Am ersten Nachschublager:
Nur die schmatzenden Geräusche von schweren Stiefeln auf morastigem Untergrund vermischt mit dem Wogen des langen Grases im Wind war zu hören, als der padaurische Offizier sein Ziel ins Visier nahm. Geschätzte achtzig Meter. Ein leichter Schuss. Er atmete noch einmal ein, um das Gewehr ruhig halten zu können und kniff die Augen zusammen, im durch die dichten Vorhänge aus grauem Regen, die ihm die Sicht zu verdecken versuchten, sein Ziel genau zu fixieren. Dann blies er in die Pfeife, die er im Mund hielt. Ein hoher Signalton entströmte der kleinen Bronzepfeife und das Krachen von einhundert fast simultanen Schüssen hallte durch die Pampa. Die Soldaten, die vor ihnen entlang marschiert waren, wurden von der Salve voll erwischt. Mehr als die Hälfte von ihnen fiel sofort. Blitzschnell repetierte der Offizier sein Gewehr durch und legte erneut an. Die Soldaten – oder besser gesagt Söldner, denn der Systemlord hatte auf dieser Welt kaum einen Soldaten der eigenen Armeen im Feld – hatten begonnen in Richtung der Padauren wild ins hohe Graß zu feuern, doch nur einer ihrer Schüsse traf, bis ihre Gegner nachgeladen hatten. Als auch der letzte von ihnen tot zusammengebrochen war, erhob der Offizier sich und spähte über das Gras hinweg. Ein weiteres Pfeifen ließ auch seine Männer ihre Deckung aufgeben. Der Überfall war gut und schnell ausgeführt worden. Einige Männer liefen noch zu den gefallenen Gegnern, um sich zu vergewissern, dass auch jeder tot war, doch dann führte er sie weiter in den nahen Wald hinein an.
Fast zwei Tage war es her, dass Truppen des Matriarchats und des Bundes unterstützt von Tau’ri und Padauren auf dieser Welt gelandet waren. Von den Verbündeten hatten nur die Tau’ri Landekapseln besessen, so dass die Streitmacht auf Transportschiffe angewiesen gewesen war. Das hatte sie für die Landung an hinreichend große ebene Flächen gebunden, so dass sie fast 60 Kilometer vom Ziel Fuß auf den Planeten gesetzt hatten. Ihre Befehlshaber hatten sie anschließend unerbittlich vorwärts getrieben, um die Distanz zum Ziel in kürzest möglicher Zeit zu überwinden. Und nun, vierzig Kilometer später, waren sie auf ganzer Front in heftige Kämpfe verwickelt. Während er seine Männer durch den Buschwald führte, sah der Offizier sich um. Diese Welt erinnerte an die weiten Pampas seiner Heimat und das Gras hatte zu Anfang noch in mattgoldenem Gelb gestrahlt, immer wieder unterbrochen vom Grün der Wälder. Doch keine Stunde nach der Landung hatte es zu regnen begonnen. Die Sturzbäche, die sich seitdem vom Himmel ergossen, machten nicht nur jeden Schritt zur Qual, da die Stiefel immer wieder bis zu den Knöcheln im weichen Untergrund einsanken, sondern schienen auch alle Farbe aus der Landschaft gespült zu haben, denn nun schien alles, was er noch sah, grau zu sein.
Zwischen den Bäumen warfen seine Schützen sich ihre Tarnmäntel über, die sie im Grasland noch wie Schärpen um den Oberkörper gewickelt getragen hatten, um ihr Sichtfeld im offenen Gelände nicht einzuschränken, und suchten ohne befohlen zu werden die Deckung des dichten Gestrüpps. Ein ungeübtes Auge hätte sie nun, hätten sie regungslos verharrt, auf einen Meter schon nicht mehr erkannt. Es zeigte wozu sie fähig waren, doch vielleicht, ging es ihm durch den Kopf, war es nicht nur ein Akt militärischer Effizienz, sondern auch ein Versuch sich gegen die Nässe zu schützen, die jetzt schon auf die Haut ging und die Männer frösteln ließ.
Nachdem er sich den Mantel umgeworfen hatte, drehte er am Schalter des Funkgeräts, dass die Tau’Ri ihm und jedem anderen Offizier der Truppe gegeben hatten. Er misstraute dieser Technologie ein wenig, wie er jeder Technologie misstraute, die er nicht verstand und die letztlich einem anderen Macht über ihn geben konnte, doch sein Vorgesetzter hatte angesichts der Anwendung dieser Werkzeuge keine Bedenken gehabt und letztlich hatten sie sich auch als nützlich erwiesen. Als er das Gerät anschaltete, hörte er sofort wieder die wütende Stimme einer Frau aus dem Ohrhörer dringen, die ihn anbrüllte: [„…re sie unnützer, stinkender Waldschrat, wo sind sie? Wir stehen hier immer noch unter Feuer!“] Sichtlich wenig erfreut verzog er das Gesicht und sagte: [„Ich höre sie, Frau Leutnant. Wir sind nur noch einige Minuten von ihnen entfernt.“] Als sie antwortete, konnte man die Geräusche heftiger Schusswechsel und die Schreie verwundeter um sie herum hören. [„Dann beeilen sie sich gefälligst. Und lassen sie das Funkgerät an.“]
Er verzichtete darauf sie darüber zu belehren, dass Heimlichkeit Stille erforderte und signalisierte stattdessen seinen Leuten sich weiter zu beeilen. Sie brauchten im schnellen Laufschritt durch den Wald knapp sechs Minuten, bis sie die Schüsse der Zündnadelgewehre und das Fauchen der Plasmageschosse hörten. Unweit von ihnen war ein kompletter Zug aus fast viertausend Soldaten und Soldatinnen des Matriarchats auf den Feind gestoßen und befand sich jetzt schon seit fast einer Viertelstunde in einem heftigen Feuerkampf. Die Männer und Frauen waren für offene Feldschlachten ausgebildet, so dass die zumindest nach der Auffassung der Padauren überreiche Deckung, die der Wald bot, nicht voll ausnutzen konnten. Stattdessen hatte ihre Kommandantin sie die erste Linie des Gegners im Sturm angreifen und überrennen lassen. Als diese sich zurückgezogen hatten, war es schließlich zum Schusswechsel gekommen. Offenbar waren die Leute, die sie auf der Pampa erledigt hatten, hierher unterwegs gewesen, um den Kampf durch einen Flankenangriff zu beenden. So wie es jetzt passieren würde. Nur nicht auf dieselbe Art, die die Verteidiger sich wohl erhofft hatten.
Die Padauren pirschten sich vorsichtig an ihre Ziele heran und legte die Waffen an. Zuerst konnte der Offizier die Gegner nicht entdecken. Sie waren offenbar geübt darin die Deckung auszunutzen, die der Wald bot. Dann griffen sie in den Schusswechsel ein. Binnen weniger Minuten hatten sie die Flanke des Gegners aufgerollt und ihn zurückgedrängt. Nachdem Dumuzis Soldaten erneut den Rückzug angetreten hatten, ging der Offizier zur Kommandantin dieser Einheit.
Diese hatte sich während des gesamten Schusswechsels hinter ihren Leuten gehalten und versuchte gerade sich Schlammspritzer von ihrer weißen Hose zu reiben, die daran haften geblieben waren. Zu behaupten, dass sie für eine Jagd, oder eben den Krieg, unpassend gekleidet gewesen wäre, hätte eine Untertreibung dargestellt, doch sie waren Verbündete, also war der Offizier bereit ihre Marotten zu ertragen. [„Was zum Netu hat sie so viel Zeit gekostet“], herrschte sie ihn an, als sie seiner gewahr wurde. Die Tatsache, dass aufgestautes Wasser ihr dabei vom Dreispitz lief, ließ sie dabei aber weit weniger bedrohlich wirken, als sie es sich vielleicht gewünscht hätte. [„Wir haben verhindert, dass der Feind ihnen in die Flanke fällt. War mir übrigens ein Vergnügen. Außerdem sollten sie ja gerade selbst gemerkt haben, dass ein zu schnelles Vorrücken unüberlegt ist.“] Bei diesen Worten huschte ihm ein spöttisches Grinsen über das Gesicht. Er merkte schon, warum er lieber mit den Tau’Ri oder den Bundestruppen zu tun hatte. Auch wenn deren Offiziere oft nicht weniger arrogant waren, waren sie doch häufig Männer und neigten weniger zu Gefühlsausbrüchen.
[„Ich hoffe doch sehr, dass sie hier nicht versuchen mich zu belehren. Wenn ich vorhabe meine Gegner zu beschleichen, wie ein Meuchler, dann bin ich dazu durchaus in der Lage.“] [„Oh, kein Zweifel, dass sie eine qualifizierte Frau sind, aber sie sollten bedenken, dass ihre Truppen nicht besonders gut für diese Umgebung ausgebildet sind. Vielleicht sollten sie uns den weiteren Vorstoß hier überlassen.“] [„Vergessen sie es. Mir wurde befohlen die Flanke des Hauptvorstoßes zu schützen und ich werde meine Befehle ausführen, komme was wolle.“] Sie mochte von Pflichterfüllung sprechen, doch er erkannte in ihren Worten mehr. Es war schlichtes Misstrauen. Die Vorstellung auf die Männer von Padaur angewiesen zu sein missfiel ihr und gerade diese Erkenntnis traf den Offizier schwerer, als jede ausgesprochene Beleidigung, hatten sie alle doch Versprechen abgegeben hier und in dieser Schlacht dem gemeinsamen Feind das Rückrad zu brechen und ihre Heimatwelten so zu verteidigen. Er nickte also nur und sagte einsilbig: [„Dann noch viel Erfolg.“] Obwohl ihm noch eine schnippische Bemerkung auf der Zunge lag verzichtete er darauf und lies stattdessen ein paar Mal seine Pfeife ertönen, um seinen Männern zu signalisieren, dass es zurück ins Grasland ging.
Besagter Hauptvorstoß war letztlich nicht mehr, als der beschwerliche Vormarsch tausender Soldaten, die sich gemeinsam über das aufgeweichte Grasland am Ufer eines Flusses entlang kämpften, der sie direkt zur Nachschubbasis des Feindes führen sollte. Sie hatten noch am ersten Tag der Landung mehrere vorgeschobene Dörfer eingenommen, kaum mehr als Ansammlungen von Bauernhöfen, die dazu dienten den Eigenbedarf der großen Festung und des angegliederten Nachschublagers an Lebensmitteln zu decken. Dort hatte es heftige Kämpfe gegeben, doch mittlerweile schien der Feind die Lust daran verloren zu haben sich ihnen in den Weg zu stellen. Es wäre letztlich auch nicht nötig gewesen. Mit jedem Meter auf das Ziel zu schien sich der große Heereszug zu verlangsamen, während die Soldaten sich mit müden und schlurfenden Schritten vorwärts bewegten. Immer wieder blieben Einheiten zurück, um für ein paar Stunden zu rasten und frischeren Soldaten aus den hinteren Reihen den Vortritt zu überlassen, doch letztlich zeigten die Offiziere, hauptsächlich Offizierinnen, da es sich größtenteils um Truppen des Matriarchats handelte, kein Erbarmen und trieben die Truppe weiter vorwärts über jedes Hindernis hinweg, sei es Artilleriebeschuss – ob nun durch den Feind oder durch fehlgegangene eigene Granaten – seien es Feindliche Verteidigungslinien, die an taktisch günstigen Positionen postiert waren und einfach überrannt wurden oder sei es die Witterung, die das schwere Material im Schlamm versinken oder den unterspülten Untergrund wegbrechen ließ, so dass Soldaten in Schlammlawinen stecken blieben oder in den Fluss gerissen wurden. Es ging immer weiter auf das Ziel zu und fast schien es, als könne wirklich keine Macht des Universums den Marsch dieser Armee aufhalten.
Entlang der östlichen Flanke marschierte General Parigin an der Spitze seiner Bundestruppen dem Ziel entgegen. Erwartungsgemäß wurde der Widerstand auf dem letzten Stück vor den Befestigungen wieder heftiger. Auch in diesem Moment zwang ihn heftiger Beschuss wieder einmal den Kopf einzuziehen. Nachdem sie eine Einheit, die sich ihnen auf freiem Gelände in den Weg gestellt hatte, geradezu beiseite gefegt hatten, wurde nun offenkundig, warum der Feind die Männer in einen derart aussichtslosen Kampf geschickt hatte. In der Zeit, die sie die Bundestruppen aufgehalten hatten, hatte eine andere Einheit einige auf dem Weg liegende Gehöfte, vielleicht anderthalb Dutzend beieinander liegende Häuser, besetzt. Nach einem kurzen aber heftigen Artilleriebombardement hatte er seine Männer stürmen lassen. Und er war in der ersten Welle mitgestürmt. Einer seiner Leibwächter wollte ihn zu Boden drücken, doch er ließ nicht mehr zu, als dass der Mann ihn in die Knie zwang. Dabei sah der Mann ihn vorwurfsvoll an. Parigin hatte den unangenehmen Hang dazu von seinen Truppen nie etwas zu verlangen, was er nicht selbst bereit war zu tun. Dieser Habitus hatte schon mehrere Männer in den Wahn getrieben, die ihm zur Seite gestellt worden waren, um ihn zu beschützen, doch er hatte ihm auch die Bewunderung der Truppen eingebracht.
Noch während der Mann etwas sagen wollte, wahrscheinlich wieder einmal eine Aufforderung die erste Schlachtreihe den Soldaten zu überlassen, sah der General etwas hinter ihm. Schnell packte er ihn mit der Rechten und schon ihn beiseite, während er seinen in der Linken gehaltenen Revolver abfeuerte. Drei Kugeln streckten zwei Gegner nieder, die versucht hatten sich durch eine Ruine an sie anzuschleichen. „Ich weis was ich tue, Muntak. Und jetzt schaff mir die Funker her.“ Der Leibwächter zögerte einen Moment, doch dann nickte er schließlich und lief los, während der General hinter einem Mauerrest Deckung suchte, von wo aus er den vorwärts stürmenden Männern Deckung gab. Einige Meter von ihm entfernt sah er einige Männer in den braunen Mänteln Gemeiner in Deckung gehen und schwer atmend ihre Gewehre nachladen. Sie wirkten abgekämpft und einer schien seine Waffe kaum noch heben zu können. Ein Leutnant, der bei ihnen war, redete ihm gut zu, woraufhin er nickte und sich bereit machte wieder anzugreifen. Doch der General lief vorher zu ihnen und sagte: „Moment, warten sie.“
Die Männer sahen auf. Keiner von ihnen war einem so ranghohen Offizier je so nahe gewesen und sie schienen sich nach dem ersten Schreckmoment in dieser Aura zu sonnen. Er sah mit entschlossener Mine zu ihnen und sagte: „Kommt erst einmal wieder zu Atem und wartet einen Moment. Wir werden gleich gemeinsam angreifen.“ Die erschöpften Männer nickten dankbar und murmelten leise Worte der Bestätigung. Dabei sah der Leutnant zu Parigin und fragte: „Warum zur Hölle sind wir überhaupt hier? Ich sehne mich fast schon in die Gräben auf Emunio zurück.“ „Wie heißen sie, Leutnant?“ „Qunan, General.“ „Ich will, dass sie eines im Kopf behalten, Leutnant Qunan.“ Er hielt ihm bei diesen Worten die geschlossene Faust vor das Gesicht und fuhr fort: „Wenn wir einzeln stehen, kann diese Galaxis uns leicht beugen, wie die Finger einer Hand. Aber versuchen sie einmal die Finger einer geschlossenen Faust wieder aufzubiegen. Egal was es uns heute kostet, wir können hier zeigen, dass wir würdig sind Teil einer größeren Allianz zu werden, die vereint sein wird, wie eine geschlossene Faust. Und dann komme was wolle, wir werden bereit sein.“
Man hörte bei diesen Worten, dass er jeden Laut davon glaubte. Es war, als seien diese Worte ein Gebet, der Mauerrest ein Altar und dieses Schlachtfeld die Kathedrale seines Glaubens an diese Idee. Qunan sah ihn für einen Moment an, dann nickte er und lud sein eigenes Gewehr nach. Nach einigen Minuten kam schließlich Muntak zurück, der einen Trupp Patrizier und einen Funker mitgebracht hatte. Der Fernmelder trug ein klobiges Funkgerät auf dem Rücken, das in dieser Bauart immer wieder Probleme machte, war es doch fast zwanzig Kilo schwer und die Batterien unzuverlässig, aber allein seine Existenz sagte schon etwas über die Fortschritte einer Gesellschaft aus, die vor dreißig Jahren noch nicht einmal fähig gewesen war aus eigener Kraft elektrischen Strom zu produzieren. Der General nickte seinem Wächter dankend zu, dann schaltete er an dem Gerät den aufgesetzten Lautsprecher an und griff sich die Quäke.
„Kämpft weiter“, scholl seine Stimme, für die direkt umstehenden nur knapp unterhalb der Schmerzgrenze, über das Schlachtfeld. „Kämpft und lehrt sie die zu fürchten, die sie zu beherrschen glaubten. Lasst sie die Wut der Menschen spüren, die sich erhoben haben. Für unsere Heimat, für den Bund, für die Allianz, in die wir eingewilligt haben. Heute werden wir sie in die Knie zwingen, wie sie es dereinst mit uns versucht haben!“ Es kam nicht wirklich darauf an, was er sagte. Seine Worte waren in diesem Moment kaum mehr, als Parolen. Es war der Tonfall, der zählte, der die Männer seine Entschlossenheit spüren ließ. Es war seine Stimme, die ihnen das Gefühl gab, dass er hinter ihnen stand und sie antrieb. Und tatsächlich schien es noch einmal jenes Feuer in ihnen zu entfachen, das zwei Tage Dauerregen und ständige Kämpfe ausgelöscht zu haben schienen. Sie warfen sich noch einmal mit besonderer Verbissenheit in den Kampf, während der Feind ins Wanken geriet. Als sie stürmten, kam Qunan dabei ein Vers in den Sinn, den er in jüngeren Jahren – es schien ein halbes Leben her – gehört hatte: Auf auf zum Kampf, auf auf zum Krieg. Auf auf, Tod und Teufel spielen zum Tanze.
Entlang der Hauptkampflinie zog Major Kratides, der die europäischen Kompanien in diesem Abschnitt befehligte, einmal heftig an seinem Fuß, um das bis halb zu den Knien im Schlamm eingesunkene Bei wieder zu befreien. Als es sich mit einem schmatzenden Lauf löste, fiel er beinahe um und verfluchte wortreich den Regen. Einige andere Soldaten hatten gemunkelt, dass die Triebwerke der Truppentransporter und das Bombardement in der Gegend diese Wetterkapriolen ausgelöst hatten, doch ihm war es letztlich egal. Er sehnte nur noch das Ende dieses Verdammnismarsches herbei. Dabei hatte ihre Verbündeten sich bisher deutlich besser geschlagen, als er es bisher erwartet hatte. Die Kadenz ihrer Waffen mochte ebenso miserabel, wie die Schusspräzision der meisten Soldaten, doch die Männer und Frauen legten eine bemerkenswerte Zähigkeit an den Tag und glichen durch pure Anzahl und massive Salven aus, was dem einzelnen fehlte. Sie kamen durch einen weiteren Abschnitt, wo Späher ursprünglich noch Ansammlungen von gegnerischen Soldaten gemeldet hatten. Die Artillerie des Bundes hatte hier ordentlich aufgeräumt, um das mindeste zu sagen. Tatsächlich wollte er nicht wissen, was in den Granaten war, die sie verschossen. In den beschossenen Gebieten war das Land schon nach kurzem Bombardement geschwärzt und die Pflanzen begannen abzusterben. Zudem schienen einige gegnerische Soldaten, die den eigentlichen Beschuss schwer verletzt überlebt hatten, Anzeichen von Vergiftungen zu zeigen.
Er lenkte seine Schritte um einen weiteren Granattrichter herum und sah dabei die verkrümmten Leiber der Toten, die darin im Wasser lagen. Ihre schmerzverzerrten Gesichter hatten teilweise einen gelblichen Teint angenommen. Er hatte schon viele Tote gesehen, nicht wenige davon waren durch sein Verschulden gestorben, doch aus irgendeinem Grund ging ihm der Anblick dieser Gefallenen an die Nieren. Aber es war vielmehr ein ganz allgemeines Gefühl, dass ihn gepackt hatte, seit sie diese Welt betreten hatten. Alles war viel zu glatt gelaufen. Obschon diese Gedanken angesichts der hunderten von Toten, die ihre Verbündeten bereits zu beklagen hatten, wie bitterer Hohn klangen, wusste Kratides doch, wie Goa’uld wirklich kämpfen konnten. Trotz seiner griechischen Abstammung war er als Sohn eines Kochs in Deutschland aufgewachsen und hatte während des ersten Goa’uld-Krieges die deutsche Staatsbürgerschaft besessen. So war es gekommen, dass er sich kurz vor Ende des Krieges freiwillig gemeldet und nach der AGA in der letzten Schlacht gegen die Systemlords mitgekämpft hatte. Und verglichen mit dem Kampf, der ihnen damals geliefert worden war, war das Geschehen auf dieser Welt lachhaft. Oder er war mittlerweile so weit abgestumpft, dass es ihn nicht mehr kümmerte? Er wusste nicht, welche Idee ihm mehr Angst machte.
An der linken Flanke brach in diesem Moment wieder die Uferböschung weg und fast hundert Soldaten wurden von Schlamm und Wasser mitgerissen. Andere stürzten sofort herbei, um ihre Kameraden aus dem Schlamm zu ziehen. Nur mit Bajonetten als Grabwerkzeugen oder teilweise auch mit bloßen Händen wühlten sie nach verschütteten. Für einen Moment war Kratides versucht hinzueilen und zu helfen, doch bevor er sich in Bewegung setzen konnte, kam ein Funkspruch herein: „Elftes Regiment an Tau’Ri, hören sie mich?“ „Elftes Regiment, hier Major Kratides. Ich höre sie gut. Was gibt es?“ „Wir liegen hier unter schwerem Beschuss. Mindestens sechzehn Kampfdrohnen und ein halbes Dutzend Gleiter. Dazu mehrere hundert Soldaten. Wir erleiden schwere Verluste und brauchen Unterstützung.“ Lautlos fluchte er. Das Elfte gehörte zu den Regimentern, die den Angriff im Westen absichern sollten. Er sah sich einmal kurz in Richtung der Kommandantin der Matriarchatstruppen um, die einige hundert Meter hangabwärts und einige dutzend Gefechtslinien hinter ihm marschierte. Sie würde nicht glücklich sein, wenn ihre Leute den weiteren Vorstoß alleine tragen mussten, aber sie konnten keine Öffnung der Flanke riskieren.
Also gab er ihr kurzerhand per Funk durch, dass er das Gros seiner Leute abziehen musste, um die Flanke zu schützen. Dann signalisierte er seinen Soldaten ihm zu folgen und führte sie nach Westen auf den Buschwald zu.
Zunächst ging der Heereszug auch ohne sie reibungslos weiter, doch als sie schon gut drei Kilometer in Richtung des elften Regiments hinter sich gebracht hatten, brachen vor der Vorhut, die sie gerade noch begleitet hatten, unter Kriegsgeschrei hunderte Soldaten ihrer Deckung entlang der Uferböschung hervor. Sie waren besser Bewaffnet, als die Söldner, gegen die sie bis jetzt in der Mehrheit gekämpft hatten und entfesselten ein wahres Inferno gegen ihre Gegner. Binnen weniger Augenblicke hatte die vorrückende Truppe über einhundert Tote zu beklagen. Die Generalin sah sich mit einer unangenehmen Situation konfrontiert. Ihre eigenen Truppen waren durch das Gelände eingeengt und konnten ihre Zahlenmäßige Überlegenheit nicht richtig zum Tragen bringen. Mit der Entscheidung konfrontiert, ob sie die Tau’Ri zurückrufen oder anderweitig Unterstützung holen sollte, rief sie über Funk nach General Parigin, der sofort Hilfe zusagte.
Nach einigen Minuten erbebte die Erde schließlich unter dem Donnern tausender Hufe, als der General seine Kavallerie, vornehmlich Dragoner, zu Pferde in die Schlacht reitende Infanterie, heranführte. In hohem Tempo schmetterten sie in die Flanke des Gegners. An der Spitze des Angriffs sah man eine Einheit Patrizierkavallerie reiten, deren Banner von der persönlichen Anwesenheit des Generals kündeten. Es gelang in einem beherzten Angriff den Feind in die Defensive zu zwingen, so dass die Generalin ihrer Hauptstreitmacht schließlich den Befehl gab weiter zu marschieren und den Kampf hier der Vorhut und den Dragonern zu überlassen. Diese setzten dem Gegner auch nach, als er sich in Richtung des Waldesrandes zurückzog. Aber Fortuna bewies an diesem Tag einmal mehr, dass sie ein mürrisches Weib war, das seine Geliebten schnell wechselte. Obwohl andere sagten, dass es so etwas wie Glück nicht gab, sondern nur Konsequenzen aus Planungen und Entscheidungen.
Als sie den Waldrand erreicht hatten – der große Heereszug zog knapp drei Kilometer entfernt an ihnen vorbei in Richtung des Ziels – entzündeten sie plötzlich stark qualmende Fackeln, die mit Ölen imprägniert waren, deren Verbrennungsgerüche die Pferde scheu werden ließ. Die ersten Reihen der Kavallerie gerieten ins Stocken, doch die nachfolgenden und die Infanteristen drängten sie weiter vorwärts in ein tödliches Sperrfeuer. Des Vorteils ihrer Geschwindigkeit beraubt waren sie ein leichtes Ziel. Gleichzeitig begannen die Krieger Dumuzis mit einem schnellen Umfassungsmanöver, das den Rückzug abschnitt. Sie gerieten während des Kampfes in arge Bedrängnis und riefen nach Unterstützung, doch sie kam nicht. Niemand bemerkte, wie beim Heereszug eine Offizierin des Matriarchats als sie den Rauch sah ein kleines Gerät aktivierte, das sie in der Tasche trug und das heftiges statisches Rauschen in den Äther schickte. Nach einigen Minuten war der Kampf vorbei. Kurz und einseitig.
Auf der Erde:
Vor der europäischen Botschaft in New York hatte es in den letzten Tagen wiederholt Aufläufe von Menschen gegeben, die in teils spontanen, teils organisierten Protestkundgebungen der Wut Luft gemacht hatten, die sie seit dem Angriff bei Manaus um trieb. Doch an diesem Tag war es erfreulich ruhig verlaufen, so dass es keine Störungen gab, als ein abgedunkelter Rolls Royce an einem Hintereingang der Botschaft vorfuhr. Nur zwei, drei Reporter, die in Erwartung einer neuen Story hier ausgeharrt hatten, bemerkten das Schauspiel und zückten sofort ihre Kameras. Doch der Vorgefahrene zeigte wenig Begeisterung ob dieser Aufmerksamkeit und ließ sich von einem Mitarbeiter abschirmen, während er selbst sich eine Aktenmappe vor das Gesicht hielt und schnell im Gebäude verschwand. Im Inneren wurde er von einem angestellten in Empfang genommen, der ihm den Mantel abnahm und sagte: „Willkommen, Minister Kinsey. Die Herren Botschafter erwarten sie oben im Salon.“
Das Botschaftsgebäude war ein knapp hundertfünfzig Jahre altes Haus an der Upper East Side, das früher einmal die Büros einer Handelsgesellschaft und danach Appartementwohnungen beherbergt hatte, bevor die EU es nach der Zerstörung Washingtons aufgekauft und zur neuen Botschaft umfunktioniert hatte. Das Gebäude vereinte nun sowohl die Botschaft für die Allianz, als auch die Büros der europäischen Vertretung bei den Vereinten Nationen unter einem Dach. Es war ursprünglich im wilhelminischen Stil gehalten gewesen und auch wenn es in den zwanziger Jahren des vorangegangenen Jahrhunderts noch einmal in deutlich schlichterem Stil renoviert worden war, strahlte es noch viel von seiner einstigen Pracht aus. Das erste Mal, als er hier gewesen war, war Kinsey recht positiv angetan gewesen, doch mittlerweile beeindruckte ihn das Ambiente nicht mehr sonderlich. So ließ er den Bediensteten mit den Worten „Bemühen sie sich nicht, ich kenne den Weg“ einfach an der Tür stehen und nahm mit schnellen Schritten die mit dicken Teppichen ausgelegten Treppen in den fünften Stock, wo der Salon zu finden war.
Der Raum wurde von mehreren Lampen aus geschliffenem Kristall erhellt, die allem ein warmes Ambiente gaben. Umso kälter waren allerdings die Blicke, mit denen die Botschafter und Legationsräte, die großen Tisch des Salons saßen, Kinsey abschätzig musterten, als er den Raum betrat. Er kam mit schnellen Schritten durch die Tür und wirkte dabei so beschwingt und fröhlich, wie man ihn selten erlebte. Er legte seine Tasche schwungvoll auf den Tisch und setzte sich. Dabei sah er die Männer fröhlich an und fragte: „Warum denn so ernst, Exzellenzen? Es war heute doch ein wundervoller Tag. Außerdem war ihre Gastfreundschaft auch schon einmal besser. Beim letzten Mal stand etwas zu Trinken bereit, als sie mich hier empfangen haben.“ „Beim letzten Mal standen wir auch nicht ihretwegen kurz vor einem Atomkrieg.“ Kinsey lachte. „Na wenn das so ist, wo bleiben die Getränke?“ Er sprach die letzten Worte etwas lauter aus, so dass die Bediensteten im Flur es hören konnten und warf dabei den Kopf gen Tür in den Nacken. Die Herren, die ihm gegenüber saßen wunderten sich derweil nicht mehr über dieses Verhalten. Sie wussten, dass dies der wahre Kinsey war und nicht etwa jener distinguierte Herr, den er in den Medien an den Tag legte. Der Botschafter für die Allianz räusperte sich einmal geräuschvoll, woraufhin Kinsey wieder zu ihm sah und meinte: „Wirklich, wenn das der Grund für ihre Leichenbitterminen ist, können sie sie ablegen. Ich glaube nicht, das jemals reale Kriegsgefahr bestanden hat und wenn doch, dann ist sie mittlerweile verflogen.“
„Ich fürchte ich kann ihnen nicht folgen“, meinte Lothar von Minkwitz, der links von Kinsey saß. Das entlockte dem alliierten Minister ein Lächeln. „Nur weil ich zwei Mal auf sie habe schießen lassen, sollten sie sich nicht von Vorurteilen mir gegenüber leiten lassen. Es ist im Grunde genommen ganz einfach.“ Er zog einen elektronischen Datenträger und eine Zeitung aus seiner Tasche. Zuerst warf er einem der Botschafter den Datenträger zu, dann knallte er die Zeitung auf die Mitte des Tisches. „Ich nehme an, dass sie ein wenig angefressen sind, weil in den Medien von Mobilmachungen die Rede war. Auf dem Stick finden sie die Anweisungen, die ich an das Militär herausgegeben hatte. Die Einheiten in England, von denen Bilder über die Sender geisterten, hatten nur Anweisung sich für Manöver bereit zu machen. Sie waren nicht einmal in wirklicher Alarmbereitschaft. Das war alles nur ein riesiger Bluff, der nicht mal an ihre Adresse gerichtet war.“ „Verstehe. Hatte das ganze denn wenigstens die gewünschten Effekte auf die Umfragewerte?“
Dieses Mal grinste Kinsey umso breiter und deutete auf die Zeitung. „Seite drei. Ich liege mittlerweile gleichauf. Noch ein zwei geschickte Schachzüge und die Sache ist geritzt.“ Ein anderer Botschafter schüttelte den Kopf. „Sie haben tatsächlich einen Krieg riskiert, nur um an Stimmen zu kommen.“ „Na und? Das ist in der Politik Gang und Gebe, egal was irgendwelche selbsternannten Moralapostel sagen.“ „Ein Irakkrieg vielleicht, ja. Aber kein weltumspannender Atomkrieg.“ Wieder lachte Kinsey. „Wie gesagt, ich hatte zu keinem Zeitpunkt vor Krieg gegen sie zu führen. Obwohl ich wahrscheinlich die notwenige Mehrheit im Parlament dafür bekommen hätte. Ich bin schließlich nicht blöd. Wenn wir in der jetzigen Situation einen direkten Krieg mit Europa wagen, gehen wir alle dran kaputt und China übernimmt die Welt. Nein, dass ist nicht meine Vision.“ „Ihnen sollte trotz allem klar sein, wie dicht wir an einem Atomkrieg vorbeigeschrammt sind. In Nordkorea wäre beinahe ein atomarer Erstschlag gegen den Süden ausgelöst worden, als man die Chance witterte, dass sie in einem Krieg gegen uns abgelenkt sein könnten. Ganz zu schweigen davon haben sie jetzt Krieg in Brasilien.“
Kinsey sah seine Gegenüber noch einmal schräg an, dann wurde er schlagartig ernst. „Also gut, reden wir Tacheles. Ja, wir hätten beinahe einen Krieg gehabt. Aber die Gefahr ist ziemlich schnell vorüber gewesen. Schließlich ist Amerikas Zorn schnell geweckt, verflüchtigt sich aber auch genauso schnell wieder. Der Pöbel dieser Nation handelt aus dem Bauch heraus. Brasilien ist bei dieser Angelegenheit ein bedauernswerter Kollateralschaden, aber mehr auch nicht. Wir hätten dort so oder so intervenieren müssen, um unsere Interessen zu wahren und haben den Prozess einfach nur etwas beschleunigt. Sicher, jetzt kotzt sich dieser Garcia vor den UN aus, aber der kocht auch nur mit Wasser. Und wenn er seine Armee tatsächlich einsetzen sollte, um unseren Vormarsch aufzuhalten, wird das ein sehr ungleiches Duell. Das weis er genauso gut. Entsprechend wird er die Sache aussitzen. In fünf, sechs Jahren werden wir unsere Truppen wieder abziehen, sobald wir unsere Vormachtstellung dort gefestigt haben und dann kann er gepflegt weiter machen. Wenn er vernünftig kooperiert, bekommt er sogar einen Posten als Marionettenpräsident. Das ist für ihn kein schlechter Tausch. Sie sehen also, es wird keinen Weltkrieg geben, egal was die Sensationsblätter sagen. Nicht solange die Balance der Kräfte besteht. Aber ich nehme an, dass sie mich nicht einbestellt haben, nur um sich anzuhören, was ich zu sagen habe.“
Einer der Botschafter grinste süffisant und lehnte sich vor. „Nein, keineswegs. Auch wenn ich es erfreulich finde, dass sie doch um einiges Schlauer sind, als sie öffentlich zeigen.“ Kinsey zuckte mit den Schultern. „Das Volk mag keine altklugen Besserwisser. Außerdem sollten sie darauf hoffen, dass ich gewählt werde. Denn Crocodile Dundee wird für sie ein deutlich unangenehmerer Verhandlungspartner werden, als ich, egal wie populär er im Moment in Europa ist.“ „Das ist Ansichtssache. Aber nun Klartext. Wir sind hier, um sie über eine neuerliche Entwicklung zu informieren.“ Einer der Botschafter schob ihm ein auf Papier gedrucktes Dokument über den Tisch, das das indische Staatssiegel als Briefkopf trug. Er nahm es und las es sich durch. Danach sagte er mit leiser Stimme: „Also gut, das stellt tatsächlich eine empfindliche Störung des Gleichgewichtes dar…“
Frontplanet Beta:
Nachdem die Reiter des Bundes sich dem Angriff auf die Vorhut entgegen geworfen hatten, waren die Einheiten des Matriarchats fast ungehindert bis zur Nachschubbasis vorgedrungen und hatten sie durch schiere Überzahl eingenommen. Einige Stunden später hatte der Rauch der Schlacht sich gelegt und die Schreie der Verwundeten waren verhallt. Während viele Soldaten noch damit beschäftigt waren die Anlage zu sichern oder Verwundete zu versorgen, war bereits eine Gardeeinheit auf einem größeren Platz zu einer Ehrenformation angetreten. Die Soldaten waren noch von den Spuren der Schlacht gezeichnet, doch sie gaben nichtsdestotrotz einen eindrucksvollen Anblick ab. Die Generalin stand mit zwei anderen Offizieren vor den Bannerträgern der Heeresgruppe und sah zu den vier Soldatinnen und dem Soldaten, drei aus den Gardeeinheiten, zwei niedere, die vor ihnen standen. Ein lauter Trommelwirbel kündigte ihre Worte an, als sie sagte: „Die an den heutigen Kämpfen beteiligten Soldaten haben der Geschichte der Verteidiger unserer Heimat ein weiteres ruhmvolles Kapitel hinzugefügt. Und einige haben sich dabei besonders ausgezeichnet. Deshalb will ich in Ausübung meiner Rechte als Kommandantin Belobigungen aussprechen.“
Wieder setzte der Trommelwirbel ein und eine Offizierin rief: „Soldatin Dahlia, neun Schritte vortreten.“ Die erste Soldatin, eine Gardistin, setzte sich in Bewegung. Jeder einzelne ihrer Schritte wurde von einem Trommelschlag begleitet. Als der letzte ertönte, stand sie direkt vor der Generalin. Diese sah ihr in die Augen und meinte: Für außerordentliche Tapferkeit vor dem Feind soll ihnen eine Belohnung zu Teil werden.“ Sie streckte die Hand aus, woraufhin die dritte Offizierin herantrat und eine Schatulle hochhielt. Die Kommandantin entnahm daraus eine Hand von Goldmünzen und begann sieben Stück davon in die Hand der Soldatin abzuzählen. Danach sagte sie: „Bringen sie weiter solche Leistungen, dann werden sie es noch weit bringen.“
Während nun die zweite Soldatin vor gerufen wurde, erklang am Zugang zum Hof wütender Lärm. Die Soldaten starrten weiter unbeirrbar geradeaus, doch die Generalin sah sich kurz um, um festzustellen, was los war. Sie sah einen Mann im Braunen Mantel eines gemeinen Bundessoldaten, der die Abzeichen eines Leutnants trug, jedoch zugleich auch eine Kordel an der Uniform besaß, die sie zunächst nicht zuzuordnen vermochte. Erst bei genauerem Nachdenken fiel ihr ein, dass der Bund vor kurzem Probleme mit aufsässigem Pöbel gehabt hatte und dass seit dem eine solche Kordel einen Freisassen unter den Soldaten kennzeichnete. Er war in Begleitung mehrerer hoch aufgeschossener Männer und Frauen in halb verrottet wirkenden Rüstungen und einiger anderer Soldaten, unter anderem auch eines Patriziers. Die Neuankömmlinge sahen sich auf dem Hof um und als er die Kommandantin erblickte, streckte einer von ihnen die Hand aus und sagte aufgeregt etwas zu seinen Begleitern.
Die Gruppe kam auf sie zu. Die Kommandantin sah, wie einer der Männer mit seiner Hand in gefährlich wirkender Manier seine Hand auf dem Griff seines Revolvers ruhen ließ. Sie signalisierte einer ihrer Untergebenen sich um die Sache zu kümmern, doch die Soldatin wurde einfach beiseite gedrängt. Als die Gruppe direkt vor ihr stand, sprach sie den Patrizier an: „Erklärt euch. Was soll dieser Trubel?“ „Er ist nicht der Wortführer“, sagte daraufhin der Freisasse. „Ich bin hier der ranghöchste Offizier.“ Sie zog die Augenbrauen hoch. Es hätte nicht fiel gefehlt, damit sie die Nase gerümpft hätte. „Ach ja? Und wer sind sie?“ „Leutnant Abai Qunan. Und ich bin hier, um sie zur Verantwortung zu ziehen.“ „Wofür?“ „Sie haben General Parigin in den Tod laufen lassen. Er ist vier Kilometer entfernt von ihnen gestorben, um ihre Leute zu retten und sie haben nichts getan, um auf die Hilferufe seiner Männer zu reagieren. Wir sind nur seinetwegen hier, sie haben ihn kaltblütig sterben lassen und jetzt will ich, dass sie vor seine Truppen treten und ihnen erklären, warum. Weil sie den Ruhm für sich wollten als erste das Ziel zu erstürmen, weil es ihnen nichts bedeutete oder warum auch immer, aber sie werden sich rechtfertigen.“ Sie lachte und antwortete: „Einen Teufel werde ich tun. Sprechen sie mit den Tau’Ri und fragen sie sie, warum ihre Funkgeräte nicht funktionieren, wenn sie einen schuldigen Suchen.“ „Nein, so leicht kommen sie mir nicht davon.“ Er machte einen Schritt auf sie zu und streckte die Hand aus. Noch bevor er die Bewegung ganz vollenden konnte, hatten die beiden Offizierinnen links und rechts von der Kommandantin ihre Waffen gezogen und sie auf die Bundessoldaten gerichtet. „Keinen Schritt weiter.“ Als sei dies eine Herausforderung gewesen, nahmen die gepanzerten Soldaten ihre Gewehre vom Rücken und sagten: „Glaubt mir, das wollt ihr nicht.“ Gleichzeitig packte Qunan die Generalin am Kragen, um sie mitzuzerren. Im nächsten Augenblick sackte er von einer Kugel in die Stirn getroffen zusammen und auf dem Hof brach die Hölle los.
Im Orbit erreichte die Nachricht über die Geschehnisse während der Ehrung den europäischen Flottenführer, Konteradmiral Nebogatow, während er sich gerade in einer Besprechung mit Major Kratides befand, in der ebenfalls der Tod des Generals besprochen wurde, von dem die Tau’Ri als erste erfahren hatten, da es ihre Soldaten gewesen waren, die die Leiche entdeckt hatten. Ein Projektor warf eine vereinfachte Darstellung des Schlachtverlaufes an die Wand. Immer und immer wieder zeigte er im Zeitraffer die Truppenbewegungen von der Landung bis zum schlussendlichen Fall des Depots. Nachdem er es sich zum zehnten Mal angesehen und sich genauso oft den Hergang vom Major hatte beschreiben lassen, wobei sein Mund sich wortlos bewegt hatte und seine Hände gezuckt hatten, als wolle er Schachfiguren über ein Brett bewegen, sagte er: „Das war von Anfang an so geplant. Wir haben dem Bastard in die Hände gespielt.“ „Was meinen sie?“ „Sehen sie es sich an. Er hat ihnen zu Anfang einige Leute entgegen geworfen und danach in fast regelmäßigen Abständen Angriffe unternommen. Aber es waren nie so viele, dass sie wirklich eine Gefahr dargestellt hätten. Es war gerade genug, damit sie keinen Verdacht schöpften, aber gleichzeitig so wenig, dass er die Verluste hinnehmen konnte.“ „Und zu welchem Zweck das Ganze?“, wollte Kratides wissen. „Königsmord. Der Kerl ist ein Schachspieler. Das einzige Ziel ist der König.“
„Das kann nicht ihr Ernst sein. So eine Schlacht, so ein wichtiger Planet für einen einzigen Mann.“ „Doch. Es gibt keine andere Erklärung. Sehen sie sich die Daten an. Die Zahlen und die Bewegungen. Die Besatzung des Planeten war ungleich geringer, als wir es erwartet hatten und zugleich führten alle Truppenbewegungen zwangsläufig auf diesen einen Kampf zu, in dem der General den Tod gefunden hat.“ Kratides seufzte. „Also gut. Königsmord. Und mit welchem Ziel?“ „Das kann ich selbst nicht beantworten. Aber er hielt Parigin für wichtig genug, um alles das hier zu initiieren.“ Die beiden Männer saßen einander einen Moment lang schweigend gegenüber, unschlüssig wie sie jetzt reagieren sollten, doch in diesem Moment betrat ein Agent der Tok’Ra den Raum. Sein Name war Korra und er war geschickt worden, um bei der Erfassung der erbeuteten Vorräte zu helfen, damit diese unter den Beteiligten aufgeteilt werden konnten. So lautete zumindest der Plan. Doch als er den Raum betrat, sah er aus, als habe er selbst an der Schlacht teilgenommen. Seine Kleidung war teilweise angerissen, er war von Dreck verschmiert, stank nach Schießpulver und hatte eine blutende Wunde am Kopf. „Was ist mit ihnen passiert“, fragte der Konteradmiral. Die Antwort viel ernüchternd aus: „Die Leutchen sind da unten gerade aufeinander losgegangen. Die Armeen richten untereinander ein Massaker an.“
Frontplanet Alpha:
Das Gewehr bockte noch einmal in Nicoles Händen auf, als sie ihre letzten Kugeln verschoss. Reflexartig griff sie nach ihrem Gürtel, um ein neues Magazin zu nehmen, doch da war keines mehr. „Munition“, rief sie in ihr Funkgerät. „Hier“, antwortete Asena, der ihr zwei Magazine zuwarf. Besser als nichts, schoss es ihr durch den Kopf und sie lud ihr Gewehr nach. Sie warf einen Schnellen Blick aus ihrer Deckung heraus und erfasste die Gegner, die sie durch die Gänge trieben. „Los, weiter!“ Die Teams verließen ihre Deckung und liefen den Gang weiter hinunter. Nicole erschoss dabei mit präzisen Salven noch zwei Gegner, dann drehte sie sich um und rannte den anderen hinterher. Ein Schuss aus einer Stabwaffe schlug dabei nur eine Hand breit von ihr entfernt in die mit Glyphen bedeckte Wand ein. Knapp zwanzig Meter weiter warf sie sich hinter ein Relief in eine Nische, wo sie unsanft von der Wand abgebremst wurde. Dabei sah sie mit einem Lächeln zu Guv und Nicole, die sich mit leicht abgekämpft wirkendem Gesichtsausdruck an der gegenüberliegenden Wand feuerbereit machten.
„Belebend, nicht wahr?“ „Oh yeah, absolutely.“ Corinna, die gerade ihr letztes Magazin in die Railgun einsetzte, grinste Guv an und meinte dan an Nicole gewandt: „Das war das letzte mal, das ich so einem beschissenen Plan zugestimmt habe.“ „Du verkennst da einige Dinge. Erstens ist das hier keine Demokratie, sondern das Militär, weshalb du dir deine eigene Meinung in die Haare schmieren kannst und zweitens hat es doch wunderbar funktioniert.“ „Ja, sicher.“ Die ersten Verfolger bogen um die Ecke und eröffneten sofort das Feuer auf die fünfzehn Soldaten, die den Gang blockierten. Corinna feuerte einen Schuss ab, der drei Gegner tötete und die Wand hinter ihnen förmlich pulverisierte. „Einfach großartig. Du wolltest sie wütend haben. Herzlichen Glückwunsch, sie sind es.“ „Seit wann bist du unter die Pessimisten gegangen?“ „Lass mich überlegen… Ungefähr seit dem Zeitpunkt, an dem ich heute nur noch zwanzig Schuss übrig hatte.“ Weitere Verteidiger stürmten heran, machten jedoch nicht den Fehler der anderen und suchten systematisch Deckung, um die Tau’Ri mit möglichst gezielten Salven einzudecken. Nicole und ihre Leute hielten ihr Feuer dabei zurück und schossen nur noch, wenn sie sich sicher waren zu treffen. Munitionsmangel machte alles andere undenkbar.
Nach einigen Minuten stellten auch die anderen plötzlich das Feuer ein und Nicole hörte fast schon bedächtige Schritte, die sich näherten. Ein Mann, der noch die alte Rüstung eines Jaffa trug, welche Dumuzis Leute fast völlig abgelegt hatten, kam um die Ecke und sah mit süffisantem Grinsen zu ihnen. „Das sind also die großmächtigen Tau’Ri. Ich muss sagen ich bin ein wenig enttäuscht. Nach allem, was man über ihresgleichen erzählt, hätte ich mehr erwartet, als nur einen Frontalangriff und einen Trupp von Einbrechern, der es kaum zwei Etagen weit in die Festung hinein schafft.“ „Und ich hätte mehr erwartet, als einen Offizier, der sich einfach in unser Schussfeld stellt.“ „Halt mich nicht für dämlich, Weibsbild. Ihr schießt kaum noch, habt also fast keine Munition mehr. Gebt jetzt auf, dann bleibt euch ein sehr schmerzvoller Tod erspart.“ Nicole gab ein kurzes Grummeln von sich, dann hob sie ihre Waffe und schoss um Haaresbreite am Offizier vorbei auf einen Mann, der hinter ihm stand. Die Kugel riss ihm die Halsschlagader auf, so dass er seine Hände darauf presste, während sein Krieger tot zusammenbrach. „Noch haben wir mehr als genug.“ Wütend schrie der Mann: „Tötet sie alle und bringt mir die Frau lebend.“ Die Krieger aktivierten ihre Waffen erneut und wollten schießen, doch plötzlich streikte jede einzelne davon. Nur einen Liedschlag später tauchten die beiden Tollaner aus den Wänden auf. Die Waffenneutralisationsgeräte, die sie an ihren Gürteln trugen, leuchteten dabei hell. Fast synchron zogen sie ihre Waffen und richteten sie auf die Krieger. Eine schnelle Kadenz von Schüssen erledigte die Gegner. Omoro wandte sich Nicole zu und meinte: „Auftrag ausgeführt.“ Sie lächelte. „Keinen Moment zu spät. Hauen sie rein.“ Der Tollaner nickte und nahm einen Fernzünder aus der Tasche. Fast im gleichen Moment, in dem er den Auslöser drückte, explodierten die Sprengsätze, die die beiden am Reaktor gelegt hatten, während die Europäer die Festung aufgemischt hatten.
Vor der Festung suchte Ernst Allert gerade hinter dem Wrack eines Panzers Deckung und fluchte leise in sich hinein. Der Vormarsch seiner Truppen hatte die äußeren Verteidigungswerke des Gegners im Sturm genommen, doch nun saßen sie am inneren Schildwall fest. Er hatte mittlerweile fünf Myrmidonen und fast einhundert Mann verloren, zusammen mit fast doppelt so vielen verletzten. Außerdem hatte es neun Kampfflieger erwischt, für deren Rettung man Teams in Landekapseln abgesetzt hatte. Er zog eine Granate aus der Munitionstasche an seinem Gürtel und schob sie in den auf sein Gewehr aufgesetzten Werfer. Dann erhob er sich und zielte über das Wrack hinweg auf eine der Stabkanonenstellungen, die seinen Leuten derart einheizten. Die Sprenggranate zerlegte die Stellung. Gleichzeitig feuerten zwei der Panzer auf eine der schweren Geschützstellungen. Nur eine der vier Granaten durchschlug den Schild zog aber am Geschütz vorbei.
Doch dann, nur wenige Augenblicke später durchzuckte eine heftige Explosion die Festung. Sekundenbruchteile danach fiel der Schild aus und die Plasmageschütze verloren ihre Energie. Ernst stieß einen Jubelruf aus und setzte einen Funkspruch ab: „Scharfschützen, markiert die Docks.“ Die Schützen gaben eine Bestätigung durch und begannen ihre Lasergewehre auf die eingedockten Schiffe zu richten. „Einsatzkoordinator“, gab er die zweite Anweisung durch, „die Basisschilde sind unten. Zielmarkierung für Raketenbeschuss steht. Macht sie fertig.“ Er richtete sein Gewehr wieder auf die Befestigungen und feuerte auf jedes Ziel, das sich ihm bot. Es dauerte nur noch einen Moment, dann übertönte das Dröhnen von Raketentriebwerken den Schlachtenlärm, als mehrere Geschosse der Schlachtschiffe Feuerschweife hinter sich herziehend vom Himmel herabjagten und von den Laserstrahlen gelenkt in die Docks krachten. Sie zerstörten die Halteklammern und sprengten die Hangars, so dass die eingedockten Mutterschiffe abstürzten und auf dem Erdboden zerschellten. Der Anblick schien die Verteidiger zu demoralisieren, so dass ihre Linien zu bröckeln begannen und sie den Rückzug tiefer in die Festung antraten.
Über der Beta-Frontwelt:
Nebogatow sprang von seinem Platz auf und fragte den Tok’ra: „Was sagen sie da?“ „Die Truppen von Bund und Matriarchat haben angefangen aufeinander zu schießen. Ein paar Füsiliere fanden die Gelegenheit passend um zu versuchen mich mit einem Goa’uld gleichzusetzen. Ich bin nur knapp mit dem Leben davon gekommen.“ „Was ist mit unseren Leuten?“ „Ihre Soldaten und die Padauren halten sich bis jetzt aus der Sache heraus. Sie hätten auch kaum eine Chance etwas zu erreichen.“ Der Konteradmiral fluchte und lief aus dem Raum. Dabei kontaktierte er die Brücke und befahl: „Kapitän, unsere Schiffe sollen sich sofort formieren und zwischen den Schiffen unserer Alliierten in Stellung gehen. Ich will eine Blockade zwischen Bund und Matriarchat. Kurz bevor er die Brücke erreichte, hallte plötzlich der Gefechtsalarm durch das Schiff.
Er trat auf die Brücke und sah fragend zum Kapitän. Dieser stand vor dem taktischen Hologramm und beobachtete die Schiffsbewegungen im System. „Was ist los? Warum haben sie Alarm geben lassen?“ „Die Flaggschiffe des Bundes und des Matriarchats haben gerade angefangen aufeinander zu feuern.“ Der Konteradmiral sah fassungslos auf das Hologramm und sah, wie die beiden Flügel der Flotte aufeinander losgingen. Das Bündnis brach gerade vor seinen Augen zusammen. Die ersten Schiffe gingen über dem Planeten in Flammen auf, während der Kommandant der Padauren nach Anweisungen fragte. Verzweiflung kochte in Nebogatow auf, als er versuchte die Kämpfenden zur Räson zu bringen. Binnen weniger Minuten war es schon wieder vorbei. Mehrere Schiffe waren zerstört, die meisten beschädigt. Doch was den Kampf beendete war keine Einsicht, sondern ein extrem starkes Signal, das vom Planeten aus abgestrahlt wurde.
Es dauerte keine Viertelstunde, dann registrierten die Sensoren eine größere Anzahl an Hyperraumereignissen im Orbit. Ein gutes Dutzend Raumkreuzer tauchten auf und begannen sofort Kampfflieger auszusetzen. Zwei davon waren gewaltige Schlachtschiffe, deren Entwürfe lose auf dem alten Flaggschiffe von Apophis basierten. Auf allen Kommunikatoren im System flackerte das Gesicht von Systemlord Dumuzi auf, der verkündete: „Ihr Menschen seid gekommen, um mich herauszufordern. Ihr habt euch von den Tau’ri und den Tok’ra einflüstern lassen euch gegen das unvermeidliche zu stellen. Jetzt stellt euch den Konsequenzen eures Handelns und erkennt, wo euer Platz ist.“
Die schnellen Ha’tak des Systemlords eröffneten sofort das Feuer auf die Gegner, kaum dass sie in Waffenreichweite waren. Sie konnten ihre Gegner ohne Schwierigkeiten ausmanövrieren. Gleichzeitig stürzten sich Horusfalken, wie sie in solchen Konzentrationen noch nie in einer Schlacht gesehen wurden, sich auf die alten Todesgleiter, die Bund und Matriarchat ihnen entgegensetzen konnten. Nebogatow formierte seine Schiffe zusammen mit den Einheiten von Padaur zu einer Gefechtslinie. Er stand auf der Brücke und beobachtete angestrengt das taktische Hologramm. „Hauptgeschütze in Bereitschaft. Feindliche Schlachtschiffe anvisieren.“ „Sir, Feindliche Ha’tak versuchen das Flaggschiff des Bundes zu umschließen.“ „Fregattengeschwader drei und vier zum Gegenangriff. Unsere Truppen auf dem Planeten sollen sich durch das Tor absetzen.“ Er besah sich die Anzeigen über die gemessenen Leistungsdaten der feindlichen Schiffe. Der Energieausstoß der Reaktoren der Schlachtschiffe ließ vermuten, dass sie bei ihrer Schildstärke nicht besonders schnell werden konnten. „Bringen sie uns näher ran. Wir sind schneller und manövrierfähiger.“ „Wie nahe, Admiral?“ „Bis in den Schlund der Bestie.“
Negobatows Flaggschiff, der mächtige Schlachtkreuzer ‚Machiavelli’, beschleunigte und hielt flankiert von vier schweren Kreuzern auf den Gegner zu. Dieser erkannte die Bewegung und begann mit einem Ausweichmanöver, um den schweren Hauptgeschützen zu entkommen, doch seine Schlachtschiffe waren hoffnungslos langsam, so dass sich die Gelegenheit für eine Salve bot, die zwei Ausleger eines der Schlachtschiffe am oberen Drittel abrasierte. Danach eröffneten die Strahlengeschütze das Feuer und beide Seiten lieferten sich ein Feuergefecht auf kürzeste Distanz. Hier zeigte sich allerdings die Strategie, die hinter den neuen Schiffen stand. Sie besaßen mächtige Schilde, die den schweren Waffen der Tau’ri ohne weiteres Stand hielten. Und von den einfachen Plasmakanonen ihrer anderen Gegner zeigten sie sich völlig unbeeindruckt. Zudem besaßen die Schiffe eine Anzahl an Waffen, die sie ein tödliches Sperrfeuer entfesseln ließ. Negobatows Schiffe erzitterten unter dem Dauerfeuer, während die Kontrahenten sich als ebenbürtig erwiesen. Erst als es gelang die Hauptgeschütze ein zweites Mal zum Einsatz zu bringen, konnte das Goa’uld-Schlachtschiff so ernsthaft beschädigt werden, dass es sich in den Hyperraum zurückzog. Doch während es die Erdlinge beschäftigt hatte, hatte das andere unter ihren Verbündeten gewütet. Die Flotten von Bund und Matriarchat, die fast alle Schiffe, die sie besaßen, hatten stellen müssen, um ihre Armeen ans Ziel zu transportieren, waren praktisch völlig vernichtet. Nur noch vereinzelte Al’Kesh schafften es in den Hyperraum. Und so war Negobatow dankbar für die Gelegenheit zum Rückzug, die sich ihm bot, als eine Nachricht des Flottenkommandos ihm mitteilte, dass Verstärkung sich bei einem Planeten zwei Flugstunden entfernt sammelte. Er stellte noch sicher, dass der Rückzug der Bodentruppen durch das Tor begonnen hatte, legte den verbliebenen Streithähnen auf dem Planeten nahe es ihnen gleich zu tun und sammelte die Padauren hinter sich, um sie in Sicherheit zu bringen.
Der Hyperraumflug dauerte mit interstellaren Triebwerken – intergalaktische konnten aufgrund der niedrigen Marschgeschwindigkeit einiger der älteren Schiffe im Verband nicht eingesetzt werden – vier Stunden. Vier Stunden, in denen der Konteradmiral viel Zeit hatte über sein Scheitern zu sinnieren. Doch als sie dort aus dem Hyperraum sprangen, erhellte der Anblick seine Stimmung wieder, denn die Verstärkung war von anderer Natur, als er erwartet hatte. Über einem Gasriesen, der einem europäischen Unternehmen als Bergbaustandort diente, im ansonsten unbewohnten System standen fünf Großkampfschiffe mit umfangreichem Geleit. Als sie in Kommunikatorreichweite kamen, meldete das Führungsschiff des Verbandes sich: „Admiral Negobatow, hier spricht Admiral Manmohan Pradesh an Bord der INS Viraat. Wir wurden angewiesen uns hier mit ihnen zu treffen. Unsere Aufgabe besteht darin sie in ihrer Offensive zu unterstützen.“ Die Worte machten Negobatow neuen Mut. Mit dem Auftauchen indischer Streitkräfte hätte er am allerwenigsten gerechnet. Also gut, vielleicht noch weniger mit Chinesen, aber trotzdem war eine Einmischung Indiens zum Zeitpunkt ihres Abfluges denkbar unwahrscheinlich. „Ich danke ihnen. Wir mussten uns nach einem feindlichen Gegenschlag von der Front zurückziehen. Wir sollten unsere Schiffe zur Verteidigung formieren. Es ist gut möglich, dass man uns nachsetzt.“
Und tatsächlich tauchten knapp eine halbe Stunde nachdem sie begonnen hatten ihre Schiffe zu formieren, das zweite Schlachtschiff und sechs Ha’taks auf. Insbesondere durch die Präsenz der Inder waren sie zahlenmäßig deutlich unterlegen, doch der Goa’uld-Kommandant schien es sich nicht nehmen zu lassen eine deutliche Botschaft senden zu wollen, denn er ließ seine Schiffe in Position gehen, um die irdischen Schiffe und den Planeten auf große Distanz zu beschießen. Doch dann geschah ein Ereignis von solcher Seltenheit und solch chaotischem Auftreten, dass niemand es hätte vorhersagen können. Die Sonne des Systems, sowieso kein besonders ruhiger Stern, stieß plötzlich eine gewaltige Sonneneruption aus, die mit rasender Geschwindigkeit das System durchzuckte. Es war keine gewöhnliche Eruption, sondern die wohl stärkste, die die irdischen Raumfahrer bis dahin beobachtet hatten. Ihre eigenen Schiffe standen dicht an einem Mond des Gasriesen, der durch seinen metallischen Kern ein eigenes Magnetfeld generierte, dass sie schützte, doch die Goa’uld-Schiffe wurden voll erwischt. Ihre Schilde konnten die Eruption nicht abfangen, so dass sie völlig mit Neutronenstrahlung überflutet wurden, die im Inneren ihrer Schiffe entstand, als die Sonnenwinde auf ihre Hülle trafen. Die Besatzung starb binnen weniger Minuten einen qualvollen Tod.
Als Negabatow das sah, starrte er zunächst einige Minuten lang gebannt auf die taktische Anzeige. Als sein indischer Kollege nach Abflauen der Eruption Schiffe schicken wollte, um die nun besatzungslosen Schiffe der Goa’uld aufzubringen, kam plötzlich wieder Bewegung in ihn. Blitzschnell lief er zur Komstation und sagte: „Warten sie einen Moment, Admiral Pradesh. Das ist ein Geschenk des Himmels.“ „Was meinen sie damit?“ „Das hier ist genau das, worauf wir seit Elysium gewartet haben. Wir müssen schnell einige Umbauten an einem unserer Schiffe vornehmen.“
Als einige Stunden später Späher der Goa’uld in das System kamen, um nach der verschwundenen Flotte zu suchen, sahen sie einen einzelnen Kreuzer der Tau’Ri, der inmitten der unbeschädigten Flotte schwebte und an dessen Bug eine seltsame Gitterkonstruktion angebracht schien, in deren Mitte eine Kugel aus nur mühsam gebändigter Energie schimmerte, die offenbar von Fokussiereinheiten im Gitter in Position gehalten wurde. Der Späher nahm auf die Distanz zugriff auf die noch aktiven Computersysteme der Schiffe und stellte fest, dass Landekommandos der Tau’ri an Bord waren. Er rief die Sensorlogs der Schiffe auf, doch die externen Sensoren waren offenbar zum Zeitpunkt des Todes der Besatzung gestört gewesen, während die internen ihren qualvollen Tod durch Neutronenstrahlung zeigten. Das letzte, was man vor der Störung auf den Sensoren noch sehen konnte, war wie dieser einzelne Kreuzer, an dessen Flanken der Name ‚Chimaira’ prangte, auf die Flotte zuflog und die Waffe an seinem Bug unter Energie setzte. Die Piloten des Spähers erschauderten und suchten mit diesen Daten sofort das Weite. Die Tau’Ri hatten eine neue furchtbare Waffe entwickelt, die ganze Flotten auf einen Schlag vernichten konnte. Diese Nachricht musste den Systemlord erreichen.
Sechs Tage später auf der Erde:
Die Nachrichten von der Erde und von den Welten ihrer vormaligen Alliierten hätten in den letzten Tagen nicht unterschiedlicher sein können. Währen Harry Maybourne nicht ohne ein fröhliches Schmunzeln hatte feststellen können, wie sich das Säbelrasseln zwischen Europa und der Allianz in Wohlgefallen aufgelöst hatte – lediglich einige ultrarechte Schreihälse auf beiden Seiten forderten noch Krieg – waren die Reaktionen ihrer Verbündeten auf den Verlauf der Offensive niederschmetternd. Was auf der Erde als Zeichen von Stärke und Durchsetzungsvermögen interpretiert worden war, hatte bei den Oanes Abscheu hervorgerufen. Man hatte die Tau’ri beschuldigt unfähig zu sein eine Allianz zusammen zu halten und nicht genug getan zu haben, um die Katastrophe zwischen Bund und Matriarchat zu verhindern. Eine Einschätzung, die Maybourne durchaus zu teilen begann, gab es doch kein Matriarchat mehr. Die Raumschiffe, die eine Verlegung von Truppen und Ressourcentransport zwischen den verschiedenen Planeten ermöglicht hatten, waren die Lebensadern jenes Bündnisses gewesen. Nun ohne sie waren die Systeme isoliert und noch nicht bestätigten Gerüchten zu Folge hatte Dumuzi bereits ein halbes Dutzend davon angegriffen und erobert. Dem Bund erging es ähnlich, sah man davon ab, dass er sich wesentlich besser hielt. Seine Welten waren technisch fortschrittlicher und industriell stärker gewesen, so dass sie auch auf sich allein gestellt ernst zu nehmende Gegner darstellten.
So wurde ihm nun klar, dass sie Dumuzi von Anfang an in die Hände gespielt hatten. Er wusste, dass Bund und Matriarchat wie Materie und Antimaterie waren. Brachte man sie zusammen, musste es zu einem Inferno kommen. Die Europäer hatten gehofft diese Urgewalt beherrschen zu können, dabei jedoch die Fähigkeit der anderen zum Pragmatismus überschätzt. Damit hatten sie ihm die Arbeit abgenommen und letztlich eine Wende in einem Krieg herbeigeführt, den er zu verlieren begonnen hatte. Die einzigen Lichtblicke in diesem Schlamassel waren, dass Indien nun offiziell bei allen Fremdweltaktionen militärisch auf Seiten der EU stand und dass sowohl die Tollaner, als auch Skolotai und die Padauren in dieser Situation weiter zum Bündnis hielten, das auf so grandiose Art gescheitert schien. Und vielleicht gab es noch einen.
Er las gerade Berichte, als die Tür zu seinem Büro sich öffnete und ein Offizier des Geheimdienstes hereingeschneit kam. Er legte ihm ohne viel Aufhebens eine Akte und meinte: „Das sollten sie sehen.“ Maybourne nahm die Mappe, auf der mit großen Buchstaen CHIMAIRA und der Aufdruck ‚Streng geheim’ standen. Er schlug sie auf und sah sich die ersten Unterlagen durch. Schließlich fragte er: „Was ist das?“ „Dass ist unsere Rettung. Am Ende der Offensive rettete dieses Waffensystem unserer Flotte das Leben. Es ist in der Lage direkt in Feindschiffen Neutronenstrahlung zu induzieren und so ihre Besatzung zu töten. Es gibt keine bekannte Verteidigung.“ Er sah den Mann ein wenig scheel an und fragte: „Wollen sie mich verarschen? Ich habe die offiziellen Berichte gelesen. Es war eine Sonneneruption.“ „Nein, derartige Berichte existieren nicht. Es war ein neues Waffensystem.“ Er setzte sich auf den Stuhl, der dem Schreibtisch gegenüber stand. „Sehen sie auf Seite drei.“ Maybourne tat, wie ihm geheißen und entdeckte dort eine Art Zeitungsartikel. „In den nächsten Tagen“, verkündete der Agent, „wird ein Journalist einer Warschauer Zeitung ein Treffen mit einem Informanten haben, den wir ihm vor Jahren vor die Nase gesetzt haben. Er weis nicht, dass er letztlich schreibt, was wir lesen wollen, aber gerade das macht ihn nützlich. Der Informant wird ihm von CHIMAIRA erzählen und sein Artikel wird weltweite Resonanz hervorrufen. In ein paar Tagen wird dann Doktor Rodney McKay, der anerkannt größte Experte für experimentelle multidimensionale Technologie in einer Talkshow auftreten und erklären, dass diese Waffe eine Weiterentwicklung von Antikertechnologie darstellt, die wir damals in der Pegasus-Galaxie gefunden haben. Er wird genug Fakten in den Raum streuen, um der Sache Glaubwürdigkeit zu verleihen.“ Maybourne sah ihn über das Papier an und meinte: „Die Sache ist also ein riesiger Bluff?“ „Nein. Die Sache ist unser einziger wirksamer Schutz gegen die Streitkräfte von Nyx. Sie wissen, dass nicht wir die Wurmlochwaffe eingesetzt haben. Aber wenn wir die Galaxie glauben machen können, dass wir eine vernichtende Waffe wie diese besitzen, ist das für uns der heilige Gral. Wir werden vorerst unangreifbar sein, solange die Fassade hält.“ Maybourne nickte, dachte sich aber zugleich, dass in diesen Sätzen zu viel Konjunktiv drinsteckte, um ihn wirklich zu beruhigen.