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Thema: 2034 - Das neue Sternentor (Ein Spinn-off zu TGE)

  1. #61
    Gehasst, Verdammt, Vergöttert Avatar von Colonel Maybourne
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    Was soll ich nur sagen, außer dass das wieder einmal ein klasse Kapitel war und du das TGE von uns langsam sogar übertriffst...
    Jules Chara wurde wieder einmal spitze getroffen und es scheint sich abzuzeichnen, das sie noch einiges vor sich hat.
    Würde mich nicht wundern, wenn sie einfach da so in die UNO spaziert und von dem neuen Mond berichtet.
    Die dummen Gesichter kann ich mir gut vorstellen und vielen dürfte bei so was sicher die Galle überlaufen.

    Und die Jaffa haben es immer noch nicht gelernt, dass sie mit ihren alten Traditionen immer mehr ins Abseits laufen...
    Allerdings ist mir Duzumi für einen Goa´Uld etwas zu clever... ich frage mich nur, ob er einen Erdsoldaten als Wirt hat...
    Bis dann.
    Das Leben ist ein Schwanz und wir die Eier, die mitgeschleift werden.


    Meine aktuellen Fanfiction:


    TGE Combined Season 1 Fire of War:

    http://www.stargate-project.de/starg...ad.php?t=11836




  2. #62
    dumm geboren und nix dazugelernt:P Avatar von Santanico Pandemonium
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    Das alles läuft über Kyoto? Da wird doch nciht etwas Herr von und zu usw von Sachleben dahinter stecken?

    Beim Rest schließe ich mich einfach mal Maybourne an
    WEIR: ... putting your life and other people's lives at risk. You destroyed three quarters of a solar system!
    McKAY: Well, five sixths. It's not an exact science.
    WEIR: Rodney, can you give your ego a rest for one second?

    Ein Jahr später:
    Spoiler 
    CARTER: About a year ago, your brother came across an abandoned alien experiment called Project Arcturus.
    CARTER: It was an attempt to generate zero point energy.
    JEANIE: That would be virtually limitless power. What happened?
    McKAY: A slight problem. It was the creation of exotic particles in the containment field.
    CARTER: He destroyed a solar system.
    JEANIE: Meredith! (She smacks his arm.)
    McKAY: It was uninhabited!

  3. #63
    Gehasst, Verdammt, Vergöttert Avatar von Colonel Maybourne
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    Nein, ich denke mal eher, die noch freien Japsen nutzen den neuen Sklavenmond, um eine Armee gegen Nordkorea auszurüsten...
    Das Leben ist ein Schwanz und wir die Eier, die mitgeschleift werden.


    Meine aktuellen Fanfiction:


    TGE Combined Season 1 Fire of War:

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  4. #64
    Autor der ungelesenen FF Avatar von Protheus
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    @Colonel Maybourne: Besten Dank für das Urteil. Insbesondere dass du Jules gut interpretiert findest freut mich. Immerhin ist sie kein kleiner Nebencharakter aus TGE, sondern eine echte Hauptfigur. Was ihr weiteres Vorgehen (und die Charakteristika des Sklavenmondes) angeht will ich mich allerdings ausschweigen. Nur so viel: Es wird ihrem Charakter ziemlich gut entsprechen.

    Außerdem wäre da noch Dumuzi. Als ich ihn konzipiert habe, hatte ich eine Art Moriarty unter den Goa'uld in den Sinn. Ich wollte einfach jemanden, der nicht einfach so von der Erde überlistet oder überwältigt wird. Einen würdigen Gegner. Und ich finde, dass das ganz gut gelungen ist.

    @Santanico Pandemonium: Okay, ich verrate doch was. Du bist mit deiner Einschätzung bzgl. des neuen Sklavenmondes, der streng genommen gar nicht mal so neu ist, näher dran, als Colonel Maybourne

    Und jetzt die neue Geschichte. Gesamtlänge 14,5 Seiten. Viel Spaß beim Lesen.


    Episode 16: Eine Frage der Perspektiven


    Sergio Aquilani hielt sich die Hände schützend über die Augen, während er zum im Licht der Abendsonne schimmernden Schiff hinauf sah, das über seiner Stadt schwebte. Der matte Stahl, aus dem sein gewaltiger Rumpf gefügt war, funkelte in einem Spiel roter Schattierungen des von vereinzelten Wolkenbändern verhangenen Himmels. Er ließ seinen Blick vom ihm zugewandten Heck bis zum Bug wandern, wo sein Blick auf die von einem rot-goldenen Wappenschild eingerahmten Lettern SPQR fiel. Senatus Populusque Romanus. Während der schwere Kreuzer noch einmal eine Wende flog, um seine Flanke auf voller Breite der tief im Westen stehenden Sonne zuzuwenden und die Frecce Tricolori Europei mit zwölf Maschinen in verschlungenem Spiralflug einen Sternenkranz aus farbigem Rauch um das Schiff zauberten, wandte Sergio sich vom Schauspiel am Himmel ab, stieg wieder in seinen Wagen und schloss die Tür.

    Auf der Via Nomentano stand der Verkehr. Soweit er zuvor beim Aussteigen hatte blicken können hatten alle Fahrer angehalten, um den Überflug der ‚Roma’ zu beobachten. Sergio, der jener Zurschaustellung unionierter Macht nichts abgewinnen konnte, überlegte kurz, ob er seinem Missmut durch Hupen Ausdruck verleihen sollte, entschied sich dann jedoch dagegen. Stattdessen schaltete er den Autopiloten seines Alphas an und gab sein Stammcafe als Zielort ein. Dann lehnte er sich im Fahrersitz zurück und schloss die Augen. Zuerst drangen immer noch scheinbar zahllose erstaunte Rufe von umstehenden Passanten und Fahrern, deren Augen immer noch Himmelwärts gerichtet waren, an sein Ohr, so dass er schließlich genervt mit einer Hand nach vorne langte und Musik anstellte. Das Abspielgerät wählte von einem der eingelegten Datenträger zufällig ein Lied aus und spielte es ab. Als schließlich Musik und Gesang von Angelo Branduardi die Stimmen von draußen übertönten ließ er sich mit einem Seufzen noch etwas tiefer in die Lederpolsterung sinken und genoss den Moment der Entspannung. Dabei schweiften seine Gedanken aber immer wieder unweigerlich zum Überflug ab, was seine Laune mit ebensolcher Unausweichlichkeit wieder eintrübte.

    Nicht nur war es ihm unbegreiflich, wie die Leute nach dreißig Jahren interstellarer Raumfahrt und des Krieges auf fernen Welten immer noch solche Begeisterung für ein Raumschiff – und sei es eines der neuesten Generation – zeigen konnten, sondern auch, wie die römische Seele sich auf so billige Art bestechen lassen konnte. Wie so mancher Italiener stand er der Einigung Europas eher skeptisch gegenüber, konnte sich aber immerhin damit arrangieren, solange man ihn sein Leben leben ließ. Aber dieses Schiff… Es war nicht mehr als eine Streicheleinheit für die von der Zeit gepeinigte italienische Seele. Es waren vor allem die Russen – in seinen Augen alles östlich der Weichsel – die Deutschen und die Franzosen gewesen, die das All für Europa erobert hatten. Italienische Helden hatte es in diesem neuen Zeitalter der Raumfahrt kaum gegeben. Und so hatte das europäische Parlament beschlossen, dass die neueste Kreuzerklasse, die irgendein veraltetes Modell aus den Zeiten des ersten Goa’uld-Krieges endgültig ablösen sollte, nach italienischen Städten benannt werden sollte, um Italien über die eigene Bedeutungslosigkeit hinweg zu trösten. Und die ‚Roma’ wurde nun als erstes Schiff seines Typs stolz dem Volk präsentiert. Und die Reaktion darauf… Es war einfach würdelos. Diese Gedanken ließen ihn etwas mit den Zähnen knirschen. Dann zückte er sein Notizbuch und begann niederzuschreiben, was ihm durch den Kopf ging. Während die Verse ihm aus der Feder flossen merkte er kaum, wie der Wagen sich wieder in Bewegung setzte, so dass er zuerst etwas überrascht war, als er wieder aufsah und merkte, dass er schon am Fuße des Pincio angelangt war. War er so lange in Gedanken gewesen? Musste wohl so sein, denn die einzige Alternative wäre gewesen, dass der Autopilot mal wieder falsch justiert und zu schnell gefahren war. Und er hatte weis Gott schon genug Strafpunkte in der Verkehrskartei.

    Er übernahm wieder die manuelle Kontrolle und lenkte den Wagen auf einen der Parkplätze auf dem Hügel. Das leise und sanfte Schnurren des Elektromotors erstarb, als er den Zündschlüssel zog und er stieg aus. Der Kreuzer war mittlerweile vom Himmel verschwunden. Nur ein schwaches goldenes Glühen am Himmel zeigte noch, wo er gen Orbit aufgestiegen war. Endlich gehörte der Himmel über der ewigen Stadt nur noch den Sternen. Der Gedanke entlockte ihm ein Lächeln, mit dem auf den Lippen er seine Schritte in Richtung des Cafés beschleunigte. Er betrat gar nicht erst das Gebäude, sondern setzte sich an einen der Tische im Außenbereich. Es dauerte nicht lange, dann kam die Kellnerin zu ihm und stellte ihm mit einem Lächeln unaufgefordert einen Kaffee hin, wie er ihn hier fast jeden Abend trank. Es war eines der kleinen Rituale, die er in seinem Leben so schätzte.

    Mit der gleichen Gewissheit, mit der sie ihm den Kaffee gebracht hatte und mit der die Sonne im Osten aufging kam nach einigen Minuten auch der Besitzer des Cafés zu ihm. Der Barista, des Namens Valerio, war ein langjähriger Freund und Sergio erhob sich, um ihn mit einer kurzen Umarmung zu begrüßen. „Valerio, wie war dein Tag?“ „Ich kann mich nicht beklagen. Zwei nervige Touristen, auf der Suche nach authentischem Cappuccino, aber ansonsten war es schön ruhig.“ Er lächelte schief. Beim Anblick der ständig mit ihren Kameras herumfuchtelnden Touristen, von denen die Mehrzahl sich zu bemühen schien durch kurze Hosen und schreiend bunte Hemden aufzufallen – wenn sie die sonnige Wärme Roms nicht ertrugen, sollten sie gefälligst im Norden bleiben – konnte auch er sich zu den schönsten Schimpftiraden hinreißen lassen. Sie machten den Aufenthalt an den größten Plätzen der Stadt für Einheimische kaum erträglich, zogen diebische Zigeuner an und waren, da war sich jeder echte Römer sicher, für die viel zu hohen Espresso-Preise verantwortlich. Außerdem stand von einem Touristen, der mit dem Sprachführer in der Hand eine radegebrochene Frage nach dem Weg zusammenstammelte, angesprochen zu werden auf einer Stufe mit Nahtoderfahrungen: Man betete, dass es einem nie wieder widerfuhr. Und jeder, der bei diesem Gedanken lachte, sollte sich vor Augen führen: Hatte er schon einmal einem italienisch sprechenden Skandinavier zuhören müssen? Nein? Dann sollte er gefälligst den Mund halten.

    Sie sprachen noch ein wenig über den üblichen Lokalklatsch, den die Spatzen von den Dächern pfiffen, dann meinte Valerio schließlich: „Du, ich muss dir was erzählen.“ Sergio hob die Augenbrauen und breitete in einer freundlichen Geste die Arme aus. „Immer nur frei heraus.“ Der Barista druckste noch ein wenig herum, dann ließ er die Katze aus dem Sack: „Ich mach den Laden zum Dezember dicht.“ Für einen Moment schwieg Sergio erschrocken, dann, als er sich gefangen hatte, meinte er: „Läuft das Geschäft nicht?“ „Nein, dass ist es nicht. Die Kunden hab ich schon. Aber…“ Er zögerte erneut ein wenig, dann fingerte er einen Zettel aus der Innentasche seiner Weste und zeigte ihn seinem Freund. Es war ein Dokument des Kommissariats für Kolonisation. „Ich hab die Tauglichkeit für die Kolonisation bescheinigt bekommen. Ende des Jahres siedele ich mit der Familie nach Sarpedon über.“ Er starrte für einen Moment auf das Dokument, dann sah er zu seinem Freund auf. „Warum? Das hier ist die erstaunlichste Stadt, die diese Galaxie jemals hervorgebracht hat, die ewige. Was hat Sarpedon dagegen zu bieten?“

    Valerio schüttelte den Kopf. „Im Grunde genommen nichts. Aber mein Sohn hat dort eine Frau kennen gelernt und will nach Dienstende dort bleiben. Und ich will nicht, dass die Familie auf solche Art getrennt ist. Ich sage mir einfach, dass diese Stadt immer in meinem Herzen bleiben wird.“ Langsam schlich sich etwas wie Verständnis in Sergios Blick ein. Valerios einziger Sohn diente bei den Kolonialtruppen auf Sarpedon. Und die Familie war wichtiger, als selbst diese Stadt. Also nickte er und klopfte seinem Freund aufheiternd auf die Schulter. Dabei sagte er: „Dann lass uns die Zeit, die wir noch an diesem Ort haben, feiern.“ Der andere begann breit zu grinsen und rief seiner Kellnerin zu ihnen noch etwas zu trinken zu bringen. Danach saßen sie noch bis in die Nacht hinein zusammen und erzählten.

    Sie wurden erst unterbrochen, als Sergios Messenger kurz vor elf Uhr zu piepen begann. Zuerst dachte er es sei seine Frau, die wissen wollte, wo er blieb, doch als er auf das Display sah, wurde ihm eine dienstliche Nummer angezeigt. Er nahm das Gespräch an, hielt sich das Gerät ans Ohr und meinte: „Ja?“ „Commissario Aquilani“, drang die helle Stimme seiner Kollegin aus dem Lautsprecher, „hier ist Chiara. Es gibt Arbeit. Via Francesca, Ecke Via Leone. Eine Frau.“ Zunächst glaubte er sie klänge bei diesen Worten abgehetzt, doch dann wurde ihm klar, dass es schiere Fassungslosigkeit war, die man aus ihren Worten heraushören konnte. „Was ist los? Sie hören sich schrecklich an.“ „ Es ist einfach nur abscheulich. Wenn ich den Typen erwische, der das getan hat…“ Sie beendete den Satz nicht, aber es war auch nicht nötig. Sergio glaubte auch so schon genug aus ihrem Tonfall heraus hören zu können. „Sind die Kriminaltechniker schon da?“ „Sind verständigt. Die Municipale baut gerade die Absperrung auf.“ Auch wenn sie es nicht sehen konnte nickte er. Dann warf er einen Blick auf seine Uhr und meinte: „Ich bin in fünfzehn Minuten bei ihnen.“

    Er verabschiedete sich noch von Valerio, dann ging er zurück zu seinem Wagen und fuhr ihn wieder vom Parkplatz hinunter. Als er die Straße den Hügel hinab erreichte, setzte er das zuvor im Handschuhfach verborgene Blaulicht aufs Dach und trat das Beschleunigungspedal durch. Der Wagen sprang förmlich nach vorn und stürzte fast wie ein jagendes Raubtier in die nächtlichen Straßen.

    Es dauerte tatsächlich etwas länger, als er zuerst angenommen hatte, den Tatort zu erreichen, da ihm teilweise Touristen auf nächtlicher Tour um die Häuser den Weg versperrten (Na, immer noch der Meinung, dass sie nicht stören?). Doch als er schließlich vor Ort war, stand zu seiner Zufriedenheit die Absperrung bereits und ein Wagen der Spurensicherung war vorgefahren. Er stellte seinen Wagen fast mitten auf der Straße ab – Verkehr war sowieso keiner mehr zu erwarten – stieg aus und ging auf das Haus zu, das die Beamten der Polizia Municipale so weiträumig abgesperrt hatten. Am Absperrband angekommen hielt er den Schutzpolizisten seinen Ausweis unter die Nase und duckte sich darunter hinweg. Man zeigte ihm den Weg in einen von der Straße aus offen zugänglichen Innenhof, wo bereits die in weiße Anzüge gekleideten Kriminaltechniker bei der Arbeit waren. Chiara hingegen fand er an eine der Häuserecken gelehnt, das Gesicht in die Hände vergraben. Er ging zu ihr und fragte: „Alles in Ordnung?“ „Nicht wirklich. Bei allem Abschaum, den wir schon zu Gesicht bekommen haben…“ Anstatt den Satz zu beenden deutete sie nur auf die mit einer Decke verdeckte Leiche, die offen im Hof lag. Er ging auf den Leichnam zu und bedeutete einem Spezialisten der Spurensicherung sie ihm zu zeigen.

    Es war ein Anblick von der Art, auf den man auch nach fast zwanzig Jahren bei der Polizei nicht vorbereitet ist. Die Tote war zumindest für eine Römerin recht groß, hatte etwas mehr als schulterlange blonde Haare und schien von anmutiger Statur und schönem Gesicht zu sein. Wahrscheinlich hatte sie keinen Ort betreten können, ohne Blicke auf sich zu ziehen. Nur dass nicht mehr viel davon zu erkennen war. Von einem Punkt knapp unter ihrer rechten Brust bis auf die linke Gesichtshälfte hoch war ihr Körper fast bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Die Leiche war dadurch schrecklich entstellt, das Fleisch und teilweise auch Knochen völlig weg gebrannt. Gleichzeitig sonderte sie einen bestialischen Geruch ab, wie er ihn so noch nie erlebt hatte. Es war ein Geruch, in dem sich der Gestank von verbranntem Fleisch, Fäulnis und irgendetwas, das er für eine starke Chemikalie hielt, mischten. Obwohl die Kriminaltechniker versucht hatten des Gestanks mit einem Luftreiniger, den sie neben der Leiche aufgestellt hatten, Herr zu werden, drehte es ihm fast den Magen um. Schnell zog er ein Taschentuch aus der Tasche seines Mantels und hielt es sich über Mund und Nase. Dann wandte er sich von der Toten ab und ging Chiara zurück.

    „Wenn wir den Täter erwischen“, sagte er zu ihr, „werden sie ihm nichts tun.“ „Warum?“ „Weil ich ihn erledigen werde. Das ist bestialisch.“ Sie nickte. Dann, offenbar in einem leidlichen Versuch sich auf die Arbeit zu konzentrieren, fragte sie: „Auf was tippen sie?“ „Die Todesursache? Schwer zu erraten. Aber die Mordwaffe… Ich hab noch nie solche Verletzungen gesehen. Mein Gefühl sagt mir, dass es irgendeine exotische Strahlenwaffe war, aber wenn das so ist, sollten wir erst einmal Stillschweigen bewahren. Ich will nicht, dass Europol einfach aufkreuzt und die Ermittlungen übernimmt, solange wir nicht einmal mit der Arbeit anfangen konnten.“ Sie nickte erneut. Dann sagte sie den Blick zur Leiche gewandt: „Die Wunden sind ziemlich ungewöhnlich. Wir sollten uns einmal bei Forschungslaboratorien für Energieforschung umhören, ob die sich etwas vorstellen können, was zu so etwas in der Lage wäre.“ „Machen sie das.“ Er wirkte bei diesen Worten geistesabwesend. Etwas geisterte ihm durch den Sinn. Er rief sich den Anblick der Leiche noch einmal ins Gedächtnis. Dann machte er auf einmal auf dem Absatz kehrt und ging zu ihr zurück. Er schlug die Decke zurück und betrachtete ihre Handgelenke. „Was haben sie?“, wollte Chiara wissen. „Hier“, meinte er zur Antwort, „an ihren Handgelenken.“ Er deutete auf Tätowierungen, die ihm zuerst gar nicht aufgefallen waren, hatten die Verbrennungen doch alle Blicke auf sich gezogen. Die in die Haut gestochenen Farblinien erinnerten an Flügel, die von verschlungenen, bis auf die Hände hinab reichenden Linien eingefasst waren. Er sah sie sich grimmig an, dann legte er die Decke wieder über die Tote. „Kennen sie diese Muster?“ „Kann man so sagen. Überprüfen sie morgen die Forschungsanstalten. Ich werde inzwischen jemanden besuchen.“

    Den Vormittag des nächsten Tages hatte er im Büro zugebracht, wo er sich die vorläufigen Tatortanalysen der Kriminaltechnik angesehen hatte. Danach war er auf den Schießstand gegangen, hatte mehrere Runden mit seiner Beretta geübt und das Haus anschließend in Richtung des Hafens verlassen, wo er in der Gegend, in der schon vor langer Zeit die beiden Städte Rom und Ostia zusammengewachsen waren, einige Zeit lang ziellos durch die Straßen gewandert war. So hatte es zumindest ausgesehen. Was er jedoch eigentlich gemacht hatte war die Umgebung eines bestimmten Hauses zu prüfen. Hinterausgänge, Fluchtwege, enge Gassen, eventuelle Wege über die Dächer, die er ebenfalls noch einmal abging. Es war schon erstaunlich, wie gut sich die Erinnerung aus jener Zeit eingeprägt hatten, als eine grausige Serie von Morden ihn das letzte Mal in diesen Teil der Stadt geführt hatte. Als am Abend schließlich die ersten Nachtschwärmer auf den Straßen auftauchten wurde auch er wieder aktiv.

    Er steuerte auf ein bestimmtes Haus zu, in dem schon einige illustere Personen eingekehrt waren. Männer, oft in teuren Anzügen oder Designerklamotten, mit hübschen jungen Frauen oder auch schon in die Jahre gekommene Damen, die der gehobenen Gesellschaft zu entfliehen und eine zweite Jugend zu erleben versuchten. Die Liste der Gäste las sich wie das Who-is-Who der römischen Highsociety, oder zumindest jener Teile davon, die in zwielichtigeren Kreisen verkehrten. An der Tür des Hauses angekommen schob er sich mit einem älteren Mann, der gleich drei junge Frauen, von denen zumindest zwei den Eindruck vermittelten Kurtisanen zu sein, um es vorsichtig auszudrücken, ins Innere hinein. Als einer der Türsteher ihn aufhalten wollte, sagte er ihm: „Nein, nein. Sie wollen mich reinlassen. Mario kennt mich.“ „Das behaupten viele Leute.“ Er sah kurz genervt auf seine Schuhe, dann meinte er: „Ok, sie haben jetzt die Wahl: Entweder sie lassen mich rein, oder ich ramme sie unangespitzt in den Boden, gehe weg und komme mit einer ganzen Einheit wieder, die den Laden so lange auseinander nimmt, bis dieser menschliche Abschaum mit mir gesprochen hat.“ Bei diesen Worten schlug er seinen Mantel zurück, so dass man seine Dienstwaffe und den am Schulterhalfter getragenen Ausweis erkennen konnte. Von diesen ‚Argumenten’ sichtlich beeindruckt ließ der Stiernacken ihn schließlich passieren.

    Das Gebäude war einmal ein Fabrikkomplex gewesen, die sein derzeitiger Besitzer, besagter Mario, zu einem der exklusivsten Nachtclubs der Stadt umgestaltet hatte. Das einfache Volk kam nicht hier herein. Vielmehr brauchte es einen ganzen Batzen Geld auf dem Konto, der bedauerlicherweise auch das einzige Kriterium für den Einlass war. So hatten sich hier in der Vergangenheit auch einige Gestalten getummelt, die die Polizei nur allzu gerne in die Finger bekommen hätte. Und Sergio war sich ziemlich sicher, dass das immer noch der Fall war, auch wenn derartige Gäste nicht mehr so offen auftraten. Der Hauptraum hatte keine wirklichen Fenster mehr. Alte Fensteröffnungen waren vielmehr durch schusssicheres Milchglas ersetzt worden und die diffuse und zuerst auch etwas verwirrende Beleuchtung kam von verschiedenen Lampen, zu deren Bedienung professionelle Beleuchter eingestellt worden waren. Außerdem lag blauer Dunst diverser Tabakwaren in der Luft und eine Band spielte zwar handwerklich gute, aber letztlich ziemlich belanglose Musik. Als Sergio sich umsah war ihm allerdings sofort klar, dass die Leute, die sich hier auf den Polstermöbeln, an der Bar oder auf der Tanzfläche herumtrieben, nur die Kundschaft zweiter Klasse waren. Die wirklich gut betuchten Leute feierten in geschlossener Gesellschaft im Hinterzimmer.

    Er war nicht ohne Grund hier her gekommen. Die Tätowierungen an den Händen des Mordopfers waren ein Markenzeichen von einem von Marios Angestellten, der ein wahrer Meister im Umgang mit der Nadel war und den sie als sie diesen Ort damals auf den Kopf gestellt hatten, auch anderer Dienstleistungen hatten überführen können. Zu behaupten er sein ein gefährlicher Mann gewesen wäre schlichtweg eine Untertreibung. Er hatte wohl schon mehr Leute unauffällig und fast ohne Spuren beseitigt, als jeder andere in der Stadt. Sergio hatte nicht einmal gewusst, dass der Kerl schon wieder auf freiem Fuß war. Schließlich war er damals zumindest als Mitwisser an einer Serie von Morden beteiligt gewesen, die damit begonnen hatte, dass ein Mitglied der römischen Unterwelt eine Konkubine hatte beseitigen lassen, die bei Kopfkissengesprächen zu viel aufgeschnappt hatte. Durch eine unglückliche Entwicklung war aber schließlich eine Serie von unnatürlichen Toden daraus geworden, wie die Stadt sie noch nicht erlebt hatte.

    Er schob die Gedanken an damals beiseite und machte sich auf den Weg in Richtung der Hinterzimmer, wo er den Hausherren vermutete. Und tatsächlich kam Mario ihm auf halbem Wege entgegen, sichtlich daran interessiert den Polizisten nicht weiter hinein zu lassen. „Aquilani, was zur Hölle machen sie hier?“ „Ich denke das kannst du dir sehr gut vorstellen, du kleine Ratte.“ „Ja, aber verstehen kann ich es n…“ Bevor er den Satz beenden konnte zückte Sergio ein Bild, das eine Rekonstruktion des Gesichtes der Toten zeigte, und hielt es ihm unter die Nase. „Wer ist sie?“, fragte er gerade heraus. „Keine Ahnung. Und jetzt verschwinden sie.“ „Du hast dir das Bild nicht einmal angesehen.“ „Ja. Weil ich sie hier nicht haben will. Was meinen sie, wie meine Gäste darauf reagieren, wenn einer wie sie hier herum läuft?“ „Keine Ahnung. Wahrscheinlich nicht so gut. Was allerdings vermuten ließe, dass deine Gäste nicht ganz so sauber sind, wie du es uns glauben machen willst.“ „Raus, oder ich rufe meine Leute.“ Er seufzte. „Okay, dann auf die harte Tour.“

    Er vollführte einen blitzschnellen Ausfallschritt und packte sein Gegenüber am Kragen, um ihn durch eine Tür zu schieben, von der er noch wusste, dass sie in den hinteren Bereich führte. Dort schleifte er ihn in den erstbesten Raum, knallte ihn mit dem Oberkörper auf einen Tisch und begann ihn abzutasten. Mario protestierte zwar lautstark, doch Sergio schenkte seinem Gezeter keine weitere Beachtung. Dann förderte er aus einer seiner Innentaschen auf einmal eine Phiole mit einer halb durchsichtigen, milchigen Flüssigkeit zu Tage. „Sieh einer mal an“, sagte er mit einem breiten Grinsen und stellte das Ganze auf den Tisch, dass Mario es sehen konnte. „Du solltest es mittlerweile besser wissen, als dich mit Whiplash erwischen zu lassen. Jede Wette, dass ich noch mehr finden würde, wenn ich mich hier etwas umsehe. Das gibt bei deinem Vorstrafenregister fünf Jahre. Mindestens.“

    „Ja und“, meinte der Clubbetreiber, „wenn sie mir so kommen, holt man mich sofort wieder raus. Ich habe viele Freunde.“ „Fünf Jahre. Und ich werde dafür sorgen, dass du in den Knast nach Melilla kommst. Überleg es dir gut.“ Der andere gestattete sich ein süffisantes Lachen. „Netter Versuch.“ Sergio schwieg kurz. Dann nahm er die linke Hand von Marios Nacken und hielt damit seine Handgelenke fest, so dass er die Rechte freimachen und damit die Waffe ziehen konnte. „Ok, dann anders.“ Er drückte ihm den kalten Stahl der Pistole direkt in den Nacken. „Deine letzte Chance. Eins…“ Nichts. „Zwei…“ „Ich kenne ihr Spiel. Eins, zwei, drei. Schon klar. Und am Ende haben sie keine Kugel im Lauf.“ Sergio verzog missmutig das Gesicht. Mario wusste einfach zu gut über ihn Bescheid. Also ließ er ihn los und sagte: „Du kennst das Spiel? Dann ändern wir die Regeln.“ Mit diesen Worten drehte er ihn um, ging dreieinhalb Meter auf Abstand und lud die Waffe gut sichtbar durch. „Jetzt mach dir eines klar: Ich habe nach dem, was vor vierzehn Jahren passiert ist, keine Skrupel dich hier einfach über den Haufen zu knallen. Ich behaupte einfach es sei Notwehr gewesen. Und jeder wird mir glauben. Ein sauberer Schuss von vorne, ohne die Schmauchspuren eines aufgesetzten Schusses. Das Einzige, was mich davon abhalten würde, wäre, dass du anfängst mir etwas zu erzählen.“

    Nun schlich sich wirkliche Angst in das Gesicht des Anderen. „Eins.“ Nichts. Nur ein Zucken im Augenwinkel. „Zwei.“ Mehr und mehr verlor Mario die Kontrolle über seine Mimik. „Dr…“ „Okay, okay, ich sag ihnen, was sie wissen wollen.“ „Na also.“ Erneut hielt er das Bild hin, jedoch ohne dabei die Waffe zu senken. Mario betrachtete die Rekonstruktion kurz, dann meinte er: „Wenn auf der linken Gesichtshälfte noch ein kleiner Schönheitsfleck knapp unter der Nase säße, wäre sie es.“ „Wer?“ „Sie wissen, dass ich nie nach Namen frage. Aber sie war hier so etwas wie Stammkundin. Gehörte zur exklusiveren Gesellschaft.“ „Erzähl mir alles, was du weist.“ „Eigentlich nicht viel. Nur dass sie was Besonderes war. Das anmutigste Geschöpf unter Gottes weitem Himmel. Wenn sie hier rein gekommen ist, haben sich immer alle nach ihr umgedreht. Und wenn sie getanzt hat… Ich hätte Eintritt dafür nehmen können.“ „Irgendwas Substanzielles?“ „Ja, vielleicht. Sie war auf Whiplash. Hat mir jedes Mal eine Dosis abgekauft. Manchmal auch zwei. Schien sie aber kaum beeinträchtigt zu haben. Bei den Mengen, die sie genommen hat, hätte ein normaler Mensch schon dumpf röchelnd und sabbernd in der nächsten Ecke liegen müssen.“ Eine ungewöhnliche Frau, schoss es ihm durch den Kopf. Genauso ungewöhnlich, wie die Umstände ihres Todes. „Hat sie hier irgendjemanden getroffen?“ Mario nickte. „Wen?“ „Keine Namen.“ „Dann ein Gesicht. Zeig mir die Leute.“ Mit etwas Widerwillen und nach demonstrativem Spannen des Abzugshahnes kam er der Aufforderung schließlich nach. Er ließ Sergio einen Blick in die geschlossenen Zimmer werfen und deutete auf einige der dort sitzenden Männer. Beim Anblick jener Runde wurde dem Kommissar sofort klar, dass mehr hinter der Sache steckte, denn jedes einzelne der Gesichter konnte er sofort mit der Mafia in Verbindung bringen.

    Nachdem er das Etablissement verlassen hatte, hatte er sofort seine Partnerin angerufen und sie beauftragt Vorladungen für die entsprechenden Männer zu besorgen. Am nächsten Tag würden sie sie dann einkassieren. Danach ging er nach Hause, wo er sich sofort ins Bett legte. Die Nacht war jedoch weitgehend schlaflos. Immer wieder geisterten ihm Bilder der Leiche durch den Kopf. Es war definitiv ein Anblick, den man so schnell nicht vergaß.

    Am nächsten Morgen fand er sich zuerst in der Leichenhalle ein, wo die Pathologen bereits auf Chiara und ihn warteten. Während sie eintraten bemerkte er, dass seine Kollegin wie so oft mit Unbehagen auf diesen Ort reagierte. Sie hatte ‚das Schlachthaus’, wie sie es nannte, nie gemocht, jedoch immer die Disziplin besessen ihre Empfindungen beiseite zu schieben. Doch dieses Mal war die Abneigung stärker. Die Idee diese Leiche aufgeschnitten zu Gesicht zu bekommen war mehr als unangenehm. Als sie allerdings den Obduktionsraum erreichte, waren die gekachelten Tische allesamt leer. Lediglich einer der Pathologen kam ihnen entgegen und reichte ihnen die Hand. „Wünsche einen schönen Morgen, Commissarios. Sie sind wegen der Leiche von vorgestern hier?“ Aquilani nickte. „Sie haben uns gemeldet mit der Untersuchung fertig zu sein.“ „Ja, das kann man so sagen. Auch wenn ich nicht wirklich schlau daraus werde.“

    Er führte sie in ein Büro, wo er ihnen Sitzgelegenheiten anbot. Dabei meinte er: „Ich hoffe sie verstehen, dass ich ihnen die Leiche nicht noch einmal zeige, aber den Anblick, den sie im Inneren geboten hat, würde ich ihnen gerne ersparen.“ „Wie meinen?“, fragte Sergio. „Damit meine ich, dass ich vier Jahre für ein Hilfsprogramm in den Städten der Elfenbeinküste gearbeitet und gesehen habe, was es den Leuten dort angetan hat, dass der Westen dort Jahrzehnte lang Giftmüll verklappt hat. Glauben sie mir, sie wollen nicht wissen, was ein Cocktail aus allen Dirty Dozen einem Menschen antut. Aber verglichen mit ihrer Leiche hier war das alles harmlos. Wie die Organe dieser Frau aussehen ist wirklich ekelig.“ Sergio wurde hellhörig. „Was haben sie entdeckt?“ „Jede Menge Sachen, die ich mir nicht erklären kann. Das Augenfälligste war, dass ihr gesamtes Nervensystem geliert war und ihr Gehirn sich zusammen mit einem halben Dutzend anderer Organe in einem Zustand der Auflösung befand.“ „Geliert?“, fragte Chiara mit einigem Entsetzen in der Stimme. Der Arzt nickte. „So was habe ich noch nie gesehen. Aber ich kann sagen, dass es von den Verbrennungen aus durch den ganzen Körper gewandert ist. Was immer auch sie getroffen hat, ich würde sagen es war eine Waffe, die auf jeden Fall töten sollte. Selbst ein Streifschuss aus so etwas würde jemanden umbringen.“ „Und die Organe?“ „Soweit ich das sagen kann wurde die Auflösung vom selben Effekt verursacht. Jedenfalls war das Gehirn zum Teil verflüssigt. Und sie war wohl noch am Leben, als der Effekt einsetzte.“

    Die beiden Kriminalisten schwiegen für einen Moment, dann fragte Sergio mit gedrückter Stimme: „Sonst noch etwas Ungewöhnliches? Ich habe eine Zeugenaussage, dass sie Whiplash genommen hat.“ Der Arzt schüttelte den Kopf. „Keine Anzeichen dafür. Aber es würde mich nicht wundern, wäre es trotzdem so gewesen. Bei dem Metabolismus, den sie gehabt zu haben scheint, hätte ihr das nicht viel ausgemacht. Außerdem war sie deutlich älter, als man es ihr ansah.“ „Wie meinen sie das? Antiagatika?“ „Oh nein. Die sind erst seit knapp fünfzehn Jahren auf dem Markt. Und sie war mindestens dreihundert.“ „Drei…“ „Ja, so habe ich zuerst auch reagiert. Aber es ich habe die Zellalterung anhand der Chromosomen untersucht. Das Funktioniert bei allen aminosäurebasierten Lebensformen, die wir kennen. Ach und wo wir gerade bei Chromosomen sind: Sie hatte 32 davon.“ Etwas verwundert fragte Chiara: „Aber hat der Mensch nicht nur 24?“ Der Arzt nickte. „Ganz richtig. Und so betrachtet war sie kein Mensch. Ich hab eine DNA-Probe zur Analyse geschickt. Bin gespannt, was dabei heraus kommt.“ „Dann haben wir hier also einen toten Alien herumliegen?“ „Sieht ganz danach aus.“

    Als sie die Leichenhalle wieder verließen meinte Sergio mit scharfer Stimme: „Wir halten den Bericht vorerst unter Verschluss. Kein Wort zu niemandem. Ich weis, wenn Außerirdische involviert sind, fällt es eigentlich in die Zuständigkeit von Europol, aber wenn wir die jetzt mir reinziehen, werden die Verantwortlichen wahrscheinlich nervös. Wir müssen erst mehr wissen, bevor sie sich absetzen oder unser Informant aus dem Verkehr gezogen wird.“ „Was für ein Informant?“ „Denken sie nach. Die Leiche war so platziert, dass wir sie finden mussten. Irgendjemand will, dass wir der Sache nachgehen. Oder jemandem einem Botschaft senden. Und in jedem Fall will ich genaueres wissen.“ Sie nickte. „Was machen wir dann?“ „Wir kassieren die halbe Führung der örtlichen Mafia ein.“

    Am späten Abend desselben Tages saß Sergio erschöpft in seinem Büro. Er hatte, nicht zuletzt aufgrund der wenig erholsamen letzten Nacht, mittlerweile Ringe unter den Augen und versuchte sich mit einem starken Espresso noch einmal die nötige Energie für ein weiteres Verhör zu holen. Sie hatten am Vormittag alle Männer zum Verhör geholt, die Mario ihm gezeigt hatte. Doch bisher hatte er bei allen auf Granit gebissen. Jeder einzelne von ihnen war ein Profi und wusste, dass sie sie nicht lange würden festhalten können, solange sie niemandem etwas beweisen konnten, zumal sie nicht einmal wussten, welche Vorwürfe sie überhaupt erheben sollten. Während er einige Kollegen dazu geholt hatte, um die bisher verhörten noch einmal in die Mangel zu nehmen, wollte er sich den letzten vorknüpfen. Er ging noch einmal schnell die Akte des Mannes durch. Er zählte zu den Jüngeren der hiesigen Unterwelt, hatte jedoch schon eine beeindruckende Karriere hinter sich. Ein ehrgeiziger Mann mit dem Drang nach oben. Aber trotzdem war er vielleicht die beste Chance etwas zu erreichen.

    Er ging begleitet von Chiara in den Verhörraum, wo der immer noch in edle Tenniskleidung – man hatte ihn vom Platz mitgenommen – gekleidete Mafioso auf sie wartete. Er begrüßte sie mit einem arroganten Blick und meinte: „Man hat mir bisher noch nicht einmal ein Gespräch mit meinem Anwalt gestattet. Dafür werden sie gewaltige Probleme bekommen, dass ist ihnen hoffentlich klar.“ „Ansichtssache“, antwortete Sergio. Dann knallte er ihm ein Foto der Ermordeten auf den Tisch. „Kennen sie diese Frau?“ Ein leichtes Zucken verriet ihn, obwohl er zuerst abstreiten wollte. „Nein.“ „Versuchen sie nicht uns für dumm zu verkaufen Signore. Ihr Gesicht reagiert schneller, als ihr Verstand. Ganz abgesehen davon habe ich wenn ich will in einer Stunde ein Dutzend Zeugenaussagen von Leuten, die sie zusammen gesehen haben.“ „Ach? Warum fragen sie dann überhaupt noch?“ „Weil ich wissen will welcher Art ihre Beziehung zu ihr war.“ „Warum war?“ Chiara sah ihn sehr abschätzig an. „Können sie sich dass nicht denken?“ „Sie meinen…“

    „Ich meine, dass wir sie auf eine so bestialische Art zugerichtet gefunden haben, wie nicht einmal ihr Freund Viti es hinbekommen hätte.“ „Tot?“ „So tot wie man nur sein kann.“ „Auf welche Art?“ „Glauben sie mir, dass wollen sie nicht wissen.“ „Oh doch, das will ich.“ Sergio nickte. „Also gut. Auf ihre Verantwortung.“ Mit diesen Worten holte er Fotos des Fundortes und der Obduktion hervor und legte sie dem Kriminellen vor. Dieser starrte zuerst fassungslos darauf und fragte dann: „Wollen sie mich verarschen?“ „Nein, sie hat wirklich so ausgesehen.“ Als ihm klar wurde, dass er keinem schlechten Scherz aufsaß, beugte er sich auf einmal zusammen, als habe er Leibschmerzen und hielt sich die Hand vor den Mund. Offenbar musste er mit Übelkeit kämpfen. „Das… Das kann doch nicht sein.“ „Wollen sie die Leiche in Natura sehen?“ Er schüttelte den Kopf. Dann wurde sein Gesichtsausdruck schließlich wütend und deutete auf das Aufnahmegerät auf dem Tisch. „Nicht solange dieses Ding aktiv ist.“ Die beiden Beamten sahen einander kurz an, dann schaltete Chiara es aus. „Gut“, meinte der Mafioso, „ich sage ihnen, was ich weis. Aber ich will den Verantwortlichen.“ „Sie wissen, dass ich auf so etwas nicht eingehen kann.“ Er nickte. „Dann machen wir es anders. Sobald sie wissen, wer es war, sagen sie es mir. Dann soll Gott entscheiden wer zuerst bei ihm ist. Sonst sage ich nichts.“ „…Also gut. Reden sie.“

    „Sie… Sie war etwas Besonderes. Sie ist damals aufgetaucht, kurz nachdem Mario seinen Club in Ostia aufgemacht hat. Sie war die Schönste von allen, die dort hingekommen sind. Aber sie war nicht auf Vergnügen aus, sondern auf Geschäfte.“ „Geschäfte welcher Art?“ „Sie wollte Informationen von uns kaufen. Jede Menge Zeug, bei dem wohl nur sie die Zusammenhänge kannte. Es ging um Orte, Organisationen und Personen die um die ganze Welt verstreut waren. Wir vermuteten, dass sie eine größere Organisation vertrat, konnten es aber nie beweisen. Aber sie wusste, wie man einen Mann um den Finger wickelt und hat verdammt gut bezahlt.“ „Was für Informationen wollte sie haben?“ „Kann ich ihnen unmöglich alles aus dem Kopf sagen. Aber ich werde dafür sorgen, dass man ihnen eine Liste macht.“ „Und was wissen sie über sie selbst? Wie hieß sie?“ „Sie meinte ihr Name wäre Cecilia. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht stimmt.“

    „Das ist nicht gerade viel.“ Er nickte. „Aber mehr habe ich nicht.“ „He, sie wollen ein Wettrennen zum Schuldigen. Also legen sie sich etwas mehr ins Zeug.“ Er dachte kurz nach. Dann fischte er einen Ring hervor, den er an einer Kette um den Hals trug. „Sie finden es ja doch heraus, also will ich mit offenen Karten spielen. Sie hatten eine Affäre, auch wenn ich glaube, dass sie nur mit mir gespielt und mich benutzt hat. Sie hat mich immer wieder für kleinere Aufgaben eingespannt. Schmuggel, ein paar Erpressungen oder Informationsbeschaffung. Normalerweise lasse ich mich vor einem solchen Hintergrund nicht auf so etwas ein, aber eine Frau wie sie… Die meisten Männer, die ich kenne, hätten gemordet, um ihren Willen zu erfüllen. Sie hat mir dann vor ein paar Wochen diesen Ring gegeben. Sie meinte ich solle ihn kurzzeitig für sie verwahren. Versprechen sie mir, dass sie den Täter bekommen, dann überlasse ich ihn ihnen.“

    Nach den Verhören fuhr Sergio nach Hause. Dort legte er sich nach einem schnellen Abendessen sofort ins Bett, konnte allerdings nicht sofort einschlafen, so dass er schließlich wieder sein Notizbuch gezückt hatte und seine Gedanken aus den letzten Tagen durchgegangen war. Nachdem er gut eine Stunde so dagelegen hatte war auch seine Frau, die an diesem Abend noch unterwegs gewesen war, nach Hause gekommen. Als sie das Schlafzimmer betrat, konnte er nicht anders, als breit zu lächeln. In seinen Augen war sie eine wahre Schönheit und ein echtes Vollweib voller Energie und Selbstbewusstsein. Böse Zungen hatten zwar behauptet sie sei angesichts ihrer Herkunft als Tochter eines reichen Patriziers für ihn als einfachem Kriminalisten die Eintrittskarte in die besseren Familien der Stadt gewesen, doch solche Unkenrufe hatten ihre Ehe nie gestört. Sie legte sich zu ihm ins Bett und sagte: „Ich bekomme dich in den letzten Tagen kaum noch zu sehen. Hast du so viel zu tun?“ Er nickte und sagte: „Ein ziemlich widerlicher Fall. Und einer, in dem wir nicht wirklich weiterkommen. Wir haben halb Rom vorgeladen, wissen aber immer noch nichts über das Opfer.“

    Seine Stimme klang bei diesen Worten rau wie ein Reibeisen. Sie strich ihm sanft über den Kopf und sagte dabei: „Du arbeitest zu viel. Vielleicht solltest du mal Urlaub nehmen.“ Er lachte und antwortete: „Sag das den Verbrechern dieser Stadt.“ Sie schmunzelte ebenfalls, dann setzte sie sich im Bett auf, rückte sich so, dass sie seinen Kopf auf ihren Schoß legen konnte und fing an seine Schultern zu massieren. „Du bist total verspannt…“ Er schloss kurz die Augen und genoss den Moment, während sie sich die aufgeschlagenen Seiten auf dem Notizbuch ansah. Darin standen die Zeilen, die er beim Überflug der ‚Roma’ aufgeschrieben hatte:

    Licht gezähmter Sterne,
    golden scheint es auf uns herab,
    Von einer Barke gleich dem,
    Sonnenwagen alter Zeit

    Oh wie quälst du meine Seele, güldener Schein?

    Träume dereinst so fern,
    sind lebendig uns geworden,
    Grenzen einst unerreicht gesagt,
    sind bald gefall’n vor Menschen Antlitz

    Oh, welch Mächte haben wir beschworen?

    Die Erd’ geschrumpft binnen ein’s Augenblicks
    zu winzigen Komplexen,
    Gar allen Zaubers beraubt

    Atom gespalten von unsrem Geist,
    der Sterne altes Feuer,
    Hinabgeholt auf die Welt

    Nichts das mehr unfassbar,
    kein Traum der unerreichbar ist,
    Der Mensch er ward selbst zum Gott

    Oh du meine Seele, ich trauere um dich.

    Die Welt habt ihr bezwungen, in all eurer Macht. Habt Berge gar versetzt und Ozeane fortgewischt. Doch zu hoch war der Preis, das Feuer unsrer Herzen. Zu viel ist erreicht, zu wenig bleibt geträumt. Die Zukunft selbst habt ihr eingesperrt, erforscht und erklärt. Doch wie kann es ein Morgen geben ohne Sonne, wenn nur brennendes Gas den Himmel erhellt? Ihr nehmt mir meine Träume. Du meine Seele, die das Tier zum gefallenen Engel erhebt, du meine Seele bist ohne Zukunft. Sie haben sie eingesperrt, diesen wundervollen Vogel des Paradieses, bis seine blauen Federn ergraut und sein Herz erstorben war.

    Oh du meine Seele singe. Verliere dich in der Melodie. Lass dich tragen von den Harmonien, aus denen unser Herz spricht.

    Oh du meine Seele, lass das denken. Singe, träume. Träume vom blauen Vogel.

    „Ein schönes Gedicht.“ „Hm? Findest du?“ „Natürlich. Mein ganz eigener Lieblingsdichter hat es geschrieben.“ Er lachte leise. Dann schlug er die Augen wieder auf und blätterte im Buch einige Seiten weiter, wo die Notizen über den Fall standen. Dabei war auch ein Foto des Ringes. Als sie ihn sah, fragte sie: „Hat das was mit eurem Mord zu tun?“ „Es ist das einzige wirkliche Beweisstück, das wir bisher haben. Die Tote hatte es jemandem zur Verwahrung gegeben.“ „Das kann aber nicht sein.“ „Das sage ich mir bei einigem bei diesem Fall. Warum?“ „Weil das der Siegelring eines Kardinals ist.“ Sie nahm sich das Foto und betrachtete es genauer. „Und zwar eines toten Kardinals…“ „Eines Toten?“ „Ja. Der Mann hieß Glick. Saß fast fünfzig Jahre im Kollegium. Zuerst war er für die vatikanischen Archive zuständig, dann berief man ihn zum Leiter des Officio Sanctum. Ich hatte bei meiner Arbeit oft mit ihm zu tun. Er ist vor knapp sechs Monaten nach langer Krankheit gestorben.“ „Bist du dir sicher?“ „Ich habe in meinem Schreibtisch Dutzende Briefe mit seinem Siegel liegen. Es ist ganz sicher seines.“ „Und wie könnte jemand an so etwas kommen?“ „Das dürfte eigentlich nicht möglich sein. Die Leitung des Officios ist eine wichtige Position. Die Kardinalsringe der Leiter dienen als Symbole ihrer Autorität und werden entweder sicher verwahrt oder zerstört, wenn der Besitzer stirbt.“ Sergio dachte einen Moment lang nach. Seine Frau hatte nicht nur privat ein deutlich engeres Verhältnis zur Kirche als er, sondern hatte durch ihre Arbeit als Historikerin immer wieder mit dem Officio zu tun gehabt, wenn sie Einblick in die alten Inquisitionsarchive hatte nehmen wollen. Er war völlig willens ihr zu glauben, wenn sie diesen Ring wieder erkannt haben wollte. Vielleicht war es Zeit einmal im Vatikan vorstellig zu werden.

    Am nächsten Morgen hatte er Chiara telefonisch aus dem Schlaf gerissen, kaum dass der neue Tag sich mit einem roten Streifen am Horizont angekündigt hatte. Gemeinsam waren sie zum Vatikan gefahren. Zunächst hatten sie sich direkt an das Officio wenden wollen, waren jedoch von einigen Schweizer Gardisten am betreten des Gebäudes gehindert worden. So waren sie zuerst an die vatikanische Gendarmerie verwiesen worden. Ein Kommissar hatte sie in sein Büro gebeten und gefragt, was sie zu dieser frühen Stunde in der Vatikanstadt wollten. Als sie ihm jedoch den Ring auf den Tisch gelegt hatten, war alles ziemlich schnell gegangen. Keine Viertelstunde später waren zwei Männer in der Kleidung von Priestern in den Raum gekommen und hatten den Polizisten fortgeschickt. Dann hatte einer von ihnen sich den beiden gegenüber gesetzt und mit skandinavisch klingendem Akzent gesagt: „Ich bin Pater Andersen. Willkommen im Vatikan.“ Dabei hatte er den Ring betrachtet und zwischen den Fingern gedreht. „Wie sind sie hier dran gekommen?“

    „Dieser Ring wurde uns als Beweisstück in einem Mordfall zugespielt.“ „Hm. Ihr Hiersein verrät, dass sie wissen, worum es sich dabei handelt.“ „Nach unserem Kenntnisstand um den Ring des verblichenen Kardinal Glick.“ „In der Tat. Der Kardinal hatte nach dem Tod des Heiligen Karol und der Wahl von Papst Benedict die Leitung des Officios vom seligen heiligen Vater übernommen. Damit wurde er zum obersten Verteidiger unserer Kirche bestellt. Er hat dieses Amt auch unter seiner Heiligkeit Papst Lukas ausgeübt. Allerdings ist er vor einem halben Jahr gestorben.“ „Und ich vermute sein Ring ist dabei abhanden gekommen.“ „Nicht direkt. Er hat es abgelehnt ihn an uns zu übergeben. Stattdessen hatte er ihn nach eigener Aussage einer Person seines Vertrauens gegeben. Ein solcher Vorgang ist... nun ja, einmalig in der Kirchengeschichte. Aber wir konnten nicht viel tun, da seine Eminenz sich weigerte den Namen besagter Person weiter zu geben.“ „Nun, es war wohl diese Frau hier.“ Sergio schob Andersen ein Bild der Toten über den Tisch. Dieser nahm es, sah es kurz an und zeigte es dann seinem Begleiter, um sich kurz mit ihm zu besprechen. Dann sagte er an die Polizisten gewandt: „Wir kennen diese Frau. Sie war eine Vertraute des Kardinals. Angeblich fühlte er sich ihrer Familie verpflichtet.“ „Dann pflegte sie einen merkwürdigen Umgang. Sie verkehrte mit Angehörigen der Maffia und mit einem ranghohen Kardinal.“ Andersen zog eine Augenbraue hoch. „Die Mafia? Verabscheuungswürdig, aber offenbar nicht mehr von Bedeutung. Aus ihren Worten schließe ich, dass sie tot ist.“ „In der Tat, das ist sie. Wir haben ihre Leiche, wissen aber so gut wie nichts über sie.“ „Dann können wir ihnen weiter helfen. Wir haben ihre Adresse.“

    Zusammen mit den beiden Priestern, die darauf bestanden hatten mitzukommen, waren sie zu einem Haus in der Altstadt von Rom gefahren. Das uralte Haus, das noch aus dem Mittelalter stammte, vermittelte nicht den Eindruck besonderen Wohlstandes oder der Form von Exklusivität, die Sergio irgendwie erwartet hatte, war jedoch angesichts seiner Lage in verwinkelten, wenig öffentlichen Gassen ein Ort, den er als Versteck in Erwägung gezogen hätte. Sie stiegen in den siebten Stock, eine Etage unter dem Dach, hinauf und suchten ein Zimmer am Ende des Flures auf. Vor der Tür zeigten die Priester sich jedoch von einer denkbar unchristlichen Seite, indem sie beide unter ihre Soutanen griffen und SIG P380 zogen, um anschließend in den Ärmeln ihrer Gewänder versteckte Geräte zu aktivieren, die Schilde um sie aufflammen ließen. Dann verschafften sie sich Zutritt, indem sie die Tür kurzerhand auftraten. Beide stürmten mit der Waffe im Anschlag hinein. Als die Polizisten ihnen folgten, fanden sie sie allerdings vor Schreck erstarrt vor. Sie waren durch die Tür direkt in den Wohnraum gelangt. Und dort, auf einem Sessel der Tür zugewandt, saß Kardinal Glick.

    Der vormalige höchste Anführer des Officios zeigte keine Anzeichen der schweren Krankheit mehr, die ihn vor einem halben Jahr dahin gerafft haben sollte und wirkte um Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte jünger. Zudem trug er einfache Zivilkleidung. Doch das wissende Lächeln auf seinen Lippen und die Art, wie er die beiden Priester ansah, zeigten eindeutig, dass er es war. „Gott zum Gruße, Gunnar, Alfonso. Und ihnen beiden, meine Herrschaften, einen schönen guten Tag.“ Die beiden Priester brachten zuerst keinen Ton heraus. Dann stammelte Pater Andersen, den Glick Gunnar genannt hatte: „I… Ihr seid tot. Ich habe euch auf dem Totenbett die Augen geschlossen.“ „Nun, danach hat es immerhin ausgesehen.“ Glick erhob sich, doch im selben Moment richteten zuerst der dänische Priester und dann sein Kollege ihre Waffen auf ihn. „Was wird hier gespielt?“ „Du richtest eine Waffe auf mich?“, fuhr Glick ihn mit scharfer und befehlsgewohnter Stimme an, die den Priester zucken lies. „Erinnere dich daran, wem du gegenüber stehst.“

    „Eben das weis ich nicht“, antwortete der Däne, senkte aber trotzdem langsam die Pistole. „Doch, das weist du. Ich bin derselbe Mann, unter dem du zehn Jahre lang der heiligen Kirche gedient hast. Du hat nur nicht alle Facetten meines Wesens gekannt.“ „Dann klären sie uns auf“, schaltete Sergio sich ein. „Wie können sie noch am Leben sein, in welchem Verhältnis stehen sie zu der Ermordeten und um was geht es hier?“ Bei diesen Worten machte er einen Schritt auf Glick zu. Dieser hob abwehrend die Hände und sagte: „Das sind eine Menge Fragen, Commissario Aquilani. Wundern sie sich nicht, dass ich weis, wer sie sind. Ich hatte viel mit ihrer Frau zu tun. Zunächst möchte ich ihnen erklären, dass ich nicht bin, für was man mich allgemein gehalten hat. Ich bin vom Blut her zur Hälfte ein Antiker. Ich nehme an sie haben von meinem Volk gehört?“ „Antiker? Diese Typen aus den Kinofilmen?“ Glick lachte. „Sozusagen. Auch wenn ich sagen muss, dass die Filmemacher dieser Welt bisher einen bedauerlichen Hang zur ungerechtfertigten Glorifizierung meines Volkes haben. Ich kann ihnen allerdings versichern, dass diese Darstellungen insofern stimmen, dass wir ein altes Volk aus der Zeit vor den Goa’uld sind.“

    „Und wie kommen sie hier her?“ „Mein Volk… oder vielmehr das Volk meiner Mutter… was davon übrig ist lebt seit seiner Rückkehr aus der Pegasus-Galaxie unter den Menschen dieser Welt. Rom ist dabei seit langer Zeit die Stadt, in der die meisten von ihnen leben. Ich bin in dieser Stadt als einer von ihnen geboren und aufgezogen worden. Und als ich alt genug wurde, um der Gesellschaft zu dienen, wurde ich dafür ausgebildet unter den Menschen zu agieren, um Informationen zu sammeln und Gefahren abzuwehren. Diese Pflicht führte mich schließlich zu Amt und Würden eines Kardinals.“ Andersen fixierte ihn für einen Moment, wie ein Raubtier seine Beute. Dann fragte er mit gefährlich ruhigem Tonfall: „Ihr habt unsere Kirche unterwandern sollen?“ „In gewisser Weise schon“, antwortete Glick in beruhigendem Tonfall. „Die heilige Kirche… Wir hatten nie erwartet, dass die Menschen fähig wären so etwas aufzubauen. Diese Organisation ist langlebiger und ihre Archive sind älter, als das bei jeder anderen in der Geschichte dieses Planeten der Fall ist. Das macht sie für die Antiker gefährlich, weil sie sie mehr als einfach überführen könnte, würde sie es wirklich versuchen. Aber bevor du mich verurteilst, mach dir eines klar: Ich habe der Kirche Jahre lang gedient, wie ich dem Rat der Antiker gedient habe. Und ich habe ihr nie geschadet. Selbst wenn es den Interessen des alten Volkes zunächst zuwider lief habe ich immer versucht eine Lösung für beide Seiten zu finden. Nicht zuletzt deshalb, weil die Kirche auf das Leben von ungleich viel mehr Individuen Einfluss hat, als der Rat.“

    Andersen nickte schließlich und steckte seine Pistole ganz weg. Dabei wies er seinen Begleiter an dasselbe zu tun. Nun wandte Glick sich an Sergio. „Um ihre anderen Fragen zu beantworten: Alles, was im letzten halben Jahr passiert ist, diente einem größeren Ziel. Der Tod meiner Identität als Kardinal war schon seit langer Zeit geplant. Man gab mir ein Gift, das mich schneller altern ließ, als das auf natürliche Weise der Fall gewesen wäre, und ließ mich schließlich den Tod finden, so dass ein Arzt des Vatikan meinen Tod bestätigen konnte. Danach holte man meine Leiche aus dem Grab und holte mich ins Leben zurück. Die Technologie dafür wird bei meinem Volk nicht oft genutzt, wenn es aber um Agenten wie mich geht, ist es allerdings die einzige Möglichkeit den Menschen glaubhaft zu machen, dass wir tot sind. Damals gab es bei meinem Volk allerdings schon eine Entwicklung, die mich beunruhigte. Deshalb gab ich einer Freundin den Kardinalsring, weil ich wusste, dass ich so auf unauffällige Art eine Fährte legen konnte, die jemanden zu mir führen konnte.“

    „Und zu welchem Zweck?“ Glick hielt die Arme in einer Geste, die totale Offenheit suggerieren zu sollen schien, zunächst vom Körper weg, dann verschränkte er die Hände vor dem Körper und meinte: „Das Volk der Antiker hat nicht nur auf der Erde überlebt, sondern auch an einem Ort, von dem wir keine Ahnung hatten, dass dort eine Zivilisation aufgebaut werden konnte. Wir hatten vor gut einem Jahr, während der Ereignisse um die Schlacht über ihrer Kolonie Elysium, Kontakt mit diesen Leuten. Und sie entsprechen keinesfalls dem Bild des tapferen und noblen Älteren, das so viele Menschen unbegreiflicherweise von meinem Volk haben. Einer von ihnen war seitdem hier in Rom zu Gast. Der Rat nahm ihn wie einen lang verschollenen Bruder auf, ignorierte dabei aber etwas.“ „Und was?“ „Diese Leute sind verzweifelt. Sie kämpfen einen Krieg, den sie nicht gewinnen können. Und ich habe herausgefunden, was der Rat nicht erkennen wollte. Sie, unsere Brüder am Rand dieser Galaxie, haben diesen Krieg angefangen. Und jetzt, wo der Feind sie zu zermalmen droht und es keinen Verbündeten gibt, der stark genug wäre ihre Vernichtung noch zu verhindern, greifen sie nach der einzigen Waffe, die ihnen noch helfen kann.“

    Er machte einen Schritt auf die Menschen zu und sah sie dabei eindringlich an. „Dieser Soldat, den ich damals gerettet habe, hat sich Verbündete unter den Antikern Roms beschafft und versucht die Pläne der gefährlichsten Waffe an sich zu bringen, die jemals konstruiert wurde. Ich habe mit der Hilfe meiner Freundin versucht ihn aufzuhalten, aber wir sind gescheitert. Seine Unterstützer haben uns vor dem Rat erfolgreich diskreditiert und wir konnten nichts tun, um ihm das Wissen vorzuenthalten. Also haben wir es mit handfesteren Mitteln versucht. Aber meine Freundin… Armelia wurde dabei getötet. Die einzige Möglichkeit, die ich danach noch gesehen habe, war ihre Leiche so zu platzieren, dass man sie finden musste, mich hier verstecken und darauf zu hoffen, dass jemand rechtzeitig die Spur aufnehmen würde.“

    „Und was haben sie jetzt vor?“ „Das liegt ganz an ihnen. Wenn sie bereit sind mir zu helfen, dann will ich Decius aufhalten.“ „Obwohl es gegen das Volk ihrer Mutter ginge?“ „Nein. Gerade weil es ein Dienst an allen anderen Völkern wäre. Die Legion muss fallen.“ „Und ich nehme an, dass sie keine Beweise erbringen können, die ihre Geschichte stützen.“ „Keine. Außer fünfzig Jahre treuen Dienstes im Namen der Kirche und der Tatsachen, die sie, Comissarios, mit Sicherheit schon ermittelt haben.“ Sergio und Chiara waren zuerst noch unschlüssig, doch Andersen kam ihnen mit einer Antwort zuvor. „Das reicht mir“, verkündete er voller Überzeugung in der Stimme. Dabei kniete er vor Glick nieder. „Wenn ihr der Mann seid, den ich seid zehn Jahren kenne, dann will ich mein Gehorsamsgelübde ehren. Befehlt, Kardinal, und ich werde folgen.“ Nach etwas längerem Zögern ging auch der andere Priester in die Knie. Schließlich zuckte Sergio nur mit den Schultern und sagte: „Tja, die Alternative wäre euch jetzt festzunehmen. Aber dazu fehlt mir ja wohl die Möglichkeit. Also, was habt ihr vor?“

    Glick lächelte erfreut und teilte mit: „Decius und seine Helfer haben die Pläne, aber keine Möglichkeit sie zur Legion zu übermitteln. Sie brauchen einen hinreichend starken Transmitter. Ein solches Gerät ist für sie momentan nicht erreichbar, also müssen sie selbst einen bauen. Außerdem braucht das ganze genug Energie. Die Subraumsignatur des Transmitters wäre also stärker, als alles andere, was sich im Moment in Mittelitalien befindet.“ „Und wie könnten wir sie aufspüren?“ „Ich bräuchte Zugang zu den Sensoren der ‚Maria’.“ Andersen nickte. „Legen sie dem heiligen Vater ihre Geschichte dar, dann wird er sofort zustimmen.“ Glick grinste gequält. „Ich bezweifele, dass Papst Lukas mir in dieser Sache helfen kann“ „Ihr müsst auf seine Weisheit vertrauen.“ „Nein, dieses Mal nicht. Ich will es offen sagen: Ich war nicht der einzige Agent des Rates im Vatikan. Wenn ich auf einmal eine Audienz beim heiligen Vater beantrage, wird Decius davon erfahren.“ „Dann gibt es vielleicht noch eine andere Möglichkeit“, ergriff Chiara das Wort. „Was meint ihr?“ „Mein Freund arbeitet bei einem Telekommunikationsanbieter für Kommunikation mit den Kolonien. Die setzen Peilgeräte ein, um Piratensender aufzuspüren.“ „Können sie mich dort hin bringen? Dann kann ich die Sensoren kalibrieren, um den Transmitter aufzuspüren.“ Sie nickte.

    Eine gute halbe Stunde später lenkte Andersen den Wagen, mit dem sie vom Vatikan aus zur Wohnung gefahren waren, ein Fahrzeug aus dem Fuhrpark des Vatikan, mit hohem Tempo durch die Straßen Roms zu der von Chiara angegebenen Adresse. Sie mussten aus der Altstadt in einen der nördlichen Vororte. Bei einem größeren Platz waren sie allerdings gezwungen an einer Ampel zu halten, wo sich hunderte Passanten, in der Mehrzahl Touristen, über die Straße wälzten. Sergio, der ein ungutes Gefühl gehabt hatte, seit sie die Wohnung verlassen hatten, ließ seinen Blick dabei permanent durch die Menge schweifen. Plötzlich glaubte er einen nur Sekundenbruchteile dauernden Lichtblitz irgendwo in der Menge zu bemerken. Er hatte so etwas schon einmal gesehen, ging es ihm durch den Kopf. Aber wo nur? Militärische Transportertechnologie? „Glick“, fragte er, „können die sie orten?“ „Nein, mich nicht.“ Er schien kurz nachzudenken. Dann fluchte er auf einmal und rief: „Aber diesen Wagen. Alle raus!“

    Die Warnung kam keine Sekunde zu spät. Als letzter schaffte es Andersens spanischer Kollege sich mit einem Hechtsprung aus dem Fahrzeug in Sicherheit zu bringen, dann wurde der Wagen plötzlich von einem Energiestrahl aus der Menge getroffen, der die Energiezellen überlud und ihn explodieren ließ. Sergio wurde bei der Explosion von den Füßen gerissen. So schnell er konnte rappelte er sich wieder auf und zog seine Waffe. Um ihn herum war die Menge in wilde Panik geraten und lief schreiend auseinander, in der Hauptsache weg vom brennenden Fahrzeugwrack. Er konnte kein Ziel ausmachen. Es waren einfach zu viele Zivilisten unterwegs. Verdammte Touristen! Die beiden Priester schienen dasselbe Problem zu haben, wobei der Spanier sich allerdings auf Glick geworfen und ihn zu Boden gedrückt hatte. Dann durchzuckten zwei weitere Schüsse das Gedränge. Der eine traf den Spanier und durchbrach seinen Schild, als sei er nur dünne Luft. Er wurde zur Seite geschleudert, so dass der zweite Schuss Glick treffen konnte. Der vormalige Kardinal schaffte es allerdings sich fallen zu lassen, so dass der Schuss ihn nur streifte. Dann schien Andersen ein Ziel ausgemacht zu haben. Er legte an und schoss drei Mal kurz hintereinander.

    Die plötzliche Gegenwehr schien die Angreifer zu verschrecken, denn es folgten keine weiteren Schüsse mehr. Sergio lief indessen zu Glick. Dieser krümmte sich vor Schmerzen am Boden. Die Atmung war schnell und unregelmäßig, seine Gliedmaßen zitterten. Er hielt sich dabei krampfhaft den Arm fest, an dem er getroffen worden war. „Wie schlimm ist es?“ „Todesurteil“, brachte der Antiker mit unregelmäßiger Stimme heraus. „Kriegsdisruptor. Gngngnhhh. Löst d… d… Nervensystem auf. Streif… schuss tödlich.“ In diesem Moment kamen ihm die Worte des Pathologen in den Sinn. Vom Treffer ausgehend… „Andersen, ich brauche ein Messer.“ Ohne nachzufragen wozu warf der Priester ihm eines zu. Er fing es auf und amputierte Glick kurzentschlossen und mit aller Kraft den Arm knapp unter der Schulter. Dann nahm er seinen Gürtel und schnürte die Schulter damit ab. Der ‚Patient’ schrie dabei wie am Spieß, wurde dann jedoch aufgrund des Schmerzes ohnmächtig. „Chiara“, brüllte Sergio, „kommen sie her!“ „Was ist?“ „Beschlagnahmen sie ein Fahrzeug und bringen sie ihn in ein Krankenhaus. Wir brauchen ihn. Ich verfolge solange die Angreifer.“ Bei diesen Worten sah er zu Andersen, der nickte, seine Waffe nachlud und dann mit Sergio zusammen in die Menge lief.

    Einige Stunden später wussten sie, dass alles umsonst gewesen war. Glick hatte zwar überlebt und sie hatten es geschafft einen der Angreifer zu ergreifen, doch dieser hatte Selbstmord begangen, bevor sie ihn hatten befragen können. Und obwohl der Papst nach diesen Geschehnissen sogar bereit war Glick Zugang zu den Sensoren des vatikanischen Raumschiffes zu verschaffen, nach dem er zuerst gefragt hatte, doch nachdem er die Sensoren fertig kalibriert hatte, hatte er festgestellt, dass die Transmission bereits begonnen hatte. Nun konnte niemand mehr aufhalten, was auf sie zukam.
    Geändert von Protheus (05.09.2009 um 02:45 Uhr)
    Die Freiheit des Bürgers heißt Verantwortung.

    (Joachim Gauck)


    "You may belong to any religion[...] - that has nothing to do with the buisness of the state. We are starting with this fundamental principle, that we are all citizens and equal members of one state." (Sir Mohammed Ali Jinnah)

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  5. #65
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    Dann nehme ich mal an, dass diese Antiker jetzt Wurmlochwaffen bauen wollen, um Nyx zu erledigen.
    Aber warum sollten sie den Krieg gegen sie begonnen haben, die Antiker sind immerhin keine Eroberer...
    Entweder war es ein Präventivschlag, der nicht so gut lief, oder hinter Nxy verbrigt sich noch viel mehr.

    Schade das Armelai tot ist, denn soviel kann ich sagen sie wird in Season 6 noch mehrere Auftritte haben.

    Bis dann.
    Das Leben ist ein Schwanz und wir die Eier, die mitgeschleift werden.


    Meine aktuellen Fanfiction:


    TGE Combined Season 1 Fire of War:

    http://www.stargate-project.de/starg...ad.php?t=11836




  6. #66
    dumm geboren und nix dazugelernt:P Avatar von Santanico Pandemonium
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    Das ist wirklich schade dass Amelia tot ist, sie war mir irgendwie sympathisch

    Toll aber wie du in deinen Kapitel sozusagen die Genres wechselt, das hier war dann ja quasi die Tatort Variante wie in der vorletzten SGA-Folge. Finde auch du hast das ganz gut hinbekommen mit der Hinweiskette, auch wenn sie ein bischen kurz war.

    Habe aber gleich vermutet dass Glick nicht wirklich tot, hab mir schon sowas gedacht dass er seinen Tod nur inszeniert hat nachdem er sich vor dem Papst zu erkennen gegeben hat.


    edit, wollte doch noch was anderes schreiben:
    Zitat Zitat von Protheus Beitrag anzeigen
    Er übernahm wieder die manuelle Kontrolle und lenkte den Wagen auf einen der Parkplätze auf dem Hügel. Das leise und sanfte Schnurren des Elektromotors erstarb, als er den Zündschlüssel zog und er stieg aus. Der Kreuzer war mittlerweile vom Himmel verschwunden. Nur ein schwaches goldenes Glühen am Himmel zeigte noch, wo er gen Orbit aufgestiegen war. Endlich gehörte der Himmel über der ewigen Stadt nur noch den Sternen.
    2 Sachen dürften falsch sein: erstens, das sanfte Schnurren des Motors gibt es nicht wenn das Auto steht, das liegt daran, dass er sich nur dreht wenn er fährt, sowas wie Leerlauf ibt es nicht, da ein E-Motor über den gesamten Drehbereich denselben Drehmoment hat. Im Stillstand ist der Motor also schon aus...

    Und dann bezweifle ich, dass du auch nur einen Stern am Himmel über Rom sehen kannst, dazu ist er durch die Stadtbeleuchtung viel zu hell.
    Geändert von Santanico Pandemonium (05.09.2009 um 21:49 Uhr)
    WEIR: ... putting your life and other people's lives at risk. You destroyed three quarters of a solar system!
    McKAY: Well, five sixths. It's not an exact science.
    WEIR: Rodney, can you give your ego a rest for one second?

    Ein Jahr später:
    Spoiler 
    CARTER: About a year ago, your brother came across an abandoned alien experiment called Project Arcturus.
    CARTER: It was an attempt to generate zero point energy.
    JEANIE: That would be virtually limitless power. What happened?
    McKAY: A slight problem. It was the creation of exotic particles in the containment field.
    CARTER: He destroyed a solar system.
    JEANIE: Meredith! (She smacks his arm.)
    McKAY: It was uninhabited!

  7. #67
    Autor der ungelesenen FF Avatar von Protheus
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    @Colonel Maybourne: Mit dieser Einschätzung liegst du recht nahe dran. Und was die Frage danach angeht, wer der Aggressor war, sollte bedacht werden, dass sich nicht nur Charaktereigenschaften von Individuen, sondern auch von Völkern ändern können.

    @Santanico Pandemonium: Danke für die Einschätzung dieses Kapitels. Stimmt schon, dass die Beweiskette ziemlich kurz ist. Wenn ich das nächste Mal so etwas schreibe, werde ich mir mehr Mühe geben. Und im Bezug auf deine beiden Einwände: Das mit dem Motor stimmt wohl, aber glaubt jemandem, der in Rom gewesen ist, dass man durchaus Sterne am Nachthimmel sehen kann
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  8. #68
    General der Armsessel Avatar von Azrael
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    Also... ich habe das alles in den letzten Tagen/Wochen durchgelesen.
    Ich muss sagen... für ein Spinn-Off sehr gut. Meistens haben diese Art Serien nicht die Chance an das Potenzial der "Mutterserie" ranzukommen, aber du bist sehr, sehr nah dran.
    Die neuen Charaktere, die alten - sehr gut!
    Der Hintergrund, dem du dem ganzen gibst - ebenso!
    Gesammt: Sehr gut.
    Manchmal sind die Kapitel zwar etwas lang, aber mich stört das in den wenigsten Fällen. Ich muss nur aufpassen, dass ich mich während der Schulzeit jetzt nicht komplett bei der Versenke!

    mfg,
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    Vive la France! - La fierté de la marine (bald kommend - sogar in deutscher Sprache!)
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  9. #69
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    @Azrael: Hm... Schon zwei Leute, die mir was vom Lesen während der Schulzeit geschrieben haben. Irgendwann werde ich noch zur Hassfigur von Deutschlands Pädagogen Also, besten Dank für die Einschätzung. Und das mit der Kapitellänge ist so ein Problem, aber mittlerweile sage ich mir, dass er bis jetzt solche Kapitel mitgelesen hat es wahrscheinlich auch weiter tun wird. Also schreibe ich weiter, was mir in den Sinn kommt ^^

    Und ganz in diesem Sinne lege ich hier noch einmal ein recht langes Kapitel nach. Dieses Mal ist wirklich Überlänge dabei, aber ich wollte den Handlungsstrang, den ich hier zu Ende bringe, unbedingt mit abschließen. Gesamtlänge 18,5 Seiten. Viel Spaß beim Lesen.


    Episode 17: Kyoto

    Wie gebannt starrte Naumer auf das Schiff, das sich ihnen auf dem Schirm der Mittelkonsole der ‚Argo’ zeigte. Und auch Jules brauchte einen Moment, um zu begreifen, welcher Anblick sich ihnen gerade bot. Selbst in fast dreihundertfacher Vergrößerung war die Darstellung noch so gestochen scharf, als flögen sie nur wenige Meter neben dem Schiff her. Es machte den Eindruck, als habe man ein Triebwerk und ein Bugsegment an beiden Enden einer langen Mittelkonstruktion, auf der einige Aufbauten saßen, die an Sensor- und Geschützanordnungen erinnerten, angebracht und das Schiff anschließend um einige seitlich angebaute Hangarmodule vervollständigt. Der Rumpf maß über alles, so sagten die optischen Sensoren, fast neunhundert Meter lang und das Schiff war nicht das einzige im Orbit jenes Gasriesen, der es wohl eigentlich hatte verbergen sollen. Noch sechs kleinere Einheiten ähnlicher Art und zwei Schiffe, deren Konstruktionsweise Jules nicht zuordnen konnte, hatten sich um den Träger versammelt. „Grundgütiger“, brach der Söldnerhauptmann schließlich das Schweigen, „die Hölle war fleißig.“

    „Sie kennen das Schiff?“, fragte Jules, deren eigener Verdacht sich angesichts der konstruktiven Ähnlichkeit des Trägers zur ‚Argo’ beinahe schon zur Gewissheit verdichtet hatte. Er nickte. „Ein Träger der ‚Hermes’-Klasse.“ Er holte einmal tief Luft und schien seine weiteren Worte zu überlegen, dann fuhr er fort: „Auch wenn wir diese Worte in den letzten Tagen schon oft gehört haben: Ein solches Schiff dürfte es nicht mehr geben.“ „Konzernflotte?“, wollte sie wissen. Erneut nickte er. „Ein baugleiches Schiff stellte das Kernstück der Orbitalverteidigung am Jupiter dar. Es wurde aber während der zweiten Offensive der UN-Truppen zerstört.“ „Hm. Irgendjemand eine Idee, woher dieses hier kommt?“ Sie sah in die Runde, doch die anderen anwesenden Söldner schienen nicht minder ratlos, als sie selbst. Lediglich einer unter ihnen rieb sich nachdenklich das Kinn, während er das Bild mit bohrenden Blicken fixierte. Schließlich sagte er: „Es wurden ursprünglich zwei Stück aufgelegt. Die ‚Hermes’ und die ‚Chione’. Das erste war das Flaggschiff der Orbitalverteidigung, aber das zweite wurde nie fertig gestellt, weil die Mittel gestrichen wurden. Der Rohbau wurde danach zur Verschrottung zu einer Kolonie verbracht.“

    „Welche Kolonie?“, hackte Jules nach. „I…“ – er stutzte – „Ich hab keine Ahnung.“ Er machte einen Schritt zu einer der Kommandokonsolen und versuchte die Information aus den Schiffscomputern abzurufen. Nach einigen Augenblicken sah er nur verwirrt auf die Anzeige und meinte: „Darüber gibt es keine Aufzeichnungen. Der Aufsichtsrat hat auch nie einen Beleg für die Verschrottung verlangt.“ „Dann ist das hier der fehlende Träger?“ „Soviel ist sicher“, meinte Naumer, der inzwischen angefangen hatte nacheinander die Abbildungen der anderen gesichteten Schiffe aufzurufen. „Die Geleitschiffe… Mehrere Zerstörer der Apollo-Klasse, ein Kreuzer der Charon-Klasse… Alles Typen der alten Flotte.“ Er gab einen kurzen Befehl in die Konsole ein, woraufhin das System die Registerinformationen der Schiffstypen aufriefen. Als die Reihe an die anderen beiden Schiffe kam, wurde Jules hellhörig. Das eine war ein gewöhnlicher Containerfrachter chinesischer Bauweise, wahrscheinlich einer der häufigsten Schiffstypen der lokalen Blase, das andere ein Zerstörer japanischer Bauweise. „Ein japanisches Schiff?“, fragte einer der Männer. Doch sie schüttelte den Kopf. Der in ein Blau-weiß-rot-weiß-blaues Feld eingefasste rote Stern war kein japanisches Wappen. Auch Naumer war dieses Detail nicht verborgen geblieben. Er legte die Stirn in Falten und fragte: „Die Koreaner?“

    „Warum nicht?“ Sie deutete auf die Anzeige. „Erzählen sie mir was zu diesem Schiffstyp.“ „Ein japanischer Zerstörer, Mikasa-Klasse. Die Konstrukteure hatten einige Ideen des modernen Raumschiffbaus vorweggenommen, aber im Grunde wird der Typ immer noch zu den Einheiten des Goa’uld-Krieges gezählt.“ „Und was ist mit den Schiffen passiert?“ „Ein paar wurden abgeschossen. Was übrig blieb fiel nach der Invasion den Koreanern in die Hände.“ Jules nickte mit einem zufriedenen Grinsen. „Quod erat demonstrandum, meine Herren. Wie viele Schiffe bräuchten wir zur Unterstützung, um diese Flotte anzugehen?“ Omori, der einzige japanischstämmige der Einheit, gab einen amüsierten Laut von sich und verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. „Dafür?“, fragte er, um gleich fortzufahren: „Mindestens hundert. Idealerweise mehr.“ „Klären sie mich auf, Pilot.“ Er deutete zur Antwort auf die Bilder des Trägers. „Die fliegen mit externen Zusatztanks für Treibstoff und brauchen die Hilfstriebwerke, um den Orbit halten zu können. Das machen die nur, wenn sie mit voller Gefechtszuladung unterwegs sind. Dagegen haben wir keine Chance. Das Beste was wir machen können ist auf der Erde bescheid zu sagen und zu hoffen, dass die sich darum kümmern.“

    Jules dachte kurz nach. Dann sagte sie: „Gut möglich. Aber die werden nichts machen, solange wir keine Beweise haben.“ Sie wandte sich vom Monitor ab und drehte sich Eulenkopf zu, der als Beobachter von Seiten der freien Kolonien mit an Bord war. „Doc“, begann sie, „das ist ihre letzte Chance noch abzuspringen. Was jetzt kommt wird hässlich.“ „Erklären sie sich bitte“, gab er mit unbewegter Miene zur Antwort. „Gegen solche Typen kommt man mit Opfermentalität nicht weit. Und ich habe nicht vor sie ziehen zu lassen. Also lassen wir ab jetzt die traurigen Blicke durch den Stacheldraht und die weinenden Geigen hinter uns. Ich habe vor anzugreifen.“ Der Arzt überlegte kurz. Dabei verharrte er in völliger Regungslosigkeit, ja schien nicht einmal zu atmen, bis er antwortete: „Mir war klar, dass sie nicht zu sanften Methoden neigen, als ich sie um Hilfe gebeten habe. Also tun sie, was getan werden muss.“ Sie grinste und wandte sich dann wieder Naumer zu. „Bringen sie ein paar Jäger in die Luft. Wir schnappen uns einen von deren Piloten.“ Sie rief auf dem Monitor wieder eine Anzeige des Systems auf, auf der die beobachteten Patrouillen der Geleitjäger des Verbandes eingezeichnet waren. Dabei deutete sie auf eine Patrouillenrotte, die ihnen recht nahe kommen würde. „Das ist unser Ziel.“

    Knapp eine Viertelstunde später saß sie ein weiteres Mal auf dem Platz des Gefechtsbeobachters in Naumers Mercury. Sie flogen mit einer Rotte von vier Abfangjägern durch die äußeren Trümmerwolken eines Asteroidengürtels, an dem entlang ihre Ziele patrouillierten. Immer wieder waren die Piloten zu schnellen Ausweichmanövern gezwungen, um größeren Brocken zu entgehen, versuchten allerdings gleichzeitig wenigstens halbwegs die Formation zu halten, so dass es ein wenig Ähnlichkeit mit einer Kunstflugdarbietung hatte. Insbesondere Omori fegte dabei mit halsbrecherischem Tempo an ihrer rechten Flanke entlang und vollführte das eine ums andere Mal wilde Flugfiguren, bis Jules ihn schließlich über Funk anschnauzte: „Zusammenreißen, Pilot. Das hier ist keine Flugschau.“ Eine Bemerkung, die Naumer ein Schmunzeln entlockte. „Keine Sorge. Omori könnte mit einer Hand auf dem Rücken und einem brennenden Triebwerk hier durch fliegen. Lassen wir ihm den Spaß.“ „Nicht solange wir im Einsatz sind. Sobald wir hier fertig sind können wir ihm gerne ein schönes Asteroidenfeld suchen, in dem er sich austoben kann.“ Es klang so, als seufze er und er schien noch etwas sagen zu wollen, doch in diesem Moment lenkte das Navigationssystem ihre Aufmerksamkeit auf sich. Er warf einen kurzen Blick auf den Schirm und gab dann über Staffelfunk durch: „Zielkoordinaten erreicht. Ausschwenken nach Backbord.“ Dann zogen sie alle ihre Flieger in enger Formation aus der Trümmerwolke heraus.

    Die Patrouille, hinter der sie her waren, war knapp zweihundert Kilometer vor ihnen und mit bloßem Auge nur durch das Strahlen ihrer Triebwerke zu erkennen. Jetzt hieß es alles oder nichts. Wenn sie nicht beim ersten Angriff erfolgreich waren, würde es keine zweite Chance geben. Sobald die anderen ihr Basisschiff alarmierten, konnte niemand sie und ihre Leute mehr retten. Die Rotte drosselte ihre Geschwindigkeit etwas, um das Ziel nicht durch eine zu schnelle Annäherung zu alarmieren. Dann hieß es Warten. Jules spürte die Aufregung dieses Moments. Es war die Aufregung, die ein Jäger im entscheidenden Moment verspürte, wenn er sich an seine Beute anpirschte. Und sie genoss es. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, während sie hinter sich langte und sich die Anschlüsse des Shunts griff. Sie setzte sie sich an die Stirn und sagte: „Gefechtsbeobachter bereit.“ „Gut. Auf mein Kommando den Störfunk aktivieren.“

    Langsam kamen sie dem Ziel näher. Als sie nur noch achtzig Kilometer entfernt waren, kam über Funk die Anfrage „What Flight“ von der Patrouille. Jules straffte sich noch ein letztes Mal, dann antwortete sie: „Here Millitary-9-3, Oscar Oscar Foxtrot, Alpha Charlie.“ Diese im alten Kurzcode der Konzernarmeen gehaltene Antwort sollte dem Ziel vorgaukeln, dass sie eine Rotte des Trägers auf außerplanmäßigem Flug waren. Sie behielt für einen Moment erwartungsvoll den Radarschirm im Auge. Als die Ziele keine Anzeichen von Argwohn zeigten, gestattete sie sich ein Grinsen. Schließlich kam die Antwort: „Millitary-9-3, Golf Foxtrot.“ Good Flight. Oh ja, ihr würdet noch merken wie gut. Nur wenige Augenblicke später meinte Naumer zu ihr: „Jetzt wird’s kritisch. Wir kommen in einer Minute in Reichweite für optische Scanns. Und wenn der dort drüben auch nur einen Cent seines Solds wert ist, merkt er, dass wir keine ihrer Staffelabzeichen tragen.“

    Und tatsächlich, als sie auf knapp zwanzig Kilometer ran waren, wurde die Patrouille auf einmal unruhig. Einer der Flieger geriet in ein leichtes Schwanken, als sei der Pilot am Steuerhebel nervös geworden und der Staffelführer aktivierte sein Langstreckenfunkgerät. „Jetzt“, befahl Naumer. Jules drehte mit einem mentalen Kommando den Störfunk voll auf und die in externen Kapseln am Flieger montierten Funkfeuer begannen mit 12 Megawatt Rauschen in den Äther zu hauen. Spätestens in diesem Moment realisierten die Gejagten, was los war. Sie gaben Vollschub, konnten aufgrund ihrer niedrigeren Ausgangsgeschwindigkeit jedoch nicht entkommen. Naumer befahl die Formation aufzulösen und anzugreifen. Seine Piloten aktivierten ihre Waffen und eröffneten ohne zu Zögern das Feuer. Er selbst setzte sich direkt hinter den Staffelführer und ließ die Railguns sprechen. Dieser entzog sich dem Angriff jedoch ohne Schwierigkeiten mit einer scharfen Kursänderung.

    Knapp zwei Minuten lang versuchten sie einander auszutanzen, dann hatte der andere sich hinter sie gesetzt und feuerte seine Raketen ab. Jules klinkte die Chaffs aus und murmelte: „Der ist gut.“ Naumer reagierte nicht auf die Bemerkung. Stattdessen lenkte er die Maschine in die Nähe der anderen Raumkämpfe. Nach einigen Sekunden kam eine Funkmeldung: „Sierra Lima, hier Omori. Bin an ihrem Verfolger dran. Flares in zehn Sekunden.“ Jules schaltete sofort die Täuschkörper frei und begann die Sekunden abzuzählen. Als sie sie auslöste warf sie einen Blick auf den Radarschirm. In einer Schrecksekunde wurde ihr klar, dass der Japaner aus Flugrichtung auf sie zukam. Im buchstäblich allerletzten Moment riss er seine Maschine beiseite, so dass beide Mercurys keine fünfzehn Meter voneinander entfernt aneinander vorbei flogen. Er raste durch den Täuschkörpervorhang und feuerte eine von seinem Gefechtsbeobachter ferngelenkte Rakete ab. Das Geschoss erwischte den Verfolger frontal. Doch irgendwie schien der Teufelskerl von einem Piloten noch in der Lage gewesen zu sein das Geschoss zu erkennen und die Cockpitkapsel abzusprengen. Sofort gab sie durch: „’Argo’ zu uns. Bergen sie die Kapseln.“ Während sie noch die letzten gegnerischen Flieger erledigten stieß die ‚Argo’ aus dem Asteroidengürtel hervor und sammelte die Kapsel des Geschwaderführers ein. Er hatte sich als einziger rechtzeitig aus seiner Maschine schleudern können. Danach landeten sie wieder im Hangar und der Geleitträger verschwand in den Hyperraum.

    Als sie im Hangar aus dem Cockpit des Mercury stieg verspürte Jules einen widerlichen Druckkopfschmerz, eine Nebenwirkung der Benutzung des Shunts. Mittlerweile war ihr klar, warum die eigentlichen Gefechtsbeobachter der Staffel sie nur so selten benutzten. Mochten sie noch so schnelle Reaktionszeiten erlauben, man fühlte sich danach elend. Zumal sie für mehrere Stunden nachwirkten. Obwohl ihr klar gewesen war, worauf sie sich eingelassen hatte, zog der Schmerz ihre Stimmung kräftig nach unten. Sie wandte sich direkt an Naumer und meinte: „Nehmen wir uns den Bastard vor. Und wir brauchen eine Kamera. Ich will alles auf Band haben, sobald wir ein Geständnis aus ihm herausgekitzelt haben.“ Dieser nickte und machte sich auf den Weg. Einige Minuten später trafen sie sich vor der Messe auf dem Oberdeck. Er hatte eine Digitalkamera und zwei Sturmhauben aus schwarzer Wolle dabei. Er hielt ihr eine hin und meinte: „Wenn wir alles aufnehmen ist es besser, wenn man uns nicht erkennt. Außerdem sollte ich das Reden übernehmen.“ Sie ließ die Fingerknöchel krachen. „Kein Problem. Dann kümmere ich mich um den Rest.“

    Als sie den Raum betraten, stockte sie zuerst. Der Pilot, der dort bewacht von zweien der Söldner auf einem Stuhl saß, war kaum mehr als ein Junge, ein milchgesichtiger Bursche, der noch nicht einmal ganz in dem Alter war, in dem man sich regelmäßig rasieren musste. Er sah immer wieder ängstlich von einem seiner Bewacher – diese beiden waren als erste auf den Gedanken mit den Masken gekommen, bevor sie den Piloten aus der Kapsel gezerrt hatten und wirkten mit den Sturmhauben sehr martialisch – zum anderen. Als er Naumer und Jules bemerkte erkannte er schnell, dass sie hier die Anführer waren. Jules gab einem der Söldner die Kamera, während Naumer anfing im Raum auf und ab zu gehen. Er umkreiste den Stuhl dabei wie ein Raubtier in die Enge gedrängte Beute. „So“, begann er, „as you can imagine, we have some questions.“ „Flight Officer Smith, Defensive Forces. Duty-number 7079643.“ „Oh please, don’t even try.“ „Flight Offic…“ Ein plötzlicher Schlag von Jules machte ihm klar, dass er die Sprüche lieber lassen sollte. Blitzschnell war sie von der Tür aus mit zwei Schritten bei ihm und rammte ihm mit solcher Kraft das Knie in die Eingeweide, dass ihm die Luft pfeifend aus den Lungen entwich und er vom Stuhl auf den Boden rutschte. Dort blieb er für einen Moment liegen und kotzte sich die Seele aus dem Leib, bis sie ihn packte, wieder auf den Stuhl zog und ihm noch einen zweiten Schlag hinterher versetzte.

    „Listen“, versuchte Naumer es ein zweites Mal, „we know that you guys are a bunch of slavers. We have been tracking you down from the outer colonies to this crappy system, have all evidence we need to be really pissed off and aren’t in nice talking business. We are here to tear appart your opperation. So: you will answer to me, or you will answer to this beautiful lady here. One way or another, we will find out, what we want to know.“ Er sah mit schmerzverzerrtem aber doch trotzigem Gesicht zu ihm hoch und spuckte dann nur einmal vor ihm aus. Eine Reaktion, die er nur eine Sekunde später bereute, als Jules ihm einen wuchtigen Schlag mit der offenen Hand gegen die Schläfe versetzte, der ihm noch einmal vom Stuhl fallen ließ…

    Fast eine halbe Stunde später verließen Jules und Naumer den Raum wieder. Kaum dass die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte zog sie sich die Sturmhaube vom Kopf und rieb sich damit das schon halb angetrocknete Blut von den Händen. Dabei fiel ihr Blick auf Eulenkopf, der vor dem Raum gewartet hatte. Er sah sie nur wieder mit seinem keine Gefühlsregung zeigenden Gesicht an. Sie wich seinem Blick nach einem Moment aus und meinte: „Er hat geredet. Aber fragen sie nicht nach Sonnenschein. Der hat vielleicht Einsteckerqualitäten.“ „In welchem Zustand ist er?“ „Ähm… Interessante Frage.“ Sie hielt ihm ihre Hände vors Gesicht. „Sie können sich schon denken, dass das hier nicht mein Blut ist, oder?“ „Ja, das kann ich. Wenn sie erlauben, werde ich sehen, was ich für ihn tun kann. Immerhin ist seine Aussage alles, was wir haben.“ Sie nickte. „Machen sie das.“ Dann ging sie in Richtung der Brücke, wo sie sich direkt an die Konsole für die Langstreckenkom setzte. Naumer sah sie fragend an und meinte: „An wen wollen sie sich jetzt wenden?“ „Mir fällt nur einer ein, der mit diesen Informationen etwas bewirken kann…“

    Einige Stunden später im Perseus-Arm:

    Langsam flogen drei gewaltige Schlachtschiffe in einer Kiellinie durch die Überreste von fast einem Dutzend Hattak-Kreuzern und einer ungleich größeren Zahl kleinerer Hilfsschiffe, die über mehrere Lichtsekunden verstreut lagen, im Licht der entfernten Sonne silbern schimmernd wie apokalyptische Engel, die für diese Schlacht aus dem Himmel herabgestiegen waren. So zumindest erschien es dem Kapitän der ‚Agincourt’, während er seinen Blick immer wieder von der holographischen Darstellung der Umgebung durch die Brückenfenster zum Schiff schweifen ließ, das die Formation anführte. Mit seinem knapp achthundert Meter langem, schlanken Rumpf, der zwar noch an das hexagonale Grundschema der dienstälteren Schlachtschiffe erinnerte, aber weniger derb und sehr viel eleganter wirkte und bei dem die Aufbauten größtenteils integriert waren, sah der Schlachtkreuzer fast etwas zerbrechlich aus. Dennoch stellte die ‚Nereid’ die wahrscheinlich schlagkräftigste Einheit des Verbandes dar.

    Der Kapitän verspürte etwas Wehmut, wenn immer sein Blick auf dem anderen Schiff ruhte. Es war unter den Kapitänen der Flotte als große Auszeichnung gehandelt worden die für das Kommando der ‚Nereid’ in Betracht gezogen zu werden, was letztlich auch ihn dazu verleitet hatte sich zu bewerben. Am Ende hatte jemand anderes das Schiff bekommen. In einem der Momente in denen er sich wieder auf das Hologramm konzentrierte warf er aus dem Augenwinkel einen Blick auf den Admiral. Ester Siska war, nachdem sie knapp drei Tage lang fast ununterbrochen auf der Brücke gewesen war – ständiger Gefechtsalarm hatte ihr kaum eine Pause gelassen – nachdem die Flotte begonnen hatte nach Überlebenden zu Scannen, in ihrem Sessel eingeschlafen. Es hatte einen komischen Anblick geboten als sie sich im Schlaf auf die Seite gedreht und die Knie angezogen hatte, so dass sie ein wenig aussah wie eine Katze, die sich zum Schlafen zusammengerollt hatte. Zuerst hatte er noch überlegt sie in ihr Quartier bringen zu lassen, dann aber einfach nur die Brückenoffiziere ermahnt so leise wie möglich zu sein und sie mit seiner Jacke zugedeckt. Sie nun so schlafen zu sehen entlockte ihm ein Lächeln. In den Augen der meisten Männer und Frauen auf diesem Schiff war sie schon längst zu einer übermenschlichen Existenz geworden, eine unbesiegbare Siegesgöttin, die überall zu triumphieren vermochte. Nein, dachte er sich, selbst das Kommando über den modernsten Schlachtkreuzer der Flotte konnte den Dienst auf diesem Schiff nicht gleichkommen.

    Sie hatten gerade einen weiteren Abschnitt des Schlachtfeldes gescannt und steuerten auf die Überreste einer Gruppe von Schiffen zu, die sich abzusetzen versucht hatten, als ihm signalisiert wurde, dass eine Meldung über die Langstreckenkommunikation hereingekommen war. Er rief die Meldung auf seiner Station auf, betrachtete sie kurz und runzelte dabei die Stirn. Es war ein stark verschlüsseltes Datenpaket für dessen Dechiffrierung ein Admiralscode benötigt wurde und das mit einem Vermerk erster Prioritätsstufe versehen war. Er schloss die Datei also wieder und trat an die schlafende Siska heran. „Admiral, wir haben eine Nachricht der Priorität eins erhalten.“ Keine Reaktion. Erst als er sie sachte an der Schulter anstieß gab sie einen leisen Laut der Missbilligung von sich. „Admiral“, wiederholte er noch einmal mit lauterer Stimme. Mit leiser und verschlafener Stimme antwortete sie: „Ja? Was?“

    Sie öffnete die Augen und blinzelte ein paar Mal, um die Müdigkeit abzuschütteln. „Hm? War ich eingeschlafen, Jagoda?“ „Ja, Admiral.“ Sie rieb sich einmal mit den Händen übers Gesicht und erhob sich dann, um sich zu strecken. Dabei meinte sie: „So was darf mir nicht passieren. Das nächste Mal wecken sie mich. Wie ist der Status?“ „Wir haben das Schlachtfeld zu großen Teilen gescannt. Bis jetzt elf aufgegriffene Rettungskapseln.“ „Gut. Sonst noch was?“ „Eine eingegangene Meldung vom Flottenkommando.“ Sie nickte und ließ sich die Meldung zeigen. Nachdem sie kurz darin gelesen hatte verfinsterte ihre Miene sich. Sie klinkte sich mit ihrem Headset in die Schiff-zu-Schiff Kommunikation der Flotte ein und befahl: „Vize-Admiral Dohna sofort auf die ‚Agincourt’. Besprechungsraum.“ Danach sah sie zum Kapitän. „Jagoda, brechen sie die Scanns ab und formieren sie die Flotte für einen Sprung.“ „Wohin geht es?“ „Sternentorbasis 48.“ Mit diesen Worten machte sie auf dem Absatz kehrt und verließ die Brücke.

    Im Besprechungsraum ging sie zuerst an eine Kontrolltafel neben einer der Eingangstüren und schaltete sämtliche Überwachungsgeräte im Raum ab. Noch während sie damit beschäftigt war erschien der Herbeizitierte in einem Lichtblitz. Sie warf einen kurzen Blick über ihre Schulter zu ihm hin, nickte dabei mit einem freundlichen Schmunzeln und sicherte die Abschaltung der Sensoren schnell noch, wie in der Nachricht verlangt, durch eine Kommandosperre. Dabei konnte sie nicht anders als sich dabei unwohl zu fühlen. Sie vertraute ihrer Besatzung und hielt derartige Vorsicht einfach nur für Paranoia. Schließlich wandte sie sich um und sah zu ihrem Stellvertreter hinüber. „Albrecht.“ „Ester.“ Er lächelte, was ihr unwillkürlich ebenfalls ein Lächeln entlockte. Sie kannten einander mittlerweile seit fast neun Jahren seit sie gemeinsam im Konzernkrieg gedient hatten.

    Mittlerweile schien ihr jener Krieg, der für die Erde zum Trauma hatte werden sollen, weit zurück zu liegen. Sie glaubte mit dem abgeschlossen zu haben, was sie erlebt hatten, als die Flotten der Erdmächte im Orbit des Jupiter gebrannt hatten und sie plötzlich die ranghöchsten überlebenden Offiziere gewesen waren. Doch nun holte es sie wieder ein. Als sie die Nachricht des Flottenkommandos gelesen hatte, hatte sich der alte Schatten wieder auf ihre Seele gelegt und er schien es ihr anzusehen, denn er kam einen Schritt auf sie zu und fragte in eher vertrautem, als professionellem Ton: „Was ist los?“ Sie senkte kurz den Blick, hob ihn dann wieder und sah ihm direkt in die Augen. Er hatte sich nie wirklich verändert. Er hatte immer noch denselben stets etwas nachdenklich wirkenden Blick, der ihm mit seinem markanten Kinn, dem runden Gesicht, der flachen Stirn und den immer sorgfältig zurückgekämmten Haaren ein schwer zu fassendes Charisma, etwas Nobles verlieh. Albrecht Graf zu Dohna-Schlodien war durch und durch Offizier und Adeliger, ein Mann der Souveränität und Stärke ausstrahlte. Doch als sie ihm die Nachricht zeigte erlebte sie ihn zum ersten Mal sprachlos.

    „Eine Nachricht von Ciliax. Sieh es dir selbst an.“ Anstatt ihm die schriftliche Mitteilung zu zeigen, die der eigentlichen Nachricht vorgelagert war, rief sie die angehängte Videodatei auf den großen Bildschirm des Besprechungsraumes. Sie zeigte einen jungen Mann, kaum alt genug, um tatsächlich so genannt zu werden, in einer Pilotenuniform, die sie beide nur allzu gut kannten. Konzernstreitkräfte. Er war übel zugerichtet. Sein Gesicht war übersäht von Prellungen und blauen Flecken, seine Lippe war aufgeplatzt und er saß in seltsam verkrümmter Haltung da, als habe er große Schmerzen. Ein Mann mit rauer und tiefer Stimme, der eine Sturmhaube trug, fragte ihn mit wütendem Ton: „Again! What ist he purpose of your opperation?“ Alles war nachträglich mit Untertiteln in verschiedenen europäischen Sprachen versehen worden, so dass es keine Mühe bereitete die Antwort des Jungen zu verstehen. Zuerst schien er sich noch zu sträuben, doch als eine offenbar weibliche Person, von der man nur den Rücken sah, einen aggressiven Schritt auf ihn zu machte, zuckte er zusammen und rief ängstlich: „Halt! Nicht! Ich packe aus!“ Die Frau hielt inne und der Mann sagte: „Dann erzähl mal.“

    „Der Verband ist Teil einer Versorgungsoperation für den Planeten Mura.“ „Versorgung womit?“ „Mit allem möglichen. Maschinen, Rohstoffe, die nicht vor Ort abgebaut werden können, Waffen, Arbeitskräften.“ Der Junge sah bei diesen Worten nicht direkt in die Kamera, sondern behielt stattdessen die Frau im Auge. „Arbeitskräfte?“, fragte der Mann mit wütender Stimme. „Es gibt noch ein ganz anderes Wort dafür.“ Zuerst sah der Junge den Mann ängstlich an, schwieg jedoch. Doch als die Frau die Knöchel krachen ließ sagte er hastig: „Was wollen sie hören?“ „Wie viele? Wir wissen, woher ihr eure ‚Arbeiter’ nehmt, aber nicht wie viele es schon sind.“ „Ich hab keine Ahnung.“ „Falsche Antwort.“ „Nein, warten sie. Wir haben mindestens dreißig Kolonien komplett leer geräumt. Fünfzig weitere haben wir mindestens einmal abgegrast.“ „Ihr habt die Einwohner von dreißig Kolonien komplett versklavt?!“ „Ja.“ „Wie viele Leute?“ „Ich weis es nicht. Dreihunderttausend. Vielleicht Vierhundert.“

    Die beiden Peiniger des Jungen schwiegen für einen Moment. Dann fragte der Mann: „Wie viele Tote bisher?“ „Mehr als tausend. Seit sie angefangen haben sich zu wehren sind eine Menge Leute draufgegangen.“ „Und auf Mura selbst?“ „Die zählt niemand. Ich zumindest nicht.“ Erneutes nachdenkliches Schweigen. „Wo liegt Mura?“ „Ich weis es nicht. Nur die Kapitäne kennen die Koordinaten.“ „Dann gib uns etwas anderes. Wer ist euer Partner auf Kyoto?“ „Keine Ahnung. Wir kommen nur einmal im Monat hier vorbei um die Sklaven von den Jagdeinheiten zu übernehmen und treffen uns dabei mit ein paar koreanischen Schiffen, die uns Container mit Versorgungsmaterial übergeben…“

    An dieser Stelle schaltete sie das Video schließlich ab. Dohna indess sah nur schweigend auf den schwarz gewordenen Schirm. Als er nach fast einer Minute noch nichts gesagt, sondern sich nur mit geschlossenen Augen an die Tischkante angelehnt und Daumen und Zeigefinger der rechten Hand in einer nachdenklichen Geste an der Nasenwurzel gelegt hatte, erklärte sie: „Im Rest fragen sie danach wofür die Sklaven eingesetzt werden und wie groß die Wachflotte des Planeten ist. Es wird noch einmal ziemlich hässlich, wenn er nicht weiterreden will.“ Sie schwieg, ließ ihm Zeit das Gesehene zu verarbeiten. Schließlich fragte er: „Jemand überfällt bei Kyoto Kolonien und versklavt die Bewohner?“ „Danach sieht es aus.“ „Warum haben wir das nie bemerkt?“ „Ciliax vermutet, dass die Ziele ausschließlich wilde Kolonien ohne Langstreckenkommunikation sind, die nicht um Hilfe rufen können.“ „Und wo liegt dieses Mura?“ „Weis niemand. Der astrographische Dienst hat keinen Planeten kennt keinen Himmelskörper dieses Namens.“ Er nickte. „Ist die Meldung authentisch?“ „Das Video wurde General Maybourne geschickt. Er verbürgt sich für seine Richtigkeit.“Er nickte noch einmal, schwieg für einen Moment. Dann sagte er:

    "Ach, an deinen Ketten
    Lieg ich, darbe,
    Und deine Wille, dein Gewalt
    Binden mich mit meinem Leben.
    Du zwingst mich, löscht die brennende
    Glut in meinem Herzen,
    Liebliche Flucht!
    Lockt mich das Vergehen
    Voll Verheißung über den Totenfluss.“

    Zuerst sah sie ihn verwundert an, dann erkannte sie, dass er die Verse des Gedichtes Ganymed mit neuen Worten gefüllt hatte. Sie hatte schon einmal erlebt, dass er in manchen Situationen seine Gedanken in Versen abstrahierte, um Abstand zu ihnen zu gewinnen und sich so zu beruhigen. Und offenbar dachte er nun in dieselbe Richtung, wie auch das Oberkommando. „Wie lauten unsere Befehle?“ „Kommt darauf an. Wie ist der Status der Flotte?“

    Er rief in Gedanken kurz die wichtigsten Fakten ab. Die aus den drei Großkampfschiffen ‚Agincourt’, ‚Kursk’ und ‚Nereid’, sowie einem guten dutzend Zerstörern und drei leichten Kreuzern bestehende Flotte hatte den Flottenstützpunkt auf Sarpedon vor gut einem Monat für Operation ‚Flavius’ verlassen. Der Auftrag war simpel gewesen: Search and destroy. Sie hatten den halben Perseusarm, oder doch zumindest den bewohnten Teil davon durchkämmt und jeden einzelnen Verband der Streitkräfte Dumuzis, den sie angetroffen hatten, vernichtet. Bis jetzt hatten sie fast einhundert Schiffe, Kampfeinheiten wie Hilfsschiffe, abgeschossen und dabei selbst lediglich vier Raumjäger verloren. Aber die Operation hatte an ihren Kräften gezehrt. „Alle erlittenen Schäden sind mit Bordmitteln zu reparieren. Treibstoffreserven bei 70 Prozent. Aber wir haben nur noch 20 Prozent Munition.“ „20 Prozent. Zum Kämpfen zu wenig, zum weglaufen zu viel… Trotzdem: Einsatzbereit genug. Wir fliegen nach Kyoto.“ „Mit welchem Ziel?“ „Vorerst gar keinem. Wir haben keine Anhaltspunkte. Aber Admiral Ciliax hofft, dass wir ein paar Leute nervös machen können.“

    Zwei Tage später auf Kyoto:

    Japan war einmal ein Reich aus drei großen Inseln gewesen. Nun war nur noch eine Insel geblieben. Keine in den Fluten des pazifischen Ozeans, sondern eine in der Kälte des Weltalls. Neu Kyoto war einmal die größte Kolonie Japans gewesen. Später, nach dem Fall des Inselstaats, war es zum Ziel für hunderttausende von Flüchtlingen geworden, die den anrückenden Truppen Nordkoreas zu entkommen versuchten. Kolonie, freie Welt, Symbol der Unbeugsamkeit. Alle diese Bedeutungen hatte man Kyoto schon gegeben. Doch für Jules war es nichts weiter als das größte Drecksloch, auf das sie jemals ihren Fuß gesetzt hatte. Schon während des Landeanfluges war ihr die ausufernde Stadt wie ein düsterer Moloch vorgekommen, der sich in das Land fraß. Von der ursprünglichen Kolonie war kaum noch etwas zu erkennen gewesen. Stattdessen waren überall hastig erbaute Wohnungen für die Flüchtlinge auf die Freiflächen – Wiesen, Hänge, Flussauen – geklatscht worden, die alles in eine geschlossene Betonwüste verwandelten. Und zusätzlich zu ihrer Hässlichkeit starrte die Stadt von all jenem Dreck, der entsteht, wenn neun Millionen Menschen unter solchen Bedingungen aufeinander saßen.

    Nun saß sie die Füße auf den Tisch gelegt in einer nur schummrig beleuchteten Bar in einem Stadtviertel am Rande des kolonialen Stadtkerns und starrte missmutig auf das undefinierbare Getränk, vom dem der Wirt behauptet hatte es sei Sake, in ihrem Glas. Sie wollte eigentlich gar nicht wissen, was es wirklich enthielt. Auf jeden Fall war es alkoholisch und betäubte nach einigen Schlucken die Geschmacksnerven soweit, dass es in Konsistenz und Geschmack eher an Weichspüler erinnerte. Während sie noch einen Schluck nahm sah sie zu Naumer. Der Söldner saß gut einen halben Meter von ihr entfernt auf der gleichen Bank wie sie, durch deren abgewetzte und durchgesessene Polster man jede einzelne Sprungfeder darin zu spüren glaubte, und ließ seine Augen immer wieder durch den Raum wandern. Seine gelegentlichen strengen Blicke hielten übermütige Jugendliche, die um diese Uhrzeit diese Bar okkupiert hatten und von denen schon einer versucht hatte ihnen die Taschen auszuräumen, auf Distanz, aber ansonsten schien er vor allem ins Leere zu starren.

    Als einer der anderen Gäste schließlich ein Karaokegerät in einer Ecke des Raumes anschaltete und irgendein in ihren Ohren viel zu kitschig klingendes Lied zu rückte sie etwas näher an ihn heran und begann ein Gespräch, was nicht zuletzt ein Versuch war die Musik auszublenden. „Es gibt da was, das mir mittlerweile komisch vorkommt.“ „Und das wäre?“ „Tja, ich weis mittlerweile eine Menge über sie. Über sie und ihre Leute. Nur über eines habe ich mir bis jetzt noch keine Gedanken gemacht: Warum beschäftigt mein Mann Leute wie sie? Was haben sie für ihn gemacht?“ Er drehte den Kopf in ihre Richtung. „Wollen sie das wirklich wissen?“ Sie nickte. „Ihr Mann… Tja, er hat mich damals über Verbindungen angeheuert, die er noch zu den Überresten der Truppe hatte. Zuerst kam es mir auch spanisch vor, dass er uns anheuern wollte. Zuerst hielt ich ihn für einen spinnerten Milliardär, der glaubte es sei ein Abenteuer eine Truppe von Söldnern als Leibwächter zu beschäftigen. Aber es steckte noch mehr dahinter.“

    Er verzog das Gesicht zu einem gequälten Grinsen und nickte dabei sacht. „Nein, das war beileibe nicht alles. Unser Sündenregister in seinen Diensten ist lang. Diebstahl, Schmuggel, Entführung, Körperverletzung, selbst Mord. Es war nicht die Art von Arbeit, auf die man Stolz ist.“ Sie schüttelte den Kopf. „Das können sie mir nicht erzählen. Gideon ist eine ehrliche Haut.“ „Vielleicht war er das mal. Aber glauben sie mir: Ich kenne den Mann, der er heute ist, besser als sie.“ Sie dachte kurz nach. Dabei kamen ihr die Umstände in den Sinn, die sie hierher verschlagen hatte. „Vielleicht“, gestand sie ein, „haben sie Recht.“ „Sonst würde ich es nicht sagen.“ „Und warum haben sie sein Angebot an angenommen?“

    Er sah ihr in die Augen und meinte: „Manchmal lässt uns das Leben keine Wahl. Ich hatte damals die Verantwortung für meine Leute übernommen und hab die Truppe zusammen gehalten. Hätte ich sie ihrem Schicksal überlassen wären die meisten als Kriminelle oder Junkies in irgendeiner Gosse geendet. Das Angebot ihres Mannes war eine Gelegenheit und ich habe sie ergriffen. Es war mir egal, ob die von uns verlangte Arbeit legal war oder nicht. Als sie uns damals mit nichts anderem als einem warmen Händedruck auf die Straße gesetzt haben war das legal, nicht aber wenn wir danach versucht haben mit dem einzigen Geld zu verdienen, was sie uns je beigebracht hatten. Wenn wir auf Ganymed Sklaven getötet haben war das Recht und Gesetz des Mondes legal, nicht aber wenn einer in die Portokasse gegriffen hat. Nein, wenn diese Welt mit eines gezeigt hat, dann dass die Gesetze und Normen einer Gesellschaft als Kompass für das eigene Handeln wertlos sind. Sie beschützen weder den Schwachen vor dem Starken, noch schaffen sie Gerechtigkeit. Alles was sie tun ist uns auszubremsen. Die einzige Autorität nach der ich mein Handeln noch richte ist mein Gewissen. Solange ich mein Handeln damit vereinbaren kann ist mir alles andere egal.“ Sie sah ihn für einen Moment schweigend und mit einem angedeuteten Lächeln auf den Lippen an. Dann erhob sie sich von ihrem Platz und meinte: „Mir ist langweilig. Ich will tanzen.“ Mit diesen Worten ging sie zum Karaokegerät und scheuchte den Sänger weg. Dann suchte sie ein ihr bekanntes Lied aus der Datenbank, schaltete es an und ging zurück zum Tisch. Dort nahm sie seine Hand und zog ihn mit den Worten „Komm Armin“ mit sich.

    Nachdem sie eine gute Viertelstunde miteinander getanzt hatten – sie hatten einen recht schwungvollen Tango hingelegt, nachdem sie eine entsprechende Musikdatei im Speicher des Karaokegeräts entdeckt hatte – bemerkte Jules, wie Omori die Bar wieder betrat. Sie hatten den Japaner losgeschickt, um das koreanische Konsulat auszukundschaften. Es war die einzige offizielle Niederlassung Nordkoreas auf dieser Welt. Glaubte man den Behauptungen Pjöngjangs war der hiesige Konsul der legitime Machthaber Kyotos, aber de facto beschränkte sein Machtbereich sich auf die vier Wände des Konsulats. Nach ihrer Einschätzung war er allerdings auch die einzige Person auf dem Planeten, die die nötige Autorität hatte die Versorgungslieferungen an die Sklavenjäger zu organisieren. Ergo war er die Nummer eins auf ihrer Liste. Der Plan: In das Konsulat einbrechen, belastendes Material suchen und es wem auch immer zuspielen, den Maybourne schicken würde, um der Nachricht nachzugehen, die Jules ihm anonym, aber doch mit Anspielungen auf ihre Identität versehen, hatte zukommen lassen.

    Als Omori auf sie zukam löste Jules sich von Naumer und fragte: „Und, wie sieht es aus?“ „Auf normalem Wege absolut unschaffbar. Das Konsulat ist die reinste Festung. Aber wir haben einen anderen Weg gefunden.“ Er winkte ein paar Jugendliche dazu, die er mitgebracht hatte. Es waren typische Straßenkinder, die im Chaos der Flucht ihre Familien aus den Augen verloren hatten und sich zu Banden zusammengeschlossen hatten und irgendwie zwischen einer im Elend versinkenden Gesellschaft und einer Polizei, die mit eiserner Hand versuchte wenigstens etwas Ordnung aufrecht zu erhalten ihren Platz zu finden versuchten. Sie lebten von Gelegenheitsarbeit und Kleinkriminalität, besetzten Häuser, kämpften mit anderen Banden um das wenige was sie hatten. Aber mit Vorliebe machten die meisten von ihnen den Koreanern das Leben schwer.

    Omori erklärte: „Morgen Abend findet im Konsulat ein Empfang statt. So ziemlich jeder, der den Koreanern in dieser Stadt nicht die Pest an den Hals wünscht, wird anwesend sein. Und ich sehe eine Chance dabei mit rein zu kommen. Diese Jungs haben nämlich etwas sehr interessantes mit aufgeschnappt.“ „Lassen sie hören.“ „Einer der Ehrengäste auf der Veranstaltung wird Frederik Strache sein.“ Naumer pfiff leise und Jules runzelte die Stirn. „Wer ist das?“ „Er ist das, was man heutzutage einen ehrbaren Geschäftsmann nennt“, erklärte Naumer. „Kommt aus der feinen Wiener Gesellschaft, ist völlig ungehemmt von jedweder Moral, dient nur dem Profit. Ein echtes Arschloch aber dabei so reich, dass niemand es sich leisten kann ihn nicht zu mögen. Er gehört zu den wenigen, die ganz offen Geschäfte mit Nordkorea machen.“ „Und wie soll uns das helfen?“ „In seinem Gefolge würden wir nicht weiter auffallen.“ „Hm… Dann sollten wir ihm einen kleinen Besuch abstatten.“

    Zur selben Zeit einige Lichtjahre entfernt:

    Als das Wurmloch in einem hellen Lichtblitz vor ihr verschwand brauchte Nicole einen Moment, um sich im schummrigen Licht, das den Raum vor ihr erfüllte, zurechtfinden zu können. Sie und ihr Team fanden sich in einem kleinen Raum wieder, der gerade so bemessen war, dass der Vortex des Tores nichts beschädigen konnte. Ein Blick auf die gegenüberliegende Wand machte ihr dabei unwillkürlich klar, dass sie im Prinzip in einer großen Luftschleusenkammer standen – wenig überraschend war der Raum für Jumper viel zu klein, weshalb man ihn im Bedarfsfall einfach ins All hin öffnete. Hinter ihnen schaltete sich das Tor ab und sie gingen auf die einzige Tür zu, die ins innere der Anlage aus dem Raum hinaus führten. Dabei hörte sie, wie Asena und Guv über den neuen Auftrag spekulierten, den sie hier bekommen sollten. Als dabei der Satz fiel „Damn, you can’t imagine how glad I am to be away from that ragheads“, meinte sie zur Antwort: „You don’t want to understand that task was important, do you Guv?“ Der Engländer gab nur einen verächtlichen Laut von sich und erwiderte: „With all respect, Sir: If I had wanted to see such a place again, I would have stayed with the forces in Afghanistan.“

    Sie verzog das Gesicht. Ihr Team hatte in den letzten Tagen in einer Stadt festgesessen, deren Umland tatsächlich einige Ähnlichkeit mit ihren Erinnerungen an Kabul aufgewiesen hatte. Doch letztlich war der Auftrag dort nicht gerade stimulierend, aber notwendig gewesen. Vorsichtig ausgedrückt kratzten die Popularitätswerte der Erde und des STK in der restlichen Milchstraße im Moment am untersten Boden, während manche Kriegsherren wie Dumuzi auf hunderten Welten als Volkserwecker gefeiert wurden. Letztlich bekamen sie im Moment die Quittung dafür die Galaxie im Krieg gegen Goa’uld und Ori halb in Trümmer gelegt und ihr danach den Rücken gekehrt zu haben. Um dem entgegen zu wirken hatte General Maybourne schließlich neben der militärischen eine propagandistische Offensive ins Leben gerufen. Auf mehreren gut zu erreichenden Welten hatte man große Auffanglager für Kriegsflüchtlinge eingerichtet, in denen sie Nahrung, medizinische Versorgung und – was noch viel wichtiger war – Hoffnung bekommen konnten und von wo aus ihnen letztlich ein Neuanfang auf einer anderen Welt ermöglicht wurde. Und natürlich wurde dabei stets Sorge dafür getragen, dass die Großzügigkeit Tau’ris sich herumsprach.

    Anfangs hatte das Parlament ihm zwar keine zusätzlichen Mittel dafür bewilligen wollen, so dass er alles aus dem Etat des STK hatte bezahlen müssen, doch dann war die Hilfe von ganz anderer Seite gekommen. Indien war mit massiven Lieferungen an Lebensmitteln und der Stellung zivilen wie militärischen Personals in die Bresche gesprungen, so dass Maybourne nur noch einige Kompanien hatte abstellen müssen, um Präsenz zu zeigen. Außerdem war Nicole sich ziemlich sicher, dass das Parlament nun bald ein Hilfsprogramm beschließen würde und sei es auch nur um sich gegenüber den Indern nicht die Blöße arroganter Pfeffersäcke zu geben, die Tag ein Tag aus nichts besseres zu tun hatten, als wie Dagobert Duck in ihren finsteren Geldspeichern zu sitzen und ihre Barschaft zu zählen.

    EKST1 hatte indess in den letzten Tagen die Aufgabe gehabt im größten der Flüchtlingslager Präsenz zu zeigen. Spätestens am vierten Tag und nach dem zwanzigsten Treffen mit Sprechern der Flüchtlinge war es einfach nur noch monoton und zum schreien langweilig geworden, so dass Nicole zuerst innerlich frohlockt hatte, als sie ein neuer Befehl erreicht hatte. Doch die Euphorie war denkbar schnell verflogen, als sie gehört hatte, wo es hingehen sollte. Sternentorbasis 48, das einzige Sternentor im wilden Raum. Irgendwo in einem Winkel des galaktischen Vorhofes der Erde für den sich ihrer Meinung nach völlig zu Recht niemand interessierte. Als sie allerdings durch die Tür in den restlichen Teil der Station gingen, wurde ihr allerdings klar, dass wohl doch mehr an der Sache dran war, als sie zuerst gedacht hatte. Im Raum vor ihnen standen Ester Siska und Albrecht zu Dohna Schlodien. Mit zwei der ranghöchsten Offiziere der Raumflotte an einem Ort… Nein, die Sache musste wichtig sein. Sie salutierten vor den beiden und Nicole sagte in zackigem Kasernenhoftonfall: „Admiral, EKST1 meldet sich wie befohlen zur Stelle.“ „Hervorragend. Sie wissen, worum es hier geht, Major?“ „Nein. Wir haben nur ausdrücklichen Befehl von General Maybourne erhalten uns hier zu melden. Alles Weitere sollten wir später erfahren.“ „Gut. Dann lassen sie mich sie ins Bild setzen. Sie begleiten eine Flotte, die in einer Stunde nach Kyoto springen wird…“
    Die Freiheit des Bürgers heißt Verantwortung.

    (Joachim Gauck)


    "You may belong to any religion[...] - that has nothing to do with the buisness of the state. We are starting with this fundamental principle, that we are all citizens and equal members of one state." (Sir Mohammed Ali Jinnah)

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    Einige Stunden später im teuersten Hotel auf Kyoto:

    Frederick Strache wurde urplötzlich aus seinem Traum – er hatte auf einem goldenen Thron gesessen und John D. Rockefeller, Cornelius Vanderbilt und Warren Edward Buffett hatten vor ihm niedergekniet, während er in einer Börsenzeitung geblättert hatte – gerissen, als ihm jemand sanft ins Ohr säuselte: „Herr Strache. Wachen sie auf. Herr Strache…“ Es waren weniger die Worte oder der Tonfall, als der Umstand, dass er die Stimme nicht kannte, die ihn hochschrecken ließen. Er richtete sich mit erschrockenen Lauten in seinem Bett auf und blinzelte ein paar Mal. Dann erkannte er eine Gruppe aus sechs Männern und Frauen, die in der Dunkelheit des Zimmers – nur ein kleines Nachtlicht brannte neben der Tür zum Flur hin – um ihn herum standen. Sie alle trugen Zivilkleidung, doch er konnte bei mindestens zweien schusssichere Westen unter den Jacken erkennen und jeder von ihnen war bis an die Zähne bewaffnet. Langsam und mit vor Schreck offen stehendem Mund ließ er seinen Blick von rechts nach links die Reihe entlang wandern, bis er bei einer Frau verharrte, die sich zu seinem Bett heruntergebeugt hatte und ihn nun auf Augenhöhe ansah. Dabei hatte sie ein Grinsen im Gesicht, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Für einen Moment starrte er sie nur an, dann ließ sein Herz ihn im Stich. Er verspürte einen plötzlichen Schmerz in der Brust und kippte zurück.

    Nur schemenhaft und wie durch einen Schleier hindurch bekam er mit, wie ein Mann aus der Gruppe vortrat und ihm kurz den Puls fühlte. Dann begann er eine Herzdruckmassage. Als die nichts brachte zog er eine Spritze aus einer Tasche und rammte sie ihm mitten ins Herz. Dabei murmelte er in wütendem Tonfall: „Nein, sie wandelnde Adipositas, so schnell lasse ich sie nicht abtreten.“ Der Adrenalinschock, den die Spritze ihm durch die Adern jagte, ließ ihn sich röchelnd aufbäumen. Dann war sein Herzschlag wieder da. Und auch das Grinsen der Frau.

    „Sagen sie bloß sie freuen sich nicht über unsere Gesellschaft“, raunte diese ihm zu. Er sah sie wieder ängstlich an, überlegte was er tun sollte. Sie führte ihm allerdings schonungslos vor Augen, welche Optionen er hatte: Gar keine. „Sollten sie vorhaben ihre Wachen zu rufen“, meinte sie, „dann machen sie sich eins klar: Wir sind nicht über das Dach hier rein gekommen.“ Dabei klopfte sie auf eine Zat’n’ktel, die sie am Gürtel trug. Ihre Worte entlockten den anderen Anwesenden ein kehliges Lachen. Nur Strache konnte sich nicht darüber amüsieren. „Wer sind sie? Wie viel wollen sie?“ „Oh, sie enttäuschen mich. Wir sind nicht hinter ihrem Geld her. Aber bevor wir die Einzelheiten besprechen sollten sie eines wissen: Wir haben sie vor fünf Minuten getötet. Oder werden wir das getan haben, wenn sie nicht kooperieren.“ Sie sah zu jenem hackennasigen Mann, der ihn ins Leben zurückgeholt hatte und meinte: „Doc.“

    Der Mann sah aus dem Augenwinkel zu ihm hinunter und zog eine leere Spritze aus einer seiner Taschen. „Das hier enthielt das Gift einer Echse, die auf einer Welt hier im wilden Raum lebt. Ich habe nie ein hinterhältiges Gift gesehen. Es dauert zwei Tage, bis es einen Menschen tötet. In dieser Zeit verschlimmern sich die Symptome immer mehr. Es beginnt mit Schmerzen im Unterleib, die sich nach und nach durch den ganzen Körper ausbreiten und an Heftigkeit zunehmen. Nach mindestens anderthalb Tagen wollen sie nur noch schreien. Dann beginnen die Krämpfe. Sie verlieren nach und nach die Kontrolle über ihre Muskeln. Die meisten Leute fangen in diesem Stadium an sich selbst das Fleisch aufzukratzen oder die Augen auszureißen. Und nach gut achtundvierzig Stunden sterben sie dann an einem Starrkrampf von Herz und Lunge.“ Bei diesen Worten tippte er mit der Kanüle der Spritze auf den rechten Arm des Finanzmagnaten, wo dieser noch die Einstichstelle in der Vene erkennen konnte. Fassungslos sah er den Mann an. Er hatte jedes einzelne Wort mit einer Ernsthaftigkeit vorgetragen, die keinen Zweifel daran ließ, dass er ihn wirklich vergiftet hatte, zumal er noch nachsetzte: „In spätestens einer Stunde sollten sie die ersten Symptome spüren.“

    Nun übernahm die Frau wieder. Sie tätschelte ihm die linke Schulter und meinte mit honigsüßer Stimme: „Aber keine Sorge. Der gute Doc hat ein Antidot. Sie haben von jetzt an 36 Stunden Zeit ihr Leben zu retten. Danach kann auch er nichts mehr für sie tun.“ „Dann geben sie es mir, verdammt.“ „Nein. Nicht so schnell. Zuerst unsere Bedingungen.“ „Ja, ja. Was wollen sie?“ „Ihre Reputation, wenn sie so wollen. Sie werden uns heute Abend in das koreanische Konsulat bringen.“ Für einen Moment starrte er sie fassungslos an. „Was? Wie stellen sie sich das vor?“ Sie ließ einen amüsierten Laut vernehmen. „Sie stehen auf der Gästeliste für den Empfang heute Abend. Schließlich weis jeder, dass sie mit den Koreanern Geschäfte machen. Wir werden also ihre Begleiter sein. Wir denken uns ein paar nette Geschichten aus, die sie dem Konsul über uns erzählen können und sie bringen uns so ins Gebäude.“ „Sie sind ja völlig irre.“ „Ich würde es eher entschlossen nennen. Also, wenn sie wollen lassen wir ihnen noch etwas Bedenkzeit, bis das Gift anfängt zu wirken. Aber ich verspreche ihnen, sie werden uns dort hinein bringen.“

    Im Verlauf des folgenden Tages:

    Nicole stand zusammen mit Siska und Graf Dohna auf der Brücke der ‚Agincourt’, als der Verband über Kyoto aus dem Hyperraum fiel. Der Anblick, den der Planet zu ihren Füßen allerdings bot, weckte keine Assoziationen mit grünen Feldern oder Kirschgärten – Bilder, mit denen Japan seine erfolgreichste Kolonie oft beworben hatte. Vielmehr sah das Land im Umkreis der Stadt, in der die meisten Bewohner sich konzentrierten, ausgemergelt und schmutzig aus. Wie ein Wunde oder ein Geschwür fraß die Kolonie sich ihren Weg über die Oberfläche immer weiter in die ansonsten unberührte Wildnis des Planeten hinein und offenbarte damit das große Dilemma Kyotos. All die Flüchtlinge, die hierher gekommen waren, mussten versorgt werden, doch es gab weder genug Leute, die sich mit nachhaltiger Landbewirtschaftung auskannten, noch die nötige Zeit dazu. So blieb nicht viel mehr übrig als sich ohne Rücksicht zu nehmen, was man brauchte.

    Sie ließ ihren Blick weiter über den Planeten wandern und entdeckte dabei einige Schiffe im Orbit, deren hellbraune Panzerung sich vor der grünen Wildnis abhob, über der sie schwebten. Es waren die Schiffe des koreanischen Wachgeschwaders, mehrere alte Kreuzer und Zerstörer, in der Hauptsache eroberte japanische Schiffe, die wohl Stärke ausstrahlen sollten, aber nur verloren und unbedeutend wirkten. Ihr Führungsschiff funkte die europäische Flotte an, doch Siska befahl nur: „Ignorieren. Die haben hier keine völkerrechtlich anerkannte Jurisdiktion und haben uns gar nichts zu sagen.“ Einige Minuten später kamen schließlich zwei Meldungen vom Planeten herein. Eine war vom Stadtparlament, der de facto die Kontrolle ausübenden japanischen Regierungsinstanz, die andere vom koreanischen Konsulat, das in der Propaganda Pjöngjangs die mächtige und von allen Bewohnern geliebte Regierung dieser Welt war. Siska steckte kurz mit Graf Dohna die Köpfe zusammen. Nicole hörte dabei heraus, wie er ihr riet: „Sprich zuerst mit den Japanern. Das wird den Koreanern ordentlich den Angstschweiß auf die Stirn treiben.“ Sie nickte ihre Gedanken schienen in die gleiche Richtung gegangen zu sein. Also befahl sie die japanischen Sprecher durchzustellen.

    Es gab ein kurzes Gespräch mit dem Ratsvorsitzenden, in dem Siska behauptete ihre Flotte sei nach einer längeren Operation auf dem Rückweg nach Sarpedon und sie wolle ihren Leuten noch ein oder zwei Tage Landurlaub gönnen, bevor es gleich wieder in den Einsatz gehen sollte. Sollte der Japaner der Geschichte misstraut haben, so zeigte er es zumindest nicht. Statt dessen reagierte er mit unverholener Freude darüber, dass zum ersten Mal seit dem Fall Japans ein offizieller Vertreter einer der Blockmächte seine Welt aufsuchte. Seit zwölf Jahren war Kyoto das wahrscheinlich heißeste diplomatische Eisen der Erdsphäre und niemand hatte es gewagt zum Schicksal dieser Welt Stellung zu beziehen. Nun versprach der Ratsvorsitzende sich vom Besuch der Flotte offenbar eine Zäsur im Verhalten der EU, zumal Siska zuerst mit ihm gesprochen und dem Rat damit eine diplomatische Legitimität zugesprochen hatte, die er zuvor nicht besessen hatte. So stimmte er mit Freuden dem Gesuch um Landurlaub für die Flotte zu. Nach diesem Gespräch ließ Siska den koreanischen Konsul noch einige Minuten lang warten. Und als sie mit ihm sprach, zeigte sich, dass Dohnas Kalkül aufgegangen war. Der Koreaner wusste, dass er nach dieser Zurückstellung wieder gleichziehen musste, wenn er sich wenigstens etwas Einfluss auf Kyoto bewahren wollte und war deshalb umso begieriger die Offiziere der Flotte zu einem Empfang am selben Abend einzuladen.

    Am Abend:

    Straches Einfluss bei den Koreanern hatte Jules kühnste Erwartungen übertroffen. Als er sie und die Söldner, zwei Männer und eine weitere Frau, am Eingang als seine Begleiter ausgegeben hatte, hatte man sie nicht einmal genauer durchsucht, geschweige denn ihre Identitäten überprüft. Nun hatten sie und Naumer sich unter die Gäste gemischt. Sie hatten sich zuerst getanzt, sich danach etwas zu trinken geholt und sich anschließend unauffällig in eine Ecke zurückgezogen. Während er einen Schluck des ausgeschenkten Sekts nahm sah sie sich noch einmal im Raum um. Strache stand im Moment von zwei Söldnern bewacht am Büffet. Das Gift hatte ihn schon nach wenigen Stunden vor Schmerzen wimmern lassen, so dass Eulenkopf ihn für den Empfang mit Schmerzmitteln abgefüllt hatte. Das hatte ihm zwar leicht benebelt, aber die beiden Söldner verschleierten den Grund dafür, indem sie ihm reichlich zu trinken gaben, was angesichts des auf sehr unkommunistische Weise üppigen und erlesenen Büffets nicht weiter schwierig war. Die Tür zum Treppenhaus über das sie zu den Büros gelangen konnten, lag knapp zehn Meter von ihnen entfernt. Sie war nicht direkt bewacht, doch einige der Sektkellner schienen sie ständig im Auge zu behalten.

    Sie dachte darüber nach, wie sie für eine Ablenkung sorgen konnten, die es ihnen erlauben würde hindurch zu schlüpfen. Dabei bemerkte sie, dass dafür, dass die Koreaner beim einfachen Volk dieser Welt verhasst waren, erstaunlich viele Gäste anwesend waren. Zugegebenermaßen konnte sie einen Ostasiaten nicht vom anderen unterscheiden, aber japanisch schien die am häufigsten gesprochene Sprache zu sein. Sie fragte sich, wie viele dieser Leute mit ihrem Erscheinen hier ihre ureigenen Interessen verfolgten. In jedem Fall war die Atmosphäre angespannt. Die wenigsten Gäste schienen einander wirklich zu vertrauen. Für einen kurzen Moment runzelte sie die Stirn, als zwei Gäste den Raum in Richtung des Kellers verließen, schob den Gedanken jedoch beiseite. Und dann kam ihre große Chance. Vom Eingang her war plötzlich Aufhur zu hören. Sie sah sich um und hätte beinahe erschrocken ausgerufen. Gerade in diesem Moment hatten mehrere Offiziere in Uniformen der europäischen Flotte den Raum betreten. Doch was ihre Aufmerksamkeit eigentlich auf sich gezogen hatte war die Soldatin, die ihre Ehrenwache anführte. Es war Nicole.

    Niemand, bis auf den Konsul, der mit einem eher schleimig als freundlich wirkenden Lächeln auf sie zuging, schien ihr Kommen erwartet zu haben, so dass sie für einen Moment alle Blicke auf sich zogen. Jules bemerkte, dass auch die Wachen abgelenkt waren, die allerdings mehr auf Nicoles Leute achteten, die offen Pistolen als Seitenwaffen trugen. Niemand beobachtete die Tür. Sie griff Naumer am Ärmel und zog ihn mit. Schnell verschwanden sie im Treppenhaus und liefen einen Absatz nach oben, so dass sie von der Tür aus nicht mehr unmittelbar zu sehen waren. Dort legte Naumer erst einmal Jacke und Weste seines Fracks ab und begann sein Hemd aufzuknöpfen. Anders als die Soldaten hatten sie ihre Waffe nicht offen tragen können, weshalb Naumer sich zwei in Einzelteile zerlegte Laserwaffen um den Bauch gebunden hatte, so dass seine Statur einfach etwas kräftiger gewirkt hatte. Mit einem Seufzen ergriff er das Klebeband, mit dem die Teile fixiert waren, und zog es sich mit einem kräftigen Ruck von der Haut. Dann begann er die Waffen zusammen zu setzen. Selbst die Energiezellen hatten sie vorher auseinander genommen, da ihre Komponenten Einzeln nicht auf Waffendetektoren erschienen. Er benutzte schlicht das Klebeband um sie wieder zusammen zu setzen. Dann ließ sie sich eine der Waffen geben und sie begaben sich in den zweiten Stock, wo nach Straches Aussage die Büros liegen sollten.

    Einige Minuten zuvor im großen Saal:

    Unbeachtet von den Sicherheitskräften standen vier Japaner unweit des Banketts beieinander und musterten den Saal mit verstohlenen Blicken. An die anderen gewandt sagte einer: „Genau wie Hirata gesagt hat. Jeder einzelne verdammte Kolli des ganzen Planeten ist hier.“ Einer, der der Anführer zu sein schien, nickte und meinte: „Ihr wisst, was zu tun ist.“ Nach diesen Worten zerstreute sich die Gruppe. Während der Anführer in Richtung des Haupteinganges ging, begab sich ein anderer zur Hintertür und die beiden verbliebenen gingen in Richtung des Kellers hinunter. Das Untergeschoss des Konsulats beherbergte eine Kaserne, in der eine ganze Kompanie Soldaten stationiert war. Am unteren Ende der Kellertreppe warf einer von ihnen mit einem Spiegel einen Blick um die Ecke. Es waren nur zwei Wachen im Gang. Die meisten der Soldaten waren im Moment oben als Diener oder Wächter zu Gange, so dass sich nicht mehr als fünfzehn oder zwanzig Mann in der Wachstube aufhalten konnten. Er steckte den Spiegel wieder ein und beugte sich hinunter, um nach seinen an den Unterschenkeln versteckt getragenen Nunchakus zu greifen. Dabei sah er zu seinem Freund. „Die beiden schaffe ich. Pass solang auf die Treppe auf.“

    Der andere nickte und er setzte sich in Bewegung. Die beiden Waffen hatte er dabei in den Ärmeln seines Sakkos verborgen. Der erste Wachmann bemerkte ihn, als er auf gut zehn Meter an sie heran war. Er drehte sich in seine Richtung und forderte ihn auf den Flur zu verlassen. Der Japaner stellte sich allerdings dumm und tat so, als habe er sich verlaufen. Dabei näherte er sich den beiden immer mehr. Als er fast direkt vor ihnen stand richtete einer der Koreaner sein Gewehr auf ihn und der andere wollte die Störung über Funk melden. Doch es war zu spät. Blitzschnell ließ er sich die Waffen in die Hand fallen und schlug das Gewehr mit der einen beiseite. Gleichzeitig donnerte er dem einen Wachposten die andere auf den Kopf, dass es ihm den Schädel deformierte. Dann schlug er mehrmals mit beiden Waffen auf den zweiten ein. Als beide tot waren kam auch der zweite Japaner angelaufen. Er nahm sich das Gewehr eines toten, eine mittlerweile schon etwas veraltete chinesische Weiterentwicklung der AK-110, und schraubte den Schalldämpfer auf, den er dafür mitgebracht hatte. Danach banden sie beide ihre Haare zu einer Chonmage, dem traditionellen Haarknoten der Samurai, oder zumindest einer Art Behelfsversion davon. Sie nickten einander noch einmal zu, dann stürmte der eine mit dem Gewehr die Wachstube und er schoss jeden darin, während der zweite in die Waffenkammer ging, um sich dort gelagerten Sprengstoff zu beschaffen.

    Bei Jules und Naumer:

    Das Büro des Konsuls im zweiten Stock war nicht zu verfehlen gewesen. Es war der größte Raum des Stockwerkes und hatte hinter einer protzigen Flügeltür gelegen. Die beiden Wachen, die an der Tür gestanden hatten, hatten Jules und Naumer kurzerhand erschossen. Danach hatten sie sich zutritt verschafft und angefangen alles zu durchsuchen. Nach einigen Minuten hatte Jules schließlich fröhlich gemurmelt: „Heureka.“ „Habe… Hast du was?“ Sie schmunzelte. Sie war mittlerweile dazu übergegangen ihn zu duzen, aber er tat sich immer noch etwas schwer damit. „Jep.“ Sie hatte ihrer Eingebung folgend nicht wie er die Schubladen mit den elektronischen Datenträgern durchsucht, sondern das einzige Bücherregal im Raum unter die Lupe genommen. Dabei war ihr eine kleine Unregelmäßigkeit aufgefallen. Die Rückwand eines der Gefache stand um vielleicht einen halben Zentimeter vor. Sie hatte sie entfernt und dahinter einen ganzen Stapel Papiere gefunden. Sie sah kurz zu ihm und feixte: „Keine Datenträger, Papier. Taucht auf keinem Scanner auf.“

    Dann überflog sie die Bögen kurz. Das meiste war in Englisch geschrieben. „Das ist der heilige Gral“, brach es schließlich aus ihr heraus. „Das hier ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Konsul und dem Aufsichtsrat von Mura. Er kaschiert Materiallieferungen an sie als diplomatische Fracht und bringt sie so an allen Zollschiffen des erdnahen Raums vorbei. Außerdem sorgt er dafür, dass die koreanische Marine in dieser Gegend keine Fragen stellt. Und dafür bekommt er… Oha, die Drecksau lässt sich gut bezahlen.“ Sie blätterte weiter. „Und hier... Kontaktadressen, Namen…“ Ein Zettel auf Koreanisch zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sie zückte ein kleines Übersetzungsgerät und scannte die Schriftzeichen ein. Es war ein Bericht des Kapitäns eines koreanischen Zerstörers, der die Schiffe ihrer Geschäftspartner einmal bis Mura verfolgt hatte. Erneut musste sie grinsen. „Er scheint sich abgesichert zu haben.“ Sie hielt den Zettel hoch. „Die Position unseres Sklavenmondes in galaktischen Koordinaten. Wir haben was wir brauchen. Verschwinden wir.“

    Im großen Saal:

    Kurz nachdem seine beiden Männer in den Keller verschwunden waren bemerkte der Japaner großen Aufhur am Eingang. Er drehte sich um und sah eine Gruppe europäischer Offiziere eintreten. Für einen Moment wusste er nicht, wie er reagieren sollte. Das Auftauchen dieser Leute warf ihre Pläne völlig über den Haufen. Sie waren hier um die Kollaborateure und zugleich möglichst viele der Koreaner zu erledigen, nicht Europäer, zumal zwei der Offiziere über ihren Uniformen noch goldene Schärpen trugen, die den Admiralsrang anzeigten. Mit anderen Worten musste irgendwo in der Nähe eine ziemlich große Flotte stehen. Er fluchte leise in sich hinein und zog sich in eine Ecke zurück, wo er seinen Messanger zückte und einen seiner Kompagnons anrief. „Hirata?“ „Ja. Was gibt es?“ „Sind heute Nachmittag irgendwelche größeren Raumschiffe aufgetaucht?“ „Ja. Ein paar Europäer. Die wollen ihre Leute für Landurlaub hier runter schicken.“ „Tja, dann geht dein wunderbarer Plan gerade gewaltig den Bach herunter.“ „Warum?“ „Weil deren Offiziere hier gerade auf dem Empfang aufgetaucht sind. Und bei deren Rängen sind das garantiert mehr als nur ein paar Schiffe.“ Der Andere schwieg für einen Moment. Dann fragte er: „Wie viele?“ „Acht. Davon zwei Admiräle.“ Hirata dachte für einen Moment nach. Dann sagte er: „Dann musst du sie irgendwie raus schaffen, bevor ihr den Sprengstoff zündet.“ Worte, bei denen ein unausgesprochenes ‚Aber das wird aufsehen erregen’ mitschwang. Der Japaner straffte sich, während er sich klar machte, was das alles bedeutete. Wenn die Koreaner verdacht schöpften, weil die Europäer vorschnell gingen, würden sie irgendwie verhindern müssen, dass es zu einer allgemeinen Flucht kam. Und das bedeutete, dass er und seine Leute nicht überleben würden. Mit leiser Stimme antwortete er: „Verlassen sie sich auf mich.“

    Nicole hielt sich die ganze Zeit zusammen mit Guv in der Nähe von Siska und Graf Dohna. Ihr war unwohl dabei die beiden in derart exponierter Position zu belassen. In ihren Augen war diese Welt feindliches Gebiet, egal wie rum man es drehte. Während die beiden Flottenoffiziere mit dem Konsul sprachen – sie schienen ihn dezent über das aushorchen zu wollen, was sie über die Aktionen der Sklavenjäger wussten – tastete sie immer wieder mit einer Hand über ihre eine verborgene Tasche, die sie über dem Steißbein in ihren Dienstanzug eingenäht hatte. Darin hatte sie ein Reservemagazin für die Pistole, das die Koreaner glücklicherweise übersehen hatten, als sie ihnen die Munition für die Pistolen abgenommen hatten. Unter normalen Umständen hätte sie sich mit dem Gedanken getröstet, dass niemand so dumm wäre gegen irgendeinen der Offiziere handgreiflich zu werden, solange sie Schiffe im Orbit stehen hatten, die diese Welt binnen weniger Stunden entvölkern konnten, aber die Stadt stank geradezu nach all dem Hass zwischen den Bewohnern und ihren Möchtegernbesatzern; derart, dass sie nichts mehr für unmöglich hielt.

    Nach gut zehn Minuten trat auf einmal ein Japaner an sie heran. Er hob sich von den übrigen Anwesenden bestenfalls dadurch ab, dass er sehr athletisch wirkte, fiel aber ansonsten nicht ins Auge. „Verzeihung“, flüsterte er ihr zu, „könnte ich sie kurz unter vier Augen sprechen.“ Sie sah ihn ausdruckslos an und schüttelte nur den Kopf. Sie würde ihren ‚Posten’ nicht verlassen. „Wenn sie mir etwas zu sagen haben, dann bitte.“ Er sah sich einmal vorsichtig um, dann ging er so nahe an sie heran, dass ihre Gesichter einander beinahe berührten. Liese sagte er: „Sie müssen hier raus.“ „Aha.“ „Hören sie, es ist mir ernst. Sie müssen ihre Leute hier raus bringen.“ „Und warum?“ „Weil meine Leute in zehn Minuten das Blockheizkraftwerk im Keller dieses Gebäudes sprengen werden. Dazu gehört ein hinreichend großer Kraftstofftank, dass die Explosion den ganzen Häuserblock abbrennen wird.“ Sie sah ihn für einen Moment erstaunt an, dann wollte sie nach ihrer Waffe greifen, doch er hielt sie zurück. „Tun sie nichts Unüberlegtes. Wir sind nicht ihre Feinde. Aber wenn sie sich uns in den Weg stellen wollen oder die Koreaner warnen, sprengen wir sofort. Ich biete ihnen hier eine Chance zu entkommen. Was sie daraus machen ist ihre Sache.“

    Mit diesen Worten verschwand er wieder in der Menge. Nicole dachte für einen Moment nach, dann entschied sie das Risiko nicht eingehen zu können. Sie befahl Guv leise dafür zu sorgen, dass alle Offiziere unauffällig nach draußen geschafft wurden, dann wandte sie sich an Graf Dohna (Siska unterhielt sich gerade mit dem Konsul). „Vize-Admiral, wir müssen gehen.“ Er sah sie fragend an. „Gibt es ein Problem, Major?“ Sie schielte kurz zum Konsul hinüber, der aber offenbar kein Deutsch verstand, denn er reagierte nicht auf ihr Gespräch. „Offenbar plant jemand heute Abend dieses Gebäude zu sprengen. Ich werde meine Leute also anweisen ihre Offiziere hier raus zu schaffen.“ Er überlegte kurz. „Sind sie sicher, dass es passieren wird?“ „Ich bin mir nur sicher, dass ich es nicht darauf ankommen lassen will.“ Er fügte sich schließlich. Sie warteten noch kurz, bis sie Siska in ihrem Gespräch unterbrechen konnten und gingen dann zum Ausgang.

    Der plötzliche Aufbruch der Europäer erzeugte jedoch genau den Effekt, den die Japaner befürchtet hatten. Der Konsul wurde misstrauisch und wies seine Wachen an das Gebäude zu überprüfen. Vier gingen die Treppen in Richtung der Büros hinauf, drei hinunter in den Keller. Der Anführer der Japaner zögerte noch. Er wollte seinen Männern im Keller möglichst viel Zeit geben. Er schielte jedoch schon in Richtung eines Notschalters in der Nähe der Tür. Dann hallten auf einmal mehrere Schüsse die Kellertreppe hinauf. Die Farce war vorbei. Blitzschnell zog er seinen eigenen Nunchaku unter der Kleidung hervor und hieb damit mit voller Wucht auf den Schalter ein. Der Alarm wurde ausgelöst und schwere Fallgitter rasselten überall bei den Fenstern und Eingangstüren herunter, verwandelten das schlagartig Haus in eine Festung, die jedem Mob standgehalten konnte. Auch einem, der versuchte heraus zu gelangen.

    Kaum dass er den Alarm ausgelöst hatte begannen die Wachleute des Konsulats schon ihre Pistolen zu ziehen. Einer schoss sofort auf ihn. Er tauchte unter dem Schuss hinweg und lief geduckt los. Dabei benutzte er die völlig überraschten Gäste als Deckung und fingerte gleichzeitig einige Wurfsterne aus dem Futter seines Jacketts hervor. Als er die Stirnseite des Raumes erreicht hatte, schmiss er sich vorwärts und schleuderte dabei zwei Sterne. Der eine erwischte einen Wachposten an der Stirn, der andere ging fehl und flog einfach nur in die Menge. Dann kam er hinter einer Säule wieder auf dem Boden auf. Für einen stillen Moment dankte er den Göttern dafür, dass nordkoreanische Monumentalarchitektur einen Hang dazu hatte wuchtige Säulen aufzustellen. Gleichzeitig hörte er Lärm von der Hintertür her, wo sein dort befindlicher Mann seine Tarnung hatte fallen lassen und auf die Wachen losgegangen war. Er nutzte den Moment der Ablenkung und lief los. Seine Waffe herumwirbelnd rannte er auf die mittlerweile in Panik geratene Menge der Gäste zu und trieb sie damit auf die Wachen zu. Gleichzeitig schnappte er sich die Pistole eines der getöteten.

    Jules und Naumer waren fast wieder unten gewesen, als ihnen vier ‚Kellner’ mit gezückten Pistolen auf der Treppe entgegen gekommen waren. Sie hatten sie in einem schnellen und kurzen Schusswechsel erledigt. Doch als sie wieder in die Halle kamen, war dort die Hölle los. Der Alarm schrillte, alles war versiegelt und zwei Japaner waren auf die Gäste losgegangen, die kreischend versuchten die massiven Gitterstäbe an den Ein- und Ausgängen doch noch irgendwie zu öffnen und sich dabei teilweise gegenseitig erdrückten. Sofort wurden sie von einem Wachmann, der gemerkt hatte, wie sie aus dem für die Gäste gesperrten bereich gekommen waren, beschossen. Sie erwiderten das Feuer und suchten in der Tür Deckung. Auch ihre Leute bei Strache waren aktiv geworden. Sie hatten hinter dem Buffet Schutz gesucht und ihre eigenen Waffen zusammengesetzt, um dann mit in das Feuergefecht einzugreifen. Auch einige Gäste versuchten sich mit dem Mut der Verzweiflung zu verteidigen. Dann kamen auch noch zwei Japaner, einer von ihnen an einem Bein angeschossen, mit Sturmgewehren aus dem Keller. Der eine schoss auf die Wächter, der andere einfach nur wahllos in die Menge.

    Naumer fluchte und sagte: „Wir brauchen einen Weg raus. Geben sie mir Deckung.“ Sie bestätigte, woraufhin er einerseits mit einem Handzeichen seine Leute zu ihnen rief und andererseits die Energiezelle aus seiner Waffe nahm und das Klebeband wieder abwickelte. Die Söldner am anderen Ende des Raumes setzten sich indess in Bewegung. Einer erschoss noch Strache, damit dieser sie später nicht würde identifizieren können, dann kämpften sie sich durch den Raum. Die Frau wurde dabei von den Kugeln eines Wachsoldaten getroffen und einer der Japaner wurde getötet, nachdem den Konsul mit einem Wakizashi enthauptet hatte. Die anderen beiden schafften es zu Jules. Naumer deutete unterdessen auf das Treppenhaus und eine dort liegende Außenwand. Er legte die Kerne der Energiezellen, die aus auf gut zehn Prozent angereicherten Naquadaverbindungen bestanden, direkt vor die Wand, und ließ sich dann eine andere Laserwaffe geben, deren Verschalung er öffnete. Er manipulierte die Waffe so, dass sie alle Energie der Zelle mit einem Schuss freisetzte. Dann feuerte er auf die Zellen. Das Naquada darin wurde aktiv, explodierte mit der Wucht von mehreren Kilogramm TNT und pulverisierte die Wand förmlich. Als Jules nach der Explosion wieder durch die Türöffnung sah und die Zerstörung sah, warf sie einen ungläubigen Blick auf die Waffe in ihrer Hand. Einer der Söldner meinte nur schnippisch: „Deshalb sind die Zellen mit Trinium ummantelt." Dann flüchteten sie durch die geschaffene Öffnung.

    Draußen versuchten sie nur vom Gebäude weg zu kommen. Als sie die angrenzende Straße überquert hatten merkten sie allerdings, dass ihnen jemand folgte. Es waren zwei der Japaner, die offenbar hatten entkommen können. Sie feuerten in die Maueröffnung, um sich den Rücken frei zu halten und einer von ihnen zückte etwas, das wie ein Fernzünder aussah. Er betätigte ihn eine gewaltige Explosion war zu hören. Dann schossen Flammewolken aus allen Fenstern des Gebäudes und Teile der Decke wurden weggesprengt. Die Japaner wurden von der Druckwelle umgeworfen und blieben für einen Moment auf der Straße liegen. Jules raffte sich auf und rannte zu ihnen. Bevor sie aufstehen konnten hielt sie ihnen schon die Waffe unter die Nase und brüllte: „Wer zur Hölle seid ihr?“ Einer von ihnen, der seine Sinne offenbar schon wieder ganz gut geordnet hatte, antwortete: „Die Frage stelle ich sofort zurück.“ „Nein. Ich richte eine Waffe auf euch. Also redet.“ Es war jedoch keiner von ihnen, der antwortete, sondern Omori, der zusammen mit den anderen zurückgekommen war: „Sie gehören zur goldenen Chrysantheme. Niemand sonst könnte so etwas durchziehen.“ Die Leute schwiegen nur, doch ihr Schweigen war antwort genug. Dann hörte Jules auf einmal einen erschrockenen Schrei. Sie sah in die entsprechende Richtung und ihr Blick fiel auf die Europäer, die nach der Explosion zurückgekommen waren, um nachzusehen, was los war. An ihrer Spitze stand Nicole. Sie sah Jules direkt und mit fassungslosem Blick ins Gesicht. Für einen Moment sahen sie einander an, dann sagte Jules zu ihren Leuten: „Kommt, weg hier.“ Dann ließ sie das Bündel mit den gestohlenen Papieren fallen und rannte weg.



    Mura war, wie sich in den darauf folgenden Tagen herausstellte, eine Kolonie einer hochentwickelten Rasse gewesen, zu deren Hinterlassenschaften ausgedehnte Ruinenfelder gehörten, die sich über eine ansonsten karge Welt erhoben, auf der alles Leben schon vor langer Zeit ausgelöscht worden zu sein schien. Doch als der Aufsichtsrat von Ganymed bei etwas zwielichtigeren Geschäften von Mura erfahren hatte, hatten einige der umsichtigeren Mitglieder dort zuerst eine Forschungsstation errichtet, die die Ruinen untersuchen sollte. Später, als sich abzeichnete, dass der Jupitermond nicht mehr lange geheim zu halten war, hatten sie angefangen dort eine zweite Konzernwelt aufzubauen. Und die Kolonisten des wilden Raumes waren die perfekten Arbeitskräfte gewesen. Sie waren zäh, handwerklich geschickt und viele auch in der Benutzung schwerer Maschinen ausgebildet. Jeder von ihnen war zehn Sklaven jener Art Wert, wie sie sie auf Ganymed gehabt hatten. Als Ester Siskas Geschwader fünf Tage nach den Geschehnissen auf Kyoto dort aufmarschierte und den Planeten befreite, konnten sie noch über zweihunderttausend Sklaven befreien.

    Zu einem größeren Kampf war es allerdings nicht mehr gekommen. Der einzige ernstzunehmende Widerstand, der ihnen entgegen schlug, kam von den Schiffen der Sklavenjägerverbände, die eilends nach Mura zurück gerufen worden waren. Jedoch nicht aufgrund der anrückenden Europäer, sondern aufgrund des vorherigen Auftauchens mehrerer Schiffe der Nyx-Flotte. Rückblickend konnten Siska und ihre Leute nicht mehr sagen welche Seite zuerst das Feuer eröffnet hatte, aber selbst wenn die Extraterrestrischen zuerst versucht haben sollten hatte es nichts gebracht. Sie sprachen eine Abart des Goa’uld und in jener Sprache hörte sich selbst ein Liebesgeständnis wie eine Kriegserklärung an. Und was auch immer passiert war, der Ausgang stand fest: Sie hatten die Orbitalverteidigung weggefegt, jemanden auf den Planeten geschickt und waren zwei Tage später wieder abgezogen. Die Sklavenlager und Fabriken der Konzerne hatten sie dabei völlig ignoriert. So hatten die Europäer am Ende nur noch eine Welt voller Sklaven und einen Haufen verängstigter Sklaventreiber, die so schnell wie möglich versucht hatten Mura zu verlassen, vorgefunden. Sie zerschmetterten jeden Widerstand und begannen, anders als auf Ganymed, wo die meisten zurück geblieben waren, die Sklaven in Sicherheit zu bringen. Das Gespenst des Sklavenmondes war endgültig besiegt.
    Geändert von Protheus (13.09.2009 um 13:42 Uhr)
    Die Freiheit des Bürgers heißt Verantwortung.

    (Joachim Gauck)


    "You may belong to any religion[...] - that has nothing to do with the buisness of the state. We are starting with this fundamental principle, that we are all citizens and equal members of one state." (Sir Mohammed Ali Jinnah)

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    Laufend: 2036 - A Union at War

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  11. Danke sagten:


  12. #71
    Gehasst, Verdammt, Vergöttert Avatar von Colonel Maybourne
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    Und wieder ein sehr gutes Kapitel auch wenn ich sagen muss, dass ich von Kyoto ein wenig mehr erwartet habe.
    Immerhin haben die Koreaner dort keinen Einfluss und liegen trotzdem mit schweren Schiffen mit Orbit.
    Ich hatte ja gedacht, dass die Japaner zumindest eine kleine eigene Flotte aufgebaut haben, zur Verteidigung.

    Was den Sklavenmond angeht, so frage ich mich immer mehr, was die Typen von Nxy da gesucht haben.
    Die durchkämmen die ganze Galaxie und verprellen dabei sogar Antiker, auch wenn die vom rechten Weg abgekommen scheinen.

    Außerdem sollten die Hintermänner der Konzerne auf der Erde gejagd werden, dass wäre mal richtig cool.
    Am besten noch ein paar für Schauprozesse verhaften...

    Und die Inder verteilen Hilfsgüter, dass hat auch was.

    Wird Nicole das eigentlich melden, dass sie Jules gesehen hat... dürfte sicher für mehr als nur Aufregung sorgen?

    Bis dann.
    Das Leben ist ein Schwanz und wir die Eier, die mitgeschleift werden.


    Meine aktuellen Fanfiction:


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  13. #72
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    Ich hatte in den letzten Tagen irgendwie zu wenig zu tun und eine kreative Phase. Das Ergebnis: 20 Seiten in zwei Tagen. Auch wenn es eigentlich eine Unsitte ist, will ich das Ganze jetzt schon bringen - und zwar als Doppelfolge - weil ich in der restlichen Woche sehr wahrscheinlich nicht mehr dazu kommen werde. Kritik ist wie immer erwünscht. Aber zuerst noch die Reaktionen:

    @Azrael: Danke für die Danksagung
    @Colonel Maybourne: Das folgende

    Gesamtlänge: Ziemlich genau 20 Seiten, davon 7 in der ersten und 13 in der zweiten Folge. Viel Spaß beim Lesen.

    Episode 18: 120 Stunden, Teil 1

    120 Stunden vor der Landung, Kyoto:

    Der durchdringende Gestank offen liegender Abwasserkanäle drang von der Tür her bis zu ihnen vor, die ausgeschenkten Getränke schmeckten abgestanden und die Lautsprecher an der Bar hatten immer wieder Aussetzer und stotterten, was der Barkeeper dadurch zu kaschieren versuchte, dass er umso lauter aufdrehte. Verglichen mit der Bar, in der sie am vorangegangenen Tag einige Stunden verbracht hatten, war diese hier ein versifftes Dreckloch. Aber im Moment konnten Jules und ihre Begleiter es sich kaum aussuchen. Was sie in den letzten Monaten getan hatten – Entführungen, Folter, Mord, so ganz nebenbei den halben wilden Raum in ein Schlachtfeld verwandelt und vor wenigen Stunden auch noch eine diplomatische Vertretung mit zusammengeschossen – machte sie nach allen gesetzlichen Maßstäben zu Verbrechern. Aber trotzdem fühlte sie sich gut. Verdammt gut. Ein Gefühl, dass die Söldner zu teilen schienen.

    Sie hatten alle Vorstellungen von Recht und Gesetz über Bord geworfen und waren nur ihrem moralischen Kompass gefolgt. Sie hatten viel erreicht, wobei das Malheur im Konsulat eindeutig den Höhepunkt darstellte. Es vermittelte ihr den Eindruck tatsächlich etwas verändern zu können. Solange sie sich nicht von den Regeln einer Gesellschaft ausbremsen ließ, die vor Jahren schon versucht hatte sie zu töten, schien alles möglich. Dieser Gedanke ließ sie alle auf einer Welle des Hochgefühls schwimmen, die alle Unannehmlichkeiten nichtig wirken ließ. Es stank? Wen kümmerte es? Alles, was es brauchte war ein wenig Duftöl, das man sich unter die Nase rieb. Die Getränke schmeckten grausig? Na und? Wenigstens waren die Tische sauber (Der Barkeeper sprühte sie jeden Abend mit einem Hochdruckreiniger ab). Sie hatten sich wahrscheinlich sehr mächtige Feinde gemacht? Die hatten sie sowieso schon. Und außerdem: Viel Feind, viel Ehr.

    Das waren die Gedanken, die ihre Gespräche beherrschten, während sie in der Bar zusammen saßen und ihren Sieg feierten. Der Wirt hatte schon die vierte Runde jenes Getränkes gebracht, von dem er felsenfest behauptete es sei Bier, die Musik war sogar ziemlich gut, wenn man über die Aussetzer hinweg hörte und sie konnten sich hier sicher fühlen. Die Bar lag in einer der unteren Etagen im westlichen Teil der Stadt. Dabei war ‚untere Etage’ allerdings nicht als Erdgeschoss zu verstehen, auch wenn man das mit etwas Phantasie so hätte sehen können. Vielmehr waren hier am steilen Osthang des Nii-Hiei die älteren Wohngebäude immer wieder durch zusätzliche Etagen erweitert worden. Bauland war knapp, so dass man lieber in die Höhe baute. Und irgendwann hatte ein Stadtplaner im verzweifelten Versuch genügend Wohnraum für die in die Stadt strömenden Flüchtlinge zu schaffen die dabei entstanden Häuserschluchten mit Gewölben überbaut. Dadurch erhielt er zwar wunderbare ebene Terrassen am Berghang, doch die unteren Wohnhäuser wurden de facto zu unterirdischen.

    In Folge dessen war es hier unten zwar kalt und die Luftfeuchtigkeit immer sehr hoch, doch als angenehmen Nebeneffekt hatte die Stadt einige ganz passable Luftschutzbunker erhalten und alle, die sich vor neugierigen Blicken verbergen wollten, hatten einen Rückzugsort, denn die Polizei scherte sich nicht darum, was hier geschah. Und zu genau diesen Leuten zählten sie sich im Moment. Nach dem Attentat auf das Konsulat hatten die örtlichen Behörden die Ruinen abgesperrt und eine strenge Ausgangssperre verhängt. Zuerst wäre das beinahe zu einem Problem geworden, doch die Teenager der Straßengang, von denen Omori den Tipp mit dem Empfang bekommen hatte, konnten sie hier verstecken, bis die Lage sich soweit beruhigt hatte, dass sie zurück zur ‚Argo’ konnten, die in einem bewaldeten Tal außerhalb der Stadt versteckt lag.

    Die Gläser der vierten Runde leerten sich schon rapide und drei arabischstämmige Söldner hatten ein Lied angestimmt, das ziemlich nach Gejaule klang, aber irgendwie eine faszinierende Melodik entwickelte, wenn man schon leicht angetrunken war, als plötzlich mehrere junge Männer und Frauen den Schankraum betraten. Ihr Anblick ließ die anwesenden Gangmitglieder sofort aufstehen. Beide Gruppen taxierten einander kurz, dann zückten Jules Sympathisanten Waffen, wie Springmesser, Schlagringe und auch eine Pistole. Ihr Anführer sprach einen Mann aus der anderen Gruppe in giftigem Tonfall an und zwischen ihnen entbrannte ein heftiger Wortwechsel. Jules sah zu Omori, der ihren Blick richtig interpretierte und erklärte: „Die scheinen zu einer anderen Gang zu gehören. Und jetzt diskutiert unser junger Freund hier mit seinem Kumpel eine kleine Revierstreitigkeit aus.“ Sie zog einen Mundwinkel zu einem spöttischen Schmunzeln hoch. „Diskutiert aus?“ „Na ja, das meiste was sie zueinander sagen sind Beschimpfungen.“ Irgendein gesagtes Wort ließ ihn auf einmal zucken und das Gesicht verziehen. „Ooooh…“ „Was hat er gesagt?“ „Nein, das übersetze ich jetzt lieber nicht. Sagen wir einfach nur unser Freund hat einen wenig schmeichelhaften Vergleich zwischen seinem Gegenüber und einem herrenlosen Hund angestellt.“ Die Söldner lachten. Dann wurde Omori auf einmal schlagartig ernst. „Moment. Der Kerl hat gerade gesagt, dass er hier keinen Streit sucht, sondern uns.“

    Die darauf folgende Reaktion ließ es im Raum auf einmal totenstill werden. Nicht nur Jules, sondern auch jeder einzelne ihrer Begleiter, zog blitzschnell mindestens eine Waffe und richtete sie auf die Neuankömmlinge. Die schienen vor Schreck auf einmal zu Salzsäulen erstarrt, als nicht weniger als dreiundzwanzig Männer und Frauen, die schon unter normalen Umständen bei unbescholtenen Bürgern das unbändige Bedürfnis weckten den Rückzug anzutreten und dabei kein einziges Mal den Finger von der Notruftaste des Messangers zu nehmen, plötzlich die Maske fallen ließen und sich von einfachen Kneipenbesuchern in eine bis an die Zähne bewaffnete Bande grimmig dreinschauender Söldnerschweine verwandelt hatten. Für einige Sekunden zuckte niemand auch nur mit der Wimper. Nur der stotternde Power-Metal aus den Lautsprechern war zu hören und Jules glaubte im Augenwinkel zu erkennen, wie der Barkeeper nach irgendetwas unter seiner Theke griff. Bevor er allerdings die klischeehafte abgesägte Schrotflinte zücken konnte, fragte sie an den Burschen mit dem ihr Helfer gesprochen hatte gewandt: „What the hell did you just say?“ Sehr kleinlaut antwortete der Befragte in brüchigem Englisch: „Me? Nnnn… Nothing. We’re only asked to search for people like you.“ „By whom?“

    „Von mir“, erscholl eine Stimme von der Straße her. Jules hörte über die Musik hinweg nun zackige Schritte und ein Mann, der ohne weiteres vierzig Jahre alt sein mochte, betrat den Raum. Er trug die Jacke eines japanischen Kampfanzuges samt dazu passender Offiziersmütze und Hosen. Jegliche Rangabzeichen waren allerdings abgerissen worden, die Kleidung war abgewetzt und anstelle des eigentlichen Hemdes hatte er ein ausgeleiertes schwarzes T-Shirt angezogen. „Ich“, begann er direkt an die Söldner gewandt, „bin Leutnant Kichirou Hirata.“ Er trat mit einem breiten Grinsen im Gesicht einen Schritt auf sie zu. „Sie haben heute Abend einigen meiner Leute Schützenhilfe geleistet und dabei eine ziemlich überzeugende Vorstellung abgeliefert. Nach dem, was mir zu Ohren kam, waren sie ziemlich eifrig dabei, wenn es ums Abknallen von Koreanern und Kollies ging. Ich wollte ihnen nur sagen, wie toll wir das finden.“ Jules sah ihn nur mit aufgerissenen Augen an und blinzelte ein paar Mal ungläubig, unschlüssig, ob er ernst zu nehmen war, oder sie einfach nur einem Irren gegenüberstand, für den es das Beste wäre ihn von seinem Leiden zu erlösen. Bevor sie sich entschieden hatte sprach er jedoch weiter.

    „Nun, nachdem sie so bewundernswerte Arbeit geleistet haben, wollte ich wissen, ob sie vielleicht gerne ein paar Gleichgesinnte treffen wollen.“ Sie musste einmal leise auflachen. Versuchte der Kerl gerade sie zu rekrutieren? „Nein, nicht wirklich. Keine Ahnung was sie mit den Koreanern zu schaffen haben, aber sie sind uns nur in die Quere geraten. Solange sie uns nicht stören… Na ja, sie können sich den Rest wahrscheinlich denken.“ Er nickte und sah kurz zu Boden. Dann hob er den Blick wieder und hakte nach: „Ihr Auftauchen hat einige Hoffnungen bei meinen Leuten geweckt. Es wäre mir sehr unangenehm sie enttäuschen zu müssen. Hätten sie also vielleicht die Freundlichkeit wenigstens zu einem einzigen unverbindlichen Treffen zu erscheinen.“ Amüsiert schüttelte Jules den Kopf und sagte: „Nein. Nicht wirklich.“ Er nickte erneut. „Tja, wirklich zu schade. Ich muss nämlich leider darauf bestehen, dass sie mit mir kommen.“

    Jules, die sich gerade wieder hatte hinsetzen wollen, drehte den Kopf wieder in seine Richtung. „Ich glaube ich habe nicht richtig verstanden.“ „Ich vermute schon. Mein Anliegen war keine Bitte.“ „Dann verwechseln sie vielleicht etwas. Meine Leute richten hier die Waffen auf sie, nicht umgekehrt.“ „Und da liegen sie falsch. Ich gehe nicht ohne Rückendeckung zu einem Treffen mit Leuten wie ihnen. Draußen stehen mehrere meiner Männer, die unter anderem einen Granatwerfer dabei haben.“ Er tippte auf das Mikro des Headsets, das er trug. „Und die hören mit. Wenn mir hier etwas passiert oder ich auch nur ein Wort sage, wird keiner von ihnen dieses Lokal lebend verlassen.“ „Ach? Ist das so?“ Er nickte. „Ich neige nicht zum bluffen.“ „Dann haben wir ein Problem. Denn dann verlassen sie diesen Raum im Zweifel auch nicht lebend.“ „Doch, das liegt durchaus im Bereich des Möglichen, wenn sie jetzt mit mir kommen. Aber ich warne sie: Sobald einer ihrer Leute auch nur einmal komisch zuckt, werde ich ungehalten.“ Sie überlegte kurz. „Na dann… Armin, geh schon mal raus.“ Bei diesen Worten sah sie Naumer für einen Moment viel sagend an. Er verstand und nickte mit Blick auf einige seiner Leute in Richtung der Tür. Zu viert traten sie auf die Straße. Für einige Sekunden schlich sich ein siegessicheres Lächeln auf das Gesicht des Japaners, dann waren auf einmal von draußen fünf Schüsse von Lasergewehren zu hören. Der Japaner sah sich erschrocken in Richtung der Tür um. Das war der Moment, den Jules brauchte, um zu ihm zu gelangen. Sie packte ihn und hielt ihm die Laserpistole an die Schläfe. Mit barschem Tonfall befahl sie ihm: „Los, raus.“ Draußen auf der überwölbten Straße sahen sie die vier Söldner, die eine Gruppe von mehreren Japanern in die Zange genommen hatten. Jules grinste den Leutnant an. „Tja, offenbar zucken meine Leute zu schnell für sie. Aber sie haben mich neugierig gemacht. So hartnäckig wie sie waren müssen das ja sehr interessante Leute sein, die sich mit uns treffen wollen.“

    Einige Stunden später saßen Jules, Naumer und drei ihrer Leute in Begleitung der Japaner in einem Skimmer, der im Tiefflug über die das bewaldete Hügelland nordwestlich der Stadt hinweg flog. Unter ihnen breitete sich nichts weiter aus, als schier endloser Wald, der nur gelegentlich von Lichtungen durchsetzt war. Einige davon hatte Jules allerdings schon als Dörfer oder Felder erkennen können. Nach einiger Zeit des Fluges fragte sie: „Was wollen wir hier draußen? Hier gibt es ja gar nichts.“ „Und weil die meisten Leute so denken sind wir hier draußen relativ unbehelligt.“ „Hm. Also haben sie hier einen Stützpunkt?“ „Nun, ich nicht. Aber ein Freund.“ Sie landeten in der Nähe eines der Dörfer, das aus guten zwei Dutzend einfacher Häuser bestand, die über eine größere Lichtung verteilt errichtet worden waren. Während sie darauf zugingen, sagte der Leutnant: „Das Geheimnis warum die Koreaner unsere wichtigsten Basen noch nicht gefunden haben ist, dass wir sie gar nicht erst verstecken. Sie haben nur keine Ahnung was sie da sehen. Auf den ersten Blick sieht das alles hier nicht anders aus, als eines der Dörfer, die hier während der ersten Kolonisation von Aussteigern aufgebaut wurden.“ „Und wen treffen wir hier?“ „Jemanden dessen Autorität meine übersteigt.“

    Sie hatten das Dorf fast erreicht, als auf einmal Männer in Tarnanzügen und mit Sturmgewehren in den Händen aus dem Unterholz auftauchten. Sie boten einen seltsamen Anblick, da alle fünf ihre Haare in der traditionellen Frisur eines Samurai – oder eines Sumoringers – frisiert hatten und neben ihren Schusswaffen je zwei Schwerter am Gürtel trugen, dabei aber agierten wie modern ausgebildete Soldaten. Sie ignorierten ihre Landsleute zuerst und zielten nur auf Jules und ihre Söldner, bis Hirata ihnen klar machte, dass diese zu ihm gehörten. Dann führte man sie ins Dorf. Aus bodennaher Perspektive betrachtet hatte dieses sogar erstaunliche Ähnlichkeit mit einem Militärlager. Zumindest wenn man als wichtigstes Kriterium ansetzte, dass praktisch alle bewaffnet und zumindest näherungsweise uniformiert waren. Es hätte allerdings auch genauso gut eine Räuberhöhle sein können. Man brachte sie schließlich zum größten Gebäude, das auf einem Hügel lag. Dort angekommen wurde Hirata gebeten in einen Nachbarraum zu gehen, wo Jules einen Mann mit ergrautem Haar zu erkennen graubte, der für einen Japaner allerdings auffallend groß schien und zu grobe Gesichtszüge hatte. Die beiden gingen in den Innenhof des Gebäudes und unterhielten sich miteinander. Dabei gestikulierte der Grauhaarige teils heftig und man konnte erahnen, dass er nicht glücklich war. Als sie fertig waren, hatte Hirata es sehr eilig wieder zu verschwinden, während der andere Mann zu ihnen kam. Als er in der Tür stand und die Gruppe betrachtete, verharrte sein Blick auf Jules. Ein breites Lächeln erschien auf seinen Lippen und er sagte: „Ich kann es kaum glauben. Sie sind es tatsächlich, Hauptfeldwebel.“

    Zuerst war Jules verwirrt. Sie glaubte das Gesicht dieses Mannes zu kennen. Es war keine konkrete Erinnerung, sondern mehr ein Gefühl, als begegne man jemandem, den man schon dutzende Male auf der Straße gesehen hatte, plötzlich irgendwo, wo man es nicht erwartet hatte. Sie konnte dem Gesicht keine Geschichte und auch keinen wirklichen Namen zuordnen. Er war vom Alter gezeichnet. Sein Gesicht hatte erste Falten, sein Haar war ergraut, aber er wirkte gleichzeitig noch überraschend kräftig. Vorsichtig sagte sie: „Sie haben mir etwas voraus.“ Der Mann lächelte und setzte sich zu ihnen auf die um den niedrigen Tisch gruppierten Kissen, auf denen sie während der Wartezeit Platz genommen hatten. „Tja, die Zeit ist zu mir offenbar weit weniger gnädig gewesen, als zu ihnen. Sie sehen hervorragend aus.“ Er gab ein leises Seufzen von sich, als er sich hingesetzt hatte und murmelte: „Ja, ja, das Alter.“ Er sah wieder zu ihr auf und meinte mit einem schelmischen Grinsen: „Stellen sie sich vor ich sei noch jung, verdammt gut aussehend, trage eine fesche dunkelgrüne Uniform mit Barett, an dem ich ein Kleeblatt angeheftet habe.“ Bei dieser Beschreibung fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Natürlich erinnerte sie sich, wo sie ihn schon einmal gesehen hatte. „Sie waren damals einer der irischen Ranger beim STK!“

    Er nickte fröhlich grinsend. „Finlay McGrath, ehemals Leutnant der Óglaigh na hÉireann.“ „Wie kommen sie dann hierher?“ Er setzte zu einer antwort an, doch sie hob auf einmal die Hand und gebot ihm zu schweigen, während sie für einen Moment angestrengt nachdachte. „Sie sind damals mit diesem Japaner mitgegangen, als er seinen eigenen Widerstandskampf aufgezogen hat, oder?“ „Ja. Ich bin einer von Takenakas Ronin.“ „Und was hat sie hierher verschlagen? Das STK hatte sie schon 2008 alt tot abgeschrieben.“ McGrath überlegte kurz, dann antwortete er: „Nach der Vernichtung der Systemlords hat die Erde den Kampf für beendet gehalten. Wir nicht. Takenaka gab sich nicht mit diesem kosmetischen Sieg zufrieden, bei dem nur die Anführer beseitigt wurden, sich in der Galaxie aber nichts wirklich änderte. Wir haben also gegen die gekämpft, die die Erde damals ignoriert hat. Sklavenhändler, übrig gebliebene Kriegsherren, kleine Goa’uld, die sie übersehen hatten. Als die Sternentore zerstört wurden waren wir schließlich auf den Orionarm beschränkt. Aber hier haben wir ordentlich aufgeräumt. Irgendwann hatten wir dann das Gefühl genug erreicht zu haben und haben uns zur Ruhe gesetzt. Als dann die irdische Kolonisation dann auch bis zu uns vordrang hörten wir von Kyoto und kamen hier her, um dieses Dorf aufzubauen. Aber Leuten wie uns ist in dieser Welt offenbar kein Frieden vergönnt.“

    „Die koreanische Invasion“, mutmaßte Jules. Finlay nickte. „Kurz nach dem Fall von Hokkaido erreichten mit der zweiten Flüchtlingswelle auch versprengte Militäreinheiten Kyoto. Sie waren völlig demoralisiert und desorganisiert. Einige wenige wollten noch weiterkämpfen, andere einfach die Flinte ins Korn werfen. Damals haben wir wieder zu den Waffen gegriffen und gegen die Invasoren gekämpft. Mit der Zeit haben sich uns dann auch mehr und mehr Soldaten angeschlossen. So ist schließlich die goldene Chrysantheme entstanden. Sie ist Takenakas Werk. Er verstand den Guerilla-Krieg. Ohne ihn wäre diese Welt heute eine koreanische Kolonie.“ Er seufzte mit einem sehnsüchtigen Ausdruck in den Augen, als schwelge er in Erinnerungen an die alte Zeit. Dann meinte er: „Leider war jetzt alles umsonst.“

    Jules runzelte die Stirn. „Wie meinen sie das?“ „In ein paar Wochen wird es kein freies Kyoto mehr geben.“ „Warum?“ „Weil dieser Volltrottel Hirata nichts besseres zu tun hatte, als das Konsulat abzufackeln.“ Er sah Jules mit sehr ernstem Gesichtsausdruck an. „Vor zwölf Jahren, als die ganze Welt beflissentlich weggesehen hat, hat die nordkoreanische Armee diese Welt besetzt. Sie hatten hier über dreihunderttausend Mann. Wir haben sie in einem vier Jahre dauernden Guerillakrieg wieder vertrieben. Und wenn ich ihnen dass sage will ich, dass ihnen klar ist, dass das nichts mit romantischen Vorstellungen von Partisanen zu tun hat, die Hollywood verbreitet. Aber sie sollten das ja eigentlich wissen. Sie waren grausam zu uns und wir grausam zu ihnen. Aber bei allem, was wir getan haben, hat die goldene Chrysantheme nur gegen Soldaten der Besatzungsmacht gekämpft und nicht gegen Zivilisten oder Diplomaten, wie dieser Idiot Hirata.“ Auf Naumers fragenden Blick hin fügte er ein: „Er war mal einer unserer Offiziere. Hat seine Kriegserlebnisse nicht verarbeiten können und ist zum brutalen Schlächter geworden. Deshalb haben wir ihn und seine Leute rausgeschmissen und sie haben ihre eigene Truppe aufgezogen. ‚Städtische Guerillafront freies Japan’ nennen diese Spinner sich jetzt.“ „Und wie sind sie die Koreaner am Ende losgeworden?“

    „Letztlich: Gar nicht. Nachdem sie mehr als hunderttausend Helden der Revolution in Leichensäcken nach Hause schicken durften haben sie eingesehen, dass sie uns militärisch nicht beikommen konnten. Deshalb haben sie ihre Soldaten weitgehend abgezogen und eine Orbitalblockade eingerichtet, um uns auszubluten. Tja, aber jetzt werden sie zurück kommen.“ „Sie haben sie schon einmal besiegt. Sie schaffen es ein zweites Mal.“ „Mitnichten, Mister…“ „Naumer.“ „Naumer. Wir hätten vielleicht genug Leute, ja, aber zu behaupten, wir seien unterbewaffnet wäre eine lachhafte Untertreibung. Die koreanische Blockade hat uns schwerer zugesetzt, als zuzugeben mir lieb ist. Als sie abgezogen sind hatten wir kaum noch Munition und viele Waffen zeigten Verschleißerscheinungen bis zur Schmerzgrenze. Wenn sie noch einmal einmarschieren können wir ihnen nur noch einen furiosen letzten Kampf liefern. Mehr nicht.“

    Für einen Moment herrschte betretenes Schweigen, das Finlay letztlich brach, indem er aufstand und sagte: „Aber genug darüber. Ich werde etwas zu Essen auftischen lassen. Seien sie wenigstens heute meine Gäste.“ „Moment“, warf Naumer plötzlich ein. „Sie sagen ihr Hauptproblem sei Mangel an Waffen?“ „Im Prinzip ja.“ „Dann sehe ich das Problem nicht. Ich weis, wo man mehr davon beschaffen kann, als sie jemals brauchen werden.“ Der Ire schmunzelte. „Wir haben kein Geld. Waffenhändler würdigen Leute wie uns keines Blickes.“ „Ich dachte auch nicht daran welche zu kaufen.“ Nun wurde Finlay neugierig. Er setzte sich wieder und meinte: „Bitte, erklären sie.“ Naumer holte seinen PDA aus einer Innentasche seiner Lederjacke und rief eine Datei darauf auf. An Jules gewandt fragte er: „Du erinnerst dich noch daran, dass ich gestern die Dokumente, die wir im Konsulat haben mitgehen lassen, abfotografiert habe?“ „Logisch. Was ist damit?“ „Tja, wir haben hier die Position von Mura. Und wenn die Leute dort auch nur annähernd so gut ausgerüstet sind, wie wir es auf Ganymed waren…“ Er musste nicht weiter sprechen. Schon diese Worte ließen Jules Augen begeistert aufblitzen. „Wir räumen also ein Depot aus?“ „Warum nicht? Außerdem stehen die Chancen nicht schlecht, dass die dort Waffenfabriken haben.“

    „Wovon sprechen sie“, erkundigte Finlay sich. „Von einem Haufen Sklavenhalter, die auf einer Nahe gelegenen Welt Fabriken aufgebaut haben. Und die ziemlich gut bewaffnet sind. Ich nehme einfach mal an, dass Ganymed ihnen etwas sagt.“ „Hm… Es hätte einen gewissen Reiz Waffen von den Mächtigen zu nehmen und die Schwachen damit zu bewaffnen. Halten sie einen Überfall überhaupt für machbar?“ „Das hängt davon ab, wie Europa reagiert. Die Flotte, die im Moment im Orbit steht haben wir hier her gelockt. Außerdem haben wir ihnen Informationen über die Sklavenwelt zugespielt. Wenn die Mura aufmischen könnten wir dabei etwas Ausrüstung abgreifen.“ Finlay dachte einen Moment lang nach. Dann meinte er: „Der Grundgedanke gefällt mir. Aber ich habe nicht vor zu warten.“ Er erhob sich und ging zur Tür. Dort steckte er kurz den Kopf aus dem Raum und gab einer der dort stehenden Wachen einen Befehl auf Japanisch. Der Mann verschwand und kam einige Minuten später mit einer anderen Person zurück.

    Sie sah aus wie eine junge Frau, war aber definitiv nicht menschlich, auch wenn die äußerlichen anatomischen Unterschiede nicht einmal besonders groß schienen. Auch sie hatte zwei Arme und Beine, fünf Finger, einen menschlich wirkenden Oberkörper und ein ebensolches Gesicht, schien jedoch eine Zehengängerin zu sein. Sie trat wie eine Katze nur mit den vorderen Fußballen auf. Kahnbein und Mittelfußknochen waren verlängert und bildeten so ein drittes Beinglied, das zwar beim Menschen ebenso vorhanden, aber als Teil des Fußes nicht erkennbar war, was hier allerdings kaum ins Gewicht fiel, da ihre Beine als sie den Raum betrat soweit durchgedrückt waren, dass es auf den ersten Blick kaum zu sehen war. Zudem hatte sie keinen erkennbaren Haarwuchs. Auf dem Kopf hatte sie stattdessen längliche fleischige Hautfalten, die eng am Kopf anlagen und zum Hinterkopf gefaltet waren. Sie begrüßte die anwesenden mit einem freundlichen Lächeln und setzte sich mit auf eines der Kissen.

    „Du wolltest mich sprechen, Fionnlagh?“ „Ja. Ich möchte, dass du mal einen Blick auf ein paar Zahlen wirfst.“ Bei diesen Worten deutete er Naumer an ihr den PDA zu geben. Der Söldner grummelte zuerst leise und wütend vor sich hin, dann legte er das Gerät auf den Tisch und schob es zu ihr rüber. Sie nahm es und sah sich die aufgerufene Seite an, auf der die Koordinaten von Mura vermerkt waren. „Wie weit ist dieser Planet von hier entfernt?“ Sie überlegte kurz. Ihre Lippen bewegten sich dabei lautlos, als murmele sie Zahlen mit, die sie in Gedanken durchging. „Mit einem von Colonel Akamatsus Schiffen einen Tag.“ Er nickte. Dabei rieb er sich nachdenklich das Kinn. „Und von der Erde aus?“ „Drei Tage.“

    Er schloss die Augen und dachte für gut zwei Minuten angestrengt nach. Dann fragte er: „Miss Thora, würden sie uns über diese Information hinaus unterstützen?“ Jules sah kurz zu Naumer. Dieser sagte nur: „Warum nicht? Dann können wir nachsehen, ob Europa wirklich in Aktion tritt.“ „Also gut. Wie sieht ihr Plan aus?“ „So, dass wir nicht erst warten. Ich nehme an sie haben ein Schiff.“ „Ja.“ „Was für eines?“ „Leichter SY-63N Geleitträger.“ „Welche Kapazität?“ „Bis zu fünfhundert Tonnen Nutzlast.“ „Gut. Dann machen sie ihr Schiff startbereit. Ich gebe ihnen noch ein paar Leute mit und organisiere ein paar Geleiteinheiten. Die EU kann ihre Bodentruppen binnen 24 Stunden mobilisieren. Weitere 24 für die Verladung auf Transporter und dann drei zum Ziel. Bis die da sind müssen sie schon alles einkassiert haben, was wir brauchen und bereit sein zu verschwinden. Sobald die im Orbit ankommen starten sie wieder und verschwinden, solange die noch miteinander beschäftigt sind.

    96 Stunden vor der Landung, Sarpedon:

    Die großen Fenster in den Räumlichkeiten der Admiralität auf der Sarpedon-Station erlaubten Graf Dohna einen guten Ausblick auf die am ‚Bogen’, der in der Form eins Kreisbogens konstruierten Docksektion der Station, angedockten Schiffe. Er hatte die letzten Stunden hier mit der Lektüre einer Kopie der Dokumente verbracht, die ihnen auf Kyoto in die Hände gefallen waren. Dabei waren seine Gedanken immer wieder darauf gekommen, wie wage die Informationen waren, aufgrund derer sie sich in die Schlacht stürzen wollten. Zwar hatte der MND binnen weniger Stunden die Authentizität der Dokumente bestätigen können und ein noch am Abend auf Kyoto ausgesandter Späher der Flotte hatte an den daran benannten Punkten nur wenige Stunden alte Ionenspuren gefunden, die zu bestätigen schienen, was in den Papieren stand, doch damit war ihr Wissen schon fast erschöpft. Weder kannten sie die genaue Stärke des zu erwartenden Gegners, noch die Bedingungen, unter denen der Kampf stattfinden würde.

    Unter solchen Bedingungen blieb wohl nur auf alles Denkbare vorbereitet zu sein und das Vertrauen in die Fähigkeiten der eigenen Flotte zu behalten. Und genau diesem Grundsatz schienen die Streitkräfte im Moment zu folgen. Schon ein flüchtiger Blick aus dem Fenster ließ ihn vier, vielleicht fünf Schlachtschiffe erkennen, die für den Einsatz bereit gemacht wurden. Bedachte man, dass die europäische Flotte ‚nur’ sechzehn dieser Schiffe besaß, stellte dies ein gewaltiges Aufgebot dar. Er hatte Zeit seines Lebens noch nie eine so schnelle Mobilmachung erlebt. Siska, Maybourne und er hatte gleichermaßen schon als sie noch auf Kyoto gewesen waren eine Expedition nach jenem Mura gefordert und die Kommission hatte dem stattgegeben. Dohna hatte keine Ahnung wer welche Fäden gezogen hatte, um die Flotte so schnell in Bewegung zu setzen, auch wenn Gerüchte kursierten Maybourne habe einen kürzlich in die Kommission berufenen Mann namens Wenzel irgendwie unter Druck setzen können, so dass dieser sie unterstützt hatte. Aber letztlich war es auch egal. Nun lautete der Befehl von Hochkomissarin Vassilakou den Sklavenplaneten zu befreien. Scheitern war keine Option. Und wer war er den Befehl der eisernen Athena in Frage zu stellen?

    Während er noch mit einem leichten Schmunzeln auf die Schiffe hinab sah, die über der blauen Welt hingen, ging hinter ihm eine Tür. Er drehte sich um und sah Siska mit einem breiten Grinsen auf sich zukommen. „So gut gelaunt, Ester?“ „Ich habe auch allen Grund dazu.“ Sie hielt ihm einen Ausdruck, offenbar eine Liste, hin. „Ich habe gerade die Aufstellung der Expeditionsstreitmacht bekommen. Wir bekommen die ‚Süleyman’, die ‚Machiavelli’ und die ‚Andromeda’. Dazu unsere beiden Schiffe, zwei Geschwader Kampffregatten und vierzehn Zerstörer.“ Er stieß einen anerkennenden Pfiff aus und warf einen Blick auf die Liste. Das Oberkommando ließ sich bei dieser Operation wirklich nicht lumpen. „Und an Bodentruppen?“ „Steht alles drauf. Zwei Regimenter Kolonialtruppen, ein Bataillon und mehrere Kommandoeinheiten des STK und Infiltrationseinheiten des MND.“ Er zog eine Augenbraue erstaunt nach oben. „Sollen wir den Planeten nun befreien oder besetzen?“ „Das habe ich mich auf gefragt. Aber bei dieser Feuerkraft möge Gott allen gnaden, die sich uns in den Weg stellen.“

    90 Stunden vor der Landung auf Kyoto:

    Nachdem sie zusammen mit Finlay ihren Plan gefasst hatten, hatten Jules und ihre Leute mehrere Stunden damit verbracht die ‚Argo’ auf die Unternehmung vorzubereiten. Sie hatten auf eine geschlossene Wolkendecke warten müssen, um sich den Blicken der koreanischen Schiffe im Orbit zu entziehen, und waren anschließend in die Nähe des Dorfes der Ronin geflogen, wo sie die Mercurys ausgeladen hatten. Wenn sie möglichst viele Waffen transportieren sollten konnten sie sich nicht mit den Kampffliegern belasten, so dass sie diese am hangabwärtigen Ende des Dorfes am Waldrand abgestellt hatten, wo die Japaner sie unter Tarnnetzen versteckt hatten. Anschließend hatten die beiden Bordtechniker durch das Entfernen der Spundwände zwischen dem Hangar und den Frachträumen am Bug für mehr Platz gesorgt.

    Während dessen hatten Jules und Naumer das Überfallkommando zusammengestellt. Ihre Männer sollten dabei von zehn der Ronin unterstützt werden. Während sie das Schiff schließlich zum Abflug bereit machten, sah Jules, wie die Alienfrau zu ihnen kam. Anders als während der Unterredung trug sie allerdings keine einfache Stoffkleidung, sondern eine hauteng anliegende Rüstung, die aus etwas wie mit Panzerplatten besetztem Aramid zu bestehen schien, und eine Pistole in einem Halfter am rechten Oberschenkel. Jules musterte sie kurz. „Begleiten sie uns?“ „Ja. Ich glaube, dass ich von Nutzen sein kann.“ Eine Bemerkung, bei der Jules sich ein Lachen verkneifen musste. Die junge Frau sah bei weitem zu nett aus und hatte eine zu freundliche Stimme, als dass sie sie für gefährlich halten konnte. „Ich hoffe sie wissen, was sie da tun. Wir werden ihnen im Zweifel nicht helfen können.“ Die Frau nickte und ging mit den Worten „Oh, ich denke das wird kein Problem sein“ an Jules vorbei auf das Schiff. Die sah ihr nur hinterher und murmelte: „Na dann, willkommen an Bord.“
    Geändert von Protheus (15.09.2009 um 02:17 Uhr)
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    Episode 19: 120 Stunden, Teil 2

    84 Stunden vor der Landung, mehrere Lichtjahre von Kyoto entfernt:

    Nachdem sie Kyoto verlassen hatten, waren sie zu jener Sonne geflogen, die der der japanischen Kolonie am nächsten war. Es war ein unspektakuläres System, in dem es nicht mehr gab, als zwei Asteroidengürtel, drei kleine Gesteinsplaneten, die so nah an ihren Zentralgestirn standen, dass ihre Oberfläche bis zur Rotglut aufgeheizt war, und einige Eis- und Gasriesen. Aber vielleicht machte gerade diese Abgeschiedenheit das System zu so einem idealen Treffpunkt. Dort angekommen lotste die Alienfrau, die sich inzwischen mit den Namen Thaliana vorgestellt hatte, sie zu einer Position irgendwo zwischen dem inneren und dem äußeren Gürtel an einem Planetoiden, der dort einsam und klein seine Bahnen zog. Dort warteten achtzehn Schiffe, alles zwischen zwölf und fünfzehn Jahre alte Jagdmaschinen japanischer Bauart, auf sie. Die Kommandantin des Geschwaders, ein weiblicher Colonel namens Miyu Akamatsu, verlor nicht viele Worte, sondern drängte nach einer kurzen Begrüßung gleich auf einen Weiterflug nach Mura.

    60 Stunden vor der Landung, Mura:

    Sie hatten keinen wirklichen Plan gehabt, als sie im äußeren System angekommen waren. Dieser hatte erst Gestalt angenommen, als sie den Planeten für eine Weile durch das Spionageteleskop der ‚Argo’ beobachtet hatten. Nachdem sie sich so ein Bild davon gemacht hatten was für Schiffe für die Verteidigung im Orbit standen, hatte Colonel Akamatsu ihre Optionen schnell auf den Punkt gebracht: Die Chancen sich den Weg durch die Linien der Verteidiger, die über nicht weniger als sechs leichte Träger, elf Zerstörer und zwei Kreuzer verfügten, waren gleich null. Der einzige Erfolg versprechende Weg war, dass die Kampfpiloten dein Feind frontal attackierten und damit für die nötige Ablenkung sorgten, dass der Träger sich an den Verteidigern vorbei pirschen konnte. Also hatten sie sich schnell in zwei Gruppen aufgeteilt und waren separiert zum Planeten gesprungen.

    Als die ‚Argo’ den Hyperraum über dem Planeten wieder verließ, tobte einige tausend Kilometer entfernt bereits ein heftiger Kampf zwischen den Piloten der goldenen Chrysantheme und den Konzernsöldnern. Die Japaner waren in zwei Wellen gestaffelt mit enormer Formationsdisziplin aus dem Hyperraum gekommen und hatten sofort einen Raketenschlag gegen einen der Zerstörer ausführen können, der so schwer angeschlagen worden war, dass er nun brennend auf die Atmosphäre zu trieb. Doch danach war es ihnen an den Kragen gegangen. Die Verteidiger hatten mehr als hundert Kampfflieger in die Luft gebracht, die sich nun einen heftigen Dogfight mit den Japanern lieferten. Jules konnte davon durch die Brückenfenster des Trägers hindurch allerdings nicht viel erkennen. Nur die Bahnen der Leuchtspurgeschosse und das gelegentliche Aufblitzen einer Explosion verrieten, dass in nach astronomischen Maßstäben lachhafter Distanz zu ihnen gekämpft wurde. Nachdem sie einige Sekunden lang in Richtung des Kampfes geschaut hatte, wandte sie sich an die Rudergänger und meinte: „Bringen sie uns runter. Ich habe vor diese Party etwas aufzumischen.“

    Sie traten im flachen Winkel und mit niedriger Geschwindigkeit ein, um keine verräterische Hitzespur zu hinterlassen. Es dauerte mehrere Minuten, bis sie in tiefere Atmosphärenschichten eingedrungen waren. Doch der Anblick, der sich ihnen aus dieser Perspektive bot, war atemberaubend. Der Planet hätte auf den ersten Blick unberührt ausgesehen, wären da nicht die gewaltigen Wolkenkratzer gewesen, die über die Landschaft verteilt auf größeren Hügeln und niedrigen Bergen standen und teilweise weit über tausend Meter hoch gen Himmel ragten. Das meiste waren gewaltige Einzelgebäude, die sich zur Spitze hin in mehrere Türme auffächerten, doch vereinzelt standen auch mehrere Bauten dicht nebeneinander. Die größte Ansammlung, die zu sehen war, bestand aus knapp zwei dutzend davon. Die Anlagen waren allerdings nicht willkürlich verteilt, sondern standen alle wie auf einer Perlenschnur aufgereiht entlang einer in unregelmäßigen Kurven verlaufenden Linie von mehreren hundert Kilometern Länge.

    Der große Komplex war dabei vom kurzen Ende aus gezählt der sechste in einer Reihe von über vierzig. Verbunden waren diese Inseln der Zivilisation in einer ansonsten kahlen Landschaft über gewaltige Brücken. Teilweise über achtzig Kilometer frei tragend überspannend, waren sie zwischen manchen Türmen so mächtig, dass sie selbst zahlreiche Stockwerke hatten und ganze Häuser beherbergen konnten, zwischen den kleineren Inseln aber einfach nur mächtige Wege, die sich über den Himmel spannten. Dazwischen erstreckte sich nichts weiter, als eine Landschaft aus kahlen, felsigen Bergen, in deren Tälern zwar vereinzelt der braune Schimmer von Erdreich, aber keine Vegetation zu erkennen war. Über allem schwebten feine Bänder von Quellwolken, die sich in der Thermik über der bergigen Landschaft bildeten. Es war ein seltsamer Anblick, irgendwie surreal, aber auf jeden Fall etwas, dass einem bis zum Ende seines Lebens im Gedächtnis blieb.

    Während sie tiefer gingen meinte Naumer mit einem Blick auf die Strukturen unter ihnen: „Der Fabrikkomplex scheint dort in der großen Insel zu sein.“ Jules nickte. Bei der großen Ansammlung von Wolkenkratzern hatten die optischen Sensoren – oder mit anderen Worten: Kameras mit Teleobjektiven – zahlreiche Transportschiffe ausgemacht, die auf externen Landeplattformen standen, an denen nachträglich auch Verladekräne für Frachtcontainer angebracht worden waren. „Dann müssen“, fuhr er fort, „wenn die sich hier an das gleiche Schema halten, wie auf Ganymed, die Kasernen und Waffendepots in den äußeren Anlagen liegen.“ „Warum so weit weg?“ „Die Waffen werden nie so gelagert, dass die Sklaven sie in die Hände bekommen könnten. Von solchen externen Stellungen aus kann man im Zweifel schnell anrücken, wenn es Probleme gibt und den Luftraum über den Produktionsanlagen mit Langstrecken-Flugabwehr kontrollieren. Gleichzeitig bieten die Fabriken im Falle eines Angriffs so kein militärisches Ziel.“ Sie nickte. „Dann landen wir weiter außerhalb.“ Sie warf einen Blick auf die Sensoren und deutete auf einem Luftbild der Anlagen dann auf den ersten ungenutzten Turm, der direkt an einen mutmaßlichen Kasernenstandort angrenzte. „Dort gehen wir runter.“

    Die Rudergänger übergaben die Kontrolle des Schiffes auf den letzten Metern des Landeanfluges an die KI, die es auf eine frei tragende Landeplattform an der Außenseite des Gebäudes landete. Zuerst waren sie zwar dagegen und auch die KI meldete Bedenken an, doch Thaliana, die immer wieder beteuerte, die Plattform würde halten, setzte sich schließlich durch. Und tatsächlich zeigte die Struktur sich stark genug, als das mehrere hundert Tonnen schwere Schiff auf ihr aufsetzte. Sie verließen die ‚Argo’, wobei sie die KI mit der Anweisung zurück ließen das Schiff zu verteidigen, und gingen über die Brücke auf das Gebäude zu, vor dessen Außenwand sie sich nun befanden. Es musste einmal von unglaublicher Majestät gewesen sein, doch davon war nur noch ein Abglanz zurück geblieben. Es war nur noch ein nacktes Skelett, von dem alles, was sich irgendwie ablösen ließ, entfernt worden zu sein schien. Trotz des scharfen Windes, der ihr in dieser Höhe ins Gesicht pfiff, viel es Jules allerdings schwer zu glauben, dass dies den Elementen geschuldet war. Dieser Verdacht bestätigte sich, als sie ins innere kamen. Der Wolkenkratzer war auf den ersten Blick völlig ausgeräumt. Sogar viele Platten der einstigen Wandverkleidung waren den Plünderern, Schrottsammlern, Aasfressern, oder wie immer man sie auch nennen wollte, zum Opfer gefallen.

    Im Inneren sagte Thaliana: „Wir müssen ein paar Stockwerke tiefer, wenn wir zum nächsten Turm wollen. In der Nähe der Außenwände müsste es Treppen geben. Die Aufzugschächte wären zu gefährlich, um sich abzuseilen.“ Jules setzte zu einer entsprechenden Bemerkung an, als sie plötzlich noch ein lautes Donnern von draußen hörten. Sie sahen durch die leeren Fensterhöhlen hinaus und erkannten einen der japanischen Jäger, der aus dem Orbit heraus abstürzte, wie ein Meteor. Er raste direkt auf den Turm zu. Im letzten Moment sprang der Pilot mit dem Fallschirm ab. Seine Maschine krachte in die Außenwand und knackste sie leicht an, allerdings scheinends ohne schwerere Schäden zu hinterlassen. Der Pilot indess schien in Richtung eines tiefer liegenden Landefeldes zu sinken. Kurzentschlossen sagte sie an zwei der Ronin gerichtet: „Sie und sie: Pilotenrettung. Und ab dafür. Wir nehmen uns in der Zwischenzeit das Missionsziel vor.“

    Einer der beiden nickte. „Ok, wo ist der schnellste Weg runter?“ „Der Aufzugschacht dort drüben“, schlug einer vor, woraufhin Thaliana nur genervt die Augen verdrehte. Der Japaner ging zum Schacht und warf einen Blick hinein, um dann mit einem erschrockenen Ruf und kreidebleichem Gesicht einen Schritt zurück zu machen. Während die Außerirdische sich nun mit einem ‚Hab ich euch doch gesagt’-Gesichtsausdruck in Richtung der Treppenhäuser bewegte, riskierte Jules selbst einen Blick in den Schacht. Beim Anblick, der sich ihr dabei bot, wurde ihr mulmig zu Mute. Es ging so tief runter, dass man nicht einmal annähernd den Boden sehen konnte und gleichzeitig starke Kaminthermik im Schacht herrschte. In Gedanken nahm auch sie von der Idee sich hier abzuseilen abstand. Dann folgte sie der Gruppe. Sie gingen im Treppenhaus mehrere Etagen tiefer, bis sie die Ebene erreicht hatten, auf der die Brücke zum nächsten Turm gelegen war, wo sie stehen blieben, während die beiden zur Pilotenbergung befohlenen Männer deprimiert über die vielen Stufen, die noch vor ihnen lagen, weiter trotteten.

    Die Gruppe verließ das Treppenhaus und ging über eine Art Panoramaflur an der Außenwand entlang bis zum Ausgang. Dabei fragte Jules Thaliana: „Sagen sie mal: Woher wissen sie so gut über diesen Ort bescheid?“ „Abgesehen von einfacher Logik?“, fragte sie. Dann blieb sie neben dem Ausgang stehen. An der Wand vor ihr waren noch alte Beschriftungen zu erkennen. Sie hob ihre rechte Hand daneben, so dass man die Schriftzeichen neben denen sehen konnte, die auf dem Rücken ihres Oberarmes auf der Rüstung angebracht waren. Es war exakt dieselbe Schrift. Dabei sah sie wortlos und mit einem versöhnlichen Lächeln auf den Lippen über ihre Schulter zu Jules. Dann gingen sie hinaus. Vor ihnen erstreckte sich eine schier endlos wirkende, gut dreißig Meter breite Brücke hin zum nächsten Turm. Ein scharfer, aber dennoch recht angenehmer Wind pfiff ihnen um die Ohren und es ging, wenn man einen Blick über den Rand riskierte ging es verflucht tief runter. „Was meint ihr“, fragte einer der Söldner, „wie weit ist es?“ Jules peilte kurz über den Daumen und antwortete: „Geschätzte dreißig Kilometer.“ „Was?“, kam die erschrockene Frage von mehreren Beteiligten, hatten sie ihren Skimmer doch auf Kyoto gelassen, um mehr Fracht aufnehmen zu können. „Tja, meine Herrschaften“, meinte sie mit einem Grinsen, „ich hoffe sie haben eine gute Kondition.“

    55 Stunden vor der Landung:

    Jules hatte die Truppe auf der Brücke zu einem recht flotten Dauerlauf angetrieben, bei dem sie die Pausen auf ein absolutes Minimum reduziert hatte. Nach ihrer eigenen Erfahrung über solche Läufe – sie hatte in der kurzen Friedenszeit zwischen 2012 und 2017 dreimal am New-York-Marathon teilgenommen – hätte sie zwar am liebsten auf die kurzen Stopps verzichtet, aber ihre Leute trugen schließlich Waffen, die meisten auch noch Kampfanzüge, und waren nicht auf so etwas vorbereitet gewesen. Als sie schließlich kurz vor dem zweiten Turm waren, hatte Jules ihnen eine halbe Stunde Pause zugestanden. Sie waren dafür, um sich etwaigen Blicken von den Türmen aus zu entziehen, in eine Art Wartungsschacht geklettert, der in die Fahrbahn hinein führte, wo alte Versorgungsleitungen verliefen. Dort hatten sie getrunken, etwas gegessen – in erster Linie Proteinriegel und Kohlehydratgel – und Eulenkopf, der den Lauf zu Jules Überraschung hervorragend verkraftet hatte, hatte an die, denen die Strecke mehr zugesetzt hatte, Medikamente verteilt, die sie wieder auf die Beine bringen sollten. Danach waren sie in den Turm eingedrungen.

    Dort war mittlerweile nachdem vor mehreren Stunden aufgrund des Angriffes Alarm gegeben worden war wieder die normale Ruhe eingekehrt, in der die Söldner hier ihren Garnisonsdienst abbummelten. Einige von ihnen waren schon seit acht, bald neun Jahren hier, seit die ersten Einheiten von Ganymed hierher versetzt worden waren. Doch während die meisten auf dem Jupitermond verbliebenen Männer und Frauen Veteranen aus dem Goa’uld-Krieg gewesen waren, hatte man zunächst nur unerfahrene und letztlich entbehrliche Einheiten aus hitzköpfigen Jungspunden hierher versetzt, deren Begeisterung für die Arbeit von der Monotonie des Wachdienstes schnell abgetötet worden war. So war es nicht weiter verwunderlich, dass sie eigentlich nur den Einsätzen mit den Jagdtrupps entgegen fieberten und ansonsten gelangweilt ihren Dienst versahen, der gelegentlich durch von den Chefs spendierte Verlustierungen und in manchen Fällen die Lust am Schikanieren der Sklaven versüßt wurde. Und auch heute hatte sich der alte Trott schnell wieder eingestellt und die Wachsamkeit wieder nachgelassen.

    In einem der Türme war eine Sklavin dabei die Böden zu scheuern. Derartige Einfache Arbeiten wurden gerne abgewälzt. Sie hatte nun schon mehrere Etagen gesäubert und merkte, wie ihr langsam die Arme müde wurden. Dabei spürte sie die ganze Zeit die Blicke des Söldners, der einen nahe gelegenen Aufzug bewachte, auf ihr Ruhen. Dieser sagte schließlich: „Hey, don’t leave any dirt. I want everything spring-clean.“ Bei diesen Worten deutete er auf einen kleinen Fleck, auf dem sie schon dutzende Male herumgescheuert hatte und von dem sie wusste, dass es eine Verunreinigung um Material war, die nicht herausging. Sie hörte, wie der Mann näher zu ihr kam und drehte sich um. Während er mit einem sadistischen Funkeln in den Augen zu ihr herab sah und sie fieberhaft überlegte, was sie sagen sollte, bemerkte sie auf einmal eine Bewegung hinter ihm. Dann ging alles ganz schnell. Plötzlich wurde dem Söldner von hinten eine längliche, gebogene und einschneidige Klinge durch das Herz gerammt. Blut spritzte aus der Wunde und ihr ins Gesicht. Während sie erschrocken aufschrie, sah er ungläubig zu der Klinge und gab einen gurgelnden Laut von sich. Dann wurde sie wieder heraus gezogen und er damit mit einem schnellen Schlag enthauptet.

    Als der Söldner tot vor ihr zusammenbrach, sah sie hinter ihm einen Mann in Flecktarnuniform, mit absonderlicher Frisur und der blutigen Klinge in der Hand. Er stand noch in der gleichen Haltung da, in der er den Schlag beendet hatte. Dann holte er auf einmal ein Stofftuch aus der Tasche, wischte das Schwert daran ab und steckte es neben seinem zweiten wieder in die Scheide. Hinter ihm kamen indess weitere Männer, einige davon wie er, andere in ähnlichen Rüstungen, wie die Söldner angelaufen. Die Sklavin sah mit einem ängstlichen Wimmern zu ihnen. Ihre Hände verkrampften sich dabei um die Bürste, mit der sie den Boden gesäubert hatte. Dann trat ein Mann mit den Rangabzeichen eines Leutnants vor sie und zog sie auf die Füße. „You know this facility?“, kam die knappe Frage. Sie nickte, immer noch halb benommen vor Schreck. „Ok, where ist the arsenal?“ Erst jetzt wurde ihr richtig klar, was hier gerade passierte. Jemand überfiel diese Anlage. An den Mann gerichtet fragte sie: „Who the hell are you?“ „Not your business. Just answer my question and I will try to get you out of here alive.“

    „No. No, that can’t happen.“ „Hey, stop it. I don’t want to here any lamentations, but answers. You get that?“ Sie nickte. „Good. So, will you answer my simple question, or do we have to tare this entire building apart?“ Sie schüttelte den Kopf und deutete dann wortlos in Richtung einer der Treppen. Sie ließen sich von ihr zwei Etagen höher führen, wo sie einen Raum erreichten, vor dem vier Mann Wache standen. Diese wurden mit schnellen Gewehrsalven niedergemäht, bevor sie auch nur eine Chance hatten irgendwie zu reagieren. Während nun zwei seiner Leute die Tür aufstemmten, fragte Naumer die Frau: „And where are the barracks?“ „Fff… ffive Levels further up“, stotterte sie zur Antwort. Er nickte und wandte sich von ihr ab. In der Zwischenzeit war die Tür offen und er warf zusammen mit Jules einen Blick hinein. Dabei gingen ihm die Augen förmlich über. „Wahnsinn“, entfuhr es ihm. Sie nickte und fügte hinzu: „Wie Ostern und Weihnachten an einem Tag.“ Die Waffenkammer war ein weitläufiger Raum, in dem das Material, leichte wie schwere Infanterieausrüstung, teilweise bis unter die Decke gestapelt lag. Sie gingen hinein, wobei sechs Leute im Flur blieben und absicherten, und sahen sich um. Einer der Söldner sagte mit Blick auf einige der Waffenkisten: „Manche der logistischen Aufkleber sind noch von 2022.“ „Die müssen das Zeug hier her geschafft haben, als die Blauhelme angerückt sind“, kommentierte ein anderer. Jules unterbrach sie in mit einem breiten, zufriedenen Grinsen auf dem Gesicht: „Von wann das Zeug auch immer ist: Wir wollen es. Also an die Arbeit.“

    Sie fingen sofort an den Inhalt der Kisten zu kontrollieren. Währenddessen schnappte Naumer sich einige in einem Regal gestapelte Sprengladungen und warf sie dreien seiner Leute zu. „Abdal, Salim, Volkov, pflastert die Zugänge mit diesem Zeug zu. Wenn wir Besuch bekommen will ich einen heißen Empfang bereiten könnten.“ Die Männer nickten und machten sich auf den Weg. „Und halten sie nach einem Fahrzeughangar Ausschau“, rief Jules ihnen hinterher, während sie gerade eine Kiste öffnete. Naumer trat zu ihr und nahm eine der Waffen heraus. AK-149. Er grinste breit und fragte: „Warum Fahrzeughangars?“ „Wie unsere Alienfreundin bemerkt hat: Einfache Logik. Irgendwo muss es hier einen geben. Denn entweder hätte das Volk, das diesen Ort gebaut hat, bei den Olympischen Spielen im Zweifel alles Gold in Laufwettbewerben absahnen können, oder sie hatten Fahrzeuge für diese Skyways.“ „Skyways?“ „Passt doch, oder?“ Sie deutete auf die Waffen. „Was gutes?“ „Oh ja. Das wird unseren Freunden gefallen. Durchschlägt auf 750m Aramid glatt. Die Koreaner werden schön dumm kucken.“

    Er legte das Gewehr zurück und sah sich weiter um. Dabei deutete er immer wieder auf einige Kisten – zum Beispiel solche mit tragbaren Anti-Schiff-Raketen, Aramidwesten oder Maschinengewehren – und befahl sie einzupacken. Nach gut einer halben Stunde meldete Volkov sich schließlich und erklärte einen Fahrzeughangar auf der Brückenebene gefunden zu haben, in dem einige Fahrzeuge standen, die man zum Transport der Kisten benutzen konnte. Die nächsten Stunden waren so gut damit ausgefüllt, dass sie Material nach unten schafften. Doch dann war es plötzlich mit dem Frieden vorbei.

    53 Stunden vor der Landung:

    Während Jules und Naumer gerade dabei waren zusammen eine Kiste mit leichten Flugabwehrraketen, modernen Äquivalenten einer Stinger, die Treppen hinunter zu tragen, kam plötzlich eine Meldung von der KI der ‚Argo’. Ihre flach und metallisch klingende Stimme drang aus dem Headset an ihr Ohr: „Commander, die Sensoren haben gerade eine Gruppe von drei Schiffen erfasst, die in hohem Orbit aus dem Hyperraum gefallen sind.“ Sie hielt kurz inne und setzte die Kiste auf einer Stufe ab. Dann fragte sie: „Europäer?“ „Negativ. Sie entsprechen keiner bekannten Bauweise. Aber ich registriere Kommunikation zwischen ihnen und den Wachschiffen.“ „Was sagen sie?“ „Die Wachschiffe verlangen den sofortigen Abzug der Fremden. Die Antwort ist leider in einer unverständlichen Sprache gefasst.“ „Na toll. Behalt die Sache im Auge und sag bescheid, sobald sich was tut.“ Sie hob die Kiste wieder mit an und sie gingen weiter. Als sie gerade am Fuß der Treppe angekommen waren, kam die Meldung: „Commander, es hat sich etwas getan.“ Als dem nichts folgte, verzog das Gesicht und meinte an Naumer gewandt: „Sollte das Ding nicht eigentlich intelligent sein?“ „Diese Äußerung wurde registriert, Commander.“ „Ach, zum beleidigt reagieren reicht es. Gut zu wissen.“ „Commander, ich habe keinerlei…“ „Halt die Klappe, Blechkiste und sag mir, was dort oben los ist.“ „Die beiden Parteien haben soeben das Feuer aufeinander eröffnet und die Fremden haben ein viertes Schiff in den Kampf gebracht.“ „So schnell?“ „Ja, Sir. Es wurde auf eine unbekannte Weise hier her transportiert.“

    Sie fluchte. „Wir müssen hier weg. Und zwar pronto.“ Naumer nickte und gab über Funk den Befehl durch so schnell wie möglich noch möglichst viel Ausrüstung zu sichern und sich danach im Fahrzeughangar zu treffen. Die dort Arbeitenden Männer waren schon dabei das dritte Transportfahrzeug zu beladen. Selbst mit dem, was sie hier schon erbeutet hatten, würden sie die ‚Argo’ gut füllen können. So schnell es ging wurde der Rest noch verstaut. Dann stiegen sie auf die Fahrzeuge auf. Die Sklavin nahmen sie dabei mit. Jules sagte ihr, dass sie sie am anderen Turm zurücklassen würden, oder dass sie auch mitkommen könne. Sie wehrte sich zwar heftig und schien erstaunlicherweise gar nicht hier weg zu wollen, doch letztlich setzten sie sie einfach zu zweit auf die Ladefläche eines der Fahrzeuge. Dann starteten sie die Motoren und fuhren auf den Skyway. Noch während sie das Gebäude verließen hörten sie satte Explosionen von oben. Offenbar hatte jemand versucht an die Waffenkammer zu gelangen. Dann rasten sie mit Vollgas zurück zum Schiff. Als sie die Strecke halb zurückgelegt hatten sahen sie schließlich einige seltsame, schwarze Schiffe über den Himmel hinweg fliegen. Eines ging über einem der äußeren Türme in Position, ließ einen Lichtstrahl, ähnlich dem eines gerichteten Transporters aufleuchten, und verschwand dann wieder.

    50 Stunden vor der Landung:

    Zurück am Schiff hatten sie die beiden Pilotenretter wieder getroffen, die niemand geringeres aufgelesen hatten, als Colonel Akamatsu. Als Jules der Japanerin gegenüber trat, meinte diese zuerst, dass sich diese Aktion besser lohnen sollte, weil sie beim Ablenkungsmanöver zwei Leute verloren hatte, doch als sie die Beute sah, schwanden sofort alle Zweifel. Sie hatten ohne weiteres Waffen und Munition für ein ganzes Bataillon eingesammelt. Naumer scheuchte die Leute sofort an die Arbeit, um mit dem Verladen zu beginnen. Die Kisten wurden an Bord geschafft und festgezurrt, wobei planvoll vorgegangen werden musste, um das Schiff nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Während die Leute bei der Arbeit waren sah Jules zu dem Turm hinüber, der die Fremden so interessiert zu haben schien. Sie fragte sich, warum sie einen Kampf angezettelt, die Flotte der Verteidiger völlig ausradiert und anschließend jemanden oder etwas in gerade diesem Turm abgesetzt hatten, ohne den Kasernen oder Fabriken auch nur Beachtung zu schenken. Zuerst verdrängte sie den Gedanken und konzentrierte sich wieder auf die Arbeit. Doch dann, kurz bevor sie fertig waren, tauchte eine neue Flotte im Orbit auf. Es waren die Sklavenjäger, an denen sie so lange dran gewesen waren. Jetzt saßen sie hier fest, bis jemand diese Flotte vom Himmel schoss. Also entschloss Jules sich den Turm zu durchsuchen.

    Sie ging zu ihren Leuten und meinte: „Ich will mich da drüben umsehen. Was immer auch diese Leute interessiert ist im Zweifel auch was für uns.“ Sie wandte sich an Naumer. „Ich brauche sechs Leute.“ Er nickte. „Volkov, Salim, Abdal, Osburg, Eulenkopf und ich.“ „Eulenkopf?“ „Kein Grund sich aufzuregen, Doc. Nehmen sie es mit Humor. Außerdem…“ Sie wandte sich an die Sklavin. „You know that Towers over there?“ „Yes.“ „Ever been there?“ „Yes. We had to get material from there.“ „So, you will guide us.“ „What? No, no, no. I can’t.“ „Oh, of course you can.“ An Akamatsu gewandt meinte sie: „Wir werden rechtzeitig wieder zurück sein. Passen sie solange auf das Schiff auf.“ Die Japanerin nickte und sie gingen zu den Transportern. Als sie abfuhren sprang allerdings Thaliana noch mit auf. Offenbar wollte sie ebenfalls wissen, was es hier interessantes gab.

    0,5 Stunden vor der Landung:

    Zwei Tage lang streiften sie nun schon durch die Untergeschosse des Turmes. Die Spuren, die die anderen hinterlassen hatten, hatten ihnen recht schnell den Weg dahin gewiesen. Doch weiter unten hatte die Spur sich schließlich verloren, so dass sie es klassisch machen mussten: Suchen. Zu Anfang hatten sie sich dabei noch keine Vorstellung davon gemacht, wie groß die Anlage tatsächlich war. Wie groß und wie erstaunlich konstruiert. Obwohl sie sich praktisch in den Fundamenten befanden gab es selbst hier unten noch Schächte, durch die, wahrscheinlich mit Spiegeln, Tageslicht hinein geleitet werden konnte, so dass auch hier unten noch eine recht freundliche und helle Atmosphäre herrschte, ja in der Nähe der Lichtquellen teilweise sogar Grünpflanzen in Mauerfugen wuchsen, was umso erstaunlicher war, da auf der Oberfläche alles tot war. An einem solchen Ort hatten sie auch die beiden Male gerastet. Nun, am Morgen des dritten Tages, war Jules kurz davor aufzugeben. Lediglich ein letzter größerer Korridor, den sie noch nicht kontrolliert hatten, war übrig geblieben und sie hatte vor ihn zumindest ansatzweise zu untersuchen. Als sie diese Absicht kund tat erntete sie dabei einige böse Blicke und einiges Stöhnen, doch letztlich fügten sich alle.

    Einige, oder besser gesagt eine einzige, hatten dabei freilich keine große Wahl. Die Sklavin war am Ende des ersten Tages zu einem sabbernden und wimmernden Wrack geworden. Eulenkopf – der sich ganz nebenbei mittlerweile mit seinem Spitznamen arrangiert hatte – hatte schnell Entzugserscheinungen bei ihr diagnostiziert. Sie war von irgendeiner Substand abhängig, die sie hier nicht bekam, so dass der Arzt sie notgedrungen auf Entzug setzen musste. Das einzige was er tun konnte, war ihr ein Mittel zu geben, das die Symptome etwas abschwächte. Aber so hatten sie sie freilich am Hals und mussten sie mitschleifen. Doch davon wollte Jules sich die letzte Chance nicht verhageln lassen.

    Sie rückten nun in den letzten Korridor vor. Zuerst sah er nicht anders aus, als die anderen auch. Doch nach einigen hundert Metern und hinter einer scharfen Biegung wurde die Decke auf einmal immer höher und wirkte teilweise nicht mehr einfach konstruiert, sondern war in den massiven Felsen hinein getrieben. Offenbar führte der Gang sie in den Berg hinein, buchstäblich unter das Gebäude. Auch hier gab es die obligatorischen Beleuchtungsschächte, so dass es schien, als befände sich kein neunhundert Meter hohes Gebäude über ihnen und der Pflanzenbewuchs war deutlich üppiger, da von irgendwo Wasser eintrat und die Felsen hinunter rann, so dass sich dicke Teppiche aus herabhängenden Moosen gebildet hatten. Nach einer guten halben Stunde standen sie schließlich vor einer massiven Tür, was ungewöhnlich war, da praktisch alle Türen in diesen Gebäuden herausgerissen worden waren. Doch diese war noch intakt. Und man konnte er kennen, dass sie erst seit kurzem offen stand.

    Ab diesem Punkt wurden sie sehr vorsichtig. Naumer übernahm mit Volkov und Osburg mit den Waffen im Anschlag die Spitze, während Salim und Abdal ständig nach hinten hin absicherten. Alle waren bis aufs Äußerste konzentriert. Hier unten konnte man noch sehr gut erahnen, wie die Gebäude einmal als Ganzes ausgesehen haben mochten. Die Wände waren noch mit Platten aus hellem, glänzendem Metall verkleidet, der Fußboden war aus sorgfältig eingepassten Platten aus mattem Stein und es gab an verschiedenen Stellen noch funktionierende Maschinen, wie Computerterminals oder Hologramme. Einige Türen gingen von dem Hauptkorridor ab, waren aber offenbar nicht benutzt worden, so dass sie weiter geradeaus gingen. Sie kamen schließlich in eine große Halle, die als große Kuppelkaverne direkt in den Felsen getrieben war und in der ein großes Hologramm in der Mitte stand. Die Wände waren mit Inschriften geschmückt und es gab Nischen, in denen wechselweise Statuen und Computerterminals standen.

    Am Fuß des Hologramms saß, in einem auf einem Bein abgelegten Buch Notizen machend, ein großer, schlacksiger Mann in einem langen, schwarzen Mantel, dessen Gesicht von Schulterlangen grauen Haaren eingerahmt war. Als die Erdlinge den Raum betraten, sah er auf. Und um gleichen Moment wurden auch ein gutes Dutzend anderer Männer in Kampfanzügen, die ebenso nachtschwarz waren, und mit seltsam geformten Stabwaffen aktiv. Sie kamen etwas, das vom Tonfall her entfernt an ‚Waffen weg’ erinnerte, brüllend angelaufen und stellten sich zwischen den Mann und die Neuankömmlinge. Die Söldner reagierten praktisch auf die gleiche Art, nur dass sie Jules, Eulenkopf, die Sklavin und Thaliana abschirmten. Für einen Moment schien die Situation zu eskalieren, doch dann wurde der Mann der Präsenz der Alienfrau gewahr. Er erhob sich von seinem Platz, sah zu ihnen hinunter und befahl seinen Leuten dann hastig ihre Waffen zu senken. [„Eine Alari…“], sagte er auf Goa’uld, wobei er in Jules Ohren einen sehr fiesen Dialekt sprach. [„Nach all den Jahren endlich ein Lichtblick.“]

    Jules trat vor und sah ihn herausfordernd an. [„Wer zur Hölle seid ihr“], fragte sie, so gut es ihr in der fremden Sprache möglich war. Einer der fremden Krieger musste aufgrund ihres Akzents lachen und der Mann meinte mit einem Schmunzeln: [„Ich könnte euch das selbe fragen.“] [„Ja, aber ich war zuerst dran.“] [„Also gut.“] Er verneigte sich. [„Ich bin Atreos, Sucher im Dienste von Nyx, der erhabenen Herrin der Nacht.“] [„Ein Goa’uld-Büttel? Verdammt, irgendwie hat es hier von Anfang an muffig gerochen. Warum sollte ich euch nicht einfach über den Haufen knallen?“] [„Nun, erstens weil ich unnötige Gewalt verabscheue. Zweitens, weil ihr keine Waffe zu tragen scheint, die durch meinen Körperschild käme und drittens, weil ihr euch noch nicht einmal vorgestellt habt.“] Sie blinzelte kurz. Ein Goa-Diener, der verbale Schlagfertigkeit zeigte. Definitiv ein Novum. Etwas unsicher antwortete sie: [„Ähm, mein Name ist Julia Thora.“] [„Julia Thora? Die, deren Name allen Goa’uld, mit denen ich in diesem Teil der Galaxie sprach, noch den Angstschweiß auf die Stirn treibt?“] Er stieg vom Podest des Hologramms herunter und ging zu ihr. Als er vor ihr stand hielt er ihr mit einem freudigen Lächeln die Hand hin. [„Wirklich außerordentlich sie treffen zu dürfen. Wie oft im Leben begegnet man schließlich einer lebenden Legende?“] Sie sah ihn zuerst nur erstaunt an. Als sie nach einer halben Minute noch nicht reagiert hatte, fragte er mit einem Blick auf seine Hand: [„Macht man das auf eurer Welt nicht so? Das hat man mir zumindest erzählt.“] Langsam senkte sie ihr Gewehr. [„Doch, schon.“] Völlig perplex und selbst nicht sicher warum sie es tat ergriff sie seine Hand und schüttelte sie.

    Die Stunde null, im Orbit:

    Die europäische Taskforce fiel in breiter Staffelung und im flachen Winkel zum Planeten aus dem Hyperraum. Siska und Dohna hatten den Anflug anhand von Fernaufklärungsdaten wohlweislich so gelegt, dass sie sofort ein gutes Schussfeld auf das Wachgeschwader hatten. Auf mehr als zweihundert Kilometer Distanz ließen die großen Schlachtschiffe sofort die Massebeschleuniger sprechen. Die ‚Süleyman’ und die ‚Machiavelli’ nahmen beide mit ihren mittelschweren Doppel-Hauptgeschützen jeweils einen schweren Kreuzer aufs Korn, während die ‚Agincourt’, deren Hauptwaffe mit einer Dreivierteltonne Gewicht die schwersten Geschosse verschießen konnte, auf den Träger zielte und die ‚Nereid’ mit ihren vier leichten Massebeschleunigern – ‚nur’ 200kg pro Geschoss – auf die leichten Kreuzer draufhielt. Drei Schiffe fielen dieser ersten Salve zum Opfer. Dann nahmen die Verteidiger schnell fahrt auf und wurde auf diese große Distanz zu zu schnellen Zielen für die Massebeschleuniger. Doch die Entscheidung war schon gefallen. Die Europäer brauchten hier keinen Nahkampf zu fürchten. Allein auf der ‚Nereid’, der Messerkämpferin des Geschwaders, warteten eintausend Anti-Schiff-Raketen auf ihren Abschuss. So wurde der Kampf kurz und denkbar einseitig. Noch während Counterpunches und J-305er die letzten Jäger vom Himmel schossen wurden die ersten Landekapseln und Transportshuttles ausgeklinkt.

    Die Stunde null, in den Kavernen:

    Jules ließ die Hand des ‚Suchers’, wie er sich selbst genannt hatte, wieder los und fragte: [„Und was, wenn ich fragen darf, machen sie hier?“] Der antwortete nur: [„Aaach, ich habe so viel Zeit darauf verwendet ihre Sprache zu lernen, da will ich diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen.“] Zur allgemeinen Überraschung wechselte er nun ins Deutsche. „Sch… [Wie war das Wort] ähm, schließlich ist das hier die Sprache der Vernichter. Der, die die Systemlords besiegt haben, ich meine. Und mit so schöner Melodik. So… Schwermütig und geeignet… zu um philosophieren.“ Für einen Moment wusste niemand, was er sagen sollte. Dann meinte Jules: „Bei allem Respekt, bleiben sie doch lieber bei ihrer Muttersprache.“ Er verzog das Gesicht. [„So schlimm?“] „Sagen wir einfach sie brauchen noch etwas Übung.“ [„Gut, gut, das kann ich so akzeptieren. Also, Julia Thora, wie kommen sie hier her? Und wie kommen sie in so faszinierende Begleitung?“] „Also wir waren eigentlich hier, um die Sklavenhalter da oben zu überfallen und haben ihre Landung beobachtet. Moment, warum erzähle ich ihnen das überhaupt?“ [„Vielleicht weil es sie interessiert, warum ich hier bin?“] „Ja, das wird es wohl sein.“

    Mittlerweile war alle Spannung aus der Situation gewichen. Jules winkte Thaliana nach vorne und stellte sie dem Sucher vor. „Das hier ist Thaliana.“ Die so vorgestellte nickte. „Gentlemen.“ Er verneigte sich vor ihr. [„Ah, ich bin hoch erfreut ihre Bekanntschaft machen zu dürfen. Immerhin hatte ich angenommen ihr Volk hätte diese Kolonie schon lange aufgegeben, wie sie es mit so viele anderen getan haben.“] Jules sah zu Thaliana. „Ihre Leute haben das hier gebaut?“ Die Alari schüttelte den Kopf. „Nein. Wir haben es von einer sehr viel älteren Spezies übernommen. Aber es war eine unserer Kolonien, bis die große Seuche kam.“ Atreos nickte. [„Ja, die große Seuche. Scheint alles Leben auf der Oberfläche ausgelöscht zu haben. Und nun ist nichts mehr übrig, bis auf diese leeren Türme. Und diese letzten Hallen, die noch nicht geplündert wurden.“] „Was ist das hier für ein Ort?“ [„Das, Julia Thora, ist ein Archiv. Ein Hort, in dem das gesammelte Wissen des Concordiums abgelegt ist. Es gab auf dieser Welt keinen größeren Schatz als diesen. Und er ist unberührt geblieben. Obwohl dieser Ort ungleich beeindruckender gewesen sein muss, als hier unten noch Bäume standen, Vögel sangen und er vor Wesen überquoll, die ihren Wissensdurst an diesem süßen Quell stillen wollten.“]

    Thaliana lachte. „Sie haben eine blühende Phantasie.“ [„Oh, ich hoffe sie können mir verzeihen. Nur ist das hier der bisher außergewöhnlichste Tag meiner langen Suche. Ich sehe mein Ziel endlich in Reichweite.“] „Und was wäre dieses Ziel“, wollte Jules wissen. Er sah sie an und überlegte kurz. Dann meinte er: [„Hat einer ihrer Philosophen nicht einmal davon geschrieben, dass der Mensch fähig gewesen sein soll seinen Gott zu töten? Wenn er recht hatte, dann hoffe ich, dass ich mich als Mensch erweisen kann.“] Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, was er gerade gesagt hatte. „Moment, sie wollen ihre Herrscherin töten? Na dann zeige ich ihnen gerne, wie das geht. Einfach ein M82 mit Triniumgeschossen, Kopfschuss, et voilá, eine Schlange weniger auf der Welt.“ Er sah sie mit ernsthaftem Gesichtsausdruck an und schüttelte den Kopf. [„Wir missverstehen uns. Ich will Wesen töten, die Göttern tatsächlich näher stehen, als uns.“] „Wie meinen sie das?“ [„Als meine Herrin in diese Welt trat, wuchs in ihr der Wunsch tatsächlich göttlich zu werden. Sie glaubt an die Existenz einer Gefahr, die sie mit der dabei gewonnenen Macht zu bekämpfen hoffte. In ihren Augen waren sie, ihre Untertanen, ja diese ganze Galaxie in Gefahr. Also verfolgte sie ihr Ziel rücksichtslos. Und mittlerweile steht sie in ihrer Macht schon so weit über uns, dass sie kaum noch zu begreifen vermag, wie beschränkt und schwach wir neben ihr sind. Aber sie machte auf dem Weg dahin Fehler. Einer der größten war es wohl in den Halo zu gehen.

    Dort nämlich traf sie auf Antiker, Überlebende des Imperium Lanteanum. Wesen von unglaublicher Arroganz, die sich selbst allen anderen Lebewesen überlegen erachten. Und als sie mit ihrem Ansinnen auf sie traf, musste es zum Konflikt kommen. Es war zuerst nur ein kleines Missverständnis, eine Bagatelle, über die Streit eskalierte, als sie sich die Dienste eines Volkes sichern wollten, dass die Antiker die Ursi nannten und das sie an den Rand der Ausrottung gebracht hatten, um die spärlichen Ressourcen der Kugelsternhaufen nicht mit ihnen teilen zu müssen. Bei diesen Kämpfen wurde schließlich ein Antiker getötet, der nach seinem Tod aufstieg. Und er behielt den letzten Gedanken nach seinem Tod im Geist: Rache für den Tod seiner gefallenen Freunde und seiner selbst. Er setzte all seine Macht ein, um Nyx zu zerschmettern. Aber sie konnte ihn mit Mühe und Not abwehren. Seitdem liegen unsere beiden Völker im Krieg. Die Antiker, ohne es zu wissen oder wissen zu wollen, angestachelt von einem wütenden Totengeist und wir im Kampf um unser Überleben.“]

    „Was? Erzählen sie keinen Blödsinn. Wie sollte ein Aufgestiegener von Rachegedanken auf sie angetrieben werden?“ Es war Thaliana, die die Frage beantwortete: „Nein, so etwas ist möglich. Der Aufstieg ist kein rein meditativer Prozess, sondern auch ein physiologischer. Und die Idee, dass man reinen Geistes sein muss, um ihn zu bewältigen, ist reiner Irrglaube, auf den die Aufgestiegenen ihre Legenden aufbauten.“ „Leuchtet ein“, warf Naumer nun ein. „Wir haben schließlich genug Beispiele für das Gegenteil erlebt. Denk nur an Anubis. Er hat den Aufstieg einmal geschafft und war alles, nur kein netter Zen-Buddhist, der in meditativer Kontemplation vor dem Feuer sitzt.“ Jules nickte zögerlich. Es leuchtete in der Tat ein. Also fragte sie: „Und warum haben die anderen Aufgestiegenen ihn nicht gestoppt?“ [„Weil auch für sie Distanz eine Rolle spielt. Alles lief außerhalb ihres Wahrnehmungsbereiches ab, zumal er sich immer wieder in Lebenden versteckte, um sich zu verstecken. Nein, die einzige Chance, die unsere Völker hatten zu überleben, war, dass die einfachen Leute unter uns im Glauben gefestigter sein mussten, denn je. Ihr Glaube stärkt unsere Herrin und wird so zu einem unsichtbaren Bollwerk, das uns umgibt. Deshalb darf kein Makel daran sein, denn es wäre unser Ende.“] „Und sie glauben nicht?“ [„Nein. Ich weis. Und zu dem, was ich weis gehört, dass dieser elendige Krieg nie ein Ende finden wird, solange die leben. Deshalb muss ich einen Weg finden sie zu töten. Buchstäblich Götter zu töten.“]

    Aus irgendeinem Grund schien er Jules völlig aufrichtig, während er das sagte. Also fragte sie: „Und was würde mit ihnen passieren, wenn ihre wahren Absichten ans Licht kommen?“ [„Nichts. Ich war zu keinem Zeitpunkt in der Lage vor Nyx oder Hekate ein Geheimnis zu bewahren. Sie wissen es und tun nichts dagegen. Ich glaube, dass sie es sogar herbei sehnen.“] „Sie will sterben?“ Er breitete die Arme in einer Geste der Ratlosigkeit aus. [„Tja, anders kann ich mir nicht erklären, dass ich noch hier stehe. Ich glaube sie hat erkannt, dass egal welche Gefahr sie einmal zu sehen glaubte, niemals eingetreten ist und dass die von ihr verursachten Kriege, insbesondere der letzte, nicht weniger Leid anrichten, als irgendeine vorstellbare Bedrohung das könnte. Also ja, ich glaube sie will, dass ich Erfolg habe.“] „Und sie glauben, dass dieser Ort ihnen dabei helfen kann?“ Er lächelte. [„Nicht unbedingt. Ich hoffte, dass er mir helfen könnte die Völker des Concordiums zu finden. Aber nun treffe ich auf ihre schöne Begleiterin und das macht es vielleicht überflüssig weiter zu suchen.“] Thaliana sah ihn etwas verlegen an und erwiderte: „Das wird vielleicht nicht ganz so einfach, wie sie es sich vorstellen, weil…“ Sie wurde bei diesen Worten unterbrochen, als auf einmal schwere Stiefelschritte aus dem Gang zu hören waren, durch den sie gekommen waren. Einige der Nyxkrieger liefen dort hin, um nachzusehen, was los war. Und dann hallten die ersten Schüsse durch die Kavernen.

    0,25 Stunden nach der Landung, in einem Turm der zentralen Anlage:

    Nicole drehte sich aus ihrer Deckung heraus und feuerte eine Geschossgarbe auf einen der Söldner ab, die sich im Durchgang vor ihnen verschanzt hatten. Er wurde von einer Kugel am Bein getroffen und stürzte hin. Dann verpasste sie ihm eine zweite Kugel direkt ins Herz. Seine Kameraden revanchierten sich mit heftigem Laserfeuer, von dem jedoch kein einziger Schuss traf. Zu schnell hatte sie sich wieder zurückgezogen. Rechts von ihr und hinter ihr ließen auch die anderen Mitglieder ihres Teams und von EKST2, das sie begleitete, immer wieder die Waffen sprechen. Sie merkte, dass Julius von Sachleben beim Schießen immer wieder aus dem Augenwinkel nervös zu ihr hinüber sah. Seit Tagen ging er ihr nun schon aus dem Weg und schien das auch noch etwas so belassen zu wollen. Als er sah, dass sie es bemerkt hatte, sah er schnell wieder starr geradeaus und schoss weiter.

    Sie wollte etwas zu ihm sagen, doch in diesem Moment tauchten einige Männer einer Infanteriekompanie. Einer von ihnen hielt einen Flammenwerfer in Händen. Er aktivierte seinen persönlichen Schutzschild und stapfte dann mit schweren Schritten in den Gang hinein. Vier, fünf Lasertreffer verpufften wirkungslos am Schild des Flammers, dann ließ er seine Waffe sprechen. Der Werfer fauchte auf und hüllte den Durchgang in flüssiges Feuer. Die Verteidiger traten dabei sofort den Rückzug an und Ariah Akunin, die EKST2 im Moment kommandierte, rief ihren Leuten den Befehl zu die Söldner zu verfolgen und Julius ergriff diese Gelegenheit sich Nicole zu entziehen dankbar. Sie rief ihm nur noch frustriert hinterher: „Du kannst nicht ewig weglaufen, Julius!“

    Corinna kam bei diesem Anblick amüsiert grinsend zu ihr. „Was ist in dem letzten Tagen nur los mit dir? Lass den armen Jungen doch in Ruhe. Und außerdem: Freu dich. Wenn es so weiter geht haben wir die Anlage in ein, zwei Stunden völlig unter Kontrolle.“ „Du ahnst gar nicht, wie scheißegal mir das im Moment ist.“ „Moment, was habe ich dir jetzt getan?“ „Nichts. Tut mir leid. Es ist nur… Du weist doch, was auf Kyoto passiert ist.“ Sie nickte. „Wir wurden Zeugen eines netten kleinen Grillfestes.“ Nun musste Nicole lachen. „Ach, du bist doof. Du weist ganz genau, was ich meine.“ „Jep. Ich verstehe deine Fixierung auf diese Frau nur nicht. Das kann was weis ich wer gewesen sein.“ „Es war Jules. Definitiv. Sie hat sich nicht mal besonders verändert.“ „Und genau dort sehe ich die Schwachstelle deiner Theorie. Wie konnte sie so jung bleiben? Und was hat sie die letzten zwanzig Jahre deiner Meinung nach bitteschön gemacht?“ „Keine Ahnung. Aber bevor ich mich das vor einem Untersuchungsausschuss fragen lassen muss, wird er mir meine Fragen dazu beantworten.“

    Corinna klopfte ihr auf die Schulter. „Hab schon verstanden. Lass ihn nur am Leben.“ Beide lachten. Dann kam eine Meldung von einem der Trupps, die die äußeren Anlagen sichern sollten. „Einsatzkoordinator, hier IT9. Wir haben hier einen Code Schwarz, ich wiederhole: Code Schwarz.“ Nicole stutzte. Code schwarz bedeutete, dass Energiesignaturen entdeckt worden waren, die zur Technologie der Nyxanhänger passten. „IT9, hier Major Degenhardt. Halten sie ihre Position, wir sind auf dem Weg zu ihnen.“ „Negativ, Frau Major“, kam es zur Antwort von den Einsatzkoordinatoren auf der ‚Süleyman’. „Rücken sie weiter bei ihrer derzeitigen Position vor. Wir schicken für Code Schwarz Spezialisten.“

    Kurz darauf in der Luft:

    Die Landefähre wurde von einigen Turbulenzen durchgeschüttelt, während die auf den äußeren Turm zusteuerte. Leutnant Charmalow von KT4 konnte ihr Ziel von seiner Position an den großen Seitenluken aus sehen, wo sie abgesetzt werden sollten. Nachdem er einen Blick auf den Turm erhascht hatte, sah er zu den anderen Soldaten. Zusammen mit KT5 waren noch vier direkt vom MND abgestellte Kämpfer dabei. Er hatte kurz einige Worte mit dem ranghöchsten unter ihnen, einem gewissen Arik Bilenkin, gewechselt, war dabei aber schnell zum Schluss gekommen, dass der völlig durch den Wind war. Entsprechend würde die Arbeit einmal mehr an ihnen hängen bleiben. Er sah zu seinem Stellvertreter und sagte ihm: „Behaltet dort unten diese komischen Vögel immer hinter uns. Wenn einer von denen verwundet wird, machen die vom MND uns die Hölle heiß.“ „Was sollen die überhaupt hier? Hier ist kein Platz für weiche Ziele.“ Eine Bemerkung, mit der er darauf anspielte, dass die vier nur leichte Panzerung trugen. „Angeblich den Feind erledigen.“ Der Stellvertreter lachte. „Und was soll dann bitteschön unsere Aufgabe sein?“ Charmalow sah ihn sehr humorlos an. „Glaubt man dem, was einer von deren Agenten angedeutet hat: Uns im Zweifelsfall für die in die Kugel werfen.“

    0,5 Stunden nach der Landung in den Kavernen:

    In die Geräusche der Stabwaffen mischte sich das sonore Knattern von Sturmgewehren, das hundertfach immer wieder von den Wänden zurück geworfen an Jules Ohr drang. Dem Klang nach mindestens zehn Mann. Dann konnte Jules plötzlich sehen, wie einer der sich zurückziehenden Nyxkrieger von einer unsichtbaren Faust getroffen zu werden schien, die ihm mit einem Schlag das Genick brach und ihn zu Boden warf. Zuerst dachte sie es sei eine Kugel gewesen, doch dann wurde ein anderer der Kämpfer plötzlich mehrere Meter weit durch die Luft geschleudert. Ihre Reflexe sagten ihr, dass jetzt ein guter Augenblick war zu verschwinden. Sie hatte mittlerweile genug Kämpfe erlebt, um zu wissen, dass man sich jemandem, der seine Ziele mit einem Wedeln seiner Hand durch die Luft fliegen lassen konnte, besser nicht offen gegenüber trat. Sie sah zu ihren Leuten, dann zum Sucher und meinte: „Weg hier. Armin, such einen Ausweg und ruf die Argo dort hin. Ich halte hier ein wenig die Stellung.“ „Nein“, erwidert Thalinana nun, „ich werde es tun.“ „Sicher?“ „Auf jeden Fall.“ Der Sucher nickte. [„Machen sie sich um mich keine Sorgen. Ich habe das dumpfe Gefühl, dass es Zeit ist zu verschwinden. Ich hoffe wir sehen uns wieder.“] Er verbeugte sich noch einmal. [„Leben sie wohl.“] Mit diesen Worten aktivierte er ein kleines Gerät, das auf den ersten Blick wie ein Schmuckstück aussah und das er um den Hals trug, und verschwand in einem Lichtblitz. Die noch lebenden Nyxkrieger taten es ihm gleich und plötzlich stand nichts mehr zwischen Jules Gruppe und den anrückenden Soldaten.

    Thaliana rief ihnen noch einmal mit Nachdruck zu: „Lauft!“ Dann ballte sie die Hände ein paar langsam zu Fäusten und öffnete sie wieder, wobei sie die Augen schloss und leise etwas vor sich hin murmelte. Als die ersten Kugeln sie treffen sollten, öffnete sie sie auf einmal wieder. Die Anderen hatten schon die Flucht angetreten, so dass sie nicht mehr sahen, wie ihre Augen konstant und hell aufleuchteten. Sie hob eine Hand und die Kugel hielt vor ihr in der Luft an. Fünf, sechs Kugeln fing sie auf die gleiche Weise ab und ließ sie zu Boden fallen. Dann machten die Soldaten, die mittlerweile genau begriffen hatten, worin die Besonderheit ihrer Schützlinge bestand, respektvolle Schritte zur Seite und ließen Arik und seinen Leuten den Vortritt. Die drei Mover unter ihnen attackierte sie sofort und mit aller Kraft. Zwei Angriffen konnte sie ausweichen, indem sie sich wie eine Schlange zur Seite beugte, doch der dritte traf sie. Die Wucht schleuderte sie von den Füßen. Sie musste husten und spuckte dabei ein wenig Blut mit aus. Innerlich bedauerte sie nun ihre eigenen Fähigkeiten der Psychokinese nie wirklich für den Kampf geschult zu haben.

    Dann sprang sie wieder auf die Füße. Alari waren nicht so leicht unter zu kriegen. Sie streckte die Hand in Richtung zweier dicht beieinander stehender Mover aus und schlug zu. Nur eine Flimmern in der Luft kündigte den Angriff an, als sie den Raum um sich herum krümmte, um ihn in eine Waffe zu verwandeln. Die Kraft ihres Angriffes riss beide Menschen von den Füßen und ließ sie in Richtung der Decke fliegen, wo sie einmal heftig und unsanft aufprallten und dann knapp darunter schweben blieben. Sie lief los. Gleichzeitig schleuderte sie einen anderen Angriff gegen den dritten, der auf dessen Kopf gezielt war. Er schaffte es nur knapp zu parieren, wurde von der Wucht aber trotzdem noch von den Füßen gerissen. Aber dann war da noch Arik. Der Ukrainer machte einen Schritt vor und schlug mir aller Kraft nach ihr. Nur knapp konnte sie sich darunter hinweg ducken. Dann griff er nicht mehr punktuell, sondern universell an. Er schlug auf mehreren Quadratmetern zu. Notgedrungen parierte sie. Wo die von ihnen gewirkten Kräfte aufeinandertrafen flimmerte die Luft und sie merkte, dass sie zurück gedrängt wurde. Wie konnte er nur solche Kraft aufbringen? Er, ein Mensch? In einem verzweifelten Versuch des Selbstschutzes ließ sie die beiden Männer los, die sie unter die Decke geheftet hatte. Beide fielen herunter und Arik war abgelenkt, als er sie auffangen musste. Diesen Augenblick nutzte Thaliana, um zu verschwinden. Sie duckte sich etwas, was die ungewöhnliche Anatomie ihrer Beine hervorhob, und spurtete los. In einem Tempo, das selbst einem irdischen Weltklassesprinter Probleme bereitet hätte rannte sie in Richtung des Ganges, in den der Rest der Gruppe geflohen war.

    Sie holte sie an einem zweiten Ausgang aus den Archiven wieder ein. Sie arbeiteten sich von dort aus zu einem Ausstieg nach draußen vor, wo sie die ‚Argo’ riefen. Nachdem das Schiff sie an Bord genommen hatte, verschwanden sie schließlich zurück ins All.
    Geändert von Protheus (15.09.2009 um 13:12 Uhr)
    Die Freiheit des Bürgers heißt Verantwortung.

    (Joachim Gauck)


    "You may belong to any religion[...] - that has nothing to do with the buisness of the state. We are starting with this fundamental principle, that we are all citizens and equal members of one state." (Sir Mohammed Ali Jinnah)

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  16. #74
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    Und wieder sehr gut, jetzt scheinen die Japaner ja ordentlich in Munition und Waffen zu verfügen, um Korea die Hölle heiß zu machen.
    Und wenn man dann noch diese ramponierte Flotte sieht, da kann man sicher auch noch was drauß machen.

    Und das mit dem Antiker leuchtet auch ein, aber ich frage mich, warum Nxy bereit wäre, sich töten zu lassen.
    Immerhin ist sie noch eine Goa´Uld und denen ist es ja eigentlich völlig egal, wass sie für ein Leid anrichten.
    Obwohl die Tatsache, dass die Antiker von einem rachsüchtigen Aufgestiegenen geführt werden, schon was hat.
    Deswegen ist wohl auch der Legat übergelaufen...

    Ich hoffe allerdings, dass Nicole sich nicht zu sehr auf Julius versteift, da sie sonst sehr schnell ausrasten wird.
    Man erfährt schließlich nicht alle Tage, dass eine gute Freundin, Jahrzehnte im Eis und dem Tode nahe, verbracht hat.

    Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.
    Bis dann.
    Das Leben ist ein Schwanz und wir die Eier, die mitgeschleift werden.


    Meine aktuellen Fanfiction:


    TGE Combined Season 1 Fire of War:

    http://www.stargate-project.de/starg...ad.php?t=11836




  17. #75
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    Uff, das war eine ganze Menge Text...
    Wie immer serht gut geschrieben, wobei mir irgendwie auch einige Fehler, Rechtschreibfehler, fehlende bzw auch zu viele Wörter usw.

    Warum haben die Europäer jetzt eigentlich nicht Argo geortet wenn sie auf oder an so einem Turm gelandet ist?
    Jedenfalls gut dass die paar überlebenden Japaner jetzt mal ordentlich Munitio haben um sich gegen die Koreaner zu verteidigen.
    Ist diese Geschichte um die Sklavenwelt vorbei oder kommt da noch was?
    WEIR: ... putting your life and other people's lives at risk. You destroyed three quarters of a solar system!
    McKAY: Well, five sixths. It's not an exact science.
    WEIR: Rodney, can you give your ego a rest for one second?

    Ein Jahr später:
    Spoiler 
    CARTER: About a year ago, your brother came across an abandoned alien experiment called Project Arcturus.
    CARTER: It was an attempt to generate zero point energy.
    JEANIE: That would be virtually limitless power. What happened?
    McKAY: A slight problem. It was the creation of exotic particles in the containment field.
    CARTER: He destroyed a solar system.
    JEANIE: Meredith! (She smacks his arm.)
    McKAY: It was uninhabited!

  18. #76
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    Was lange währt wird endlich gut. Das neue Kapitel ist fertig. Aber zuerst die Reaktionen.

    @Colonel Maybourne: Richtig erkannt, der Legat ist deshalb übergelaufen. Deine Einschätzung zu Nyx ist allerdings nur bedingt richtig. Sie ist eine Goa, ja, aber keine gewöhnliche. Sie ist, ganz wie die Titanin der griechischen Mythologie, die erste ihres Volkes, geboren aus dem Chaos, das ihre tierische Natur war, als sie aus den Sümpfen ihrer Heimat gekrochen sind. Sie denkt nicht so, wie ein klassischer Systemlord. Und in Sachen Kyoto hülle ich mich vorerst noch in Schweigen

    @Santanico Pandemonium: Rechtschreibfehler, fehlende Worte, etc, etc... Tja, damit sagst du mir sehr zu meinem Leidwesen nichts neues. Aber in diesem Forum einen Beta-Leser zu finden ist schwerer, als eine Schneeflocke in der Hölle. Also kann ich nur darauf hoffen beim Drüberlesen so viele Fehler wie möglich zu finden. Zu deiner inhaltlichen Frage: Der Planet Mura wird noch eine Rolle spielen, aber nicht mehr als Sklavenwelt. Es wird in der zweiten Staffel nur noch eine weitere Folge geben, in der dieses Thema aufgegriffen wird. Aber die hat nicht mehr unmittelbar etwas mit diesem Handlungsstrang zu tun.

    Und hier das neue Kapitel. Es geht dieses Mal wieder um den zweiten Konfliktschauplatz, den Kampf gegen Dumuzi. Außerdem kam mir Nicole rückblickend bis jetzt etwas farblos vor. Also habe ich die Gelegenheit genutzt, um ihr Seelenleben ein wenig in den Fokus zu rücken. Das hier ist übrigens die vorletzte Folge dieser Staffel. Demnächst kommt das Finale. Viel Spaß mein Lesen.


    Episode 20: Ein Teil jener Kraft, die gutes will, doch böses schafft

    Brüssel, 10.12.2035:

    Nicole konnte die Blicke, die auf ihr ruhten, sie förmlich durchbohrten, spüren, als verursachten sie physischen Schmerz. Sie saß acht Männern und Frauen – sämtlich in den Ausschuss zur Kontrolle der Geheimdienste berufene Parlamentsabgeordnete – gegenüber, deren Mimik keinen Zweifel daran ließ, wie ernst die hier besprochene Angelegenheit in ihren Augen war. „Sie bleiben also bei ihrer Aussage?“, hackte der Vorsitzende des Gremiums nach. Seine Stimme mochte zuerst gleichmütig und ruhig wirken, doch Nicole hörte die feinen Untertöne, die verrieten, dass seine Geduld sich ob des langsamen Fortschritts der Untersuchung dem Ende zuneigte. Bis jetzt hatte sie versucht ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen, indem sie ausweichend geantwortet hatte, doch das würde ihr nicht ewig gelingen. Irgendwann würde sie sich verhaspeln. Und dann würde die Sache unangenehm werden. Dann konnte jeder einzelne Widerspruch in ihren Aussagen zu einem Nagel im Sarg ihrer Karriere werden.

    Sie atmete noch einmal bewusst durch, dann antwortete sie: „Ja, ich habe meiner Aussage nichts weiter hinzuzufügen.“ Der Mann lehnte sich in seinem Sessel zurück und nahm noch einmal eines der Blätter, auf denen die Aussagen der Beteiligten von Kyoto festgehalten worden waren, hoch, um einige Zeilen davon zu lesen. Dabei knetete er nachdenklich seine Unterlippe. Er ließ einige Sekunden verstreichen und meinte dann: „Sehen sie, wir haben da ein kleines Problem: Laut den Aussagen von fünf am fraglichen Abend anwesenden Flottenkapitänen haben sie gegenüber ihrer Soldatin Corinna Silkermann mehrmals lautstark bekundet die von ihnen gesehene Frau sei Julia Thora gewesen. Und später haben sie zu Papier gegeben es habe lediglich eine gewisse Ähnlichkeit vorgelegen.“ Sie nickte, innig bemüht ein unverfängliches Gesicht zu machen. „Ja, das waren meine Angaben.“ Der Vorsitzende nickte und überlegte erneut für einen Moment. „Erklären sie diese Diskrepanz bitte.“ „Da gibt es nicht viel zu erklären. Nach der Explosion der Botschaft war ich stark aufgeregt. Das hat wohl mein Urteilsvermögen getrübt.“

    „Ihr Urteilsvermögen… ? Tja, das ist bedauerlich.“ Nicole sah ihn vorsichtig an. Sie hatte mittlerweile genau erkannt, dass dieser dickliche Mann mit komischem österreichschem Akzent, Halbglatze und schlecht sitzendem Anzug sehr viel gefährlicher war, als er durchblicken ließ, was er sogleich unter Beweis stellte, indem er sagte: „Und sehen sie, das ist der Punkt in dem ich ihnen nicht zu glauben vermag.“ Er legte den Zettel wieder weg und faltete die Hände im Schoß. Dann fuhr er mit einem Schmunzeln auf den Lippen fort: „Beteiligung an der Libanon-Intervention und Einsätzen während der Balkan-Krise. Danach für ihren Einsatz als Kompaniechefin während der Kämpfe um Kayseri mit dem Ordensband für herausragende taktische Fähigkeiten ausgezeichnet. Später vier Jahre in Uganda und Somalia.“ Sein Schmunzeln wurde noch etwas breiter. „Sagt diese Aufzählung ihnen etwas? In den letzten zwanzig Jahren ihrer Karriere waren sie in eine ganze Reihe von Situationen verwickelt, in denen ganz andere Gefahren für Leib und Leben sowohl ihrer Person, als auch ihrer Einheit bestand und in denen sie eindrucksvoll unter beweis gestellt haben, dass sie auch in Extremsituationen einen kühlen Kopf behalten können. Und da sollen wir ihnen glauben, dass sie die Nerven verlieren, weil jemand ein Gebäude in Brand setzt, in dem sie sich schon gar nicht mehr befinden?“

    „Ich habe meiner Aussage nichts mehr hinzuzufügen, Herr Abgeordneter.“ Der Mann verzog das Gesicht zu etwas, das man für eine beleidigte Schnute halten konnte und begann einige Notizen auf einem Zettel zu machen. Währenddessen fragte eine der Frauen des Gremiums: „Lassen sie diese Farce, Major. Wir wollen nur eine klare Aussage von ihnen haben: War diese Frau Julia Thora?“ „Sie haben meine Aussage bereits.“ „Nein“, meinte der Vorsitzende schließlich, „wir haben nur einige wertlose Zeilen auf einem Papier. Und ich bin sogar bereit ihnen diese ganze Sache als Erinnerungslücke auszulegen. Und sei es auch nur, weil die Alternative wäre sie wegen wissentlicher Falschaussage und Meineids zu belangen.“ Er seufzte. „Major, Major, was soll ich bloß tun, damit sie einsehen, dass wir nicht ihre Feinde sind? Also, wir kommen hier heute nicht weiter. Sie dürfen sich entfernen, Frau Major. Wir werden sie zu gegebener Zeit erneut vorladen.“ „Kurt!“, rief die Frau erbost aus, doch er hob die Hände zu einer beschwichtigenden Geste. „Beruhig dich, Mary. Ich vertage bloß.“ Dann wandte er sich wieder an Nicole. „Also, Frau Major, sie dürfen geben. Aber behalten sie zwei Dinge im Gedächtnis: Erstens haben sie absolutes Stillschweigen über die Ereignisse auf Kyoto zu bewahren. Keine Andeutung über die Sache in Wort oder Schrift gegenüber Außenstehenden. Und zweitens sollten sie sich klar machen, wie man ihnen wiederholte Falschaussagen vor diesem Ausschuss auslegen würde. Auf wieder sehen.“

    Sie hatte den Raum und das Gebäude so zügig verlassen, wie sie es konnte, ohne gehetzt zu wirken. Auf der Straße hatte sie sich dann auf eine Parkbank in der Nähe des Parlamentsgebäudes gesetzt, den Kopf in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen und für einige Minuten nur versucht die Gedanken an diesen Abend auf Kyoto und die Verwirrungen zu verdrängen, die daraus gefolgt waren. Es wollte ihr nicht recht gelingen. Sie wusste, dass es Jules gewesen war. Julius hatte es ihr schließlich gestanden, nachdem sie ihn ausgequetscht hatte, und versucht sich dafür zu entschuldigen, dass er, sein Vater und seine Geschwister sie all die Jahre belogen hatten. Es hätte nicht mehr viel gefehlt und er hätte sich auf die Knie geworfen. Aber was bedeutete das schon? Wie konnte man vor jemanden treten, den man neunzehn Jahre im Glauben gelassen hatte für den Tod seiner besten Freundin verantwortlich zu sein und darauf hoffen, dass einem verziehen wurde? Nicole konnte es jedenfalls nicht.

    Sie schwang sich wieder nach vorne und vergrub das Gesicht in den Händen. Dieser fette Ösi hatte recht gehabt. Sie besaß Nerven aus Stahl. Und trotzdem schien ihr alles zu viel zu werden. Sie wurde erst aus diesem geradezu kontemplativen Selbstmitleid geweckt, als sie auf einmal etwas Kaltes und Feuchtes im Nacken spürte. Sie sah auf und bemerkte, dass es zu schneien begonnen hatte. Dass es schon wieder Winter war… Es war knapp ein Jahr her, dass das Sternentor Ende des Jahres 2034 erneut geöffnet worden war. 2035 schien danach rückblickend in einem Wimpernschlag abgetan zu sein. Jetzt, wenige Tage vor dem Fest, fiel in Brüssel der erste Schnee. Und die Stadt schien ihn begrüßen zu wollen, als habe sie nur auf ihn gewartet, wie auf einen letzten Gast, der noch zum Weihnachtsschmaus gekommen war. Alles war festlich geschmückt, die Lautsprecher an den Haltestellen der Metro spielten Bachs Weihnachtsoratorium und selbst hier im Europaviertel, wo die Menschen in Nicoles Augen zu Zombies wurden, die ihre Seele an die Bürokratie verpfändet hatten und seitdem gezwungen waren eine bemitleidenswerte Existenz als untote Rädchen im Getriebe der Union zu fristen, schien jedermann nett zueinander zu sein. Was für ein idyllischer Ausklang eines beschissenen Jahresabschlusses es doch war, schoss es ihr durch den Kopf.

    Als der Chor schließlich zu den Versen „Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen, lass dir die matten Gesänge gefallen, wenn dich dein Zion mit Psalmen erhöht“, ansetzte, spürte sie, wie eine Träne aus ihrem rechten Augenwinkel hervorquoll. Sie vergrub das Gesicht ein weiteres Mal in den Händen und schluchzte dabei. Dann fingerte sie ihr Handy aus einer Uniformtasche, klappte es auf und wählte eine Nummer in Siegburg, einer Kleinstadt im Rheinland nur zehn Kilometer von jenem Ort entfernt, an dem vor dem Ori-Angriff Bonn gestanden hatte. Es dauerte knapp eine Minute, dann wurde am anderen Ende der Leitung abgenommen. „Ja, Degenhardt“, erscholl die Stimme einer jungen Frau. „Hallo mein Schatz“, antwortete Nicole. „Du?“, kam die erstaunte Antwort, in der keine hörbare Freude mitschwang. „Ja. Wie geht’s dir?“ Ein verächtliches Schnauben war zu vernehmen. „Ach, auf einmal interessiert es dich. Weist du eigentlich wie lang wir nichts von dir gehört haben?“ „Ja, das weis ich. Katharina, ich…“ „Spar’s dir, Mamma.“ Mit diesen Worten legte sie das Telefon beiseite. Es dauerte einen Moment, bis jemand anderes den Hörer aufnahm.

    „Nicole?“, hörte sie die Stimme ihres Bruders, Karl Degenhardt. „Hallo Bruderherz.“ „Hallo. Schön wieder von dir zu hören.“ Bei diesen Worten musste sie lächeln. Da sowohl Nicole aus auch Ernst Berufssoldaten waren wuchsen ihre Kinder – drei waren noch minderjährig – bei der Familie ihres Bruders auf. Sie wusste, dass ihnen dort gut ging, aber immer wieder so lange von ihnen getrennt zu sein… „Wie geht es euch?“ „Gut. In ein paar Tagen fangen hier die Schulferien an und alle Kinder fiebern schon dem 24ten entgegen.“ Sie lachte schwach. Es klang nicht wirklich fröhlich „Kann ich mir vorstellen.“ Sie schwieg für einen Moment, so dass er fragte: „Kommt ihr zum Fest vorbei?“ „Nein. Mein Team ist über die Feiertage für Einsätze eingeteilt.“ „Eine Schweinerei“, ereiferte er sich. „Die sollten doch wissen, da…“ „Ja, sie wissen es“, fiel sie ihm ins Wort. „Aber für das Regiment wurde eine Urlaubssperre verhängt. Die rechnen damit, dass irgendetwas Großes passieren wird.“ Er schwieg für einen Moment. Dann meinte er: „Gut. Ich sag es den Kindern. Und passt auf euch auf.“ „Danke.“ „He“, antwortete er mit aufmunterndem Tonfall, „das bin ich meiner kleinen Schwester schuldig…“

    Plötzlich wurde ihm der Hörer aus der Hand genommen. Nicole konnte noch seine Proteste hören. Dann hörte sie ihren Großvater ihren Namen sagen. Sofort legte sie auf. Sie hatte kein Verlangen mit ihm zu sprechen. Er war in ihren Augen der Grund dafür, warum sie ihre Kinder in den fünfzehn Jahren insgesamt keine sechs Monate gesehen hatte. 2017 war er es gewesen, der dafür verantwortlich gezeichnet hatte, dass sie bei der Armee geblieben war. Berufsoffizier durch und durch war ihm die Reputation der Degenhardts als Offiziersfamilie wichtiger gewesen, als das Wohlergehen seiner Enkeltochter, so dass er sie auf sehr ungroßväterliche Weise erpresst hatte: Entweder sie blieb beim Militär oder er schwärzte sie wegen ihrer Beteiligung an Reinekes Aufstand an. Beweise genug hatte er gehabt. Mit der Wahl zwischen zwanzig Jahren Haft und Dienst im Eurokorps konfrontiert hatte sie den Militärdienst gewählt. Nur die Geburt ihrer beiden jüngsten Kinder vor zwölf und neun Jahren hatte ihr etwas mehr Zeit mit der Familie ermöglicht. Vor diesem Hintergrund wollte sie seine Stimme nicht einmal häufiger hören, als ums Verrecken nötig. So blieb sie einfach nur schweigend im Schneegestöber auf der Bank sitzen und wartete auf eine Meldung von General Maybourne, dass er sein Gespräch mit der Hochkommissarin beendet hatte. Dabei blendete sie die Geräusche der Stadt fast völlig aus. Nur noch die Chorgesänge drangen an ihr Ohr. „Er hat sein Volk getröst’, hat sein Israel erlöst, die Hülf aus Zion hergesendet, und unser Leid geendet…“

    Zur gleichen Zeit im Gebäude der Kommission:

    Aus den Fenstern des Büros der Hochkommissarin heraus konnte Harry Maybourne fast die gesamte Stadt überblicken. Es lag in den oberen Stockwerken des Kommissionsgebäudes, ohnehin schon eines der höchsten der Stadt, und schien auf diese Art umso mehr die Wichtigkeit des Amtes zu unterstreichen, das es beherbergte. Der Kommandant des STK saß auf einem Ledersofa neben General Fayolle, in den Händen eine dicke Aktenmappe, die die wichtigsten Missionsberichte des letzten Jahres enthielt. Er ließ seinen Blick immer wieder zwischen Hochkommissarin Vassilakou und dem Mann hin und her wandern, der ihm und Fayolle auf der anderen Seite des polierten Eichenholztisches gegenüber saß. Jacob Carter, ‚alias’ Selmak von den Tok’Ra – es fiel Harry schwer eine wirkliche Unterscheidung zwischen beiden Personen vorzunehmen – war für diese Unterredung angereist, um seine Expertise über die Lage unter den verbliebenen Goa’uld beisteuern zu können.

    Der Tok’Ra saß mit gleichmütigem Gesichtsausdruck auf dem Sofa und trank immer wieder kleine Schlucke des Whiskys, den man ihm angeboten hatte. Er hatte in den letzten Minuten davon erzählt, dass jenseits des Pluto kein guter Whisky hergestellt würde und angemerkt, dass er sich ein paar Flaschen mitnehmen würde, doch Harry hatte den Eindruck gehabt, dass er damit nur seine Unzufriedenheit kaschieren wollte. Die Umstände seines Hierseins stellten die Verhältnisse aus der Zeit des Goa’uld-Krieges auf den Kopf. Dieses Mal hatten die Tok’Ra nicht etwa die Erde einige Wochen lang am ausgestreckten Arm zappeln lassen, bevor sie gnädigerweise eine Audienz gewährten, sondern die EU hatte gerufen und sie hatten sofort Gewehr bei Fuß bereit gestanden. Ein kleines Detail nur, was aber deutlich zeigte, wie sich die Machtverteilung in der Milchstraße verändert hatte.

    Harrys Blick schweifte von Jacob weiter zur Hochkommissarin. Diese stand mit dem Rücken zu ihnen und sah aus dem Fenster. Sie hatte sich seit gut sechs Minuten kaum gerührt und schien die ganze Zeit nur etwas zu beobachten, das weit entfernt jenseits aller menschlichen Wahrnehmung lag, denn er konnte sich nicht erklären, was es von hier aus so interessantes zu sehen geben könnte. Sie war von schlanker Statur, nicht besonders groß und wirkte ihren bald siebzig Lebensjahren zum Trotz nicht viel älter als fünfzig. Ihrem Äußeren fehlte insgesamt die Strenge, so dass man, falls man ihr in Natura gegenüberstand, Schwierigkeiten hatte zu erkennen, was ihr die Vergleiche mit Margret Thatcher und letztlich den Spitznamen ‚Eiserne Athena’ eingebracht hatte. Als er seinen Blick wieder abwenden wollte, erwachte sie wieder aus ihrem Schweigen und sagte, den drei Männern immer noch den Rücken zugewandt: „Meine Herren, die momentane Lage ist schwierig. Ich brauche ihre Unterstützung.“

    Sie drehte sich um und musterte die drei. „Ich nehme an sie konnten den Grund für die kurzfristige Ansetzung dieses Treffens der Tagespresse der letzten zwei Wochen entnehmen.“ Sowohl Fayolle als auch Maybourne nickten. Auf Jacobs fragenden Blick hin erklärte sie: „Die Opposition hat im Parlament eine Revision des bisherigen Verlaufes des Sternentorprogramms angesetzt. Und ich kann sogar verstehen warum. Keines der gesetzten Ziele wurde bisher erreicht. Das ganze Programm war bis jetzt ein Schuss in den Ofen.“ Die beiden Generäle nickten wissend und sie fuhr fort: „Tatsache ist, dass nichts, was wir bisher getan haben, zu einer sichtbaren Stabilisierung der Milchstraße beigetragen hat. Ganz im Gegenteil muss ich mir sogar anhören, dass unsere Politik die Sicherheitslage für die Erde und unsere Kolonien noch verschlechtert hat. So etwas ist ein gefundenes Fressen für die Konservativen und Terra Nostra.“ Sie schüttelte den Kopf. „Nicht nur sie, sondern auch ich will die Fortsetzung des Programms. Aber wenn ich fünf Stunden das Parlament nicht davon überzeugen kann zu den vorherigen Beschlüssen zu stehen haben sie heute Abend kein Mandat mehr.“ Sie ging zu ihrem Schreibtisch und hob kurz einige dort liegende Akten an, um sie wieder fallen zu lassen. „Die Vorschläge, die das Kommissariat für Kolonisation für eine revidierte Strategie unterbreitet hat, sind von Kenntnis der Situation außerhalb der lokalen Blase ungetrübt. Also geben sie mir etwas Besseres.“

    Mit diesen Worten setzte sie sich auf einen bei den Sofas stehenden Sessel, schlug die Beine übereinander und sah die drei Männer fordernd an. „Ich höre.“ Es war Fayolle, der das Wort ergriff. „Madame Commissaire, wir sehen uns im Moment mit einer politisch deutlich stärker zersplitterten Galaxie konfrontiert, als noch vor dreißig Jahren. Die großen Reiche der Goa’uld sind in konkurrierende Fraktionen zerfallen und die weitgehende Zerstörung des Sternentornetzwerkes hat auf vielen Welten zu Ressourcenknappheit geführt, die Verteilungskriege nach sich gezogen haben. Allein in den Spiralarmen Perseus und Sagittarius erleben wir nach Informationen der Aufklärung im Moment ein Nebeneinander von fast zweitausend kleineren Kriegen, die sich über mehrere Welten erstrecken.“ Sie nickte. „Bitte, fahren sie fort.“ „Die Situation ist vor allem deswegen völlig undurchschaubar, weil die meisten Kriegsparteien nicht mit irdischen Nationalstaaten vergleichbar sind, sondern eher mit Stammesgesellschaften. Niemand weis genau, wer aktuell über welche Ausrüstung verfügt und welchen Opperationsradius die verschiedenen Gruppen besitzen. Wir hatten schon mehrere Fälle in denen unsere Einheiten von Gegnern attackiert wurden, die weit außerhalb ihres angenommenen Einflussgebiets agierten.“

    „Wie viele dieser Gruppen sind tatsächlich in der Lage uns militärisch gefährlich zu werden?“ „Wenn sie damit meinen wie viele einen offenen Krieg mit der Erde führen könnten“, meinte Jacob, „lautet die Antwort: Drei. In der gesamten Milchstraße. Und selbst die müssten massiv aufrüsten, wenn sie mit rein konventioneller Kriegsführung gewinnen wollten.“ Sie nickte erneut und mutmaßte: „Eine asymmetrische Bedrohungssituation.“ Jacob machte eine bestätigende Geste. Mit verächtlichem Tonfall meinte sie: „Solche Kriege führen wir schon zu genüge.“ „Mit einigen Unterschieden“, antwortete Maybourne darauf. „In Afrika haben wir mit Äthiopien beispielsweise einen starken Verbündeten und in Afghanistan sind fast die Hälfte unserer regulären Kräfte gebunden, um tatsächlich so etwas wie Sicherheit zu gewährleisten. Aber die Situation außerhalb der lokalen Blase ist, dass unseren Leuten auf den meisten Welten blanker Hass entgegenschlägt, der bis zur Gewaltbereitschaft geht. Ich habe schon zwanzig Leute durch Attentate oder Angriffe aus dem Hinterhalt verloren und auf den wenigsten Welten treffen wir noch so etwas wie Kooperationsbereitschaft an.“

    Er räusperte sich zwei, drei Mal und fuhr fort: „Im Grunde genommen haben wir einen Kardinalsfehler gemacht. Wir sind mit der Erwartung an die Sache heran gegangen, dass die Sterne aufgehört hätten sich zu drehen, während wir mit uns selbst beschäftigt waren. Wir dachten wir wären immer noch die Helden, die die Goa’uld zerschmettert haben und dass man sich freuen würde uns zu sehen. Verdammt, wir haben erwartet, dass man Blumen für uns streuen würde. Aber das genaue Gegenteil ist eingetreten. Denn die Leute haben nicht vergessen, dass wir damals die halbe Galaxie in Trümmer gelegt haben und uns danach einen Dreck darum gekümmert haben, was mit ihnen passierte. Wir haben vielleicht noch so etwas wie die Legende der Gottschlächter, aber diese Legende macht den Hungrigen nicht satt, wärmt den Frierenden nicht und gibt dem Flüchtling keine neue Heimat. Wir sind in den Augen vieler Völker nur noch die Kriegstreiber. Mehr nicht.“

    Sie runzelte die Stirn. „Was schlagen sie vor?“ „Überspitzt ausgedrückt: Eine Imagekampagne. Mein Hilfsprogramm, das der Rat nur so widerwillig bezuschusst hat, ist im Grunde genommen nichts anderes. Es läuft darauf hinaus, dass wir dasselbe tun, was Systemlord Dumuzi uns so erfolgreich vormacht.“ Er bedeutete Jacob diesen Aspekt genauer auszuführen. „Dumuzi“, begann der Tok’ra daraufhin, „regiert im Moment das größte Vielvölkerreich, dass diese Galaxie jemals gesehen hat. Er vereint vormalige Untertanen von fünf anderen Goa’uld, davon zwei im Rang eines Systemlords, unter seiner Herrschaft. Dabei hat sein Reich einige Schwächen. Er hat im letzten Jahr praktisch jede offene Konfrontation mit Streitkräften der EU verloren. Fast ein drittel seiner stehenden Streitkräfte wurde dabei zerstört. Viele Welten des Reiches leiden noch Mangel an wichtigen Versorgungsgütern, weil es einfach nicht genug Schiffe gibt, um den nötigen Handel aufrecht zu erhalten. Es geht soweit, dass er teilweise Kriegsschiffe für Getreidetransporte nutzen muss. Außerdem ist alles sehr stark auf seine Person ausgerichtet. Er hält die verschiedenen Volksgruppen in politischer Konkurrenz zueinander, damit keine zu mächtig wird. Und es wird nicht nur mit Worten gefochten. Ich war drei Jahre als Spion in seinem Palast und kann sagen, dass wer dort genug davon hat nach Glassplittern in seinem Essen zu suchen genug vom Leben hat. Aber trotzdem expandiert sein Reich um geschätzte fünf bis sieben Planeten pro Quartal. Planeten, von denen die meisten sich ihm wohlgemerkt freiwillig anschließen.“

    Dieses Mal war der Hochkommissarin die Überraschung offen anzusehen. „Einem Goa’uld?“ „Ja. Weil er der Einzige ist, der einen wirklichen Ausweg aus der seit zwanzig Jahren anhaltenden Spirale des Krieges und der Not verspricht. Er bietet ganz banale Dinge, wie Nahrungsmittel, Wasser und Sicherheit vor den Kriegsherren, aber vor allem Hoffnung. Er führt mit der halben Galaxie krieg, treibt hunderttausende Kriegsgefangene und innere Gegner in die Zwangsarbeit und herrscht autoritär, aber solche Feinheiten interessieren einen halb verhungerten nicht, wenn man ihm eine kleine Schüssel Getreidebrei unter die Nase hält.“ „Glauben sie, dass er zu besiegen ist?“ Er schüttelte den Kopf. „Nicht mit einem klassischen Angriffskrieg. Sein Reich ist mehr ein Metaimperium. Ressourcen, Truppen, Verwalter, das alles ist ständig in Bewegung. Anders könnte er so viele Welten gar nicht abdecken. Aber dadurch ist er auch schwer zu fassen. Man könnte sagen, dass er einen sehr quecksilbrigen Charakter hat.“ „Aber wenn es so weitergeht“, fügte Fayolle hinzu, „ist er in spätestens zwanzig Jahren so mächtig, dass wir ihn unter Annahme konstanten Wachstums auf unserer Seite auch unter Aufbietung buchstäblich aller Ressourcen nicht mehr werden besiegen können.“

    Für einen Moment schwiegen sowohl die beiden Offiziere, als auch der Tok’Ra, um der Hochkommissarin eine Gelegenheit zu geben tatsächlich zu realisieren, was ihr gerade eröffnet wurde. Dann ergriff sie wieder das Wort: „Sie erwähnten einen möglichen Ausweg für uns, General Maybourne.“ „Ja, in der Tat. Die Tok’Ra und die Flottenaufklärung schätzen, dass es im Moment über drei Milliarden Kriegsflüchtlinge in der Milchstraße gibt. Wenn wir diesen Leuten ein neues Zuhause bieten, können wir ein deutlich sichtbares Zeichen setzen. Ich weis, dass so etwas die Ressourcen der EU übersteigt, aber mit starken Verbündeten können wir es schaffen.“ Er zog einige Dokumente aus seiner Aktenmappe und reichte sie ihr. „Diese Papiere skizzieren den Entwurf für ein multilaterales Bündnis mit verschiedenen anderen Welten. Einerseits ist es ein gegenseitiges Verteidigungsbündnis, andererseits ist es eine Übereinkunft Ressourcen zu stellen, die es Flüchtlingen erlauben würden Welten in unserem Einflussbereich zu erschließen. Die Bündnispartner würden grundlegende Ressourcen, wie Saatgut oder Arbeitsmaschinen zur Verfügung stellen und darüber hinaus militärischen Schutz bieten.“ Sie las sich die Schriftstücke rasch durch, dann fragte sie: „Was glauben die Tok’Ra: Könnte man auf diese Art wirklich ein Gegengewicht zu Dumuzi schaffen?“

    Jacob schloss kurz die Augen und verharrte für einen Moment bewegungslos, um dann mit der tiefen Stimme Selmaks zu sagen: „Das hängt davon ab, ob die Partner eines solchen Bündnisses willens wären wirklich etwas zu bewegen. Mit symbolischen Gesten kommt man hier nicht weit. Aber die Chancen stehen gut. Der hohe Rat hat bei der Ausarbeitung dieses Vorschlages mitgeholfen und sieht darin die beste mögliche Option.“ Sie nickte. „Haben sie schon potentielle Verbündete ins Auge gefasst? Beim letzten Mal haben sie sich mit der Wahl ihrer Alliierten diplomatisch die Finger verbrannt.“ Harry schmunzelte mit einiger Frustration in den Augen. „Beim letzten Mal sind wir ausschließlich nach dem Kriterium militärischer Stärke gegangen und haben dabei ignoriert, dass wir uns mit Sklaventreibern und Diktatoren eingelassen haben. Aber dieses Mal würden wir uns vor allem an unsere alten Handelspartner halten. Langara, Euronda, die Thollaner, die Serakin, Skolotai. Und wir denken auch darüber nach den Senat mit einzubinden.“ Sie zog die Augenbrauen hoch. „Sind das nicht Waffenhändler?“ „Sie waren es einmal. Aber mittlerweile kann man sie nicht mehr darauf reduzieren. Sie haben notgedrungen die Rolle einer Art Regierung für gut drei Dutzend Welten übernommen.“ „Also gut. Ihr Plan ist eine Überlegung Wert. Ich werde ihn ins Parlament einbringen. Drücken sie mir die Daumen.“


    Kelowna, 22.12.2035:

    Eine Woche lang hatte das Parlament in geschlossenen Sitzungen um eine Entscheidung über die Zukunft des Sternentorprogramms gerungen. Am Ende hatte es eine denkbar knappe Mehrheit für den ‚Maybourne-Plan’, wie die Idee eines dauerhaften Bündnisses mit fremden Welten mittlerweile genannt wurde, gegeben. Da eben jener Namensgeber und die Hochkommissarin sich aber darüber im klaren waren, dass in dieser Sache schnelles Handeln geboten war, hatten sie den Parlamentsbeschluss gar nicht erst abgewartet, sondern bereits zwei Tage nach ihrer Besprechung die Kanäle der Geheimdiplomatie bemüht, um die Haltung potentieller Bündnispartner zu dieser Idee auszuloten. So war es in kurzer Zeit möglich gewesen ein Treffen auszuhandeln, in dem nun die Diplomaten die ersten konkreten Absichtserklärungen aushandeln sollten, auf denen der Bündnisvertrag aufbauen sollte, das auf dem Planeten Langara statt fand.

    Die Wahl war bewusst auf Langara gefallen, das zwar seine Unabhängigkeit zu behaupten vermochte, darüber hinaus aber nur wenig würde leisten können. Man hatte auf diese Art Zweifel zerstreuen wollen, die EU suche nur unilateral nach einem Werkzeug zur Durchsetzung der eigenen Interessen. Nicole kamen allerdings Zweifel an dieser Strategie, als sie ihren Blick vom Vorplatz des Gebäudekomplexes, in dem das Treffen stattfinden sollte, über die Stadt schweifen ließ. Das Gebäude lag am Hang eines niedrigen Gebirgszuges, an dem die Stadt lag. Mit seinem weiten steinernen Vorplatz und der wuchtigen Architektur rief es Erinnerungen an den Völkerbundpalast in Genf wach, wäre es nicht in der typischen Backsteinbauweise der Hauptstadt Kelownas errichtet worden. Aber neben einigen Hochhäusern, die vereinzelt als Monumente einer gar nicht mal so fernen Vergangenheit aus dem Häusermeer vor ihr aufragten, gab es nicht viele alte Gebäude in der Stadt. Überall sah man die Folgen des Weltkrieges, der diese Welt gebeutelt hatte.

    Kurz vor der Zerstörung der Sternentore war der kalte Krieg zwischen Kelowna, Tirania und Andaria, den drei Supermächten Langaras, zu einem heißen geworden, als Streitkräfte Kelownas in einem Präventivschlag die Grenzen zu den Nachbarn überquert hatten, die sich gegen ihren alten Rivalen verbündet hatten. Der massive Erstschlag hatte Kelowna aus einer verzweifelten strategischen Lage befreit, zugleich aber einen Krieg ausgelöst, der zwanzig Jahre hatte dauern sollen. Kelowna hatte gewonnen, hatte den Feind gedemütigt. Aber fast die Hälfte von Langaras Bevölkerung war dem Schlachten zum Opfer gefallen. Jetzt bemühte man sich seit gut zehn Jahren um einen Wiederaufbau, doch ein Blick über die abendliche Stadt zeigte, dass ganze Viertel wie leer gefegt waren und an vielen Stellen noch Kriegsschäden zu sehen waren. Bei allem Naquadria, das diese Welt zu bieten hatte und das hinter vorgehaltener Hand als der einzige Grund genannt wurde, warum Langara überhaupt in das Vorhaben mit einbezogen wurde… Nein, sie konnte sich nicht vorstellen, dass diese Nation – es trat lediglich Kelowna bei, nicht etwa die ganze Welt – ein verlässlicher Partner sein konnte.

    Doch immerhin machten die anderen Bündnispartner Hoffnung. Die Serakin hatten beispielsweise ihren Einflussbereich seit dem Fall der Systemlords deutlich erweitern können. Die ebenfalls eingebundenen Thollaner waren das wahrscheinlich fortschrittlichste der beteiligten Völker. Die Eurondaner hatten als dritte im Bunde in den Jahrzehnten seit ein ST-Team unter Oberst Vaselov ihren Weltkrieg beendet hatte, viel im Wiederaufbau erreicht und besaßen ein starkes, technologisch hochgerüstetes Militär. Skolotai war eine aufstrebende Welt, die ehrgeizige Bemühungen zur Kolonisation begonnen hatte. Dann noch die Tok’Ra und zu guter letzt der Senat. Nicole konnte nicht behaupten sich dabei mit diesem intriganten Pack zusammenarbeiten zu müssen wohl zu fühlen, doch niemand sonst besaß ein vergleichbares Netzwerk an Beziehungen und Agenten in der Milchstraße. Nicht einmal die Tok’Ra.

    Sie seufzte und warf einen raschen Blick auf die Datumsanzeige ihrer Armbanduhr, die auf mitteleuropäische Zeit synchronisiert war. Der 22te. Und in zwei Tagen das vierte beschissene Weihnachtsfest in Folge irgendwo viel zu weit weg von Zuhause. Momente wie dieser erfüllten sie mit gepflegtem Hass auf das Schicksal im Allgemeinen und ihre eigene Situation im Speziellen. Sie hob ihren Blick wieder und sah sich auf dem Vorplatz um. Eine Kompanie europäischer Soldaten war als Ehrenwache für die Diplomaten angetreten, während eine zweite eine Sicherheitszone von zwei Kilometern um das Zentralgebäude herum sicherte. Eigentlich hatten die Kelownaner selbst für die Sicherheit sorgen wollen, hatten aber eingestehen müssen, dass das STK dazu besser in der Lage war, nicht zuletzt weil die Erde nach dem Goa’uld-Krieg einen technologischen Entwicklungssprung von gut zweihundert Jahren gemacht hatte, während Kelownas Stand am ehesten dem der späten achtziger Jahre in Nordamerika entsprach. Trotzdem hatten sie es sich nicht nehmen lassen tausend Soldaten in weitem Umkreis aufmarschieren zu lassen und viele Straßen mit Panzern abzusichern, während über zwanzigtausend Polizisten in der Stadt bereit standen. Angesichts dieser Sicherheitsvorkehrungen war es nur schwer vorstellbar, dass den Diplomaten irgendeine Gefahr drohte. Doch dieser Tag sollte ihre Vorstellungskraft lügen strafen.
    Die Freiheit des Bürgers heißt Verantwortung.

    (Joachim Gauck)


    "You may belong to any religion[...] - that has nothing to do with the buisness of the state. We are starting with this fundamental principle, that we are all citizens and equal members of one state." (Sir Mohammed Ali Jinnah)

    Meine FF:

    Laufend: 2036 - A Union at War

    Abgeschlossen: 2034 - Das neue Sternentor

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    Nach einigen Minuten erhielt sie einen Funkspruch von einer Einheit, die die letzte Straßensperre vor dem Kongresszentrum besetzt hielt. Offenbar gab es Probleme mit einigen Journalisten, die hartnäckig auf Zutritt zum Sicherheitsbereich bestanden. Nicole kannte den Leutnant, der den Kontrollposten beaufsichtigte und wusste, dass er eine ziemlich kurze Zündschnur hatte. Also beschloss sie sich der Sache selbst anzunehmen, bevor er einen diplomatischen Fauxpas verursachte und heimische Journalisten festnahm. Sie signalisierte Guv, der einige Meter von ihr entfernt gestanden hatte, ihr zu folgen und setzte sich in einen bereit stehenden Fennek. Der Engländer übernahm das Steuer und lenkte den Spähwagen die Serpentinen hinunter in Richtung des Kontrollpunktes. Dort angekommen sah Nicole die Soldaten hinter einer Absperrung aus schweren Betonpollern stehen, zwischen denen eine Kette gespannt war. Ein an seinen Rangabzeichen als Dolmetscher zu erkennender Unteroffizier war als einziger hinter die Kette getreten und redete mit drei in Zivil gekleideten Einheimischen, die sich gestenreich darüber echauffierten, nicht eingelassen zu werden.

    Sie stieg aus und ging bis zur Sperre vor. Als der Leutnant sie bemerkte, salutierte er. „Frau Major.“ „Leutnant. Wie ist die Lage?“ „Die drei dort wollen unbedingt durchgelassen werden. Wir haben uns ihre Presseausweise zeigen lassen und den Wagen gescannt. Soweit alles Sauber. Aber jetzt weigern sie sich beharrlich wieder umzudrehen. Feldwebel Constantinescu redet sich schon seit sechs Minuten den Mund fusselig, aber sie scheinen kein Wort zu verstehen. Wie übrigens auch die Computer.“ Nicole nickte. Sie wusste nach drei Tagen in dieser Stadt, dass der hiesige Dialekt einige der breiigsten H-Laute enthielt, die sie je gehört hatte und unnötig komplizierte Floskeln wie dreifache Verneinungen enthielt, mit denen die auf akademische kelownanische Hochsprache programmierten Übersetzungsgeräte nichts klar kamen. Wobei man annehmen sollte, dass gerade ein Journalist sauber sprechen konnte. Sie trat vor, stieg über die Kette und richtete das Wort an die Männer. In möglichst einfachen Worten und mit deutlichen Gesten versuchte sie ihnen klar zu machen, dass sie zu verschwinden hatten. Das darauf entbrennende Wortgefecht dauerte gut eine Minute, dann bemerkte sie einen anderen Wagen, der die Serpentinen hinauf kam. Es war eine gepanzerte Limousine mit den Staatsfahnen Kelownas auf der Motorhaube. Davor und dahinter fuhren mehrere Wagen der Polizei. Der Präsident persönlich gab sich die Ehre. Nicole drehte sich zum Leutnant um und befahl ihm die Straße frei zu geben und anschließend, wenn nötig mit vorgehaltener Waffe, die Zivilisten zu entfernen. Das rettete ihr das Leben.

    Als die Fahrzeugkolonne des Präsidenten vor der Sperre zum stehen kam, explodierte der Wagen der Journalisten auf einmal in einem spektakulären Feuerball. Wrackteile flogen als tödliche Schrapnelle in alle Richtungen davon und Nicole wurde wie von einer unsichtbaren Faust gepackt gegen die Poller geschleudert. Mehrere Splitter der Explosion trafen sie im Rücken, blieben aber in ihrer Panzerung stecken. Beim Aufprall durchzuckte ein heftiger Schmerz ihre Glieder und sie hatte das Gefühl, dass ihr einige Rippen brachen. Trotzdem war sie noch am Leben. Sie rutschte vom Poller herunter zu Boden, wo sie erst einige Male schwer durchatmete und danach nach ihrem Gewehr tastete, dass gut einen Meter entfernt lag. Sie richtete sich mit dem Oberkörper wieder auf und sah sich um. Die Explosion hatte zwei der Polizeifahrzeuge zerstört. Aus einem drangen aber noch Schreie, was zeigte, dass einer der Beamten noch am Leben war. Der Präsidentenwagen allerdings war kaum angekratzt. Nur der Dolmetscher war in die Tür der Rückbank hinein gedrückt worden, wo er nun wie festgenagelt in sehr unnatürlicher Haltung eine Hand breit über dem Boden hing. Nicole sah blinzelnd genauer hin und erkannte, dass eine verbogene Metallplatte, die ihn beinahe entzwei gespalten hätte, ihm im Unterleib steckte. Die Platte musste aus dem völlig zerstörten Fahrzeug der Journalisten herausgeschossen worden sein. Und es war wohl kaum ein Zufall gewesen, dass besagter Wagen so abgestellt worden war, dass der Fond des Präsidentenwagens auf Höhe seiner Rückbank hatte halten müssen. Wäre der Soldat nicht im Weg gewesen und hätte mit seinem Körper die Wucht auf eine größere Fläche verteilt, hätte die Platte die gepanzerte Tür wohl glatt durchschlagen…

    Hinter ihr hatten die anderen Soldaten sich wieder aufgerappelt. Dank ihrer Rüstungen waren auch sie glimpflich davon gekommen. Ein Sanitäter hatte sich die Notfallausrüstung aus dem Fennek geschnappt und rannte nun zu dem verletzten Polizisten, während zwei andere Soldaten ihren toten Kameraden aus der halb eingedrückten Tür heraus zogen und ein vierter mit dem Fennek das Wrack des vorderen Polizeiwagens von der Straße schob, so dass der Staatsmann in der Limousine sofort in Sicherheit gebracht werden konnte. Unterdessen kam Guv zu Nicole gelaufen und fragte: „Are you all right, Major?“ „I’m fine. What the hell just happened? And how cloud it happen?“ Der Engländer schien für einen Moment nachzudenken, dann ging er zu den Überresten des gesprengten Wagens. Er durchsuchte sie, nahm dann seinen Helm ab, befeuchtete den rechten Zeigefinger und nahm etwas vom weißen, pulvrigen Rückstand auf, der im Wrack klebte. Er leckte kurz daran, spuckte dann aus und meinte: „Assasination attempt. Know such things from Belfast. You put some explosives together and put them that way in a car, that the power of the burst folds a metal plate and shoots it towards the target.“

    Sie sah in Richtung des Leutnants und fragte: „Ich dachte sie hätten den Wagen gescannt?“. „Home made explosives“, warf Guv ein, der die Frage gehört hatte. „Made of free available detergents and kitchen chemicals. A few of them do not appear on our sensors.“ Sie fluchte und versuchte aufzustehen, klappte dabei aber wieder zusammen. Der Leutnant war mit einem Schritt bei ihr und stützte sie, während sie zum Fennek ging. „Ich will sofort mit Leutnant Doorman sprechen.“ Der reichlich unglücklich wirkende Leutnant setzte sie auf einen der Sitze des Spähwagens und eilte dann mit einem „Jawohl“ davon, um den anderen Offizier beizutreiben. Es dauerte einige Minuten, bis die beiden zurückkehrten. Leutnant Doorman, dessen Einheit, eine spezialisierte Pionierkompanie, für die eingesetzte Sensortechnik zuständig war, trat sofort vor Nicole und salutierte. „Sie wünschen, Frau Major?“ Sie sah ihn für einen Moment schweigend an, felsenfest davon überzeugt, dass er sich absichtlich dumm stellte. Dann antwortete sie: „Eine selten stupide Frage. Ich will wissen, wie ein Wagen voller Sprengstoff ihren Sensoren entgehen konnte.“

    Der niederländische Offizier warf einen Blick in Richtung des Wagens. Dann trat er an das verkohlte Wrack heran, machte einen Abstrich der Sprengstoffrückstände auf einem Teststreifen und steckte diesen in ein tragbares Analysegerät. Es dauerte einen kurzen Moment, dann piepte selbiges und er sagte: „Flüssigsprengstoff aus Wasserstoffperoxid. Aber…“ „Was?“ „Ah, nichts. Das Zeug ist nur etwas seltsam. Aber ich schätze das hat was mit den verfügbaren Reagenzien zu tun.“ „Und was macht es seltsam?“ „Die Ausdünstungen werden von den Handgeräten nicht als Gefahrenstoffe erkannt.“ „Haben sie Sensoren, die das können?“ Doorman nickte. „Aber dafür bräuchte ich das schwere Material.“ „Und?“ „Die Kelownaner haben uns untersagt die volle Sensorausrüstung zum Einsatz zu bringen. Die Emissionen stören angeblich ihre Funkkommunikation.“ „Glauben sie das auch?“ Er schüttelte den Kopf. „Totaler Unsinn. Alle unsere EM-Scanner arbeiten auf Frequenzbändern, die hier niemand anderes benutzt.“ Nicole schwieg für einen Moment, dachte nach. Dann meinte sie: „Die Sicherheit der Konferenz hat Vorrang. Können sie ihr großes Spielzeug einsetzen, ohne mit auffälligen Empfangsschüsseln oder Antennen zu hantieren?“ „Jederzeit.“ „Gut. Dann her mit dem Zeug. Ordern sie eine zusätzliche Kompanie Infanterie, um die Sache zu tarnen. Ich muss mich dann jetzt den Fragen unserer Gastgeber stellen.“

    Mehrere Stunden später:

    Gut eine Stunde nach Mitternacht, auf der Erde war schon ein neuer Tag angebrochen, fuhren Lastkraftwagen mit einhundert zusätzlichen Soldaten und zwei Transportpanzer auf dem Vorplatz des Konferenzzentrums vor. Die Soldaten sprangen sofort von den Fahrzeugen ab und nahmen in geordneten Reihen aufstellen. Nicole hatte zu fraglichem Zeitpunkt schon seit knapp zwei Stunden auf sie gewartet und schritt die Reihen nun noch einmal mit strengem Blick ab, bevor sie brüllte: „Soldaten, äußeren Parameter der Sicherheitszone verstärken!“ Die Männer setzten sich in Bewegung. Dabei bemerkte sie, dass an einem Wagen noch einige Soldaten noch mit dem Aussteigen beschäftigt waren. Als sie sah, dass diese Männer Hunde dabei hatten, musste sie schmunzeln. Doorman war ein gerissener Kerl. Sie hatte ihm noch bescheid gesagt, dass sie den Offizieren des kelownanischen Sicherheitsdienstes, die sie sehr nonchalant zu dem Vorfall an der Straßensperre befragt hatten, gesagt hatte, sie wolle bessere Sensoren schicken lassen. Die Kelownaner hatten sie daraufhin sehr misstrauisch beäugt und ihr die gleiche Geschichte aufgetischt, wie den Sensortechnikern. Doch die Hunde… Ja, zweifelsohne die besten Sprengstoffdetektoren der Welt und zugleich ungewöhnlich genug, um abzulenken. Während die Hundeführer noch mit ihren Vierbeinern beschäftigt waren, ging Nicole zu einem der Transportpanzer, an dessen offener Heckluke Doorman stand, und fragte ihn: „Und, haben sie alles?“ Er deutete mit einem Lächeln in das Fahrzeug hinein. Äußerlich nicht von einem einfachen Schützenpanzer zu unterscheiden transportierte es das Äquivalent der Sensorausrüstung eines orbitalen Zollschiffes. „Gut“, meinte sie, „bringen sie alles in Position und behalten sie alles im Umkreis von zehn Kilometern im Auge.“

    Die Techniker machten sich sofort an die Arbeit. Sie platzierten eines der Fahrzeuge am Fuß der Serpentinen, das andere auf einer Terrasse des Konferenzgebäudes, und richteten die Sensoren aus. Während sie damit beschäftigt waren, trat auf einmal eine junge Frau aus Richtung des Gebäudes an sie heran. Sie war nicht größer als 1,65m, wirkte recht zierlich und durfte kaum älter als siebzehn sein. Sie trug Kleidung, die sie als Begleiterin der Senatsdelegation verriet. „Frau Major“, sagte sie in brüchigem, aber grammatisch sauberem deutsch, „ich bitte sie mir zu folgen. Senator Lions möchte sie dringend sprechen.“ Nicole musterte sie für einen Moment abschätzig, zuckte dann aber mit den Schultern und antwortete: „Geh voran.“ Sie konnte sich zwar beim besten Willen nicht vorstellen, was der Senator so wichtiges zu sagen hatte, aber es war im Zweifel besser ihn nicht vor den Kopf zu stoßen.

    Die junge Frau führte sie in den Westflügel des Gebäudes, in dem Dutzende Büros an langen Korridoren aneinandergereiht lagen. Dabei steuerte sie zielstrebig auf ein größeres Büro im dritten Stock zu, an dessen Tür man ein Schild aufgehängt hatte, auf dem die Worte ‚Delegation der Senatswelten’ in den Sprachen aller beteiligten der Konferenz eingeprägt waren. In den dahinter liegenden Räumen war das erste, was Nicole auffiel, Tabakqualm, der in dicken Schwaden unter der Decke hing. Am der Tür gegenüber liegenden Fenster stand ein kleiner, untersetzter Mann, dessen weißes Haar bis auf einen Kranz um den Hinterkopf schon völlig ausgefallen war. Er hatte eine qualmende Zigarre in der rechten Hand und blickte auf die Lichter der Hauptstadt hinaus. „Senator“, sagte die junge Frau, „Major Degenhardt ist eingetroffen.“ „Danke, Fabiola.“ Er drehte sich um und musterte Nicole kurz. „Willkommen, Major.“ „Senator. Sie wollten mich sprechen.“ „In der tat.“ Er verließ seinen einsamen Wachposten am Fenster und begann auf dem dicken Teppich, der in der Mitte des Raumes lag, auf und ab zu gehen, wie er es die letzten Stunden schon getan zu haben schien, waren auf diesem doch deutlich Reste verbranntem Tabaks zu erkennen. Um einen Aschenbecher schien der Senator sich nicht bemüht zu haben. „Frau Major“, begann er schließlich sein Anliegen vorzutragen, „ich will ihnen die Mühe ersparen die Wünsche unserer Gastgeber zu missachten.“ „Wie meinen sie das?“ „Ich meine, dass ich ihnen sagen kann, wie sie die Täter des Anschlages finden können.“

    Für einen Moment war Nicole zu überrascht, um etwas zu erwidern. Die Kelownaner hatten bisher nichts anderes in dieser Sache unternommen, als wilde Spekulationen über militante Sekten von Goa’uld-Anbetern anzustellen, die das Treffen stören wollten und den Europäern schlampige Sicherheitsmaßnahmen vorzuwerfen. Sie schienen vielmehr blind um sich zu schlagen, als tatsächlich eine Spur zu verfolgen. Wie konnte der Senator dann etwas wissen? Wilde Ideen davon er selbst könne zu den Drahtziehern gehören nahmen, befeuert von den Stereotypen über den Senat, die im STK verbreitet waren, in ihrem Geist gestalt an. Schließlich brachte sie nur ein leises „Was?“ über die Lippen. Lions nahm noch einen tiefen Zug von seiner Zigarre, dann erklärte er: „Wir haben… tiefer greifende Einblicke in die Situation auf dieser Welt. Und ich wage zu behaupten, dass wir die Täter identifiziert haben.“ „Und wie das?“ Er lächelte. „Der Senat handelt nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Informationen. Es ist unsere Aufgabe über solche Dinge im Bilde zu sein.“

    Sie schwieg ihn mit viel sagendem Blick an, so dass er nachlegte: „Also gut, es war grundsolide Ermittlungsarbeit. Von ihren Leuten erfuhren wir, dass der benutzte Sprengstoff auf Basis von Wasserstoffperoxid gemischt wurde und die Bombe sehr professionell installiert worden war. Außerdem konnten wir ermitteln, dass die Fahrer des Bombentransporters tatsächlich Journalisten ohne irgendeine kriminelle Vergangenheit waren. Sie sind nur benutzt worden, während die Täter die Bombe aus sicherer Entfernung gezündet haben. Das war nicht das Werk von Goa’uld-Fanatikern. Dafür ist es viel zu ausgeklügelt. Wir haben also nach anderen Gruppen gesucht, die die nötige Qualifikation für eine solche Operation besitzen und sich vor kurzem mit Sprengstoff eingedeckt haben. Nun verfügt diese Welt bereits über ein einfaches Informationsnetzwerk. Wir haben dort Recherchiert und sind auf vermehrte Einkäufe kleiner Mengen von Wasserstoffperoxid in den letzten Tagen gestoßen. Alle liefen über Personen, die diesem Mann nahe standen.“ Er ging zu einem im Raum stehenden Tisch und nahm einige Unterlagen aus der darauf liegenden Aktenmappe. Eines der Papiere reichte er Nicole. Es zeigte das Bild eines Mannes mit Allerweltsgesicht, der jedoch eine auffällige Narbe auf der rechten Gesichtshälfte trug. „Dieser Mann gehört zum Sympathisantenkreis eines gewissen Deros Kota, ehemaliger Oberst der Marineinfanterie von Andaria.“

    „Andaria?“, fragte sie überrascht. Der Senator bestätigte: „Allerdings. Sind sie mit der jüngeren Geschichte dieser Welt vertraut?“ „Ich weis, dass sie einem Weltkrieg geführt haben. Aber ich keine Details.“ „Hm. Aber in diesen Details liegt hier der Schlüssel. Kelowna hat seinen Gegnern bei Kriegsende sehr harte Kapitulationsbedingungen diktiert. Sie mussten Land abtreten, Kunstschätze und Industrie wurden geplündert und das Militär beider Mächte wurde auf im Grunde genommen rein symbolische Größe zusammengeschmolzen. Aber nicht jeder ist bereit in einem solchen Krieg einfach so aufzugeben. Und Kota ist einer von jenen Menschen.“ „Und sie glauben, dass er dahinter steckt?“ „Oh, ich bin mir sogar absolut sicher. Weil unsere Gastgeber dasselbe glauben. Wir haben eine Meldung abgehört, dass in der ganzen Stadt nach ihm gefahndet werden soll.“ „Warum erzählen sie dann etwas von Sektierern?“ „Weil für die Regierung dieses Landes der Krieg offiziell seit zehn Jahren vorbei ist. Einzugestehen, dass es Leute wie Kota gibt, würde bedeuten zuzugeben, dass der Sieg nicht so absolut war, wie man behauptet.“

    Nicole nickte. „Und warum zeigen sie mir das?“ „Weil ich nicht will, dass sie die Stadt scannen.“ „Warum?“ „Major, es gibt Fragen, die besser unbeantwortet bleiben. Tatsache ist, dass alles auf Kota als Täter hindeutet. Seine Motive brauchen dabei nicht zu interessieren. Wenn sie schnell handeln können sie ihn zu fassen bekommen. Der Mann, der ihm die Reagenzien für den Sprengstoff besorgt hat, kann sie zu ihm führen. Aber sie müssen schnell sein. Die Sicherheitskräfte werden in wenigen Stunden ein Kesseltreiben durch ganze Stadtviertel nach ihm beginnen. Und dann wird er abtauchen, wie er es schon so oft getan hat, wenn sie glaubten ihn zu haben.“ „Sie setzen mich auf ihn an, wollen mir aber nicht sagen, was Sache ist?“ „Ich habe ihnen alles gesagt, was nötig ist.“ „Warum?“, fragte sie in deutlich schärferem Tonfall, als vielleicht angebracht gewesen wäre. „Ich habe bei dieser Explosion einen Mann verloren und will wissen, wofür er gestorben ist.“ Lions sah sie nur mit unbewegter Miene an, sagte nicht, so dass sie ihn anfuhr: „Verdammt, sie wollen ein Bündnis mit uns eingehen. Denken sie auf diese Weise können wir wirklich vertrauen zu ihnen aufbauen?“

    „Sie verkennen einen wichtigen Punkt“, antwortete er. „Noch sind keine Verträge unterzeichnet worden. Noch agiere ich nicht als Bündnispartner ihrer Union, sondern als Mitglied des Senats. Und als Senator bin ich Grundsätzen verpflichtet. Und dazu gehört, dass wir Händler sind, uns nicht einmischen. Wir verkaufen Waffen, Informationen, Ressourcen, aber wir gefährden von uns aus niemals die Balance.“ Er trat direkt vor sie. Obwohl er nicht viel größer war als sie, hatte er eine dominierende Präsenz, die sie sofort in die Defensive zwang. „Also, Major: Ich bin Senator. Ich greife nicht in das System an sich ein, sondern handele auf meine eigene Weise. Und sie werden mir Vollstreckungshilfe leisten.“ „Warum sollte ich?“ „Ganz einfach: Sie wollen, dass ich am Ende dieser Konferenz die Absichtserklärung unterstütze, auf die ihre Dienstherrin drängt.“ Für einen Moment starrte sie ihn wütend an. Ihre Hände ballten sich dabei zu Fäusten. Dann meinte sie nur: „Wo finde ich diesen Sympathisanten?“ „In einem der Flüchtlingsviertel. Fabiola wird sie hinführen.“

    Anderthalb Stunden später, ein anderes Stadtviertel:

    Kurz vor drei Uhr morgens betrat Nicole eine Kneipe in einem alten Arbeiterwohnviertel. Es war eine schäbige Spelunke, dreckig und nur schummrig ausgeleuchtet, die in jeder Hinsicht ein Spiegel der Gegend war, in der sie angesiedelt war. Am Ende des Krieges waren hunderttausende Menschen auf der Flucht gewesen. Sie hatten den verwüsteten Landstrichen entlang der Grenzen zwischen den drei verfeindeten Mächten verlassen und waren in die Hauptstadt gekommen. Hier hatten sie zerbombte Arbeiterviertel besetzt, die Steine aus den Trümmern abgeklopft die Häuser wieder aufgebaut. Nichts davon geschah mit offizieller Erlaubnis und anfangs wurden die Flüchtlinge auch immer wieder vertrieben, aber mit der Zeit arrangierte man sich mit ihnen, denn sie waren wertvolle Arbeitskräfte, die für den Wiederaufbau der Industrie gebraucht wurden. Mittlerweile wurden sie geduldet, doch sie standen immer noch auf der untersten Stufe der Gesellschaft, während die, die weiter oben standen, immer wieder kräftig nach unten traten, um sie klein zu halten. So war dieses Stadtviertel nicht weniger als ein Sumpf voller Argwohn gegenüber allen Außenstehenden.

    So richteten sich sofort zahlreiche Blicke auf Nicole und Fabiola, als sie den Schankraum betraten. Nicole hatte um nicht sofort als irdische Soldatin erkannt zu werden ihren Uniformmantel angezogen, den sie zuvor umgekrempelt hatte, so dass alle Rangabzeichen nun innen saßen. Aber erwartungsgemäß erzielte diese fadenscheinige Maskerade keine besondere Wirkung. Allerdings zog Fabiola deutlich mehr Blicke auf sich. Die junge Frau hätte nicht mehr auffallen können. Im Versuch sich unauffällig zu kleiden hatte sie sich einen Dress zugelegt, der einer klischeehaften Unterhaltungssendung eines zweitklassigen heimischen Fernsehsenders entsprungen schien. Es erinnerte entfernt an die Mode der Achtziger, war jedoch mit Elementen militärischer Uniformen durchsetzt. Und vielleicht hätte es ja sogar funktioniert, hätte sie nicht darauf bestanden weiter ihre feine Seidenbluse mit den Rüschenärmeln zu tragen und auf die Hochsteckfrisur verzichtet. Doch so ernteten sie nichts anderes, als misstrauische Blicke.

    Sie gingen auf die Bar zu, wo der Mann, hinter dem sie her waren, tatsächlich in aller Seelenruhe stand und ein Bier trank. Sein Gesicht hatte schon leicht rötliche Farbe angenommen. Er schien angetrunken. Nicole bedeutete Fabiola sich im Hintergrund zu halten und stellte sich neben dem Kerl an die Theke. Nach einigen Augenblicken reagierte er und fragte: „Was willste?“ „Nicht viel. Nur eine Wegbeschreibung.“ Er lachte. Der Laut wurde halb von dem Glas erstickt, das er sich wieder an die Lippen setzte. Nach einem großzügigen schluck sagte er: „Verpiss dich. Mit Leuten wie dir habe ich nichts zu reden.“ „Das sehe ich anders. Ich will den Aufenthaltsort von Deros Kota.“ Der Mann begann schallend zu lachen. Sein Bieratem wehte Nicole dabei ins Gesicht. „Das passiert doch nicht wirklich, oder? Glaubt von mir was zu hören zu bekommen.“ Es dauerte etwas, bis er sich wieder einkriegte und sagte: „Vergiss es, Tau’Ri-Schlampe. Geh und such dir jemand anders, dem du auf die Nerven gehen kannst.“ „Wohl kaum. Sie werden mir sagen, was ich wissen will.“

    Nicoles Tonfall schien ihn zu alarmieren, denn er hielt in seinem Besäufnis inne und starrte sie an. Gleichzeitig erhoben sich mehrere Männer an den anderen Tischen im Raum. Nicole hob abwehrend die Hände und sagte: „Immer mit der Ruhe. Ich bin nicht in offizieller Funktion hier. Ich will nur den Mann finden, der einen meiner Soldaten auf dem Gewissen hat.“ Der Sympathisant stellte sein Glas ab und drehte sich mit gefährlichem Blick in ihre Richtung. „Lassen sie uns das zivilisiert ausdiskutieren, Mann. Ich bin nicht für einen Kampf hier. Ich bin nicht mal bewaffnet.“ „Gut“, sagte er zur antwort, zog blitzschnell eine Pistole und schoss auf sie. Die Wucht des Treffers riss sie von den Füßen und ließ sie einen Meter durch den Raum fliegen, wo ihr Aufprall einen Stuhl zertrümmerte. Nun wandte er sich Fabiola zu, die immer noch mit trotziger Miene im Raum stand und in seine Richtung sah. Auch die anderen Männer gingen auf sie zu, kreisten sie ein. Mehrere von ihnen zogen Waffen. „Und wer bist du, Mädchen? Was macht eine wie du bei so einer Vettel von Tau’Ri?“ „Ich begleite sie als Beobachterin“, kam die Antwort. Die Männer lachten. „Als Beobachterin? Tja, dann hast du ja beobachtet, was mit ihr passiert ist. Keiner hier wird jemanden verraten.“

    Er starrte sie an, wartete auf eine Reaktion, die aber ausblieb. Schließlich packte einer der anderen Männer, ein hünenhafter Kerl mit Schultern wie ein Schrank, sie am Kragen und hob sie am ausgestreckten Arm hoch. „Zitter doch wenigstens“, raunte er ihr zu. „Sonst macht das doch gar keinen Spaß.“ Sie kniff nur die Augen ein wenig zusammen und murmelte: „Was für ein Planet. Je schneller ich hier wieder weg komme, desto besser.“ Mit diesen Worten nahm sie auf einmal Schwung und rammte dem Kerl rückwärts eine Verse in die Leisten. Dieser fiepte auf, ließ sie fallen und klappte zusammen. Gleichzeitig packte auf einmal jemand den Rädelsführer der Bande von hinten und hielt ihn an Kinn und Hinterkopf fest. „Für wie dämlich halten sie mich“, hörte er Nicole sagen. „Natürlich trage ich eine Rüstung.“ Sie riss ihn nach hinten, schleuderte ihn gegen die Theke und entriss ihm dabei seine Pistole, die sie mit einem Blick auf die anderen Männer sofort wieder auf ihn richtete. Mit scharfer Stimme sagte sie: „Hört zu: Wir nehmen ihn jetzt mit und ihr tut einfach so, als sei ich nicht da. Alles andere hätte sehr unangenehme Konsequenzen für euch.“

    Für einige Sekunden schienen die Männer ernsthaft darüber nachzudenken, ob sie sich von zwei Frauen, die selbst dem kleinsten unter ihnen gerade einmal bis zu den Schultern reichten, ins Bockshorn jagen lassen sollten, dann richtete einer von ihnen mit einem wütenden Laut seine Pistole auf Fabiola und schoss. Doch sie war nicht mehr da. Als er die Waffe auf sie gerichtet hatte war sie mit einem Satz zur Seite gesprungen und hatte ihre Arme nach oben gerichtet. Als sei diese Geste der Auslöser gewesen tauchten auf einmal zwei Objekte in ihren Händen auf, die aus den weiten Ärmeln ihrer Bluse heraus geschoben wurden. Sie klappten sich aus und Nicole, die praktisch gleichzeitig dem Schützen eine Kugel in den Kopf gejagt hatte, bemerkte, dass es Pistolen waren. Dann brach die Hölle los. Jeder bewaffnete Gast griff sie an, während alle anderen das Weite suchten. Fabiola lief sofort los und schoss aus der Bewegung heraus, zu keinem Zeitpunkt ein stationäres Ziel bietend. Nicoles Taktik war hingegen sehr viel einfacher. Auf ihre Panzerung vertrauend versuchte sie gar nicht erst auszuweichen, sondern schoss einfach drauf los. Dabei packte sie den Kerl für den sie gekommen waren, und schob ihn über die Bar, um dann selbst hinüber zu hechten. Nur einen Moment später landete Fabiola neben ihr.

    Sie pirschte geduckt ein paar Meter weiter und fragte über das Krachen der Schüsse hinweg: „Passiert ihnen so etwas öfter?“ Nicole brummelte: „Ganz normaler Arbeitstag.“ Sie griff in ihre rechte Manteltasche, die momentan mehr eine Innentasche war, trug sie den Mantel doch verkehrt herum, und zog ein Funkgerät heraus. Sie gab dem Rest des Teams das Signal schleunigstens her zu kommen. Während dessen erkannte sie im Augenwinkel, wie Fabiola sich für einen Moment aus der Deckung erhob und mehrmals beidhändig schoss. Das Feuer ihrer Angreifer wurde sofort schwächer. Die Kleine war gut, soviel stand fest. Sie selbst nestelte ein wenig am klemmenden Verschluss ihrer Beutewaffe herum. Als er mit einem Schnappen wieder in Ausgangsposition sprang, drückte auch sie sich wieder etwas in die Höhe und erledigte einen weiteren Gegner mit einem gezielten Schuss. Dann trat jemand mit voller Wucht von außen gegen die Tür. Holz splitterte und die Tür wurde geradezu aus ihren Angeln heraus gerissen. Im Türrahmen stand jemand, der sofort wieder in Deckung ging. Einen Lidschlag später flog eine Rauchgranate hindurch und nebelte den Schankraum völlig ein. Nicole und Fabiola gingen wieder in Deckung. Das krachen mehrerer gezielter Schüsse war zu hören. Nicole schmunzelte, als sie den Klang der Waffen erkannte. Sie stand auf und sah zu ihren Teammitgliedern, deren Silhouetten sich im Nebel abzeichneten. „Kein Moment zu spät, Oberleutnant“, meinte sie an Asena gewandt, der ein neckisches Schmunzeln aufblitzen ließ.

    Zwei Stunden später:

    Am Ende war hatte sich herausgestellt, dass der Kelownaner nichts anderes war, als ein zweitklassiger Maulheld. Es war gut möglich, dass er ein guter Waffenschieber war, aber sein Unvermögen einem verhör standzuhalten war erschreckend. Guv und Asena hatten nur zwei, drei Mal mit Nachdruck fragen müssen, wobei der Engländer ohne zu viel Effekthascherei ein wenig mit einem Messer herumgefuchtelt hatte. Danach war der Mann eingeknickt und die Worte waren nur noch aus ihm heraus gesprudelt. Sie hatten recht schnell eine Beschreibung des Verstecks der Terroristen und eine Einschätzung ihrer Mannschaftsstärke herausbekommen. Sie hatten sich schließlich von ihm dort hin führen lassen.

    Es war ein altes Industriegebäude in einem im Krieg aufgegebenen Stadtviertel. Einige der umstehenden Häuser trugen noch Spuren von Bombeneinschlägen und es hatte sich offensichtlich seit Jahren niemand mehr wirklich um die Instandhaltung gekümmert. Backsteine bröckelten aus der Fassade, die Fenster waren zersplittert und fast alles sichtbare Metall verrostet. Sie betraten das Gebäude durch eine Seitentür, die sie direkt in die alte Fabrikhalle führte. Die hier stehenden Maschinen verrieten, dass das hier einmal eine Fabrik für Kugellager gewesen war. Viel war davon freilich nicht mehr zu erkennen. Alles starrte vor Dreck und durch ein Bombenloch in der Decke eindringendes Regenwasser griff die Maschinen an. Einige kleine Tiere, wohl das, was auf Langara Ratten am nächsten kam, flüchteten mit wütendem Knurren vor den Eindringlingen, aber darüber hinaus war keine Aktivität zu sehen.

    Ihr unfreiwilliger Informant führte sie in einen Gebäudetrakt, der zuvor für Büros genutzt worden und noch intakt war. Hier fanden sich tatsächlich Spuren kürzlicher Nutzung. In einem Raum waren mehrere Schlafstätten zu finden, ein Gaskocher mit Resten eines Eintopfes stand auf einem Tisch und in den spärlich vorhandenen Regalen war allerlei Material, wie Munition oder Reagenzien für Sprengstoff zu finden. Außerdem stand auf einem der alten Schreibtische ein tragbarer Computer, auf dem Schriftzeichen der Andari prangten. Nur von den Soldaten fehlte jede Spur. Während Guv und Ansena die Treppe absicherten und Corinna die restlichen Räume durchsuchte, deutete Nicole mit einem Blick auf Abrams auf den Computer. „Kommen sie damit klar, Oberfeldwebel?“ „Das werden wir gleich sehen, Frau Major.“ Er rieb die Hände aneinander und klappte den Rechner, ein Ungetüm, das an die Laptops der frühen achtziger Jahre erinnerte, auf. Er schaltete ihn an und rief einige Dateien darauf auf. Dann begann er zu lachen. „Oh là là, das hat Ähnlichkeiten mit MS-DOS. So was kenn ich nur aus Museen.“ „Kriegen sie es hin?“ „Ich hab mir als pickeliger Dreizehjähriger die Computer des Pentagons gehackt und dem US-Präsidenten danach eine Liste mit allen Abschusscodes für seine Nuklearwaffen gemailt. Da komme ich auch mit so etwas klar. Geben sie mir nur einen Moment Zeit.“

    Während Abrams die Finger über die Tasten fliegen ließ, sah Nicole zu Fabiola. Die junge Frau hatte die Arme um den Körper geschlungen und starrte an eine Wand gelehnt ins Leere. Sie glaubte zu verstehen, was in ihr vorging. „Du hast noch nie getötet, nicht wahr?“ „Woher…?“ „Nach der Schießerei hast du am ganzen Körper gezittert und warst wahnsinnig nervös.“ Sie schwieg für einen Moment, dann nickte sie. „Dann lass dir einen Rat geben: Hör damit auf, solange es noch geht. Es wird dir eine Menge Albträume ersparen.“ „Ich weis nicht, ob das noch geht.“ Sie trat an sie heran und lächelte freundlich. „Es ist knapp zehn Jahre her, dass meine älteste Tochter in die Armee eintreten wollte. Ich glaube es war einfach nur eine Trotzreaktion, weil ich mich nicht so um sie hatte kümmern können, wie ich es vielleicht gesollt hätte. Ich konnte sie noch daran hindern. Als wir uns dann einige Jahre später wieder getroffen haben, hat sie mir gedankt und gesagt ich hätte sie daran gehindert einen großen Fehler zu machen. Wenn ich heute eins sagen kann, dann dass ich ihr immer wieder das gleiche sagen würde.“ Fabiola versuchte das Lächeln zu erwidern, schaffte es aber nicht. „Es ist nicht wirklich meine Entscheidung.“

    „Doch, das ist es. Es gibt nur einen Zwang im Leben und das ist der Tod.“ „Vielleicht keinen anderen totalen Zwang. Aber genüg schwächere. Mein Vater würde es nicht gutheißen, wenn ich mich jetzt noch anders entscheide. Und ich will ihn nicht enttäuschen.“ „Komm mir ja nicht so. Als ich das letzte Mal so geredet habe, hat es meine Familie zerstört. Also lass dir von diesem Trottel nichts sagen.“ Dieses Mal lächelte sie für einen Moment wirklich. „Ich würde nicht sagen, dass er ein Trottel ist.“ „Dann sag mir was für ein Typ er ist.“ „Oh, sie kennen ihn.“ Nun war Nicole für einen Moment sprachlos, als ihr die Antwort auf der Zunge lag. Es war Fabiola, die es aussprach: „Senator Lions.“ „W… Was? Der Alte?“ Sie nickte. „Ich weis, dass ich adoptiert bin, aber er hat mich wie seine eigene Tochter aufgezogen. Ich soll eines Tages seinen Sitz im Senat übernehmen und muss die damit einhergehenden Verpflichtungen erfüllen.“ „Was für Verpflichtungen? Die Waffenlieferung richtig zu etikettieren?“ „Sie haben ein sehr düsteres Bild von uns, nicht wahr? Mein Vater hat selbst zwanzig Jahre lang Soldaten angeführt, die unsere Welten verteidigt haben. Er hat mich damals in den Trümmern einer Stadt gefunden.“ Nicole lächelte gequält. Wie gut sie es doch verglichen mit Fabiola letztlich hatte…

    Sie zückte ihre Feldflasche, schenkte etwas vom Inhalt in den Deckel und reichte ihn ihr. „Hier. Man kann zwar eigentlich nicht mit Wasser anstoßen, aber ich denke ein Trinkspruch ist angebracht.“ Nachdem das Mädchen den Deckel genommen hatte, hielt Nicole die Flasche in einer theatralischen Geste von sich und meinte: „Auf unsere Väter und Vätersväter. Mögen alle Traditionen, die sie uns aufgezwungen haben, eines Tages zu Staub zerfallen.“ Sie trank einen Schluck. Bei dieser Darbietung musste Fabiola nun hörbar lachen. Nicole lächelte dabei zufrieden. Ziel erreicht. Vielleicht konnte sie die Seele des Mädchens ja doch noch retten. Am Schreibtisch rief Arams indess: „’eureka!“ „Was ist los, alter Franzose?“ „Ich habe die Codes geknackt. Das kommt eben davon, wenn man sich mit einer kümmerlichen 8Bit-Verschlüsselung zufrieden gibt.“ „8?“ „Unsere Rechner sind alle mit 256 verschlüsselt.“ Er ließ seinen Blick über die Regale wandern und entdeckte einen Kasten mit etwas, das an Disketten erinnerte. Er griff sich eine und meinte: „Ich fange jetzt an die Daten zu kopieren.“ „Irgendwas Interessantes dabei?“ „Kann man wohl sagen. Listen mit Verstecken, Waffenlagern, Sympathisanten… Für einen Staatsschützer ist das hier der heilige Gral.“ „Und so was lassen die einfach herumstehen?“ „Warum nicht? Für die hiesige Computertechnologie sind 8 Bit fast unüberwindlich. Die könnten hier mit den verschlüsselten Speichern nichts anfangen.“ Gerade als er diese Worte ausgesprochen hatte, hallten auf einmal Schüsse aus dem Treppenhaus herüber.

    Von den Schüssen lief Nicole los. Als sie in den Flur gerannt kam, sah sie Guv und Asena, die Feuerstöße gegen Ziele am Fuße der Treppe abgaben. „Was zur Hölle ist hier los?“ „Die Hausherren scheinen zurück zu sein“, rief Asena über das Krachen der Gewehre hinweg. Sie warf einen Blick über das Treppengeländer und sah tatsächlich einen Toten dort liegen. Es war ein Mann in Zivil, bei dem allerdings ein Sturmgewehr lag. „Wer hat das Feuer eröffnet?“ „Der da unten.“ „Wie viele Leute sind bei ihm?“ „I counted six.“ „Zur Gruppe sollen fast zwanzig Leute gehören.“ „Wenn die restlichen dabei sind, haben sie sich nicht gezeigt.“ Nicole fluchte. Sie saßen hier oben in der Falle. Diese Typen blockierten den einzigen Ausgang. Oder zumindest würde das der Fall sein, wenn sie nicht schnell verschwanden. Sie betätigte ihr Funkgerät und gab durch: „Team, sammeln. Wir machen einen Abgang.“ Binnen weniger Augenblicke waren Corinna, Abrams und Fabiola bei ihnen. Sie deutete die Treppe hinunter und befahl: „Bewegung.“ Guv und Asena übernahmen die Spitze, Corinna direkt hinter sich. Die Soldatin lamentierte beim Abstieg darüber wie nützlich ihre Railgun jetzt wäre, die im Moment jedoch beim Konferenzzentrum lag. Nicole hatte ihr befohlen stattdessen ein Sturmgewehr mitzunehmen. Jetzt hoffte sie, dass sich das nicht rächen würde.

    Am Fuß der Treppe angekommen hielten sie an der Tür zur Fabrikationshalle kurz an. Sie mussten durch die Halle, wenn sie auf die Straße kommen wollten. Asena setzte sich sein Headset auf und stellte die optische Anzeige daran auf Infrarot um. Dann warf er einen Blick durch die Tür, der ihm verriet, dass mindestens elf Mann in der Halle in Deckung gegangen waren. Zuerst dachte Nicole darüber nach, wo die anderen geblieben sein konnten, wurde aber dadurch unterbrochen, dass einer der ‚Belagerer’ eine Magnesiumfackel entzündete und in ihre Richtung warf. Die Dunkelheit wich zurück und sie standen gut sichtbar dar. Gerade noch rechtzeitig reagierten sie und ihr Stellvertreter und warfen Rauchgranaten. Dann rief sie: „Scheiß drauf. Raus hier!“ Sie rannten geduckt los. Ihre Gegner entfesselten einen wahren Kugelhagel gegen sie. Weil sie nichts sehen konnten schossen sie einfach Sperrfeuer. Doch irgendwie schafften sie es unbeschadet auf die Straße.

    Sie hatten nicht viel Zeit zum reagieren. Einige andere Männer entdeckten sie sofort. Diese waren dabei gewesen das Haus über eine Feuerleiter zu erklettern, wahrscheinlich um sich dann durch Fenster oder die Decke Zutritt zum ersten Stock zu verschaffen. Sofort entbrannte ein Feuergefecht. Nicole befahl den Rückzug. Sie spurteten ein Stück die Straße runter und in die erste Seitengasse hinein, die so etwas wie Schutz versprach. Dabei konnte Nicole sehen, wie zwei der Gegner getroffen zusammenbrachen, während die anderen ihre Jacken fortwarfen, unter denen abgewetzte Uniformen der Marineinfanterie Andarias zum Vorschein kamen. In der Gasse hielten sie für einige Sekunden inne und lauschten. Man konnte leise gesprochene Befehle wie ein entferntes Murmeln hören, auf die schwere Schritte folgten. „Die schwärmen aus“, sagte Corinna. Nicole nickte bestätigend und antwortete: „Wir müssen verschwinden.“ Sie drückte Fabiola ein Funkgerät in die Hand. „Versuchen sie irgendwie die Kelownaner Sicherheit zu erreichen. Wir brauchen Verstärkung.“ Dann führte sie ihre Leute weiter.

    Sie rannten eine gute Viertelstunde lang durch die Straßen und Gassen des Viertels, immer wieder in Schießereien mit den Andarianern verwickelt, die ihre Überzahl nutzten, um sie in die Enge zu treiben. Schließlich hatten sie sie in einer Gasse festgesetzt. In einem heftigen Schusswechsel wurde Corinna getroffen. Eine der Kugeln durchschlug den Panzer knapp unterhalb des Rippenbogens. Nicole erledigte den Schützen zwar sofort, aber Corinna ging heftig blutend zu Boden. Asena behandelte ihre Wunde zwar sofort, aber es machte endgültig klar, dass sie ihre Position nicht würden halten können. Nicole sah sich hastig um und entdeckte eine Tür, die sie erreichen konnten. Sie brüllte „Los, dort rein“ und begann Deckungsfeuer zu geben. Sie schafften es irgendwie in das Gebäude hinein zu kommen. Doch der einzige Weg führte hier nach oben. Die Gegner schafften es sie bis ans Ende der Treppe zu treiben. Nur dass es hier nur eine Wohnung gab, aber keinen Weg aufs Dach. Guv sah sich schwer atmend und mit reichlich Frustration im Blick um. Dann meinte er: „I suppose that’s it. Time to die with a last fuck off on the lips.“ Asena murmelte: „Ash hadu an la illaha il Allah…“ Doch dann hielt er inne und sein Ausdruck verhärtete sich. „Nein, noch sterbe ich nicht. Major, wenn wir es aufs Dach schaffen, können wir Luftunterstützung anfordern.“

    Sie dachte für einen Augenblick nach, dann antwortete sie: „Dann suchen sie uns einen Weg. Guv, wir halten die Treppe. Abrams, sie bleiben bei Corinna.“ Sie wollte schon loslaufen, wurde aber von Fabiola aufgehalten. „Und ich?“ „Beschaffen sie uns Hilfe.“ Die beiden rannten in Richtung des Treppenabsatzes und begannen auf jeden Gegner zu schießen, der seinen Kopf sehen ließ. Mittlerweile hatten die Andarianer kapiert, dass das Team eine komplette, entschlüsselte Kopie ihrer Dateien hatte. Umso hartnäckiger versuchten sie nun sie zu erledigen. Asena hingegen ging in den Räumen herum und klopfte die Wände ab. Dann blieb er vor einer Stehen, fasste sein Gewehr am Lauf und schmetterte es mit dem Kolben voran gegen die Wand. Der Putz wurde eingedrückt. Ein weiterer Schlag. Etwas bröckelte und die Wand knirschte hörbar. Fabiola fragte: „Wollen sie durch die Wand?“ „Jep. Unser Weg aus dieser Falle.“ Sie zog einen kleinen Zylinder unter ihrem Hemd hervor und meinte: „Treten sie zur Seite.“ Mit diesen Worten trat sie an die Wand heran und rammte das Gerät mit aller Kraft in den Putz. „Und jetzt?“, fragte der Türke. „Jetzt raus hier.“ Wie um diese Worte zu unterstreichen leuchteten mehrere Lichter am Gerät auf und ein Signalton, wie bei einem Countdown, war zu vernehmen. Sie liefen in den Nachbarraum und der Zylinder explodierte.

    Es gab kaum ein Geräusch. Nur ein Vibrieren, das durch das ganze Gebäude ging, den Putz von der Decke bröckeln ließ und an einigen Stellen Steine aus den Wänden fallen ließ und eine hellblaue Schockwelle, die sich im Stockwerk ausbreitete und in den Zahnwurzeln zog, als habe man mit einem frisch verplombten Zahn auf Alufolie gebissen, waren zu sehen. Die junge Frau rief den anderen Soldaten zu „Kommen sie“ und verschwand wieder im Raum, in dem ihre Sprengladung explodiert war. Als Nicole in den Raum kam, fiel ihr Blick auf die Wand, in die ein gut zwei Meter durchmessendes Loch geschlagen war. Sie schien einfach zu feinem Staub pulverisiert worden zu sein. „Was zum… Wie haben sie das gemacht?“ „Der Senat hätte keine tausend Jahre Verfolgung durch die Goa’uld überlebt, wenn er es sich in der technologischen Steinzeit bequem gemacht hätte.“ Diese Antwort musste offenbar genügen, denn sie verschwand durch das Loch.

    Durch die Nachbarwohnung kamen sie tatsächlich in ein anderes Treppenhaus, dass bis aufs Dach hinauf führte. Oben packten Guv und Asena sich einige herumliegende Bahnen aus Wellblech und legten sie als Brücke zum nächsten Haus hinüber. Während Nicole Deckungsfeuer gegen die Gegner auf der Straße gab, rannten die anderen schnell hinüber. Nachdem sie gefolgt war, gab sie den Blechen einen Tritt und beförderte sie abwärts. Auf dem anderen Dach konnten sie sich hinter den Überresten einiger Lüftungsrohre Deckung nehmen. Es dauerte nicht lange, bis ihre Gegner auf der anderen Seite auftauchten. Während sie drüben in Deckung gingen, hielt das Team sein Feuer noch zurück. Die Munition wurde knapp. Schließlich tauchte ein Mann auf, dessen Gesicht Nicole von den Bildern zu erinnern glaubte, die Lions ihr gezeigt hatte. Kota. Eine Vermutung, die sich bestätigte, als er ihr zurief: „Tau’Ri, wir haben keinen Streit mit euch. Gebt uns die Datenträger und keiner muss sterben.“ Fabiola signalisierte Nicole, dass sie endlich die Sicherheitskräfte erreicht hatte. Sie nickte und rief dem Andarianer hinüber: „Das hätten sie sich überlegen sollen, bevor sie einen meiner Leute umgebracht haben.“ „Verdammt, erzählen sie mir nicht, dass ihnen niemals Kollateralschäden untergekommen sind. Der Sprengsatz galt dem Präsidenten dieses Landes und nicht ihrem Mann.“ „Netter Versuch. Aber wissen sie was? Auf der Erde verhandeln wir nicht mit Terroristen. Also schieben sie sich ihr Geschwafel sonst wohin.“ „Terroristen? Halten sie uns für einen Haufen übrig gebliebener Fanatiker, die nicht kapiert haben, dass der Krieg verloren ist? Verdammt, wir kämpfen für die Opfer, die alle anderen schon abgeschrieben haben. W…“

    Was immer auch er sagen wollte, er kam nicht mehr dazu. Am dunklen Nachthimmel tauchten die Suchscheinwerfer mehrerer Hubschrauber auf, die zielstrebig auf die Gebäude zuflogen, auf denen sie einander gegenüber lagen. Er sah einmal gen Himmel, dann rief er seinen Leuten einen Befehl zu und sie traten die Flucht an. Knapp drei Minuten später sammelte ein Hubschrauber das Team vom Dach auf, während am Boden ganze Hundertschaften von Sicherheitskräften vorrückten.

    Eine Stunde später am Konferenzzentrum:

    Nachdem sie dem Hexenkessel entkommen waren, in den die Andarianer das alte Industrieviertel verwandelt hatten, hatte man sie zuerst zu einem Kommandoposten der Sicherheitskräfte gebracht, wo sie die Datenträger hatten übergeben sollen. Was niemand merkte war, wie Abrams unauffällig die Disketten austauschte. Sein Gefühl sagte ihm, dass diese ganze Sache etwas damit zu tun hatte, dass die Kelownaner den Einsatz der Sensoren verbieten wollten. Es würde erst einige Stunden später auffallen. Im Moment war die Sicherheit noch viel zu sehr mit der Jagd auf die Terroristen beschäftigt, die sich ihrem Zugriff wieder einmal zu entziehen schienen. Als man sie anschließend zurück zum Konferenzzentrum gebracht hatte, hatte er sich bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zu einem der Sensorwagen begeben. Er hatte die darin sitzenden Soldaten für einen Moment raus geschickt und einen vollen Sensorscann der Stadt gemacht. Was er gesehen hatte, hatte ihn für einen Moment nur fassungslos dasitzen lassen. Dann verließ er den Panzer und wollte Nicole suchen.

    Die Zornesröte stand ihm im Gesicht, während er über den großen Vorplatz hin zu jenem Gebäudeflügel lief, in dem die Kommandantur untergebracht war. Doch kurz bevor er die nächste Tür erreicht hatte, trat auf einmal eine Gestalt aus dem Schatten. Es war Lions. „Ich weis, was ihnen jetzt durch den Kopf geht. Sie sollten ihre Entdeckung besser für sich behalten.“ „Warum“, fuhr er ihn an. „Warum sollte ich?“ „Weil manche Geheimnisse besser geheim bleiben. Wenn sie jetzt etwas sagen, sei es ihrem Major, sei es einem der Diplomaten, gefährden sie alles, weswegen sie hier sind.“ „Sparen sie sich dieses Gerede.“ „Gerede?“ Lions trat ein paar Schritte vor und fingerte eine Zigarre aus einer Jackettasche. „Es ist weit mehr als das. Denken sie einmal nach: Wenn die Leute, mit die ihre Verbündeten werden sollen, nicht einfach nur einen Krieg geführt haben, sondern zahllose gefangene Offizier ermordet haben, wenn sie auch nach zehn Jahren noch hunderttausende Gefangene, von denen diese Welt glaubt sie seien tot, nicht freigelassen haben, sondern sie in Minen für hochradioaktives Erz schuften lässt und einige dieser Gefangenen auch noch für Versuche mit experimentellen Waffen benutzen, was würde das bedeuten? Was würde es bedeuten, wenn sie alles das auch vor ihrem eigenen Volk verheimlichen würden und die Menschen dieser ihrer größten Stadt als lebende Schutzschilde für die hier unterirdisch erbauten Forschungseinrichtungen benutzen würden? Würden sie das wirklich wissen wollen? Würden die baldigen alliierten es wirklich wissen wollen?“

    Nach einigen Augenblicken presste er zwischen den Zähnen hervor: „Nein. Aber sie sollten es wissen.“ „Ja, höchstwahrscheinlich. Aber manchmal laufen das Notwendige und das Richtige eben nicht konform.“ „Hunderttausende Gefangene… Woher können sie so viel darüber wissen?“ Lions paffte ein paar Mal an seiner Zigarre, bevor er erklärte: „Während des Krieges haben wir Kelowna mit Waffen beliefert.“ „Was?!“ „Ja. Am Anfang waren es Flakwaffen. Gute altmodische Bleispucker, mit denen der Himmel über ihren Städten ihnen gehörte. Später kamen dann auch Dinge wie Panzerabwehrraketen und Fahrzeuge dazu. Wir sind während des ganzen Krieges hier präsent gewesen und wussten wahrscheinlich besser über das Geschehen bescheid, als die beteiligten Regierungen.“ „Dann haben sie einfach so zugesehen?“ „Wir waren an unsere eigenen Gesetze gebunden, Oberfeldwebel. Wir sind der Senat. Wir ergreifen keine Partei und mischen uns nicht in das System selbst ein.“ „Sagen sie das den Leuten, die durch ihre Waffen gestorben sind.“ „Wachen sie auf, sie Naivling! Hätten wir die Waffen nicht verkauft, hätten die Kelownaner sie sich von jemand anderem geholt. Es gibt genug Waffenhändler in dieser Galaxie, die weniger Skrupel gehabt hätten als wir und auch Dinge wie Massenvernichtungswaffen verkauft hätten. Kelowna hätte diese Ausrüstung so oder so bekommen.“

    Abrams knurrte wütend und antwortete: „Sagen sie sich das jeden Abend, damit sie besser schlafen können?“ „Eine komische Frage für jemanden wie sie.“ Er stutzte. „Wie meinen sie das?“ „Ich meine, dass es eine komische Frage aus dem Mund eines Mörders ist.“ „Vous damné salaud. Ich bin Soldat.“ „Damals nicht.“ Lions gab Abrams einen Moment zu realisieren, worauf er tatsächlich anspielte, dann fuhr er fort: „Zumal es kein Kampf war. Sie standen diesem Mann nicht gegenüber, sondern haben mit einer Lüge für seinen Tod gesorgt. Und dabei wussten sie, wie man mit ihm verfahren würde. Es war Mord. So, als hätten sie selbst die Waffe gehalten und abgedrückt. Verstehen sie mich nicht falsch, ich mache ihnen keinen Vorwurf. Es war in der damaligen Situation der einzige Weg. Ich möchte nur, dass sie sich klar machen, dass viele Leute hier Blut an ihren Händen kleben haben und es nicht an uns liegt über sie zu richten.“ „Dann soll ich es einfach so hinnehmen?“ Der alte Mann schüttelte den Kopf. „Sie sollen sehen, was diese Konferenz hier bedeutet. Wir können den Grundstein für ein Bündnis legen, das es so in der Geschichte noch nicht gegeben hat. Und selbst wenn es nur aus Eigennutz ist wird daraus etwas für diese Galaxie erwachsen, das für Leute wie uns eine Abbitte für unsere Sünden sein kann. Es wird viel Gutes daraus erwachsen. Also folgen wir ein letztes Mal den Gesetzten des Senats: Wir ergreifen keine Partei. Wir greifen nicht in das System ein. Sie haben es in der Hand.“

    Mit diesen Worten drehte er sich um und ließ Abrams alleine stehen. Dieser dachte eine Zeit lang nach, dann zog er schließlich die Diskette aus der Tasche. Er zog sein Messer, schnitt den Datenträger auf und zerstörte die Magnetscheibe darin. Sollten die Kelownaner doch toben. Der Mann, gegen den sie heute gekämpft hatten, stand für etwas Gerechtes ein, auch wenn seine Methoden zweifelhaft waren. Sie würden sich damit arrangieren müssen, dass er ihm zur Flucht verhalf. Schließlich bewahrte er dafür ihr schmutziges Geheimnis. Und hoffte darauf eines Tages Vergebung erfahren zu können…
    Die Freiheit des Bürgers heißt Verantwortung.

    (Joachim Gauck)


    "You may belong to any religion[...] - that has nothing to do with the buisness of the state. We are starting with this fundamental principle, that we are all citizens and equal members of one state." (Sir Mohammed Ali Jinnah)

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    Laufend: 2036 - A Union at War

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  20. Danke sagten:


  21. #78
    Gehasst, Verdammt, Vergöttert Avatar von Colonel Maybourne
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    Nun ja, die Konferenz platzen lassen können sie nicht, denn dafür ist diese einfach viel zu wichtig für die Zukunft.
    Aber trotzdem kann man sich da noch was schönes einfallen lassen, wie man den Kelowanern die Tour vermasselt.
    Aber Jonas wusste davon nichts, oder?

    Und zu den drei Pateien die der Erde gefährlich werden können, fallen mir nur zwei ein, da wäre Nxy mit ihren Anhängern.
    Dann natürlich Duzumi, aber soll der dritte sein?
    Dei einzelnen Jaffa Stämme dürften ja kaum die Schlagkraft haben, um sich mit der Erde anlegen zu können.
    Und die Ori existieren praktisch nicht mehr.

    Allerdings frage ich mich, warum Nicole nicht sagt, dass sie einwandfrei Julia gesehen hat und dafür Strafen riskiert.
    Hat sie so eine Angst davor, dass sich Jules mit der Kommission anlegt?

    Bis dann.
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    Meine aktuellen Fanfiction:


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  22. #79
    Autor der ungelesenen FF Avatar von Protheus
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    @Colonel Maybourne: Die Kelownaner werden noch unangenehm zu spüren bekommen, dass ein militärischer Sieg eben doch kein Freibrief für Grausamkeit gegen den Besiegten ist. Ich verrate nur so viel: Lions und Abrams werden da noch ein Wörtchen mitzureden haben. In Sachen dritte Partei: Die kommen schon im Original vor. Ich sage nur: Jede Menge angeschlossene Agrarwelten, die wohl langweiligste Mode der bekannten Welten und die Angewohnheit ein wenig mit Gasriesen zu zündeln. Klingelt's?

    Und was Jules und Nicole angeht liegst du schon ganz richtig, dass Nicole jemanden beschützen will. Allerdings nicht Jules, die ja ziemlich gut auf sich selbst aufpassen kann, sondern ihre Familie, sprich Gideon und die Kinder. Die haben schließlich Jules Tod vorgetäuscht und diese Fassade Jahre lang aufrecht erhalten. Und das ist eine Straftat, zumal die Justiz der EU in diesem speziellen Fall nicht die Samthandschuhe anziehen würde, wenn sie sich dadurch eine Chance erhoffen Jules selbst zu fassen zu bekommen.



    Und jetzt zum neuen Kapitel. Das hier ist das große Finale der ersten Staffel. Ich gehe noch einmal auf einige der wichtigsten Figuren ein, und erkläre einige Zusammenhänge. Insbesondere die Beziehung zwischen Dumuzi und Nyx sollte dieses Mal deutlich werden. Außerdem bekommt die ganze Handlung so etwas wie eine entscheidende Wendung. Gesamtlänge nicht dieses mal 23 Seiten. Detailreichtum hat eben seinen Preis. Viel Spaß beim Lesen.


    Episode 21: Götterdämmerung


    Die Worte, die Arya Akunin in den Sinn kamen, wenn sie versuchte die Gedanken, die sie in den letzten Wochen umgetrieben hatten, tatsächlich zu formulieren, spiegelten rein gar nicht wieder, was Soldaten sich vom kommandierenden Offizier einer Kommandoeinheit erhofften. Unsicherheit, Sorge, Verwirrung. Alles das passte irgendwie. Es waren die letzten Tage des alten Jahres und wenn sie zurück blickte, gehörten die Erlebnisse von 2034 zu jenen, die man am liebsten so schnell wie möglich wieder vergessen wollte, die einen aber nie wieder losließen. Europa war nach der Öffnung des Sternentores in zahllose Konflikte überall in der Milchstraße hineingestolpert. Die Galaxie war sehr viel grausamer geworden, als sie es in Erinnerung hatten und sie waren auf einen Weg geraten, von dem niemand so recht wusste, wo er hin führen sollte. Veränderung, lag in der Luft. Keiner der Soldaten wusste was vor ihnen lag, aber allen war klar, dass sie darauf zurasten und immer schneller wurden…

    In Zeiten wie diesen, so schien es ihr jedenfalls, sahen viele Menschen einfach weg. Andere hingegen suchten verzweifelt nach einem Rettungsanker, nach irgendetwas, an dass sie sich halten konnten. Deshalb konferierten die mächtigen der Galaxie seit nunmehr einer Woche auf Kelowna. Sie wollten etwas verändern, etwas bewegen, um vom Weg auszubrechen, auf den die Ereignisse der letzten Jahrzehnte sie gezwungen hatten. Für Europa war es ein letzter Versuch seine Seele zu retten und den ehernen Zielen noch gerecht zu werden, die man sich einmal gesteckt hatte, bevor alles was übrig blieb Heuchelei war. Es war eine Zeitenwende, die großes Versprach. Doch in die Aufbruchsstimmung mischte sich ein Beigeschmack von Ungewissheit und Verlustangst. Schon jetzt liefen zu viele Leute gegen die Vision einer neuen galaktischen Ordnung Sturm. Terranische Isolationisten, denen jedes Engagement jenseits des hohen Orbits zuwider war, Friedensaktivisten, die im neuen Bündnis nur eine Union von Kriegstreibern sahen, Marktradikale, für die die einzig entscheidende Frage war, ob nachher genügend Stellen vor dem Komma blieben. Seit die Diplomaten auf Kelowna vor drei Tagen offiziell die Unterzeichnung eines militärischen Bündnisvertrages proklamierten, um dann zu offenbar komplizierteren Fragen wie der Findung eines gemeinsamen Identifikationssymbols, der Verteilung der Kosten für die Hilfsprogramme – die durchführen zu wollen sie allerdings auch schon erklärt hatten – oder die Etablierung geschützter Handelsrouten überzugehen, beherrschte die Debatte über die Pläne die irdischen Medien.

    Arya saß zusammen mit Julius und Nikolai in einer der Wachstuben am Torraum des Stützpunktes, den Oberkörper auf einen Tisch gelehnt und den Kopf auf die Arme gebettet und lauschte mit einem Ohr der Debatte, die aus den Lautsprechern des Radios gut einen Meter neben ihr erscholl. Nikolai hatte vor gut einer Stunde einen Musiksender einstellen wollen, um die Langeweile der Bereitschaftszeit zu verdrängen, dabei aber einen Nachrichtensender aus Tiflis erwischt, den er schließlich angelassen hatte. Seitdem waren durchaus einige interessante Argumente gefallen, aber im Wesentlichen hatte sich alles in albernen Wortgefechten zwischen einem Professor für extraplanetare Politologie und einem Aktivisten von Terra Nostra, der größten Isolationistenbewegung, erschöpft. Es war klar, dass keiner der beiden den anderen würde überzeugen können, so dass das Gespräch denkbar unfruchtbar war. Als der Aktivist einmal mehr beschwor die Probleme der restlichen Milchstraße brauchten die Erde nicht zu interessieren, gab sie ein gequältes Lachen von sich und ließ auf Georgisch vernehmen, dass diese Leute den Extraterristen die Schuld für alles in die Schuhe schieben würden. Nikolai sah von der Lektüre des Buches auf, in das er sich vertieft hatte, und gab eine Erwiderung darauf, die sie schmunzeln ließ. Dann streckte sie den Arm aus und langte nach dem Radio, um einen anderen Sender einzustellen.

    Als sie das Radio fand, schlug sie die Augen auf und sah nach links, wo das Gerät stand. Sie sah, dass Julius es sich gegriffen hatte und nun selbst einen anderen Sender suchte. Dabei sah er mit einem Grinsen zu ihr und meinte: „Einfach so in einer Sprache zu sprechen, die ich nicht verstehe… Wie soll ich da wissen, ob ihr nicht über mich redet?“ Es klang nicht wie ein Vorwurf, also erwiderte sie zuerst nichts, sondern hob den Kopf und lächelte kokett. Dann nahm sie ihm das Radio weg und sagte: „Du wirst wohl mit der Ungewissheit leben müssen.“ Er rümpfte in schlecht gespielter Verletztheit die Nase und fragte: „Keine gute Diskussion?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nur ein paar Knallchargen, die sich die gleichen Argumente um die Ohren hauen, die ihre Vordenker seit Tagen runterbeten. Was ist bloß aus dem alten ‚As a Union we stand’ geworden?“ „Mach dir darum keinen Kopf. Bei der Vereinigung Europas haben sie im Grunde genommen das Gleiche gesagt. Und zehn Jahre später stellte sich die Frage gar nicht mehr.“

    „Sicher. Aber damals war die Situation anders. Europa stand schon mit einem Fuß im Abgrund und die Union hat uns wieder rausgezogen. Aber heute erwartet man von den Leuten die gefühlte Sicherheit der Erde für ein paar Extraterristen aufzugeben, ohne dass sie wissen, was kommen wird.“ Er verzog das Gesicht. „Die Erde braucht dieses Bündnis, wenn sie auf lange Sicht überleben will. Da gibt es gar keine Diskussion.“ „Ja, ich weis. Aber wie viele Leute auf der Straße werden das verstehen, wenn Terra Nostra ihnen gleichzeitig erzählt sie könnten in einer Insel des Glücks leben, wenn wir den Rest der Galaxie einfach seinem Schicksal überlassen?“ „Hm. Diese Frage stellt sich für mich gar nicht. Ich hab im Leben schon genug gesehen, um mir des Bösen im Menschen bewusst zu sein, aber auch genug, um an das Gute in ihm zu glauben. Und wie heißt es in einem Gospel so schön: We shall overcome. Es kommt selten so schlimm, wie wir annehmen.“ Sie lächelte. „Hab ich dich schon mal einen Verrückten genannt?“ „Zuzüglich heute? Fünf Mal.“ Sie lachten ein wenig, bis auf einmal jemand sagte: „So viel Energie zum Lachen? Ich muss dringend mal mit ihrem Kommandanten sprechen, dass er sie härter ran nimmt.“ Sie erkannten die Stimme und sprangen sofort auf, um sich in Richtung Tür zu drehen und Haltung anzunehmen. Major O’Neal – in keiner Weise verwandt mit seinem Namensvetter im Dienste des ersten STK – der zuständige Offizier für den Stützpunktbetrieb, stand im Durchgang und sah in ihre Richtung. Er wartete ein paar Sekunden, dann nickte er und sagte: „Major Falkner wird gerade aus der Medizinischen entlassen.“

    Die Nachricht löste unter den dreien eine gewisse Euphorie aus. Sie mussten sich in manchen Momenten beherrschen, um auf dem Weg in die Klinik nicht zu rennen. Als sie schließlich in den Korridor bei den Isolationszimmern eintraten – da die Ärzte Falkners Zustand nicht hatten erklären können, hatte man äußerste Vorsicht walten lassen – sahen sie gleich Doktor Loeb, der auf einem Klemmbrett ein Dokument unterzeichnete und es dem Offizier vor ihm reichte: Falkner. Sie traten auf zwei Meter heran. Dann sagte Arya: „Aaaachtung!“ In einer synchronen Bewegung nahmen sie Haltung an und salutierten. Falkner stieg bei diesem Anblick ein breites Grinsen ins Gesicht. Er erwiderte den Gruß und befahl: „Rühren. Gut sie zu sehen.“ Loeb faltete unterdessen den Durchschlag des Dokuments und legte ihn in eine Krankenakte, die er unter den Arm geklemmt bei sich trug. „Major“, sagte er, „sie sind hiermit wieder als voll Diensttauglich eingestuft. Keine Ahnung warum, aber ihr Zustand hat sich gebessert und ist stabil. Damit habe ich keinen weiteren Grund sie hier fest zu halten.“ Falkner nickte und erwiderte: „Danke, Herr Doktor.“ Er wusste sehr wohl, was – oder besser: wer – ihm geholfen hatte wieder Herr über seine eigenen Gedanken zu werden. Nur wusste Loeb wie die meisten Funktionäre beim Korps noch nichts von den ‚Spezialisten’ des MND und wozu sie fähig waren. So konnte er die wiederholten Besuche durch Arik Bilenkin nicht richtig in seine Genesung einordnen.

    Er wandte sich vom Doktor ab und sah zu seinem Team. „Ich habe die Berichte der letzten Missionen gelesen. Kaum ist man mal für drei Monate außer Gefecht, spielt die halbe Galaxie verrückt. Aber jetzt gehen wir wieder da raus und rücken ein paar Sachen wieder gerade. Sind sie dabei?“ „Jawohl, Herr Major“, kam die Antwort wie aus einem Mund. „Dann los.“ Er sah auf seine Uhr. „Wir bekommen in drei Stunden neue Befehle. Seien sie bis dahin Einsatzbereit.“

    Tausende Lichtjahre entfernt im Centaurus-Arm:

    Im diffusen Licht, das von feinen Unreinheiten und Kratzern an der Außenseite des Glases gebrochen durch das große Fenster fiel, konnte Jules zahlreiche Schiffe erkennen, die sich in einem langen Zug um eine Formation silberner Objekte gruppiert hatten und zwischen den Sternen zu treiben schienen. Sie hoben sich kaum von der unendlichen Dunkelheit des Alls ab. Nur das schwache Licht eines Millionen von Kilometern entfernten Sterns und einige wenige künstliche Lichtquellen erleuchteten sie. Sie wandte sich von diesem Anblick ab und ließ ihren Blick noch einmal durch den Kontrollraum schweifen. Es war nicht der der ‚Argo’ und der Anblick ließ sie erschaudern. Dutzende spinnenähnliche Wesen wuselten über die große Brücke, arbeiteten an plump und archaisch wirkenden Kontrollen, die in ihrem brutal zweckmäßigen Design eine Antithese zum Habitus der Erdenmenschen darstellte ihre Umgebung optisch angenehm zu gestalten. Alles war nur schwach ausgeleuchtet, fast dunkel und die Luftfeuchtigkeit war so hoch, dass ein dünner Film von Kondenswasser sich auf vielen Oberflächen gebildet hatte.

    Sie trat vom Fenster weg und ging mit vorsichtigen, fast bedächtigen Schritten zu einem anderen Aussichtsfenster, vor dem Thaliana, jene rätselhafte Außerirdische, die sie auf Kyoto getroffen hatte, in beinahe kontemplativer Ruhe saß und nach draußen Blickte. Trotz ihrer Vorsicht trat sie in der Dunkelheit beinahe einem der Spinnenwesen auf die Füße, was ihr eine Reihe wütender Klicklaute und eine aggressive Geste einbrachte. Nur mit Mühe konnte sie einen Fluchtreflex unterdrücken. Sie hatte gegen Goa’uld gekämpft, im Angesicht von Unas nicht einmal mit der Wimper gezuckt und die Perversion der Ori miterlebt, aber diese Wesen jagten ihr eisige Schauer über den Rücken. Es war nicht nur ihre grundlegende Abneigung gegen Gliedertiere, sondern vor allem die… Fremdartigkeit dieser Spezies. Als sie Thaliana erreichte, setzte sie sich im Schneidersitz neben sie und fragte: „Was ist das da draußen. Sind das auch diese…“ „Reetou? Ja. Es ist ein Pilgerkonvoi.“ „Pilger?“ Die Alienfrau nickte. „Was wir hier erleben ist für diese Spezies eines ihrer heiligsten Ereignisse. Sie können sich geehrt fühlen, dass sie und ihre Leute dabei sein dürfen.“

    Jules verzog vielsagend das Gesicht. Sie konnte sehr gut nachvollziehen, warum die meisten Söldner lieber auf der an dieses Schiff angedockten ‚Argo’ festsaßen, als herüber zu kommen. Die Reetou waren in vielerlei Hinsicht unheimlich. Nicht nur appellierte ihr Äußeres an verschiedene Urängste der Menschheit, nein, man konnte in den meisten Gängen des Schiffes die Hand nicht vor Augen sehen, weil die Reetou im infraroten Spektrum sahen und es deshalb kaum eine Lampe an Bord gab, die Licht von weniger als 750nm abstrahle. Hinzu kam ihre Unfähigkeit ohne technische Hilfsmittel Laute zu produzieren, die menschlicher Sprache ähnlich waren.

    Mittlerweile bereute Jules hier her gekommen zu sein. Nach ihrem Treffen mit jenem Mann namens Atreos in den Archivkavernen von Mura hatte sie mehr über ihn und seinen Plan, Götter zu töten, herausfinden wollen. Sein Interesse an den Hinterlassenschaften von Thalianas Spezies hatte Jules schließlich nachfragen lassen. Die Alienfrau hatte ihr erklärt, ihr Volk sei Teil eines Bündnisses, das den Antikern als Concordium bekannt gewesen sei und das vor dem Aufstieg des Imperium Lanteanum die dominierende Macht in der Milchstraße gewesen war. Als Jules weiter nachgehakt und sie gefragt hatte, was sie über Nyx wisse, hatte sie allerdings mit Verweis auf ihr Alter – 214 Jahre, für ihre Spezies offenbar Teenageralter – darauf beharrt nichts genaueres zu wissen. Also hatte Jules sie so lange bearbeitet, bis sie sich bereit erklärt hatte sie zu jemandem zu bringen, der ihr weiterhelfen konnte. Nur so hatte sie es sich nicht vorgestellt.

    „Was machen wir hier überhaupt?“, fragte sie mit leiser Stimme, wobei sie verstohlen in Richtung der Besatzung blickte, um zu überprüfen, ob einer von ihnen sie gehört hatte. „Wir treffen ein Mitglied des Concordiums. „Einen Reetou-Pilger?“ „Nicht wirklich. Vielmehr den, für den die Pilger hier her gekommen sind.“ „Und warum konnten sie mir nicht einfach eine Telefonnummer geben?“ Thaliana lächelte ob des Vergleiches und antwortete: „So einfach funktioniert das nicht. Unsere Welten sind… versteckt, wenn sie so wollen. Um dort mit jemandem in Kontakt zu treten oder sie anzufliegen braucht man spezielle Technologie, die ich nicht dabei hatte. Ich hatte eben nicht vor in den nächsten hundertzwanzig Jahren nach Hause zurück zu kehren.“ „Und was hätten sie dann gemacht?“ Sie warf Jules einen Blick zu und sagte, als sei es das normalste der Welt: „Ich hatte eine Abmachung mit einem Kapitän, der mich wieder abholen wollte.“ Jules vergrub das Gesicht in den Händen und murmelte: „Großartig. Und deshalb müssen wir jetzt mit diesem Gruselkabinett fliegen.“

    Sie rieb sich ein paar Mal über die Augen. Als sie den Blick wieder hob, konnte sie sehen, dass sie mittlerweile sehr dicht an den Pilgerkonvoi herangekommen waren. Die Formen der einzelnen Schiffe hoben sich nun deutlich vor dem Licht des nächsten Sternes ab. Die meisten waren die Scheibenförmigen Schiffe der Reetou, von denen zur einen Seite hin mächtige Antriebe und allerlei Aufbauten, wie Frachtrampen, Andockschleusen oder rückwärtige Sensoren und zur anderen Seite Aufbauten abgingen, die in ihrer Form genauso gut Häuser auf einem Planeten hätten sein können. Das meiste waren Zivilschiffe, die aussahen, als hätten sie ihre besten Tage schon lange hinter sich gelassen, aber es war auch ein vor Strahlengeschützen starrender Kreuzer wie jener darunter, auf dem sie mitflogen. Nur das die Rumpfscheibe jenes Schiffes fast achthundert Meter durchmaß und damit fast dreimal so groß war, wie die dieses Schiffes. Alle diese Schiffe hatten ihre Decks parallel zur Scheibe angeordnet, so dass der Schub der Triebwerke bei Beschleunigung ausgenutzt werden konnte, um Schwerkraft zu simulieren. Jules und Thaliana sahen den Konvoi nur vor, anstatt über sich, weil der Kapitän die beweglich im Schiff montierte Brücke hatte kippen lassen, um ihnen bekannte Verhältnisse zu simulieren.

    Bei genauerem Hinsehen konnte Jules nun erkennen, dass es sich bei den silbernen Objekten ebenfalls um Schiffe handelte. Ungefähr achtzig kleinere, die in ihrer Form ein wenig an Dolche erinnerten und je gut dreißig Meter lang waren, waren um ein größeres Schiff im Zentrum der Formation herum postiert. Dieses war fast fünfhundert Meter lang und erinnerte in seiner Form entfernt an einen Manta-Rochen, auch wenn diese Ähnlichkeit wohl eher Zufall war. Wie die anderen schimmerte es silbern im Sternenlicht. Sein Rumpf lief zum abgerundeten Bug hin bikonvex zu, wobei das Heck unwesentlich breiter war. Außerdem gingen zu beiden Seiten hin symmetrische, geschwungene Ausleger vom Bug ab, die allerdings in Schleifen verliefen, also wieder mit dem Schiff abschlossen, und die Antriebe trugen. Das erstaunlichste war aber nicht die Form, sondern vielmehr, dass der Rumpf, obschon eindeutig metallisch, wie ein lebendes Wesen anmutete. Das Material schien die ganze Zeit in einem Fluss zu sein, der Rumpf seine Form ständig im Millimeterbereich zu verändern. Jules starrte für einen Augenblick wie gebannt auf das Schiff, dann sah sie wieder zu Thaliana und fragte: „Eines eurer Schiffe?“ Die Alienfrau nickte bloß.

    Nach einigen Minuten, in denen sie das Schauspiel gemeinsam betrachteten, fragte Jules: „Und was machen diese Leute hier?“ „Es ist nur eine Person an Bord“, antwortete Thaliana. „Er ist auf seiner letzten Reise.“ „Wie meinen sie das?“ „Seine Spezies nennt sich Consu. Sie sind eines unserer mächtigsten Völker. Wenn ein Consu sich seinem Lebensende nähert, verlässt er den Raum des Concordiums und fliegt zur Sonne, die einmal von der Ursprungswelt seiner Art umkreist wurde, um in ihrer Corona zu verglühen.“ „Dann ist das hier…“ „Ja. Dieses Schiff dort ist eine Totenbarke.“ „Und was haben die Reetou damit zu schaffen?“ „Die Consu sind Gliederwesen, wie die Reetou. Es gibt diese Tiergruppe auf fast allen belebten Welten, aber sie haben so gut wie nie Intelligenz entwickelt und wenn, war es in den Meisten fällen Schwarmintelligenz. Dass eine Insektenspezies Intelligenz entwickelt und sich ihrer selbst bewusst wird, wie wir beide, kommt so gut wie nie vor. Deshalb haben die Consu die Reetou für Jahrtausende protegiert, wie die Asgard die Menschen. Erst als eine Nation der Reetou im Vertrauen auf ihre Beschützer einen brutalen Angriffskrieg gegen die Goa’uld vom Zaun brach, überließen die Consu sie ihrem Schicksal. Die Goa’uld gaben sich aber nicht mit der Vernichtung der Aggressoren zufrieden, sondern versuchten die Spezies als ganzes auszurotten.

    Die Überlebenden suchten den Grund für diese Apokalypse in der Abwendung von den Consu und erhöht sie seitdem zur Krone der Existenz. Viele hoffen darauf, dass ihre Hingabe dazu führt, dass die Kraft und Weisheit der Consu nach deren Tod auf die Reetou übergeht. Also folgen sie den Sterbenden, um im Augenblick des Todes anwesend zu sein. Einige von ihnen glauben sogar an eine Seelenwanderung zwischen beiden Spezies und führen ihre Gelege auf den Schiffen mit, damit die Seele in ein ungeborenes übergehen kann. Das sind meistens religiöse Radikale, die alle anderen von Barken vertreiben, die sie gefunden haben. Das hier ist ein eher gemäßigter Konvoi.“ Jules ließ noch etwas beunruhigter als zuvor ein weiteres Mal den Blick durch die Brücke wandern und meinte: „Aha. Und warum hat dieser Consu so viele Schiffe dabei, wenn er allein ist?“ „Die kleineren sind Kampfdrohnen, die die Barke beschützen. Es gibt eine Menge Fraktionen, die viel geben würden, um die Technologie des Concordiums in die Hände zu bekommen und wie gesagt, dieser Consu liegt im Sterben. Er könnte sein Schiff nicht mehr gegen ein entschlossenes Enterkommando verteidigen. Also schießen die Drohnen ausnahmslos jeden ab, der der Barke zu nahe kommt.“ „Alle?“ „Alle. Es sei denn der Reisende erlaubt eine Annäherung.“ „Und wie sollen wir dann mit ihm sprechen?“ „Ich werde ihn darum bitten. Aber dazu brauche ich etwas Zeit.“ Der Blick, mit dem sie Jules dabei ansah, machte deutlich, dass sie nun ihre Ruhe haben wollte. Also stand Jules auf und meinte: „Gut. Ich warte auf der ‚Argo’.“ Als sie weg war, schloss Thaliana die Augen und verfiel in einen meditativen Gesang. Die Reetou nahmen davon nicht wirklich Kenntnis. Nach ein paar Minuten öffnete sie die Augen schließlich wieder. Sie leuchteten Hell, als sei das Licht von Sternen darin eingefangen. Dann richtete sie ihren Blick auf das Schiff des Consu.

    Auf der Erde im Sternentorkommando:

    Harry Maybourne rief auf dem großen Videoschirm des Besprechungsraumes die Übersichtskarte eines Sonnensystems auf, in der verschiedene Kurse markiert waren. Dabei hob er insbesondere einen hervor und rief das Bild eines Schiffes auf, das die versammelten Soldaten von EKST2 sofort als ein leichtes Angriffsschiff der Nyx erkannten. „Gentlemen“, begann er zu erklären, „unsere Aufklärungsverbände haben ein gegnerisches Schiff ausgemacht, das den Orion-Arm in Richtung des Sagittarius durchquert. Die Flotte hat schon zwei Fregatten geschickt, um es anzugreifen. Aber das Oberkommando ist dieses Mal auf größere Beute aus. Wir konnten bis jetzt noch keine größeren Stücke feindlicher Technologie in die Hände bekommen. Deshalb lautet der Auftrag dieses Mal: Holen sie uns dieses Schiff.“


    Ein leises Murmeln war zu vernehmen, als drei der Soldaten die Köpfe zusammensteckten. Major Falkner wirkte bei dieser Anweisung aber völlig unbewegt. Er fragte nur: „Wie sieht der Angriffsplan aus?“ „Wir haben im Moment drei Schiffe bereit stehen. Die Kampffregatten ‚Lamotte-Piquet’ und ‚Tegetthoff’, sowie die ‚Selene’. Die ‚Selene’ wird dem Feind auflauern und ihm Schüsse in die Triebwerke verpassen. Danach springen die beiden Kampffregatten ins System und klopfen den Gegner weich. Sobald er entwaffnet ist, geht ihr Team an Bord.“ „Verzeihung, General“, meldete Julius sich zu Wort, „aber wir sind keine Boardingeinheit.“ Maybourne nickte. „Damit haben sie im Prinzip recht, Feldwebel. Aber von allen europäischen Militäreinheiten hat bisher nur EKST1 mehr Gefechtserfolge gegen diesen Gegner vorzuweisen, als sie. Und Major Degenhardts Team ist immer noch auf Langara im Einsatz. Damit sind sie die logische Wahl.“ Julius nickte und Maybourne wollte gerade fortfahren, als Falkner sich einschaltete: „General, ich möchte für diese Mission zusätzliches Personal beantragen.“ „Wenn sie zusätzliche Hilfe wollen, lasse ich ihnen ein Boarding-Team bereitstellen.“

    Falkner schüttelte den Kopf. „Kein weiteres Team. Ich will nur einen Mann: Arik Bilenkin.“ Im Gegensatz zu den anderen Soldaten wusste Maybourne, was Falkner gerade verlangte. Sein Gesicht verfinsterte sich sofort. „Den werden sie nicht kriegen. Der MND ist wie der Teufel hinter der Seele dahinter her seine Sicherheit zu gewährleisten.“ „Auf Mura hat man ihn zu einem Kampfeinsatz geschickt.“ „Das dürften sie eigentlich gar nicht wissen, Major.“ Falkner schmunzelte. „Mag sein. Aber er hat es mir selbst erzählt. Und über kurz oder lang werden er und seine Leute in reguläre Operationen mit eingebunden werden müssen. Also warum nicht jetzt damit anfangen?“ Maybourne dachte für einen Moment schweigend nach. Dann sagte er: „Also gut, ich werde ihn anfordern. Aber ich kann nichts versprechen. Sie starten in fünf Stunden. Die Fregatten werden sie bei Sternentor 853 aufnehmen. Wegtreten.“

    Auf der Erde, Hauptsitz der Sachleben-Firmengruppe in Frankfurt/Main:

    Gideon ging mit schnellen, fast hastigen Schritten durch die Eingangshalle des Wolkenkratzers seiner Firma auf einen der Aufzüge zu. Er würdigte die Damen am Empfang, die ihn freundlich grüßten, keines Blickes, geschweige denn einer Antwort, sondern starrte nur mit verhärtetem Gesichtsausdruck geradeaus. Während er auf den Aufzug wartete, rief er mit barscher Stimme seine beiden Leibwächter zu sich, die noch damit beschäftigt gewesen waren einige Demonstranten, daran zu hindern ihm zu folgen. Dann pfefferte er voller Wut die Ausgabe der Financial Times, die er auf der Fahrt hier her gelesen hatte, in einen Papierkorb. Der Artikel, der ihn so zur Weisglut gebracht hatte, blieb dabei gut sichtbar, als würde das Schicksal ihm die darin geschriebenen Worte noch einmal vor Augen führen wollen. Der größte Aktieneigner abgesprungen… Das konnte das Ende der Firma bedeuten.

    Schon als ein Regierungssprecher kurz nach einer großen Mobilmachung von mehreren tausend Soldaten vor wenigen Wochen verkündet hatte, europäische Streitkräfte hätten eine neue Sklavenwelt ausgemacht und befreit hätten, war ihm klar gewesen, dass die Sache unangenehme Folgen haben würde. Und jetzt spürte er die Rache der Anderen mehr als deutlich. Gestern hatte einer Geschäftspartner, der nicht weniger als 12 % der Stammaktien der Firma gehalten hatte, seine Anteile an der Sachleben-Gruppe verkauft. Die Tatsache, dass er dabei die Aktien so schnell wie möglich hatte abstoßen lassen, hatte wilde Spekulationen genährt. Und Aktienhandel ist nichts anderes, als ein auf und ab von Spekulation und Reputation, so dass Gerüchte einer gut kaschierten Finanzklemme der Unternehmensgruppe sofort dazu geführt hatten, dass kleinere Anteilseigner panisch verkauft hatten und mehrere Banken die Kredite eingefroren hatten. Egal was nun passierte, der wirtschaftliche Schaden würde bleiben.

    Im dreißigsten Stock angekommen verließ er den Aufzug wieder und ging schnurstracks in Richtung seines Büros. Als er in dessen Vorraum allerdings niemand anderen als Giuseppe Falconi auf einem der Ledersessel sitzen sah, wäre er beinahe explodiert. „Was zur Hölle machst du hier“, fuhr er den Italiener an. Als dieser das hörte, erhob er sich und drehte sich in Gideons Richtung. Er strich sich den obligatorischen Seidenanzug glatt und faltete die Ausgabe der Financial Times, in der er gelesen hatte, sauber in der Mitte. Dabei sagte er: „ich freue mich auch dich zu sehen, Gideon. Aber warum gleich so feindselig? Ich wollte doch nur einem Freund einen Besuch abstatten. Und übrigens: Du siehst gut aus. Die Antiagatika scheinen wahre Wunder zu wirken.“ Gideon ließ einen wütenden Laut vernehmen und war mit einem Schritt an Falconi heran getreten. „Spar dir dein dummes Grinsen. Ihr miesen Bastarde wollt mich ruinieren.“ „Ja, zugegeben, das wollen wir. Immerhin hast du alle unsere Warnungen in den Wind geschlagen und so zugelassen, dass uns durch deine Frau ein Verlust von mehreren Milliarden Euro entsteht. Da erscheint es doch nur angemessen, wenn du das auch zu spüren bekommst.“

    „Ihr macht dieses ganze Unternehmen kaputt. Cavendish und Gilbert wissen genau, dass ich liquide bin, und erzählen den Aktienhändlern trotzdem was von drohender Insolvenz.“ „In der freien Wirtschaft alles liquide Mittel. Und du zwingst uns dazu. Offenbar hast du deine Frau nicht im Griff.“ „Verdammt, was wollt ihr?“ „Dass du sie sofort zurückpfeifst. Nordkorea wird in ein paar Tagen einen großen Rüstungsauftrag für die dauerhafte Befestigung einer Garnison auf Kyoto ausschreiben. Wir können unsere Verluste also noch minimieren. Aber dazu muss deine Julia aus dem wilden Raum verschwinden.“ „Und wenn ich sie zurück hole?“ „Dann wird Cavendish exemplarisch einige Leute rausschmeißen und öffentlich erklären, dass der Verkauf der Sachleben-Aktien ein Irrtum war. Der Markt ist beruhigt, deine Firma gerettet und alles wieder in Butter.“ „Also gut. Ich habe meine Leute in der Crew, die sie zurückbringen können. In einer Woche ist sie wieder auf der Erde.“ „Ich hoffe es.“ „Verlass dich drauf.“

    Zur gleichen Zeit irgendwo im Perseus-Arm:

    Unruhig ging Dumuzi auf der steinernen Plattform in der Mitte der Kaverne auf und ab. Nach elf langen Tagen hatte das endlos monotone Warten schließlich ein Ende. Sie war endlich eingetroffen. Genau wie er es geahnt oder vielleicht auch einfach nur gehofft hatte hatten die Gerüchte, die er über diesen Ort gestreut hatte, ihre Aufmerksamkeit auf diese Welt gelenkt. Er hatte sich selbst dazu einem nicht unerheblichen Risiko aussetzen müssen. Immerhin hatte er auf diesem öden und toten Felsen nicht weniger gefunden, als die Kaverne eines aufgestiegenen. Es war eine einfache Felshöhle, die sich nach unten hin in einen Abgrund erstreckte, über dem eine von zwei Brücken gehaltene Plattform schwebte, auf der ein einfacher Sockel aufgestellt war. Er hatte die Natur dieses Ortes richtig gedeutet und auf Verdacht hin aus einer alten Tempelanlage, die auf einer vormaligen Welt Zipacnas stand, einen Kristallschädel hierher bringen lassen. Kaum dass einer seiner Soldaten den Schädel auf dem Sockel platziert und ihm, eher unbeabsichtigt, in die Augen gesehen hatte, war ein gigantisches Wesen erschienen, das in ihrer Wahrnehmung aus wabernden Rauschschwaden zu bestehen schien. Ein Aufgestiegener.

    Quetlzelcoatl, wie der Gigant genannt wurde, hatte sich zuerst voller Hass gegen Dumuzi gewandt und ihn vernichten wollen. Nur die Drohung den Kristallschädel zu vernichten hatte ihn innehalten lassen. Dumuzi verstand nicht welchen Wert dieses Stück Kristall für ein aufgestiegenes Wesen haben mochte – streng genommen machte es überhaupt keinen Sinn – aber solange eine auf den Schädel gerichtete Stabwaffe seine Lebensversicherung war, sollte es ihm recht sein. In den darauf folgenden Tagen war Quetlzelcoatl in der Kaverne geblieben. In immer wieder ihre Form wechselnden Nebenschwaden war er um die Plattform herumgeschwebt und hatte, wohl nicht ohne eine gewisse Belustigung, das Treiben der kleinen Wesen in seiner Höhle beobachtet. Doch als die Schiffe in den Orbit eingetreten waren, auf die Dumuzi gewartet hatte, war auch der Aufgestiegene unruhig geworden. Er spürte die gewaltige Macht, die auf sie zu kam.

    Gut eine halbe Stunde nachdem der Naukrarch des Hataks, das Dumuzi zur Bewachung des Orbits abgestellt hatte, die Ankunft der fremden Schiffe gemeldet und Dumuzi ihm den Befehl gegeben hatte Abstand zu halten und passiv zu bleiben, hörte er schließlich Schritte auf der Treppe, die in die Kammer des Kristallschädels hinab führten. Seine Soldaten bildeten entsprechend seinen Befehlen auf der Treppe ein Ehrenspalier. Dann, als er mehrere schwarz gerüstete Soldaten die Treppe hinunter kommen sah, die zusammen mit vier Fackelträgerinnen zwei Frauen hinunter geleiteten, kniete er auf der Plattform nieder.

    Während die Gruppe über die Brücke auf ihn, oder besser den Aufgestiegenen, zukam, warf er einen flüchtigen Blick auf sie. Er blickte zwischen den Soldaten und den Fackelträgerinnen hindurch auf die beiden Frauen. Die eine kannte er nicht, auch wenn die Anwesenheit der Fackelträgerinnen erahnen ließ, wer es sein musste. Sie war von großer Anmut und das beständige Leuchten ihrer Augen verriet, dass sie so menschlich war, wie Dumuzi selbst. Hekate? Wahrscheinlich. Der Anblick der anderen ließ sein Herz rasen. Auch wenn ihr Körper durch schwarze Kleider verdeckt war, glaubte er in dieser Gestalt, in ihrer Haltung, in ihrer Art sich zu Bewegen, sie zu erkennen. Nyx… Ihr Blick war die ganze Zeit auf den Giganten gerichtet, bis die Gruppe vor Dumuzi zum Stehen kam. Ihr Blick wanderte kurz durch die Kaverne und blieb bei ihm hängen. Sie erkannte ihn. Egal wie oft er das Gesicht gewechselt hatte, seit sie einander das letzte Mal gesehen hatten, erkannte sie ihn immer noch. Mit Hekate an ihrer Seite trat sie vor. Er hielt seinen Kopf gesenkt, bis die beiden Frauen direkt vor ihn getreten waren. Dann hörte er eine seltsame Melodie, in der eine schwache Erinnerung an ihre Stimme mitschwang, in der aber nichts Menschliches mehr lag.

    Vorsichtig hob er den Kopf, sah zu ihr hoch. Ihr von der Kapuze ihres Mantels eingeramtes Gesicht war hinter einer Maske verborgen. Sie sagte erneut etwas und erneut verstand er sie nicht. Dann bedeutete sie ihm mit einer Handbewegung aufzustehen. Als er sich erhoben hatte, machte Hekate einen Schritt an ihn heran. Dabei wich die Farbe aus dem Glühen ihrer Augen, bis es fast weiß, dafür aber umso heller war. Mit leiser Stimme raunte sie ihm zu: „Tammuz.“ Er sah zuerst sie, dann Nyx an. Wieder diesen Namen zu hören erschien ihm wie das Echo einer längst vergangenen Zeit. Hekate legte ihm eine Hand auf die Wange und drehte seinen Kopf wieder zu sich. „Ich bin es, Tammuz.“ Ihr Gesicht war traurig, voller Schmerz. „Sie muss meine Gedanken in Worte fassen. Du verstehst mich nicht mehr, wenn ich direktmir dir spreche.“ „Warum hast du mich gemieden? Du wusstest, dass ich noch lebe.“ Sie – die Puppe, wie die Spielerin – schwieg für einen Moment. Dann sagte sie: „Es ist zu viel passiert. Ich bin nicht mehr die, die du kennst.“ „Nein, das will ich nicht glauben.“ „Manche Dinge entziehen sich unserem Willen, Tammuz. Ich habe mir denkbar mächtige Feinde gemacht und will, dass andere mit in meinen Krieg hinein gezogen werden. Wir beide, wir kennen die Macht. Wir wissen, dass sie immer mit einem Preis verbunden ist. Wir sind gezwungen mit den ständigen Blicken unserer Feinde zu leben, die auf uns ruhen und nur darauf warten, dass wir einen Fehler machen. Und irgendwann sind wir gezwungen unser Herz heraus zu reißen, um unsere Schwäche hinter uns lassen zu können. Es tut weh, aber es ist der einzige Weg, um bestehen zu können.“

    Er schlug den Blick nieder, dachte für einen Moment nach, nicht über das, was sie gesagt hatte – nein, er wusste, dass sie Recht hatte – sondern darüber, ob er es einfach abtun sollte. Dann wandte er sich ihr wieder zu und streckte die Hand aus, um nach ihrer Maske zu greifen. Doch Hekate hielt ihn davon ab. „Nein, glaub mir, es ist besser so. Behalt mich in Erinnerung, wie ich war.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich habe dich schon als halbes Mädchen und als alte Frau gesehen und du warst jedes Mal wunderschön.“ Sie sah ihn für ein paar Sekunden durch Hekate an. Dann zog sie ihn wieder zu sich und küsste ihn. Es war ein seltsames Gefühl die jüngere Goa’uld zu berühren und zu wissen, dass es Nyx war, die die Kontrolle über sie hatte, aber er wischte diesen Gedanken fort. Als sie sich wieder voneinander lösten, sagte sie: „Geh jetzt.“ Und mit einem leisen Säuseln fügte sie hinzu: „Geliebter.“ „Ich werde dich nicht vergessen, meine Königin.“ Mit diesen Worten ging er gefolgt von seinen Soldaten. Er ließ sie zurück, im tiefsten Inneren wissend, dass er sie nicht wieder sehen würde. Er wusste nicht, ob er sich bemühen sollte dieses Treffen zu vergessen und sie so in Erinnerung zu behalten, wie sie immer gewesen war: Geheimnisvoll, verschlossen, wunderschön, nie wirklich wie die anderen Systemlords. Er wusste, dass sie unvorstellbar alt war und in ihren Ideen stets unkonventionell gewesen war. So hatte sie beispielsweise nie den Sarkophag benutzt und auch ihn angehalten es nicht zu tun. Und während die anderen mächtigen ihrer Art grausam und gefühllos geworden waren, in anderen nur noch Werkzeuge sahen, waren sie füreinander immer mehr geblieben. Sie, die beiden letzten wahren Goa’uld. Er verließ die Höhlen, kehrte auf sein Schiff zurück und befahl Kurs auf An. Während das Ha’tak in den Hyperraum sprang, trat Nyx unterdessen in der Kaverne vor den Giganten. Sie sah ihn an und nahm die Maske ab. Darunter war kein menschliches Gesicht mehr. Nur noch tiefe Schwärze. In diesem Moment erkannte er, dass sie ihm wirklich näher stand, als den Menschen um sie herum.

    Im Centaurus-Arm:

    Auf der Brücke der ‚Argo’ lenkte ein Signalton der Komstation Armin Naumers Aufmerksamkeit auf sich. Er rief die eingegangene Nachricht auf und erkannte, dass es eine verschlüsselte Kommandantenmeldung war. Also ließ er sie unter Eingabe seiner Codes durch das Decodierungsprogramm laufen und ausdrucken. Als der Drucker den Zettel ausgespuckt hatte, riss er ihn ab und las die Meldung durch. Dabei verkrampften sich seine Hände um das Papier. Das konnte doch nicht… In diesem Moment betraten Jules und Thaliana die Brücke. Die Alienfrau sah ihn an und fragte: „Sie haben ein schweres Maschinengewehr an der Luftschleuse aufstellen lassen?“ Die Frage schreckte ihn auf. „Wie? Was?“ „Die Sicherheitsvorkehrungen an der Luftschleuse.“ „Oh, Vitali hatte nach der Erlaubnis gefragt das MG aufzustellen. Meinte es beruhige die Crew.“ Thaliana sah ihn mit leicht despektierlichem Blick an. „Es beruhigt die Crew? Wir sind hier Gäste.“ „Was nichts daran ändert, dass niemand hier sich bei diesen Spinnenviechern wohl fühlt.“ Zuerst schien sie noch etwas erwidern zu wollen, schüttelte danach aber einfach nur den Kopf. Jules, die dem verbalen Geplänkel zuerst amüsiert zugesehen hatte meinte nun: „Thaliana hat mit dem Consu gesprochen. Wir dürfen mit höchstens vier Leuten auf sein Schiff kommen. Keine Waffen.“ Er nickte. „Wie kommen wir an Bord?“ „Mercurys.“ „Gut. Wir brauchen drei Stunden, um die Waffen auszubauen.“ Er wollte sich auf den Weg machen, um sich darum zu kümmern. Als er an ihr vorbei kam, fragte sie: „Was war das für in Funkspruch?“ „Das? Nichts Wichtiges.“ Mit diesen Worten knüllte er den Zettel in der Hand zusammen und ließ ihn schnell in der Tasche verschwinden. Dann verschwand er fast schon etwas hastig in Richtung Hangar.

    Auf der Fregatte ‚Selene’:

    Falkner kontrollierte noch einmal schweigend den richtigen Sitz der Ausrüstung bei jedem seiner Teammitglieder. Als er gerade dabei war sich von einer jungen Soldatin namens Noé, die ihm nach dem Tod seiner alten Sanitäterin auf Kanaan zugeteilt worden war, Waffe und Magazin zeigen zu lassen, sagte Arik, der gut einen Meter neben den beiden Stand, zu ihm: „Es geht wieder los, was? Aufgeregt?“ „Hält sich in Grenzen. Aber kennen sie die Antwort nicht schon längst?“ Mit einem schiefen Grinsen deutete der Reader auf die Blocker, die er an den Schläfen trug. „Nicht wirklich. Die Dinger betäuben deinen Verstand, als würdest du die ganze Zeit Ätherdämpfe einatmen.“ Falkner nickte und klopfte der Sanitäterin noch einmal aufmunternd auf die Schultern, bevor er zu Arik weiter ging. „Und selbst? Du warst noch nicht bei so vielen Kampfeinsätzen dabei, oder?“ „Wäre jetzt der zweite. Aber ich rechne nicht damit, dass es allzu schwierig wird.“

    Falkner zog eine Augenbraue hoch. Eine solche Einstellung war gefährlich. Und er sprach den Gedanken auch aus. Aber Arik winkte nur ab. „Denk mal nach: Wir haben dem Gegner einen Schuss direkt in die Triebwerke gejagt und er hat keine Hilfe bekommen. Und das bei einem Gegner, der ganze Flotten in Sekundenbruchteilen versetzen kann. Also ist nichts Wichtiges an Bord, was eine starke Verteidigung erfordern würde.“ Falkner grinste. „Ach? Vielleicht liegt es auch nur daran, dass der Feind im Moment keine Schiffe hat, die er zur Hilfe schicken könnte.“ Arik stutzte und schien für einen Moment ernsthaft über diese Möglichkeit nachzudenken. „Möglich. Aber diese Möglichkeit wäre zu unangenehm. Also ignoriere ich sie.“ „Mach was du willst. Aber halt dich hinter uns. Deine Vorgesetzten ziehen mir die Haut streifenweise vom Leib, wenn du draufgehst.“ Der Reader grinste über das ganze Gesicht. „Mach ich doch immer.“ „Was?“ „Was ich will. Ich erwarte nicht, dass ein Soldat das versteht, aber das Leben ist viel zu kurz, um zu gehorchen, nur um einen Befehl zu befolgen.“ „Aber meine wirst du befolgen. Und sei es auch nur, damit dein sowieso zu kurzes Leben nicht vorzeitig endet.“

    „Keine Sorge. Ich halte mich schon an deine Anweisungen. Schließlich ist mir noch nie ein faszinierenderer Verstand untergekommen.“ Falkner zögerte für einen Moment. Dann meinte er: „Keine Ahnung, was du meinst.“ „Oh doch. Du hast mir als wir auf dem Boden deiner Gummizelle gesessen haben die Stringtheorie erklärt, ohne selbst auch nur ein Mal den Hörsaal eines Instituts für Quantenphysik von innen gesehen zu haben und dabei auch noch in einem 18er-Stellenwertsystem gerechnet. Dieser Antiker hat mehr in deinen Kopf gepackt, als nur ein bisschen Propaganda seiner selbsternannten Göttin. Und das ist so viel interessanter, als die langweiligen Gedankengänge irgendwelcher Geheimagenten. Außerdem ist in Paris im Moment Winter und zu dieser Jahreszeit ist die Stadt einfach nur unerträglich. Also fühle ich mich hier ungleich wohler.“ Falkner sah ihn etwas unschlüssig an. Bevor er allerdings etwas erwidern konnte, kam die Durchsage von der Brücke: „Bereithalten, Boardingteam. Andocken in zwanzig Sekunden.“ Er nahm sein Gewehr vom Rücken und sagte: „Also gut, alles bereit machen. Julius zu mir an die Spitze. Noé, passen sie auf Arik auf.“ Die Soldaten gingen links und rechts von der Schleusentür in Position. Als sie sich öffnete, warf Falkner zuerst ein Blitzgranate durch. Dann liefen sie los.

    Im Centaurus-Arm:

    Ohne ihre Waffen wirkten die beiden Kampfflieger fragil, fast schon zerbrechlich. Jules war selbst etwas erstaunt gewesen zu sehen, wie schlicht die Konstruktion der Mercurys doch war, hatte man sie erst einmal von allem befreit, was im Kampf als Waffe oder Defensivsystem dienen konnte. Sobald die Jäger von allem überflüssigen befreit worden waren, hatten sie, Thaliana, Naumer und der Kapitän der Reetou sich auf den Weg zur Barke des Consu gemacht. Der Insektoide hatte darauf bestanden sie begleiten zu dürfen. Zwar hatte er als sie sein Schiff vor mehreren Tagen getroffen hatten, zuerst aus Respekt gegenüber Jules zugestimmt sie mitzunehmen – der uneingeschränkte Hass der Reetou galt den Goa’uld und Jules besaß bei ihnen als Heldin des Goa’uld-Krieges so etwas wie wohlwollende Anerkennung, das Maximum, was ein Mensch bei diesem Volk erhoffen konnte – aber die Gelegenheit einem ihrer vormaligen Beschützer direkt gegenüber zu stehen wollte er sich nicht entgehen lassen.

    Zuerst hatte ein Geschwader Reetou-Kampfflieger, fremdartige Konstruktionen, die an metallische dreizackige Sterne erinnerten, die aufrecht flogen und nur so vor Waffen starrten, sie bis dicht an die Formation der Kampfdrohnen eskortiert. Zwar herrschte etwas wie Vertrauen unter den Kapitänen der Pilgerschiffe dieses Konvois, aber die Situation, dass Mitreisende das Schiff eines Consu betreten durften, war einmalig in der Geschichte ihrer Rasse, so dass niemand eine Garantie hatte abgeben können, dass alle sich besonnen verhielten. Kurz vor der Waffenreichweite der Drohnen waren die Kampfflieger schließlich wieder abgedreht und die beiden Mercurys hatten ihren Weg allein fortgesetzt. Als sie die ersten Drohnen passierten, gab Naumer Jules über Funk durch: „Denk daran, der rote Hebel neben dem Steuerknüppel löst die Nachbrenner aus. Wenn das hier ein Trick ist…“ „Falls das hier eine Täuschung sein sollte“, fiel ihm der Reetou, der mit ihm zusammen flog, ins Wort, „haben wir ohnehin keine Chance. Also machen sie sich keine Gedanken.“ Naumer verzog das Gesicht, als auch Thaliana ihm dasselbe sagte. Es gefiel ihm nicht ohne eine einzige Waffe an Bord losfliegen zu müssen. Es gefiel ihm nicht jemanden hinter sich sitzen zu haben, der direkt dem Gruselkabinett der örtlichen Insektenforschungsanstalt entsprungen schien und dessen Stimme genauso metallisch und flach, so künstlich, klang, wie sie es war. Man hätte ihm wenigstens die Illusion lassen können eine Chance zu haben, wenn die Dinge aus dem Ruder liefen.

    Nach einigen Minuten des Fluges, als sie in Reichweite der Barke kamen, lösten sich mehrere kleine Flugkörper davon. Jeweils drei fixierten einen Jäger mit Traktorstrahlen und schleppten ihn in den weitläufigen Hangar des Schiffes. Als Jules die Kanzel ihres Cockpits öffnete und ausstieg, sah sie sich im Hangar um. Wäre dieses Schiff für einen Krieg ausgerüstet, hätte man ohne weiteres mehrere Staffeln schwerer Jagdbomber hier unterbringen können. Einfache Drohnen sogar noch in ungleich größerer Zahl. Zuerst stand das ungleiche Quartett etwas verloren auf dem riesigen Flugdeck, bis sich eine Tür öffnete. Thaliana deutete in die Richtung und sagte: „Er scheint uns auf der Brücke zu erwarten.“ „Aber wenn ich das richtig sehe, müsste dieser Korridor zum Heck führen.“ „Das stimmt so auch. Das ist der Weg zur Brücke.“ Sie liefen einige Zeit lang durch die völlig verwaisten Gänge des Schiffes. Kein Besatzungsmitglied, kein Geräusch, ja nicht einmal ein kleiner Roboter war auszumachen. Totenstille.

    An der Brücke angekommen sah Thaliana noch einmal zu den beiden Menschen und meinte: „Die Consu wirken auf viele Spezies sehr furchterregend. Versuchen sie nicht zu erschrecken.“ Sie trat vor die Tür, die sich darauf öffnete. Der Anblick des Wesens, das sie daraufhin sehen konnten, zwang sie zuerst wirklich den Reflex zu unterdrücken wegzulaufen. Der Consu war ein riesiger Arthropode und maß von den vorderen Gliedmaßen bis zum Schwanzende fast sechs Meter und das auch nur, weil sein Hinterkörper nach oben gebogen war, wie der eines Skorpions. Am Ende dieses Körperteils saß allerdings kein Giftstachel, sondern eine Reihe von Organen, die an Augen erinnerten, sowie Fühler. Er stand auf vier Beinen. Zwei nach oben angewinkelte Gliedmaßen bildeten gewaltige Klauen, wie die einer Fangschrecke. Nur waren die des Consu fast zwei Meter lang. Hinzu kam, dass die Evolution dieser Spezies aus einem weiteren Paar Fühler lange, flexible Greifwerkzeuge gemacht hatte, die an Tentakel erinnerten. Zuerst konnte Jules sich beim Anblick dieses Fremden gar nicht vorstellen, dass er in irgendeiner Form wehrlos sein sollte, doch als Thaliana zu ihm ging und sich respektvoll verneigte, erkannte Jules in seinen schwach und unbeholfen wirkenden Bewegungen, wie alt er sein musste.

    Sie näherte sich ihm vorsichtig, während die Alienfrau einige Worte mit ihm wechselte. Dann wandte er sich auf einmal ihr zu. Er drehte seinen Hinterleib in ihre Richtung, so dass alle seine acht Augen direkt auf sie gerichtet waren. Als er zu sprechen begann hörte sie zuerst nur eine Folge von Lauten, die wie ein Zirpen klangen, doch dann formten sich tatsächlich artikulierte Worte heraus. „Kommt näher. Ich möchte euer Gesicht sehen.“ Zögerlich ging sie einige Schritte näher heran. Als er sein ‚Gesicht’ näher an sie brachte und anfing ihres mit seinem Fühlern abzutasten, kniff sie die Augen zusammen. Er erkannte diesen Ausdruck der Furcht und sagte: „Habt keine Angst. Meine Augen sind nicht mehr so gut und ich sehe euch kaum noch.“ Als sie spürte, wie die Fühler wieder von ihrem Gesicht wichen, öffnete sie die Augen wieder. „Diese junge Tochter Alars sagte mir, ihr wolltet mit mir sprechen. Ich bin neugierig. Es kommt nicht oft vor, dass euresgleichen uns gegenüber tritt, geschweige denn auf diesem Weg.“ „Ja“, antwortete sie. „Ich brauche Antworten von euch.“ „Dann stellt eure Fragen und ich werde überleben, ob ich antworte.“

    „Was wisst ihr über Nyx und ihre Verbindung zu den Antikern?“ Das gewaltige Alien zögerte einen Augenblick lang, bevor es antwortete: „Diesen Namen habe ich schon lange nicht mehr gehört.“ „Aber ihr wisst etwas über sie?“ „Ja. Sie ist die älteste aller Goa’uld. Kennt ihr die Ursprünge dieser Spezies?“ „Ich habe gehört sie seien schlangenartige Beutegreifer in den Sümpfen irgendeiner unbedeutenden Welt hier in der Milchstraße gewesen.“ „Das trifft es in etwa. Doch sie waren mehr als einfache Schlangen. Sie waren auch Parasiten, die vorbeiziehende Tiere befielen, von denen sie sich zu anderen Gewässern tragen ließen. Dabei entwickelten sie die Fähigkeit sich auf bestimmte Wirte anzupassen, indem sie ihre Eigenschaften übernahmen. Und eines Tages fiel einer ihrer Schlangen ein intelligentes Wesen zum Opfer. Diese Schlange setzte nachkommen in die Welt: Erebos, Gaia, Tartaros, Eros und Nyx. Sie waren die ersten, die keine tumben Schlangen mehr waren, sondern wirkliche Goa’uld. Durch sie wurden die Goa’uld zu intelligenten Wesen. Von diesen fünf überlebte nur Nyx. Alle anderen wurden später von anderen ihrer Art getötet.“ „Und inwiefern ist das von Bedeutung?“ „Ihre Mutter gab ihnen die Erinnerungen des Wesens, das sie befallen hatte, in ihrem genetischen Gedächtnis weiter. Aber es war nicht irgendein Wesen, sondern einer der Alten, der Gründer des Concordiums, jener Spezies, der meine eigene alles verdankt, was sie jetzt ist. Ein derart mächtiger Verstand war zu viel für die primitiven Wesen, die die Goa’uld noch waren. Nyx konnte die Erinnerungen nicht verstehen, die ihre Mutter an sie weitergab.“

    „Und was bedeutet das?“ „Nyx glaubte an eine große Gefahr, eine Bedrohung, die alles Leben in der Galaxie hinwegfegen konnte. Die Angst davor war ihr Antrieb immer mächtiger zu werden. Sie wollte fähig sein dieser Gefahr die Stirn zu bieten. Aber so etwas gibt es nicht. Es gibt keine unaufhaltsame Macht in diesem Universum. Es war alles nur die fehlinterpretierte Erinnerung, die ihre Mutter nicht hatte verstehen können und die sie falsch an ihre Kinder weiter gegeben hatte.“ „Dann sieht sie Gespenster?“ „In gewissem Maße, ja. Aber ich glaube, dass sie mittlerweile selbst begriffen hat, dass viele der Dinge, an die sie sich zu erinnern glaubt, nicht der Wahrheit entsprechen.“
    Geändert von Protheus (10.05.2011 um 17:06 Uhr)
    Die Freiheit des Bürgers heißt Verantwortung.

    (Joachim Gauck)


    "You may belong to any religion[...] - that has nothing to do with the buisness of the state. We are starting with this fundamental principle, that we are all citizens and equal members of one state." (Sir Mohammed Ali Jinnah)

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    Beim Enterkampf im Orion-Arm:

    Das Angriffsteam hatte die ersten Verteidiger, die an der Luftschleuse zusammengelaufen waren, überrumpelt und den Zugang gesichert. Sobald weitere Soldaten von der ‚Selene’ nachgerückt waren, um die Schleuse zu sichern, waren sie weiter in Richtung Brücke vorgerückt. Falkner hatte sein Team schnell vorwärts getrieben. Sie konnten zwei von drei Decks sichern, bevor sie auf ernsthaften Widerstand trafen.

    Der Aufgang zum Oberdeck wurde deutlich heftiger verteidigt, als der Rest des Schiffes. Es gab hier reichlich Deckung, so dass das Feuergefecht merklich in die Länge gezogen wurde. Unter den Gegnern entdeckte Falkner allerdings auch Gestalten, die deutlich bessere Rüstungen trugen, als die einfachen Krieger und in beiden Händen kurzläufige Energiewaffen von brutaler Durchschlagskraft oder Klingen führten. Thanater. Die Elite der Nyxkrieger, ähnlich den Schlangen- oder Falkenwachen der geschlagenen Systemlords. Wenn der Todesorden hier war, musste die Sache wichtig sein. Als die Thanater sich zeigten, kam ihm schlagartig in den Sinn, dass es zu wenige waren. Gerade noch rechtzeitig sah er sich um und entdeckte drei Gegner, die ihnen in den Rücken zu fallen versuchten. Er wirbelte herum und jagte einem von ihnen eine Salve in den Leib. Doch dann war der zweite bei ihm. Er trat ihm das Gewehr das Gewehr aus der Hand und zog noch in der gleichen Bewegung seine Klingen. Falkner hob die Arme zur Parade, um den nächsten Schlag abzublocken, und rief: „Arik, mach den Weg frei!“

    Der Reader reagierte sofort. Er ließ seine Maschinenpistole fallen und riss sich die Blocker von den Schläfen. Seine Augen begannen sich zu verfärben und er holte mit seinem rechten Arm aus, um zuzuschlagen, als mache er Schattenboxen. Doch noch bevor jemand sich darüber wundern konnte, ging von besagtem Arm eine psychokinetische Schockwelle aus, die die Verteidiger am Aufgang aus ihren Stellungen fegte und einige von ihnen mehrere Meter durch das Schiff fliegen ließ. Er setzte sich in Bewegung und ging Kraft für einen neuen Schlag sammelnd auf den Aufgang zu. Der letzte Thanater hatte nun erkannt, wer von den Angreifern die eigentliche Gefahr war und stürzte sich auf Arik. Er war zu dicht am Team, als das jemand ihn hätte erschießen können. Falkner wollte sich dazwischen werfen, doch Noé war schneller. Die Sanitäterin schlug dem Krieger ihr Gewehr in die Seite, so dass er einen Schritt nach links taumelte, und zog dann ihr Messer. Während Falkner gegen seinen Gegner einige Treffer einsteckte und im Vertrauen auf die Rüstung im Grunde genommen nur gegen den Kopf gezielte Schläge abblockte, war sie nur eine Winzigkeit langsamer, als der Krieger. Doch das glich sie durch Finesse mehr als aus. Sie wehrte eine Kombination schneller Schläge ab, dann schaffte sie es ihr Messer hochzureißen und es dem Gegner in den Hals zu rammen. Sie traf die Halsschlagader präzise. Als sie das Messer wieder heraus zog, spritzte Blut aus der Wunde hervor und der Thanater sackte zusammen, als ihm durch den plötzlichen Abfall des Blutdrucks im Gehirn schwarz vor Augen wurde. Falkner fackelte nun auch nicht mehr lang, sondern streckte seinen Gegner mit einer geraden rechten nieder.

    Er sammelte sein Gewehr wieder auf und fragte Noé: „Wo haben sie so kämpfen gelernt?“ „Auf der Straße. Ich bin in der Triton-Kolonie aufgewachsen.“ Er zuckte überrascht mit dem Kopf. Die Kolonie der EU auf dem Neptunmond Triton war ursprünglich binnen kürzester Zeit als Auffanglager für Flüchtlinge von Ganymed aus dem Boden gestampft und genauso schnell wieder geschlossen worden, als der Andrang zu groß wurde und man auch bei den schon aufgenommenen nicht wusste, wo man sie lassen sollte. Mit der Zeit war daraus eine permanente Einrichtung geworden und man hatte eine feste Kolonie errichtet. Und obwohl die Lage sich gebessert hatte, waren große Teile der Kolonie noch Slums, in denen Faustrecht herrschte. „Und woher wussten sie, dass die von hinten kommen würden?“ „Es waren nur drei an der Treppe.“ „Und?“ „Thanater arbeiten entweder allein oder in Teams von sechs Mann“ Mit diesen Worten folgte auch er Arik und den drei anderen des Teams aufs Oberdeck.

    Nachdem sie das Schiff gesichert hatten, machten mehrere Techniker sich schnell daran alles für den Transport bereit zu machen. Dabei hatte eine aktive Kommunikationskonsole auf der Brücke Falkners Aufmerksamkeit erregt. Das dazugehörige Hologramm zeigte eine halb abgefasste Nachricht, die offenbar eine Meldung an das Oberkommando darstellte. Darin hieß es, dass sie ihr Missionsziel nicht mehr erreichen konnten. Als er las, worin dieses Ziel bestanden hatte, wurde ihm klar, dass es ein riesiger Fehler gewesen war das Schiff anzugreifen.

    Wieder auf der Selene hatte er Kapitän van Hooft zu einem Gespräch unter vier Augen gebeten. „Kapitän“, sagte er, „wir müssen die Mission dieses Schiffes zum Abschluss bringen.“ Zuerst wirkte der Flottenoffizier ehrlich überrascht. Er blinzelte ein paar Mal und fragte: „Wie meinen?“ „Jemand hat die Nexus-Station gefunden.“ „Und was soll das sein?“ „Eine zugegebenermaßen ziemlich alte Raumstation. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie jemand anderem in die Hände fällt.“ „Was ist so wichtig an dem Ding?“ Falkner gab einen halb ratlos, halb amüsiert klingenden Laut von sich. „Wie soll ich es erklären… Die Station ist das letzte Überbleibsel eines Portalnetzwerkes, das eine ganze Ecke älter ist, als die Sternentore. Und sie kann ganze Raumschiffe versetzen.“ Van Hooft strich sich durch den Bart. „Und das Schiff, das wir gerade gekapert haben, sollte die Station übernehmen?“ „Auf jeden Fall sollte es verhindern, dass sie jemand anderem in die Hände fällt.“ „Könnte sie noch einsatzbereit sein?“ Falkner breitete die Arme aus. „Keine Ahnung. Sie liegt schon zu lange dort, als dass jemand das sagen könnte. Aber die Möglichkeit besteht.“ „Klingt ernst. Wo ist diese Station?“ „Sektor 970, 30°40’22’’ zu 62043Lj in galaktischen Koordinaten.“ Der Offizier zuckte erschrocken zusammen und sagte hastig: „Moooment. Nichts zu machen. Das ist Aschen-Territorium.“ „Die Sache ist w…“ Van Hooft hob abwehrend die Hand. „Nein, vergessen sie’s. Wenn wir dort erwischt werden, läuft das auf Krieg mit den Aschen hinaus. Ohne Rückendeckung von ganz oben fliegt mein Schiff also keinen Nanometer in diese Richtung. Bringen sie mir die Missionsdateien auf die sie sich beziehen und die Geheimdienstakte über diese Station, dann setze ich mich mit Sarpedon in Verbindung. Mehr kann ich nicht tun.“

    Sichtlich angefressen verließ Falkner den Raum wieder und trottete auf die Luftschleuse zu. Auf dem Weg traf er Arik, der ihn fragte: „Na, wie ist es gelaufen?“ „Ach, halt den Mund. Ich bin jetzt nicht für Sprüche aufgelegt.“ Der Ukrainer schüttelte den Kopf. „He, manchmal hast du das Einfühlungsvermögen einer Dampfwalze, das ist dir hoffentlich klar. Was wolltest du überhaupt vom Kapitän?“ Mit knappen Worten schilderte Falkner Arik die Lage. Anschließend fragte dieser: „Glaubst du, dass die Sache ernst ist?“ „Auf jeden Fall.“ „Und woher weist du über diese Station bescheid? Nur aus dem Computer dieses Schiffes?“ Falkner schüttelte den Kopf und tippte sich zweimal kurz an die Stirn. Arik verstand und sagte: „Okay, das reicht mir. Warte kurz.“ Mit diesen Worten verschwand er kurz. Einige Minuten später kam er mit van Hooft zurück auf die Brücke. Der Offizier wandte sich sofort in Richtung des Cockpits und befahl seinem Piloten: „Schlüter, berechnen sie einen Kurs zu den Koordinaten 30 40 22 zu 62043 und bringen sie uns in den Hyperraum.“ Der Pilot gab die Koordinaten auf seiner Navigationskarte ein. Als er eine Warnmeldung bekam, fragte er: „Sektor 970? Mit oder ohne das erste Schlachtgeschwader?“ „Ohne. Befehl ausführen.“ „Aye, Herr Kaleu.“ Arik gesellte sich indess wieder zu Falkner und raunte ihm zu: „Problem gelöst.“ „Wie hast du das angestellt?“ „Ach, sagen wir einfach ich habe dem guten Kapitän einen kleinen Einblick darein gewährt, was ich in deinem Kopf gesehen habe. Und ich hoffe sie haben recht was diese Station angeht. Wenn wir dieses Risiko nur für einen seit Unzeiten toten Brocken Stahl am Arsch der Galaxie eingehen, atmen wir beide gesiebte Luft, bis wir alt und grau sind.“ Falkner schmunzelte „Wieso wir? Ich erzähl denen, dass das alles deine Idee war.“

    Auf einem Irrläufer im Halo:

    Mons42-a war ein Irrläufer, einer jener Planeten, die aus der Umlaufbahn um ihre Sonne herausgeschleudert worden waren und nun die gewaltige Leere zwischen den Kugelsternhaufen des Halo durchquerten. Dabei hatte er die Bezeichnung ‚Planet’ nicht einmal wirklich verdient. Die Kräfte, die ihn aus seiner alten Umlaufbahn getrieben hatten, hatten ihn in eine Wolke aus Trümmerstücken zerrissen, von denen der größte kaum mehr als viertausend Kilometer im Durchmesser hatte. Er hatte dabei alle Atmosphäre verloren, so dass er nun nur noch eine Ansammlung toter Felsbrocken mitten im Nirgendwo war. Und trotzdem war er Schauplatz einiger der heftigsten Schlachten im Krieg zwischen Nyx und den Antikern des Halo gewesen. Die wenigen Gesteinsplaneten, die es hier gab, waren abseits der galaktischen Scheibe die einzige Quelle für Metalle und andere schwere Elemente. Keine der beiden Kriegsparteien besaß die Technologie Energie zu Materie zu konvertieren, doch die Kriegsmaschinerien beider Seiten hatten einen unbändigen Hunger nach Rohstoffen. Dadurch wurde die Kontrolle über diese Orte zu einer Frage des Überlebens.

    Dies war einer der Gründe, warum Legat Milio Callidus die letzten drei Monate, in denen die neunte Legion sich sehr ruhig und defensiv verhalten hatte, genutzt hatte, um die Rückeroberung von Mons42 zu forcieren. Er selbst hatte die letzte Angriffsarmee der Antiker angeführt, die diesen Ort vor zuletzt achtzig Jahren Nyx abgenommen hatte. Damals hatte es sie acht Monate und mehr als neuntausend Tote gekostet. Die Verluste an Material waren sogar noch ungleich höher gewesen. Dieses Mal hingegen hatten sie schon nach drei Monaten den größten Teil der Planetoiden erobert. Und er war entschlossen alles gesichert zu haben, bevor die Legion wieder in die Offensive gehen konnte. Er stand gerade mit mehreren höheren Offizieren in einem vorgeschobenen Kommandostand unweit der Front. Sie hatten sich um ein Hologramm versammelt, das die Umgebung als vergrößerten Ausschnitt der Planetoidenoberfläche zeigte.

    „Meine Truppen stehen im Moment elf Kilometer von der nächsten Stellung des Feindes entfernt“, erklärte der Kommandant einer Tripoiden-Einheit. „Wir liegen unter heftigem Beschuss durch Drohnen. Unsere Schilde halten im Moment noch, aber schwere Verluste werden bei weiterem Vorgehen unvermeidlich sein.“ Milio vergrößerte den entsprechenden Ausschnitt der Karte und legte eine Linie darüber, die die Reichweite der Artilleriedrohnen zeigte. „Lassen sie ihre Truppen hinter diese Linie zurückfallen und gruppieren sie sich neu. Ich schicke ihnen eine Einheit Infanterie zur Unterstützung. Greifen sie in drei Spitzen an, sobald die Infanterie in Reichweite ist. Wenn wir sie zwingen ihr Feuer aufzuteilen, fällt die Stellung in wenigen Stunden.“ Der Offizier nickte. Milio wollte gerade weitere Befehle erteilen, als eine Eilmeldung von den im Orbit stehenden Schiffen ihn erreichte. Ein kleines Hologramm eines Schiffsführers wurde über den Projektor eingeblendet und überlagerte die taktische Karte. „Legat, wir haben eine große Zahl feindlicher Schiffe ausgemacht, die den Hyperraum verlassen.“ „Details?“ „Neun Kreuzer der ‚Aurora’-Klasse, fünf schwere Drohnenträger und ein Schlachtschiff der ‚Aurastor’-Klasse.“ Er fluchte lautlos. Zu viel für einen Hit’n-Run Angriff. Das war die Offensive, die er die gesamten letzten drei Monate durch erwartet hatte. „Positionieren sie ihre Schiffe für einen Abwehrschirm. Keiner darf durchkommen. Und befehlen sie dem Weltenschiff zwischen uns und dem Feind in Position zu gehen.“

    Der Schiffsführer bestätigte und das Hologramm schaltete sich ab. Milio schnappte sich einen Waffengurt, der über einem Stuhl im Kommandostand hing, und sagte den Offizieren: „Alle Angriffspläne sind vorerst aufgeschoben. Zurück zu ihren Einheiten und halten sie die Stellung. Wir dürfen keinen Millimeter nachgeben, sonst wirft uns das um Wochen zurück.“ Die Männer salutierten noch einmal vor ihm, dann verschwanden sie alle in Lichtblitzen. Er legte sich den Waffengurt an, setzte sich den Helm auf, der ihn vor dem harten Vakuum außerhalb des Standes schützte, und trat durch den Atmosphärenschild nach draußen. Am Himmel über ihnen funkelte die Scheibe der Milchstraße in aller Pracht. Doch darüber schob sich der gigantische Schatten des Weltenschiffes, das sich anschickte dem Gegner die Einflugschneise zu blockieren. Er lächelte. Die Weltenschiffe waren ihre unverwundbaren Bastionen. In vielerlei Hinsicht, wie sich heute zeigte. Mit ausholenden Schritten, von denen jeder ihn in der niedrigen Schwerkraft mehr als acht Meter weit trug, lief er zu den Einheiten, die einige Kilometer weiter die Spitze seines Vorstoßes bildeten. Er würde diese elende Frontlinie halten. Sollten sie nur kommen.

    Schon die erste Angriffswelle war heftig. Hunderte Legionäre wurden unterstützt von tausenden Kampfmaschinen und massivem Drohnenbombardement in die Schlacht geworfen. Auf den mehr oder weniger offenen Gesteinsebenen waren die Verluste gewaltig. Es war ein würdeloses, brutales Gemetzel. Aber trotzdem hatten Milios Männer es geschafft die Linien zu halten. Zumindest so lange, bis auf einmal eine von starken Schilden geschützte Artilleriestellung vernichtet wurde. Nicht nur die Geschütze, sondern die ganze Hügelkuppe wurde wie von unsichtbarer Hand zerfetzt. Er wusste, was dieser Anblick bedeutete. Als er sah, wie der Hügel weggesprengt wurde und danach über die Kommunikation die verzweifelten Hilferufe der Soldaten hörte, die in den umliegenden Stellungen lagen, sagte er seinem Adjutanten nur: „Sagt Hekate bescheid.“ Dann schnappte er sich ein Fahrzeug und fuhr so schnell wie möglich zum Hügel.

    Dort angekommen schwang er sich aus dem Fahrzeug, noch bevor es ganz zum Stillstand gekommen war. Flankiert von den Soldaten, die ihn begleiteten, rannte er auf die Schützengräben zu, die hier um die Artilleriestellung herum angelegt worden waren. In der ganzen Stellung wimmelte es von Kampfrobotern. Sie erledigten mehrere davon, doch sie interessierten Milio nicht wirklich. Sein eigentliches Ziel war der Herr dieser Maschinen. Sie rückten weiter vor und er stürmte gerade noch rechtzeitig um eine Ecke, um zu sehen, wie ein Antiker, der nur von einem Schildkristall vor dem Vakuum geschützt wurde, von einem Verteidiger mit einem direkten Treffer aus einer schildbrechenden Waffe am Kopf erwischt wurde. Doch anstatt dass es ihn pulverisierte, heilte die Wunde fast schon schneller wieder ab, als die Energie sich in sein Fleisch hineinfressen konnte. Dann streckte er einfach nur die Finger aus und pulverisierte den Soldaten. Nach einer Schocksekunde reagierten Milio und seine Männer.

    Während die Soldaten die anwesenden Kampfroboter zerstörten, ging der Legat auf den Antiker zu und schoss. Er pumpte drei, vier Volltreffer in seinen Gegner hinein, doch der stand wie ein Fels. Tatsächlich grinste er ihn sogar breit an. „Hallo Milio…“ Mit der Geschwindigkeit einer Schlange ließ er seine Hand vorschnellen und schleuderte den Legaten psychokinetisch von den Füßen. Der stöhnte vor Schmerz, rappelte sich dann aber wieder auf und sah den anderen finster an. „In ihm hast du dich nun also versteckt.“ Der Antiker breitete die Arme aus. „Oh ja. Ein äußerst williges Gefäß muss ich sagen. Ein wahrer Diener des alten Blutes. Ich glaube ich werde ihn noch etwas länger benutzen.“ Der Aufgestiegene lächelte breit und ging auf ihn zu. Die Soldaten richteten nun ihre Waffen auf ihn und konzentrierten ihr Feuer, doch die Kraft des aufgestiegenen Wesens heilte die Wunden ihres Wirts sofort wieder ab. Milio schwang seine Waffe nun wie einen Kampfstab und wollte auf seinen Gegner losgehen, doch dieser zuckte nur ein weiteres mal kurz mit dem Handgelenk und ließ dieses mal nicht nur den Legaten, sondern die ganze Gruppe durch den Graben fliegen. Aber bevor er ihnen den Todesstoß versetzen konnte, tauchte auf einmal eine schwarz gewandete weibliche Gestalt auf.

    Der Aufgestiegene drehte sich um und grinste fröhlich. „Ah, meine Lieblings-Goa’uld ist da. Also, schreiten wir zur Gewalttat, du Missgeburt.“ Die beiden Kontrahenten gingen aufeinander los. Es war kein physisches Duell, sondern ein mentales. Einfache Menschen konnten die Käfte, die sie gegeneinander entfesselten, nicht sehen, doch die freigesetzten Energien ließen den ganzen Hügel erzittern. Milio stemmte sich wieder auf die Füße und half seinen Männern wieder hoch zu kommen. Sie mussten verschwinden. Das hier war kein Kampf für Menschen. Während sie sich zurückzogen bemerkte Milio allerdings, wie der Antiker mit seinem Kommunikator noch ein kurzes Signal absetzte. Was hatte er vor? Nur wenige Augenblicke später kam eine Meldung von der Flotte, die besagte: „Legat, wir haben hier einige merkwürdige Sensoranzeigen.“ „Spezifizieren.“ „Es sieht aus, als würde jemand Wurmlöcher öffnen.“ „Wurm… VERDAMMT, BRINGEN SIE DIE FLOTTE SO SCHNELL WIE MÖGLICH HIER RAUS!“ Die Warnung kam zu spät. Nur einen Lidschlag später feuerten die Antikerschiffe im Orbit mehrere Wurmlochwaffen auf die Flotte und das Weltenschiff ab. Von der Anziehungskraft der Waffe fest gehalten konnte das gewaltige Schiff nicht entkommen und wurde langsam in Stücke gerissen. Verzweifelt schaltete Glich sein Kommunikationsgerät auf ein Relais zur Langstreckenkom, das sich im Kommandostand befand und versuchte die anderen über den Halo verteilten Geschwader zu erreichen. Von dreiundvierzig Weltenschiffen erreichte er nur drei. Alle anderen wurden gerade selbst angegriffen. Ihm wurde klar, was hier passierte. Sie, ihre ganze Zivilisation, wurde gerade ausradiert. Er hörte die Stimme des Aufgestiegenen in seinem Kopf, der Nyx telepatisch zubrüllte: „Wo sind sie jetzt, deine Gläubigen?!“ Er wusste was jetzt passieren würde. Mit zitternder Stimme befahl seinen Soldaten zu rennen.

    Sie flüchteten zurück zur Hauptkampflinie. Er befahl so viele Männer und Schiffe wie möglich zu den noch sicheren Weltenschiffen zurück zu ziehen und ging selbst in den Kommandostand zurück, um den Rückzug zu koordinieren. Als er dort eintrat, durchzuckte ihn ein scharfer Schmerz, wie ein Schrei. Er wusste, was es bedeutete. Als er übergelaufen war, hatte er Nyx Geist berührt. Seitdem bestand eine Verbindung zwischen ihnen, wie zwischen ihr und Hekate, die ihn fühlen ließ, was passiert war. Die Herrin war tot. Jetzt gab es nur noch einen Weg, wie er diese Leute retten konnte. Er setzte sich im Schneidersitz hin, legte die Hände auf die Knie und begann ruhig durchzuatmen. In wenigen Augenblicken hatte er sich in seine Meditation versenkt. Langsam ließ er los und spürte, wie sein Geist sich von seinem Körper löste. Der Aufstieg… Doch dann wurde er brutal wieder in sein Fleisch zurück gedrängt. Ein Schlag, der ihn durch den ganzen Kommandostand fliegen ließ, holte ihn zurück in die Wirklichkeit. Blut spuckend drückte er sich wieder auf die Füße und sah den Antiker vor sich stehen. Der lächelte glücklich und sagte: „Dachtest du ich lasse das so einfach zu? Dass du den letzten Schritt machst und mich vernichtest? Noch bist du nicht mehr als ein kümmerlicher kleiner Haufen Zellen. Du bist nichts.“

    „Und du bist ein elendes Monster. Du hast gerade ein ganzes Volk vernichtet. Du hast Milliarden ermordet!“ Der andere lachte. „Ach, erspar mir dieses kleinkarierte aufrechnen von Zahlen. Ich habe Millionen gerettet. Millionen meines Volkes. Und jedes Leben alten Blutes wäre allein schon alle Leben dieses kümmerlichen Volkes wert gewesen.“ Voller Wut schrie Milio: „Nein!“ Dann schlug er mit aller psychokinetischen Kraft, die er aufbringen konnte, zu. Es war wie der Angriff einer Ameise gegen einen Dinosaurier. „Hach, immer noch der Kämpfer, was? Kein Wunder dass du mal meine größte Hoffnung warst.“ „Bestie.“ „Oh, das tut jetzt wirklich weh. Ich tue nur was das Beste für mein Volk ist.“ „Du machst uns zu Schlächtern und Mördern. An den Händen unserer Kindeskinder wird noch das Blut deines unsäglichen Krieges kleben.“ Der Antiker schüttelte den Kopf. „Dass du immer so eindimensional denken musst. Dieser Krieg… ist unbeschreiblich. Was er aus uns gemacht hat… Vor diesem Krieg waren wir nicht mehr als ein arroganter Haufen, der sich auf dem Thron des Halo wähnte. Dekadent, dem langsamen Verfall preisgegeben. Aber der Krieg, der Wettbewerb mit diesen Primitivlingen, hat die größte aller Zivilisationen wieder zu alter Stärke erhoben. Ich mag diesen Krieg. Ich liebe diesen Krieg. Er ist mein Werk, mein Kind. Er ist das Beste, was uns ja passiert ist und er wird weiter gehen. Wir werden zu alter Größe zurückkehren.“ „Du bist völlig krank!“ „Nein. Nein, bin ich nicht.“ Mit diesen Worten schlug der Antiker zu und ließ den Legaten, für den der Titel Verräter ein Jubelruf gewesen war, zu Staub zerfallen.“

    Auf der ‚Selene’:

    Mit den leistungsstarken Triebwerken der ‚Selene’ war es nachdem der LI die galaktischen Hyperantriebe zugeschaltet hatte nur ein Flug von wenigen Stunden bis zum Ziel gewesen. Kapitän van Hooft hatte die Fregatte schließlich mit aktivierten Emissionsspeichern aus den Hyperraum fallen lassen und einen optischen Scann des Systems durchführen lassen. Sie hatten schnell erkannt, dass sie sich in den Ausläufern eines großen Nebels befanden, der in diesem Sonnensystem lichter war. Nach einer guten halben Stunde hatten die Sensoren schließlich gefunden, was sie gesucht hatten: Die Nexus-Station.

    Ein Abbild der gewaltigen Raumstation, die von einem Ende bis zum anderen mehrere tausend Meter maß, schwebte als dreidimensionales Bild im Anzeigeschirm des Besprechungs- und Kommunikationsraumes der ‚Selene’. Sie war von geschwungener, fließender Form und in ihrem Zentrum saß ein achthundert Meter durchmessender Kreisring, der an ein Sternentor erinnerte. Die versammelten Soldaten und Offiziere beobachteten die Station eine Zeit lang, dann sagte Nikolai: „осужда́ть, ist das Teil riesig. Wie sollen wir das mit elf Mann sichern?“ Er machte dabei eine Geste, die das Boardingteam, EKST2 und Arik einschloss. „Ich mache mir um etwas ganz anderes Sorgen“, erwiderte van Hooft. Er gab ein paar Befehle in die Steuerkonsole des Bildschirms ein und vergrößerte einen Ausschnitt. Man sah drei Schiffte in recht dichter Formation vor der Station stehen. Es waren massiv gebaute, klobige Einheiten, denen jegliche Eleganz abgängig war. „Aschen-Kreuzer“, konstatierte er lakonisch. „Was bedeutet das für uns?“ „Das wir ein ziemlich großes Problem haben. Wir hätten nicht einmal gegen einen eine reelle Chance. Drei können wir gleich vergessen.“ „Möglich“, warf Falkner ein. „Aber es gibt hier etwas, für das drei Kreuzer ein schlechter Witz wären.“ „Und was?“ Er deutete auf das Hologramm. „Die Defensivsysteme der Station. Die Anlage hat ganz eindeutig noch Energie.“

    „Falls wir wüssten wie man sie aktiviert und ich betone: falls, dann müssten wir es zuerst zu einer Kontrolleinheit schaffen. Und dafür sehe ich schwarz.“ „Das ist kein Problem“, log Falkner. „Die Dateien des gekaperten Schiffes enthielten eine genaue Anleitung für die Bedienung der Station.“ „Sie können das Ding also aktivieren?“ Er nickte. „Dann sieht die Sache gleich ganz anders aus. Wir haben nur ein anderes Problem. Wir sind mitten im Aschen-Territorium. Wir könnten die Station nicht halten“, gab der Kommandant des Boarding-Teams zu bedenken. Van Hooft antwortete darauf: „Das steht auch gar nicht zur Debatte. Sie gehen rein, drücken auf die Selbstzerstörung und lassen sich wieder aufsammeln. Für alles andere sind wir nicht ausgerüstet.“ Der Offizier nickte. „Verstanden. Wie ist unsere Politik im Bezug auf die Aschen?“ „Erst schießen, dann fragen stellen. Sie dürfen die Station nicht bekommen.“

    Kurz darauf auf der Station:

    Ein Entertrupp der Aschen hatte den Kontrollraum der Station gesichert. Der zuständige Kommandant sah sich aufmerksam, aber doch mit ausdrucksloser Miene um. Die Architektur dieses Ortes hatte zweifelsohne etwas buchstäbliches Uraltes an sich. Alles erinnerte an das Werk einer Zivilisation, die auf ihrem Höhepunkt angelangt war und es sich leisten konnte über das Funktionelle heraus dem Ästhetischen Beachtung zu schenken. Eine Denkweise, mit der die Aschen nichts anzufangen wussten. Dinge, sei es ein einfaches Schreibgerät, sei es eine Station wie diese, hatten Funktionen zu erfüllen. Alles andere war ohne Belang. Trotzdem kam er nicht umher zu bemerken wie hoch die Technologie an diesem Ort entwickelt war. Für einen Moment dachte er darüber nach, ob er diesen Fund seinem Auftraggeber wirklich melden sollte, kam aber zu dem Schluss, dass es so das Beste war. Die Aschen konnten nicht wirklich etwas mit diesem Ort anfangen. Er tangierte ihre Interessen schlich und ergreifend nicht.

    Er zückte ein Kommunikationsgerät, das ihm gegeben worden war, damit er den Auftraggeber erreichen konnte. Er hatte es einmal untersucht und festgestellt, dass es ein Signal an ein Relais leitete, dass es weiter in den Halo der Galaxie umleitete. Er hatte keine Vorstellung gehabt, dass dort eine Zivilisation existierte. Aber er war der Sache nicht weiter nachgegangen. Einerseits hatten seine Vorgesetzten ihm verdeutlicht, dass sie in der Macht, die dieser Mann repräsentierte, einen möglichen Bündnispartner sahen, andererseits lag es außerhalb seines Interessenbereiches. Er legte den Kommunikator vor sich und aktivierte ihn. Es dauerte einen Moment, dann erschien das Hologramm eines Mannes in einer ihm unbekannten Militäruniform, der über das ganze Gesicht grinste, als habe er gerade einen großen Sieg errungen. „Kommandant, was haben sie zu berichten?“ „Wir haben den von ihnen gesuchten Ort gefunden und gesichert. Die Anlage ist noch intakt und allem Anschein nach funktionstüchtig.“ Der andere ließ ein erfreutes, leises Lachen vernehmen. „Hervorragend. Halten sie ihre Position. Ich schicke jemanden, der die Anlage von ihnen übernimmt und ihnen ihre Bezahlung zukommen lässt. Und seien sie versichert: Ich bin sehr zufrieden.“ Der Aschen nickte. „Hervorragend. Wir erwarten ihre Ankunft.“ Er schaltete das Kom wieder ab. Dann wurde sein Kopf von einem Hohlmantelgeschoss getroffen und explodierte wie eine überreife Frucht.

    Die Europäer hatten sich von der Luftschleuse am kürzeren Ende der Station aus, wo die ‚Selene’ sie abgesetzt hatte, bis zum Kontrollraum über dem Tor vorgearbeitet. Sie hatten dabei mehrere Aschen ausschalten müssen. Die meisten davon hatten sie schnell und effizient aus dem Hinterhalt heraus erledigen können. Als sie sich nun bereit machten den Kontrollraum zu stürmen hörten sie aus dem Inneren ein Gespräch, was alle hellhörig werden ließ. Erfahrungsgemäß neigten die Aschen nicht zu belangloser Konversation, weshalb man immer genau zuhören sollte, wenn sie etwas sagten. Zwei Soldaten stemmten die Zugangstüren ein paar Zentimeter weit auf und Falkner, Arya und der Offizier des Boarding-Teams warfen nacheinander einen Blick hinein. Sie sahen einen der Aschen, offenbar den Anführer – seine Kleidung hatte eine andere Farbe – der über einen Kommunikator mit jemandem sprach. Als sie das dazu gehörende Hologramm sah, murmelte Arya: „Das ist eine Antiker-Uniform.“ „Dann wissen wir jetzt wer dahinter steckt“, meinte Falkner. Ein Grund mehr die Sache zu Ende zu bringen. Denkt daran: Schnell und präzise schießen. Wenn wir denen eine Chance lassen ihre Schilde zu aktivieren sind unsere Waffen nutzlos.“

    Sie öffneten die Tür noch etwas weiter. Dann gingen Arya und ein Soldat des zweiten Teams mit ihren Designated-Marksman-Gewehren in Position. Zwei fast gleichzeitig abgegebene Schüsse schalteten zwei der Gegner aus. Dann stürmten die Teams hinein. Julius schaltete noch einen weiteren Gegner aus und Nikolai erledigte einen, indem er ihm sein Messer in den Kopf warf. Dann hatten die Aschen reagiert. Sie aktivierten ihre Schilde und eröffneten aus Strahlenwaffen das Feuer. Die Kugeln der irdischen Soldaten waren gegen die Kraftfelder völlig wirkungslos. Doch sie hatten die Rechnung ohne Arik gemacht. Der Reader tötete die letzten Gegner, indem er ihnen mit solcher Kraft psychokinetisch gegen den Hals schlug, dass ihnen das Genick gebrochen wurde.

    Als es vorbei war trat Falkner mit schnellen Schritten auf ein leicht erhöhtes Podest in der Mitte des Raumes. Er legte sein Gewehr beiseite und schüttelte die Arme kurz aus, als wolle er sie lockern. Einer der Soldaten fragte unterdessen: „Was zur Hölle ist hier eigentlich los? Warum kämpfen wir hunderte Lichtjahre hinter der Grenze im Aschen-Raum um eine uralte Raumstation und versuchen sie dann auch noch einem Antiker vorzuenthalten?“ „Verabschieden sie sich von der Vorstellung des noblen Antikers, Feldwebel. Die mit denen wir es hier zu tun haben sind nicht annähernd so nett, wie sie glauben.“ „Und was hat es mit dieser Station auf sich?“ „Diese Station wurde vom ältesten intelligenten Volk der Milchstraße gebaut, das wir kennen“, antwortete der Major. „Sie ist in der Lage über die Grenzen unserer Galaxie hinaus Wurmlöcher zu generieren, ohne dass dazu ein Sternentor als Ziel nötig wäre. Die Wege können buchstäblich ins Nichts geöffnet werden.“ Während er diese Worte aussprach, begann die Plattform auf der er stand auf einmal aufzuleuchten. Er öffnete die Augen wieder und hob die Hände. Vor ihm erschienen holographisch projizierte Bedienelemente. Er fing an Befehle einzugeben. Dabei schob er immer wieder einige Elemente beiseite und holte andere mit einfachen Gesten heran. „Die ganze Anlage ist auf Reserveenergie“, erklärte er. „Aber das haben wir gleich.“ Er gab noch eine Befehlssequenz ein, dann erwachte die Station wieder zum leben, als der Hauptreaktor neu initiiert wurde.

    Die meisten Soldaten sahen sich erschrocken um. Während Falkner auf eine Weise mit den Befehlselementen hantierte, die keiner von ihnen verstand, fragte Arya: „Major, was ist hier los?“ „Ganz ehrlich, Hauptmann? Ich habe keine Ahnung. Ich weis nur dass dieser elende Antiker mir auf Kanaan irgendetwas in den Kopf gepflanzt hat, das alle Alarmglocken hat läuten lassen, als ich gesehen habe, dass die neunte Legion hinter dieser Station her war. Ich weis nicht was sie damit wollen, ich weis nur was sie damit anrichten könnten. Und was immer auch sie damit vorhaben kann uns nicht gefallen. Ich glaube dass alles, was wir bis jetzt erlebt haben, nur ein schwacher Vorgeschmack war. Wir taumeln hier in eine Sache rein, die zehntausend Mal größer ist als jeder von uns. Bei den Kräften, die hier am Werk sind können wir unsere Gewehre beiseite legen und stattdessen gleich mit Wattebäuschen werfen. Im Moment kann ich nur einen weiteren Spieler in die Sache involvieren, der bessere Chancen hat, als wir.“ „Und wie wollen sie das anstellen“, fragte der Offizier des anderen Teams misstrauisch. „Ich verklickere den Erbauern dieser Station, was hier abgeht.“

    In diesem Moment kam über Funk eine Meldung der ‚Selene’ herein. „Major Falkner, es gibt Schwierigkeiten. Die Aschen haben bemerkt dass sie da sind und weitere Truppen auf die Station transportiert. Außerdem registrieren wir ein Schiff im Anflug durch den Hyperraum.“ „Roger. Fliegen sie in den Portalring der Station hinein.“ „Was?“ „Vertrauen sie mir, Kapitän.“ Falkner rief eine holographische Außenansicht der Station auf. Nach einigen Augenblicken konnte man sehen, dass die Selene tat, wie ihr geheißen. Als sie im Ring war, aktivierte Falkner die Teleportersysteme. Die drei Ringe, aus denen der Transporter bestand, setzten sich in Bewegung. Anders als bei einem Sternentor fingen sie allerdings an wie bei einem Gyroskop zu rotieren. Der Major stellte noch die Zielkoordinaten ein, dann war die Fregatte plötzlich weg. „Wo haben sie…“ „In den Orbit des Pluto. Und jetzt kommen sie mit. Ich habe einen allgemeinen Hilferuf abgesetzt und ich will nicht hier sein, wenn jemand ihn beantwortet.“ Er führte die anderen Soldaten einige Räume weiter, wo eine kleinere Version des großen Schiffsportals in eine Art Torraum aufgebaut war. Er aktivierte die Anlage mit zeitlicher Verzögerung und stellte ein Ziel ein. Dann wies er alle Soldaten an sich hinein zu stellen. Die Ringe begannen um sie herum zu rotieren und alles wurde in ein helles Licht gehüllt. Dann wurden sie in ein Wurmloch hineingezogen, wie das einen Sternentores. Nur dass sie, als sie es wieder verließen, auf einmal in einem leeren Lagerraum des STK standen, hunderte Meter weit vom Tor entfernt. Als sie ihre fünf Sinne wieder beisammen hatten, richteten die Männer des Boardinteams ihre Waffen auf Falkner. „Major“, sagte ihr Offizier, „ich glaube sie müssen uns einiges erklären.“

    An der Station fiel indess ein Schiff der neunten Legion aus dem Hyperraum. Es war ein einfacher Kurier, der einige Offiziere absetzen sollte. Doch als sie sich der Station näherten sahen sie, wie sie aktiv wurde und irgendetwas weggeschossen wurde. Dann, drei, vier Minuten später, registrierten ihre Sensoren, wie sich ein gewaltiges von unbekannter Quelle induziertes Energiefeld, das aber unzweifelhaft von der Station artverwandter Technologie erzeugt worden war, um die Station herum ausbreitete und sie verschwand.

    Im Centaurus-Arm:

    Der Consu legte eine Pause ein, offenbar schon von den Worten, die er mit Jules gewechselt hatte entkräftet. Sie ließ ihm ein paar Sekunden, dann stellte sie ihre nächste Frage: „Einer ihrer Leute sagte mir sie kämpfe gegen Antiker. Im Halo der Galaxie. Wie kann das sein?“ „Ah ja, die Antiker“, murmelte der Arthropode. „Die neunte Legion. Wir hatten vermutet, dass sie noch existiert. Sie sind damals aus einer Schlacht gegen uns geflohen. Der Halo war der einzige Ort, an den sie gehen konnten. Ich hatte keine Ahnung, dass sie immer noch existieren. Aber wenn sie es sind wunderte es mich nicht, falls sie gegen Nyx Krieg führen.“ „Aber warum?“ „Ich weis es nicht. Wir mischen uns nicht mehr in die galaktischen Machtspielchen ein, kleiner Mensch. Wir haben vor über zehntausend Jahren einen Krieg geführt. Vorher hielten wir die Plasmawaffen und Raketen, wie die Alten sie uns vor langer Zeit gegeben hatten, um ihr Reich zu verteidigen, für unaufhaltsam. Aber im Krieg gegen die Antiker haben wir realisiert, dass sie uns nicht mehr gegeben hatte, als Faustkeile und Knüppel. Und welche Weisheit dahinter steckte. Sobald ein Volk zu bestimmten Dingen fähig ist, sollte es nie mehr kämpfen, denn das, was es dabei anrichten könnte, wäre unaussprechlich. Deshalb haben wir alles das hinter uns gelassen.“

    „Wie?“ „Das Concordium verdanke seine Existenz nur einem einzigen letzten Befehl, den die letzten Alten uns gegeben haben. Wir sollten die jungen Völker der Milchstraße beschützen. Im Krieg gegen die Antiker haben wir aber mehr Schaden angerichtet, als abgewandt. Als dann die Goa’uld auftauchten haben wir deshalb die Welten aller intelligenten Völker, die finden konnten und die nicht fähig waren sich selbst zu schützen, in Sicherheit gebracht.“ „Die Welten?“ „Ja. Wir haben ganze Sternensysteme, sich entwickelnde wie unsere eigenen, in einen Teil dieser Galaxie versetzt, in dem es keine Sternentore, keine Kriege und keine aufstrebenden Tyrannen gab und diese Systeme im Hyperraum von der restlichen Galaxie getrennt. Es ist unser Refugium, in dem wir sie beschützen und ihnen Zeit verschaffen konnten sich selbst zu entwickeln. Wir das Refugium seitdem nicht mehr verlassen haben. Fünf Jahrtausende lang. Es war das Beste so.“ „Aber…“ „Kein Aber. Wir haben damals eine Entscheidung getroffen, an der es nichts mehr zu rütteln gibt. Und was in dieser Zeit im Halo geschah weis ich nicht.“ Jules schwieg für einen Moment. Dann sagte sie: „Dann gewährt mir noch eine letzte Frage.“ „Meinetwegen auch mehr. Stellt sie.“

    „Ihr habt selbst gesagt, dass es keine unaufhaltsame Macht im Universum gibt. Gibt es also auch einen Weg aufgestiegene Wesen zu vernichten?“ Der Consu schwieg für einige Augenblicke und dachte nach. Dann sagte er: „Ja, den gibt es. Die Alten besaßen Maschinen, die das zu bewerkstelligen vermochten.“ „Und wie funktioniert es?“ „Es ist keine Vernichtung im herkömmlichen Sinne. Die Kräfte des Aufgestiegenen werden vielmehr neutralisiert. Und es ist keine gerichtete Waffe. Sie richtet sich vielmehr gegen alle, die sich im Wirkungsbereich befinden.“ „Wo kann man etwas darüber herausfinden?“ „Mir ist nur ein einziger Ort bekannt. Aber der ist für euch unerreichbar, kleiner Mensch.“ „Lehte“, sagte Thaliana. Der Consu winkte mit seinen Tentakeln, was offenbar einem Nicken entsprach. „Und wenn ihr von diesem Ort gehört habt, dann wisst ihr auch, dass man ihn meiden sollte.“ „Ja.“ „Also gut“, sagte Jules. „Ich danke…“

    Sie kam nicht dazu den Satz zu beenden. Mehrere Alarmsignale, die von Sensorstationen des Schiffes abgegeben wurden, unterbrachen sie. Der Consu gab einige undefinierbare Laute von sich und krabbelte – Jules konnte sich einfach nicht dazu durchringen diese Fortbewegung als Laufen zu bezeichnen – mit schnellen Schritten zu einer davon. Er rief die gemessenen Daten ab und sagte dann: „Das kann nicht sein…“ „Was ist los?“ „So etwas darf einfach nicht passieren.“ Thaliana trat neben das mächtige Wesen an die Konsole und warf einen Blick darauf. „Abnormale Subraummesswerte“, meinte sie an Jules gewandt. Dann fragte sie den Consu in ihrer eigenen Sprache, was das zu bedeuten habe. Er antwortete. Sie ging zu Jules zurück und sagte leise: „Er sagte, dass die Messwerte auf den Einsatz von Wurmlochwaffen hindeuten. Solche Waffen verursachen Schockwellen im Subraum, die noch über weite Distanzen registriert werden können. Aber wenn die Schocks so stark sind, müssen es sehr viele Waffen auf einmal sein.“

    Wurmlochwaffen. Er Begriff ließ etwas bei Jules klingeln. Die Schlacht um Elysium. Sie hatte davon aus den Medien erfahren. Militärs der EU hatten später selbst von einer Wurmlochwaffe gesprochen, die angeblich aus alten Arsenalen der Antiker gekommen sein sollte. Sie trat an den Consu heran. „Werden die Waffen im Halo abgefeuert?“ „Ja.“ „Das einzige Mal, das ich vom Einsatz einer solchen Waffe gehört habe, wurde sie benutzt, um ein Schiff zu vernichten, das als fliegende Kolonie gedient hat. Und wenn jemand sie dort gerade verschießt wie Böller zu Silvester, dann wohl kaum für ein Zielschießen.“ Er wandte sich von der Konsole ab. „Was immer auch ihr damit sagen wollt.“ „Oh, das versteht ihr schon sehr genau.“ „Es ist egal.“ „Nein, ist es nicht. Wenn ich mit meiner Vermutung recht habe, wird dort gerade Völkermord begangen.“ „Es ist nichts, was mich interessieren würde.“ „Das glaube ich euch nicht.“

    In einer ruckartigen Bewegung drehte er sich zu ihr um. „Ich kann nichts tun.“ Sie war nicht wirklich in der Lage aus seinem Verhalten Gefühlsregungen abzuleiten, aber in diesem Moment hatte sie das Gefühl, dass er Angst hatte. Ruhig und darauf bedacht ihn nicht zu reizen sagte sie: „Doch, könnt ihr. Der Mann durch den ich überhaupt erst hier her gelangt bin glaubte daran, dass eure Völker mächtig genug sind hier etwas zu bewegen. Also stellt euch die Frage warum ihr euer Refugium geschaffen habt. Habt ihr es nur getan um einen Befehl zu befolgen oder um zu beschützen? Wenn es das Zweite war, dann könnt ihr jetzt nicht einfach wegsehen.“ Er zögerte noch einen Moment lang, dann stieß er einen unverkennbar wütenden laut aus. „Schande über euch, Menschenwesen.“ „Warum?“ „Weil ihr einem Sterbenden das Gefühl gegeben habt noch gebraucht zu werden.“ Er trat an eine der Konsolen und gab einige Befehle ein. Durch die Sichtfenster konnte man sehen, dass das Schiff plötzlich seinen Kurs änderte und sämtliche Kampfdrohnen mit einschwenkten. Sie beschleunigten und sprangen in den Hyperraum.

    Der Sprung dauerte nur wenige Minuten, dann fielen sie im Halo wieder in den normalen Raum zurück. Unter ihnen lagen die Überreste eines Planeten, zerbrochen zu mehreren Planetoiden, die vom Licht eines riesigen Wurmlochprojektils erhellt wurden, das gerade ein Weltenschiff, von dem die Scanns deutlich zeigten, dass es unbewaffnet war, verschlang. Es war nicht mehr zu retten. Doch ein anderes war es offenbar noch, denn es fanden noch dimensionale Transporte von der Oberfläche der Planetoiden, offenbar ein großes Schlachtfeld, zu einem anderen Ort statt. Der Consu peilte die Position dieses Schiffes über die Transporte an und sprang sofort in die entsprechende Richtung.

    Als sie dort ankamen, sahen sie eine Reihe von Kreuzern, die verzweifelt versuchten ein überlegenes Geschwader der neunten Legion von ihrem Weltenschiff fern zu halten. Das plötzliche auftauchen des Concordiumskreuzers und seiner Flotte aus waffenstarrenden Drohnen, der sich zwischen die Angreifer und das Weltenschiff stellte, ließ die Antiker zuerst innehalten. Als das Weltenschiff jedoch die Chance nutzen wollte, um in den Hyperraum zu flüchten, griffen sie trotzdem an. Ihre Kreuzer warfen sich aus allen Rohren feuernd gegen die Drohnen und versuchten dem Träger, der die Wurmlochwaffe an Bord hatte, den Weg frei zu machen. Als der Consu erkannte welches Schiff die Vernichtungswaffe trug, ließ er alle Drohnen ihr Feuer darauf konzentrieren. Die schnellen Fighter zerlegten das Antiker-Schiff binnen weniger Augenblicke durch konzentriertes Feuer, doch der untergehende Träger feuerte seine Wurmlochwaffe im letzten Moment noch ab. Es war mehr ein Schuss aus der Hüfte heraus, aber es reichte. Das Projektil würde das hoffnungslos langsame Weltenschiff streifen, was völlig ausreichte es zu vernichten. Also wendete der Consu sein Schiff und flog so dicht wie möglich an das Weltenschiff heran. Die Wurmlochwaffe begann schon Teile aus dem Weltenschiff heraus zu reißen, als er ein großes Hyperraumfenster vor ihnen öffnete und das Schiff mitnahm.

    Kaum dass beiden Schiffe im Hyperraum waren, sank der Consu an seiner Konsole zusammen. Es hatte wohl weniger mit Erschöpfung zu tun, als mit Verzweiflung. „Danke, kleines Menschenwesen“, sagte er, „danke für diesen letzten Kampf.“ „Werdet ihr es noch schaffen?“, fragte Thaliana. „Nein. Ich hatte die Reise zu lange hinausgezögert. Und mit diesem Koloss im Schlepp werden wir Tage zurück in die Scheibe brauchen.“ „Was schaffen? Wovon redet ihr?“ Er drehte sich zu Jules um. „Mein Volk ist alt. Älter, als ihr es euch vorzustellen vermögt. Ich selbst bin alt. Unsere Lebenspannen werden in Millennien eurer Zeitrechnung bemessen, wie ihr es mit Jahren tut. Doch wenn wir unser Leben auf natürliche Weise enden lassen, erwartet uns nicht der Tot, sondernd er Aufstieg. Ob wir es wollen oder nicht. Es ist ein Determinismus, wenn unser Körper zum Ende hin in einen Zustand verfällt, in dem wir keine Kontrolle mehr über diese Frage haben. Aber der Aufstieg ist ewige Agonie. Nur wenn unsere Existenz irgendwann endet hat unsere physische Existenz überhaupt einen Wert für uns. Deshalb stürzen wir uns in die Sonne, unter deren Licht unser Volk einst entstanden ist, bevor es soweit ist. So schließen wir den Kreis, kehren zu unseren Ahnen zurück, ohne dazu verdammt zu sein ein ewiges Dasein zu fristen, das sowieso nur noch ein Schatten unserer vorherigen Existenz ist. Das ist es, was mich jetzt erwartet Ich weis, dass waren die Leben, die wir gerettet haben, wert, aber…“

    Jules dachte nach, doch der einzige Gedanke der ihr kam, wie sie dem Consu noch helfen konnte, war so absurd, dass sie zögerte ihn auszusprechen. „Wenn ihr keines natürlichen Todes sterben wollt, könnten wir euch töten.“ „Nein. Wir sterben nicht so ohne weiteres. Es gibt nichts auf diesem Schiff, was mich ernsthaft verletzen könnte. Ich werde den Autopiloten vorprogrammieren, damit er das Schiff noch an sein Ziel bringt, sobald wir aus dem Hyperraum fallen. Nehmt die Rettungskapseln, um es zu verlassen.“ Sie schwiegen für einige Augenblicke, Minuten und schließlich Stunden. Es gab nichts, was zu sagen gewesen wäre, nichts was sie noch tun konnten. Als es aufs Ende zuging sang Thaliana noch einige Totenklagen ihres Volkes für ihn. Als er starb flüsterte er mehr, als dass er es aussprach: „Ich habe Angst.“ Es waren seine letzten Worte. Danach löste sein Körper sich zu einem gleißenden Licht auf, das für einen Moment im Raum schwebte, bevor es verschwand. Als er fort war, sagte die Alienfrau zu Jules: „Ich glaube nicht, dass die Antiker Ruhe geben werden, solange dieses Weltenschiff noch existiert. Vielleicht haben wir den Krieg mit dieser Rettung in die Galaxie geholt.“ „Und wenn schon“, antwortete Jules. „Der Krieg war schon längst auf unseren Welten angekommen, als Heureka und Elysium ins Kreuzfeuer geraten sind. Wir wären nicht mehr verschont geblieben. Aber wir haben schon Schlimmeres überstanden. Also sollen sie nur kommen.“


    ~Ende der Staffel~


    So, hiermit ist 2034 beendet. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen bedanken, die mir seit meinen ersten Spinn-Offs von TGE treu geblieben sind, meine Geschichten gelesen haben und alles mitgemacht haben, was ich mit ihren Nerven angestellt habe. Das Feedback, das ich bisher bekommen habe hat mir, auch wenn es umfangreicher hätte ausfallen können, das Gefühl gegeben hier ein gutes Publikum vorzufinden. Und alle, die mir abtrünnig geworden sind, mögen sich an dieser Stelle gepflegt zum Pfeffer gewünscht fühlen

    Nein, Spaß beiseite: Wem es bisher gefallen hat, der fühle sich herzlich eingeladen, wenn es in voraussichtlich spätestens zwei Wochen mit der neuen Staffel weitergeht: 2036: a Union at war
    Die Freiheit des Bürgers heißt Verantwortung.

    (Joachim Gauck)


    "You may belong to any religion[...] - that has nothing to do with the buisness of the state. We are starting with this fundamental principle, that we are all citizens and equal members of one state." (Sir Mohammed Ali Jinnah)

    Meine FF:

    Laufend: 2036 - A Union at War

    Abgeschlossen: 2034 - Das neue Sternentor

  24. Danke sagten:


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