John ein kleines Taschenmesser aus und meinte zu Rodney: „Halt still.“ Er schnitt das Preisschild, das immer noch den Hut zierte, ab.
    Mit einer nachlässigen Geste strich er auch noch ein paar Haare zur Seite, die auf der schweißnassen Haut in Rodneys Nacken klebten.

    Ein akuter Stromstoß des Verlangens raste durch Johns Körper. Alles in ihm drängte danach sich einfach vorzubeugen und eine Berührung, einen Kuss einzufordern. Rodney war erhitzt, und brachte dadurch für ihn den Moment ihrer Vereinigung wieder lebhaft vor Augen. Wie sehr wünschte er sich, den anderen Mann mehr als nur zufällig zu berühren. Zu ihrer kurzen Intimität zurückzukehren. Ein tiefes Sehnen, das fast wehtat, ergriff von ihm Besitz.

    Er strich mit seinem Finger noch einmal über Rodneys Wange. „Wir müs…“

    Alles, was er sagen wollte, ging in einem lauten Rattern und Knattern unter, denn in dem Moment kamen vier Harley Davidsons über die Straße gebrettert und erfüllten die ganze Gegend mit einem ohrenbetäubenden Krach.

    Der Moment war vorüber und sie fuhren weiter zu ihrem nächsten Ziel.

    Nach den – laut Rodney – anstrengenden Wanderungen am Vortag kam ihm ein Tag Motorboot fahren auf dem Lake Powell gerade recht. John hatte ein Segelboot leihen wollen, weil er darauf brannte, mal wieder zu segeln, aber davon hatte Rodney nichts hören wollen. Segeln klang verflucht anstrengend und das war ganz und gar nicht das, was er sich unter einem Tag Faullenzen vorstellte.

    Deshalb fuhren sie mit einem kleinen, gemieteten Motorboot raus, schauten sich den Stausee an, bis sie in einer abgeschiedenen Bucht, in der sie ganz alleine waren, ankerten.
    Rodney setzte sich in den Schatten, unter das Sonnensegel, und arbeitete an seinem Computer.

    „Mehr Recherchearbeiten?“ erkundigte sich John.
    Rodney antwortete nur mit einem geistesabwesendem „Hmm“, weil er bereits wie wild auf der Tastatur herumtippte.

    John hatte sich eine Schnorchelausrüstung geliehen. Er zog Schwimmflossen an, setzte die Taucherbrille auf und ließ sich vom Boot nach hinten ins Wasser fallen. Lake Powell war jetzt nicht gerade das Eldorado, was den Fischreichtum oder die Farbenpracht der Unterwasserwelt betraf, aber nach so langer Zeit, war das völlig egal. Mal wieder einen ganzen Tag im und am Wasser zu verbringen, war erfreulich genug.

    Immer wieder schaute Rodney von seiner Arbeit auf, ob noch etwas von John zu sehen war, die Luftblasenspur vom Schnorcheln oder spritzendes Wasser. Wenn er ihn längere Zeit aus den Augen verlor, beschleunigte sich sein Herzschlag. Er konnte erst weiterarbeiten, wenn er sicher war, dass John nicht plötzlich abgesoffen war – selbst wenn er sich nicht sicher war, ob selbsternannte Dschinns wirklich ertrinken konnten.

    Als John nach zwei Stunden außer Atem aber grinsend wieder an Bord kam, fühlte Rodney sich besser.

    „Du solltest es auch einmal versuchen.“ John schüttelte sich und ein paar Tropfen trafen Rodney.
    „Nein danke, du bist nass genug.“ Übertrieben wischte Rodney die Wassertröpfchen von seinem Laptop.
    „Es ist aber ganz klares Wasser – und nicht salzig“, meinte John, drehte Rodney den Rücken zu und ließ die nasse Badehose zu Boden sinken, ehe er nach einem Handtuch griff und begann, sich trocken zu rubbeln.
    „Was …?“
    Rodney vergaß, was er eigentlich fragen wollte. Das Vakuum in seinem Kopf verstärkte sich noch, als John das Handtuch hochnahm und sich die damit die Haare rieb. Das erlaubte ihm erneut freie Sicht auf Johns Hinterteil, etwas worüber er jeden Abend phantasierte.

    Am liebsten wäre Rodney von seiner Sonnenliege aufgestanden, wäre vor John auf die Knie gesunken und …
    „Was meinst du mit ‚Was?’“, fragte John, ließ das Handtuch auf den Boden fallen und stieg in eine trockene Badehose.
    „Hmm?“
    „Rodney? Was ist los? Hast du einen Sonnenstich? Du siehst so erhitzt aus.“ John drehte sich um, kniete neben Rodneys Liege nieder und legte ihm eine kühle Hand auf die Stirn.

    „Quatsch, Sonnenstich. Ich habe doch nur im Schatten gesessen.“ Rodney nahm Johns Hand von seiner Stirn, hielt sie aber einen Moment in seiner Hand fest und sagte: „Du bist ja ganz verkühlt.“
    „Ich bin gerade richtig“, lachte John, zog sich die zweite Liege neben Rodneys und ließ sich drauf fallen. Dann drehte er sich so, dass er seinen Kopf auf Rodneys Oberschenkel legen konnte.
    Er wusste, dass er das eigentlich nicht tun sollte, dass er damit den Trennungsschmerz nur noch größer machte. Aber er konnte der Versuchung dieser Zärtlichkeit nicht widerstehen. Sagte sich, dass er sich auch einmal ein klitzeklein wenig Egoismus erlauben durfte. Nur für eine halbe Stunde.

    ‚War das jetzt das endgültige Friedensangebot?’, dachte Rodney panisch. Was erwartete John jetzt? War der gestrige Tag eine Art … Vorspiel für diesen Moment der Versöhnung gewesen? Musste er jetzt darauf irgendwie reagieren? Aber wie? Am gestrigen Tag hatte John immer mal wieder eine Hand auf seine Schulter gelegt. Er war Rodney nicht ausgewichen, wenn der sich gegen ihn gelehnt hatte, wenn sie gemeinsam auf einer Bank gesessen hatten. Es waren winzige Berührungen auf einem Weg zu mehr Normalität gewesen – und Rodney hatte jede einzelne genossen, hatte jedoch immer auch Selbstzensur betrieben, um nichts Unbedachtes zu tun.

    Und jetzt … streichelten seine Hände wie von selbst durch Johns Haare, ohne dass er das mit allen Konsequenzen durchdacht hatte! Erschrocken wollte Rodney seine Hand zurückziehen, doch als John genüsslich die Augen schloss und eine kleines Lächeln seine Lippen umspielte, beschloss Rodney mal ausnahmsweise darauf zu hören, was sein Körper sagte und nicht sein Verstand. Und wenn sein Körper ‚Streicheln’ vorschlug, dann würde er das tun.

    Er kämmte mit seinen Fingern durch die halbnassen Haare und John streckte seine Hand aus und legte sie auf Rodneys Bein. So dösten sie fast eine halbe Stunde auf dem sanft schaukelnden Boot dahin. Rodney konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal dermaßen entspannt gewesen war.

    Auch John genoss den Moment der Ruhe, den Frieden und die Schläfrigkeit dieses warmen Nachmittags auf dem Wasser. Die kleinen Wellen klatschten sanft gegen die Felsen der Bucht und lullten ihn mit ihrem Klang ein. Er konnte fast vergessen, dass es da noch die Geschichte mit dem Dschinn gab, die er in Kürze zu Ende bringen musste. Seine vierundzwanzig Stunden waren vor einer Stunde abgelaufen und es war John klar, dass auch Rodney das wusste, und ihn nur noch nicht gedrängt hatte.

    In diesem Augenblick wünschte er, dass es einfach so weiter gehen könnte wie die letzten beiden Tage. Aber aus Erfahrung wusste er, dass das nicht so war. Das Universum gestattete nur kurze Atempausen, danach machte es unerbittlich weiter. Aber daran wollte er jetzt nicht denken, er konnte es sowieso nicht ändern. Wenn es dann so weit war, musste er es nehmen, wie es kam und bis dahin wollte er auch diesen Moment sommerlicher Zufriedenheit genießen.

    John ging noch einmal von Deck aus schwimmen, dieses Mal begleitete Rodney ihn sogar, zu verlockend war das kühle Wasser, nachdem er den ganzen Nachmittag im eigenen Saft geschmort hatte. Danach steuerten sie wieder die Marina an, um ihr Boot zurückzugeben. Nachdem alles geregelt war, gingen sie zu ihrem geparkten Wagen zurück, deponierten die nassen Badesachen im Kofferraum, packten die Flasche in den Rucksack, den sie mitnahmen und beschlossen, noch eine Kleinigkeit am Hafen zu essen.

    „Deine Zeit ist schon seit drei Stunden um“, meinte Rodney während sie durch die kleinen Sträßchen an Souvenirshops vorbei zum Hafen gingen, und an den Segelbooten entlang schlenderten, deren Masten im Wind sanft hin und her schaukelten.
    „Ich weiß.“
    „Gut. Wenn ich was im Magen habe, kannst du loslegen.“
    John nickte.
    Rodney hatte ein mulmiges Gefühl, aber würde nicht zulassen, dass John erneut einen Rückzieher machte.

    Die Auswahl an Essen in der Marina war nicht gerade reichhaltig. Da ihnen nicht der Sinn nach Pancakes oder Sandwich stand, blieb nur die Frittenbude an der Strandpromenade übrig. Einer dieser typischen umgebauten Lieferwagen, der vorne halb aufgeklappt werden konnte und somit ein Dach gegen Sonne oder Regenschauer hatte.

    „Fred’s Finest Fast Food“ hatte Hotdogs, Dutzende von Burger-Variationen, Pommes frites und frittierten Fisch im Angebot, die es mit einem überdimensionierten Schild mit vier verschlungenen „F“ bewarb. Dazu Salat, dem die sommerlichen Temperaturen gar nicht gut getan hatten, so traurig wie er in seinen Plastikschälchen vor sich hinwelkte.

    Auch der Imbissbudenbesitzer schwitzte. Sein ‚Fred’ T-Shirt zierten dunkle Schweißflecken unter den Armen und am Rücken. Die Schürze, die er umgebunden hatte, zeigte etliche andere undefinierbare Flecken. Aber sein unappetitliches Äußeres konnte weder Rodney noch ein paar andere hungrige Urlauber abhalten, ihren Hunger und Durst bei ihm stillen zu wollen.

    Als sie endlich an der Reihe waren, bestellte John eine Dose Cola und einen Hotdog. Rodney wollte eine Portion Pommes frites und einen Hähnchenburger.

    „Hähnchen ist aus“, beschied ihm der Budenbesitzer.
    „Aber es steht doch auf der Karte“, sagte Rodney.
    „Ja, aber gibt’s nicht mehr. Dafür müsste ich erst ins Kühlhaus gehen.“ ‚Fred’ machte eine undeutliche Bewegung mit seinem Kinn in Richtung des flachen Gebäudes, das vielleicht fünfzig Meter von seinem Wagen entfernt war.
    „Dann tun Sie das.“
    „Nee, Mister, sehen Sie mal wie viele Leute nach Ihnen auch noch was wollen. Entweder essen Sie das, was da ist, oder Sie lassen’s.“ Er nahm seine Baseball-Kappe ab, strich sich durch die verschwitzen Haare und setzte die Kappe wieder auf.

    So schnell gab Rodney nicht auf. „Da steht Hähnchen auf der Karte, Sie haben Hähnchen, dann will ich auch Hähnchen.“ Rodneys Zeigefinger unterstrich jedes Mal das Wort ‚Hähnchen’ mit einem Zeigen auf die Speisekarte, die hinter dem Imbissbudenbesitzer an der Wand angebracht war.

    „Geht das da vorne auch mal weiter?“, ließ sich jetzt eine ungeduldige Stimme von weiter hinten in der Schlange vernehmen.
    Rodney drehte sich in Richtung des Sprechers um. „Es geht weiter, wenn ich meinen Hähnchenburger habe.“

    John musste Rodney Respekt zollen. Wenn er sich mal was in den Kopf gesetzt hatte, ließ er sich nicht so leicht davon abbringen, meckernde Zeitgenossen hin oder her. Gespannt verfolgte er den Fortgang dieser Auseinandersetzung. Er würde sein Geld ja auf Rodney setzen.

    „Cheeseburger oder Hotdog?“, fragte ihn der Budenbesitzer jetzt schon mit deutlich drohendem Unterton.
    „Gewerbeaufsichtsamt oder Gesundheitsbehörde?“, schoss Rodney ebenso prompt und böse zurück.

    Für einen Moment fixierten sich die beiden, dann gab ‚Fred’ nach.
    „Na, schön!“ Wütend riss er sich die Schürze herunter, öffnete die Tür seines Lieferwagens und stapfte in Richtung Kühlhaus davon.

    Der Abmarsch des Budenbesitzers wurde bei der hungrigen, wartenden Menge nicht sehr gut aufgenommen.
    „Das gibt’s doch nicht!“, waren noch die freundlichsten Aussagen.
    Etliche machten in Rodney aber auch den Verursacher dieser Verzögerung aus und titulierten ihn „Querulant!“, was noch mit am freundlichsten war.

    Da Fred sich mit seinem Gang zum Kühlhaus reichlich Zeit ließ, beschlossen die ersten zu gehen und sich etwas anderes zum Essen zu suchen. Nur wenige standen noch unschlüssig herum, als John plötzlich einen merkwürdigen, verschmorten Geruch wahrnahm. Und roch es nicht auch nach Gas? Erst glaubte er, er habe sich getäuscht, weil der ranzige Fettgeruch alles überdeckte, aber dann war er sich sicher.

    Er machte zwei, drei Schritte um den Wagen herum, dort, wo die Gasflaschen nur sehr unzureichend gesichert neben der Imbissbude standen. Zwei der Ventile waren nicht mit Schutzkappen abgedeckt und John wollte wetten, dass dort schon seit einiger Zeit Gas ausströmte.

    Aber das er klärte noch nicht den Brandgeruch, der ständig stärker wurde. John öffnete die Tür des Imbisswagens, die der nachlässige Besitzer nur locker angelehnt hatte. Es genügte ihm ein Blick, dann sah er es: es war die Schürze, die Fred sich so wütend heruntergerissen hatte! Sie war auf dem Grill gelandet und hatte Feuer gefangen!

    John wurde schlagartig klar, was das bedeutete, denn er sah, dass Fred auch noch eine Gasflasche direkt im Wagen stehen hatte! Die brennende Schürze, in Kombination mit dem Gas und dem heißen Fett aus der benachbarten Friteuse, das war eine ganz gefährliche Mischung! Der Karren würde eher früher als später explodieren und ihnen um die Ohren fliegen! Sie mussten hier weg! Sofort!

    Er schlug die Tür zu, rannte die drei Schritte zurück und machte eine scheuchende Handbewegung: „Los! Weg hier! Sofort!“, schrie er den wenigen Leuten zu, die immer noch nicht aufgegeben hatten, heute hier etwas zu essen zu kaufen. „Der Wagen explodiert gleich!“

    John sah, dass die anderen Leute alle ein paar Schritte weiter entfernt waren, unter dem Schatten der wenigen Bäume, nur Rodney lehnte direkt an der Theke. War der drohenden Katastrophe am allernächsten!

    „Renn, Rodney!“, schrie er aus Leibeskräften und riss an Rodneys Hand. Nur weg von dem Wagen, nur weg von dem Brandgeruch, der immer stärker wurde!

    Auch die anderen Leute schienen inzwischen begriffen zu haben, dass irgendetwas nicht stimmte, denn sie setzen sich in Bewegung.

    John zog Rodney hinter sich her so schnell es ging. Weg, weg, so weit es möglich war! Als Rodney stolperte, riss er ihn hoch und rannte weiter. Rodney und er schafften vielleicht zehn, fünfzehn Meter, dann zerriss ein ohrenbetäubender Knall die abendliche Ruhe der Marina.

    ‚Das reicht nicht’. Panisch stolperte John noch zwei Schritte weiter, riss Rodney mit sich. ‚Das kann ein Mensch nicht überleben.’

    Während dieser Sekunden raste eine Unzahl von Gedanken durch seinen Kopf. Rodney wäre nicht der erste Meister, den er durch einen Unfall verlöre. Aber trotzdem war es anders. Ganz anders. Schon seit tausenden von Jahren hatte er niemanden mehr so nah an sich heran gelassen. ‚Jetzt weißt du auch wieder wieso’, flüsterte eine Stimme in seinem Innern. Aber im selben Moment wusste er, dass er es immer wieder tun würde, dass er nicht einen der Tage missen wollte, die sie zusammen gehabt hatte. Rodney hatte eine Seite in ihm berührte, wie noch niemals jemand anderer zuvor.
    Scheiße, wieso musste Rodney gerade im Begriff sein zu sterben, ehe er sich das eingestand?

    John spürte die Druckwelle der Explosion eine Sekunde bevor sie ihn erreichte. Das war aber genug, um Rodney vor sich auf den Boden zu stoßen und sich über ihn zu werfen. Er hatte keine Ahnung, ob er das überleben konnte – aber mit einer seltsamen Ruhe gestand er sich ein, dass es ihm egal war, solange es Rodney das Leben rettete.

    Er war so ein Idiot, dass er Rodney niemals etwas von seinen Gefühlen gesagt hatte, waren die letzten Gedanken, ehe die ersten Metallteile unendlich heiß und scharfkantig auf seine Haut trafen und ihm den Arm, den er zum Schutz hochgerissen hatte, zerfetzten. Ein, zwei Sekunden blieben die Schmerzen aus, dann stürzte John in einen Strudel von Agonie, der ihn aufstöhnen ließ. Schwärze waberte von allen Seiten an ihn heran und sein Körper schien nur noch aus zerfetzten Nervensträngen zu bestehen, die ihn mit einem Ozean aus Schmerz überzogen, der jeden seiner Sinne überschwemmte.

    Aber noch war es nicht vorbei. Für einen Moment hörte es sich wie ein Kriegsszenario an, als der Imbiss-Wagen weiter explodierte und weitere Metallstücke durch die Luft jagten, die mit lautem Knall auf dem Boden, in den Mauern und im Wasser einschlugen. Staub wirbelte auf, Menschen schrieen, es gab noch eine zweite, kleinere Explosion – und alles, an das John in diesem Moment denken konnte, war, ob er Rodney hatte beschützen können?

    John atmete tief durch und versuchte einen Fokus außerhalb seines Körpers zu finden. Er blendete die fürchterlichen Schmerzen in seinem zerfetzten Arm so gut es ging aus und konzentrierte seine Sinne nur auf den Mann, der unter ihm lang. Das war nicht einfach und erforderte seine ganze Selbstbeherrschung und seine volle Konzentration.

    Aber dann spürte er es, das hektische Heben und Senken von Rodneys Rücken. Dem Himmel sei Dank! Er hatte es geschafft, Rodney war noch am Leben! Unendliche Erleichterung überflutete ihn. Rodney hatte die Explosion überlebt, nichts anderes war in diesem Moment wichtig. Völlig erschöpft ließ er seine Gedanken wegdriften.

    Das nächste, was er spürte, war, dass die Explosionsgeräusche aufgehört hatten und Rodney sich vorsichtig unter ihm hervor arbeitete. Er wollte zur Seite rollen, konnte es aber nicht. Irgendetwas in seinem Rücken fühlte sich nicht richtig an. Er wollte Rodney darauf hinweisen, aber er konnte die Worte nicht formen, nur kaum hörbar nuscheln.

    „Schsch, John. Ganz ruhig. Bleib ganz ruhig liegen.“ Voller Panik flatterten Rodneys Hände nervös über seinen Körper, berührten ihn an der Wange, am Hals, um dann unkoordiniert seine Haare aus der Stirn zu streichen. „Jemand hat schon einen Krankenwagen gerufen.“

    Nein! Nein, Rodney wusste doch auch, was auf dem Spiel stand!
    Aber nicht alles, weil du es ihm nicht gesagt hast, du Idiot.
    Er konnte nicht in ein Krankhaus eingeliefert werden. Er sammelte all seine inneren Kräfte, atmete ganz flach und fragte: „Mein Rücken?“

    „Oh, Gott, John. Das ist ganz schrecklich. So fürchterlich. Da … da steckt ein Metallteil drin. Es … es…“ Rodney kämpfte sichtbar mit seinen Emotionen und seiner Panik, brachte dann aber heraus: „Etwa dreißig Zentimeter lang und scharfkantig. Da ist überall Blut.“

    „Zieh es … raus und … dreh mich um“, presste sich John zwischen zusammengebissenen Zähnen ab.
    „Nein, nein! Du wirst sterben! Der Blutverlust. Wir warten auf den Krankenwagen.“
    „Tu es!“ John legte all seine Autorität in diese zwei Worte und hoffte, dass sie durch Rodneys Panik dringen würden.
    „Ich kann das nicht.“ Rodneys Stimme überschlug sich.
    „Dann sterbe ich“, wisperte John. Das Dumme war, trotz aller Melodramatik war das die reine Wahrheit, hoffentlich verstand Rodney das auch.

    Dann sterbe ich.
    Die Endgültigkeit in Johns Worten schaffte es, Rodney aus seiner nutzlosen Feedbackschleife von ‚Nein! Nein! Nein!’ herauszureißen.
    John brauchte seine Hilfe.
    Jetzt sofort.
    Selbst wenn sich alles in Rodney dagegen sträubte, dieses Metallteil anzufassen, das in einem See von Blut schwamm, der Johns T-Shirt eingefärbt hatte. Wenn John der Ansicht war, dass es raus musste, dann würde er das jetzt für ihn tun. Vielleicht konnte er mit dem Metall nicht in die Flasche gehen? Er würde Johns Entscheidung nicht in Frage stellen.

    Rodney riss den Rucksack auf, rupfte mit zittrigen Fingern das Handtuch heraus, das Johns Flasche polsterte und wickelte es um das Metallstück. Er holte tief Luft, schluckte, hörte nicht auf die Zweifel in seinem Kopf, die ihm sagten, dass er das nicht könnte. Er zog an dem Metallstück.

    Ein grässliches, knarzendes, schmatzendes Geräusch begleitete die Aktion und wäre Rodney nicht so angespannt gewesen, wäre ihm wohl schlecht geworden.
    Aber er bekam das Teil herausgezogen, warf es einen halben Meter weg, falte das Handtuch und presste das Bündel, das bei der Menge des Blutes, das aus dem Loch in Johns Rücken rann, fürchterlich unzureichend wirkte, auf die Wunde und drehte John herum. Vielleicht half der Druck, wenn John auf der Wunde lag, die Blutung etwas zurückzuhalten.

    „Was jetzt?“
    „Muss … in mein … repositorio …“ Johns Augen schauten ihn glasig an.
    „In dein *was*?“ Halluzinierte John schon?
    „Mein repos… meine Flasche.“
    „Ja, ja, natürlich.“ Selbstverständlich musste John in die Flasche, da hätte er ja auch gleich dran denken können, machte sich Rodney Vorwürfe. Wieder ein paar Sekunden unnötig verschwendet, in denen das Leben aus John heraus floss.

    Rodney griff erneut in den Rucksack und entkorkte die Flasche. „Geh! Geh!“
    „Hilfe. … Leg … das Armband auf … meine Haut.“ Jedes Wort war für John eine Qual und Rodney kämpfte gegen seine Tränen an, den anderen Mann so hilflos zu sehen.

    Warum konnte er nicht …? Jetzt sah Rodney, dass John seinen Arm nicht bewegen konnte, um an das Armband zu gelangen. Er war regelrecht vom Körper abgetrennt und wurde nur noch von ein paar Sehnen gehalten. Sehnen, die silbrig glänzten und so gar nichts Menschliches an sich hatten. Rodney wusste, dass er in diesem Moment keinen Gedanken auf dieses Rätsel verschwenden durfte, sondern tun musste, was John ihm aufgetragen hatte.

    Er schob Johns T-Shirt ein paar Zentimeter nach oben, platzierte Johns Arm mit dem Armband so, dass es direkt auf der Haut von Johns Bauch zu liegen kam.

    „Rette … dich“, flüsterte John mit ersterbender Stimme, dann löste er sich vor Rodneys Augen in den bekannten blauen Rauch auf und verschwand in der Flasche. Rodney verschloss sie sofort mit dem Korken.

    Hoffentlich hatte er nicht nur die sterblichen Überreste des Dschinns darin eingeschlossen!
    Rodney kämpfte gegen seine schwarzen Gedanken an, die ihn von allen Seiten überfallen wollten. Hoffentlich war es noch rechtzeitig gewesen. Hoffentlich war die Heilungskraft der Flasche groß genug. Hoffentlich …

    Energisch schüttelte er den Kopf. Genug.

    Er steckte die Flasche in den Rucksack und blickte auf. Direkt in die geschockten Gesichter von drei Männern, die ein paar Meter entfernt von ihm im Dreck hockten und offensichtlich alles mitbekommen hatten. Ein rascher Blick zeigte Rodney, dass sie die einzigen waren, die anderen waren zu sehr mit sich selbst und den anderen Verletzten, beschäftigt.

    Shit, mit einem Mal wusste er, was John mit ‚Rette dich’ gemeint hatte.

    Bei diesen drei Männern konnte er richtig sehen, wie ihre Gedanken rasten.

    Rodney erhob sich, stellte fest, dass er völlig blutverschmiert war, dies alles aber Johns Blut war und nicht seins. John, der ihn mit seinem Körper beschützt hatte und der ihm deshalb im Moment nicht helfen konnte, der sich nicht wehren konnte und so lange hilflos in der Flasche wäre, bis Rodney ihn wieder herausließe.

    Und er müsste alles, wirklich alles dransetzen, dass es wirklich er war, der John wieder herausließ. Denn man brauchte kein solches Genie zu sein, wie er eins war, um zu wissen, dass hinter John weit mehr steckte, als er bisher zugegeben hatte. Die seltsame Sprache, die er benutzt hatte und die fast wie Latein geklungen hatte, die silbrigen Sehnen – nein, John durfte niemanden im die Hände fallen. Nicht einem Arzt und schon mal gar nicht diesen Leuten, die sich jetzt ebenfalls erhoben hatten und deren Haltung plötzlich viel drohender geworden war. Es würde nur noch Sekunden dauern, bis sie ihre Sprachlosigkeit überwunden hätten und von Rodney Erklärungen verlangen würden, die er nicht geben konnte und wollte.

    Er musste hier weg. Umgehend.

    „Stopp!“, rief auch schon einer der drei. „Was seid ihr für Freaks?“
    Rodney ignorierte ihn und machte ein paar Schritte.
    „Halt! Du und der … Typ … der Typ in der Flasche da. Seid ihr für die Explosion verantwortlich?“
    „So ein Quatsch! Dann hätte ich mich wohl rechtzeitig in Sicherheit gebracht und nicht am Imbiss-Wagen gewartet!“, versuchte ihm Rodney mit Logik zu kommen.

    Logik war aber nicht das, was die Leute in diesem Moment hören wollten. Sie suchten einen Schuldigen und sie hatten nur gehört „für die Explosion verantwortlich“ – und schon gesellte sich ein Pärchen zu den drei Männern.
    „Der da?“
    „Ja. Der da benimmt sich ganz merkwürdig und kann nicht schnell genug von hier wegkommen.“
    Rodney blieb nicht verborgen, dass sie wohlweislich den Part mit der Flasche verschwiegen, wahrscheinlich, um nicht als Spinner abgetan zu werden.
    „Dann sollten wir ihn dran hindern.“

    Rodney rannte los, ohne sich um den Ausgang der Diskussion zu kümmern. Er rannte Richtung Strand, ohne Plan, ohne nachzudenken, bis ihm aufging, dass die einzige logische Richtung der Parkplatz war. Nur mit dem Auto hatte er eine Chance zu entkommen, denn laufen gehörte nicht gerade zu den Disziplinen, in denen er jemals einen Preis gewonnen hatte, oder in Zukunft gewinnen würde.

    Waren sie schon hinter ihm? Rodney wagte sich kaum umzuschauen, aber riskierte dann doch einen Blick über seine Schulter. Verdammt! Ja! Und die Gruppe war bereits um drei, vier Leute angewachsen, so wie es aussah. Wenn sie ihn in die Finger kriegen wü… ja, dann hätten sie nicht nur ihn, sondern auch John und das durfte auf gar keinen Fall passieren. Er beschleunigte seine Schritte noch ein bisschen und bog in Richtung Ortszentrum ab. Dort, im Gassengewirr, wäre es wahrscheinlich leichter sie abzuhängen als am Strand, wo man ihn auf Kilometer Entfernung sehen konnte.

    Rodney rannte, rannte, rannte, obwohl alles in seinem Körper gegen das Tempo protestierte. Er erinnerte sich an seinen Sportlehrer, der immer gepredigt hatte, Füße hoch, Kopf hoch, Arme mitnehmen, dann ist man schneller. Rodney versuchte es, auch wenn das die Flasche gewaltig durchschüttelte. Er hoffte nur, dass es da drin irgendeine Art von Dämpfungsfeld gab, die John vor den Erschütterungen schützte. Denn bei seinen Verletzungen, konnte ihm das Herumschwenken sonst nicht gut tun. Aber wenn er es nicht machte…wurde er langsamer. Und langsam bedeutete … Rodney zwang sich, nicht weiter in diese Richtung zu denken.

    Inzwischen machte er in jede Sekunde einen Atemzug – das war nicht übertrieben, denn er hatte im Kopf mitgezählt. Schweiß rann ihm in die Augen, er versuchte ihn mit dem Arm wegzuwischen. Der ganze Brustraum brannte, und er hatte den Eindruck er müsste noch schneller atmen, aber das konnte er nicht. Und wenn er ganz ehrlich mit sich selbst war, auch das Tempo konnte er nicht mehr lange durchhalten.

    Als Rodney um die nächste Ecke bog, wäre er fast mit einem Jugendlichen zusammengestoßen, der dort auf der Straße mit seinem Skateboard herumfuhr. Für eine Sekunde dachte er daran, das Skateboard zu stehlen, dann sah er ein, dass es ihn eher behindern als schneller machen würde, da er es noch niemals ausprobiert hatte.

    Aber … aber das wussten die anderen ja nicht! Hektisch griff Rodney in sein Portemonnaie, holte einen Zwanzig-Dollar Schein heraus, drückte ihn dem Jugendlichen in die Hand und keuchte: „Fahr hinten zum … Camping raus, dann gehört der … Schein dir.“
    Er schnappte noch einmal nach Luft. „Lass dich nicht erwischen, sieh … aber zu, dass sie dich sehen.“ Er zeigte auf die Gruppe von Leuten, die man gerade die Querstraße herauf rennen sah.
    „Warum?“
    „Tu’s einfach.“ Rodney legte noch einen Zwanziger dazu. Die Schritte seiner Verfolger waren jetzt deutlich zu hören.
    Als der Jugendliche nickte, riss sich Rodney noch seinen signalfarbenen Sonnenhut vom Kopf und stülpte ihn dem jungen Mann über. „Bitte.“
    „Na schön.“ Der Jugendliche zuckte die Schultern, steckte die Scheine ein – vierzig Dollar waren offenbar genug, um für so einen durchgeknallten Erwachsenen mal eben zum Campingplatz zu skaten – und rollerte mit seinem Brett davon.

    Selbst wenn nicht alle auf seinen Trick hereinfielen, aber vielleicht schaffte es ihm wenigstens einige vom Hals. Ihm kam auch zu Gute, dass inzwischen die Dämmerung hereingebrochen war und alles in gnädiges Halbdunkel tauchte.

    Rodney lief in die andere Richtung. Es war nicht mehr weit, versuchte er sich und seine keuchenden Lungen zu überzeugen. Gleich hast du es geschafft.

    Endlich! Der Parkplatz kam in Sicht, jetzt waren es nur noch wenige Meter. Rodney war dem Erfinder der Autoschlüssel mit Fernbedienung noch niemals so dankbar gewesen. Denn er wusste genau, hätte er einen Schlüssel in das Schloss fummeln müssen, hätte er es in der nächsten halben Stunde nicht geschafft. Seine Finger zitterten viel zu sehr. Adrenalin, Schock, Erschöpfung, von allem etwas.

    Rodney kam am Wagen an, riss die Tür auf, setzte sich hinter das Lenkrad und verriegelte sofort alle Türen. Erst dann holte er Johns Flasche aus dem Rucksack und legte sie behutsam auf den Beifahrersitz. Bis ihm einfiel, dass sie dort runterfallen könnte. Er legte sie in den Karton mit dem Altglas und den leeren Bierdosen. Das würde John gefallen.

    Rodney merkte, dass er noch fast genauso schnell wie vorher atmete, obwohl es doch gar nicht mehr nötig war. Er zwang sich, nur jeden zweiten Atemzug zu machen. Er spürte ein
    Brennen im der Luftöhre und musste husten. Noch mehr Schweiß als zuvor lief ihm am ganzen Körper herunter. Jetzt, da er nicht mehr in Bewegung war, spürte erst einmal so richtig, dass er klatschnass war. Selbst seine Hände am Lenkrad waren glitschig. Aber er hatte keine Zeit, das jetzt zu ändern, denn er musste weg hier, sofort.

    Gerade als Rodney anfahren wollte, sah er, dass einer der Männer, der Wortführer, sich nicht von seinem Täuschungsmanöver hatte ablenken lassen und ihm, statt dem Skateboard-Fahrer gefolgt war. Er hatte ihn wohl nur nicht eingeholt, weil er noch unsportlicher war als Rodney, bestimmt dreißig Kilo zuviel mit sich rumschleppte und wahrscheinlich auch nicht so motiviert wie Rodney gewesen war.

    Er stellte sich Rodney in den Weg, der zögerte für eine Zehntelsekunde, dann war es ihm aber schockartig klar, dass er für John diesen Typen da vorne sogar anfahren würde. Nicht über den Haufen fahren, dafür würde die Geschwindigkeit nicht reichen, aber wenn er nicht beiseite sprang wäre Rodney Willens und fähig ihn anzufahren und zu verletzen. Diesen Charakterzug bei sich zu entdecken erschreckte Rodney, gleichzeitig stattete es ihn auch mit einer eiskalten Nervenstärke aus. Er würde etwas nach links einschlagen, dann erwischte er ihn nur am Bein … das sah Rodneys Plan vor.

    Glücklicherweise war dem Mann der Anlass doch wohl nicht wichtig genug, denn als er sah, dass Rodney nicht stoppen würde, sprang er zur Seite und rollte sich zwischen zwei Wagen in allerletzter Minute in den Dreck. Rodney verschwendete keinen weiteren Gedanken an ihn, gab Gas und verschwand in der Dunkelheit.

    Schon bald hatte er den Zufahrtsweg zu der Marina hinter sich gelassen und war wieder auf der Hauptstraße. Rodneys Nerven beruhigten sich so ganz langsam. Was sollte er jetzt als nächstes tun? Wie lange musste John in der Flasche bleiben? Stunden? Tage? Was geschah, wenn er die Flasche zu früh öffnete? Was, wenn John schon gar nicht mehr lebte?

    Nein, verflucht, rief er sich zur Ordnung, John wusste doch, wie viel er seinem Körper zumuten konnte. Wie viel ein Dschinn … oder was auch immer er war, aushalten konnte. ‚Und wenn er es wusste und dich trotzdem geschützt hat?’, war sofort die nächste Frage, auf die er keine Antwort hatte. Ja, John musste einfach überleben, denn es wäre gemein und ungerecht ihn mit all den Fragen zurückzulassen, machte sich Rodney Mut. Und den Nachgedanken, dass die Welt tatsächlich oft gemein und ungerecht zu ihm war, verscheute er sofort.

    Er angelte mit einer Hand nach einer Flasche mit Wasser, goss sie auf einmal in sich hinein und stopfte noch einen Energieriegel hinterher. Er musste durchhalten. Musste eine gewisse Entfernung zwischen sich und die Leute in der Marina bringen. Durfte nicht der Polizei in die Hände fallen. Musste John retten.

    `John retten`, wurde sein Mantra für die nächsten hundert Kilometer. Er hielt nicht an, trank im Fahren und brachte immer mehr Abstand zwischen sich und den Ort der Explosion.
    Trotzdem merkte er nach gut zwei Stunden, dass ihm immer wieder die Augen zufielen und er für einen Moment wegdöste – nur um hochzuschrecken und krampfhaft die Augen aufzureißen. Er konnte sich nicht mehr konzentrieren konnte, egal wie laut er die Musik im Radio drehte und auch das geöffnete Fenster, mit seiner Frischluftzufuhr half nicht mehr weiter. Er musste anhalten. Irgendwo die Nacht verbringen.

    Wahrscheinlich wäre es am besten, wenn er jetzt in einem Motel eincheckte, die Flasche nähme, sie auf den Tisch stellte, sich selbst eine Dusche und einen guten Nachtschlaf gönnte und sie erst am nächsten Morgen öffnen würde. Damit hätte John auch genügend Zeit, sich etwas zu erholen, sofern man sich von solchen Verletzung überhaupt in so kurzer Zeit erholen konnte. Rodney wusste aber auch, dass er mit der bohrenden Ungewissheit die ganze Nacht über kein Auge zutun würde. Er musste sich vorher vergewissern, dass John überlebt hatte.

    Eine viertel Stunde später folgte er einem Motelschild, das ihn von der Hauptstraße wegbrachte. Nach einem halben Kilometer fuhr er in die hinterste, dunkelste Ecke eines Motelparkplatzes. Zweieinhalb, nein, fast drei Stunden war John jetzt da schon drin, das *musste* doch einfach reichen, redete Rodney sich gut zu, als seine Hand auf dem Korken lag. Er vergewisserte sich noch drei Mal, dass niemand in der Nähe war, atmete tief durch und zog den Korken von der Flasche.

    Dauerte das immer so lange, ehe der blaue Rauch erschien? Rodney biss sich auf die Unterlippe und starrte auf die Flasche, die er auf den Beifahrersitz gestellt hatte. Mit einem erleichterten Ausatmen sah er, wie sich die ersten Rauchschwaden verdichteten.
    Das sah … ja, das sah nach John aus.
    Und war alles an ihm dran?
    Nervös trommelten Rodneys Finger auf das Lenkrad.

    Noch eine – wie Stunden scheinende – Sekunde, dann saß John in genau demselben T-Shirt und der Bermuda-Shorts neben ihm, die er bei dem Unfall getragen hatte. Alles picobello sauber und ohne Risse – das ließ Gutes für Johns Verfassung hoffen. Ein erster kritischer Blick von den Haarspitzen bis zu den Sandalen und Rodney atmete erleichtert aus. Die äußere Inspektion hatte keine Verletzungen mehr ergeben. John war so attraktiv wie immer. Unendliche Erleichterung durchflutete ihn warm.

    John streckte eine Hand nach ihm aus, als müsste er sich vergewissern, dass Rodney kein Trugbild war. „Rodney! Du hast es also geschafft. Bist du verletzt? Wo sind wir?“

    „Ich bin in Ordnung, nur so müde, dass ich kaum die Augen offen halten kann. Wir sind hinter Kayenta, circa drei Stunden vom Lake Powell entfernt.“

    „Hat jemand etwas von meinem kleinen … äh … Trick mitbekommen?“
    „Das ist eine lange – und sehr heldenhafte, möchte ich betonen – Geschichte. Und ich erzähle sie dir ein anderes Mal. Erst bist du mir noch ein paar Erklärungen schuldig.“

    John musterte Rodney von Kopf bis Fuß, sah das getrocknete Blut, die verschwitzen und jetzt am Kopf klebenden Haare, einen langen, halb verkrusteten Schnitt auf der Stirn und Rodneys müde Augen.
    „Wir sollten dazu in ein Motel gehen. Du brauchst eine Dusche und ein Bett und ich schwöre, dass ich dir danach Rede und Antwort stehen werde. Abgemacht?“

    Rodney gähnte. „Abgemacht. Ich werde uns hier ein Zimmer mieten.“
    „Das werde ich machen. Gib mir dein Portemonnaie.“
    „Warum?“
    „Du siehst aus, als kämest du gerade von einem … Massenmord“, stellte John fest und zeigte auf Rodneys T-Shirt und seine Shorts, die über und über mit getrocknetem Blut bedeckt war. John nahm sanft Rodneys Hände in seine Hand und drehte sie mit den Innenflächen nach oben, damit auch Rodney sah, dass sie ebenfalls blutig und aufgeschürft waren. „In diesem Aufzug solltest du kein Zimmer mieten.“
    „Könnte Schwierigkeiten machen“, sah Rodney ein und gab John seine Geldbörse. „Ist noch genug Bargeld drin? Ich musste nämlich einen Skater bezahlen.“
    „Skater?“
    „Gehört mit zu deiner heldenhaften Rettung“, lächelte Rodney müde.
    „Ich verstehe. Erklärst du mir morgen. Ja, hier sind noch hundert Dollar drin.“

    John verschwand und fünf Minuten später kam er wieder.
    „Zimmer 117. Ganz hinten am Eck, ihr bestes Zimmer, weil wir so viel Lärm machen können, wie wir wollen und uns niemand hört.“
    Rodney hätte fast geschworen, dass John dabei etwas rot wurde, aber vielleicht war das auch nur das schreckliche Licht von der Neon-Leuchtreklame. „Was … was ist das hier für ein Motel?“
    „Offensichtlich eins, das man vor allem stundenweise mietet. Denn diese hier“, er hielt Rodney Kondome hin, „gab’s mit dem Anmeldeformular. Und als ich sagte, dass wir bis morgen Mittag bleiben, hat sie noch zwei dazu gelegt.“ John verschwieg, dass sie ihn dabei schamlos von oben bis unten gemustert hatte, und verkündet, dass seine Kleine wirklich Glück habe, jemanden erwischt zu haben, der die ganze Nacht konnte.

    Rodney lachte, erleichtert darüber, dass sie das Zimmer hatten, aber auch erleichtert, dass John prompt etwas passiert war, das zeigte, dass nicht alles ernst und düster und mit Gefahr verbunden war. Es fühlte sich gut an und zum ersten Mal seit der Explosion fühlte er sich wirklich besser. Er fuhr um das halbe Motel herum bis zum angegebenen Zimmer.

    John schloss auf und trug ihre Sachen herein. Kein Vergleich zu der sauberen Funktionalität der letzten Motels in denen sie genächtigt hatten. Dieses hier war heruntergekommen, verwohnt. Die Farben des Bettüberwurfs waren verblichen, die Glastür zum Badezimmer hatte einen Sprung, das Kabel für den Fernseher war mit ein paar Klemmen sichtbar an der Wand befestigt. Immerhin waren frische Bettlaken aufgezogen und der kleine Kühlschrank enthielt Getränke und eine Plastiktüte mit Eisstücken.

    Rodney kümmerte sich nicht um das Aussehen ihres Zimmers, sondern verschwand sofort im Badezimmer und drehte die Dusche an. Er musste aus diesen Sachen heraus, und zwar schnellstens. Während er duschte, holte John noch den Erste-Hilfe-Kasten aus dem Wagen herein.

    Dieses Mal war es Rodney, der nur mit einem Handtuch bekleidet ins Zimmer kam und sich aufs Bett fallen ließ.
    „Also, was ist jetzt los mit dir? Raus mit der Sprache und keine weiteren Ausflüchte!“ Rodney wollte die Hände vor der Brust verschränken, rief aber stattdessen: „Au!“ und warf einen Blick auf seine aufgeschürften Handinnenflächen.

    „Ich werde dich jetzt erst einmal verarzten“, sagte John, setzte sich neben Rodney aufs Bett und verband dessen Hände mit ein paar Mullbinden. Dann desinfizierte er, unter lautem Gemecker Rodneys, dessen Stirnwunde und klebte ein Pflaster drüber. Die Knie, auf denen Rodney gelandet war, als John ihn zu Boden gestoßen hatte, waren ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen worden und John klebte zwei weitere große Pflaster auf.

    „Der Rest sind nur kleinen Schürfwunden“, versuchte er Rodney zu beruhigen.
    „Dann wollen wir nur mal hoffen, dass sich nichts davon infiziert“, bemerkte Rodney düster. „Wer weiß, welche Keime alles in dem Staub und Dreck drin waren.“

    Als John den Erste-Hilfe-Koffer zur Seite räumte, meinte Rodney resolut: „Und dieses Mal will ich die Wahrheit wissen. Denn das hatte nichts mehr mit einem bisschen fauler Zauberei zu tun, das alles … du … siehst nach sehr fortschrittlicher Technik aus. Was ist hier los? Und ich will keine weiteren Aladin-Geschichten hören! Verstanden?“ Er wickelte sich aus dem feuchten Handtuch, ließ es einfach auf den Boden fallen und krabbelte unter die Zudecke. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen das Betthaupt und klopfte neben sich auf die Matratze, damit John dort wieder Platz nahm.

    John setzte sich neben Rodney, winkelte ein Knie an, umfing es mit seinen Händen und erwiderte mit ruhiger Stimme, die in deutlichem Gegensatz zu Rodneys herausfordernder stand: „Verstanden. Ich werde dir alles erzählen. Es ist wohl wirklich Zeit dafür. Es wird aber etwas länger dauern.“

    „Dann reich mir noch eine Cola zum Wachbleiben rüber und fang an.“


    TBC ...
    Geändert von Antares (28.01.2013 um 00:42 Uhr)

  2. Danke sagten:


  3. #22
    SGP-Schlafmütze Avatar von feles
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    Aaaaaah! Du kannst uns doch hier nicht einfach so hängen lassen! Jetzt habe ich diesen Teil gleich zwei Mal gelesen. Erstens war er so spannend, dass ich beim ersten Mal so schnell war, dass ich gar nicht alles so ganz genau mit bekommen habe und zweitens kann ich nicht glauben, dass Du an DIESER Stelle ein TBC hinsetzt!
    Boah, mein Puls muss jetzt erst mal runterkommen......
    So, John hat also silbrig glänzende Sehnen oder etwas ähnliches. Mhm, zuviel "Sex auf zwei Beinen" für einen ordinären Menschen oder was?
    Und Rodney war ja wirklich sehr einfallsreich mit dem Skater und so sportlich noch dazu. Ich hätte das vor seinen regelmäßigen Einsätzen in Pegasus gar nicht erwartet. Aber Todesangst bewirkt wohl Wunder.
    Die Idee mit dem Stundenhotel ist spitze! Den Blick von der Dame an der Anmeldung würde ich zu gerne mal sehen können!
    So, wie soll ich jetzt bis zum nächsten Teil durchhalten bitte schön?
    Ronon: Your planet's weird.
    Sheppard: You can say that again.

  4. #23
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
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    Todesangst vor Sonne und dann so mutig um John zu retten - das ist Rodney. Wenns drauf ankommt, kann man sich auf ihn verlassen. Wow, das war mal wieder ein spannendes Kapitel und ich bin sehr gespannt, was John jetzt Rodney alles erzählt. Und ob die Verfolger die beiden einholen bzw. finden. Jetzt wünsche ich den beiden erst einmal viel Spaß mit den Kondomen.

    Ich hoffe doch mal, den Spaß können wir im nächsten Kapitel im Spoiler verfolgen.
    Geändert von John's Chaya (28.01.2013 um 22:39 Uhr)

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  5. #24
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    @feles: Ja, ich denke, Rodney wurde bei der Rettungsaktion vor allen Dingen von Adrenalin und dem absolut horrormäßigen Gedanken angetrieben, dass John in die falschen Hände fallen könnte. Diesen Anreiz hatten seine Verfolger hat nicht. *g*
    Dieser Aktion-Teil war auf einmal ganz von alleine in der Story, als ich mir dachte, irgendeine kleine Gefahr muss es für die Flasche ja doch noch geben, nachdem sich Daniel ja als die nicht ganz so große Gefahr rausgestellt hat.
    Und das nächste Kapitel kommt ja schon - und du wirst sehen, deine Vermutungen bezügl. John waren gar nicht so weit weg!
    Danke sehr für deine tollen Anmerkungen!


    @John's Chaya: *lol* Ich denke genauso ist Rodney! Ein abgebrochener Fingernagel ist eine Katastrophe - aber wenn es wirklich drauf ankommt, ist auf ihn Verlass. Toll, dass du das auch so siehst.
    John hat tatsächlich einiges, was er Rodney erzählen kann! Und in diesem Kapitel brauchen die beiden noch keinen Spoiler! *bg*
    Auch dir ganz, ganz herzlichen Dank für deine nettes Feedback!

    ----------------------------------------------------

    Der Dschinn (10/13)


    10. Kapitel



    John holte tief Luft: „Also, vor einigen Millionen Jahren sind die, die ihr Antiker nennt…“

    Sofort unterbrach Rodney ihn energisch. „Oh, nein! Ich habe zwar gesagt, ich will alles wissen, aber wenn du derart früh anfängst, dann sitzen wir ja noch Weihnachten hier. Komm zur Sache!“

    „Ich bin bei der Sache. Denn ich bin ein Antiker.“ Okay, das war jetzt ganz und gar nicht so geplant gewesen, der Part hätte erst später kommen sollen. Nach etwas Vorbereitung und einleitenden Worten, aber jetzt war es wohl zu spät dafür. John hätte sich auf die Zunge beißen können. Aber gesagt war gesagt und John blieb nichts anderes übrig als Rodney gespannt anzuschauen.

    Rodney blieb ganz ruhig und wiederholte: „Ein Antiker?“

    ‚Antiker’ schien in dieser Galaxis keine negativen Reaktionen hervorzurufen. Das war schon mal gut, dachte John. Zu genau hatte er noch den abschätzigen Klang von einigen Leuten in den Ohren, die sein Volk für alles Übel in der Pegasus-Galaxie verantwortlich machten.
    John nickte zustimmend.

    Dann schien die Bedeutung der Worte, die er gerade einfach nur mechanisch nachgeplappert hatte, in Rodneys Kopf eine Verbindung zu vorhandenen Inhalten eingegangen zu sei, und er schien festgestellt zu haben, dass ‚Antiker’ etwas anderes als ‚Kanadier’, ‚Franzose’ oder ‚Italiener’ bedeutete.

    Er belebte sich sichtbar. Er setzte sich schwungvoll aufrechter hin, bekam glänzende Augen und fuchtelte aufgeregt mit den Händen herum. „Du bist ein richtiger, lebender Antiker? Einer der legendären Gatekonstrukteure? Oh, Wahnsinn! Oh, Mann, ich habe hunderte von Fragen an dich. Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll! Das ist so … so … phantastisch! Das wird die Wissenschaft revolutionieren und ich werde mittendrin stehen. Also, du musst mir alles erzählen!“

    Rodney hatte ohne Punkt und Komma gesprochen, während sich in seinem Kopf die Möglichkeiten überschlugen. Er kannte einen Antiker! Einen echten Antiker, der mit ihm sprach, mit ihm wohnte, mit ihm in Urlaub fuhr und jetzt hundertausende von Fragen, die er hatte und für die die Wissenschaft noch keine Antworten gefunden hatte, für ihn beantworten könnte. John hätte keine bessere Erklärung für seine Geheimniskrämerei liefern können. Er war so ein Glückspilz!

    Begeistert wandte er sich erneut an John: „Also, vor allen Dingen musst du mir etwas über die Funktionsweise der Stargates erzählen. Es gibt da immer noch einige Probleme. In erster Linie, warum man bei den Gates nicht … oder bei … Ach, verflucht, John, ich will eigentlich alles auf einmal wissen.“ Er schenkte John ein total begeistertes, breites Grinsen.

    „Vielleicht später?“, erkundigte sich John. Er war sehr erleichtert, wie gut Rodney die Antiker-Sache aufgenommen hatte. Eine Klippe war umschifft. Er wäre gerne auf Rodneys Fragen eingegangen, hätte es doch bedeutet, dass er sein weiteres Geständnis, das vielleicht nicht auf ganz so viel Gegenliebe treffen würde, noch ein wenig hinauszögern könnte. Aber da er einmal angefangen hatte, wollte er es jetzt auch durchziehen.

    Glücklicherweise sah Rodney nach kurzer Überlegung ein, dass später noch genug Zeit für wissenschaftliche Fragen wäre, denn er nickte resolut mit dem Kopf und entschied. „Okay. Später. Machen wir weiter. Und dann würde ich gerne gleich mal als Erstes wissen, warum du, wenn du so ein mächtiger Antiker bist, als Dschinn verkleidet durch die Gegend tingelst?“
    „Ich…“

    Rodney wartete Johns Antwort nicht ab, sondern streckte eine Hand aus, tätschelte Johns Knie und strahlte ihn an: „Hab ich ein Glück, dass du kein Goa’uld sondern ein Antiker bist. Denn das sind ja die Guten! So wie … Oma Desala, die Daniel geholfen hat.“
    „Ja, ungefähr so. Nur, Oma Desala gehört zu den Aufgestiegenen, während mir das Aufsteigen verwehrt ist.“
    „Warum?“
    „Dazu komme ich, wenn du mich weitererzählen lässt.“ John lächelte
    Rodney tat, als würde er seine Lippen mit einem Reißverschluss verschließen. „Okay, kein Wort mehr von mir.“

    Das wagte John zu bezweifeln, aber er fuhr erst mal fort: „Vor einigen Millionen Jahren sind also die Antiker in diese Galaxie gekommen. Eine große Seuche zwang sie später, von hier zu fliehen und sie sind in die Pegasus-Galaxie gegangen. Dort haben sie lange Zeit gelebt, bis … grob gesagt, eines ihrer Forschungsprojekte, die Wraith, außer Kontrolle geraten ist. Es folgte ein langer und sehr verlustreicher Krieg gegen die Wraith und …“

    „Was sind denn Wraith?“, unterbrach Rodney.

    Wie beschrieb man am besten die Geißel der Pegasus-Galaxie? John verzog angewidert das Gesicht. „Hybridwesen. Sie sehen fast humanoid aus, sind aber, vereinfacht erklärt, eine Kreuzung zwischen einem Iratus-Käfer und einem Menschen. Sie ernähren sich von Menschen, denen sie ihre Lebensenergie aussaugen. Stell dir eine Art Vampir vor, dann bist du nah dran.“
    „Nette Zeitgenossen also.“
    „Genau.“ Für eine Sekunde schloss John die Augen. Bilder von vertrockneten, leblosen Körpern, viele von ihnen gute Freunde und Familienmitglieder, erschienen vor seinem inneren Auge. Mariana, Quirilus, Prudentia … Die Liste war unendlich lang.

    Energisch drängte John die Erinnerung zurück und fuhr fort: „Diese Wraith“, er spie das Wort förmlich aus, „wurden immer stärker und mächtiger und bedrohten nicht nur die Menschen in der Pegasus-Galaxie, sondern auch das Überleben der Antiker selbst. Das war vor ungefähr zehntausend Jahren, um dir einen Zeitrahmen zu geben.“

    „Zehntausend Jahre? Wir sind ja schnell vorangekommen. Aber gut, wahrscheinlich ist immer nur Stargates erbauen auch nicht weiter aufregend. Was geschah dann?“ Gespannt schaute Rodney John an.
    Als John einen Moment nach den richtigen Worte suchte und dazu die hässliche grüne Tapete fixierte, meinte Rodney ungeduldig: „Weiter! Was passierte vor zehntausend Jahren Einschneidendes?“

    „Halte dir vor Augen, dass wir in der Endphase in einem seit Jahrhunderten dauernden Krieg waren, den wir zu verlieren drohten. Zu dem Zeitpunkt gab es große gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen darüber, wie der Krieg weiter geführt werden sollte. Die stärkste Fraktion wollte, dass unsere gesamten wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Ressourcen dem Ziel des Aufstiegs gewidmet werden sollten. Kannst du dir vorstellen, dass sie sogar eine ‚Aufstiegsmaschine’ gebaut haben? Dass sie damit die spirituelle Erfahrung des Aufstiegs, die am Ende eines Lebens stehen sollte, einer Maschine anvertrauten? Ihre Argumentation war: Wenn alle Antiker aufgestiegen sind, wären die Wraith-Kriege damit beendet. Keine Antiker mehr, keine Wraith-Kriege mehr.“

    „Äh … Klingt logisch“, warf Rodney ein.

    John lachte bitter auf. „Ja, die Sache hat aber einen Haken. Diese Gleichung galt nur für die Antiker, nicht für den Rest der Galaxis. Unsere Forschungen hatten die Wraith erst ermöglicht.“ Er hob in einer resignierten Geste die Hände: „Wir hatten das Problem doch in die Welt gesetzt, vor dem wir uns verdrücken wollten! Sicher hätten wir uns durch den Aufstieg gerettet, aber wir hätten die hilflosen Pegasus-Völker auch mit dem von uns geschaffenen Problem zurückgelassen.“

    Johns leidenschaftlicher Appell ließ keinen Zweifel daran, welche Position er in dieser Auseinandersetzung der Ideologien vertreten hatte.
    Er zwang sich sichtlich zur Ruhe und fuhr fort:„Es gab also auch jene, die die Meinung vertraten, das Aufsteigen noch etwas aufzuschieben und alle Mittel in dem Kampf gegen die Wraith zu verwenden.“

    „Und irgendwie vermute ich, dass du zu der Gruppe gehört hast, die erst … aufräumen wollte, bevor sie geht“, sagte Rodney.
    „Ja.“ John nickte. „Es schien mir nicht gerecht, dass wir uns so aus der Verantwortung stehlen wollten. Ich war mit dieser Einschätzung nicht allein, vor allem im Militär war diese Meinung verbreitet.
    „Du bist beim Militär gewesen?“
    „He, was soll der erstaunte Unterton?“ John boxte ihn spielerisch in die Seite.

    Rodney ließ sich einen Moment Zeit mit der Antwort, dann zuckte er mit den Schultern. „Du bist der unmilitärischte Militär, der mir je begegnet ist.“ Er bestätigte seine eigenen Worte mit einem Nicken. „Und das soll was heißen, denn ich kenne immerhin O’Neill. Wie der es bis zum Colonel gebracht hat, frage ich mich manchmal wirklich. Welchen Rang hattest du?“

    „General, wenn du es mir eurem Militär vergleichen willst.“ Johns Gesichtsausdruck konnte man nur als selbstgefällig bezeichnen.

    „General? Upps.“ Rodney schenke John ein schiefes Grinsen, in dem eine angedeutete Entschuldigung mitschwang. „Äh … bist du nicht etwas jung dafür?“, fragte er zu seiner Verteidigung.

    Mit einem Schulterzucken meinte John: „In Kriegszeiten wird man schneller befördert als im Frieden. Vor allem in so einem verlustreichen Krieg, der große Lücken in unsere Reihen gerissen hatte.“

    Rodney nickte erneut. „Ich verstehe. Die irdische Geschichte hat dafür Beispiele genug. Aber was ist schief gegangen? Denn nur eine andere Meinung vertreten kann ja noch nicht strafbar sein.“
    „Nun, unsere Meinung war in weiten Teilen des Rats sehr unpopulär …“
    „Ach nein?“ Rodneys Stimme troff vor Sarkasmus.

    John beachtete die Unterbrechung nicht, auch wenn es ihm gut tat, dass Rodney mit ihm übereinstimmte. „Sie gewann aber stetig an Anhängern. Was einigen Leuten missfiel. Zumal es immer deutlicher wurde, dass denen, die aufsteigen wollten, die Zeit davon lief. Die Wraithangriffe kamen immer häufiger, wurden immer heftiger. Es wurde erwogen, die Stadt aufzugeben, durch das Gate zur Erde zu gehen und dort weiter den Aufstieg für alle zu verfolgen.“

    John starrte in die Ferne. „Und in dieser aufgeheizten Situation genügte dann ein kleiner Anlass, um uns verhaften zu lassen. Einer aus unseren Reihen hatte leichtfertig geäußert, dass wir ja einfach das Stargate in die Luft jagen könnten, dann wären alle gezwungen, sich mit dem Wraith-Problem zu befassen. Uns war die Tragweite dieser Äußerung im ersten Moment gar nicht klar gewesen.“

    Er blickte Rodney ins Gesicht. „Das war natürlich nicht ernst gemeint, nur ein Gedankenspiel, denn niemals hätte jemand von uns den anderen unseren Willen aufgezwungen und ihre freie Entscheidung in dieser Art und Weise unmöglich gemacht. Wir hätten niemals die einzige Möglichkeit, die Stadt zu verlassen, vernichtet.“

    „Welche Stadt? War denn nur noch eine einzige Stadt übrig geblieben?“, fragte Rodney entsetzt.

    John holte tief Luft und seine Stimme wurde leiser. „Ja, nur noch eine einzige Stadt, die durch unsere Schilde geschützt wurde, Atlantis.“

    Johns Augen bekamen bei der Nennung des Namens für einen Moment einen sehnsuchtsvollen Ausdruck. Er hatte immer mal wieder kurz an Atlantis gedacht, sich aber gezwungen, nicht zu lange bei dem Verlorenen zu verweilen, um sich auf das Jetzt konzentrieren zu können. Was nützte es einem weit entfernten Traum nachzutrauern, wenn er nicht sicher war, jemals wieder dort hin zu kommen? So hatte er Atlantis als Symbol zum Weitermachen und Durchhalten auserkoren, sich aber nicht gestattet jeden Abend in Gedanken durch die Gänge und Türme zu schlendern, um die Trauer nicht zu akut werden zu lassen. Die Nennung des Namens ließ mit einem Schlag aber alles wieder lebhaft auferstehen.

    „Atlantis? Die ‚Verlorene Stadt’? Warte mal, warte mal.“ Rodney schnipste mit den Fingern. „Ich glaube, Daniel Jackson sucht danach. Aber der sucht ja immer was. Zu Beginn war es seine Frau, dann das Kind seiner Frau, und seit einiger Zeit liegt er allen mit der ‚Verlorenen Stadt’ in den Ohren. Er hofft, dort Waffen zu finden, die wir gegen Anubis einsetzen können. Aber hey, das weißt du ja selber, denn du hast die Missionsberichte ja auch gelesen.“ Rodney stupste John mit seinem Fuß an.

    „So weit bin ich noch nicht gekommen. Kannst du dir vorstellen, man hat mich vorher unterbrochen?“
    „Sauerei.“ Rodney schüttelte gespielt geschockt den Kopf.
    „Ja, nicht wahr?“ John nahm Rodney die Cola-Flasche aus der Hand, trank ein paar Schlucke, bis Rodney ihm sie wieder wegnahm.

    Dann wurde John wieder ernst „Also Dr. Jackson sucht Atlantis?“ Das war ja eine sehr interessante Information! Wenn er bereits einen Namen für die Stadt hatte, musste er ja wohl auch einige Unterlagen dazu entdeckt haben. Und wer konnte schon vorhersagen, was die Papiere, Urkunden oder sonstigen Quellen jemandem verraten konnten, der wusste, wonach er suchte?

    „So viel ich weiß. Das fällt nicht gerade in mein Gebiet. Es ist das, was man in der Kantine so mitbekommt. Du solltest ihn selber fragen, wenn wir wieder zurück sind. Aber jetzt mach mit deiner Geschichte weiter. Also sie wollten euch verhaften lassen, ist es ihnen gelungen?“ Aufregung klang in Rodneys Stimme mit.

    Johns Finger strichen die Bettdecke glatt. „Ja. Wahrscheinlich wussten sie sogar, dass wir niemals die letzte Verbindung zur Erde kappen würden, aber es lieferte dem Rat einen Grund, uns als ‚Rebellen’ zu brandmarken und vor Gericht zu stellen. Aufgrund meines hohen militärischen Ranges, galt ich als einer der Rädelsführer und sie wollten an mir – und vier weiteren – ein Exempel statuieren. Da die Todesstrafe bei uns aus moralischen Gründen verboten war, musste man eine andere Möglichkeit finden, uns dauerhaft und unwiderruflich aus dem Verkehr zu ziehen.“

    „Und was war das?“, fragte Rodney bang. Denn ‚Todesstrafe’, ‚unwiderruflich’ und ‚dauerhaft’, klang sehr erschreckend. Er ergriff Johns Hand und hielt sie fest in seiner.

    „Das Urteil lautete, dass unsere Körper für den Rest unseres Lebens in einer Stasiskammer eingeschlossen wurden. Sehr geschickt, denn dann musste sich man sich nicht die Hände mit einem Todesurteil schmutzig machen. Aber im Prinzip war es dasselbe. Denn auch in Stasis alterst du und irgendwann stirbst du. Es dauert nur.“ Johns Stimme war betont emotionslos.

    Rodney konnte sich gut vorstellen, dass diese Aussicht selbst einen Antiker erschrecken würde.
    „Deine Leute gefallen mir immer weniger.“ Er schüttelte den Kopf. Irgendwie hatte Oma Desala in Daniels Erzählungen … netter geklungen. Auch wenn der ganze Nicht-Einmischung-Blödsinn – und wenn man es doch tat wurde man aus deren Club rausgeschmissen – natürlich schon erste Kratzer auf dem Bild der Antiker hinterlassen hatte.
    Aber jemanden für immer in Stasis einzuschließen, das war noch eine Stufe mehr – eigentlich war es ein Todesurteil, auch wenn es hübscher formuliert war.

    Nur gut, dass John ja doch offensichtlich irgendwie entkommen war und jetzt vor ihm saß.

    „Wie bist du da raus gekommen? Hat dich jemand wieder … aufweckt oder rauslassen? Ich meine, eure Gruppe muss doch noch Sympathisanten gehabt haben, die noch auf freiem Fuß waren?“

    John nickte. „Ja, natürlich. Aber du vergisst, dass nach der Zerschlagung unserer Fraktion die meisten die Stadt verlassen wollten. Entweder doch noch durch Aufstieg oder durch das Stargate. Es wäre also nicht viel Zeit geblieben uns da wieder rauszuholen. Und außerdem haben die Antiker des Rats dieselben Überlegungen wie du angestellt – und noch weitere Vorsorge getroffen.“

    John starrte gedankenverloren auf seine Finger, die auf der Bettdecke die Streifen nachzogen. Unbewusst hatte seine zweite Hand diese Übersprungshandlung aufgenommen, nachdem Rodney seine andere Hand jetzt festhielt. Er schloss für eine Sekunde die Augen. Was jetzt kam, könnte ihn die Freundschaft mit Rodney kosten. Das könnte für den anderen Mann ein Schritt zuviel sein, zu abstrakt, zu weit, zu … fremd. Das könnte seine Begeisterung, einen Antiker getroffen zu haben, schnell verfliegen lassen. Aber um den Dschinn zu erklären, musste er Rodney noch mehr erzählen. Außerdem hatte er volle Aufklärung versprochen.

    „Damit es völlig sinnlos war, unsere Körper wieder aus der Stasis zu holen, hat man unser Bewusstsein aus unserem Körper heraustransferiert.“

    Rodney schnappte hörbar nach Luft.

    „Da ein Computer, egal wie groß, für die Speicherung eines vollständigen Bewusstseins völlig unzureichend ist, diese Datenfülle kann selbst das hochentwickeltste Programm nicht verarbeiten, haben sie es in speziell dafür konstruierten Nanitenkomplex transferiert.“

    Als Rodney jetzt doch eine Zwischenfrage stellen wollte, hob John abwehrend die Hand. Er musste da jetzt durch, ehe er den Mut verlor. Vor allem, da Rodney bei der Erwähnung der Naniten den Körperkontakt unterbrochen und seine Hand weggezogen hatte.

    „Für diese, nennen wir sie Bewußtseins-Naniten, schufen sie ein Gefäß, das ebenfalls aus Naniten besteht, welche die Aufgabe haben, aus der Umgebung unablässig kleinste Mengen von Energie zu beziehen und zu speichern, damit die Naniten, die mein Bewusstsein speichern, ständig mit der notwendigen Energie versorgt werden. Sozusagen der zweite Teil meines ewigen Gefängnisses. Und der Grund, warum ich zwischendurch immer wieder in die Flasche muss, um mich mit Energie zu versorgen.“

    „Du bestehst aus einem Haufen … Minirobotern?“ Zweifelnd schaute Rodney John an.

    „So könnte man sagen.“ Mit dem Pokerface hätte John in Las Vegas ein Vermögen machen können.

    „Das muss ich erst mal verdauen.“

    Das war auf der einen Seite total faszinierend, denn die Technik, die dahinter steckte musste einfach revolutionär sein. Der Wissenschaftler in Rodney sprang sofort darauf an, wollte hunderte von Fragen stellen. Dann war da aber auch noch die Tatsache, dass Rodney mit diesem … diesem … Haufen aus Spinnentierchen im Bett gewesen war. Urgs. Er hatte Bilder von den Replikatoren auf dem russischen U-Boot gesehen, und mit denen wollte man wirklich nicht intim werden. Das war selbst für SGC Verhältnisse ein neues Allzeit-Tief an „Seltsam“. Dann fiel ihm ein, dass auch die Replikatoren inzwischen menschliche Form annehmen konnten und er wusste nicht, ob ihn das jetzt beruhigte oder noch nervöser machte.

    Aber in einem Punkt hatte er Recht gehabt. „Dann gibt es so etwas wie die ‚Dschinn’ tatsächlich nicht wirklich.“ Eine gewisse Genugtuung war seinen Worten anzuhören. Damit hatte sich sein Grundsatz, dass alle Magie nur Wissenschaft war, für die man noch keine Erklärung hatte, mal wieder bestätigt.

    John antwortete mit einem freudlosen, kurzen Lächeln: „Wie man's nimmt. ‚Genius’ nannte man das vom Körper getrennte und im ‚repositorio’, dem Lebenserhaltungssystem, gefangene Bewusstsein des Verurteilten. Aus dieser Tatsache heraus ist wohl die Legende der ‚Genies’, der Dschinns entstanden. Geister, Dämonen, die in Flaschen leben.“

    John zuckte mit den Schultern und erklärte weiter: „Es war nicht vorgesehen, dass der Bestrafte eigenständig aus dem ‚repositorio’ entkommen konnte. Das Gericht konnte ihn zu Verhörzwecken, oder um Aussagen zu gewinnen, zeitweise daraus entlassen. Aber letztendlich muss die Flasche immer wieder für längere Zeiten verschlossen sein, damit die Energieaufladung überhaupt funktioniert und die Naniten das Bewusstsein fortgesetzt bewahren können.“ Er warf Rodney ein kleines Lächeln zu. „Wir haben diesen Punkt ja ausgiebig diskutiert.“

    Bevor Rodney etwas darauf erwidern konnte, wurde John wieder ernst und fuhr mit Bitterkeit in der Stimm fort: „Das perfekte Gefängnis – der Gefangene muss sich immer wieder hinein begeben, sich einsperren lassen, um überleben zu können.“

    Rodney war angewidert. Nicht von John, aber von dessen Rechtssystem. Wie musste man sich fühlen, wenn das gesamte Leben – da man in der Flasche ja kein Zeitgefühl hatte, wie John ihm erklärt hatte – aus einer Abfolge von Verhören und Befragungen bestand? Wenn man genau wusste, man käme nur raus, um den Gerichtssaal zu sehen und müsste dann wieder in seinem ‚repositorio’ verschwinden?

    „Das war also eine gängige Praxis bei euch?“ Er spürte Wut und das Gefühl von Ungerechtigkeit heiß durch seine Adern fließen.
    „Für schwere Kapitalverbrechen – ja.“
    „Oh ja – und eine andere Meinung in politischen Fragen zu haben, ist natürlich ein Kapitalverbrechen.“ Rodney schüttelte den Kopf. Das erinnerte weit mehr an Diktaturen als an eine fortschrittliche Gesellschaft, die er irgendwie mit Aufgeklärtheit und Gerechtigkeit assoziierte. Das war eine sehr deprimierende Vorstellung – auch für die Zukunft der Erde.

    Resolut nahm er noch einen Schluck aus seiner Flasche und wechselte das Thema, das gar nicht gut für seinen Blutdruck war. „Einer von denen, die sich entschieden haben durch das Stargate zu gehen, hat also vor zehntausend Jahren deine Flasche mit auf die Erde genommen?“

    „Ja.“ John hatte auf einmal wieder das Bild einer jungen, lachenden Frau vor Augen. „Serena, meine Cousine. Die einzige, die aus der Familie meiner Mutter überlebt hatte. Sie ist ein ziemliches Risiko eingegangen, mich hierher zu schmuggeln. Aber in den letzten Tagen ging es drunter und drüber in der Stadt, so dass es ihr tatsächlich gelungen ist. Sie hat mein ‚repositorio’ mit Hilfe von Freunden gestohlen und rausgeschmuggelt.“

    Rodney war der unbekannten Cousine im Nachhinein sehr dankbar dafür. „Und das Ding sieht jetzt wie eine französische Rotweinflasche aus, weil Naniten jede Form annehmen können, habe ich Recht?“
    „Genau. Ich habe ihr Aussehen im Verlauf der Jahrtausende verändert und angepasst. Je nachdem, was der Zeit und dem Kulturkreis angemessen schien.“

    „Deins auch?“ Rodney biss sich auf die Unterlippe.
    „Nein. Ich wollte, wenn ich in den Spiegel schaue, mich sehen.“
    „Kann ich verstehen. Äh … gute Wahl“, fügte Rodney noch hinzu und räusperte sich verlegen. „Äh .. ja. Wo war ich? Genau: Und in die Flasche rein und raus kommst du mittels des Minitransporters, der in deinem Armband steckt.“

    „Richtig, den hat Serena mit Hilfe von Freunden gebastelt. Denn wenn ich für immer in dem Gefäß hätte bleiben müssen…“
    „… hättest du auch gleich tot sein können“, vollendete Rodney den Gedankengang. „Dann bleibt noch die Frage zu klären: Warum ein Dschinn? Warum ein Mann in blauen Pluderhosen mit neckischem Bolero? Hätte es da nicht etwas … ich weiß nicht, weniger … Märchenhaftes aber dafür Heldenhafteres gegeben?“

    „Du wirst verstehen, dass du der erste bist, dem ich überhaupt etwas von außerirdischen Völkern, von Minitransportern und Naniten erzählen kann, ohne dass er mich für verrückt hält. Früher musste eine andere Erklärung her, warum ich in der Flasche wohne und Sachen herzaubern kann. Nach ein paar Fehlversuchen bin ich auf die Idee gekommen, die Legende mit den Flaschengeistern dafür zu nutzen.“

    John seufzte übertrieben und warf Rodney einen schiefen Blick zu. „Dass sie ausgerechnet Pluderhosen tragen, war für mich bekleidungstechnisch natürlich etwas unglücklich. Aber die Aussicht darauf, Wünsche erfüllt zu bekommen, macht die meisten Menschen gierig und geneigt, mich und meine“, er malte zwei imaginäre Anführungszeichen in die Luft, „‚Flasche’ gut zu behandeln. Die Legende passte perfekt und so bin ich dabei geblieben.“

    „Na, so perfekt nun auch wieder nicht, wenn ich bedenke, welche Mühe du hast, das Wort ‚Meister’ über die Lippen zu bringen“, grinste Rodney schief.
    „Das war der Preis, den ich dafür zahlen musste. Ich durfte auf keinen Fall zu mächtig scheinen, das hätte den Menschen Angst gemacht. Und wer will nicht einem Dschinn Befehle erteilen?“

    John stellte diese Frage leichthin, aber Rodney sah an der Verspannung in Johns Schultern, an der Art und Weise wie er die Augen verengte, dass manche ‚Meister’ sich ihm gegenüber Sachen herausgenommen hatten, die ihm den Titel erst so verhasst gemacht haben mussten. Aber wenn sie um seine Erpressbarkeit mit der Flasche wussten, wollte er das nicht von der Hand weisen. So waren Menschen nun einmal.

    Dagegen war er ja richtig ein 1A-Meister gewesen, denn die paar Sachen, die John für ihn herbeigezaubert hatte, waren an ein einer Hand abzuzählen. Und die Hausarbeit, die er ihn immer hatte machen lassen? Aufräumen? Putzen? Kochen? Nun, irgendetwas musste John ja schließlich tun, damit ihm nicht langweilig wurde. Rodney zerquetsche jeden Anflug von schlechtem Gewissen, dass er tatsächlich einen Antiker-General als Hausboy eingesetzt hatte, mit aller Macht.
    Waren sie jetzt zusammen im Urlaub, oder nicht? Wie viele Meister waren wohl mit ihrem Dschinn in Urlaub gefahren? Nun? Wahrscheinlich keiner. Also. Kein Grund für Gewissensbisse.

    „Rund fünfzig Mal hast du das mitgemacht?“, fragte er stattdessen.

    John zog in einer betont lässigen ‚Es gibt Schlimmeres’-Geste die Schultern hoch. „Ich hatte ja keinen Einfluss darauf, wo die Flasche als nächstes landen würde. Manchmal sind Jahrhunderte vergangen, ehe wieder jemand die Flasche geöffnet hat. Und so habe ich eine … uhm … Rundreise durch die Zeit und die Kulturen gemacht. Bis ich bei dir gelandet bin.“

    „Und jetzt? Verbringst du ein paar Jahre mit mir und dann schmeiße ich deine Flasche wieder in den Ozean?“ Das kam harscher heraus, als Rodney es geplant hatte, aber die Idee, dass John nur auf … Durchreise bei ihm war, bis er zum nächsten ‚Meister’ wechselte, verursachte ihm einen Kloß im Hals.

    „Nein.“

    Als John nicht sofort eine Erklärung nachlieferte rief Rodney: „Nein? Hey, das reicht nicht! Komm schon, John. Jetzt hast du mir schon so viel erzählt, jetzt kannst du mir auch noch Rest erz… Oh, mein Gott! Ich glaube ich weiß es. Du willst nach Atlantis, noch einmal deine alte Heimat sehen und dann sterben. Die Flasche wegwerfen oder irgend so einen heldenhaften Mist anstellen, damit du in den ewigen Frieden eingehen kannst, wenn du schon nicht aufsteigen kannst, weil Naniten nicht aufsteigen können, stimmt’s?“

    „Nein.“ John starrte Rodney an, als habe er den Verstand verloren. Wie konnte ausgerechnet Rodney auf so eine absurde Idee kommen?

    Doch Rodney sah den geschockten Blick nicht, denn er war viel zu sehr in seinen eigenen, wütenden, Gedanken gefangen. Die ganze Perfidie des Plans des Antiker-Rats wurde Rodney noch einmal so richtig deutlich. Denn nicht nur, dass sie Johns Körper von seinem Geist getrennt hatte, den Körper in Atlantis verrotten ließen und den Geist zum Spielball von wechselnden Meistern gemacht hatten, daneben hatten sie ihm auch noch die Chance zum Aufstieg genommen, dem erklärten Ziel fast aller Antiker, wenn er Daniel und auch John richtig verstanden hatte.

    Nicht sterben. Nicht aufsteigen. Nicht wirklich leben.

    Das war wirklich eine Verbrecher-Bande!

    Erst Johns Antwort riss ihn aus seinen wirbelnden Gedanken.

    „Nein. Jedenfalls nicht ganz. Du hast nur zum Teil Recht. Ja, mein Ziel war es immer, irgendwann einmal nach Atlantis zurückzukehren. Jedes Mal, wenn ich die Flasche verlassen habe, habe ich gehofft, dass die Menschheit schon weit genug in ihrer technischen Entwicklung ist, um mir das zu ermöglichen. Aber ich will nicht nach Atlantis, um ‚heldenhaften Mist’ anzustellen.“ Er schenkte Rodney bei diesen Worten ein kleines, spöttisches Lächeln. „Wenn ich hätte Selbstmord begehen wollte, hätte ich in den letzten Tausenden Jahren genügend Gelegenheit dazu gehabt, dafür hätte ich nicht auf Atlantis hoffen müssen.“

    „Du willst … deinen Körper befreien, damit auch er Frieden findet? Ist das so ein Ehrenkodex, oder so?“, erkundigte sich Rodney.
    Lange Zeit sagte John nichts, biss die Lippen aufeinander, holte dann Luft, zögerte aber doch noch einmal.
    „Sag’s mir. Ich lache auch nicht, egal wie seltsam das Ritual ist“, versicherte ihm Rodney mit Nachdruck.

    „Es hat nichts mit Lächerlichkeit zu tun. Es ist nur so … Wenn du meine exakten Pläne kennst, gibt dir das sehr viel Macht über mich.“ Es war der letzte Puzzlestein. Und John zögerte nicht, weil er kein Vertrauen in Rodney hatte, sondern weil mit jedem Detail mehr, das er Rodney enthüllte, es umso gefährlicher für Rodney wurde, wenn sie – wer immer ‚sie’ sein könnten - ihn von den besten Verhörspezialisten ausquetschen würden. Das musste natürlich nicht sein – aber die Gefahr bestand.

    „Noch mehr Macht, als die Flasche zu besitzen?“, erkundigte sich Rodney mit großen Augen.
    „Ja.“
    „Wow.“ Für einen Moment überlegte Rodney, ob er so viel Verantwortung haben wollte. Aber es war John – und für den hatte er heute schon mal sein Leben riskiert. Fast jedenfalls. Ja, gut, nachdem John seins für ihn riskiert hatte. „Mittlerweile wird mir sowieso kein Mensch mehr glauben, dass ich *nichts* von deinen Plänen weiß“, fasste er Johns Befürchtungen in Worte. „Wenn ich weiß, was du vorhast, kann ich dir vielleicht aber auch helfen. Würde ich jedenfalls sehr gerne“, fügte er leiser hinzu.

    John schwieg einen Moment. Dann kam er offenbar zu einem Entschluss.

    „Danke.“ Er drückte kurz Rodneys Hand.

    „Ich will nach Atlantis zurück, das ist richtig. Ich hoffe, dass die Stadt noch existiert. Das ist der erste, große ungewisse Punkt. Dann hoffe ich, dass mein Körper dort noch am Leben und nicht völlig zerfallen ist und dass meine Naninten in der Lage sein werden, den Rücktransfer in den Körper zu überstehen. Wenn sie meinen Körper infizieren, sollten sie in der Lage sein, den Alterungsprozess zu „reparieren“, sprich, mich wieder den Ursprungszustand versetzten.“

    John gab sich den Anschein völlig unbeeindruckt zu sein und nicht, als ob er auf heißen Kohlen säße. Nicht, als ob seine Zukunft gerade in der Schwebe hing und er einem einzigen Mann die Entscheidung darüber anvertraut hatte. Denn wenn Rodney ihn mit diesen ganzen neuen Informationen als Sicherheitsrisiko einstufte und die Flasche nie wieder öffnete, war’s das mit seiner Aussicht auf ein ‚normales’ Leben. John glaubte nicht, dass sein Körper in dem Stasis-Grab noch viel Zeit hatte.

    „Du willst in deinen Körper zurück“, wisperte Rodney als ihm die Tragweite dessen, was John aufzählte, langsam bewusst wurde.

    John nickte. Er setzte sich etwas bequemer hin und hielt seine Hand mit fünf gespreizten Fingern hoch. „Punkt fünf der Unsicherheiten: ich hoffe, dass ein ganz spezielles EM-Feld, den Verjüngungsprozess dann an genau der richtigen Stelle stoppen kann, um die Naniten abzuschalten, ehe sie mich zu sehr verjüngen. Falls alle diese Punkte erfolgreich sind, sollte ich wieder normal leben und altern können. Das ist mein Plan, ist es in all den Jahrtausenden gewesen. Mit wenig Aussicht auf Erfolg, ich weiß. Aber die Alternative ist, für immer in der Flasche zu bleiben. Was habe ich also wirklich zu verlieren?“

    „Nun, da wüsste ich schon einiges, aber lassen wir das jetzt erst einmal. Mhmm, das SGC und seine Technik, sein Stargate, sind also dein Ticket zurück nach Hause. Mit dem kleinen Problem, dass Daniel noch nicht weiß, wo Atlantis liegt.“
    „Ich aber.“
    „Wir schmeißen also heimlich das Stargate an und marschieren da hin?“, fragte Rodney mit großen Augen.
    John lächelte. Das ‚wir’ in Rodneys Satz gefiel ihm sehr gut. „Nein, ganz so einfach ist es leider nicht. Wir brauchen dafür ein voll funktionsfähiges ZPM. Ich weiß, dass du daran forscht und ich weiß, dass das SGC zurzeit keins hat. Aber ich habe eine Idee, wo man in dieser Galaxis eins finden könnte. Proclarush Taonas. Wenn es den Ort noch gibt, und wenn noch niemand das ZPM vor uns gefunden hat.“

    „Das wäre … “ Rodney fand kein Adjektiv, das dieser Situation angemessen wäre und stoppte deshalb mit einem hilflosen Handrudern. So viele Unwägbarkeiten in Johns Plan, so viele Unsicherheiten. Aber auch so viele aufregende Zukunftsaussichten!

    „Du siehst, jetzt da du meine Pläne kennst, kannst du mich jederzeit stoppen.“ John tat so, als ließe ihn diese Aussicht völlig unberührt, aber das nervöse Zucken seiner Finger verriet ihn.
    Rodney grinste: „Du magst es ja leugnen, aber du hast doch einen Hang zur Dramatik.“
    „Ich?“ John schien wirklich überrascht.
    „Also, wenn dieser ganze ‚Mein-Leben-in-deiner-Hand’ Kram nicht an meine Menschlichkeit oder weiß der Kuckuck was, irgendetwas … Großes in mir appellieren sollte, dann weiß ich es auch nicht.“

    John duckte seinen Kopf und das kleine Lächeln dazu jagte Rodney einen Stich durch das Herz. Er würde John helfen, koste es, was es wolle! Und wenn er dafür näher mit Daniel, oder ja, auch mit Samantha Carter zusammenarbeiten müsste, statt seinen eigenen Kram zu machen, dann müsste es wohl so sein. Wahrscheinlich war es Zeit, ins SGC zurückzukehren und zu sehen, wie die Dinge dort standen. Er hatte noch hunderte, tausende von Fragen, aber wenn er morgen halbwegs fit sein wollte, sollten sie jetzt wohl mal langsam an schlafen denken.

    Rodney hob die Bettdecke an. „Also komm schon her du … du … wie beleidigt man einen Naniten-Haufen am Effektivsten?“, fragte er mit funkelnden Augen.

    John ging auf den Tonfall nicht ein. „Indem du ihn Naniten-Haufen nennst. Denn ich bin viel, viel mehr. Ich bin John Sheppard, mit all seinen Gefühlen, Wünschen, Träumen, Idealen und ja, auch Fehlern. Vielleicht ist mein Speichermedium für all diese Informationen ein anderes als bei dir, es macht mich aber nicht weniger zum Menschen, oder zum Antiker, wenn du so willst.“

    Dieser Punkt war John ganz wichtig. Rodney durfte erst gar nicht anfangen, etwas Künstliches, eine Maschine in ihm zu sehen. Denn so fühlte er sich ganz und gar nicht.
    Das hatte es ja auch manchmal so schwer für ihn gemacht. Hätte er sich auf rein logische Ja-Nein Entscheidung stützen können, wie es eine Maschine gekonnt hätte, wäre er sicher in viele Situationen gar nicht erst hinein geraten, in die ihn sein Mitempfinden und sein Gefühl von Recht und Gerechtigkeit oft hineingebracht hatten. Er hätte stur sein Ziel verfolgt und nicht bedacht, ob er auf seinem Weg damit über Menschen hinwegtrampelte oder nicht.

    „Meine Nervenbahnen verarbeiten die Impulse genauso wie deine, der Unterschied ist wirklich nur marginal. Ich kann Schmerz spüren und Glück. Pizza oder Bier schmeckt für mich nach etwas, weil ich Sinneszellen auf der Zunge habe.“
    John presste die Lippen kurz zusammen. „Ich habe immer daran gearbeitet, so menschlich wie möglich zu sein. Ich habe es im Laufe der Jahre gelernt, dass meine Naniten den menschlichen Körper so genau wie möglich nachbilden. Knochen, Muskeln, Sehnen – alles sollte so naturgetreu wie möglich sein. Nicht nur, damit ich nicht auffiel, sondern auch, um die Erinnerung an meine Menschlichkeit, meine Grenzen, meine Sterblichkeit nicht zu verlieren. Verstehst du das?“

    Er blickte fragend in Rodneys Augen. „Ich hätte heute Nachmittag auf dem Platz sterben können, wenn zu große Mengen von Naninten durch das Blut aus meinem Körper herausgespült worden wären. Wenn eine gewisse Anzahl unterschritten wird, kann der Rest den Datenverlust und fehlenden Speicherplatz nicht mehr kompensieren. Es gibt eine untere Grenze, wenn ich die unterschreite, dann ist mein Bewusstsein wirklich verloren. Dann bin ich wirklich ‚tot’.“

    John merkte wie emotional er geworden war und schloss in einem ruhigeren Tonfall: „ Ich denke, das macht mich ziemlich menschlich – selbst wenn mein Heilungsvorgang dann schneller war, als bei einem Menschen.“

    „Okay. Verstanden.“ Rodney druckste etwas herum. Das hatte John ja wesentlich persönlicher genommen, als es gedacht gewesen war. Aber er verstand Johns Standpunkt – wenigstens andeutungsweise. Deshalb meinte er nach einem kurzen Moment inneren Kampfes: „Tut mir leid. Entschuldigung.“

    „Kein Problem. Denn im Prinzip bin ich ja ein Naninten-Haufen.“ John grinste fett, um den unbehaglichen Moment zu überspielen.
    „Hey! Sheppard! Du bist so … unmöglich! Verdammt!“ Rodney gab ihm eine Kopfnuss und jammerte dann sofort: „Aua, aua“, und schaute anklagend seine verbundenen Hände an.

    John nahm Rodneys Hand behutsam in seine. „Rodney, danke für die Rettung heute Nachmittag. Für alles, was du für mich getan hast. Du wirst mir morgen erzählen, wie du es angestellt hast, die Flasche sicher wieder zurückzubringen und uns von dort wegzubringen. Ich möchte jede Einzelheit wissen.“

    Sein Daumen fuhr sanft über Rodneys Knöchel. „Danke sehr. Wenn sie mich in die Finger bekommen hätten – ich darf gar nicht daran denken.“ John streckte vorsichtig seine andere Hand aus und legte sie auf Rodneys Brust. Schließlich hatte Rodney den Körperkontakt während seines Geständnisses unterbrochen und selbst wenn er ihn jetzt neben sich im Bett haben wollte, wusste John nicht, wie viel Berührungen gestattet waren, mit wie viel Rodney sich wohl fühlte.

    „War ja das Mindeste, was ich tun konnte, nachdem du dich so heldenhaft über mich geworfen hattest.“ Jetzt, da Rodney wusste, dass auch Antiker-Dschinns nicht unverwundbar waren und John bei der Aktion auch hätte draufgehen können, und dann niemals seine Heimat wieder gesehen hätte, gab ihm das noch etwas mehr zu denken. „Lass uns jetzt schlafen, John. Ich merke, wie mir die Augen zufallen.“

    Das war nur halbwahr, Rodney plante schon, noch ein wenig über die Situation nachzudenken. Aber er wollte John nicht in seiner Flasche wissen, sondern neben sich. Sollte er Albträume bekommen, wollte er sich jederzeit versichern können, dass John noch lebte. Und er wollte ihn neben sich, um sich daran zu erinnern, dass er sich wie jeder andere ‚Mensch’ in seinem Bett auch anfühlte.

    „Hier?“, fragte John, um ganz sicher zu sein und deute eine Bewegung mit seinem Kinn Richtung Bett an.
    „Hier“, bestätigte Rodney. „Es sei denn, du musst in deine Flasche?“
    „Nein, das muss ich jetzt nicht unbedingt. Kann ich auf morgen verschieben.“
    „Dann bleib hier.“

    Für einen Augenblick schauten sie sich stumm an.

    John wusste, dass Rodney unter der Bettdecke nackt war, er hatte ja gesehen, wie er sein Handtuch auf den Boden hatte gleiten lassen. Rodney nackt war natürlich nichts Neues für ihn, aber in der Zwischenzeit war so viel vorgefallen, dass er ganz sicher sein wollte, dass sie hier auf derselben Seite unterwegs waren.

    Er zeigte er auf sein T-Shirt und seine Hose und fragte: „Stört es dich … Wäre es dir recht …? Soll ich …?“
    „Ja, ja. Natürlich.“ Rodney nickte heftig.

    John schlüpfte schnell aus seinen Sachen. Er legte sich neben Rodney, zog die Bettdecke hoch und über sie beide.
    Rodney rückte an John heran. John war sehr froh über dieses eindeutige Signal und legte Rodney einen Arm um die Taille, Mit einem erleichterten Aufseufzen lehnte Rodney seinen Kopf gegen Johns Schulter.

    Es fühlte sich absolut richtig an. So viel Haut auf Haut, so viel Wärme und das wunderbare Gefühl, nicht alleine schlafen zu müssen. Ein Restzweifel nagte natürlich immer noch an John, ob er nicht vielleicht zu viel von sich und seinen Plänen preisgegeben hatte, aber mit diesem Restzweifel konnte er leben. Denn das Gefühl der Hoffnung, vor einem Durchbruch zu stehen, mit Rodney auf die richtige Person gesetzt zu haben, überwog. Und das war ja nur die „technische“ Seite.

    Das Gefühl, das ihm am meisten überwältigte, war die Verbundenheit, die er zu Rodney fühlte. Er scheute sich, es Liebe zu nennen, dafür war es wohl noch zu früh, aber, verdammt, darauf würde es wohl hinauslaufen. Er wollte nicht nur seinen Körper zurückhaben, weil es das war, was er seit Jahrtausenden wollte. Er wollte auch wieder ein Leben haben, dessen Ende vorprogrammiert war. Unsterblichkeit war wirklich eine der größten Lügen im Universum. Er war es so Leid, Menschen, die ihm etwas bedeuteten, altern zu sehen, sterben zu sehen. Er wollte mit Rodney alt werden.

    Shit, John, dich hat es ganz schön erwischt. Er lauschte auf Rodneys leises Schnarchen. Er war tatsächlich schon eingeschlafen. Ja, ein Leben mit Rodney, das war wirklich das, was er wollte. Er war nicht so naiv anzunehmen, dass jetzt alle Schwierigkeiten zwischen Rodney und ihm behoben waren, aber es wäre … ausgeglichener. Jetzt da Rodney von seinen Plänen wusste, würde er nicht hinter jeder Annährung einen Versuch vermuten, sich Informationen zu beschaffen. Rodney würde mit Sicherheit von seinen Kenntnissen als Antiker profitieren wollen und damit auch seiner Karriere einen Vorwärtsschub geben - und er wollte von Rodneys Beziehungen zum SGC profitieren, um im Endeffekt nach Atlantis zurückzukehren.

    Aber solange sie beide wussten, was der andere wollte, war es wohl okay. Es konnte nur besser werden. Mit diesem beruhigenden Gedanken schlief endlich auch John ein.


    TBC ....
    Geändert von Antares (28.01.2013 um 23:25 Uhr)

  6. Danke sagten:


  7. #25
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
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    Standard

    Kannst du dir vorstellen, dass sie sogar eine ‚Aufstiegsmaschine’ gebaut haben?
    Armer Rodney, wenn er wüßte, was da noch auf ihn zukommt.
    Das war ein tolles Kapitel und hat genau das geklärt, was ich mir die ganze Zeit dachte - John ist ein Antiker!

    Der Arme John, was der alles erleben musste. Gut das er jetzt an Rodney geraden ist, der kann ihm bestimmt helfen.
    Da kam mir gerade die Idee, dass John ja eigentlich ins Stargate-Programm eingeschleust werden könnte - als Major. Jack und Daniel wissen ja bescheid und dann beginnt die Serie.

    Das war echt klasse und ich bin sehr gespannt wie es weitergeht. Ob John es schafft nach Atlantis zu kommen und auch seinen Körper wieder bekommt. Und vor allem, wie soll das alles an Kinsey vorbei passieren???

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  8. #26
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    Armer Rodney, wenn er wüßte, was da noch auf ihn zukommt.
    Aber das ist ja nicht gesagt, denn jetzt kann ihn John ja zurückhalten, da er ganz genau weiß, was für ein Gerät das ist.

    Ich denke auch, jemand besseres als Rodney konnte John gar nicht finden! *g*
    Aber so einfach werden Jack und Daniel ihn nicht in das Stargate Programm als Major einschleusen können....

    Kinsey? Der wird doch in der Doppelfolge "New Order" abgesägt und ist nicht länger Vizepräsident und nicht länger für das SGC zuständig. Da zieht Präsident Hayes doch noch etwas verspätet die Reißleine und wird ihn los.

    Vielen Dank für deine lieben Anmerkungen! Und es gibt im nächsten Kapitel sogar einen Spoiler für dich.
    ----------------------------------------------------------------
    Und damit wir langsam fertig werden, gibt es jetzt noch den nächsten Teil.


    Der Dschinn (11/13)

    11. Kapitel



    Am nächsten Morgen wachte Rodney, der auch normalerweise nie viel mehr als fünf, sechs Stunden pro Nacht schlief, vor John auf. Es war warm, er fühlte sich sicher und Johns Hand lag auf seiner Hüfte. Wenn er sich ein bisschen zur Seite drehte, würde diese Hand auf eine sehr interessante Stelle seiner Anatomie treffen. Er seufzte wohlig. Gab es eine bessere Art und Weise wach zu werden?

    Vielleicht könnte sein Dschinn ihm einen Kaf… und mitten in diesem Gedanken fluteten all die Ereignisse des Vortages mit einem Schlag wieder in Rodneys Gehirn zurück. Der Bootsausflug, die Explosion, die bangen Stunden, in denen er das Schlimmste befürchtet hatte, das Geständnis. Sein Dschinn war kein Dschinn, sondern ein Antiker. Nein, nicht einmal ein richtiger Antiker, sondern eine Ansammlung von Naniten. In Menschenform. Antikerform. Was auch immer.

    Ein wenig … unschön war diese Mini-Roboter Sache schon. Wenn auch faszinierend. Rodney fühlte sich hin und her gerissen. Er drehte sich und schaute John an und alles sagte ihm, dass er genauso ein fühlendes, lebendes, atmendes Wesen war, wie er selbst. Er war zu Mitgefühl und Schmerzen fähig, hatte ihm schließlich gestern sein Leben gerettet. Vielleicht spielte es wirklich keine Rolle, nach welchen Prinzipen die Reizübertragung im Körper funktionierte, und Naniten waren ebenso „gut“ wie Zellen. Er musste sich nur ein paar Tage Eingewöhnungszeit geben, und durfte auf gar keinen Fall „Replikator“ denken. Dann würde alles gut werden. Er hatte sich schließlich auch einen Dschinn gewöhnt, da könnte ein Repli…, konnte eine andere Lebensform, doch nicht so schwierig sein.

    „Rodney?“
    Er spürte Johns Atem gegen seinen Nacken.
    „Du bist wach?“, stellte Rodney überflüssigerweise fest.
    „Seit ein paar Minuten. Ich habe dich praktisch denken gehört.“
    In John Stimme schwang Befangenheit und Vorsicht mit, was Rodney nicht gefiel.
    „Unsinn. Niemand kann jemand anderes denken hören“, schnaubte Rodney. „Das ist völlig … eh … es sei denn …Ernsthaft? Kannst du wirklich ...?“
    John lachte kurz und nicht wirklich erheitert auf. „Nein, Rodney. Keine Sorge, das kann ich nicht. Gedankenlesen gehört zu nicht zu meinem Repertoire.“ Jetzt klang er resigniert: „Aber ich habe genügend SGC-Berichte gelesen, um mir vorstellen zu können, was dir im Moment durch den Kopf geht. Naniten.“
    Darauf wusste Rodney nichts zu erwidern.
    „Was wirst du jetzt tun?“, flüsterte John, seine Hand steif auf Rodneys Hüfte gepresst.

    Rodney schluckte. Offenbar wusste John um seine Unsicherheit und wartete auf sein Urteil. Ob er überhaupt geschlafen hatte? Oder sich die ganze Nacht das Hirn zermartert, ob er Rodney zu viel gesagt hatte? Ob er die ganze Nacht befürchtet hatte, am Morgen in die Flasche gesperrt und nicht wieder herausgelassen zu werden, weil er für die Sache mit den Naniten doch nicht aufgeschlossen genug war? Aber, hey, das war er! Er war einer der führenden Wissenschaftler seiner Zeit und er würde sich doch nicht von so einer Kleinigkeit abschrecken lassen. Und jetzt musste er John mal ganz schnell beruhigen.

    „Ich schmeiße dich nicht samt Flasche ins Meer, wenn es das ist, was du wissen willst.“
    „Gut zu wissen.“ Johns Griff auf Rodneys Taille lockerte sich etwas, und Rodney merkte erst jetzt, wie verspannt seine Hand gewesen war.
    „Aber ich denke, wir sollten unsere restlichen Urlaubtage verfallen lassen und ins SGC zurückkehren. Hören, wie die Sache so steht, Daniel zu seinen Atlantis-Forschungen befragen und nach einem ZPM Ausschau halten, was meinst du?“

    „Du willst mir immer noch helfen?“

    Diese Frage gab Rodney einen Stich ins Herz. Was für eine schlechte Meinung hatte John eigentlich von ihm, oder von den Menschen ganz allgemein?
    „Natürlich“, beruhigte er ihn und legte seine Hand über Johns Arm. „Ich kann mir doch nicht die Gelegenheit entgehen lassen, einen Antiker, der sich verlaufen hat, nach Hause zu bringen.“ Zum Teufel mit seinen Zweifeln. Er würde jetzt das zu tun, was ihm richtig erschien. Langfristig mit Atlantis und kurzfristig mit dem Dsch… mit John in seinem Bett. „Und jetzt küss mich, du Dummkopf.“

    In der nächsten Sekunde rollte sich John über ihn, ergriff von seinem Mund Besitz und küsste ihn, als würde sein Leben davon abhängen. All seine aufgestaute Energie, Hoffnung und Erleichterung legte er in den Kuss. Rodney hatte ihm soeben versichert, dass er ihn so nehmen wollte wie er war und ihm auf lange Sicht helfen wollte. Das war der beste Ausgang, den sein Geständnis hatte nehmen können.

    Er streichelte über Rodneys Wange, wuschelte durch die Haare und ließ seine Zunge in Rodneys Mund gleiten, während seine Finger über Rodneys Haut strichen. Oh ja, er hatte das vermisst. Hatte die angespannte Situation zwischen ihnen als bedrückend empfunden. Das hier war eine riesige Erleichterung, fühlte sich so prächtig an. Er küsste sich über Rodneys Kinn herunter auf dessen Hals. Das war stoppelig und kratzig – und das beste Gefühl, das er seit Tagen gespürt hatte. Seine Hände, seine Lippen, seine Zunge – er musste Rodney spüren, musste wissen, dass es zwischen ihnen wieder im Lot war.

    Rodney seufzte wohlig auf. Mein Gott, wie er das vermisst hatte! Erst jetzt wurde ihm so richtig klar, wie sehr ihm das gefehlt hatte. Damit stand dann ja wohl fest, dass das leere Gefühl in seinem Magen nicht immer Hunger gewesen war, oder wenn Hunger, dann Hunger auf eine ganz andere Sache als Nahrungsmittel.
    Auf John.
    Auf dessen Berührungen. Auf diese wundervollen Hände, die ihn an all den richtigen Stellen streichelten und es ihm noch wärmer werden ließen, als es ihm schon war. Er strampelte ein wenig, um die Bettdecke loszuwerden, sie wenigsten ein paar Zentimeter herunter rutschen zu lassen, um etwas Luft an ihre Körper zu lassen.

    Aua! Die Bewegung machte ihm deutlich, dass er wohl mit dem Muskelkater aller Muskelkater gesegnet war. Na super. Aber kein Wunder. Von null körperlicher Betätigung innerhalb eines Tages zum Marathonläufer zu mutieren, hätte wohl jeden überfordert. Er wollte eigentlich ein wenig jammern, wurde aber abgelenkt, weil Johns Hand offenbar an ihrem Ziel angekommen war und sich federleicht auf Rodneys Glied legte.

    „Was möchtest du heute?“, wisperte ihm John dazu ins Ohr und der Atemhauch jagte Rodney ein Kribbeln über das Rückgrat.
    „Ich … irgendetwas wobei ich mich möglichst wenig bewegen muss“, erklärte er. Er spannte noch einmal die Beinmuskeln an und bekam von dort die Bestätigung, dass das die richtige Entscheidung war.
    „Bist du in Ordnung?“, fragte John natürlich sofort besorgt.
    „Alles bestens, nur ein Monster-Muskelkater“, beruhigte ihn Rodney und ließ seine Hand über Johns Rücken gleiten. Ja, auch bei John war alles bestens verheilt. Keine Narbe, nichts, war zu fühlen. So ein Naniten-Dasein hatte auch seine Vorteile.

    „Soll ich dich massieren?“
    „Untersteh dich. Mach das weiter, was du tust, das ist schon sehr entspannend.“ Er würde doch jetzt nicht Sex gegen eine Massage tauschen!
    John lachte und fuhr fort, Rodneys Körper mit Küssen und sanften Bewegungen zu verwöhnen, die an einigen Stellen auch etwas fester wurden. Nun, wenn das Johns subtile Methode war, ihn dennoch zu massieren, wollte er sich nicht beschweren, denn es sendete all die richtigen Signale an sein Gehirn.

    Rodney gestattete sich, für einen Moment nur dazuliegen und zu genießen. Eh … vielleicht sollte er auch mal …? Nein, John würde ihm schon sagen, wenn er von Rodney mehr „Aktion“ sehen wollte. Da brauchte er sich keine Sorgen zu machen. Johns kleine, lustvolle Seufzer fuhren ihm ohne Umweg direkt in den Penis. Klang so, als sei John ganz zufrieden.

    John konnte nicht genau sagen ob Rodney ihm noch immer oder eher wieder vertraute, er merkte nur, dass sein Freund keine Schwierigkeiten hatte, sich ganz in seine Hände zu begeben. So reagierte kein Mann, der ununterbrochen an außerirdische Technologie denken musste. Rodney gefiel offenbar, was er machte und er ließ es ihn durch zustimmende Äußerungen und wohliges Stöhnen wissen. Nachdem John sich – wie er hoffte – ganz unauffällig davon überzeugt hatte, dass Rodney von der gestrigen Explosion keine bleibenden Schäden zurückbehalten hatte, legte er etwas mehr Kraft in seine Bewegungen.

    Und er wollte noch mehr, als diese tändelnden Berührungen. Wollte Rodney mit all seinen Sinnen spüren, wollte mit ihm den Höhepunkt erreichen, wollte das wieder haben, was sie am Abend nach dem Grillfest bei O’Neill miteinander geteilt hatten.

    Spoiler 
    Ja, er grinste, während er seine Lippen über Rodneys bereits hoch aufgerichtetes Glied stülpte – er wollte nicht weniger alsalles. Er genoss es, Rodney mit seinen Lippen zu verwöhnen, mit seiner Zunge an der Vene an der Unterseite entlangzufahren und ein ganz bestimmtes, tiefes, zustimmendes Grollen bei Rodney auszulösen, wenn er mit seiner Zunge eine Stelle direkt unter der Eichel neckte.

    Dazu atmete er Rodneys erregenden Duft ein, erinnerte sich wieder, wie sehr es Rodney bei ihrem ersten und einzigen Male gemocht hatte, einen Blowjob zu bekommen. Und nicht gezögert hatte, es ihm mitzuteilen. John spürte, wie sich Rodneys Hände in seine Haare legten, sie sanft durchkämmten, aber auch ganz behutsam versuchten ihn in dieser Stellung zu halten. Sah so aus, als gälte das mit den Vorlieben auch heute noch.

    John verlor sich in dem Gefühl Rodney zu geben, was dieser wollte. Seine Bewegungen wurden schneller und mit seinen Ellenbogen drückte er Rodneys Beine ein wenig weiter auseinander, damit er leichter Rodneys Hoden umfassen konnte. Er rollte sie sanft in seiner Hand, umfing sie mit seinen warmen Fingern.

    „Oh, Gott, John. Lass mich kommen!“, bettelte Rodney mit einer Stimme, die schwer von Verlangen und Ungeduld war.

    Jetzt schon? Das war John noch nicht genug. Er wollte eine noch engere Verbindung. Er hauchte noch einen Kuss auf Rodneys Penis, dann richtete er sich zum Sitzen auf und schaute auf Rodney: Erhitzte Wangen, zerzauselte Haare, die auf dem Kopfkissen in alle Richtungen abstanden und eine sanfte Röte, die sich über Rodneys ganze Brust zog. Rodney sah wie der personifizierte Sex aus.

    Der personifizierte, leider unterbrochene Sex – wie er ihm jetzt lautstark zu verstehen gab.

    „He, nicht schon wieder dieses Spielchen mit dem fast kommen lassen. Bitte, John, es ist schon über eine Woche her, ich will dich jetzt.“ Um seiner Beschwerde etwas mehr Nachdruck zu verleihen, stupste er John mit seinem Bein an. „Komm schon.“
    „Hast du was eingepackt?“
    „Ja, natürlich. Im Badezimmer. Ich … hatte Hoffnungen für diese Reise“, gestand ihm Rodney ein und schaute ihn so herausfordernd an, als wolle er sofort jegliche Bemerkung dazu im Keim ersticken.
    „Ich bin sofort zurück“, versicherte ihm John und tätschelte im Aufstehen Rodneys Bein.

    Er ging ins Badezimmer und als er zurückkam, hatte Rodney sich auf den Bauch gedreht und spreizte einladend seine Beine.

    Verlangen raste durch Johns Körper und setzte sich warm in seinem Unterleib fest. Er verspürte zu seinem Erstaunen den Wunsch, Rodney in sich zu wissen. In all den Jahren, bei all seinen Bekanntschaften davor, hatte er es immer vermieden, weil er Angst hatte, dass sich das Machtgefüge dann zu seinen Ungunsten verschieben würde. Bei Rodney hatte er diese Sorge nicht. Bei ihm blieb nur noch eine Frage zu klären.

    Er kniete sich neben Rodney auf das Bett, strich mit seiner Hand über Rodneys Hintern und fragte: „Magst du es so lieber? Oder bist du auch für ein bisschen … Abwechslung zu haben?“
    Rodney drehte den Kopf und schaute John über seine Schulter an, während er seine Hand auf dessen Knie legte. „Ich bin durchaus für Abwechslung zu haben. Aber heute früh würde ich etwas vorziehen, das nichts mit sportlicher Betätigung meinerseits zu tun hat. Das überlasse ich gerne dir.“
    „Alles klar. Dann dreh dich wieder um.“
    Wie ein gestrandeter Wal hievte sich Rodney erneut auf den Rücken und jammerte dazu ein bisschen: „Es gibt keinen Muskel in meinem Körper, den ich gestern nicht überstrapaziert habe.“

    „Du bist mein Held, Rodney“, bestätigte ihm John mit liebevollem Spott, woraufhin Rodney das Gesicht verzog.
    „Und du bekommst jetzt die Belohnung eines Helden.“
    „Wurde auch Zeit.“ Rodney nahm seine Beine auseinander, damit John dazwischen Platz fand und brachte seine Füße flach auf das Bettlaken, damit es für John leichter war. Und dann wurden seine Augen größer und größer und sein Mund öffnete sich, ohne einen Ton herauszulassen.

    John hatte ein wenig Gel aus der Tube auf seine Finger gepresst, beugte sich etwas vor und stützte sich mit seiner zweiten Hand auf dem Bettlaken ab. Die Hand mit dem Gel führte er nach hinten und bereitete sich selbst vor. Er sah, dass Rodney etwas anderes erwartete hatte und bekam genau den Moment mit, in dem Rodney klar wurde, was John da tat. Und dass er es absolut heiß fand. Denn seine Augen wurden dunkel und John konnte einen Hunger in ihnen lesen, den er genau in diesem Moment auch in seinem Unterleib erwachen fühlte. Rodneys Atem beschleunigte sich und erst mit einem gestammelte „wow“ gelang es ihm wieder seinen Mund zu schließen.

    Rodney streckte seine Beine wieder aus und John spreizte sich über ihn. Bevor er ihn überhaupt berührte, legte ihm Rodney schon die Hände auf die Oberschenkel und sagte mit drängender Stimme: „Oh ja. Ja.“ Dann holte er tief Luft und fügte noch mit komischer Verzweiflung hinzu: „Nur erwarte bitte keine Ausdauer von mir.“

    „Bei mir ebenf …“ John konnte den Satz nicht beenden, denn in dem Moment, in dem er die ersten Zentimeter von Rodney in sich spürte, konnte er sich auf nichts anderes mehr konzentrieren. Es war … überwältigend. Ein Gemisch aus Aufgabe und Inbesitznahme, ein Hauch von Schmerz, der sich sofort verlor, als er sich noch etwas tiefer gleiten ließ und ein unbeschreibliches Glücksgefühl. Es war genau das, was er jetzt wollte. Er ließ sich tiefer gleiten und nahm langsam noch die letzten Zentimeter von Rodney in sich auf – und schloss für ein paar Sekunden die Augen.

    Genauso. Genau das. Egal, was noch geschehen würde, egal, ob er sein eigentliches Ziel erreichen würde oder nicht, für diesen Moment hatte es sich schon gelohnt. Er fühlte sich so eins mit sich selbst wie schon lange nicht mehr. Er fühlte sich durch und durch menschlich, und wenn es gestern noch mehr wie eine Verteidigungsrede geklungen hatte, in diesem Augenblick wusste er, dass es wahr war. Er war immer noch John Sheppard, mit allen seinen Wünschen, Empfindungen und Träumen.

    Wenn er sich jetzt noch bewegte, dann wäre es vorbei. Es war zu viel, zu plötzlich, zu erlösend. Er öffnete die Augen und schaute auf Rodney herunter, um den Moment in sein Gedächtnis einzubrennen, ehe es zu spät war.

    Rodney hatte seine Zähne fest in seine Unterlippe gepresst und biss sie fast blutig. Er zitterte und seine Hände verkrallten sich in dem Bettlaken. Er sah aus wie jemand, der kämpfte. Mit aller Macht darum kämpfte, nicht zu kommen und darüber fast den Spaß an der Sache verlor.

    „Rodney?“
    „Mhmm?“ Rodney hielt die Augen geschlossen.
    „Schau mich an.“
    „Ich … kann nicht. Das Gefühl alleine ist schon … so … wenn ich dich auch noch sehe, ist es sofort aus“, presste sich Rodney atemlos ab.
    „Dann ist es zusammen aus“, versicherte ihm John.
    „Aber …“ Rodney machte die Augen auf und schaute John direkt ins Gesicht.

    „Wir machen die Regeln“, grinste John. „Und wenn unsere Regel lautet, beim ersten Mal darf man nach einer Minute kommen, dann darf man das.“
    Wider Willen musste Rodney grinsen und entspannte sich etwas. „Dschinn-Regeln?“
    „Dschinn-Regeln“, bestätigte John lächelnd und begann sich auf und ab zu bewegen.

    Rodney brachte ihm das Becken entgegen und es stellte sich heraus, dass eine Minute fast noch eine etwas zu optimistische Schätzung gewesen war. John spürte wie Rodney losließ, nicht länger versuchte seinen Höhenpunkt zurückzuhalten und sich ganz seiner Leidenschaft hingab, die ihn dazu brachte, laut zu stöhnen und sich John immer hektischer entgegen zu biegen.

    John ließ sich mit Rodney fallen, gestattete sich, all das zu fühlen, was er schon seit so langer Zeit nicht mehr gefühlt hatte. Ließ zu, dass sich die Eindrücke in seinem Kopf überluden, erlaubte es sich, nur zu fühlen, nicht zu denken, nur auf seinen Körper zu hören, der Rodneys Bewegungen entgegenkam, sie aufnahm, sie verstärkte. Und als er spürte, dass Rodney sich in ihm verströmte, ließ er alle Barrieren sinken, nahm den Moment in seiner Totalität in sich auf und gestattete sich mit Rodney einfach davon treiben zu lassen, in eine Zeitlosigkeit zu fallen, die so ganz anders, so viel erfüllter war, als die Zeitlosigkeit die er die letzten Jahrtausende gekannt hatte.


    Als John wieder klar denken konnte, spürte er Dankbarkeit. Er hatte dieses Mal nicht nur die richtige Zeit gefunden, sondern auch den richtigen Mann. Es war das absolute Vertrauen, das Rodney ihm entgegenbrachte, trotz allem, was er inzwischen über ihn wusste. Das machte Rodney so besonders. Er lehnte sich noch einen Moment gegen ihn und genoss dieses Gefühl.

    Wie immer war das Danach sehr viel prosaischer als der Akt selbst. Rodney beschwerte sich, dass John schwer wurde, John rollte sich von Rodney herunter und als sich ihr Herzschlag wieder normalisiert hatte, gingen sie gemeinsam unter die Dusche. Sie seiften sich gegenseitig ein, genossen spielerisch eine andere Form der Intimität, bis das warme Wasser versiegte und sie wohl oder übel den nächsten Tag beginnen mussten.

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    Nach einem Frühstück in „Wilma’s Pancake House“, erholte sich John für zwei Stunden in seiner Flasche und Rodney nutzte die Zeit auf der langweiligen Interstate, um sich über seine Situation Gedanken zu machen.

    Atlantis.

    Die sagenhafte Stadt der Antiker. Johns Zuhause. Natürlich wollte John dahin zurück und zwar so schnell wie möglich. Sie wussten zwar noch nicht wie, aber je eher sie die Situation im SGC klären könnten, umso besser.

    Atlantis. Eine andere Galaxie.

    Rodney atmete tief durch.
    Eine Zukunft ohne John? Das kam nicht in Frage. Irgendwie würde er es einrichten, dass er mitgehen könnte, so wahr er Meredith McKay hieße. Den Gedanken, dass Johns biologische Uhr vielleicht bereits abgelaufen war, verdrängte er rigoros.

    Außerdem – Altantis, das war unvorstellbare Technologie! Antworten auf Fragen, die er sich noch gar nicht gestellt hatte. Technik, von der auf der Erde noch niemand gehört hatte. Der Traum eines jedes ernstzunehmenden Wissenschaftlers. Natürlich musste er … mussten sie nach Atlantis!

    Nur wie? Sie brauchten eine Strategie.

    Rodney nahm das Steuer in die linke Hand und öffnete mit der rechten Johns Flasche. „John? Komm raus, wir haben Pläne zu schmieden.“

    Aber als erstes wollte John jetzt alles erfahren, was noch in der Marina passiert war und Rodney erzählte ihm ausführlich und weitschweifig von seiner heldenhaften Rettung. John bedankte sich noch einmal.
    Bis zum nächsten Tankstopp unterhielten sie sich dann über Atlantis und die Antiker und John beantwortete die Fragen nach bestem Wissen und Gewissen. Dann kamen sie auf die Sache mit dem Plan zurück.

    Ein Anruf kurz vor Colorado Springs brachte dann zu Tage, dass niemand vom SG-1 Team im Cheyenne Mountain war. Walter Harrimann konnte Dr. McKay jedoch mitteilen, dass er Dr. Jackson wahrscheinlich daheim antreffen würde. Rodney steuerte einen Rastplatz an, sie stiegen beide aus, vertraten sich etwas die Füße und Rodney tätigte einen weiteren Anruf.

    „Und?“ fragte John, der an den Wagen gelehnt in die Sonne blinzelte, neugierig, als Rodney das Handy zuklappte.
    „Wir können kurz mit Jackson sprechen, er hat sich breitschlagen lassen. Er ist nicht zu Hause sondern wartet in O’Neills Haus auf uns. Aber er hat nicht viel Zeit, die Prometheus wird ihn in Kürze abholen, er hat nur ein paar Sachen gepackt.“
    John sah ihn überrascht an. „Sachen gepackt? In O’Neills Haus? Wo will er denn hin?“
    Rodney zuckte mit den Schultern, steckte das Handy wieder in die Brusttasche seines Hemdes und ging um den Wagen herum. „Keine Ahnung. Er war ziemlich kurz angebunden.“ Er seufzte: „Mir passt es gar nicht, dass wir ihn nicht alleine erwischen können.“

    Er öffnete die Wagentür und bedeutete John mit einer Handbewegung ebenfalls wieder einzusteigen.
    Rodney drehte den Schlüssel im Zündschloss und in das erste Tuckern des Motors hinein meinte er: „Du musst versuchen O’Neill abzulenken.“
    John stieß ein ungläubiges Schnauben aus. „Ich werd’s versuchen. Der Colonel ist sicher ganz begeistert davon.“

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    Als sie ankamen, öffnete Daniel die Tür und bat sie ins Wohnzimmer.
    „Rodney, entschuldigen Sie, aber ich habe nicht viel Zeit, in einer viertel Stunde … was haben Sie da gemacht?“ Er zeigte auf das Pflaster auf Rodneys Stirn. „Ich dachte, Sie waren im Urlaub?“
    „War ich auch. Das war der Imbisswagen, der uns am Lake Powell um die Ohren geflogen ist.“ Rodney präsentierte ihm auch noch seine aufgeschürften Hände.
    „Imbisswagen?“
    „Lange Geschichte“, meinte Rodney, der sich plötzlich besann, dass sie aus einem anderen Grund hergekommen waren. „Steht es schon fest, wenn das Stargate wieder in Betrieb genommen werden kann?“

    „Rodney!“ Kopfschüttelnd schaute Daniel ihn an, hüstelte und sagte: „Wir haben … äh … Zuhörer.“ Er warf einen Blick auf John.

    John hatte mit Rodney im Auto darüber debattiert, ob es besser war, wenn er fürs Erste in seiner Flasche bliebe, aber der Wissenschaftler hatte darauf bestanden, dass er anwesend sein sollte, falls eine Demonstration seiner Fähigkeiten gebraucht wurde, um den Colonel auf sehr augenscheinliche Weise zu überzeugen. Sah so aus, als wäre das nicht die richtige Entscheidung gewesen. Daniel hätte wohl freier geredet, wenn er nur Rodney vor sich gehabt hätte.

    Rodney machte eine wegwerfende Handbewegung. „Dr. Sheppard hat die Freigabe für die höchste Geheimhaltungsstufe.“
    Daniels Augenbrauen gingen nach oben. „Ach ja? Seit wann? Nachdem wir uns das letzte Mal gesehen haben, haben Jack und ich noch ‚Dr. Sheppard’ gegoogelt und nichts, nada, niente, null, über ihn gefunden – wie Jack sagen würde.“
    Mit mehr Schwung als nötig stopfte er ein paar Zeitschriften in eine Reisetasche.

    „Wo ist der Colonel eigentlich?“, erkundigte sich John, nachdem der Besitzer des Hauses so gar nicht auftauchte.
    „Weg. Ebenfalls eine lange Geschichte.“ Daniel kämpfte sichtlich um seine Fassung. Erst als er sie zurück gewonnen hatte, wandte sich wieder an Rodney. „Was ist das für ein Unsinn mit der Sicherheitsfreigabe?“ Seine Stimme hatte bei der Frage wieder an Schärfe zugenommen.

    „Sheppard weiß über das Stargate-Programm Bescheid.“ Rodney stopfte die Hände in die Hosentaschen und stellte sich etwas breitbeiniger hin.

    „Rodney!“ Dieses Mal stellte Daniel seine Packtätigkeiten ein und schaute den Wissenschaftler in einer Mischung aus Schock und Unglauben an. „Ich weiß nicht, was Sie mit Dr. Sheppard verbindet, aber Sie können ihm doch unmöglich davon erzählen! Sie müssen doch auch wissen … “

    „Ich habe keinen Ton gesagt! Für wen halten Sie mich eigentlich? John hat … äh …“, er gestikulierte wild mit seinen Händen und suchte nach einer Ausreden, denn er wollte nichts von dem gehackten Computer erzählten. „Er wusste schon … ähm … schon Bescheid, sozusagen. … Indirekt. Und vielleicht, ganz vielleicht ist im Rahmen unserer gemeinsamen Experimente mal der Name Stargate gefallen. Das kann sein.“

    „Als Sie an dem Projekt gearbeitet haben, bei dem der noch ungeklärte Flaschen-Transporter-Unfall mit der unbekannten Technologie passiert ist?“, fragte Daniel süffisant mit hochgezogenen Brauen.

    Rodney warf John einen flehenden Blick um Hilfe zu.

    „Wir können das alles erklären“, sagte John tapfer, auch wenn er noch keine Ahnung hatte, wo sie dann anfangen sollten.

    Rodney nickte vehement.

    Immerhin brachte dieses kleine Zwischenspiel Daniel dazu, schief zu grinsen und er stieß ein leises Schnauben aus. „Ich weiß, ich sollte das nicht witzig finden und Jack würde mir den Kopf abreißen. Aber … ach, verdammt, ich weiß ja sowieso nicht, wo mir der Kopf steht.“ Er ließ sich aufs Sofa sinken und fuhr sich müde mit einer Hand durchs Gesicht. „Setzen Sie sich doch. Noch mal von vorne. Wieso sind Sie hier? Warum wollen Sie mich sprechen? Sie haben fünf Minuten, machen Sie’s überzeugend.“

    John musterte Daniel genauer und ihm fiel auf, dass er nicht nur müde und erschöpft aussah, sondern auch als trüge er die Last von viel zu vielen, viel zu schweren Entscheidungen auf seinen Schultern. Er hatte Dr. Jackson bisher erst zwei Mal getroffen, aber sowohl auf dem Grillfest, als auch in Jacks Esszimmer, hatte er immer wie ein Energiebündel gewirkt. Diese resignierte Müdigkeit schien so gar nicht zu ihm zu passen. John fragte sich, was in den vergangenen Tagen wohl vorgefallen war und ob es etwas damit zu tun hatte, dass der Colonel abwesend war.

    „Wie weit ist das Atlantis-Programm?“, fragte Rodney gerade heraus. „Ich kenne nur die Gerüchte, die in der Kantine umgehen. Aber wie weit sind Sie wirklich?“

    „Rodney!“, rief Daniel anklagend. „Ich … ich, da kann ich jetzt nicht drüber reden“, Daniel warf einen unsicheren Blick auf John. „Tatsachen, wie die Stargates sind eine Sache. Aber unsere Zukunftspläne? Wir sollten das jetzt nicht diskutieren. Und ich habe auch eigentlich gar keine Zeit.“ Er erhob sich wieder. „Ich muss nach…“

    „Auf Proclarush Taonas müsste ein ZPM zu finden sein“, sagte John ruhig. Es war Zeit die Sache voranzutreiben.
    Daniel fiel auf das Sofa zurück und öffnete den Mund. Es brauchte eine Weile, bis er sagte: „Das stimmt. Aber woher wissen Sie das? Die Missionsberichte sind noch gar nicht geschrieben. Mit wem haben Sie …? Haben Sie mit jemanden aus dem Team von Colonel Reynolds gesprochen?“

    „Es stimmt also? Ihr habt ein ZedPM gefunden? Mit Energie? Voll aufgeladen?“ Aufgeregt rutschte Rodney bis an die Stuhlkante vor. „Auf …? Wo wolltet SG-1 noch gleich hin, als wir uns das letzte Mal getroffen haben?“
    „P3X 439“, antwortete Daniel mechanisch, während man ihn denken sah.
    „Ist das dieses Proclarush Toanas von dem du gesprochen hast?“, fragte Rodney John.
    Der zuckte die Schultern. „Ich kenne eure Bezeichnung nicht.“
    „Nein“, erklärte Daniel an Johns Stelle. „Aber … es gab wirklich ein ZPM auf Proclarush Taonas. Woher wissen Sie davon?“

    Jetzt musste er geschickt taktieren. „Ich habe es während meiner Reisen erfahren“, antwortete John vorsichtig. „Aber was heißt: ‚Es gab ein ZPM’? Was ist damit geschehen?“ Es konnte doch nicht sein, dass die Menschen die dringend benötigte Energiequelle tatsächlich gefunden und schon wieder verloren hatten! Das wäre eine Katastrophe, denn er kannte in dieser Galaxie keine weiteren Lagerstätten von ZPMs.

    Statt die Frage zu beantworten, wollte Daniel wissen: „Ihr habt überhaupt nicht mitbekommen, was in den vergangenen Tagen passiert ist? Oder?“
    „Wir waren im Urlaub und haben nur einmal kurz die Nachrichten eingeschaltet. Was ist denn passiert?“, wollte Rodney alarmiert wissen. „Irgendetwas mit dem Stargate Center?“

    Daniel schaute auf seine Armbanduhr. „Okay, Kurzfassung. Das meiste davon werden Sie“, er schaute Rodney an, „in ein paar Tagen in den internen SGC-Berichten lesen können. Und wenn Sie Dr. Sheppard sowieso auf dem Laufenden halten …“ Man sah ihm an, dass ihm dieser Gedanke nicht gefiel, er aber im Augenblick nicht die Energie aufbringen konnte, sich wirklich darüber aufzuregen.

    Er holte noch einmal tief Luft, dann begann er: „Auf P3X 439 haben wir eine Antiker-Datenbank gefunden. Das war übrigens an dem Tag von Jacks jährlichem Barbecue. Da uns Anubis’ Truppen auf den Fersen waren, blieb Jack nichts anderes übrig, als das Wissen noch einmal in seinen Kopf zu laden.“

    „Nein!“, riefen John und Rodney gleichzeitig.
    „Doch.“ Daniel seufzte. „Wir konnten ihn nicht davon abbringen, wir brauchten das Wissen. Jedenfalls war ich überzeugt davon. Dann haben wir die Datenbank zerstört, bevor sie den Goa’uld in die Hände fallen konnte.“

    Rodney warf John einen raschen Blick zu, doch der ließ sich nicht anmerken, wie sehr ihn das bedrückte. Aber wenn Rodney sich vorstellte, dass er auf der Suche nach seiner Heimat wäre und dann würde jemand eine irdische Datenbank zerstören, die ihm hätte so viele Fragen beantworten können, wäre er wohl am Boden zerstört.

    Daniel fuhr fort: „Mit dem Antiker-Wissen in seinem Kopf konnte uns Jack ein paar Tage später mitteilen, dass wir auf Proclarush Taonas“, jetzt schaute er John ganz durchdringend an, „ein ZPM finden würden.“
    „Und habt ihr es mitgebracht?“, platzte Rodney dazwischen.

    „Ja. Jack hat uns zu einer Waffenplattform, einem Außenposten der Antiker, was ich zuerst für Atlantis gehalten habe, in der Antarktis geführt. Dort gab es eine Art Kontrollstuhl, den Jack dank seines neu herunter geladenen Wissens bedienen konnte. Damit hatte er Zugriff auf Waffen, eine Art Drohnen, die er mit Hilfe des Stuhls kontrollieren konnte. Er hat sie benutzt, um im letzten Moment das Flagschiff und die gesamte Flotte von Anubis zu zerstören, nachdem es so ausgehen hatte, als könnten die Allianz aus irdischen Schiffe, Jaffa-Schiffen und der Einsatz der Prometheus den Goa’uld nicht aufhalten.“

    „Es hat über der Antarktis eine epochale Schlacht um die Erde gegeben während ich im Urlaub war?“ Rodney war empört. Da fuhr man mal eine halbe Woche weg … und dann so etwas. Beinahe wären sie alle von einem machthungrigen Goa’uld versklavt worden, während er auf dem Lake Powell Bötchen fuhr. Das durfte doch nicht wahr sein!

    „Ja, es ist wirklich gedankenlos von Anubis, sich nicht erst die Urlaubspläne anzuschauen“, bestätigte Daniel sarkastisch.

    John interessierte ein anderer Punkt mehr. O’Neill konnte den Kontrollstuhl bedienen? Das war interessant! „Was ist mit dem Colonel? Ist er noch in dem Außenposten? Hat das ZPM noch genügend Energie, um die Station zu betreiben?“ erkundigte er sich und rutschte auf dem Stuhl gespannt ein paar Zentimeter nach vorne. Von der Antwort hing so viel ab!

    „Jack ist …“ Daniel schluckte sichtbar, „Jack ist in einer Art Kammer ‚eingefroren’. Auf seinen eigenen Wunsch hin. Einer der Ärzte des SGC war schon bei ihm, kann ihn aber nicht untersuchen, da niemand von uns diese Kammer wieder öffnen kann. Dazu braucht es wohl das Antikerwissen, das in Jacks Kopf ist und an das kommen wir nicht heran. Scheiß-Spiel, vor allem, da sie uns auch noch das Stargate Center vor der Nase dicht gemacht haben, so dass wir auch nicht woanders Hilfe suchen können.“

    Erschöpft fuhr sich Daniel mit beiden Händen über die Stirn. „Jack hat allen mal wieder den Hintern gerettet. Aber alles, was die diversen Regierungen im Moment machen, ist, darüber zu streiten, wer das Sagen auf dieser Außenstation bekommen soll. Auf keinen Fall soll es das amerikanische Militär sein. Aber ehe sie sich auf eine multinationale Lösung einigen, können noch Monate vergehen. Das ist so zum – Entschuldigung – Kotzen. So kleinlich.“ Hilflos hob er die Hände.

    John rang mit sich, aber Daniel sah so völlig am Boden zerstört aus, der Mann konnte etwas Hoffnung gebrauchen. Und so bekam er vielleicht einen Fuß in die Tür.
    Doch genau in dem Moment fragte Rodney: „Wo sind Teal’c und Major Carter?“
    „Die beiden haben Dr. Weir halb beschwatzt, halb erpresst, sich mit dem umgebauten Al’Kesh auf die Suche nach den Asgard begeben zu dürfen.“
    „Das ist doch wie die Nadel im Heuhaufen suchen!“, rief Rodney.
    „Nicht ganz. Sie hoffen, sie beim Planeten Halla zu treffen, da sie dort das Zeitverzerrungsfeld überwachen, das die Replikatoren gefangen hält. Es ist einen Versuch wert, die Asgard sind die einzige Hoffnung, die Jack im Moment hat.“

    „Nicht ganz.“ John schaute Daniel, der überrascht aufblickte, fest an. Er war seinem Ziel noch nie so nahe gewesen, da musste er auch einen Einsatz bieten, der ihn auf diesen Außenposten brachte. Nur dort könnte er entscheiden, wie viel der Technologie dort noch funktionierte.

    „Colonel O’Neill kann den Kontrollstuhl nicht deshalb bedienen, weil er das Wissen aus der Datenbank in sein Gehirn geladen hat, sondern weil er über ein bestimmtes Gen verfügt, mit dem man Antiker-Technologie aktivieren kann. Jeder, der das Gen hat, kann die Technik benutzen. Denn …“
    „Ich auch?“, unterbrach ihn Rodney begierig.
    „Leider nein“, zerstörte John seine Hoffnung. „Denn dann hättest du den Mini-Transporter aktivieren können.“

    „Ich habe das Gen nicht, aber O’Neill, der es gar nicht braucht für wissenschaftliche Forschungen, hat es? Wie ungerecht ist denn das?“ Empört schaute Rodney von John zu Daniel.
    John zuckte mit den Schultern. „Ist das Leben je gerecht? Und um noch ein wenig Salz in deine Wunde zu träufeln: O’Neills Gen muss sogar sehr stark ausgeprägt sein, wenn er damit so ohne weiteres die Drohnen kontrollieren konnte.“ Er grinste schief. „Wahrscheinlich ist das Gen durch Kreuzung in den menschlichen Gen-Code gelangt. Tja, den bedauernswerten Mangel in deinem Gen-Code kannst du dem schlechten Geschmack deiner Vorfahren bei der Partnerwahl ankreiden.“

    Rodney öffnete den Mund, aber Daniel war schneller. „Sie sind bemerkenswert gut informiert, ‚Dr. Sheppard’. Haben Sie das Gen?“
    „Ja.“
    Daniel setzte die Brille ab, presste seine Nasenwurzeln mit Zeigefinger und Daumen zusammen und starrte auf den Wohnzimmertisch. Dann schien er zu einer Entscheidung gekommen zu sein. Er setzte die Brille wieder auf. „Okay. Ich will im Moment gar nicht wissen, wie das mit der Dschinn-Geschichte zusammenhängt. Aber Sie könnten theoretisch die Stasis-Kammer öffnen, damit die Ärzte Jack untersuchen können?“ Zum ersten Mal im Laufe des Gesprächs leuchtete so etwas wie Zuversicht in Daniels Augen auf.

    John mochte ja kein Wissenschaftler sein, aber über Stasis-Kammern wusste er bestens Bescheid, er hatte alles darüber gelesen, was es zu lesen gab, nachdem der Rat sein Urteil verkündet hatte. „Ja, das kann ich. Aber das ist nicht ratsam. Der Colonel ist in dieser Kammer im Moment am Besten aufgehoben. Er kann dort hunderte Jahre drin verbringen und kaum einen Tag altern. Und das Wissen aus der Datenbank kann nicht weiter sein Gehirn überladen, wenn er dort drin ist.“

    „Also warten wir doch auf die Asgard?“, fragte Daniel enttäuscht.

    „Nein. Nehmen Sie uns mit auf den Antiker-Außenposten, denn ich vermute, das ist es, wohin Sie gerade unterwegs sind, oder nicht? Dort können wir sehen, welche Geräte die Antiker noch hinterlassen haben, ob es eine Möglichkeit gibt, den Colonel von dem Wissen zu befreien, und es eventuell sogar innerhalb der Station zu speichern, damit es nicht verloren geht. Die Kapazitäten sollten dafür eigentlich vorhanden sein. Aber alles kommt natürlich auf den Zustand der Station an.“

    „Du willst in die Antarktis?“, erkundigte sich Rodney wenig begeistert. Irgendwie hatte er gehofft, dass sich das alles vom Cheyenne Mountain aus erledigen lassen würde. „Also in Nevada ist es ja schon unangenehm, weil viel zu heiß. Aber …“

    John warf ihm einen durchdringenden Blick zu. „Rodney … So eine Chance kommt nicht wieder. Und außerdem, du willst doch nicht anderen – unfähigen – Wissenschaftler die Genugtuung geben, vor dir Hand auf die aufregendste Technologie zu legen, die seit langem entdeckt worden ist?“ John schaute Rodney auffordernd und mit leisem Spott an.

    Rodney wackelte unschlüssig und etwas unglücklich mit dem Kopf. „Wenn du es so ausdrückst …“
    „Du wirst es nicht bereuen“, lockte John.

    „Entschuldigung, wenn ich unterbreche“, Daniel räusperte sich. „Aber ich weiß nicht, ob ich Sie da so einfach mit hinnehmen kann. Zur Zeit ist nur ein Technik-Corps dort stationiert, das einen Aufzug in den Schacht baut, den die Transportringe in das Eis gefräst haben, damit man nicht immer auf ein Raumschiff angewiesen ist, um in die Station zu gelangen. Außerdem ziehen sie ein paar Quartiere hoch, falls sich die Staatsmänner irgendwann mal einigen können, wer die Station leiten soll. Das ist alles. Keine Wissenschaftler, niemand sonst.“

    ‚Umso besser, dann haben wir Zeit uns in Ruhe alles anzusehen’. Jetzt musste er Daniel die Sache nur noch etwas schmackhafter machen. „Rodney ist doch der ideale Kandidat, sich dort ein wenig umzuschauen. Er ist Zivilist, gehört also nicht dem Militär an, das dort niemand haben will, und er ist Kanadier. Besser geht es doch gar nicht.“

    „Außer dass ‚er’ sich nicht den Hintern abfrieren will“, grummelte Rodney. Atmete dann aber tief durch und meinte zu Daniel. „John hat Recht. Wenn wir etwas für den Colonel tun wollen, muss John in die Station. Und ich muss ihn begleiten.“

    Unschlüssig schaute Daniel zwischen den beiden Männern hin und her. Dann gab er sich einen Ruck. „Nichts ist mir wichtiger. Und sollte Dr. Weir versuchen, mich wegen Kompetenzüberschreitung dran zu kriegen – wenn es Jack hilft, ist es mir fast alles wert.“ Er wandte sich an John und fragte wie jemand, der nur zu gerne überzeugt werden wollte: „Können Sie mir noch irgendetwas anderes als Ihr Wort bieten, dass Sie das Gen haben?“
    „Wenn Sie kein Antiker-Artefakt haben, das ich initialisieren kann … dann wüsste ich nicht wie“, musste John eingestehen.

    Rodney hob seine Hand. „Ich hätte da vielleicht eine Idee. Wir brauchen doch warme Kleidung in der Antarktis-Station, nicht wahr?“
    „Ja, sicher. Falls ich Sie mitnehme, fahren wir noch kurz an Ihrem Apartment vorbei“, erwiderte Daniel, offensichtlich über diesen Themenwechsel leicht verwirrt.

    Rodney schaute John an. „Nicht nötig, oder, John?“
    Huh? John brauchte eine Sekunde, dann wusste er, was Rodney meinte. Er wollte eine kleine Show für Daniel? Nun, das würde zwar nicht zweifelsfrei beweisen, dass er das Gen hatte, aber vielleicht war es wirklich nicht verkehrt, Dr. Jackson ganz deutlich zu zeigen, dass sie über Mittel verfügten, die sie aus der Masse der Wissenschaftler, die nach einer Einigung der Regierungen später noch über den Außenposten wuseln würden, herausragten.

    „Willst du die orangene Fleecejacke mitnehmen?“, fragte er mit einem Lächeln.
    „Auf jeden Fall.“ Rodney nickte. „Und warme Unterwäsche.“

    John presste das Armband, konzentrierte sich, und ein paar Sekunden später standen zwei gepackte Reisetaschen auf dem Wohnzimmertisch.

    „Wow!“ Daniel riss die Augen auf. „Sehr beeindruckend. Sie haben den Transporter mit dem Sie in Jacks Esszimmer gelandet sind also weiter entwickelt?“
    „Ich kann mit ihm auch Dinge transportieren“, umging John geschickt eine direkte Antwort.

    „Gut. Dann sind wir reisefertig?“ Daniel schaute Rodney an.
    Der nickte. „Sind wir.“
    „Vielleicht begehe ich jetzt gerade eine der größten Dummheiten meines Lebens“, meinte Daniel seufzend. „Aber die Situation ist im Moment so verfahren, dass ich bereit bin, nach jedem Strohhalm zu greifen.“ Seine Lippen verzogen sich zu einem widerwilligen Lächeln. „Wäre ja nicht das erste Mal, dass ich mich kopfüber in etwas hineinstürze, was andere Leute nur zum Händeringen bringt.“

    Dr. Jackson rief die Prometheus und bat darum, drei Personen hinauf zu beamen.

    Rodney schluckte hektisch. Jetzt war wohl nicht der Zeitpunkt, seinen beiden Mitreisenden mitzuteilen, dass er zwar alles über das Stargate-Programm wusste, doch noch niemals in einem Transporterstrahl gestanden hatte, noch niemals durch ein Stargate geschritten war, dass er mehr der Theoretiker war. Und der Technik, die er nicht selber überprüft hatte, nicht hundertprozentig vertraute.

    Er stellte sich neben John und Daniel, schützte seine Männlichkeit mit seinen Händen – man konnte nie vorsichtig genug sein – und schloss die Augen, als sich O’Neills Wohnzimmer vor seinen Augen auflöste.

    John schloss ebenfalls die Augen. Weil ihn die Anspannung zu überwältigen drohte. Er war so nah dran, nur noch Sekunden davon entfernt, wieder eine Antiker-Stadt zu sehen, zu fühlen, in seinem Geist zu haben. Nur noch Sekunden, um herauszufinden, ob er sich Hoffnungen gemacht hatte, die niemals erfüllt werden konnte, oder ob im ewigen Eis der Antarktis wirklich alles für eine mögliche Rückkehr finden würde. Er wollte hoffen, er wollte aber auch nicht enttäuscht werden. Noch mal von vorne anzufangen, er bezweifelte, ob er das noch einmal schaffen würde.

    Oder ob es überhaupt Sinn haben würde.

    Zehntausend Jahre waren eine lange Zeit, selbst in einem Stasis-Sarg.


    TBC ...
    Geändert von Antares (30.01.2013 um 01:03 Uhr)

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    Der Dschinn (12/13)


    12. Kapitel



    Daniel hatte dem Techniker auf der Prometheus mitgeteilt, dass es drei Personen hochbeamen sollte und der hatte das ohne Nachfrage hingenommen. Drei Doktoren, zwei davon, die der Techniker kannte, da war er gar nicht auf die Idee gekommen, den Befehl in Frage zu stellen. Nach einem nur wenige Sekunden langen Aufenthalt auf der Prometheus wurden sie, nachdem der Transporter neu justiert war, auch gleich weiter in die Antarktis-Station transportiert.

    Als Rodney wieder festen Boden unter den Füßen spürte, ließ er einen tiefen Seufzer der Erleichterung hören. Er bewegte einmal kurz seine Finger, krümmte seinen Zehen, rollte einmal die Schultern – Glück gehabt, alles war da, wo es sein sollte. Der Transportstrahl schien ihn wieder richtig zusammengesetzt zu haben.

    Er schaute sich um. Im ersten Moment war er enttäuscht. Es war so dunkel, dass er kaum etwas erkennen konnte. Eine Antikerbasis hatte er sich irgendwie eindrucksvoller vorgestellt.

    John machte ein paar Schritte in den Raum hinein und die Lichter gingen an.
    Daniel meinte mit einem Kopfnicken: „Genau wie bei Jack.“ Man sah ihm an, dass ihm diese kleine Lichtshow gefiel und beruhigte, zeigte sie doch, dass John zumindest in Teilbereichen die Wahrheit gesagt hatte.

    Rodney folgte dem langsamen Erwachen der Station. Yes, Sir, das war schon etwas anderes! Mehr so, wie er es sich nach Johns Erzählungen vorgestellt hatte. Die Eiswände ließen keinen Zweifel daran, dass sie in der Antarktis waren. Aber dann war da auch noch eine Architektur, die Rodney nie zuvor gesehen hatte. Blau-grüne Säulen, Wände, Raumteiler – wie auch immer man die Dinger nennen wollte. Mit verschlungenen Mustern, geometrisch und doch von einer Leichtigkeit, die einen reizvollen Kontrast zu dem massiven Eis bildete.

    John legte seine Hand an die Wand. Es war nicht dasselbe Gefühl wie in Atlantis. Das hier war alles viel kleiner und viel mehr auf Nützlichkeit ausgerichtet als bei Atlantis. Aber es fühlte sich überwältigend gut an, endlich wieder Antiker-Technologie unter den Fingern zu spüren, die größer als seine Flasche war. Er sog das Gefühl gierig in sich auf.

    Er schritt an den Wänden entlang, blieb vor Konsolen stehen, die er nach jahrtausende währendem Schlaf wieder zum Leben erweckte und hob hier und da einen Gegenstand auf, den er in den Fingern drehte und danach wieder behutsam zur Seite legte. Die Station sah erfreulich gut erhalten aus und er war unendlich erleichtert, dass Anubis’ Truppen sie nicht in Schutt und Asche gelegt hatten.

    Daniel und Rodney folgten ihm und da Daniel nicht wusste, welche Bedeutung diese Antikerbasis für John hatte, war er der erste, der die fast feierliche Stimmung unterbrach: „Und? Was meinen Sie? Ist das etwas, womit Sie arbeiten können? Denn wenn ich mir so die Lightshow ansehe, die Sie hier veranstaltet haben, dann haben Sie mit Sicherheit dieses …“ Er versuchte sich an das Wort zu erinnern, „…Technologie-Gen.“

    John ließ seine Hand über eine Verzierung gleiten, dann wandte er sich Daniel zu. „Die Basis ist noch sehr gut erhalten. Ich denke, wir sollten als erstes eine kleine Inventarliste aufstellen. Dann sehen wir, was verfügbar ist, um dem Colonel zu helfen.“ Natürlich wollte John in Erfahrung bringen, ob es eine Möglichkeit gab, O’Neill zu helfen, er wollte aber auch eine Liste haben, um zu wissen, womit er arbeiten konnte, was seine Rückkehr betraf.

    Inzwischen waren sie vor der Stasiskammer angekommen, in der Jack wie hinter einer Schicht aus dicken Eis in sehr schwachem, leicht bläulichem schimmerndem Licht ruhte. Die Augen geschlossen, die Gesichtszüge entspannt, aber von einer fast spürbaren Aura von Traurigkeit umgeben.

    „Dormata“, flüsterte John.
    Daniel meinte: „Das hat Jack auch gesagt.“ Er biss sich sichtlich auf die Zunge John nicht schon wieder zu fragen, woher er das wusste.
    John sah den Blick und erklärte: „Ich … uh … ich habe ein paar Brocken aufgeschnappt.“
    Daniel schenkte ihm ein Lächeln. „Wunderbar. Ich sehe schon das wird eine sehr lohnende Zusammenarbeit.“

    John legte die Hand auf die Stasiskammer und das Licht wurde heller, zeigte den Mann darin in aller Deutlichkeit.
    So sähe er auch aus. Nur älter. Gebrechlicher. Wenn er überhaupt noch lebte. Er wollte nicht daran denken, dass er nur noch ein Häuflein Staub vorfinden könnte.
    Er zog seine Hand wieder zurück. Er musste gegen das Gefühl der Überwältigung anschlucken. „Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um den Colonel da heraus zu holen. Lasst uns anfangen.“

    Die nächsten Stunden arbeiteten sie konzentriert und verschafften sich einen Überblick über die Station. Daniel stellte Dr. McKay und Dr. Sheppard den anderen Leuten auf dem Stützpunkt vor und somit hatte niemand den geringsten Zweifel, dass sie das Recht hatten, dort zu sein. Dann zeigte ihnen Daniel die provisorischen Schlafgelegenheiten, die sie benutzten, bis die Wohnbaracken einzugsfertig waren.

    Es gab MREs zum Abendessen, aber da Rodney ein Fan davon war, beschwerte er sich nicht, wie John erstaunt feststellte. Das hob er sich für die Matratze auf, die man ihm zugewiesen hatte.

    Den nächsten Tag arbeiteten sie von morgens bis abends durch. Mit Johns Hilfe machten die Übersetzungen der Inschriften und Datenbanken rasante Fortschritte. John schubste Daniel immer in die richtige Richtung, ohne Eins-zu-Eins-Übersetzungen anzubieten. Noch war es zu früh, Daniel gegenüber zu viel von sich zu offenbaren. Er musste den richtigen Augenblick abwarten und seine Karten klug ausspielen.

    Sie erforschten die Station sehr gründlich und John war unendlich erleichtert zu sehen, dass das ZPM, das Jack im Antikerstuhl installiert hatte, um die Drohnen abschießen zu können, noch fast voll geladen war. Eine Last fiel von seinen Schultern – theoretisch gab es damit eine Energiequelle, um die Pegasus Galaxie anzuwählen.

    Jetzt musste er ihnen nur noch einen Grund liefern, das auch zu tun.

    Sie arbeiteten gerade in dem Raum, in dem sich O’Neills Stasiskammer befand, als ein dringender Anruf des Stargate-Centers für Dr. Jackson einging. Dr. Weir brauchte seinen Rat im Cheyenne Mountain.

    „Es ist zu einer gefährlichen Situation gekommen“, erklärte Daniel ihnen anschließend. „Ein paar Goa’uld wollen uns einen Besuch abstatten, offensichtlich, um herauszufinden, was wir mit unserer Wunderwaffe, die sogar jemanden wie Anubis vernichten konnte, sonst noch alles anstellen können und wollen.“ Man sah Daniel an, dass er eigentlich lieber bleiben wollte, als Dr. Weir bei den Verhandlungen zur Seite zu stehen.

    John bemühte sich, seine Frage nicht allzu berechnend klingen zu lassen, aber das war *die* Gelegenheit für ihn anzudeuten, dass er ihnen mit seiner Fähigkeit, die Technik hier zu bedienen, etwas bieten konnte, was das SGC gerne hätten. „Goa’uld? Das klingt nicht gut.“
    Daniel seufzte. „Nein. Ist es auch nicht. Wenn es um die Goa’uld geht …“ Der Satz hing unvollendet in der Luft.

    John sah ihn einen Augenblick lang an, ehe er mit einer Kopfbewegung auf die umgebenden Wände deutete: „Ich wette, die Erbauer dieser Anlage hätten noch ein, zwei Trümpfe in der Hand gehabt, die Sie gegen die Goa’uld gut gebrauchen könnten. Wenn Sie Zugriff auf deren Technik bekommen könnten und ich ihnen dabei behilflich sein könnte …“ Er ließ den Satz mit einem Schulterzucken ausklingen.

    Daniel lächelte flüchtig. „Da haben Sie wahrscheinlich Recht. Sobald ich wieder zurück bin …“ Sein Blick wanderte zu Jacks Stasiskammer.

    John interpretierte den Blick richtig. „Wir passen gut auf den Colonel auf während Sie weg sind“, versicherte John Daniel. „Und sollte es zu irgendeiner Veränderung in seinem Zustand kommen, sind Sie der erste, den wir darüber informieren.“

    „Okay, vielen Dank.“ Daniel trat noch einmal auf die Kammer zu. Er legte die Hand gegen das Glas und starrte mit unendlicher Wehmut auf Jacks Gesicht.

    John machte Rodney ein Zeichen, dass er ihn aus dem Raum begleiten sollte, aber Rodney, der überhaupt nicht verstand, was John wollte, meinte natürlich prompt: „Ich muss das hier noch zu Ende machen. Gleich.“
    John zog Rodney am Ellenbogen weg. „Jetzt“, zischte e ihm leise zu und deutete eine Kopfbewegung in Daniels Richtung an.

    Rodneys Blick ging zu der Stasiskammer und er sah immer noch nicht ein, warum sie gehen sollten, nur weil Daniel davor stand. Das machte er doch täglich mehrmals. Ja, Rodney hatte ihn sogar schon dabei erwischt, wie er leise zu dem Colonel gesprochen hatte. Als ob der durch das Glas hindurch irgendetwas verstehen konnte. Das war technisch gesehen ganz und gar unmöglich.

    „Aveo, Amacuse“.

    Und wieder sprach er mit ihm. Rodney schüttelte den Kopf. Sprachwissenschaftler halt, die hatten es nicht so mit den Gesetzen der Physik. „Was hat er gesagt?“, erkundigte er sich neugierig bei John.

    John war hin und her gerissen. Wenn er es übersetzte, gab er Daniels Geheimnis preis. Wenn er es nicht machte, würde Rodney auch die nächsten Wochen noch wie ein Elefant über die Gefühle von Dr. Jackson hinwegtrampeln. Er entschied sich, ein wenig Aufklärungsarbeit zu leisten.

    „Lebewohl, Geliebter.“ John beobachtete Rodney genau bei diesen Worten.
    Rodneys Augen wurden rund. „Was? Aber, aber … der Colonel?“
    „Yep.“
    Immerhin ließ sich Rodney jetzt widerstandslos in den Flur vor dem Raum ziehen.

    „Deshalb“, meinte Rodney als machte jetzt alles Sinn für ihn, als hätte er alle Fakten zu einem logischen Ganzen zusammen gebracht. Er warf John einen schnellen Blick zu. „Wenn du da drin stecktest würde ich wahrscheinlich auch … Sieht die Kammer, in der du bist, genauso aus?“
    „Ganz ähnlich.“
    „Ich werde mich nicht mehr über Daniels Plaudereien mit jemanden, der ihn nicht hören kann, mokieren“, versprach Rodney ernsthaft.
    „Prima.“ John musste sich ein Lächeln bei so viel Ernsthaftigkeit verbeißen, aber er wollte den guten Ansatz nicht gleich durch Spott wieder gefährden.

    Daniel versprach, so schnell es ging wieder da zu sein, dann hatten Rodney und John die Antikerbasis – sah man mal von den Technikern ab, die zu den Mahlzeiten und zum Schlafen reinkamen – für sich.

    Am nächsten Abend fand John dann endlich einen Hinweis in der Datenbank, wie sich das Wissen seiner Leute wieder aus O’Neills Kopf entfernen ließ. Aber er war Soldat, kein Wissenschaftler, und selbst Rodney brauchte noch einen weiteren Tag, um die Konstruktion des erwähnten Gerätes zu verstehen.

    Doch bevor sie damit tatsächlich etwas anfangen konnten, verschwand O’Neill in einem hell-gleißenden Transporttrahl der Asgard. John war froh, dass er in dem Moment gerade zugegen war, denn sonst hätte er sich wohl Vorwürfe gemacht, nicht besser aufgepasst zu haben. Aber so war er beruhigt. Es sah es ganz so aus, als wäre Major Carters und Teal’cs Plan, die Asgard mit der Rettung des Colonels zu beauftragen, aufgegangen.

    Rodney rief im SGC an und wollte deswegen mit Daniel sprechen, wurde aber mit Dr. Weir verbunden. Er musste erfahren, dass Dr. Jackson ebenfalls durch einen Asgard-Transportstrahl verschwunden war. Über eine mögliche Rückkehr konnte sie ihm nichts sagen.

    Dafür hatte sie eine ganze Menge Fragen zu seiner Anwesenheit in der Antarktisstation und zu einem gewissen Dr. John Sheppard, der ihn als sein … persönliches Protegé begleitet hatte, wie Dr. Jackson es so elegant formuliert hatte. Und über seinen laxen Umgang mit Geheimhaltungsklauseln. Und über das Ausschalten des normalen Dienstwegs bei Einstellungen. Und über das unerlaubte Nutzen des Transporters der Prometheus. Und …

    Glücklicherweise musste sie das Telefonat beenden, bevor Rodney zu einem der Punkte wirklich Stellung beziehen musste. Aber sie ließ ihn mit der drohenden Versicherung zurück, dass sie noch einmal auf darauf zurückkommen würde.

    --------------------------------------------------------
    Rodney hatte wider besseres Wissen gehofft, dass sich hier, am Ende der Welt und Meter unter dem Eis, so schnell niemand blicken lassen würde. Aber nur wenige Tage später wurden mehrere Hubschrauber angekündigt und ein Schwarm von Leuten ergoss sich über den bis dahin sehr ruhigen Antarktis-Stützpunkt.

    Dr. Weir war nicht allein gekommen, sondern brachte ein Team von Wissenschaftlern aller Fachbereiche, eine Militäreskorte und Dr. Jackson mit. Rodney, John und einige Techniker waren zur Begrüßung und die Haupthalle gekommen.

    „Eh, hallo, Dr. Weir“, Rodney trat auf sie zu und schüttelte ihr die Hand. „Uh, seit wann sind Sie nicht mehr blond? Das … äh … sieht gut aus. Ja, Wirklich.“ Rodney wusste, dass Weir ihnen keinen Höflichkeitsbesuch abstattete und er ihr noch einige Antworten schuldig war. Nervös fuchtelte er mit seinen Händen herum. Zwar hatte er mit John an den letzten Abenden besprochen, dass sie sicher mit einigen Wahrheiten herausrücken mussten, aber wie viele und in welcher Reihenfolge hing natürlich auch von der Vorgehensweise der Leiterin des SGC ab.

    Statt Rodneys Frage zu beantworten fragte Dr. Weir als erstes: „Wer von Ihnen ist Dr. Sheppard?“

    „Das bin ich.“ Als John vortrat, gab Dr. Weir den sie begleitenden Soldaten ein Zeichen und verfügte: „Lassen Sie ihn nicht aus den Augen! Und zwei Leute bewachen den Aufzug.“

    „Aber …“ Rodney schaute hektisch von Weir zu John, aber der schüttelte kaum merklich den Kopf. Das mit den Wachen am Aufzug war sowieso nur eine kleine Machtdemonstration, denn wo hätte er wohl mitten in dieser Eiswüste zu Fuß hinflüchten sollen? So lange sie ihm sein Armband ließ, hatte er einen viel effektivern Ausweg.

    Dr. Weir wandte sich jetzt an Rodney und erklärte ihm: „Neuer Job, neue Haarfarbe.“
    „Was? Wieso neuer Job? Was ist …? Wollen Sie sagen, Sie leiten nicht mehr das Stargate Center?“
    „Richtig.“
    „Oh, nein! Sagen nicht Kinsey ist der neue Leiter! Alle, nur nicht der Vizepräsident.“
    „Nicht der Vizepräsident“, versicherte sie ihm und Rodney atmete erleichtert auf.

    Weir befahl ihren Leuten, die Helikopter zu entladen und alle Ausrüstungsgegenstände in die Station zu bringen, dann wandte sie sich wieder an Rodney. „Man hat mir die Leitung dieses Außenpostens übertragen, wie Sie sich inzwischen wahrscheinlich schon denken können. Und das Folgende besprechen wir am besten in privatem Rahmen. Wo können wir reden, Dr. McKay?“

    Rodney wollte John auf gar keinen Fall links und rechts von einem Marine flankiert in der Halle zurücklassen, aber er sah ein, dass ihm nichts anderes übrig blieb. Er begleitete Dr. Weir in einem Raum, wo sie einen großen Tisch und mehrere Whiteboards aufgestellt und ihre bisherigen Forschungsergebnisse ausgebreitet hatten. Er schob ein paar Papiere zur Seite und sie setzten sich.

    Dr. Weir erklärte: „Senator Kinsey ist von Präsident Hayes all seiner Ämter entbunden worden, nachdem er sich in den letzten Tagen, während der Krise mit den Goa’uld, als sehr selbstsüchtiger Mensch erwiesen hat.“
    „Ich kann nicht sagen, dass mir das leid tut“, erklärte Rodney. „Wer leitet das SGC dann?“
    „Brigadier General Jack O’Neill.”
    „Wow.“

    Rodney und John hatten schon von dem geglückten „Auftauen“ des Colonels durch die Asgard erfahren, die Beförderung zum General war allerdings eine Neuigkeit. Eine sehr gute Neuigkeit, wie seine raschen Überlegungen ihm versicherten. Denn Jackson würde den Col… den General schon überzeugen können, dass die Suche nach Atlantis ein sehr lohnenswertes Unternehmen war. Und als Leiter des SGC hatte O’Neills Wort durchaus Gewicht in möglichen Verhandlungen mit den Geldgebern und Entscheidungsträgern. Ja, das war keine schlechte Lösung.

    Rodneys positive Gedanken wurden durch ein tiefes Luftholen Weirs unterbrochen und er wusste, was jetzt kam.

    „Was Dr. Sheppard betrifft, werden wir jetzt Klartext reden. Wir, das heißt General O’Neill und ich, haben ihn durch alle Datenbanken gejagt – und es gibt ihn praktisch nicht. Also, heraus mit der Sprache. Wer ist er? Und was macht er hier? Und dass wir alles andere erfreut über Ihre Eigenmächtigkeiten und eklatanten Pflichtverletzungen sind, brauche ich ja wohl nicht zu erwähnen. “

    Rodney atmete einmal durch, dann meinte er: „Ich denke, das sollten Sie John wirklich selbst erklären lassen.“
    Dr. Weir ließ sich mit der Antwort ein paar Sekunden Zeit, sichtlich um Geduld bemüht, dann nickte sie widerstrebend. „Keine weiteren Spielchen, McKay. Dafür ist die Situation zu ernst. Und Sie wissen, dass Ihre Karriere an einem ganz dünnen Faden hängt.“
    „Ich weiß.“ Rodney schaute sie direkt an. „Aber John hat wirklich Antworten.“
    „Also schön. Aber wenn die nicht zufriedenstellend sind, wird das ein unangenehmes Nachspiel haben“, drohte sie.

    Sie gab den Befehl Dr. Sheppard herzubringen. Eskortiert von zwei Wachen und in Begleitung von Daniel Jackson, betrat er den Raum.

    Weir Augenbrauen gingen nach oben, aber erst nachdem die Wachen den Raum verlassen hatten, wandte sie sich an Daniel. „Dr. Jackson.“ Dann schien sie sich zu erinnern, dass sie auf Vornamenbasis standen, denn sie schob noch ein „Daniel“ nach. „Wollen Sie Ihren Schwierigkeiten noch ein paar hinzufügen?“, erkundigte sie sich ironisch.
    „Nein, ich bin wegen der Antworten hier. Genau wie Sie“, erwiderte Daniel ruhig und zog sich einen Stuhl heran.

    John setzte sich auf den Platz, den Weir ihm zuwies, ihr gegenüber – und ja, ihm entging nicht, dass das hier wohl mehr an ein Verhör als an eine Unterhaltung erinnern sollte.

    „Dr. Sheppard? Oder wie sollen wir Sie nennen? Wie kommt es, dass Sie so gut über diese Station Bescheid wissen? Ja, wieso wissen Sie überhaupt so viel über Antiker und ihre Technologien?“

    John hoffte mal, dass es für ihn von Vorteil war, dass er es jetzt mit Dr. Weir, der Diplomatin und Menschenrechtlerin zu tun hatte. Eine bessere Gelegenheit würde er wohl nicht bekommen – und er hatte ja auch etwas anzubieten.
    Er nickte Dr. Weir, vor allem aber Daniel zu. „Mein Name ist wirklich John Sheppard. Ich kann die Technik auf dieser Station bedienen, weil ich ebenso wie General O’Neill über ein bestimmtes Gen in meiner DNA verfüge.“ Er fasste für Weir das zusammen, was er auch schon Daniel erklärt hatte.

    „Schön, dann gibt es also außer dem General noch jemanden, der den Kontrollstuhl bedienen kann. Das ist gut zu wissen, das ist mir als Antwort aber noch nicht genug. Was haben Sie noch anzuführen, dass mich davon abhalten könnte, Sie umgehend festzunehmen und einer genauen Untersuchung unterziehen zu lassen, bis ich weiß, wer Sie wirklich sind?“

    John würde jetzt volles Risiko spielen. „Ich bin für Sie der Schlüssel, der nach Atlantis führt.“
    „Ist das so?“, fragte sie wenig überzeugt. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
    „Ja.“ John holte tief Luft. Dann sagte er ruhig: „Atlantis liegt nicht in dieser Galaxie, sondern in der Pegasus-Galaxie.“

    „Was?!“ Daniel starrte John an. „Wieso wissen Sie …? Warum …? Oh, mein Gott, es würde Sinn machen.“ Er schlug sich die Hand vor die Stirn. „Ich bin ja so kurzsichtig gewesen! Und da ist auch der Grund, warum wir hier auf der Erde von einer Sackgasse in die nächste gelaufen sind.“ Er sprang auf und ging drei Schritte auf und ab, mehr gab der kleine Konferenzraum nicht her. „Ja, eine andere Galaxie. Das muss es sein. Das macht am meisten Sinn.“
    Dann setzte er sich wieder und meinte zu John. „Außerdem, bisher hat alles, was Sie mir gesagt haben, gestimmt. Und glauben Sie mir, mit ein bisschen Nachdenken bin ich drauf gekommen, dass nicht alle Geistesblitze bezüglich der Übersetzungen von mir stammen.“ Er ließ ein schwaches Lächeln sehen.
    „Ich …“
    Daniel unterbrach John. „Kennen Sie die Gate-Adresse für Atlantis?“

    John schloss für einen Moment die Augen, Weir setzte sich aufrechter hin, Rodney knabberte auf einem Fingernagel und Daniels Finger ballten sich zur Faust und entspannten sich wieder.
    Die Luft war zum Schneiden und obwohl es wirklich nicht warm in dem Raum war, zog Daniel den Reißverschluss seiner Jacke herunter.

    Johns Gedanken rasten. Daniel wäre wahrscheinlich der Einzige, der die Gate-Adresse für Atlantis plötzlich präsentieren konnte, ohne dass andere Leute Verdacht schöpften. Und Dr. Jacksons Worte hatten deutlich gemacht, dass er sie ihm nicht einfach mehr so unterjubeln konnte, wie er das mit Teilen der Übersetzung gemacht hatte.
    „Ja, ich kenne die genaue Adresse.“ John nahm ein Stück Papier und zeichnete die acht Symbole auf.
    „Acht Zeichen?“ Daniel starrte fasziniert auf das Papier und man sah richtig, wie es in seinem Kopf ratterte. „Das achte Zeichen ist für die andere Galaxie?“
    „Genau. Die Pegasus-Galaxie.“
    „Wahnsinn! Wieso bin ich nicht selber darauf gekommen?“
    „Vielleicht, weil Sie dachten, der Mythos von Atlantis gehört in diese Galaxie?“, schlug John vor.
    „Vielleicht.“ Daniel strahlte über das ganze Gesicht und fuhr mit seinem Finger träumerisch die Zeichen auf dem Blatt nach.

    Dr. Weir wandte sich an den Archäologen. „Ihrer Reaktion darf ich entnehmen, dass Sie diese Gate-Adresse tatsächlich für die von Atlantis halten?“
    Daniel blickte von dem Zettel auf. „Ja, das tue ich.“
    „Dann bleibt ja *nur* noch zu klären, woher Sie das wissen, Mr. Sheppard.“ Dr. Weir schaute wieder John an.

    „Das ist eine lange Geschichte …“ John machte klar, dass alles, was er ihnen jetzt mitteilte, nur für einen ganz kleinen Kreis von Leuten bestimmt war. Es würde nicht an die Presse gehen und er würde sich auch nicht als Versuchskaninchen hergeben. Er würde ihnen für einen Teil der Sachen, die erzählte, Beweise liefern können, für einen anderen Teil, mussten sie sich mit seinem Wort zufrieden geben. Daniel nickte ohne nachzudenken, Dr. Weir rang sich eine halbherzige Zustimmung ab.

    Das musste John genügen und so begann er seine Geschichte. Er fing bei den Antikern, die aus der Pegasus-Galaxie auf die Erde gekommen waren an, verschwieg aber, dass er die Reise als Gefangener in einer Flasche angetreten hatte. Und so fuhr er fort: einen Teil der Wahrheit enthüllte er, etliche Dinge, die er Rodney anvertraut hatte, behielt er jetzt jedoch für sich.

    Nach etlichen Zwischenfragen beendete er seine Ausführungen eine Stunde später, indem er sagte: „Sie sehen, ich kenne die Stadt also. Mit mir haben Sie viel bessere Chancen auf Sachen wie Waffen, Energiequellen und sonstige Dinge, die Ihnen im Kampf gegen die Goa’uld von Nutzen sein können, zu stoßen. Ich kann Ihnen Monate, nein vielleicht sogar Jahre wertvoller Zeit ersparen.“ John hatte keine Ahnung, ob es das alles in Atlantis noch gab. Aber wenn nicht, dann würden sie das erst herausfinden, wenn es schon zu spät war, wenn er in seiner Heimatgalaxie war. Und nicht alles war ja gelogen. Sein Wissen um die Pegasus-Galaxie, ihre Gefahren und Gepflogenheiten, würde ihnen in der Tat einen enormen Vorteil verschaffen.

    Als Letztes deutete John noch an, dass er die Verteidigungsanlagen der Stadt kannte, sie aber nicht offenbaren würde, weil er dies seine Rückversicherung war, dass ihn niemand hintergehen würde. Irgendwie gelange es ihm, das weniger wie eine Drohung, sondern mehr wie einen Punkt auf seiner Habenseite klingen zu lassen.

    Für einen Moment herrschte nachdenkliche Stille. Rodney beobachtete genau die Reaktionen von Daniel und Dr. Weir auf diese Enthüllungen und sah, dass John dasselbe tat.

    Nun, Daniel war nicht schwer zu lesen, er war Feuer und Flamme, hätte wohl am liebsten John sofort mit Fragen gelöchert. Aber er schien nicht einen Moment in Zweifel zu ziehen, dass alles, was John gesagt hatte, auch stimmte.

    Und nach einigen Blicken auf Dr. Jackson war wohl auch Dr. Weir zu einer Entscheidung gelangt. Sie entschuldigte sich, weil sie kurz mit General O’Neill Rücksprache nehmen wollte und verließ den Raum.

    Als sie zurückkam, sagte sie zu John: „General O’Neill wird in Kürze noch persönlich vorbeikommen, um Sie ‚in Augenschein’ zu nehmen, wie er sich ausgedrückt hat. Fürs Erste ist er aber einverstanden, dass Sie hier bleiben können. Wir wollen auf ihr Wissen bei der Erforschung der Station nicht verzichten. Und da Sie irgendeine Berufsbezeichnung brauchen – Sie wissen ja sicher auch, wie Verwaltungen funktionieren – werden Sie als persönlicher Assistent des wissenschaftlichen Leiters der Station geführt werden.“

    „Wissenschaftlicher Leiter?“ John runzelte die Stirn.

    Elizabeth lächelte: „Der wissenschaftliche Leiter der brandneuen Atlantis-Expedition, Dr. Dr. Rodney McKay. Glückwunsch, Rodney. Sie haben diese Beförderung einzig und allein der Tatsache zu verdanken, dass Sie Kanadier und Zivilist sind, aber weiß Gott nicht Ihrer unorthodoxen Vorgehensweise, was die Einbeziehung von Antikern in unser Forschungsprogramm betrifft. Nur damit wir uns klar verstehen. Solche Eigenmächtigkeiten werde ich nicht mehr dulden.“

    Rodney, der seine Karriere schon hatte den Bach runter gehen sehen, machte diese Eröffnung im ersten Moment sprachlos.

    Erst als Daniel ihn neckte und sagte: „Jack will bestimmt sicher gehen, dass Sie sich so einen Stunt nie wieder erlauben, so lange er Leiter des SGC ist und deshalb schickt er Sie in die Antarktis“, wachte er langsam aus seiner Trance auf.

    „Pah!“ Er war aber viel zu gut gelaunt, die Aussichten war viel zu überwältigend, als dass er Daniel mit seinem üblichen Sarkasmus bedachte.

    ----------------------------------------------------------
    Dr. Weir beraumte ein gemeinsames Treffen des ganzen Personals für den Abend an. Dort hielt sie eine kleine Ansprache, lobte die bisherige Arbeit des Technik-Corps und von Dr. McKay und seinem Assistenten und stellte die Neuankömmlinge kurz vor. Es ergaben sich schon erste Fachgespräche, erste Abneigungen und spontanes Verstehen wurde deutlich, wie es bei so einer gemischten Truppe nicht anders zu erwarten war.

    ------------------------------------------------------------------
    Für Rodney und John war es seltsam, so viel Leben in der Station zu haben, selbst wenn es bedeutete, jetzt eine Küche mit Personal zu haben und nicht mehr auf MREs angewiesen zu sein. Aber den Geräuschpegel und die Unruhe waren sie nicht mehr gewöhnt und so zogen sie sich am Abend gerne in ihr gemeinsames Quartier in einer der Baracken auf der Oberfläche zurück, die mit der Ankunft von Dr. Weir eingeweiht worden waren.

    Gerade für John war es dringend nötig einen unbeobachteten Rückzugsplatz zu haben, denn blauen Rauch wollten sie niemandem erklären müssen. Von diesem Aspekt hatten sie niemandem erzählt.

    Aber auch Rodney, dem seine neue Stellung als wissenschaftlicher Leiter der Station ausgesprochen gut gefiel, hatte in wenigen Tagen schon gelernt, dass er in dieser Position auch der Ansprechpartner für Probleme und Problemchen war. Nun, wenigstens die Sache mit der Lösung der Problemchen hatte er wohl wirksam an Dr.Grodin delegiert – hoffte er zumindest. Mit wissenschaftlichen Problemen konnte er besser umgehen.

    „Und, Dr. McKay, wie fühlt man sich denn als der Herr über so viele Wasserträger?“, lachte John, nachdem sie die Tür des Quartiers hinter sich geschlossen hatten.
    „Wasserträger ist ein sehr guter Ausdruck, denn zu viel mehr sind einige von ihnen sicher nicht zu gebrauchen“, schimpfte Rodney und ließ seine Fleecejacke nachlässig aufs Bett fallen.
    John trat auf ihn zu und zog ihn in seine Arme: „Aber sie wollen dasselbe wie wir, deshalb sollten wir freundlich zu ihnen sein.“

    Rodney knuffte John in die Seite: „Sehr subtil, aber keine Sorge, ich weiß mich zu benehmen. Ich werde ihnen keinen Vorwand liefern, mich aus dem Programm zu schmeißen.“
    „Gut zu hören.“ John wollte ihn küssen, aber Rodney hielt ihn zurück.
    „Wirklich, John. Ich weiß, was auf dem Spiel steht. Ich werde meine Zunge im Zaum halten, aber ich werde keine Inkompetenz dulden.“
    „Ich habe vollstes Vertrauen in dich.“ Jetzt bemächtigte sich John Rodneys Lippen und noch während des Kusses ließen sie sich – vorsichtig, damit nichts zusammenkrachte – nach hinten auf die schmale Pritsche fallen, die den hochtrabenden Namen „Bett“ trug…

    -------------------------------------
    In der nächsten Woche erreichte weiteres Personal die Basis. Wissenschaftler, mögliche Kandidaten für eine Atlantis-Mission, und ein Militärkontingent unter der Leitung eines gewissen Colonel Sumner. Es dauerte keine fünf Minuten, bis die gegenseitige Abneigung zwischen Sumner und John für jeden ersichtlich war, aber immerhin noch fünf Stunden, ehe sie tatsächlich aneinander gerieten.

    Schnell stellte sich heraus, dass General O’Neill wohl in einem Nebensatz erwähnt hatte, dass Sheppard zwar der Schlüssel für die Expedition nach Atlantis war, im gleichen Atemzug Sumner aber auch angewiesen hatte, ein Auge auf ihn zu haben.

    „Wenn es nach mir ginge, würden Sie hier keinen Schritt unbeaufsichtigt tun“, knirschte Sumner. „Und nach Atlantis nähme ich Sie schon mal gar nicht mit.“
    „Wie schade, dass es in diesem Fall nicht nach Ihnen geht.“ Johns Stimme troff vor Sarkasmus.
    Was Sumner noch wütender machte. Seine Kiefer mahlten und seine Zähne knirschten gegeneinander. „Vergessen Sie nie, wer hier die Befehle gibt!“
    John sah ihn einen Augenblick lang an. „Dr. Weir, würde ich sagen“, entgegnete er dann mit aufreizender Ruhe.
    Colonel Sumner stürmte zornig davon.
    John lächelte dünn. Betonköpfe gab es wohl in jeder Armee.

    Am Abend erzählte John Rodney davon.

    „Mach dir keine Sorgen. Wenn alle Stricke reißen, nehme ich deine Flasche als meinen persönlichen Gegenstand mit. Sollen sie doch denken was sie wollen.“
    „Das ist sehr nett von dir, Rodney. Aber ich hoffe sehr, dass das nicht nötig werden wird.“

    Drei Tage später war die Situation nicht besser geworden, im Gegenteil. Die Abneigung war ständig spürbar und es sah fast so aus, als sollte es nicht das Problem sein, grünes Licht für die Atlantis-Expedition zu bekommen, sondern dass John Mitglied dieser Expedition wäre.
    Sumner machte kein Hehl aus seiner Antipathie. Und die Art, in der er süffisant durchblicken ließ, dass John als McKays ‚persönlicher’ Assistent eine Unterkunft mit Rodney teilte, sprach für sich selbst – und es begann auf andere Leute abzufärben. Homophobie mischte sich mit Unmut über mögliche Vetternwirtschaft und manche begannen, ermutigt von der offen zur Schau gestellten Abneigung des Militärkommandanten der Expedition, John das spüren zu lassen.

    -------------------------------------------
    Ein paar Tage später war Rodney es leid. Absolut leid. Das ewige Misstrauen, das Getuschel, die Bildung von Fraktionen innerhalb des Personals, so konnte das nicht weiter gehen. Klärung musste her.

    Als Daniel, der wieder kurz in den Cheyenne Mountain abberufen worden war, das nächste Mal in der Antarktis landete, marschierte Rodney mit John im Schlepptau am Abend in dessen Quartier.

    „Daniel, es ist jetzt Zeit, so zu tun, als hätte Sie die Gate-Adresse entschlüsselt. Sie müssen in den nächsten Tagen bekannt geben, dass Sie wissen, wo Atlantis zu finden ist“, erklärte er ohne Umschweife, nachdem er Platz genommen hatte. „In den letzten Wochen haben wir so viele neue Entdeckungen gemacht, dass es nicht mehr unglaubwürdig klingt, wenn Sie die Adresse jetzt präsentieren. Ich will, dass sich die Leute in ihrer freien Zeit mit etwas anderem als John beschäftigen.“

    Daniel nickte. „Ja, das sehe ich genauso. Colonel Sumner hat angefangen auch Colonel Caldwell und Colonel Elliot, zwei Freunde von ihm, in die Sache hereinzuziehen und Druck auf Jack auszuüben. Das ist einer der Gründe warum ich hier bin, ich wollte wissen, wie weit Sie sind.“
    „Fertig“, erklärte Rodney kurz und bündig. „Alles untersucht.“
    „So fertig wie man sein kann, nach nur drei Wochen“, schränkte John ein.
    „Fertig“, wiederholte Rodney noch einmal entschieden und John grinste.
    „Gut, laden wir Jack hierher ein, damit er sich selbst ein Bild machen und grünes Licht für die Atlantis-Expedition geben kann.“ Daniel hörte sich sehr zuversichtlich an, und klang als ob es nur noch eine pro forma Sache war.

    John hoffte, dass Dr. Jacksons Optimismus gerechtfertigt war.

    Zwei Tage später wurde der Helikopter von General O’Neill angekündigt, gerade als Dr.Beckett im Stuhl saß und von Rodney gezwungen wurde, sich zu konzentrieren.
    Der schottische Doktor jammerte und zeterte, schloss dann aber die Augen und … aktivierte ausgerechnet die Drohne, an der Dr. Grodin gerade arbeitete! Die Drohne schoss aus der Station heraus und hielt direkten Kurs auf den Hubschrauber des Generals.

    „Was habe ich nur gemacht?“, rief Dr. Beckett hektisch. „Ich habe gleich gesagt, dass ich nicht der Richtige bin!“
    „Das spielt jetzt keine Rolle!“, blaffte Rodney zurück. „Tun Sie etwas!“
    „Was denn?“ Die Panik war Dr. Beckett anzuhören.

    Dr. Weir und Daniel kamen angerannt und konnten über die Funkverbindung mit dem Helikopter des Generals mitbekommen, wie sich die Lage zuspitzte.
    Dr. Beckett war nicht fähig, die Drohne zu deaktivieren und der Pilot, mit dem O’Neill unterwegs war, hatte nicht das fliegerische Können und die jahrelange Erfahrung, die nötig gewesen wäre, um der Drohne auszuweichen.
    Nachdem sie fast gestreift worden wären, nur O’Neills beherztes Runterdrücken des Steuerknüppels hatte noch einmal Schlimmeres verhindert, brüllte der General ins Mikrophon seines Helms: „Verdammt noch mal, tut irgendetwas! Noch einmal kommen wir nicht davon!“

    Daniel fuhr zu Elisabeth herum. „Sheppard! Rufen Sie Sheppard!“ Sein Gesicht hatte alle Farbe verloren. „Er muss in den Stuhl!“ Elizabeth nickte knapp und wollte gerade kehrt machen, als John schon durch die Tür eilte.
    Daniel stürzte auf ihn zu und packte ihn am Arm. „Bitte, John, unternehmen Sie etwas. Ich kann … “ Seine Stimme brach. Leise und nur für John hörbar flüsterte er: „Ich kann ihn nicht verlieren, nicht so. Nicht so … sinnlos.“

    John zögerte keine Sekunde. Schon streckte er Dr. Beckett eine Hand entgegen, um ihn aus dem Stuhl zu ziehen. Er ließ sich in den Stuhl fallen und sofort hatten seine Gedanken die Drohne aufgespürt. Es war ein Kinderspiel, mit der Antiker-Technik in Kontakt zu treten. Er lenkte die Drohne ohne Mühe von dem Hubschrauber weg, deaktivierte sie und ließ sie wieder zur Basis zurückkehren. Sanft setzte er sie auf dem Gestell auf, von wo sie vor ein paar Minuten direkt vor Dr. Grodins Nase gestartet war.

    Ein kollektiver Seufzer der Erleichterung ging durch die ganze Station. Viele Leute warfen John einen dankbaren und anerkennenden Blick zu. Für einen Moment waren ihre Ressentiments in den Hintergrund getreten.

    Zehn Minuten später war der General sicher gelandet und betrat zusammen mit Daniel den ‚Konferenzraum’, in den Dr. Weir alle beordert hatte.
    Nach den Begrüßungsfloskeln sagte Dr. Weir: „General, wir brauchen ihn.“
    „Tut mir leid, Doc. Ich brauche Daniel hier“, erwiderte O’Neill ohne Zögern.
    „Ich spreche über Dr. Sheppard“, stellte sie klar.
    „Oh. Okay. Wenn Sie ihn wollen, fragen Sie ihn.“ O’Neill warf ihr ein spitzbübisches Grinsen zu.
    „Dr. Sheppard?“ Sie wandte sich an John.

    „Sehr gerne“, sagte er schlicht und verbarg seine absolute Erleichterung, hinter einer undurchdringlichen Miene. In seinem Innern jubelte und sang es jedoch so, dass er Mühe hatte zu verstehen, was sonst noch beschlossen wurde. Aber das machte nichts, das könnte ihm Rodney auch am Abend noch erklären. Wichtig war erst nur einmal, dass er dabei war. Er würde mit nach Atlantis gehen, da konnte Sumner machen, was er wollte!

    Daniel präsentierte schließlich das achte Chevron, mit dem die Pegasus-Galaxie angewählt werden konnte, und gemeinsam beschwatzten sie den General für den Anwählvorgang das ZPM bereitzustellen, indem sie ihn mehr davon in der Pegasus-Galaxie versprachen.
    „Und wer weiß, was wir sonst noch alles finden können, Jack“, zeigte Daniel seine ganze Begeisterung. „Das ist nicht einfach nur eine neue Zivilisation. Wir sprechen hier über die Konstrukteure der Stargates.“

    Da sich niemand davon abschrecken ließ, dass es bei dem riesigen Energiebedarf selbst mit dem ZPM eine Reise ohne garantierte Rückkehr war, stimmte Jack im Endeffekt zu und die Atlantis-Mission war endgültig und offiziell eine beschlossene Sache.

    -----------------------------------------------------------------------
    Ende August war es dann so weit. Rodney hatte die ganze Wissenschaftsabteilung mit lauter Änderungen in letzter Sekunde verrückt gemacht, sein Apartment verschlossen und Faraday schweren Herzens an seine Nachbarin gegeben.

    John und Colonel Sumner konnten sich immer noch nicht ausstehen, aber der Colonel war klug genug einzusehen, dass Sheppard mit Weir und O’Neill zwei mächtige Verbündete hatte. Er beschränkte seine Antipathie auf Sticheleien, aber da Sheppard offiziell McKay unterstand, konnten sich die beiden gut aus dem Weg gehen.
    Vielleicht hatte auch O’Neill noch einmal ein Wörtchen mit Sumner geredet und ihn zur Ordnung gerufen, John wusste es nicht. Tatsache war, er war bei dem Gang durchs Sternentor dabei und das war alles, was zählte.

    Dr. Weir hielt im Gateraum des SGC noch eine kurze Rede, ehe sie sich aufmachten, die Stadt, die zehntausend Jahre im Schlaf gelegen hatte, wieder in Besitz zu nehmen.

    „Chevron sieben aktiviert.“

    Sergeant Harrimans Stimme klang wie aus weiter Ferne an Johns Ohren. John war wie betäubt von der Aussicht, dass seine Suche nach all den Jahrtausenden doch noch ein Ende finden sollte. Was würden sie vorfinden? Er erinnerte sich an ein Atlantis voller Leben. An eine Stadt im Kriegszustand, die aber immer noch von Stimmen und Geschäftigkeit erfüllt war. So hatte er sie zum letzten Mal gesehen. Jetzt lag die Stadt im Schlaf. Niemand würde dort sein. Nicht seine Freunde, nicht seine Kameraden – nicht seine Ankläger. Und hoffentlich auch keine Wraith.

    Das achte Chevron rastete ein.

    Der Ereignishorizont schwappte blau in den Gateraum hinein und füllte dann den Ring wabernd und wie Wasser schimmernd aus.

    Das M.A.L.P. ratterte die Rampe hoch und durchquerte das Tor.

    John wagte kaum zu atmen. Er stand neben Rodney und starrte auf den immer noch schwarzen Bildschirm. Dann, endlich …

    „Wir haben Telemetriesignale“, verkündete Rodney. „Auf den ersten Blick schient alles intakt zu sein.“ Er warf John einen kurzen, begeisterten Blick zu. „Die Sensoren zeigen Sauerstoff an, keine messbaren Giftstoffe. Luft ist atembar. Sieht so aus, als kämen wir aus der Sache nicht mehr heraus.“

    Und erst jetzt konnte John wieder atmen. Rodney drückte seinen Arm und er strahlte zurück, unfähig ein Wort zu äußern.






    (Credits: einige Dialog-Zeilen stammen aus „Rising I“.)


    TBC ...

  11. #28
    SGP-Schlafmütze Avatar von feles
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    Oh je, ich habe eine Gänsehaut! Wie willst Du denn mit nur noch einem Kapitel auskommen??
    Das war eine echt tolle Lösung um im Canon zu bleiben (ist das richtig ausgedrück?): John lenkt die Drohne ab, liefert Daniel alle nötigen Informationen, die er dann nur noch präsentieren muss und Summner nervt auch. Und dass Weir für den neuen Job die Haarfarbe wechselt war ein grandioser Einfall!
    Aber solche scheinbaren Nebensächlichkeiten machen eine gute Geschichte, die in sich stimmig ist, ja schließlich aus.
    Ich finde es großartig!
    Ronon: Your planet's weird.
    Sheppard: You can say that again.

  12. #29
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
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    Das waren echt wieder super tolle Kapitel! Und er Spoiler erst ...
    Gott sei Dank konnten John und Rodney Daniel überzeugen, sie mitzunehmen.
    Oh man, da muss ich feles recht geben, wie willst du alles in einem einzelnen Kapitel zu Ende bringen???
    John kann endlich nach Hause, wird ja auch Zeit. Ich bin sehr gespannt wie es weitergeht, bzw. wie die die FF leider zu Ende geht. Ich habe Col. Sumner noch nie gemocht. Ich möchte so viel Feedback schreiben, aber da ich beide Kapitel auf einmal gelesen habe, finde ich nicht den richtigen Anfang. Viel zu viel tolles, faszinierendes, spannendes gab es da zu lesen. Einfach toll waren sie!!!

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  13. #30
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    @feles: Du wirst sehen, ein Kapitel plus Epilog reicht, um alles zum Abschluss zu bringen. Schließlich sind sie ja jetzt nur noch einen Schritt durch das Gate von Atlantis entfernt. *g*
    Es freut mich sehr, dass dir auch all die Kleinigkeiten gefallen und bedanke mich ganz herzlich für dein großes Lob! Danke sehr!


    @John's Chaya: Ja, glücklicherweise hat Daniel ein weiches Herz - und so war er wohl gerade der Richtige, den sie bequatschen konnte, John mitzunehmen. *g* Freut mich, dass auch der Text im Spoiler deine Zustimmung fand. *bg*
    Gut, wenn du noch nie so ganz viel für Sumner übrig hattest - denn es nimmt ja in der Serie kein gutes Ende mit ihm.
    Freut mich, dass es dir immer noch so gut gefällt! Vielen lieben Dank für dein tolles Feedback!

    ----------------------------------

    Jetzt kommt tatsächlich schon/erst das letzte Kapitel plus Epilog, dann sind alle da, wo sie laut Serie auch hingehören. *g*


    Der Dschinn 13/13


    Kapitel 13




    Atlantis.

    Er hatte es geschafft. Nein, sie hatten es geschafft. Denn John war sich bewusst, dass er ohne Rodney und wahrscheinlich auch ohne Daniel jetzt nicht die große Treppe von Atlantis hinaufginge.

    Die Stadt, die zehntausend Jahre im Schlaf gelegen hatte, erwachte wieder zum Leben. John spürte in jeder Faser seines Körpers, in jeder Zelle seines Gehirns, dass sie nicht tot war sondern auf sie gewartet hatte. Tiefe Dankbarkeit erfüllte ihn, dass er dies allen noch einmal sehen, noch einmal fühlen durfte. Es war betrübt, dass keiner seiner Leute mehr hier war, aber besser eine vergessene Stadt auf dem Boden des Meeres, als dass sie in der Zwischenzeit den Wraith in die Hände gefallen wäre.

    Rodney und seine wissenschaftlichen Mitarbeiter wuselten um die zentrale Steuereinheit herum, das Militär war überall hin ausgeschwärmt, um die Lage zu sondieren. Von zentraler Wichtigkeit war es jetzt erst einmal die wenige, verbliebene Energie der Schutzschilde zu schonen und Atlantis auftauchen zu lassen.

    Es war, als ob Atlantis seinen Gedanken gespürt hätte, denn plötzlich ging ein Ruck durch die ganze Stadt, es knirschte und ächzte, als ob die Türme und Fundamente auseinander brechen würden. Aber die Schilde hielten und langsam, ganz langsam und mit majestätischer Ruhe stieg Atlantis empor, bis sie auf der Meeresoberfläche schwamm.

    Offenbar funktionierte das Notfallprogramm zum Auftauchen noch immer einwandfrei. Das ließ für die Energieversorgung der Stasiskammern hoffen. John rannte auf den Balkon hinaus und im hellen Sonnenlicht funkelten und glitzerten die Sturzbäche von Wasser die von allen Türmen und Pfeilern herunter flossen, tropften und rannen.
    Es war atemberaubend.
    Atemberaubend schön.
    John drückte Rodney an sich, der neben ihm stand und im ersten Moment nicht einmal versuchte dem Wasser auszuweichen, das ihm in den Kragen rann, so war er von dem Moment in den Bann geschlagen.

    Das änderte sich nach wenigen Minuten aber wieder. Rodney meckerte: „Jetzt bin ich bis auf die Knochen durchnässt. Das ist ja ein toller Anfang für meinen Aufenthalt in der neuen Galaxie.“ Er zupfte an seinem feuchten T-shirt, das auf seiner Brust klebte.

    John hielt ihm lachend den Mund zu und meinte nur: „Dank des nassen Auftauchens und der Entlastung der Schilde hast du aber noch genügend … Saft in den ZPMs übrig, um später noch ein paar Spielereien mit Langstreckensensoren und dem einen oder anderen Puddlejumper auszuprobieren.“

    „Puddlejumper?“ Rodney schaute ihn perplex an.

    „Na ja, offiziell heißen sie Sternentorgleiter – aber niemand hat die kleinen Raumschiffe jemals so genannt. Und wenn du den kleinen Hüpfer siehst, wirst du mir zustimmen.“ John grinste.

    Rodney strahlte und war einen Moment abgelenkt von der wundervollen Aussicht, so ein kleines Schiff fliegen zu können, ehe er erneut grummelte: „Das ist alles gut und schön, aber nass bin ich trotzdem.“

    „Dann lass uns jetzt ein Quartier aussuchen und du kannst dich umziehen, ehe du dir eine Erkältung holst.“ John wusste ganz genau, wo er hinwollte. Nicht in sein altes Quartier, dazu fühlte er sich jetzt noch nicht bereit. Das wäre noch mit zu vielen Erinnerungen verbunden, denen er sich noch stellen musste. Aber nicht jetzt, dazu war noch Zeit, wenn er wusste, ob er überhaupt … überleben würde.

    Nein, nicht sein Quartier, aber die schönen, lichtdurchfluteten Privaträume der Militärkommandantin waren genau das Richtige. Dort gab es eine Kommandokonsole mit Zugang zu allen zentralen Systemen. Ein Blick würde ihm zeigen, ob die Stasiskammern noch in Betrieb und zugänglich waren. Eine Fehlfunktion dort … Nein, es würde keine Fehlfunktion geben. Er strich seine schwitzigen Finger an seiner Hose ab.

    Rodney würde das großzügige Bad mit der Rundbadewanne lieben und der Ausblick vom Balkon war wunderschön. Die Räume lagen ganz in der Nähe eines Transporters und doch so weit außen, dass der Balkon ausgesprochen viel Privatsphäre bot. John wandte sich zum Gehen.

    „Ich bin mir nicht sicher, ob ich diese nicht einmal mit rudimentärem Halbwissen ausgestatteten ‚Wissenschaftler’ wirklich ohne Beaufsichtigung auf Atlantis’ Technik loslassen kann“, riss Rodney ihn aus seinen Gedanken.

    „Wenn du hustend im Bett liegst, wirst du in den nächsten Tagen gar nichts machen können und muss ihnen alles überlassen“, beschied ihm John. „Also komm.“

    Sie holten ihre Rucksäcke und John führte Rodney zu den Räumen, die er ausgesucht hatte. Als Rodney schon von der Tür aus verkündete: „Nehmen wir“, wusste er, dass er die richtige Wahl getroffen hatte.

    Keine zehn Minuten später war Rodney umgezogen und trat mit flauem Gefühl im Magen neben John, der an der Kontrollkonsole stand. „Und?“

    John rief diverse Schaubilder und Tabellen auf. „Nichts. Von dieser Konsole kann ich keinen Zugriff auf die Aufzeichnungen der Stasiskammern bekommen.“

    „Vielleicht ist … sind die Leitung irgendwo unterbrochen. Oder korrodiert. Das wäre bei dem ganzen Salzwasser ja gut möglich.“ Rodney räusperte sich. „Wahrscheinlich ist das nur eine Frage der Materialermüdung.“

    John starrte auf die Konsole.

    Und genau das war der Grund, warum Rodney es nicht so eilig hatte, zu den Stasiskammern zu gelangen. Denn er ahnte, was es für John bedeuten würde, wenn es sich herausstellen würde, dass sie zu spät waren. Er wollte nicht in Johns Augen schauen müssen, wenn die Hoffnung erlosch, falls der Körper die ganzen Jahre nicht überstanden hatte und sie nur noch einen leblosen, vielleicht ausgetrockneten, verschrumpelten oder zu Staub verfallenen Körper vorfinden würden.

    Jetzt war noch alles möglich. Das Fehlen der Daten musste nichts besagen. Rodney hätte nie vermutet, dass er die Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik mal so hautnah erleben würde. Aber Johns Körper war wie Schrödingers Katze. Er konnte tot sein, oder er konnte noch leben. Genau wusste man es erst, wenn man die Kiste öffnete und nachschaute. Und wenn es nach ihm ginge, könnten sie den Moment des Aufmachens, den Moment der Gewissheit, ruhig noch ein bisschen nach hinten schieben.

    John legte ihm einen Hand auf die Schulter: „Woran denkst du?“
    „Schrödingers Katze“, platzte Rodney heraus.

    Es sprach dafür, dass sie wohl auf der gleichen Wellenlänge unterwegs waren, wenn John nur einen Moment des Augenbrauenhochziehens brauchte, um dann zu sagen: „Sie kann nicht tot sein. Das wäre einfach … Sie ist schließlich eine Katze mit neun Leben“, fügte er mit einem kleinem hoffnungslosen Schulterzucken hinzu, das deutlich machte, das er durchaus auch die andere Möglichkeit in Betracht gezogen hatte.

    Rodney schlang einen Arm um John. „Faraday hat auch einmal einen Sturz aus dem zweiten Stock überlebt.“
    „Na siehst, du. Damit spricht die Statistik doch für mich.“ John hauchte einen Kuss auf Rodneys Lippen.
    „Du bist so ein Idiot, Sheppard“, beschwerte sich Rodney, küsste aber zurück.

    Nach einer Weile meinte er: „Wann wollen wir es angehen?“
    John entschied: „Du gehst noch einmal zurück und schaust, dass alle das tun, was sie tun sollen. Ich sehe zwischenzeitlich nach, ob der übliche Weg zu den Kammern noch passierbar ist. Sobald ich mehr weiß, rufe ich dich an.“
    „Meinst du nicht, ich sollte lieber mitgehen?“
    „Nein.“ Entschieden schüttelte John den Kopf. Wenn er tot war, wenn es nichts mehr gab, was wiederbelebt werden konnte, dann wollte er Rodney den Anblick ersparen.
    „Aber …“
    „Nein.“

    Man sah Rodney an, dass er mit der Antwort nicht glücklich war, aber er nickte. „Okay.“ Er machte zwei Schritte zur Tür, blieb dann stehen, drehte sich zu John um und meinte: „Es … macht mir nichts aus, wenn du … so bleiben musst, wie du jetzt bist. Nur damit du es weißt. Ich … ich …“, er gab sich sichtlich einen Ruck. „Ich liebe dich und nicht die Tatsache, ob du aus Naniten bestehst oder mit auf Kohlenstoff basiertem Stoffwechsel funktionierst.“

    Das war die seltsamste Liebeserklärung, die John je bekommen hatte, aber die Worte waren so sehr Rodney, dass sie ihn dennoch voll ins Herz trafen. Und Rodney hatte es gewagt „ich liebe dich“ zu sagen, und es war ganz egal in welchen Zusammenhang er die Worte gesetzt hatte. Das war mehr als er bisher zustande gebracht hatte. Das machte ihn … verlegen. Das wiederum machte ihn wütend auf sich selbst und so stieß er in gepresstem Tonfall hervor: „Ich liebe dich auch.“

    Das begeisterte Aufleuchten von Rodneys Augen machte die momentane Verlegenheit mehr als wett.
    „Ich … ich gehe jetzt lieber“, meinte Rodney mit einer Handbewegung zur Tür hinaus. „Sonst … sonst bekommt keiner heute mehr etwas getan“, fügte er noch mit einem schiefen Grinsen hinzu. „Ich sehe dich später.“
    „Du hörst von mir.“

    Es dauerte mehr als drei Stunden, ehe er von John hörte. Und wäre die Technik in Atlantis nicht so neu und aufregend und überwältigend gewesen, und hätte sie ihn nicht voll in ihren Bann gezogen, so hätte er seine Mitarbeiter wohl zur Weißglut getrieben. Aber auch jetzt hatten sie nichts dagegen, als sie Dr. Sheppards Stimme hörten, die Rodney ruhig bat, ihn im Jumperhangar zu treffen, weil er ihm etwas zeigen wollte.

    Der Transporter konnte ihn kaum schnell genug in den Hangar bringen, wo John nur meinte: „Komm!“ und ihn sofort wieder in einen Transporter zog.
    Sie wiederholten das Spielchen noch zwei weitere Male, denn John wollte absolut sicher sein, dass ihnen niemand folgte. Er wollte niemanden dabei haben, dem er nicht hunderprozentig vertrauen konnte. Und das war bislang nur Rodney.

    Und falls das Experiment schief lief, wollte er nicht, dass irgendjemand Rodney dafür verantwortlich machen konnte. Deshalb war es besser, wenn niemand wusste, wo sie hingingen und was sie vorhatten.

    Nachdem sie den zweiten Transporter verlassen hatten, lief John noch einen langen Gang entlang. Sie waren jetzt in einem Teil der Stadt, der unter der Wasseroberfläche lag, denn vor den Fenstern sahen sie Fische vorbeischwimmen und das gefilterte Sonnenlicht spielte mit wechselnden Mustern auf dem Fußboden.

    John bog um mehrere Ecken, stieg eine Treppe und herunter und betrat zum Schluss mit Rodney einen Raum, der bis auf eine Konsole, einen großen Tisch und mehrere Stasiskammern leer war.

    In dem Halbdunkel konnte Rodney im ersten Moment nicht ausmachen, ob jemand in den Stasiseinheiten war. Erst nachdem sich seinen Augen adaptiert hatten, sah er, dass nur eine der Kammern belegt war.

    John.

    Es gab ihn also noch. Das war gut. Oder auch nicht. Ohne Körper hätte John seinen Plan nicht in Angriff nehmen können und Rodney … Nein, er war ungerecht. John wollte das und deshalb würde er sich für ihn freuen, dass Punkt eins auf ihrer Liste schon mal geklappt hatte.

    Er schaute sich den Mann in Stasis genauer an. Es war ein deutlich gealterter John. Mit grauen Haaren und zerknitterter Haut. Aber es war nichts von der Melancholie zu spüren, die O’Neill umweht hatte. Dieser Mann hier war hocherhobenen Hauptes in die Kammer geschritten. Das Kinn vorgereckt, forderte er selbst nach zehntausend Jahren den Betrachter noch heraus.

    Rodney trat näher und legte seine Hand gegen das Glas. Oh mein Gott, wie sehr konnte er plötzlich verstehen, dass Daniel das Bedürfnis verspürt hatte, mit dem Menschen hinter der Barriere zu sprechen!

    Er ließ seine Hand liegen wo sie lag und drehte sich zu John um. „Und die anderen? Die mit dir verurteilt worden sind?“
    „In zwei Kammern ist Wasser eingedrungen und hat die Elektronik ausgeschaltet. Sie sind tot. Der Zugang zu den letzten Kammern ist versperrt, dort sind Teile der Decke einstürzt. Ich werde noch einmal mit schwererem Gerät zurückkommen müssen. Doch ohne ihr Bewusstsein, können wir sowieso nichts für sie tun.“

    „Nein, das ist wahr.“ Und ob sie etwas für John tun könnten, würde sich auch noch zeigen.

    Erst jetzt, als sie direkt davor standen, wurde Rodney die ganze Trageweite dessen, was sie tun wollten, so richtig bewusst. Bisher waren es mehr akademische Spielereien, Berechnungen aus einem Elfenbeinturm heraus gewesen – doch jetzt war es im wahrsten Sinne des Wortes greifbar. Seine Finger glitten über das Glas.

    Sie wollten auf arrogante Weise Gott spielen und Leben zurückgeben. Hoffentlich kam Übermut nicht vor den Fall. Wenn jetzt etwas schief ging, dann flog ihnen kein Motor um die Ohren, oder etablierte sich kein richtiges Wurmloch, wenn jetzt etwas schief ging, war ein Mensch betroffen. Der Mensch, den Rodney auf gar keinen Fall einer Gefahr aussetzen wollte. Der Mensch, für den er …

    „Wenn wir … du weißt, du… Du musst es nicht tun. Nicht für mich jedenfalls. Nur wenn du meinst, aber nicht meinetwegen …“

    „Rodney, wir haben doch schon oft darüber gesprochen. Ich muss es tun. Zehntausend Jahre sind lang genug. Ich muss einen Schlussstrich setzen.“

    „Aber du könntest mit dem Schlussstrich noch ein paar Wochen warten.“ Ganz plötzlich war es Rodney unendlich wichtig, dass sie noch etwas Zeit miteinander hatten. Verflucht, er hatte ihre kostbare gemeinsame Zeit verplempert, war er sich plötzlich sicher. War viel zu oft erst spät abends oder in den frühen Morgenstunden in ihr Apartment getaumelt und hatte nur noch schlafen wollen. Er hätte mehr delegieren sollen, hätte mehr Zeit mit John verbringen sollen.
    Denn jetzt rann sie ihm durch die Finger.
    Unaufhaltsam.

    „Es wird schon gut gehen“, versuchte ihn John zu beruhigen. „Wir holen den da“, sein Zeigefinger ging zu seinem Körper, „jetzt da raus. Legen ihn hier auf den Tisch. Du transferierst meine Naniten zurück. Wir warten, bis ich wieder jung und knackig aussehe und dann stoppst du den Prozess mit dem EM-Feld, das dieses Gerät hier“, er zeigte auf eine Vorrichtung die an der Konsole angebracht war, „erzeugt. Eh, voilà.“

    „Nichts: Eh, voilà!“, rief Rodney. „Wir haben doch darüber gesprochen, an welchen Stellen es alles schief gehen kann.“

    „Ja, haben wir. Aber ich muss es tun. Das verstehst du doch.“ Natürlich hatte sich John auch überlegt, ob es nicht vielleicht besser wäre, auf Nummer sicher zu gehen und in seiner jetzigen Form zu bleiben, statt das nicht unerhebliche Risiko einzugehen und bei dem Versuch, wieder er … ganz er selbst zu werden, drauf zu gehen. Aber er hatte nicht tausende von Jahre in dieses Ziel investiert, als dass er es jetzt einfach so aufgeben könnte. Auch Rodneys bittende Augen konnten ihn da nicht umstimmen.

    Ja, es war eine Alles oder Nichts Entscheidung und er war sehr versucht, noch ein paar Wochen zu warten. Mit Rodney noch ein paar Wochen zu verbringen, um ihm die Wunder von Atlantis zu zeigen, aber … er konnte nicht. Er musste es jetzt tun und nicht erst in ein paar Wochen. Es war wie eine juckende Narbe, an der man kratzen musste, auch wenn man wusste, dass es falsch war. Aber so fühlte es sich für ihn an. Er musste raus aus dieser Abhängigkeit von der Flasche. Er musste … „Ich muss es tun“, wiederholte er noch einmal.

    „Ja.“ Rodney nickte schlicht und machte sich dran, die Konsole zu untersuchen und mit Johns Hilfe Justierungen vorzunehmen. Er mochte Johns Entscheidung nicht mehr beeinflussen können, aber er könnte es so sicher wie möglich gestalten. Auch wenn Mr. Ungeduld neben ihm anfing zu maulen, weil es ihm nicht schnell genug ging.

    „Du hast zehntausend Jahre so verbracht, da machen ein paar Minuten auch nichts mehr aus. Und jetzt lass mich das noch einmal überprüfen“, beschied Rodney ihm kompromisslos.
    Sie waren es in der Theorie schon hundert Mal durchgegangen, aber da sie nicht gewusst hatten, in welchem Zustand Johns Körper war, waren das natürlich alles nur Näherungen gewesen. Die Zeit der Simulationen war jetzt vorbei, nun gab es nur einen Versuch und da war Ruhe und Genauigkeit das oberste Gebot.

    Sam Carter mochte mit Huschi-Wuschi Wissenschaft Stargates betreiben, er aber nicht. Und wenn Johns Leben davon abhing schon mal gar nicht.

    Aber nach der dritten Überprüfung sah selbst Rodney ein, dass er es nicht mehr länger hinaus zögern konnte. „Wir wären dann so weit“, sagte er und schluckte gegen den Kloß in seinem Hals an, denn in seinen Ohren klang es verdammt nach einem Todesurteil.

    John ging zu der Stasiskammer, legte seine Hand auf die Kontrollen und die Tür öffnete sich. Sie standen beide bereit, den gebrechlichen Körper, der sofort in sich zusammensackte als das Kraftfeld nachließ, aufzufangen und sachte auf den Tisch zu betten.

    Ein ganz schwacher Puls war unter der fast pergamentenen, dünnen Haut zu spüren. Die Lebenserhaltungssysteme, die sie rasch und ohne zu zögern anschlossen, halfen den Kreislauf etwas zu stabilisieren. Aber es war klar, lange hätte der Körper in der Kammer nicht mehr überlebt und jetzt außerhalb waren es nur noch Minuten, über die sie sprachen.

    Als sein Körper verkabelt war, trat John auf Rodney zu, umfasste dessen Gesicht mit beiden Händen und küsste ihn kurz aber voller Leidenschaft.
    „Danke für alles. Und ich habe vollstes Vertrauen in dich. Es wird schon gut gehen.“

    „John …“ Rodney kämpfte. Kämpfte gegen die Emotionen und ja, verdammt, auch gegen die Tränen an, die er in seiner Kehle aufsteigen fühlte. Kämpfte gegen das Gefühl der Ohnmacht und der Endgültigkeit, das ihn zu überschwemmen drohte.

    Ihre Uhr tickte.

    Vor seinen Augen löste sich John in blauen Rauch auf, doch dieses Mal ging er nicht in seine Flasche, sondern zog sich in die Infusionsflasche zurück, die sie an seinen Körper angeschlossen hatten, damit die Naniten von dort in seine Adern fließen konnten.

    Und wie vor einer kleinen Ewigkeit, auf einem mit Staub bedeckten Platz, als er auch um Johns Leben gebangt hatte, waren es Johns Worte, die ihn wieder in die Gegenwart zurückholten.

    „Tu es!“, war der letzte Befehl, den er hörte, ehe sich der blaue Rauch ganz aufgelöst hatte.

    Rodney riss sich zusammen, John vertraute auf ihn, er baute auf ihn, dass er alles richtig machte, dass er die Nerven behielt. Er konnte das. Er öffnete das Ventil an der Infusionsflasche und konnte nur noch denken, wie unwirklich es war, dass das jetzt „John“ sein sollte, der dort als silbrige Flüssigkeit in seinen eigenen Körper rann. Noch war das Bild des Dschinns so stark in seinem Kopf, dass das für Rodney der „richtige“ John war. Dieser Körper hier kam ihm im Moment wie ein Usurpator vor, der das verschlang, was Rodney nur sehr ungern hergegeben hatte.

    Eine Sekunde voller hilfloser Wut auf diesen alten Mann, der dort auf dem Tisch lag und sich Johns Leben einverleibte, brandete in Rodney auf.

    Und diese Wut wurde heftiger, als auch die letzten Tropfen in den fast leblosen Körper auf dem Tisch gelaufen waren und dieser alte Hurensohn keinerlei Anstalten machte, tief zu atmen, oder bessere Werte in seinen Vitalanzeigen zu erreichen.

    „Nun komm schon! Du alter … Mistkerl. Mach schon! Du hast alles bekommen, was John dir geben konnte. Jetzt halte dich gefälligst an deinen Teil der Abmachung.“

    Rodney starrte auf die Anzeigen und ein Gefühl der Übelkeit stieg rasch in ihm auf als er sah, dass die Werte schlechter statt besser wurden. Und nicht nur das! Nicht nur die unzuverlässige menschliche Hülle schien zu versagen, auch die Signaturen der Naniten überall im Körper wurden schwächer!

    „Nein!“, brüllte Rodney voller Zorn und Verzweiflung. Die Dinger hatten zehntausend Jahre überdauert, da würden sie doch nicht ausgerechnet heute, ausgerechnet jetzt ihre Energie verlieren. Das war doch …

    Und dann kam Rodney ein ganz entsetzlicher Gedanke: Was, wenn die Antiker mit so einem illegalen Rücktransfer gerechnet hatten? Und das ihre allerletzte Bastion war, um ihn zu verhindern? Wenn sie es irgendwie geschafft hatten, dem leblosen Körper in Stasis einen Befehl mitzugeben, der die Naniten zum Abschalten brachte, sobald sie mit ihm in Kontakt kamen? Was, wenn der korrekte Ablauf die Eingabe einer Autorisierung brauchte weil das Bewusstsein sonst vernichtet wurde? Was, wenn dies ihre allerletzte Perfidie wäre?

    John hatte offensichtlich nicht mit so etwas gerechnet, denn dafür hatten sie keinen Notfallplan. Der allerletzte Plan, den sie gemeinsam ausgemacht hatte, hatte vorgesehen, dass, wenn sich der Körper gar nicht wieder beleben ließ und die Naniten abstieß, Rodney ihn ausbluten lassen würde, so dass sich die Naniten neu zusammensetzen konnten. Deshalb auch dieser Tisch. Hier hatten schon die Antiker mit Replikatoren experimentiert. Schon das Ausblutungsszenario war ihm widerlich vorgekommen. Wie in einem Schlachthaus – aber es war wenigstens ein Plan gewesen. Ein verzweifelter Plan mit einer völlig ungewissen Erfolgsaussicht.

    Aber dies hier? Das war eine Katastrophe!

    Könnte er jetzt noch …? Oder waren überhaupt nicht mehr genügend funktionstüchtige Naniten übrig? Was würde passieren, wenn …?

    Rodney griff nach dem Skalpell, aber es ging hier nicht um eine Maschine, die repariert werden musste und das machte ihn unentschieden. Er konnte einfach nicht abschätzen, was für John in diesem Moment das Beste war.

    Diese verfluchten Antiker!

    Rodney schlug so heftig mit der Faust auf den Tisch, dass alles vibrierte und er für einen Moment befürchtete, sein Handgelenk gebrochen zu haben. „Scheiße! Ihr … ihr …!“

    „Nanitenhaufen?“ Fast hätte er es überhört, so leise war es gewesen. Mehr ein Flüstern als ein Satz, und wenn John es nicht mit einem Husten begleitete hätte ..

    „John!“
    „Rodney.“ John hustete erneut.
    „Was ….? Was soll ich jetzt tun?“ Nervös knetete Rodney Johns Hand, die nicht an der Infusionsnadel hing.
    „Warten. Sie müssen … ihre Arbeit machen.“
    „Aber die Naniten verlieren ihre Signatur!“
    „Sie verlieren Energie, weil sie die Zellen reparieren. Das ist in Ordnung.“

    Und während John noch sprach hatte Rodney tatsächlich den Eindruck, als würde die Haut ein wenig straffer werden, ein bisschen Grau aus den Haaren verschwinden.
    „Es funktioniert!“, rief er begeistert.
    „Ja, lass mich nur nicht zu jung werden“, scherzte John, schon mit deutlich stärkerer Stimme.
    „Ich höre dann auf, wenn du aussiehst wie der Dschinn aussah“, bestätigte Rodney, dessen Blick immer hektisch von Johns Anzeigen, zu Johns Körper und dem EM-Impulsgeber in seiner Hand ging.

    Die Minuten vergingen quälend langsam und er war mehrmals versucht zu stoppen, obwohl er wusste, dass John riesige Erklärungsarbeit abzugeben hätte, wenn er innerhalb ein paar Stunden um zwölf, fünfzehn Jahre gealtert schien. Aber besser John war etwas älter, als dass er wieder zum Teenager wurde. Ja, Rodney gestand sich ein, dass er selbstsüchtig war und einen John haben wollte, der im Alter zu ihm passte.
    „Jetzt?“, fragte John.
    Okay, fünf, sechs Jahre mehr … Rodney drehte den Schalter.

    Nichts passierte!

    „Nein, nein, nein! Komm schon“, Rodney hämmerte auf das Gerät ein, aber die Energieanzeige machte deutlich, dass es sich rasend schnell entladen hatte, seit seiner letzten Kontrolle. Das durfte doch nicht wahr sein!
    „John! Wir brauchen eine neue Energiequelle!“
    John stützte sich vorsichtig auf einem Ellenbogen ab und schaute sich im Zimmer um. „Wie sieht es mit der Stasiskammer aus? Hat die noch genug Energie?“
    „Nein. Das Licht ist erloschen.“

    „Ich hatte ja mit vielen Komplikationen gerechnet, aber nicht, dass ich wieder in den Kindergarten gehen müsste, bevor die Naninten ihre Energie aufgebraucht haben.“ John griff sich mit beiden Händen in die Haare und verwuschelte sie noch mehr. „Verdammt noch mal, was nun? Was können wir noch machen? Denk, Rodney!“

    „Wie lange wird es dauern, bis die Naniten ihre Energie erschöpft haben? Wie weit ...?“
    „Ich weiß es nicht. Embryonalstadium? Keine Ahnung.“ John schluckte. „Wir müssen abschalten, sonst bleibt nichts …“

    „Ja, ja, ja, ich weiß.“ Rodneys Gesicht verzog sich ganz unglücklich. Das gab es doch gar nicht! Ein technisches Problem und er konnte es nicht lösen? Er hatte schließlich sogar das Geheimnis des Dschinn in der Weinflasch….

    Rodney rannte zu dem kleinen Werkzeugkoffer, den er mitgebracht hatte und zog Johns Flasche hervor.
    Er hielt sie ihm vor die Nase: „Können wir die verwenden?“
    „Meine Flasche?“ John überlegte ein paar Sekunden, dann nickte er. „Wir können es versuchen. Gib her. Das könnte die Lösung sein. Es ist beides Antikertechnologie.“

    Und so reichte Rodney John in den nächsten Minuten die gewünschten Werkzeuge an und gemeinsam verkabelten sie die Flasche mit dem EM-Impulsgeber.

    John wirkte inzwischen schon zwei, drei Jahre jünger als er in seiner Dschinnform ausgesehen hatte, als er Rodney befahl: „Versuch es jetzt.“
    Er ließ sich auf den Tisch zurückfallen und Rodney aktivierte das provisorisch zusammengebaute, keinerlei Sicherheitsstandards entsprechende, niemals getestete, höchst unsichere Gerät, um es über Johns Körper zu halten. Wenn das ein Ausblick auf zukünftiges Arbeiten in der Pegasus-Galaxie war …

    Das Gerät ratterte und zischte, der Impuls entlud sich und Johns Körper bäumte sich mit einem schlecht unterdrückten Schmerzensschrei auf.
    Rodneys Blick flog zu den Anzeigen – und mehr als die Hälfte der Naniten-Signaturen war erloschen.
    „Noch einmal“, befahl John.
    Und mit einem stummen Gebet, dass das Gerät noch so viel Energie hätte, drückte Rodney den Knopf erneut.
    Es summte, der Ton wurde schriller, es gab einen lauten Knall und die Flasche zersprang in hundert Einzelteile.

    Johns Körper zuckte wild und lautes Stöhnen entrang sich seiner Kehle, für eine Sekunde befürchtete Rodney, dass es jetzt zuviel gewesen wäre und er nicht nur den kleinen Viecherchen sondern auch John geschadet hatte. Oder dass John doch noch in einer Verbindung mit der Flasche gestanden hatte und dieses Zerbersten auch seinen Tod bedeutete.

    Aber dann nahm John einen tiefen Atemzug und ließ sich entspannt auf den Tisch zurücksinken.
    Auf den Anzeigen war keine roten Punkte mehr, die für die Naniten gestanden hatten, zu sehen.
    Sie warteten atemlos noch einen Moment – aber das Schaubild blieb Naniten frei.

    „Ja! Ja! Wir haben’s!“, schrie Rodney voller Begeisterung.
    „Puh! Das war wirklich knapp.“ Langsam richtete John sich zum Sitzen auf und betrachtete seine Hände. Keine Altersflecken mehr, wenig Falten – die Hände eines jungen Mannes. Viel mehr als Mitte dreißig würde er sich nicht geben. Gerade richtig für Rodney.

    „Du bist wieder du!“, verkündete Rodney strahlend und legte behutsam, so als wäre John zerbrechlich, eine Hand an dessen Wange.
    „Ich war immer ich“, stellte John klar. „Aber ich weiß, was du meinst. Keine Wunderheilungen mehr, kein nächtliches Verschwinden in der Flasche – du musst jetzt gut auf mich aufpassen.“ Er warf Rodney einen übermütigen Blick zu und zog ihn zu sich heran.

    Rodney hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen, dann sagte er: „Nicht hier. Gehen wir das schöne, breite Bett einweihen, das in unserem Quartier ist.“
    „Deal“, meinte John und ließ sich Rodney aufhelfen.



    Epilog


    Die Sonne schien durch die großen Fenster hinein und weckte Rodney und John fast gleichzeitig. Staub flirrte in der Luft und machte deutlich, wie lange hier niemand mehr erwacht war.

    Rodney lag hinter John und hielt ihn fest umschlungen. Sein Blick ging in den klaren, blauen Himmel und auf die weißen Türme der Stadt, die von einem der gegenüber liegenden Piers aufragten.

    Sie waren am gestrigen Abend beide etwas zu optimistisch gewesen, was die Einweihungsparty des Bettes betraf. Johns Körper war einfach zu erschöpft gewesen. Aber das machte gar nichts, denn Rodney stellte fest, dass er das hier fast ebenso gerne mochte.

    Dieser Augenblick war so friedvoll und so perfekt.

    Als John Rodneys Arme, die dieser vor seinem Bauch verschränkt hatte, drückte, beantwortete Rodney das mit einem trägen Stoß seiner Hüften gegen Johns Hintern.
    „Du bist wach, schließe ich daraus“, stellte John mit einem amüsierten Unterton in der Stimme fest.
    „Alles an mir ist wach“, nuschelte Rodney in Johns Halsbeuge, die so verführerisch direkt vor seinen Lippen lag.
    „Hört sich gut an“, bestätigte John und rieb seinen Hintern gegen Rodneys Unterleib.
    „Und bei dir?“
    „Auch ohne Flasche bin ich wieder voll … uh … regeneriert.“ Er wiederholte die Bewegung noch einmal.

    „Schade, dass du kein Dschinn mehr bist“, seufzte Rodney.
    „Warum?“ John drehte sich in Rodneys Armen um.
    „Dann könntest du jetzt gewisse Dinge herzaubern, die ich im Bad liegen gelassen habe.“ Er fuhr mit seinen Fingern Johns Gesichtszüge nach.
    „Dazu brauche ich kein Dschinn sein, sondern nur den Mini-Transporter haben“, meinte John und hielt sein Handgelenk mit dem Armband hoch.
    „Super praktisch“, bestätigte Rodney.
    „Du musst mir nur eine neue Möglichkeit basteln, das Armband aufzuladen, jetzt, da die Flasche kaputt ist.“
    „Wenn’s weiter nichts ist, du bist mit dem größten Genie von *zwei* Galaxien im Bett“, Rodney ließ seine Hand über Johns Brust gleiten.

    John lachte und ‚zauberte’ Rodneys Kulturbeutel her. „Bitte sehr … Meister.“ Seine Augen funkelten übermütig.
    Für einen Moment wurde Rodney ernst und sagte: „Ich bin so froh, dass alles so gekommen ist, wie es gekommen ist.“
    „Ich auch.“ Er verschloss Rodneys Lippen mit seinen und genoss den friedlichen Moment mit allen seinen Sinnen. So viel entspannte Ruhe in Atlantis war neu für ihn, zuletzt hatte er die Stadt nur noch im Belagerungszustand und unter Kriegsrecht gekannt.

    In dem Moment ging die Sprechanlage. Dr. Weirs aufgeregte Stimme erklang: „Dr. McKay? Dr. Sheppard? Bitte kommen Sie sofort in den Kontrollraum!“

    Mist, manche Dinge sollte man nicht einmal in seinem Kopf beschreien.

    „Colonel Sumner ist von den Wraith entführt worden ...“


    -------ENDE-------


    ©Antares, April-September 2012
    Geändert von Antares (01.02.2013 um 11:46 Uhr)

  14. Danke sagten:


  15. #31
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
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    *seufz* Was ist das für ein schönes Ende deiner FF, einfach klasse. Ich konnte richtig mit John mitfühlen, als er nach so langer Zeit wieder in seinem Atlantis war. Es war so süß, wie sich gegenseitig ihre Liebe gestanden haben. Mir blieb beim lesen fast der Atem stehen, als es so knapp um John stand. Aber mit Rodney an seiner Seite konnte es ja eigentlich nur klappen.
    Danke fürs Teilen dieser wunderschönen FF!!!

    Obwohl, ich könnte noch unzählige Kapitel mehr von Rodney und "Dschinn" John lesen.

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  16. #32
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    Da bin ich aber sehr froh, dass dir das Ende gefällt, denn wenn man nach so vielen Seiten mit einem unbefriedigendem Gefühl zurück bleibt, ist das ja gar nicht schön.

    Und wie in jeder Geschichte muss es am Ende ja noch mal ganz eng werden für die "Helden". *g* (Wobei ich eine Weile mit dem Gedanken gespielt habe, John wirklich in seiner "Dschinn"-Form zu lassen. Aber dann wollte ich ihn doch lieber zum Menschen/Antiker machen).

    Und welch besseres Lob kann ich haben, wenn du noch weiterlesen wolltest?

    Vielen, vielen Dank für all deine wundervollen Anmerkungen und Feedbacks während der ganzen Story! Ich habe mich sehr darüber gefreut. Danke!!!
    Geändert von Antares (03.02.2013 um 12:05 Uhr)

  17. Danke sagten:


  18. #33

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    Ich habe deine FF in einem Rutsch durch gelesen und find sie einfach großartig.
    Die Idee aus John erst einen Dschinn, dann einen Antiker und zum Schluss einen Mensch zu machen, damit er mit Rodney zusammen alt werden kann ist toll und einfach nur *schnief*

    Habe schon mehrere deiner FF (bevorzugt mit John/Rodney) gelesen und bin immer wieder überrascht auf welche Ideen du in Bezug auf Ort, Zeit und Handlung kommst.

    Mach weiter so...

  19. #34
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    Vielen Dank für dein nettes Feedback, Sani!

    Es freut mich, dass es dir ein kleines *schnief* entlockt hat. So eine Reaktion hatte ich mir gewünscht. *g*

    Natürlich freue ich mich, dass dir auch andere meiner Stories gefallen - und ich werde bestimmt weiter schreiben, ich kann gar nciht anders.

    Danke sehr!

  20. #35
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    Ja das ist auch eine wunderbare Story. John als Dschinn super Idee. Als die Gasflasche explodierte und John verletzt in die Flasche kroch und die wütende Menschenmenge hinter Rodney rannte, ich muss sagen ich fühlte mich selbst außer Atem. Als wäre die Meute selbst hinter mir her. So Lebhaft geschrieben. Wunderbar.

    Freu mich natürlich das sie so ein gutes Ende nahm und beide glücklich miteinander wurden. Diese John/Rodney Geschichten gefallen mir auch sehr gut.

    Auf deine zukünftigen Storys freu ich mich schon.

  21. #36
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    Ganz lieben Dank! Die Ausarbeitung hat mich auch einige graue Haare gekostet, ehe die Zeitlinie zu den Ereignissen in den beiden Serien passte.

    Und bei der Beschreibung des Laufens bis man nicht mehr kann, habe ich einfach einen Feldversuch gemacht und bin so schnell gerannt wie ich konnte und noch etwas mehr ... und dann habe ich es aufgeschrieben. Okay, vielleicht nicht ganz so schnell wie Rodney, da ja glücklicherweise auch keine Meute, die auf Lynchjustiz aus war, hinter mir her war.

    Es freut mich sehr, dass dir die Story gefallen hat - vielen Dank für das nette Feedback!

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