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Thema: 2034 - Das neue Sternentor (Ein Spinn-off zu TGE)

  1. #1
    Autor der ungelesenen FF Avatar von Protheus
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    Standard 2034 - Das neue Sternentor (Ein Spinn-off zu TGE)

    Hiermit sei beschlossen, dass ich mich ab sofort schwerpunktmäßig auf eine Weiterführung der Nyx-Geschichten konzentrieren werde. Es wird ab und zu noch neue Texte für meine normale TGE-Fanfiction geben, aber ich will vor allem versuchen in Abständen von einer bis anderthalb Wochen hier neue Kapitel einzubringen. Ich versuche mich damit zum ersten mal an längeren Handlungssträngen und bitte daher um Nachsicht, wenn etwas nicht so gut funktionieren sollte . Das ganze ist nun auf eine Serie mit Staffeln ausgelegt. Pro Staffel sind 20 Folgen eingeplant und ich werde die Folgen kürzer halten, als die Kapitel in der bisherigen FF. Angepeilt sind Längen von 12 bis 15 Seiten (Der Pilot liegt bei 13). Feedback ist wie immer erwünscht und viel Spaß beim Lesen.

    Organisatorisches:

    Anmerkung des Autors:
    Die einzelnen Folgen dieses Spinn-Offs werden nicht regelmäßig ins Forum gestellt, sondern in unregelmäßigen Abständen, die keinem bestimmten Muster folgen. Sie werden mit Billigung von Atlan und Colonel Maybourne geschrieben. Die Spinn-Offs sind kein Teil der Serie TGE.

    Disclaimer:
    Stargate: SG-1 und Stargate: Atlantis und alle Stargate-Charaktere und alles, was dazu gehört ist Eigentum von MGM/UA, Double Secret Productions, Gekko Productions und dem SciFi Channel.
    Die Rechte an selbst erfundenen Charakteren und die Story gehören dem Autor.
    Diese FF ist nur aus Spaß geschrieben worden, nicht, um Geld zu verdienen.

    Charaktere:
    Die gezeigten Charaktere variieren von Folge zu Folge, einige treten öfters in Erscheinung als Andere. Die Charaktere von Stargate: The German Experience sind geistiges Eigentum von Atlan und Colonel Maybourne.

    Anregungen:
    Ich nehme jederzeit gerne Anregungen für neue Geschichten entgegen. Der Pilot ist auch auf diese Art entstanden. Ich kann nicht versprechen alle zu verwerten und habe bereits eine generelle Richtung für die Entwicklung der Handlung festgelegt, werde aber versuchen so weit wie möglich darauf einzugehen. Vorschläge per Forennachricht direkt an mich.




    Pilotfolge: Entwicklungspfade

    Mit einer zaghaften Bewegung rückte Harry Maybourne sich den Kragen seiner Uniform zurecht, während er darauf wartete, dass die Aufzugtüren vor ihm sich öffneten. Anders, als die Uniformen bei der Allianz, hatten Offiziersuniformen der EU immer noch einen Stehkragen und obwohl die meisten Hemden, die er Zeit seines Lebens getragen hatte, ebenfalls einen gehabt hatten, fühlte er sich nach 16 Jahren in der Uniform der Allianz in der europäischen etwas unwohl. Die Aufzugtüren öffneten sich, wobei auf der Anzeige neben der Tür die Symbole U20 aufleuchteten und er trat auf den Gang hinaus. In der Basis herrschte ein auf den ersten Blick unübersichtliches Chaos, das erst bei genauerem Hinsehen als sorgfältig durchorganisiertes System zu erkennen war. Es waren noch zahllose Arbeiten zu verrichten, bevor die Anlage ihren Betrieb aufnehmen konnte. Etwas, das Maybourne – mittlerweile sehr zu seinem Bedauern – General Fayolle und dem Generalstab für den morgigen Tag versprochen hatte. Ermutigt von der rasanten Geschwindigkeit, mit der die Tiefbaumannschaften die Räume in das niedrige Bergmassiv unweit von Wolgograd getrieben hatten, hatte er die Zeit für den Ausbau der Anlage schlicht unterschätzt. Kein guter Anfang für ein neues Kommando…

    Er duckte sich unter den Armen eines Elektrikers hindurch, der gerade einen Signalverteiler des internen Überwachungssystems installiert und verplombt hatte und gerade eine solide Verschalung montierte. Dabei stolperte er beinahe über einige Kabel eines abgestellten Schweißgerätes. Am Ende des Ganges bog er nach rechts in Richtung der Stabsbüros und des Konferenzraumes ab. Eine Gruppe von Soldaten salutierte vor ihm, als er an ihnen vorbei ging und er erwiderte den Gruß beiläufig. Im Moment hatte er zu viele andere drängende Dinge im Sinn, als dass er sich mit protokollarischen Feinheiten aufhalten konnte. Als er sein Büro betrat, war der ihm zugewiesene Adjutant dort gerade damit beschäftigt einige Kisten mit Akten auszuräumen. Noch etwas, das ihm bei der Allianz fremd geworden war: Papierkram, bei dem das Papier wörtlich zu nehmen war. Während praktisch die ganze restliche Welt – selbst die zentralafrikanische Republik und Mikronesien – sich auf voll elektronische Datenverarbeitung umgestellt hatte, hatten die Bürokraten der EU in beispielloser Fortschrittsverweigerung auf ihrem Papier beharrt, was ihm nun den etwas nostalgisch anmutenden Anblick von Leitzordnern im Regal hinter seinem Schreibtisch bescherte. Letztlich sollte es ihm recht sein, waren die meisten Geheimdienste der Welt doch mittlerweile besser im Hacken selbst der bestgesichertsten Computersysteme, als im Diebstahl eines Notizzettels, zumal die Verbannung des Papiers aus den Amtsstuben keinesfalls die Verwaltungsarbeit verringert hatte.

    Zudem war noch ein Rohrschlosser damit beschäftigt einige Wasserohre des Feuerlöschsystems zu verbinden. Er setzte gerade eine ziemlich schwer aussehende Presse an und drückte damit die als Verbindungsstück dienende Muffe zusammen. Das Werkzeug gab dabei ein knatterndes Geräusch von sich, das in den Lärm aus den Korridoren einzustimmen schien. Der Adjutant salutierte vor Maybourne und sagte: „General, mir wurde befohlen ihnen auszurichten, dass…“ „Ist mir im Moment scheißegal, Gefreiter. Merken sie es sich und sagen sie es mir in zwei Stunden.“ „Gen…“ „Mund halten. Und jetzt alle raus hier.“ Er komplimentierte beide Männer mit einer harschen Geste hinaus. Als er allein war, ging er hinter den Schreibtisch und setzte sich auf den Drehsessel dahinter. Das alte, abgewetzte Leder, mit dem er bezogen war, schmiegte sich weich an ihn an und der herbe Geruch gab ihm das Gefühl zu Hause zu sein. Er besaß diesen Sessel seit fast dreißig Jahren und hatte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um ihn aus Amerika hier her schaffen zu lassen. Nach seinem Verrat auf Magellan hatte Minister Kinsey, so hatten Freunde ihm erzählt, ziemlich lautstark seinen Kopf gefordert und zeitweilig sogar auf eigene Faust versucht Attentäter auf ihn anzusetzen. Ein Vorhaben, das letztlich nur an den besonnenen Reaktionen des inneren Zirkels um den Präsidenten gescheitert war, die entschieden hatten, dass es besser war die ganze Angelegenheit unter den Teppich zu kehren, als noch durch unüberlegte Vergeltungsakte Aufmerksamkeit darauf zu lenken.

    Mit einem seufzen riss er sich von jenem wunderbaren Moment der Ruhe – es drang kaum ein Laut durch die geschlossene Tür – los und lehnte sich zum Schreibtisch vor. Erst gestern hatte eine Intelligenzbestie aus dem Kommissariat für Verteidigung ihn mit der Idee überfahren die Inbetriebnahme des Stützpunktes als Medienspektakel aufzuziehen. Sieben große Fernsehsender aus der EU, zwei aus China und einer aus Südamerika hatten sich bereits mit Kamerateams angemeldet. Was natürlich bedeutete, dass er eine Rede halten und sich vor Ehrenkompanien mit Politikern die Hände wundschütteln musste. Im allerersten Augenblick hatte er den starken Drang verspürt dem Mann ein paar Zähne auszuschlagen. Auch jetzt kochte er beim Gedanken daran, dass man ihm dies aufgeladen hatte, schluckte seine Wut jedoch herunter und machte sich ans Schreiben einer Rede. Er tat sich schon mit den ersten Sätzen schwer und war kaum über einige einleitende Worte hinaus, als es an der Tür klopfte. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet ihm, dass die Stunde, die er seinem Adjutanten genannt hatte, noch nicht um war, so dass er sich als erstes entschloss das Klopfen zu ignorieren. Doch nachdem der Störenfried auch beim dritten Mal noch nicht aufgegeben hatte, sagte er:

    „Herein.“ Die Tür öffnete sich und er hörte zwei Männer eintreten. Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck sah er von seiner Rede auf und fragte: „Was zur Hölle ist so wichtig?“ Dann stutzte er, als er sein Gegenüber erkannte. Es war ein Mann von gut eins Achtzig Körpergröße, der von schlanker Statur war und dessen Gesicht mit seiner markanten Hackennase und der hohen Stirn von einem Dreitagebart eingerahmt wurde. Seine Haare waren kurz geschnitten, der Haaransatz lag relativ hoch und er hätte beinahe schäbig anstatt einfach nur lässig gewirkt, wäre nicht konzentrierter Blick gewesen, der einen aufgeweckten und scharfen Verstand verriet. Mayborune stand auf. „Léon Mathieu.“ Für einen Moment sah der Mann ihn verwundert an, dann hellte auch sein Gesichtsausdruck sich auf. „Harold Maybourne. Wie zur Hölle kommst du hier her?“ Mayborune lachte. „Ist eine lange Geschichte. Außerdem wollte ich gerade dasselbe fragen. Der Franzose zuckte mit den Schultern. „Eigentlich nichts besonderes. Ich hab mich hier her versetzen lassen, weil das in der Chefetage gut ankommt. Drei Jahre hier, dann werde ich bei Versetzungen an die Côte d’Azur bevorzugt behandelt. Maybourne kam um den Schreibtisch herum und nahm die ihm dargebotene Hand. Er schüttelte sie herzlich und gab Mathieu dabei einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. „Und was führt einen Beamten von Europol in meinem Stützpunkt?“

    „Ein kleiner Höflichkeitsbesuch und eine Möglichkeit mich vorzustellen. Ich bin als Regionalleiter für das ganze Gebiet bis rauf nach Saratow verantwortlich. Die Soldaten der Garnison machen gern Probleme ich kann kein weiteres Regiment gebrauchen, das an Lagerkoller leidet.“ Maybourne grinste. „Keine Sorge, der wird bei dieser Einheit nicht aufkommen. Dafür werde ich schon sorgen.“ Mathieu zog eine Augenbraue hoch. „So?“ Er deutete auf den Soldaten, den er mit hergebracht hatte und der bisher beharrlich geschwiegen hatte. „Dieser tapfere Vaterlandsverteidiger hier scheint anderer Meinung zu sein. Die Ortspolizei von Wolgograd hat ihn aufgegriffen, als er mit zwei Kameraden in einer Kneipe randaliert hat.“ Maybourne kniff misstrauisch die Augen zusammen. „Was ist passiert?“ „Tja, laut den Zeugenaussagen sind die drei Herren gestern Abend um acht Uhr in der Kneipe erschienen und haben angefangen zu trinken. Als der Besitzer um ein Uhr nachts schließen wollte, weigerten sie sich zu gehen. Er rief die Polizei, woraufhin sie sich im Gastraum verbarrikadierten. Sie hielten dort gegen zwanzig Polizisten bis fünf Uhr morgens die Stellung. Dann waren sie allesamt so hackesturzendicht, dass sie aufgeben mussten.“ Er sah den Soldaten an. „Beim Alkohol hatten sie sich aus den Vorräten des Wirts bedient. Es sind ein Dutzend Stühle, vier Tische, mehrere Fensterscheiben, ein schmiedeeisernes Treppengeländer, sechs Schutzhelme und elf Schlagstöcke der Polizei und eine noch nicht genau bestimmte Anzahl an Gläsern und Flaschen zerstört worden. Außerdem haben elf der Polizisten leichte Verletzungen erlitten. Willst du die vorläufige Schätzung der Schadenssumme hören?“

    „Nein danke, kein Bedarf.“ Mayborune wandte sich dem Soldaten zu und fragte: „Name und Rang?“ „Major Elias Falkner, Herr General.“ „Was haben sie dazu zu sagen, Major?“ „Ich habe dem nichts hinzuzufügen, General. Ich möchte jedoch zu bedenken geben, dass wir unter Alkoholeinfluss standen und daher nicht zurechnungsfähig waren.“ Maybourne glaubte ein angedeutetes Schmunzeln im Gesicht des Majors zu erkennen. Es musste wirklich eine tolle Nacht gewesen sein. Er konnte sich noch daran erinnern, wie er selbst während seiner Ausbildungsjahre bei der US-Airforce mit Freunden die Nächte durchzecht hatte. Nein, er erinnerte sich lieber doch nicht. Der unweigerlich folgende Kater und die resoluten Vorstellungen ihres Ausbilders von Disziplin hatten den Spaß an der Sache eindeutig geschmälert. Außerdem war es für diesen Fall unwichtig. „Von Angehörigen dieser Truppe erwarte ich vorbildliches Verhalten, Major. Solche Eskapaden werden hier nicht toleriert. Habe ich mich klar ausgedrückt?“ „Jawohl, Herr General.“ „Gut. Dann melden sie sich mit ihren gestrigen Begleitern bei Oberst Allert für eine disziplinarische Maßnahme. Wegtreten.“

    Major Falkner salutierte und verließ den Raum. Zurück blieben Harry und Mathieu, der ihn zufrieden angrinste. „Diese Sache ist mir ziemlich unangenehm, Léon. Morgen soll dieser Stützpunkt seinen Betrieb aufnehmen und die Sache wird einige Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Wenn also irgendeine Möglichkeit besteht sich gütlich mit den Geschädigten zu einigen…“ Mathieu winkte ab. „Keine Sorge. Wir kehren die Sache fachgerecht unter den Teppich. Hat schließlich damals in Toulouse auch geklappt.“ „Danke.“ „Kein Problem.“ Er zückte eine Visitenkarte und reichte sie Maybourne. „Wenn du Zeit hast, ruf an. Ich kenne da eine gute Kneipe an der Wolga.“ Maybourne nickte. „Ich werde dran denken.“ „Gut. Au revoir .“ „Bye.“ Der Kriminalbeamte verabschiedete sich, indem er die Rechte Hand an die Krempe seines nicht vorhandenen Hutes legte und verließ den Raum. Maybourne setzte sich wieder an den Schreibtisch und dachte nach. Manchmal führte das Leben Menschen auf seltsamen Wegen wieder zusammen. Und er war dankbar dafür. Ein anderer Polizist, der unter Umständen weniger besonnen reagiert hätte, wäre in dieser Situation genau das Richtige gewesen, um ihm den Tag, der sowieso schon bescheiden angefangen hatte, endgültig zu verhageln. Er machte sich daran weiter an seiner Rede zu schreiben, doch er driftete immer wieder in Erinnerungen an sein erstes Aufeinandertreffen mit Léon Mathieu ab. Damals…


    Boston am 11.Juni 2012, fast ein Jahr nach dem Angriff der Ori auf die Erde:

    Colonel Harry Maybourne stieß die Tür zum Vorzimmer des Büros des Ministers auf, der ihn nach Boston zitiert hatte. Mit wütendem Gesichtsausdruck legte er die vier Meter zum Schreibtisch der reichlich eingeschüchtert wirkenden Sekretärin zurück und knallte ihr seine Uniformjacke auf den Schreibtisch. „Sorgen sie dafür, dass das hier gereinigt wird.“ Mit diesen Worten wandte er sich der Tür zu, die in das eigentliche Büro führte. Als er sie öffnen wollte, stellte die Frau sich ihm jedoch in den Weg. „Einen Moment“, sagte sie, wobei sie offenbar bemüht war eine feste Stimme zu bewahren, „ich kann sie da nicht einfach hinein lassen. Haben sie überhaupt einen Termin?“ Er sah die Frau mit einem schiefen Lächeln an, dass jedoch eher spöttisch und abschätzig war, als freundlich. Sie war bestenfalls Mitte zwanzig, von zierlicher Gestalt und trug einen eng anliegenden feinen Wollpullover zu einem nicht minder figurbetonten Rock, Seidenstrumpfhosen und hochhackigen Lackschuhen, ein Aufzug, der sie wie eine Mischung aus ernsthafter Vorzimmerdame und billiger Gespielin des Ministers wirken ließ. Dabei war ihm klar, dass er selbst im Moment keinesfalls für einen Termin bei einem Bundesminister adäquat gekleidet war. Er trug immer noch seine Felduniform, die teilweise mit Blutflecken gesprenkelt und total verschwitzt war, so dass sie speckig an seinem Körper klebte. Sein Gesicht war ungewaschen und seine Haare wirkten zerzaust. Wäre er an ihrer Stelle gewesen, hätte er wahrscheinlich erst einmal versucht sich unter eine Dusche zu zerren.

    „Sie scheinen ein nettes Mädchen zu sein. Deshalb will ich versuchen es freundlich zu sagen: Mein Name ist Harrold Maybourne und ihr Chef hat mich gerade direkt aus einem Kriegsgebiet herzitieren lassen. Man hat mir nicht einmal die Zeit gelassen zu duschen, geschweige denn im Kampfgebiet meinen Stellvertreter ordentlich zu instruieren. Entsprechend ist meine Laune. Wenn sie jetzt also nicht aus dem Weg gehen, mache ich eine Ausnahme von meiner Regel keine Frauen zu schlagen.“ Sie schluckte und machte mit einem ängstlichen Gesichtsausdruck einen Schritt zur Seite. Harry hatte keinen Zweifel daran, dass sie die Sicherheit rufen würde, kaum dass er im Büro verschwunden war. Er öffnete die Tür und trat in Minister Abraham Kinseys Büro. Der ganze Raum war mit Edelholz vertäfelt, mit dicken Perserteppichen ausgelegt und die Wände von Regalen voller alter Bücher und Devotionalien gesäumt, auch wenn Maybourne auf den ersten Blick erkannte, dass einige der Bücher nur Attrappen waren. Kinsey Sr. war ein kultivierter Mann gewesen und das verlangen seines Sohnes diesem Vorbild nachzueifern war unübersehbar. Auch wenn dieser Anspruch sich derzeit noch als zu hoch erwies. Mayborune ging zum Whiskeyschrank, der an der der Tür gegenüberliegenden Wand zwischen zwei Räumen stand. Er schenkte sich ohne zu fragen einen Whisky ein, schmiss drei Eiswürfel ins Glas und setzte sich auf einen der Clubsessel im Raum.

    Er blieb für einen Moment schweigend sitzen, wobei er sich das Glas an die Stirn hielt, um sich ein wenig abzukühlen. Dabei sah er mit grimmigem Blick zum Minister hinüber. Abraham Kinsey schien auf den ersten Blick allem gerecht zu werden, was man über ihn erzählte. Hatte seine Militärzeit auf einem Zerstörer im indischen Ozean abgeleistet, fernab jedweder Gefährdung durch Kampfhandlungen und dabei, so erzählte man sich in der Navy, mit einheimischen Schönheiten mehr uneheliche Kinder in die Welt gesetzt, als alle anderen Matrosen des Geschwaders zusammen. Danach, während seiner Zeit an einer sündhaft teuren Privatuniversität, hatte er sich bevorzugt für Frauen und Alkohol interessiert und weniger fürs Studieren. Im besten Fall ein Lebemann, der seine Zeit auf Erden genoss, im schlimmsten Fall ein verantwortungsloser Playboy, der versuchte den biederen und vertrauenswürdigen Staatsmann zu geben. Harry brauchte nur einen Moment, um zu beschließen, dass er ihn nicht mochte. „Na, wo liegt ihr Problem, Herr Minister?“ Er nippte am Whisky und verzog das Gesicht. „Ich meine abgesehen davon, dass dieses Gesöff ziemlich scheußlich ist? Sie sollten sich wirklich angewöhnen den Whisky nicht zu lange offen stehen zu lassen.“

    Kinsey stand hinter seinem Schreibtisch, einem aufwändig verzierten Monstrum im viktorianischen Stil, auf und sah Maybourne verwirrt an. „Ich sollte wohl besser fragen, wo ihr Problem liegt. Und wie laufen sie hier überhaupt herum?“ „Mein Problem?“ Harry lachte leise. Dann sagte er: „Heute Nacht haben die Konföderierten uns vor Richmond drangekriegt. Sie haben uns zusammengeschossen, bevor wir auch nur realisiert hatten, dass sie meinen Flugplatz eingekesselt hatten. Nicht einen einzigen Raptor haben wir in die Luft bringen können. Wurden alle zerstört, kaum dass sie auf der Startbahn waren. Wir haben gekämpft und dabei dreihundert Mann verloren, bis diese Knallchargen von den Marines und endlich raus gehauen haben. Und dann taucht plötzlich einer ihrer Botenjungen auf und sagt mir, dass ich in vier Stunden bei ihnen sein soll. Wollen sie mich jetzt noch einmal fragen, worin mein Problem besteht?“ Kinsey schüttelte nur den Kopf und schaffte es fast sofort wieder das souveräne Gesicht aufzulegen, mit dem er dem amerikanischen Volk im Vorwahlkampf der Republikaner von den Plakaten entgegengelacht hatte. Ihm war klar, dass er auf Maybournes letzte Frage lieber nicht eingehen sollte.

    Der Angriff der Ori und die Zerstörung Washingtons hatten die USA in geradezu bürgerkriegsartige Zustände gestürzt. Präsident Obama hatte sich vor dem Angriff geweigert sich evakuieren zu lassen, um für das Volk ein Zeichn der Zuversicht im Angesicht des Feindes zu setzen und im weißen Haus auszuharren. Er hatte seine Tapferkeit mit dem Leben bezahlt. Danach war der amtierende Präsident Biden kaum in der Lage gewesen die Nation zusammen zu halten. Im Machtvakuum, das durch den Tod der meisten Kongressabgeordneten und die Vernichtung der Zentralen verschiedener großer Bundesbehörden entstanden war, hatten mehrere Gruppierungen Anspruch auf die Führung der Vereinigten Staaten erhoben. Es war eine bizarre Situation, die seltsame Konstellationen erzeugte. Kinsey war das Produkt einer davon. Unfähig seine Regierung alleine zu konsolidieren, war Biden eine Koalition mit Elementen der Republikanischen Partei eingegangen, die ihm halfen die Kontrolle wiederzuerlangen. Dazu gehörte unter anderem auch die Annexion der neu formierten Bundesregierung, die in San Francisco zusammengekommen war, sowie der CSA, der Südstaaten, die sich in dieser Situation für unabhängig erklärt hatten, um nicht in den Strudel von Desorganisation und Chaos im Norden, den der Angriff ungleich härter getroffen hatte, hineingezogen zu werden.

    San Francisco hatte sich Bidens neuer Koalitionsregierung in Boston schnell untergeordnet und man hatte damit gerechnet, dass die alten Verhältnisse schnell wieder hergestellt werden könnten, doch die CSA (Confederate States of America) hatten die Wiedervereinigung verweigert. Eine Reaktion, durch die sich die neue Regierung zu einer Kriegserklärung gezwungen gesehen hatte. Der Krieg tobte nun schon ein halbes Jahr und war immer noch weit davon entfernt sich einem Ende zuzuneigen. Kinsey überging dieses Thema und baute sich in voller Größe vor Maybourne auf. „Ja, ich habe sie rufen lassen. Es geht um eine Angelegenheit von äußerster Wichtigkeit für die Sicherheit der Vereinigten Staaten.“ In diesem Moment flog die Bürotür auf und zwei Stiernacken der Sicherheit stürmten mit gezogenen Pistolen hinein. Maybourne prostete ihnen mit seinem Glas zu, als wolle er ihnen sagen, dass er sie früher erwartet hätte und Kinsey drehte sich genervt zu ihnen um. „Herr Minister, un…“ „Es ist alles in Ordnung. Und jetzt raus mit ihnen.“ Die beiden sahen sich noch einmal im Zimmer um, um sich zu überzeugen, dass wirklich keine Gefahr bestand, dann nickten sie und verließen den Raum wieder. „Eifrige Wachhunde haben sie da.“

    Kinsey schien für einen Moment verwirrt. „Ja, ja. Aber das ist jetzt nicht von Belang. Wie schon gesagt, der eigentliche Grund für ihr Hiersein ist eine Angelegenheit der nationalen Sicherheit.“ „Ich bin Offizier der Airforce.“ – Eine Aussage, die nur bedingt richtig war. Zumindest hatte man ihn wieder dazu gemacht, als der Generalstab im Pentagon draufgegangen war, doch offiziell war er noch dem NID unterstellt. „Ich verteidige die Sicherheit unserer großartigen Nation im Moment in Virginia. Zumindest hat man mir das gesagt.“ „Ich rede von einer deutlich wichtigeren Angelegenheit. Ist ihnen dir derzeitige Lage in Europa bekannt?“ „Im Groben. Die Wirtschaft steht kurz vor dem totalen Zusammenbruch, mehrere Mittelmeeranrainer sind in den Staatsbankrot hinein geschlittert und es gibt heftige zivile Unruhen. Die Regierungen sind nicht in der Lage sie Situation in den Griff zu bekomme.“ Er zögerte für einen Moment. „Na ja, wenigstens schießen sie nicht aufeinander.“ Kinsey nickte. „Gerade diese von ihnen erwähnte Schieflage der europäischen Wirtschaft ist für uns sehr bedrohlich. China nutzt die Gunst der Stunde, um sich in strategische Schlüsselindustrien einzukaufen. Unter anderem bei EADS.“ „Und das ist problematisch, weil… ?“ „Seien sie nicht so kurzsichtig, Colonel. EADS war an der Fertigung von modernem Kriegsmaterial unter Verwendung von Alientechnologie beteiligt. Technologie, die China nicht in die Hände fallen darf.“

    „Die Patente liegen bei den Staaten.“ „Ja. Aber die Ingenieure von EADS haben damit gearbeitet und verstehen die Technologie. Die Chinesen wollen alle Arbeitsverträge mit übernehmen. Was denken sie, wie lange die brauchen werden, bis sie selbst in der Lage sind F301er, Panzer mit Stabkanonen oder Railguns zu bauen?“ „Und was soll ihrer Meinung nach passieren?“ „Nicht nur meiner Meinung nach.“ Kinsey ging zu seinem Schreibtisch und nahm ein Schriftstück auf, das er Harry reichte. „Präsident Biden sieht die Lage genauso, wie ich. Die CIA hat für uns eine Schlüsselperson in diesem Vorgang ausfindig gemacht. Sein Name ist Victor Ligne, ein Belgier. Er ist Leiter der ingenieurswissenschaftlichen Abteilung für die Integration außerirdischer Technologie bei EADS. Seine Fähigkeiten sind für die Chinesen mehr wert, als die der ganzen restlichen Abteilung zusammen.“ Harry las sich das Schriftstück durch. Es war eine offizielle Dienstanweisung mit dem Siegel des Präsidenten. Er stutzte auf einmal, als er die eigentliche Kernaussage las. Er sah Kinsey sehr finster an und gab ihm das Papier zurück. „Das kann nicht ihr Ernst sein.“ „Oh doch, das ist es. Wir möchten, dass sie diesen Ligne eliminieren.“

    „Die Tötung von Nicht-Kombattanten, insbesondere Bürgern verbündeter Länder, ist Soldaten der untersagt. Sowohl nach amerikanischem, als auch nach internationalem Recht.“ „Wir brauchen sie auch nicht in ihrer Eigenschaft als Colonel der Airforce, sondern als Mitarbeiter des NID.“ „Das letzte mal, als ich nachgesehen habe, war der NID ein Geheimdienst zur Überwachung von militärischen Operationen.“ Kinsey zuckte mit den Schultern. „Wenn sie es unbedingt so sehen wollen: Der NID hat die Defense Intelligence Agency überwacht und dabei festgestellt, dass die es verbockt haben. Also werden sie diese Sache jetzt in die Hand nehmen.“ Maybourne schwieg. „Ich hatte nie den Eindruck, dass sie ein Mann mit besonders vielen moralischen Skrupeln wären, Colonel. Sie haben schon deutlich schlimmere Dinge für den NID erledigt. Sie haben entführt, gemordet und gefoltert.“ „Das ist lange her.“ „Nein, nicht wirklich. Außerdem wird ihnen hier eine direkte Dienstanweisung erteilt. Sehen sie also zu, dass sie sich für die Abreise nach Toulouse bereit machen.“

    Drei Tage in Toulouse:

    Am Ende hatten alle Einwände, die Maybourne noch gegen die Operation erhoben hatte, nichts genützt. Er war mit einem Team aus Attentätern und Agenten nach Südfrankreich geschickt worden, um ‚das Problem’, wie Kinsey es formuliert hatte, zu beseitigen. Als ihr Flugzeug auf dem Flugplatz Toulouse-Blagnac landete, fühlte er sich, als würde eine unsichtbare Hand ihm die Luft abschnüren. Mit einer gewissen emotionalen Kälte hatte er sich bereits klar gemacht, dass er helfen würde diesen Mann zu töten. Was ihm jedoch zutiefst zusetzte, war die Tatsache, dass er damit Leute hintergehen musste, die über Jahre hinweg mit ihm zusammen Leib und Leben im wahrscheinlich am weitesten reichenden Krieg der Menschheitsgeschichte riskiert hatten. Wenn es eine positive Eigenschaft gab, die ihn in all den Jahren ausgezeichnet hatte, in denen er im Namen der Vereinigten Staaten Verbrechen verübt hatte, dann war es bedingungslose Treue gewesen. Und nun wurde er gezwungen auch diese letzte Tugend noch aufzugeben. Er verließ mit dem Team den Flugplatz und sie begaben sich zu einer Wohnung in der Altstadt von Toulouse. Die ‚rosarote Stadt’, wie sie von vielen Leuten aufgrund ihrer zahlreichen alten Backsteinbauten auch genannt wurde, zeigte sich an diesem Tag von ihrer schönen Seite. Unweit des alten Hauses, in dessen erstem Stock die CIA ein getarntes Büro unterhielt, ragte die gewaltige Basilika Saint Sernin in den Himmel und erfüllte die abendliche Luft mit dem Klang des Glockenspieles in ihrem Turm, während die Bürger sich in den Cafes der Stadt versammelten.

    Doch auch hier waren Spuren der jüngeren Ereignisse zu sehen. Als Maybourne kurz nach ihrer Ankunft im Büro wieder nach draußen ging, um sich die Stadt ein wenig anzusehen – vor allem wollte er von den anderen Agenten weg, in deren Gegenwart er sich gerade sehr unwohl gefühlt hatte – fiel ihm auf, das viele Häuser leichte Beschädigungen aufwiesen. Straßenlaternen waren zerschlagen, Autos leicht verbeult, Mülltonnen rußgeschwärzt, als hätte man sie in Brand gesteckt und die Polizisten, die auf den Straßen unterwegs waren, ließen sich grundsätzlich nur in Gruppen von sechs oder mehr Beamten blicken und waren allesamt bewaffnet. Die Unruhen, die nicht nur Frankreich, sondern ganz Europa in Atem hielten, waren auch hier zu spüren gewesen. In einigen Ländern in Osteuropa herrschte zur Zeit pure Anarchie, während in Städten wie Athen und Paris jene, die von der Wirtschaftskrise am schwersten getroffen worden waren, ihrem Unmut in gewaltigen Demonstrationen und Ausschreitungen Luft machten. In letzter Zeit war es sogar in Deutschland wiederholt zu Unruhen gegen die wirtschaftsfreundliche Politik der neuen Bundesregierung gekommen. Die einfachen Bürger fühlten sich in einer Krise, in der sie allein die Zeche für die Fehler des Managements der Wirtschaft zahlen mussten, allein gelassen und angesichts der Zerstörung mehrerer Großstädte durch die Ori nicht genug beschützt. Und wenn sogar die Deutschen schon aus ihrer obrigkeitshörigen Lethargie erwachten, dann war die Lage schlimm, soviel war Maybourne klar. Er nutzte den Abend, um zu versuchen ein wenig Abstand von den Geschehnissen der letzten Tage zu gewinnen, versuchte den Bürgerkrieg und Kinsey zu vergessen und freute sich für einen Moment einfach nur am Frieden in Frankreich, dessen Bewohner das seltsame Kunststück vollbrachten im einen Moment in einer gefühlten Revolution aufzublühen und im nächsten wieder das Leben zu genießen. Ils savent le vivre.

    Einige Tage später hatten die Agenten auf Maybournes Anweisung hin mit der Observierung der Zielperson begonnen. Anfangs war er schockiert gewesen, wie schlampig diese Operation vorbereitet gewesen war. Es waren keine Persönlichkeits- und Bewegungsprofile von Ligne angelegt worden, es lagen bestenfalls lückenhafte Informationen über sein privates Umfeld und seinen Wohnort vorhanden und alles, was über seine Arbeit bekannt war, war im Zuge einer Überwachung von EADS und nicht der Person Victor Ligne ermittelt worden. Es war, als habe man ihn auf einen spontanen Jagdausflug geschickt und nicht auf eine Mission im Namen der nationalen Sicherheit. Harry saß in einem Cafe in der Innenstadt von Toulouse und wartete auf die Rückkehr seiner Leute. Auf dem Tisch vor sich hatte er einen starken Kaffee stehen und in den Händen hielt eine Regionalzeitung. Sein Französisch war ziemlich eingerostet, aber er konnte trotzdem die meisten Artikel entziffern. Er las gerade einen Artikel über wiederholte Ausschreitungen in den Vororten von Paris, als er hörte, wie sich jemand zu ihm an den Tisch setzte. Er senkte die Zeitung und blicke in das Gesicht eines ihm unbekannten Mannes. Er bemühte sich ein überraschtes Gesicht aufzulegen, was ihm in diesem Moment tatsächlich nicht einmal schwer fiel, und fragte, nachdem er noch einen Schluck von seinem Kaffee genommen hatte: „Est-ce que je peux faire quelque chose pour eux ?“

    Der Mann schwieg für einen Augenblick, dann antwortete er: „Nein, Monsieur Maybourne. Nicht für mich.“ Harry zog einen Mundwinkel zu einem spöttischen Lächeln hoch. Dieser Mann schien zwar zu wissen, wer er war, sich nicht bewusst zu sein, in welche Lage er sich damit brachte. Unterm Tisch hatte er eine schallgedämpfte Beretta schussbereit. Vorsichtig ließ er die rechte Hand auf die Armlehne des Stuhles gleiten, nicht wirklich in die Nähe der Pistole, aber doch so, dass er sie blitzschnell ziehen konnte. Es waren nicht einmal Polizisten auf dem Platz unterwegs. Die meisten Beamten der Stadt waren gerade auf dem Werksgelände von Airbus im Einsatz, wo aufgebrachte Arbeiter gegen die jüngste Entlassungswelle ‚demonstrierten’, indem sie die Werkshallen besetzt hielten und ihre Manager als Geiseln nahmen. Harry würde diesen Mann also im Zweifel ohne weiteres erschießen können und damit davonkommen. „Bitte“, meinte der Mann, der mit deutlichem französischem Akzent sprach, „ich würde es bevorzugen, wenn wir uns einfach nur unterhalten könnten.“ Er zog die Augenbrauen hoch. Offenbar war dieser Mann doch intelligenter, als er aussah. „Dann nehme ich erst einmal an, dass sie mir etwas voraus haben.“

    Der Mann griff mit der linken Hand in die Innentasche seiner Jacke und holte eine Brieftasche heraus, aus der er einen Ausweis herausfingerte. Er hielt ihn Maybourne hin, wobei er ihn zugleich mit der Brieftasche gegen potentiell neugierige Blicke Dritter abschirmte. „Léon Mathieu, Europol.“ Für einen Moment war Harry unsicher, wie er auf diese Situation reagieren sollte. Er hatte nicht mit einer Begegnung mit ‚örtlichen’ Polizisten gerechnet. Bestenfalls hätte er eine Einmischung von Seiten der Chinesen in Betracht gezogen, denen klar sein musste, dass die USA nicht tatenlos zusehen würden, wie sie Technologie der Erdallianz, falls jenes lose Bündnis ehemaliger Sternentorstaaten diesen Namen noch verdiente – erlangten. Schließlich fragte er: „Und was wollen sie, Mister Mathieu?“ „Es ist eigentlich ganz einfach. Ich weis, dass man sie geschickt hat, um Victor Ligne zu töten. Ich habe die Polizei von Toulouse um Personenschutz für ihn gebeten, bin damit aber nur auf taube Ohren gestoßen. Also liegt es bei mir etwas zu unternehmen.“ „Und wie wollen sie das bewerkstelligen? Mich festnehmen?“ „Nein. Ich möchte sie vielmehr warnen. Diese Angelegenheit hat deutlich mehr Facetten, als ihnen klar ist.“ Maybourne zuckte mit den Schultern. „Und? Ich habe meine Befehle und die lauten zu verhindern, dass China sich die Technologie von EADS aneignet.“ „Glauben sie wirklich, dass diese Gefahr besteht?“ Harry beugte sich auf seinem Stuhl vor und stützte beide Ellenbogen auf den Tisch. „Wissen sie etwas, dass ich nicht weis?“

    „So scheint es, nicht wahr? Aber um ehrlich zu sein: Wahrscheinlich nicht. Es gibt nur eines, was sie wissen sollten: Ligne und ich glauben an dieselbe Idee und haben uns derselben Sache verschworen. Einem geeinten Europa. Ich betrachte ihn deshalb als meinen Freund. Und ich weis, dass er für dieses Ziel wichtiger ist, als ich, weshalb ich mein Leben einsetzen werde, um ihn zu beschützen.“ Harry schmunzelte. „Sie haben keine exekutiven Befugnisse. Alles, was sie dürfen, ist für die nationalen Polizeieinheiten beratend tätig zu werden.“ „Das mag wahr sein. Aber ich bin nicht der einzige bei Europol, der es satt hat immer nur am Rand stehen und gute Ratschläge abgeben zu dürfen. Im Namen nationaler Gesetze werden wir in unserer Handlungsfreiheit beschnitten, weil einzelne Machthaber nicht bereit sind Kompetenzen zu teilen, selbst wenn damit etwas Großes erreicht werden könnte. Es ist eine blinde Machtgier, die mich ankotzt. Aber es gibt ein höheres Gesetz, als die Regeln ihrer Kleinstaaterei. Das Gesetz der Moral, der Vernunft und der Menschenwürde. Auf diese Werte wollten wir Europa aufbauen. Und irgendwann werden sie uns keine Steine mehr in den Weg legen können, denn dann werden wir für diese Werte kämpfen und das höhere Recht einfordern.“ „Tun sie das nicht schon längst?“, fragte Harry mit einer Geste auf die Spuren der großen Protestkundgebungen, die auch in dieser Straße zu sehen waren. „Nein. Das ist nur ein erstes Aufbegehren. Was noch auf uns zukommt, wird alles, was dieser Kontinent bisher erlebt hat, verblassen lassen.“ Mathieu stand auf. „Ich habe gesagt, was ich ihnen mitteilen wollte. Und das es keine Eindimensionalen Dinge gibt, sollten sie ja bereits wissen, oder?“ Mit diesen Worten ging er Franzose. Harry hingegen blieb auf dem Platz sitzen und wartete auf seine Agenten. Dabei dachte er über Mathieus Worte nach. Nein, es gab tatsächlich immer mehr als einen Aspekt. Es wäre dumm anzunehmen, es könnte hier anders sein und er hatte kaum Informationen über die Angelegenheit. Es war an der Zeit sich etwas genauer umzusehen.

    Noch am selben Abend fuhr Maybourne zusammen mit einem CIA-Agenten vor dem Hauptsitz von Airbus am Flughafen von Toulouse vor. Es hatte die CIA-Agenten im Büro in der Altstadt nur wenige Stunden gekostet ihnen originalgetreue Besucherausweise für das Werksgelände und die Bürogebäude zu beschaffen, in denen sich auch die Entwicklungsabteilung befand, in der Ligne arbeitete. Mit diesen Dokumenten hatten sie zwar nur die niedrigste Zugangsstufe, doch er hätte auch nicht erwartet, dass die Leute ihm sofort die Zugangskarte für die Serverräume brächten. Was er vorhatte, funktionierte auch so. Sie kamen ohne weiteres an den Pförtnern am Eingang des Werksgeländes und am Eingang des Verwaltungsgebäudes vorbei, das neben der Entwicklungsabteilung lag. Ab dort wurde die Angelegenheit jedoch komplizierter. Sie gelangten über das Treppenhaus bis zum Dach. Die Zugangstüren dorthin waren Alarmgesichert, doch sein Begleiter schaffte es dennoch sie zu öffnen, ohne das der Alarm losging. Sie gingen aufs Dach und schossen mit einem Seilwerfer, einem Gerät, dass sie in mehrere Einzelteile, die wie unbedenkliche Gebrauchsgegenstände aussahen, zerlegt mit sich getragen hatten, eine Leine hinüber. Diese sah auf den ersten Blick aus wie einfache Zahnseide, bestand jedoch aus einer hochgradig reißfesten Karbonfaser und konnte bis zu einhundert Kilogramm Gewicht halten. Maybourne zog seinen Gürtel aus der Hose und befestigte ihn an der Faser. Die Schlaufe war so konstruiert, dass man sich damit an diese dünnen Leinen hängen konnte. Dann rutschte er daran auf das niedrigere Forschungsgebäude hinüber.

    Er kam mit hoher Geschwindigkeit auf dem Dach auf. Es fühlte sich an, als würden seine Fußknöchel zerschmettert werden. Die Kameraüberwachung der Gebäude bestand aus mehreren schwenkbaren Kameras, deren Zyklen kurze Pausen von wenigen Sekunden aufwiesen, in denen der Bereich zwischen den Gebäuden nicht beobachtet wurde. Es war im Grunde genommen zu wenig Zeit, um nennenswerten Schaden anzurichten oder irgendwo einzudringen, aber wenn man schnell genug von Dach zu Dach gelangte, konnte man sich so ungesehen bewegen. Er blieb für einen Moment auf dem Dach liegen, dann lief er geduckt zum Zugang zum Treppenhaus. Der Agent kam eine Minute nach ihm auf dem Dach aus. Die Männer von der CIA hatten diesen Weg ins Gebäude schon vor Monaten ausgetüftelt, falls sie eine Gelegenheit brauchten einige Räume zu verwanzen. Nun Maybourne auf diese Weise hier hinein zu bringen war ihnen zunächst gehörig gegen den Strich gegangen, doch er hatte sich schließlich durchsetzen können. Sie betraten das Treppenhaus und liefen mehrere Etagen hinunter. Der Agent wies darauf hin, dass sie in die eigentliche Entwicklungsabteilung mit den geheimen Unterlagen nicht würden hineingelangen können, ohne Alarm auszulösen, zumal dieser Bereich voll mit Kameras, Bewegungsmeldern und Lichtschranken überwacht wurde, doch er antwortete nur: „Ich will auch gar nicht dort hin.“

    Er steuerte schnurstracks den elften Stock an, wo sich laut der Gebäudebelegungspläne, die die CIA in ihrem Besitz hatte, Lignes Büro befand. Es war ein schlichter, fast schon steriler Korridor, wie man ihn in dieser Form auch in praktisch jedem anderen Bürogebäude der selbsternannten zivilisierten Welt finden konnte. Die Wände waren mit weißer Profiltapete beklebt, der Teppichboden war hart und in mit braunen Sprenkeln versehenem Grau gehalten und die Pflanzen und Bilder, die zur Auflockerung des ganzen im Flur platziert worden waren, hatten den Anschein unwichtigen Beiwerks. Sich an den Türschildern orientierend suchte Maybourne Lignes Büro und besah sich die Tür. Sie war nur mit einem einfachen Schloss gesichert, für das man keine Codekarten oder biometrischen Merkmale brauchte. Lediglich einen Schlüssel. Letztlich gab es auch keinen Grund diesen Raum besonders zu sichern. Selbst die CIA hatte Monate gebraucht, um die Zeitpläne und Wege zu ermitteln, die ihnen ein Eindringen in dieses Gebäude ermöglicht hatten und zudem wurden in diesem Büro auch keine Konstruktionsunterlagen aufbewahrt. Es diente seinem Besitzer nur für die Verwaltungstätigkeit, die seine Position unweigerlich mit sich brachte.

    Harry kniete vor dem Schloss nieder und zog seine Dietriche aus dem Strumpfsaum und bearbeitete das Schloss. Schon nach wenigen Sekunden gab es ein hörbaren Klicken und die Tür schwang auf. Sie betraten den Raum und er machte sich sofort daran die Unterlagen auf dem Schreibtisch durchzusehen. Es stellte sich heraus, dass Ligne die Auffassung zu vertreten schien, dass nur aufräumte, wer zu faul zum Suchen war. Wie um diese Einschätzung zu unterstreichen hing an seiner Pinnwand ein Zettel mit dem Spruch „Ein Genie beherrscht sein Chaos“. Schließlich fand er in jenem Wust von Unterlagen einen Zettel, der sich auf die aktuellen Projekte bezog. Er las sich die Unterlagen durch, wobei er leise mitnuschelte, was dort stand. „Ausschreibung des amerikanischen Verteidigungsministeriums… Bau des Stratosphärentransportflugzeuges A760X ‚Helios’… Bau unter Verzicht auf naquadabasierte Technologien…“ Langsam legte er den Zettel aus der Hand. Dann ging er zu einem der Aktenschränke. Beherzt zog er einige Ordner hervor und sah sich den Inhalt durch. Im schwachen, grünlichen Licht der Nachtsichtbrille, die er trug – sie wagten es nicht Licht zu machen – brauchte er einen Moment, um die Papiere lesen zu können, doch dann kam ihm schließlich die Gewissheit. Im vierten Ordner, den er geöffnet hatte, war Korrespondenz zwischen Ligne und der Geschäftsleitung abgeheftet, in denen es um einen Bieterwettstreit zwischen Airbus und einem Konkurrenten ging, die beide um einen Auftrag vom amerikanischen Verteidigungsministerium buhlten. Und Ligne war der zuständige Chefingenieur. In aller Eile photographierte er die Dokumente mit einer kleinen Digitalkamera ab, dann verschwanden sie wieder aus dem Gebäude.

    Vier Tage später traten drei Männer vor die Wohnungstür von Victor Ligne in Toulouse. Während einer die Umgebung im Auge behielt, klingelte ein anderer. Es dauerte einen Moment, dann machte ein Mann die Tür auf, auf den die Beschreibung ihres Ziels passte. Einer attackierte ihn sofort mit einem Elektroschocker und setzte ihn damit außer Gefecht. Sie packten ihn, so dass er nicht zu Boden fallen konnte und zogen ihn in die Wohnung. Dort legten sie ihn auf den Boden und zogen ihm einen Schuh aus. Während einer eine Spritze mit einem Gift aufzog, das zum Herzstillstand führen würde und das sie ihm zwischen den Zehen spritzen würden, machte ein anderer sich auf die Suche nach dem Medikamentenschrank. Doch plötzlich flog eine Tür zu einem Nachbarraum auf und drei Männer mit Schusswaffen stürzten heraus. Sie trugen Zivilkleidung, doch unter der geöffneten Jacke des einen konnte man eine schusssichere Weste sehen. Sie eröffneten ohne weitere Vorwarnung das Feuer. Zwei der Männer, die gekommen waren, um Ligne zu töten, starben sofort. Der dritte schaffte es noch hinter ein Sofa in Deckung zu hechten und eine Waffe zu ziehen, doch als er auf der Suche nach einem Ziel hinter seiner Deckung hervorschaute, wurde er sofort von einer präzise gezielten Kugel in den Kopf getroffen.

    Keine hundert Meter von der Wohnung entfernt stand Harry Maybourne an eine Hausecke gelehnt. Als er die Schüsse hörte, lächelte er zufrieden. So einfach würde ein Mitglied der Familie Kinsey seine Seele kein zweites Mal bekommen. Er drehte einen Zettel zwischen den Händen, den er erst gestern von einem Kurier bekommen hatte. Während seine Männer in der Wohnung durch die Waffen von Europol-Beamten starben, tauchte Léon Mathieu hinter einer Häuserecke auf. Er lächelte schwach, als er Maybourne sah und kam zu ihm. „Ich danke ihnen für ihren Hinweis, Monsieur Maynourne.“ Er nickte und meinte: „Nennen sie mich Harry.“ Am vorangegangenen Abend hatte er einem Fahrradkurier einen Briefumschlag mit einem einzelnen Zettel darin und der Anweisung gegeben, ihn beim örtlichen Büro von Europol in den Briefkasten zu werfen. Darauf hatten nur neun Worte gestanden: Morgen 17 Uhr, Rue de Bac; drei Mann, bewaffnet. Glücklicherweise hatte Mathieu den Zettel erhalten und verstanden. „Danke.“ Er hielt Harry die Hand hin. „Léon.“ Er ergriff die dargebotene Hand und schüttelte sie. „Was hat deine Meinung geändert?“

    Harry hielt den Zettel hoch. „Ich habe herausgefunden, dass Ligne der verantwortliche Ingenieur für die Entwicklung eines Truppentransportflugzeuges ist, das von der Airforce ausgeschrieben wurde. Die Dinger sollen mit Raumstreitkräften zusammen operieren und binnen zwei Stunden von Nordamerika an jeden Ort der Welt gelangen können. In dem Auftrag steckt richtig Geld drin. Der einzige ernstzunehmende Mitbewerber war Boeing, aber deren Entwurf basierte auf integrierter Goa’uld-Technologie. Und nun, wo die Sternentore zerstört sind, können sie kein neues Naquada mehr beschaffen, das sie für den Bau bräuchten. Zuerst hatten sie darauf gehofft, dass die Unruhen hier Airbus aus dem Rennen werfen würden, so dass sie mehr Zeit hätten die Entwürfe zu ändern, aber während die Leute hier das Werksgelände besetzen, wird in Hamburg noch produziert. Airbus hätte das Rennen gemacht.“ Er seufzte. „Deshalb habe ich einen meiner Freunde beim NID darauf angesetzt nach Verbindungen zwischen dem Minister, der mir diesen Auftrag erteilt hat, und Boeing zu suchen. Und sie da: Einer seiner größten Wahlkampfspender ist mit zwölf Prozent Teilhaber in Chicago. Der Rest erklärt sich von selbst.“

    Mathieu pfiff, als er das hörte. „Mann, hätte ich das gewusst.“ Harry sah ihn überrascht an. „Du wusstest nicht davon?“ „Nein. Wir hatten nur vom britischen MI6 erfahren, dass ein Attentat auf Ligne verübt werden sollte, damit er keine technologischen Geheimnisse weitergeben kann. Und ich wusste, dass das nicht passieren wird.“ „Und woher?“ „Ich weis es, weil wir bald unser Recht einfordern werden, Harry. Und wenn es soweit ist, wirst du davon hören.“ Die Sirenen von Einsatzwagen der Polizei hallten von der nächsten Hauptstraße herauf. Mathieu sah zuerst in jene Richtung, dann wieder zu Harry und meinte: „Du solltest besser verschwinden. Wir kümmern uns um die Polizei. Und noch mal: Danke.“ Harry nickte. Dann lief er die Straße hinunter in Richtung der Garonne. Er nahm noch am selben Tag einen Flieger zurück nach Amerika, wo er Kinsey einen Bericht ablieferte, aus dem hervorging, dass Ligne wegen Verrats von Firmengeheimnissen von der örtlichen Polizei überwacht worden war und dass die für die Observation eingesetzten Beamten eingegriffen hatten, als sie den Überfall auf die Wohnung des Ingenieurs bemerkten. Der Minister kochte vor Wut, glaubte Maybourne die Geschichte jedoch schlussendlich. Mathieu hatte sich entsprechend revanchiert, indem er dafür gesorgt hatte, dass die Agenten der CIA in Toulouse bei ihrer Untersuchung des Vorfalles zu Schlüssen kommen mussten, die Maybournes Geschichte bestätigten.

    Eine Woche später erfuhr Harry schließlich auch, auf welche Weise der Franzose sein Recht einforderte. Und nicht nur er, sondern Europa an sich. Am 24. Juni 2012 besetzten Streitkräfte unter dem Befehl der europäischen Kommission und des Europarates die wichtigsten Verwaltungs- und Militäreinrichtungen in Europa. Ihr Erfolg wäre in dieser Form nicht möglich gewesen, hätten sie nicht die Technologie für Victor Lignes Transportflieger gehabt, die dieser ihnen zusammen mit einigen überzeugten Europäern bei Airbus in Form mehrerer Prototypen zugespielt hatte. Léon Mathieu und seine Kollegen und Freunde von Europol gehörten zu den Männern, die halfen wichtige Polizeidirektionen unter Kontrolle zu bekommen. Es war der erste Schritt in Richtung des Systems der drei Machtblöcke, dass sie in den zwanziger und dreißiger Jahren des einundzwanzigsten Jahrhunderts kannten und damit auch der Anfang einer Entwicklung, die Harry über eine verworrene Odyssee nach Wolgograd gebracht hatte.

    Zweiundzwanzig Jahre später saß Harry an seinem Schreibtisch im neuen Sternentorkommando bei Wolgograd und dachte über die Worte nach, die Léon damals zu ihm gesagt hatte. Dann fing er wieder an die Rede zu schreiben. Moral, Vernunft und Menschenwürde? Er war nicht Idealist genug, um wirklich daran zu glauben, dass sie solch hehre Ziele würden verwirklichen können. Doch er konnte die Soldaten daran erinnern, dass es sich lohnte dafür zu kämpfen. Wenn man nach den Sternen griff und sie verfehlte, erreichte man trotzdem noch den Gipfel. Er schrieb noch fast zwei Stunden lang, wobei er seinen unglücklichen Adjutanten noch ein zweites Mal aus seinem Büro heraus schmiss. Als er schließlich fertig war, lehnte er sich in seinem Sessel zurück und sah durch die Fenster des Büros hinaus. Es war kein Blick auf die Flusstäler der Wolga und des Don, die man vom Eingang des Stützpunktes aus sehen konnte, sondern einer in einen benachbarten Raum. Es war eine große Nachrichtenzentrale, wo Meldungen von allen Außenposten und Einheiten eingingen, die die EU im All verteilt hatte. Wenn sie erst einmal in Betrieb war, würden hier dutzende Kommunikationsoffiziere die eingehenden Datenströme verarbeiten, welche ein komplettes Bild der Lage in der Galaxie vermitteln sollten. Es sah dort schon fast präsentabel aus. Die letzten Techniker schlossen noch diverse Computer und die großen Anzeigetafeln an den Wänden an, doch bis morgen würde es fertig sein. Ja, der große Tag, an dem sie das Sternentor wieder öffnen würden, konnte kommen.

    Am nächsten Tag:

    Am Nachmittag dieses Wintertages des Jahres 2034 waren zweitausend Soldaten des neu aufgestellten ersten Sternentorregiments im gewaltigen Torraum des Stützpunktes angetreten. Sie standen in ihren Kompanien beisammen und bildeten zusammen mit Technikern und Stützpunktpersonal ein Spalier von den Fenstern des Kontrollraumes bis zum Tor. Als Harry den Raum betrat und zusammen mit einer Ehrenformation, die die Fahnen des Regiments trug, zum Rednerpult ging, das man vor dem Tor aufgestellt hatte, waren mehrere Kamerateams im Raum unterwegs und filmten die Zeremonie aus allen Perspektiven. Vor dem Rednerpult standen Honoratioren, angefangen von Generälen der Streitkräfte bis hin zu Regierungsvertretern und eine Marschkapelle spielte die Europahymne. Während Maybourne die Reihen der Soldaten abschritt, konnte er seinen Stolz über das erreichte nicht verbergen. In einem halben Jahr seit der Schlacht um Elysium hatten sie eine neue Einheit geschaffen, die alle Teilstreitkräfte mit einander verband und einen Stützpunkt aufgebaut, der zum Zentrum einer Operation werden sollte, wie die Welt sie in dieser Form noch nicht gesehen hatte. Der Torraum war deutlich größer, als der im alten STK. Seine Decke, die sich annähernd halbkreisförmig über ihnen wölbte, war an ihrer Scheitellinie zehn Meter hoch und der Raum selbst war etwas mehr als hundertzwanzig Meter lang. Zur Verteidigung waren Kasematten in den Wänden angebracht, von denen aus Angreifer unter Beschuss genommen werden konnten und in der Decke versenkbare Geschütze konnten den ganzen Raum in eine Todeszone verwandeln. Die Größe war nicht nur aus repräsentativen Zwecken gewählt worden, sondern hatte auch einen ganz praktischen Grund. Sie hatten neue Jumper bekommen, die völlig auf der Basis von irdisch adaptierter Technologie gebaut worden waren und fast achtzig Meter Platz brauchen, um von voller Geschwindigkeit abzubremsen. Zudem konnten so Fahrzeuge, wie Panzer und Geländewagen durch das Tor gebracht werden.

    Er hatte dafür gesorgt, dass die ganze Veranstaltung so wenig Pomp wie möglich beinhaltete. So hatte er durchgesetzt, dass seine Soldaten nicht in Paradeuniform, sondern in Einsatzkleidung angetreten waren. Wenn die halbe Welt ihnen schon zusah, wollte er ihr kein Bild sinnloser Prachtentfaltung, sondern eines der Bereitschaft bieten. So trug auch er nur den großen Dienstanzug. Als er das Pult erreichte, beendete die Kapelle gerade die letzte Strophe der Hymne. Maybourne, der in Gedanken mitgesungen hatte, formulierte lautlos die Worte:

    Seid umschlungen, Millionen!
    Diesen Kuß der ganzen Welt!
    Brüder! über'm Sternenzelt
    muß ein lieber Vater wohnen.
    Seid umschlungen!
    Diesen Kuss der ganzen Welt!
    Freude schöner Götterfunken!
    Tochter aus Elysium!
    Freude, schöner Götterfunken! Götterfunken!

    Obwohl zu dieser Hymne kein Text intoniert wurde, verspürte er immer den Drang sie laut mitzusingen. Er schüttelte kurz den wichtigsten Ehrengästen die Hand, dann stellte er sich vor das Pult. Er sah die Reihen der Soldaten vor sich. Sie alle standen noch stramm und hatten die Hand zum Salut an die Stirn gehoben. Er sprach ins Mikrophon: „Stehen sie bequem.“ In einer synchronen Bewegung nahmen alle die Füße einen Schritt auseinander und verschränkten die Hände hinter dem Rücken. „Soldaten“, begann er, „als vor sechsunddreißig Jahren die Geheimnisse des Sternentors entschlüsselt worden waren, sagten viele, dass man es verschlossen lassen sollte. Sie sagten, dass es Wissen gäbe, dass besser niemals erlangt werden solle und dass es Türen gäbe, die man niemals aufstoßen sollte. Doch vor mittlerweile wurden wir eines besseren belehrt. Heureka und Elysium haben uns gezeigt, dass Blindheit, dass Ignoranz gefährlich ist. Deshalb werden wir ab heute Augen und Ohren der Erde sein. Wir werden das Tor wieder öffnen und die Galaxie erkunden. In den letzten Monaten haben Raumschiffe der europäischen Flotten Sternentore quer über die Milchstraße verteilt, haben sie auf Planeten oder mitten im All ausgesetzt, während wir hier unsere Truppe zusammenzogen. Jetzt stehen uns über tausend Tore offen und wir haben zehntausend Mann, zweihundert Flieger und die geballte Macht Europas hinter uns. Doch wir haben noch mehr. Wir haben unseren gemeinsamen Glauben an eine gerechte Sache. Wir glauben daran die Geheimnisse dieser Galaxie zu entdecken. Wir glauben daran die Erde zu schützen, wie die Verteidiger der freien Menschen dieser Galaxie vor dreißig Jahren, in deren Tradition wir stehen. Wehe denen, die sich uns in den Weg stellen. Öffnen wir das Tor ein neues Mal.“

    Mit einer Geste befahl er Ernst Allert fortzufahren. Der Oberst trat einen Schritt aus der Formation der Offiziere vor und brüllte mit von Mikrophonen verstärkter Stimme: „Sternentor anwählen!“ Aus dem Kommandoraum kam eine Bestätigung und der innere Ring des Tores setzte sich in Bewegung. Erster Glyph, zweiter Glyph… Das Wurmloch wurde gebildet und das erste Erkundungsteam trat hindurch.
    Die Freiheit des Bürgers heißt Verantwortung.

    (Joachim Gauck)


    "You may belong to any religion[...] - that has nothing to do with the buisness of the state. We are starting with this fundamental principle, that we are all citizens and equal members of one state." (Sir Mohammed Ali Jinnah)

    Meine FF:

    Laufend: 2036 - A Union at War

    Abgeschlossen: 2034 - Das neue Sternentor

  2. Danke sagten:


  3. #2
    Autor der ungelesenen FF Avatar von Protheus
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    Hier eine Zusammenfassung wichtiger Daten, die helfen zu verstehen, wie sich die Zeitlinie seit dem normalen TGE entwickelt hat.
    Chronologie der Ereignisse:

    1928: Das Sternentor wird in Ägypten entdeckt. Jahrzehntelang versuchen Wissenschaftler ihm sein Geheimnis zu entreißen.

    1987: Das Eurokorps wird als multinationale Eingreiftruppe der westeuropäischen Staaten unter Kommando der EU gegründet.

    1998: Das Sternentorprogramm wird ins Leben gerufen.

    2000: Frankreich, Irland und Japan werden mit in das Programm einbezogen.

    2002: Die Geheimhaltung scheitert. Die Existenz des Tores wird der Weltöffentlichkeit bekannt.

    2004: Die Erdallianz, das Bündnis der Sternentornationen, zerbricht. Die EU ergänzt das Eurokorps um die EU-Battlegroup.

    2006: Ein ST-Team macht durch einen Unfall die Ori auf die Existenz von intelligentem Leben in der Milchstraße aufmerksam.

    2006: Die globale Finanzkrise erschüttert das Wirtschafts- und Staatsgefüge der Erde.

    2007: Die Ratifizierung des Vertrages von Lissabon scheitert im ersten Anlauf an Irland.

    2008: Im zweiten Jahr des Ori-Feldzuges sind ihre Glaubenskrieger unter der Führung der Priore gezwungen die Bevölkerung des Planeten Zion völlig zu vernichten, um ihn zu erobern. Die Überlebenden wählen nach wochenlangem Kampf den Freitod.

    Ungebrochen starker Widerstand durch freie Jaffa, Goa’uld, Tau’Ri und Kaiserliche lässt sie ihre Strategie überdenken.

    2009: Der Vertrag von Lissabon wird schlussendlich ratifiziert.

    Die Ori wählen alle Sternentore der Milchstraße gleichzeitig an und bringen eine Waffe zum Einsatz, die die Tore überlädt. 90% des Tornetzwerkes werden zerstört, Milliarden getötet. Das eine irdische Sternentor wird vor der Explosion ins All gebracht, das andere explodiert vor Erreichen des Orbits einige hundert Kilometer vor der sibirischen Nordmeerküste. Die letzte Verbindung zur restlichen Galaxis sind Raumschiffe.

    2010: Rettungsversuche für die globale Wirtschaft scheitern. Massive Produktionseinbrüche und soziale Spannungen sind die Folge.

    Der Klimawandel macht sich zusehends bemerkbar.

    China beginnt die Einführung einer neuen Weltwährung zu agitieren und baut seine Dollar-Reserven durch ausgedehnten Einkauf von Rohstoffvorkommen in Afrika ab. Amtsträger der europäischen Kommission und des Parlaments lassen das Korps und die Battlegroup im Geheimen auf eine neue europäische Verfassung vereidigen. Beide Einheiten werden mit neuer, z.T. außerirdischer Technologie ausgerüstet.

    2011: Ohne die Sternentore und ausreichend Schiffe sind die meisten Jaffa-Welten auf sich gestellt an die Ori gefallen. Eine Ori-Flotte greift die Erde an und wird unter massiven Verlusten zurück geschlagen. Zahlreiche Städte auf der Erde werden zerstört, darunter Lyon, Bonn, Tokio, Los Angeles, Washington D.C., Shanghai, Peking, Odessa, Sao Paulo und Ankara. Eine halbe Milliarde Menschen sterben. In den meisten Staaten der Welt bricht Chaos aus.

    2012: Auf Befehl der Kommission und des Parlamentspräsidenten besetzten das Korps und die Battlegroup binnen weniger Stunden alle wichtigen Regierungseinrichtungen und Schlüsselpunkte der Infrastruktur der Mitgliedsstaaten. Die EU setzt die neue Verfassung mit Zwang durch und leitet umfangreiche Reformen an, um die soziale und ökologische Not in Folge von Wirtschaftskrise und Klimawandel zu bekämpfen und das seit dem Angriff der Ori herrschende Chaos in vielen Gegenden Europas zu beenden. Die britische Regierung und Königsfamilie fliehen ins kanadische Exil.

    2014: Die Union wird offiziell zum geeinten Staat ausgerufen.

    China beginnt eine aggressive Politik der Ausweitung seines Einflusses in Asien.

    In Folge der Reformen hat sich die Lage in Europa stabilisiert.

    Schwule Nazis demonstrieren bei einem Sankt-Pauli-Spiel gegen Tierversuche.

    2017: Reaktionäre Kräfte, bevorzugt aus Militärkreisen versuchen in mehreren EU-Ländern die alten Nationalstaatsgefüge in koordinierten Staatsstreichen wieder herzustellen. Nach anfänglichen Erfolgen brechen alle Aufstände binnen weniger Wochen durch den Widerstand der Zivilgesellschaft und der EU zusammen.

    Groß Britannien gelingt unter Verlust von Nordirland die Loslösung aus der EU. Nach ihrer Rückkehr aus dem Exil verkündet die britische Regierung ein permanentes Bündnis mit den USA, Kanada und Australien (Die angloamerikanische Allianz, kurz nur ‚Allianz’).

    In Deutschland werden die Aufständischen unter Alexander Reineke und Sebastian Degenhardt zur Aufgabe gezwungen. Reineke wählt den Freitod, Degenhardt wird unehrenhaft aus der Armee entlassen und wegen Hochverrats zu einer Haftstrafe verurteilt.

    2019: China versucht seine Kontrolle über die Rohstoffmärkte zu nutzen, um den Westen in die Abhängigkeit zu treiben. Gleichzeitig wird versucht im großen Stil Patente aufzukaufen, um den schon stark geschrumpften technologischen Rückstand endgültig ins Gegenteil zu verkehren. Die EU und die Allianz reagieren unabhängig voneinander mit Abschottung ihrer Märkte. Die Allianz versucht die Rohstofflager Südamerikas unter ihre Kontrolle zu bringen, die EU geht eine strategische Partnerschaft mit Russland ein.

    2020: Der diplomatische Ton verschärft sich. Alle drei Machtblöcke rüsten auf. Internationale Gespräche kommen zum Erliegen.

    Die EU versucht Kapital aus der Sternentortechnologie zu schlagen und beginnt ein groß angelegtes Programm zur Kolonisierung fremder Welten. Kurz darauf folgen die anderen Blöcke mit ähnlichen Vorhaben. Durch Naquadamangel werden irdische Adaptionen und Technologien wieder zum wichtigsten Element der Raumfahrt.

    2022: Das Wettrüsten im All wird zur wichtigsten Machtfrage. EU und Allianz bauen zwischen 2020 und 2022 je vierzehn und sechzehn Schlachtschiffe.

    Nordkorea startet unter Kim Jong-un, Sohn von Kim Jong-il, eine Invasion Japans. Die Nordkoreanische Armee wurde mit modernen, z.T. auf Goa’uld-Technologie basierenden Waffen ausgerüstet und zerschlägt den japanischen Widerstand in wenigen Wochen und mit äußerster Brutalität. Eine Beteiligung Chinas wird von Seiten der Koreaner heftig bestritten. Geheimdienste der Allianz vermuten hinter der Invasion ein von China lanciertes Manöver, um die letzte Konkurrenz in Ostasien auszuschalten und die Technologien der ehemaligen Sternentornationen zu erbeuten.

    2026: Der seit zehn Jahren von verschiedenen Konzernen für Forschung und kostengünstige Produktion benutzte Mond Ganymed, offiziell ein souveränes Staatsgebiet, wird Schauplatz eines Sklavenaufstandes. 4 Millionen Männer und Frauen, vor allem aus Ländern der dritten Welt stammend, die von den Konzernen mit Versprechungen eines besseren Lebens nach Ganymed gelockt und versklavt wurden, erheben sich. Berichte über die Zustände auf Ganymed, die während des Aufstandes zum ersten Mal die Erde erreichen, erschüttern die Weltgemeinschaft und führen zur Entsendung einer Flotte unter UN-Mandat. Die Operation gerät zum Desaster. Nur unter massiven Verlusten gelingt es den Blauhelmen die deutlich moderner ausgerüsteten und für die Verhältnisse auf Ganymed besser ausgebildeten Söldner der Konzerne und der Regierung des Mondes niederzukämpfen. Die Kämpfe um Ganymed führen zu einer grundsätzlichen Neuausrichtung der Flotten und verschiedenen Heeresreformen

    China startet sein erstes denen des Westens im Artillerieduell ebenbürtiges Schlachtschiff. Ein Bauprogramm für dreißig Einheiten wird aufgelegt.

    2028: Die EU baut die Sternenfestung und Orbitalstadt ‚Aurora’ geostationär über Europa, um das starke Aufkommen an Frachtschiffen bewältigen zu können. China und die Allianz empfinden die Station als Provokation und Bedrohung ihrer eigenen Sicherheit. Um die Lage zu entschärfen wird sie offiziell unter das Kommando von UN-Friedenstruppen gestellt.

    2030: Die Allianz versucht den gesamten Schiffsverkehr aus dem Sonnensystem durch den Bau einer Raumstation beim Pluto zu kontrollieren. Kernstück ist eine vom Antiker Janus konstruierte Maschine, die von Atlantis mitgebracht und im Chaos nach dem Ori-Angriff nach Area 51 geschafft wurde. China antwortet mit dem Start seiner Schlachtflotte. Zwei Wochen nach Inbetriebnahme wird die Station in einer Schlacht zwischen Chinesischen und alliierten Schiffen so stark beschädigt, dass sie das Störfeld nicht mehr aufrechterhalten kann.

    Europa entsendet im diplomatischen Werben um die letzte Blockfreie Großmacht der Erde, Indien, Truppen nach Zentralasien, um die Kämpfe im ehemaligen Afghanistan und Pakistan zu beenden, die auf Kaschmir überzugreifen drohen.

    2031: Die europäische Kolonie auf Sarpedon hat zehn Jahre nach ihrer Gründung eine Einwohnerzahl von zwölf Millionen erreicht und wächst weiter um mehr als eine Million Einwohner pro Jahr. Insgesamt leben 2301 auf Europas Kolonien 74 Millionen Menschen. Alle irdischen Kolonien zusammen haben eine Bevölkerung von knapp 210 Millionen erreicht.

    2034: Europa hat 600000 Mann in Zentralasien stehen. Heftige Bürgerkriege erschüttern Afrika. Europäische Fremdweltkolonien berichten vom Auftauchen unidentifizierter Flugobjekte.

    Und dann, am 31.5.2034, verstummt die Heureka-Kolonie…

    Weitere wichtige Ereignisse:

    Die zweite Sezession:
    Spoiler 
    Eine kurze Episode der amerikanischen Geschichte nach dem Angriff der Ori auf die Erde, in der die Vereinigten Staaten weniger vereint waren, als der Name es impliziert. Nach der Vernichtung Washingtons erklärten mehrere Südstaaten, die kaum vom Angriff getroffen worden waren, die Aufstellung einer neuen Regierung, die in Opposition zur neuen offiziellen stand, die in Boston zusammengetreten war und die Lage zunächst nicht unter Kontrolle hatte. Der Konflikt spitzte sich schließlich bis zu einer Abspaltung der südlichen Staaten und einem zweiten Bürgerkrieg zu, den der Norden nach zwei Jahren des Kampfes schließlich für sich entschied. Für die amerikanische Gesellschaft stellte der Krieg allerdings ein schwereres Trauma da, als die Angriffe aus dem All.


    Der Konzernkrieg:
    Spoiler 
    Für profitorientierte Unternehmen stellt ein völlig rechtsfreier Raum, in dem sie selbst die Regeln bestimmen, den idealen Standort für Forschung, Entwicklung und Produktion dar. Diese Denkweise führte konsequenterweise zur Ansiedlung eines Konglomerats von Firmen auf dem Jupitermond Ganymed, wo diese einen eigenständigen Staat ausriefen. Auf Ganymed fragte niemand danach, wie sie ihre Abfälle entsorgten, was für Forschungen sie durchführten oder mit welchen Methoden sie arbeiteten. Die einzige Maxime, die der Aufsichtsrat, das höchste Gremium des Konzernstaates, aufgestellt hatte war, nichts zu tun, was die Profite der Gesamtheit schmälerte.

    Nach kurzer Zeit begannen einige Konzerne schließlich in großer Zahl Arbeiter von der Erde anzuwerben. Man köderte sie vor allem in ärmeren Ländern mit Versprechen von einem besseren Leben auf 'den Jupiterkolonien', wie man es formulierte. Doch kaum auf Ganymed angekommen begann für diese Leute ein Martyrium. Scharfe Formen der Zwangsarbeit zählten noch zu den leichtesten Schicksalen. Unter Gesichtspunkten größtmöglicher Effizienz untergebracht und in eine Produktionsmaschinerie eingebunden, wurden sie zu einfachen Zahlen in den Quartalsberichten. Die Mortalitätsraten waren erschreckend. Als sie schließlich den Eindruck hatten, dass ihre Vorarbeiter die Sklaven nicht länger kontrollieren konnten, rief der Aufsichtsrat schließlich die Konzernarmee ins Leben, eine mit modernsten Waffen ausgerüstete Söldnertruppe, die vornehmlich aus Ex-Soldaten nationaler Streitkräfte bestand. Diese Armee wurde für sie zum Werkzeug ihrer Machtausübung.

    Doch nach einigen Jahren gelang einem Sklaven die Flucht aus einem Fabrikkomplex. Er versteckte sich an Bord eines Raumschiffes zur Erde und suchte dort nach einigen Journalisten, die ihm halfen die Sache sofort öffentlich zu machen. Vier Tage später kam er unter ungeklärten Umständen zu Tode, doch die Öffentlichkeit war aufmerksam gemacht und Beweise erbracht worden. Die Politik war zum Handeln gezwungen gewesen. Nachdem die Geheimdienste die Berichte bestätigt hatten, wurde eine internationale Truppe unter UN-Mandat in Marsch gesetzt.

    Der Krieg geriet fast zur Katastrophe. Die Konzerntruppen waren ungleich besser ausgerüstet und für die Verhältnisse auf dem Jupitermond ausgebildet, während die Blauhelme nur für erdähnliche Bedingungen trainiert worden waren. Gleichzeitig zeigte sich, dass die im Goa'uld-Krieg konstruierten Raumschiffe den nach deutlich moderneren Überlegungen entwickelten Schiffen der Konzerne hoffnungslos unterlegen waren. Der Krieg endete schließlich drei Monate nach der ersten Landung im Walhalla-Krater und mit massiven Verlusten der Blauhelme. Die Konzerne waren geschlagen worden, die Söldnerarmee wurde aufgelöst und die Sklaven wieder freigesetzt. Jedoch war die Zukunft in die sie entlassen wurden mehr als ungewiss, denn niemand hatte Interesse daran sie zurück zur Erde zu bringen und nur die EU war bereit sie auf ihren Kolonien zu akzeptieren. So blieb die Masse auf Ganymed gefangen, zurückgelassen mit nichts anderem, als einer vom Krieg gezeichneten Welt und etwas Material zum Terraforming. Ohne die regelmäßigen Abwürfe von Lebensmitteln über dem Planeten durch Hilfsorganisationen hätten die meisten das erste Halbjahr nach Kriegsende nicht überlebt.


    Die Welt 2034


    Die Machtblöcke:

    Die Allianz
    Spoiler 
    Name: Allianz
    Einflussspähre: Der traditionell englischsprachige Raum ohne Irland; Südamerika; Israel; Teile Südafrikas
    Wahlspruch: In god we trust
    Als Europa sich vereinte und China seinen Einfluss in der Welt zusehends ausbaute, sahen sich die traditionell liberalistischen Länder, wie die USA und Australien, mit wachsender Bedeutungslosigkeit konfrontiert. Krieg und Wirtschaftskrise hatten stark an ihrer Substanz gezehrt, so dass sie nicht mehr in der Liga der großen mitspielen konnten. Die logische Konsequenz daraus war es Europa gleich zu tun.
    Als Britannien sich unter Verlust von Nordirland aus der EU löste und den Schulterschluss mit den USA suchte, agitierte Präsident Biden einen Zusammenschluss mit Kanada und Australien. Ein halbes Jahr später wurde der Staatsvertrag unterzeichnet, der das Bündnis besiegelte. Die neu gegründete Allianz kooperierte in vielen Bereichen, ließ ihren Mitgliedern aber immer noch einigen Spielraum und erhielt de facto die nationale Eigenständigkeit, auch wenn eine alliierte Regierung den nationalen übergeordnet wurde.
    Das herausragendste Merkmal der Allianz ist kompromissloser Liberalismus. Die Freiheit des Individuums steht im Vordergrund, auch wenn böse Zungen sahen, dass der Freiheit des Kapitals mehr Beachtung geschenkt wird. Die Gesellschaft der Allianz krankt an starken sozialen Disparitäten, denen man dadurch zu begegnen versucht, dass man den Armen Plätze auf den Kolonien verkauft. Doch durch den beispiellosen Wohlstand der gehobenen Mittelschicht und der Oberschicht, wird die Allianz in der Gesamtheit betrachtet zum Machtblock mit dem höchsten Lebensstandart. Der HDI liegt im Schnitt bei 0,98, ein Ergebnis, das in dieser Form nur möglich ist, weil auf die armen Schlucker am unteren Ende der gesellschaftlichen Hackordnung genügend Leute kommen, deren Lebensstandard schon über die Skala gehen müsste. beziffert werden kann. Es sind Geschichten über diesen Reichtum, die die Allianz zum Ziel für zahllose Glücksritter aus ärmeren Teilen der Welt machen und die Sehnsüchte anfachen, die der soziale Kitt in der Gesellschaft sind. Zudem ist sie die Fraktion mit dem höchsten Wehretat, auch wenn ihr Militär größtenteils veralteten Doktrinen aus der Zeit vor den Goa'uld-Kriegen anhängt.


    Die EU
    Spoiler 
    Name: EU
    Einflusssphäre: Ganz Europa inklusive Russland, den Kaukasusstaaten und der Türkei; Christliche Staaten in Ostafrika; Gemäßigte islamische Länder im nahen Osten
    Wahlspruch: In Varietate Concordia
    Die EU erhob sich über ihre Wurzeln als primär wirtschaftlich ausgerichtetes Staatenbündnis, als proeuropäische Kräfte, die sich um die Kommission herum formiert hatten, 2012 eine Einigung des Kontinents erzwangen. Durch rigoroses Durchgreifen und umfangreiche sozial- und wirtschaftspolitische Maßnahmen schaffte die EU schließlich, woran die Nationalstaaten gescheitert waren und rettete den Kontinent aus dem Chaos, das in Folge von Krieg und Rezession um sich gegriffen hatte. Binnen weniger Jahre gelang es die Lage zu stabilisieren und das junge Land zurück an die Weltspitze zu führen. Das neue System wurde nur zweimal herausgefordert: Durch einen Aufstand der Nationalisten 2017 und durch die Demokratiebewegung, die von 2012 bis 2014 Reformen im Staat erzwang, die jene Bürhernähe und Mitbestimmung durch das Volk brachten, die zuvor so bitter gefehlt hatte.

    Die EU sieht sich selbst als Bewahrer des Humanismus und der Menschenwürde. Es herrscht allgemeine Anerkennung der Menschenrechte und die Politik ist am Prinzip der Solidargemeinschaft orientiert. Der Staat greift regulierend in die Wirtschaft ein, jedoch ohne dass es Planwirtschaft gibt. Zugleich sind die Autoritäten permanent bemüht beim Volk ein europäisches Zusammengehörigkeitsgefühl zu schaffen und die kulturelle Unabhängigkeit von den anderen Großmächten zu erreichen. Dies geschieht durch einen zuvor beispiellosen Versuch der Schaffung einer neuen Popkultur, die in europäischer Hochkultur wurzelt, und Bemühungen das Volk nach dem humboldtschen Idealen zu bilden. Gleichzeitig schwankt der Lebensstandard innerhalb der EU allerdings recht stark. Westeuropa, die am dichtesten Besiedelte Region der Union, hat durchgehend hohe HDI-Werte von 0,95 und mehr, während insbesondere die östlichen Länder niedrigere Werte aufweisen. Die am wenigsten entwickelte Region ist Kamtschatka mit einem Wert von 0,801. Dieses Defizit ist vor allem auf dem Land und in Kleinstädten zu spüren, denn die Metropolen des Ostens haben sämtlich Werte klar über 0,9. Balkan und die südlichen Mittelmeeranreiner, wie Griechenland, die Türkei und Spanien, (Italien, das höher entwickelt ist, ausgenommen) liegen irgendwo zwischen diesen Extremen, aber selbst hier ist ein Gefälle zwischen Land und Stadt zu erkennen.

    Manche Leute bezeichnen diesen Staat als Utopie und sehen ihn in naher Zukunft wieder zusammengebrochen. Doch im Moment verteidigt die EU ihren Anspruch darauf zu den Führungsmächten der Welt zu zählen, vehement. Sie ist die treibende Kraft hinter der Kolonisation der lokalen Blase, auch wenn das weniger aus Forscherdrang heraus geschieht, als aufgrund von Notwendigkeiten. Eingeweihte Kreise wissen, dass die EU völlig von den Einnahmen ihrer Kolonien abhängig ist, um den Staatssystem und die Wohlfahrt zu finanzieren. Zugleich ist die EU eine der stärksten Militärmächte im bekannten Raum. Ihre Streitkräfte sind mit knapp 4 Millionen Mann zwar kleiner, als die der Allianz und Chinas, gelten jedoch als die am besten ausgebildeten und haben in der Vergangenheit immer wieder durch außerordentliche Flexibilität und Anpassungsfähigkeit brilliert.


    Die Volksrepublik China
    Spoiler 
    Name: VR China
    Einflusssphäre: China; das erweiterte Nordkorea; Südostasien mit der Ausnahme Singapurs und Neuguineas; die Mongolei; Zentral- und Teile Südafrikas
    Wahlspruch: 世界人民大团结万岁 (Lang lebe die Einheit der Völker der Welt)
    Als eines der ältesten Staatsgebilde der Welt, schickte China sich Anfang des 21ten Jahrhunderts an sein Jahrhunderte langes Dasein im Schatten des Westens zu beenden. Dieser vor allem durch wirtschaftlichen Aufschwung getragene Aufstieg der Nation erhielt einen kurzzeitlichen Dämpfer, als die frühe Sternentorallianz sich als neuer Machtpol der Welt formierte. Während man jedoch versuchte zu verhindern, dass China an außerirdische Technologie kam, ein Bestreben, das nicht minder von Vorurteilen und Angst angefacht wurde, als von tatsächlichen moralischen Gründen, ließ man dabei außer Acht, was Chinas lange Geschichte tatsächlich bedeutete. Tatsächlich gelang es chinesischen Archöologen alte Wirkungsstätten der Goa'uld in der Volksrepublik aufzuspüren, in denen noch einige Technologie geborgen werden konnte. Dadurch trat China ohne das Wissen der anderen Nationen schon früh in den Kreis der sternenfahrenden Mächte ein.

    Die ersten Missionen endeten jedoch beinahe in einer Katastrophe globalen Ausmaßes, so dass die Raumfahrtprogramme zunächst auf Eis gelegt wurden und China sich auf seine Ambitionen auf der Erde konzentrierte. Während der Wirtschaftskrisen und nach dem Angriff durch die Ori trat die VR endgültig als Großmacht auf und vergrößerte ihren Einfluss im Machtvakuum, das der zeitweilige Fall der Etablierten hinterlassen hatte. Nur die Gründung der beiden neuen Machtblöcke EU und Allianz gebot ihnen schließlich Einhalt. Doch als die Welt sich wieder von der Krise erholt hatte, war die Volksrepublik mit ihren Verbündeten eine der drei mächtigsten Fraktionen der Welt, stark genug, um den westlichen auf Augenhöhe begegnen zu können.

    Mit der aufkommenden Kolonisation wurde schließlich die alte Technologie wieder reaktiviert und fieberhaft daran gearbeitet die technologischen Rückstände auf Allianz und EU aufholen. Zwar ist 2034 die irdische Technologie der VR immer noch knapp 10 bis 15 Jahre hinter der westlichen zurück, doch in Sachen außerirdischer Technologie hat man gleichgezogen.

    Die VR ist als Einparteienherrschaft mit zentralistischer Ausrichtung organisiert. Für lange Zeit wurde der Staat vor allem mit Repressalien gegen das Volk und einem Modell staatlich gelenktem Kapitalismus in Verbindung gebracht. Dieses Bild ist jedoch in Teilen schon wieder überholt. Zwar kontrolliert der Staat noch immer sämtliche Schlüsselindustrien, doch in den letzten Jahren sorgte eine immer stärker werdende Demokratiebewegung, die sich erstmals in der Geschichte des Landes zentral organisierte, für starken politischen Druck auf die Regierung, unter dem einige Reformen in Angriff genommen wurden. Das Land leidet immer noch unter massiven regionalen Disparitäten in der Wirtschaftskraft und dem Lebensstandard. Insbesondere die Städte entlang der Küste und der großen Flüsse sind im Lebensstandard praktisch nicht mehr von denen des Westens zu unterscheiden, während die Landbevölkerung teilweise noch nicht einmal fließend Wasser zur Verfügung hat. Allerdings lässt ein sehr ehrgeiziges Modernisierungs- und Konjunkturprogramm der Regierung auf Besserung hoffen. Der HDI liegt im Schnitt bei 0,84.

    Von allen drei Fraktionen ist die VR die am stärksten militarisierte. Neben den stehenden Streitkräften gibt es mehrere Millionen Mann starke Reservearmeen und Milizen mit paramilitärischer Ausbildung, so dass die Volksbefreiungsarmee im Kriegsfall jedem Gegner zahlenmäßig deutlich überlegen wäre. Viele dieser Truppen sind jedoch schlecht ausgerüstet. Nur eine Kerntruppe von knapp anderthalb Millionen Berufssoldaten kann tatsächlich mit den Standards des Westens konkurieren. Zugleich gibt es Bestrebungen hoch spezialisierte Eliteeinheiten aufzubauen. Insgesamt macht dies die Streitkräfte der VR auf ihrem eigenen Staatsgebiet praktisch unbesiegbar, schwächt ihre Offensivkraft jedoch deutlich.


    Technologie:

    Raumschiffe:

    (EU) Agincourt-Klasse:
    Spoiler 
    Erstes modernes Schlachtschiff der europäischen Raumflotte. Löste die Rommel/Gagarin-Klasse als größte Einheit ab. Die Agincourt-Klasse wurde anhand der Erfahrungen aus den Konzernkriegen konstruiert. Indem man die Atmosphärenflugtauglichkeit opferte, erhielt man ein Schiff mit massiver Rundumverteidigung und deutlich stärkerer Panzerung. Durch den ersten Einsatz ablativer Panzerung wurde zugleich ein verbesserter Schutz gegen Strahlenwaffen konstruiert, der unabhängig von Schilden funktioniert. Zum ersten Mal wurde als Hauptgeschütz ein in Flugrichtung montierter Massebeschleuniger montiert, der fast die halbe Rumpflänge durchmisst. Er kann Geschosse von fast zwei Tonnen Gewicht auf ein Drittel der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen. Zudem kann das Schiff zwei Geschwader Kampfflieger tragen.

    Spoiler 
    Das Aussehen der Agincourt-Klasse:
    Der 1040 Meter lange Rumpf der Agincourt-Klasse hat in der Draufsicht die Form eines lang gestreckten Sechsecks, wirkt jedoch, als sei er in zwei Teile gespalten, die von den Aufbauten zusammengehalten werden. Diese erinnern als letztes Element noch an die Konstruktion der Rommel-Klasse. Von ungefähr zwei Dritteln der Länge bis zum Bug zieht sich der annähernd glatte, gewaltige Hauptrumpf, wie das Rückrad eines riesigen Tieres. Im vorderen Bereich ist er von den zusammen sechseckigen unteren Sektionen separiert, um diese vor Beschädigungen zu schützen, wenn das mächtige Hauptgeschütz abgefeuert wird. Dahinter ist der Hauptrumpf fest mit den unteren Segmenten verbunden, die, ähnlich den Sekundärrümpfen der ‚Selene’, nach unten abgeschrägt sind, so dass sie miteinander einen Winkel von ungefähr hundertfünfzig Grad und mit den Aufbauten des Hauptrumpfes Winkel von ungefähr einhundertfünf Grad bilden. Sie dienen hauptsächlich zur Montage der vier Triebwerke am Heck. Die beiden inneren sind in geradem Fortsatz der abgeschrägten Rümpfe konstruiert, die äußeren in Auslegern, die parallel dazu verlaufen und bei manchen Manövern auf größere Distanz zum Rumpf gefahren werden können, um größere Hebelwirkung zu erzielen, was diesen Schiffen eine für ihre Größe enorme Manövrierfähigkeit auf engem Raum verleiht. Die Hülle dieses Schiffes besteht aus silbernen und schwarzen Metallen. Als Hoheitsinsignie der EU ist ein blauer Streifen als Markierung am Hauptrumpf entlang gezogen, der am Bug mit dem Sternenkranz versehen ist.


    (EU) Süleyman-Klasse:
    Spoiler 
    Die Süleyman-Klasse stellt eine konsequente Weiterentwicklung der Agincourt da. Man verzichtete auf einen Teil der hohen Geschwindigkeit der Vorgängerklasse und montierte dafür zusätzliche Panzerung und stärkere Schilde, die das Schiff stabiler machen. Auf Kosten der Hangarkapazität, die mit einem Geschwader nur halb so groß ist, wie die der älteren Schiffe, wurde ein zweites Hauptgeschütz eingebaut. Nachdem man festgestellt hatte, dass die Hauptgeschütze der Agincourt viel stärker waren, als es eigentlich benötigt wurde, baute man die beiden Geschütze der Süleyman statt dessen mit geringerem Kaliber, so dass die Geschosse nur maximal eine Tonne schwer sind, und erreichte dafür eine deutlich höhere Feuerrate, ohne bei der Wirkung eines Einzelgeschosses gegen Bekannte Schiffstypen Abstriche machen zu müssen. Die Süleyman-Klasse war nicht als Ersatz für die Agincourt konzipiert, sondern vielmehr als Ergänzung und als neues Schiff für die Hauptkampflinie.

    Spoiler 
    Das Aussehen der Süleyman-Klasse: Diese Klasse wurde auf der Grundlage der Agincourt konstruiert und ist damit optisch weitestgehend identisch, da man die zahlreichen verstärkten Längs- und Querschotten von außen nicht sehen kann. Die einzigen sichtbaren Unterschiede sind das zweite Hauptgeschütz und der gut fünfzig Meter kürzere Rumpf.


    (Eu) Selene-Klasse:
    Spoiler 
    Die Selene-Klasse ist das wahrscheinlich innovativste Schiffsdesign, dass die Ingenieure der EU seit der Gründung der Raumflotte entwickelt haben. Die Grundidee hinter der Schaffung dieser unter äußerster Geheimhaltung konstruierten Schiffsklasse war die Konstruktion eines Raumers mit Tarnfähigkeiten, der hinter den feindlichen Linien als Späher agieren sollte, zugleich jedoch auch in einer Schlacht mit den Fregatten zusammen eingesetzt werden können sollte. So prägte die Selene die neue Schiffsklasse der Tarnfregatte. Man erreichte die Tarnfähigkeiten durch ein neuartiges Konzept, das im Gegensatz zu den bekannten Technologien der Antiker, Asgard und Goa'uld nicht darauf beruhte EM-Strahlung oder ähnliche zur Ortung einsetzbare Energien umzulenken, sondern die Emissionen des Schiffes zu eliminieren. Dies wird durch interne Energiespeicher erreicht, die die gesamte Strahlungsenergie des Schiffes aufnehmen, so dass das Schiff buchstäblich keine Emissionen von sich gibt. Im Kombination mit einer Hülle, die aktive Scans schluckt, anstatt sie zu reflektieren oder zu streuen ist das Schiff nur mit bloßem Auge zu entdecken. Da die Distanzen im All jedoch sehr groß sind, ist es dann meistens schon so nahe am Ziel, dass es zu spät ist. Für diese Fähigkeiten und ihre außergewöhnliche Geschwindigkeit mussten jedoch auch Abstrichte gemacht werden. So ist das Schiff deutlich leichter bewaffnet, als vergleichbar große Kampffregatten.

    Spoiler 
    Aussehen: Das Schiff ist ungefähr neunzig Meter lang, am Heck gut dreißig breit und über alles (auf zwei Dritteln der Länge ist ein knapp acht Meter hoher Aufbau auf das Schiff gesetzt, der eine Sensorenanordnung trägt) knapp fünfundzwanzig Meter hoch. Der Rumpf besteht aus drei Segmenten, von denen das mittlere in seiner Form ein wenig an einen nach vorne leicht verjüngten und nach unten gebogenen Keil erinnert, der jedoch auf der Oberseite leicht abgerundet ist und das eigentliche Schiff darstellt, während die beiden seitlichen Segmente, ein wenig wie kurze und dicke, schräg nach unten weg gebogene Flügel anmutend, zusätzliche Antriebe enthalten. Das Schiff hat einen matten, silbrig metallischen Glanz, ist in Teilen jedoch schwarz. Vorne am Bug ist auf beiden Seiten ein kunstvolles Relief angebracht, das die namensgebende Figur als Wappen zeigt und vom Sternenkranz Europas umgeben ist.


    (EU) Andromeda:
    Spoiler 
    Die Andromeda ist der einzige große Träger in der europäischen Raummarine. Das Schiff wurde nach Ganymed als Studie über neue Trägerkonzepte gebaut, als sich in den Konzernkriegen Schiffe mit gemischten Funktionen als stark unterlegen erwiesen hatten. Sie basiert auf einem modifizierten Entwurf der Agincourt-Klasse, wurde jedoch umfangreich an ihre angestrebte Funktion angepasst. Insgesamt kann sie zwei komplette Geschwader Kampfflieger führen, hat zugleich jedoch auch noch mehr als einhundert Landekapseln und -Shuttles an Bord (Die Truppentransportkapazität liegt bei einer Einheit bis zu Batallionsstärke mit schwerem Material). Ihre Bewaffnung besteht aus Nahverteidigungswaffen, vornehmlich leichte Railguns, sowie sechs Batterien aus Strahlengeschützen zur Abwehr gegnerischer Schiffe bis zur Größe eines Zerstörers und Raketenbatterien verschiedener Größe mit insgesamt 500 Schächten. Zugleich ist sie massiv gepanzert und besitzt den stärksten je in ein europäisches Kriegsschiff installierten Schutzschild. Das Konzept erwies sich mit Kosten von über 700 Millionen Euro jedoch als zu teuer für größere Baureihen, weshalb die EU schlussendlich auf kleinere Träger mit Kapazitäten von bis zu zwei Staffeln setzte.

    Spoiler 
    Aussehen: Die Andromeda basiert auf der Rumpfkonstruktion der Agincourt, weshalb sie ebenfalls das hexagonale Grundschema besitzt. Jedoch ist der Hauptrumpf gegenüber den abgeschrägten Segmenten deutlich mächtiger und das Hauptgeschütz fehlt. Statt dessen ist der Rumpf deutlich schwerer gepanzert und an den Flanken durch die Hangars und Schnellstartrampen gekennzeichnet. Die Triebwerke sind deutlich mächtiger, um die Andromeda aus einer Atmosphäre heraus auf Fluchtgeschwindigkeit bringen zu können, sind aber auf die selbe Weise angeordnet, wie bei den Schlachtschiffen. Die Raketenschächte für Orbitalbeschuss sitzen an der Unterseite des Schiffes, während die für den Einsatz gegen Raumziele in Blöcken an den Flanken angeordnet sind.


    (EU) J-305 Jagdbomber:
    Spoiler 
    Die J-305 ist eine direkte Weiterentwicklung der legendären J-301, des Jägers, mit dem die Erde die Goa'uld-Kriege gewann. Die J-305 wurde von der EU ursprünglich als Antwort auf die alliierte F-302 entwickelt, hatte ihre ersten Kampfeinsätze aber während der Konzernkriege auf Ganymed. Während besagtem Konflikt dominierten 'Mercury'-Kampfflieger der Konzerne den Himmel über dem Jupitermond und fegten die J-301er der Blauhelme regelrecht vom Himmel. Lediglich die wenigen F-302er konnten bis zum Einsatz der J-305er dagegen halten. Die J-305 ist das Arbeitstier der europäischen Jagdbomber. Sie ist fähig zu Hypercruising und kann bis zu sechs Ziele gleichzeitig bekämpfen. Des weiteren besitzt sie Stealtheigenschaften und ist atmosphärenflugtauglich. Ihr größter Vorteil ist ihre Adaptivität. Sie kann binnen kürzester Zeit für jedes Einsatzprofil umgerüstet und in fast jeder Umgebung eingesetzt werden. Sie bringt nirgends die gleiche Leistung, wie die spezialisierten Maschinen, aber ihre Vielseitigkeit macht sie zur ersten Wahl für viele Piloten.


    (EU) J-319 'Counterpunch' Raumjäger:
    Spoiler 
    Die J-319er, im Volksmund Counterpunches genannt, sind das Nonplusultra des derzeitigen europäischen Raumjägerdesigns. Schwer gepanzert, schnell, wendig und mit brutaler Feuerkraft ausgestattet, sind schon einzelne Rotten dieser Maschinen fähig einfache Nahdistanzzerstörer zu vernichten. Durch ihre Modulare Bewaffnung sind sie ohne weiteres in der Lage schwere Einheiten zu vernichten. Meistens werden sie jedoch als Support für Bomber der Kahn-Klasse oder zur Vernichtung von Fregatten- und Korvettengeschwadern eingesetzt. Diese Kampfstärke hat jedoch ihren Preis. So musste die Atmosphärenflugtaugleichkeit geopfert werden, was die Counterpunches zu einer reinen Raumkampfeinheit macht.


    (Allianz) Unity:
    Spoiler 
    Die Unity war mit 2000 Metern Länge nicht weniger, als das größte jemals von Menschenhand gebaute Kriegsschiff. Sie stellte einen Entwurf dar, bei dem die Zahl der Geschütze auf einem Schiff deutlich reduziert, das Kaliber erhöht und die Waffen in Mehrfachlafetten zusammengefasst wurden. Die Konstrukteure hofften offenbar auf ähnliche Vorteile, die das Schlachtschiff Dreadnought Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts auf den Weltmeeren gehabt hatte, aber letztlich erwies der Entwurf sich in ersten Manövern als unzulänglich, da das Schiff zwar enorme Feuerkraft gegen größere Ziele aufbieten konnte, jedoch keine Chance gegen kleine und schnelle Einheiten hatte. Deshalb wurde sie noch einmal massiv mit leichten Geschützen nachgerüstet. Trotzdem blieb die mangelhafte Verteidigung gegen kleine Ziele ein Manko, was man dadurch auszugleichen versuchte, dass man die stärksten Schutzschilde in das Schiff einbaute, über die die Menschheit verfügte.

    Aber trotzdem blieb das Schiff verglichen mit chinesischen oder europäischen Schiffen für seine Größe deutlich unterbewaffnet. Selbst wenn man die höhere Feuerkraft der montierten Geschütze und der mitgeführten Raketen bedachte, hatte die Unity mit einer Hauptbewaffnung von sechs Asgard-Strahlengeschützen (Originale!), hundertzwanzig Railguns und einhundert Raketenschächten eine deutlich geringere spezifische Feuerkraft, rechnete man Feuerkraft gegen Größe auf, als Großraumschiffe anderer Fraktionen und auch als andere Schiffe der Allianz. Insgesamt war ihr Ruf als größtes Schlachtschiff der Menschheit also ausschließlich der Größe ihres Rumpfes geschuldet und ihre Wirkung beruhte mehr auf Einschüchterung, denn auf tatsächlicher Stärke. Das Schiff ging schließlich auf einer Fernerkundungsmission in Kämpfen mit Schiffen der Nyx verloren. Die Waffen des Feindes hatten schildbrechende Wirkung und machten die Verteidigung des Schiffes damit praktisch wirkungslos. An dieser Stelle rächte sich auch eindeutig der fatale Verzicht auf Panzerung zugunsten von Geschwindigkeit.

    Das einzige andere Schiff gleicher Klasse, ist die Schwestereinheit 'Royal Souvereign', die 2037 in Dienst gestellt werden sollte, aber nach dem Verlust der Unity wahrscheinlich nicht als Schlachtschiff, sondern als Flottenträger vollendet werden wird.

    (Allianz) Freedom-Klasse
    (Allianz) Alabama-Klasse
    (Allianz) F-302

    Waffen und Rüstungen:

    Kampfrüstungen:
    Spoiler 
    Die ersten Kampfrüstungen waren konsequente Weiterentwicklungen der Schutzkleidung von Polizei- und Militäreinheiten. Sie komplettierten den Schutz, indem mehr und mehr Teile des Körpers mit Kevlar geschützt wurden. Die erste richtige Rüstung wurde 2020 als Schutzkleidung für die alliierte Infanterie eingeführt. Sie bestand aus flexiblem Kevlar und bot gegen die meisten leichten und älteren Faustfeuerwaffen Schutz. Als jedoch immer mehr Nachbauten moderner Sturmgewehre in den Händen von Milizen und Terroristen auftauchten, ließ die Schutzwirkung nach. Als Reaktion darauf verstärkten die Hersteller ihre Rüstungen mit Platten aus Keramik oder Kunststoffen, die lebenswichtige Organe schützten und deutlich stärkere Treffer aushielten. Moderne Rüstungen des Eurokorps sind stark genug, um bis zu 8000 Joule auf dem Quadratzentimeter auszuhalten und mit Zusatzsystemen, wie HUDs verstärkt.

    Spoiler 
    Rüstungen erster Generation: Auch leichte Rüstungen genannt. Einfache Anzüge aus Kevlarfasern, die den Träger vor leichten Schusswaffen bis ca. 3000 Joule schützen. Oft in zivilem Gebrauch oder bei der nicht kämpfenden Truppe zu finden. Neuere Modelle oft HUD nachgerüstet.

    Rüstungen zweiter Generation: Verstärkte Rüstungen mit Panzerplatten. Vom Militär als Reaktion auf stärkere Waffen entwickelt und selbst gegen Sturmgewehre der Jahrtausendwende noch auf mittlere und gegen modernere auf große Distanz effektiv. Modelle für die alliierte und chinesische Infanterie sind mit HUDs nachgerüstet.

    Rüstungen dritter Generation: Die modernsten Rüstungen, die 2034 produziert werden. Sind mit Panzerplatten verstärkt und selbst gegen moderne Sturmgewehre noch bis auf mittlere Distanz durchschlagsicher, weshalb sich die theoretische Kampfdistanz zwischen modernen Armeen auf knapp vierhundert Meter verkürzt hat. Diese Rüstungen können mit Unterlagen versehen werden, die Energiewaffen abblocken und sind standardmäßig mit Sensoren, HUD und integierter Zielhilfe ausgestattet. Sie können auch versiegelt werden, so dass der Träger mit ihnen für bis zu eine Stunde, mit vergrößertem Luftvorrat bis zu vier Stunden, im Vakuum oder in giftiger Umgebung überleben kann. Eliteeinheiten der EU, wie die Fallschirmjäger, Marineinfanterie oder verschiedene Arten von Kommandos sind mit diesen Rüstungen ausgestattet. Andere Einheiten der kämpfenden Truppe tragen Rüstungen zweiter Generation.


    Infanteriewaffen:
    Spoiler 
    Die von der Infanterie geführten Waffen unterscheiden sich in den dreißiger Jahren des einundzwanzigsten Jahrhunderts in vielerlei Hinsicht von denen der Jahrtausendwende. Die wichtigste Neuerung stellten der Einzug der Railguntechnologie und der Strahlenwaffen dar, die teilweise völlig neue Waffenkonzepte ermöglichten, teilweise aber auch alten zu einer Renaissance verhalfen. Zudem sorgten moderne Zielsysteme, intelligente Munition und neuartige Granatenkonzepte für eine deutliche Steigerung der Feuerkraft der Truppen.

    Sturmgewehre:
    Spoiler 
    Obwohl sie optisch immer noch stark an ihre Vorgänger aus den Konflikten des frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts erinnern, haben moderne Sturmgewehre in den dreißiger Jahren einige grundlegende Neuerungen erfahren. So haben praktisch alle größeren Armeen mittlerweile auf hülsenlose Munition umgestellt oder befinden sich in dieser Umstellung. Das bringt einen erheblich niedrigeren Rohstoffverbrach und niedrigeres Gewicht der Waffe mit sich. Außerdem hat sich die Handhabung der Waffe durch den Einbau moderner Zielcomputer verändert. Ein Soldat kann nun mit äußerster Genauigkeit aus der Hüfte oder aus der Deckung heraus schießen. Dies wird durch eine Vernetzung der Zielcomputer mit den HUD's erreicht. Vereinzelt wird auch schon einen Schritt weiter gegangen und an der Entwicklung von Sturmgewehren auf dem Railgunprinzip gearbeitet, doch diese Idee ist bisher am hohen Energiebedarf eines solchen Waffenkonzeptes gescheitert, dass Dauerfeuer fast unmöglich macht.


    Railguns:
    Spoiler 
    Bei den Streitkräften der EU und der Allianz haben Railguns die Panzerfäuste als primäre leichte Anti-Panzer-Waffen abgelöst. Dabei handelt es sich je nach Modell um Waffen, die wie ein schweres Gewehr geführt werden - bestes Beispiel hierfür ist die Mortimer des Eurokorps - bis hin zu großen und klobigen Waffen, die wie Miniguns aus der Hüfte heraus abgefeuert werden. Alle diese Waffen verschießen ihre Projektile magnetisch und können sie auf Geschwindigkeiten von bis zu Mach 4 beschleunigen. Ihre Projektile beziehen ihre Wirkung ausschließlich aus ihrer kinetischen Wucht und können gewaltige Zerstörungen verursachen. Standardmäßige Infanterierailguns, die im Einsatz am ehesten Panzerbüchsen ähneln, können bis zu 120mm starken Kompositstahl durchschlagen. Mit schwereren Konstruktionen auf Dreibeinen hat man bis zu 180mm Penetrationswirkung erzielt. Railguns konnten Raketen lediglich dort noch nicht verdrängen, wo vor allem auf zielsuchende Munition Wert gelegt wird.


    Haftgranaten:
    Spoiler 
    Die klassische Handgranate wurde bei den Armeen aller drei großen Machtblöcke mittlerweile durch die neue Granaten ersetzt, die in der Umgangssprache der Soldaten weiterhin als Handgranaten bezeichnet werden, deren technisch korrekter Name jedoch 'selbsthaftende angetriebene Diskus-Granate' lautet. Bei diesen Waffen wurde adaptierte Goa'uld-Technologie eingesetzt, um der Granate einen permanenten Drall zu verleihen, der sie weiter fliegen lässt. Zudem Besitzen sie Antigrav-Systeme, durch die sie mehrere Meter über der Oberfläche einer Schwerkraftquelle fliegen oder schweben können. Dadurch wird die Granate jetzt nicht mehr klassisch geworfen, sondern vielmehr wie ein Stein, den man über das Wasser springen lässt. Ihre Reichweite beträgt bis zu einhundert Meter. Die Zündung erfolgt entweder zeitlich verzögert oder ferngesteuert. Durch den Einsatz moderner Nanotechnologie sind diese Waffen zudem in der Lage an jeder beliebigen Oberfläche zu haften. Die kohäsiven Kräfte werden dabei von feinen Härchen aufgebracht, die zehn Sekunden nach der Aktivierung der Granate ausgefahren werden. Hat der Soldat sie bis dahin noch nicht weg geworfen, klebt sie fast unentfernbar an seiner Hand fest.

    Weiterentwicklungen dieser Technologie gehen dahin den Sprengstoff in diesen Granaten durch effektivere Ladungen zu ersetzen. Insbesondere Antimaterie gilt dabei als vielversprechender Kandidat. Tatsächlich haben Forscher der iranischen Armee in einem gemeinsamen Projekt mit ihren ägyptischen Kollegen in der libyschen Wüste Antimateriegranaten mit einer Äquivalentsprengkraft von bis zu einer Kilotonne TNT gezündet. Auch sollen die Konzernsöldner während des Krieges auf Ganymed solche Waffen eingesetzt haben. Eine Massenproduktion erscheint jedoch aufgrund der enorm hohen Kosten unwahrscheinlich.


    Strahlenwaffen:
    Spoiler 
    Im Krieg gegen die Goa'uld wurden die Streitkräfte der Erde das erste Mal mit Strahlenwaffen konfrontiert. Dabei wurde ihr Interesse an dieser Technologie geweckt, deren Erforschung auf der Grundlage erbeuteter außerirdischer Technologie forciert wurde. Die meisten Projekte wurden jedoch bald wieder eingestellt, da ein großer Vorrat an Beutewaffen bestand und die meisten Strahlenwaffen bei aller Liebe zu ihren ausdauernden Energiespeichern nur miese Zielgenauigkeit vorweisen konnten. Insbesondere die Waffen der Goa'uld streuten auf größere Distanz sehr stark. Erfolgreichere Ansätze zur Verwendung ähnlicher Technologie, deren Wirkung vor allem thermischer Natur ist, waren Waffen nach dem Vorbild derer der Armee von Gaetas, die ionisiertes Gas als Träger der Ladung verwendeten. Jedoch waren die irdischen Wissenschaftler unfähig ein passendes Gas zu synthetisieren. Die wenigen serienreifen Waffen wurden lediglich in sehr kleinen Stückzahlen hergestellt.

    Während der Konzernkriege überraschten die Söldner von Ganymed die Blauhelme jedoch durch den Einsatz voll entwickelter Strahlenwaffen als Hauptwaffe. Ihre Sturmgewehre konnten nach klassischen Definitionen als Lasergewehre eingestuft werden und besaßen genug Leistung, um sich selbst durch Kampfrüstungen zweiter Generation durchzubrennen, die vor allem auf Schutz gegen kinetische Geschosse ausgelegt waren. Durch das Prinzip die Waffenenergie gerichtet, elektromagnetisch und im hohen Frequenzbereich abzufeuern, wurde auch der Energieverlust an die Umgebung minimiert. Nach der Zerschlagung der Konzerntruppen fielen den Blauhelmen mehrere tausend dieser Waffe in die Hände, die sofort von der UN beschlagnahmt und in einem neu eingerichteten Waffendepot für Blauhelmeinsätze blockfreier Truppen, die oft deutlich schlechter ausgerüstet sind, als die großen Armeen, gelagert wurden. Nur wenige Exemplare fanden ihren Weg in die Laboratorien der drei Blöcke, wo sie zu Zwecken des Nachbaus analysiert wurden. Diese Waffen kommen mittlerweile vor allem bei Truppen zum Einsatz, die unter Bedingungen agieren müssen, die einen Einsatz herkömmlicher Waffen nicht zulassen.


    Nanitenstaub:
    Spoiler 
    Massenvernichtungswaffe der Konzernregierung von Ganymed. Der Staub ist der erste Einsatz von Nanorobotern für militärische Zwecke. Die Naniten sind in der Lage selbst durch Atemschutzgeräte in die Atemwege eines Opfers einzudringen und zerstören Blutgefäße und Luftröhre und Lunge. Das Opfer erstickt am eigenen Blut. Die Verluste der Blauhelme während der Konzernkriege waren zu 60% auf den Einsatz von Nanitenstaub zurückzuführen. Nur modernste Atemgeräte mit verstärkten Filtermembranen oder Schildtechnologie bieten zuverlässigen Schutz. Da die Naniten nicht zwischen Menschen und anderen atmenden Tieren unterscheiden können, töten sie im Einsatzgebiet alles tierische Leben.


    Sonstige Technologie:

    Antiagatika:
    Spoiler 
    Antiagatika sind Medikamente, die dazu dienen können den Alterungsprozess zu verlangsamen. Auf der Erde forschten um die Jahrtausendwende mehrere namhafte Pharmazeuten danach, konnten jedoch keinen Durchbruch vorweisen, bis es ihnen gelang Proben der Substanzen Tritonin und Idunin, außerirdische Medikamente mit antiagatischer Wirkung, in die Hände zu bekommen. Es gelang ihnen daraus eigene Wirkstoffe zu entwickeln, von denen jedoch keiner an die Wirksamkeit der Originale heranreichte. Das stärkste irdische Antiagatikum wird 2034 von einem Unternehmen mit Sitz in Toronto hergestellt, ist jedoch so teuer, dass es nicht für einen breiten Markt geeignet ist. In der EU ist der Wirkstoff AAG739 weit verbreitet. Die meisten Krankenkassen zahlen Behandlungen damit und Angehörige des Eurokorps bekommen die Substanz standardmäßig verabreicht, solange sie die Behandlung nicht ablehnen. AAG739 kann die Alterung von Gelenken und Organen um zehn bis zwanzig Jahre und die äußere Alterung um bis zu acht Jahre verzögern. Da jedoch jeder Mensch individuell darauf reagiert, lassen sich keine konkreten Zahlen benennen. Ähnliche Programme sind auch in der Allianz und den reicheren ostasiatischen Ländern verbreitet, jedoch für die dritte Welt unerschwinglich. So klafft die Lebenserwartung der Menschen in den großen Machtblöcken und der restlichen Welt, wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt, immer weiter auseinander.


    Virtuelle Intelligenzen:
    Spoiler 
    Forschungen im Bereich künstlicher Intelligenzen warfen schnell Probleme auf. Auch wenn es gelang mehrere zu Programmieren, die den an sie gestellten Anforderungen entsprachen, erwies der Mensch sich als der unzulängliche Faktor. Die Menschen wollten Werkzeuge kreieren, sahen sich aber mit ihren künstlichen Intelligenzen mit Systemen konfrontiert, die teilweise unvorhersehbar und unmoralisch handelten. Die Moral war dabei jedoch das geringere Problem, da sie ein menschlicher Begriff ist und nicht auf Maschinen angewandt werden kann.

    Schwieriger war das Problem der Unvorhersehbarkeit. KIs handelten nach den Prinzipien der Logik und suchten die effizientesten Wege zum Ziel zu kommen. So konnte es beispielsweise vorkommen, das künstliche Intelligenzen, die im Börsenhandel eingesetzt wurden, die Aktienkurse manipulierten oder Konkurrenten betrogen, wenn sie in der Lage waren den Vorgang zu verschleiern. Es kam auf die Konsequenzen an und wenn niemand merkte, dass Gesetze gebrochen wurden, gab es keine Konsequenzen. Ähnlich agierten militärische KI. So schicke eine KI der israelischen Armee während des dritten Libanonkrieges wissentlich eine ganze Kompanie von Soldaten in den sicheren Tod, um damit einer Artillerieeinheit ein freies Schussfeld auf eine gegnerische Stellung zu verschaffen. Die Offensive war dadurch gemessen am Schaden für den Gegner auf die effizientest mögliche Art geführt worden, doch die Verluste waren höher, als es nötig gewesen wäre um die Kriegsziele zu erreichen. Als dann verlor die chinesische Volksbefreiungsarmee 2019 die Kontrolle über eine KI, die entschied zum besten der Volksrepublik die Unruhen in Xinjiang durch Waffengewalt zu beenden und sich autonomer Waffensysteme bemächtigte. Nur durch den Einsatz einer Atombombe konnte ein Massaker an der Zivilbevölkerung verhindert werden.

    Ereignisse wie diese führten schließlich zu einem weltweiten Verbot echter künstlicher Intelligenzen im Jahr 2020. Danach konzentrierte die Entwicklung in der Informatik sich vor allem auf virtuelle Intelligenzen.

    Derartige Systeme sind hoch entwickelte Computerprogramme, die fähig sind komplexes Verhalten zu imitieren, mit Menschen verbal zu kommunizieren und flexibel auf Reize zu reagieren. Jedoch fehlen ihnen die Kreativität und Lernfähigkeit künstlicher Intelligenzen. Sie können nur innerhalb der ihnen einprogrammierten Parameter funktionieren, was sie kontrollierbar und zuverlässig macht. 2034 sind sie hoch entwickelt und werden in vielen Bereichen eingesetzt. Aufgrund der enormen Kosten, die die Programmierung einer maßgeschneiderten VI verursacht - KIs konnten sich selbst in ihre Aufgabe 'einlernen' - sind sie jedoch relativ selten. Ihre Hauptanwendungsbereiche sind die Steuerung militärischen Materials, Anwendungen in der Medizintechnik, und die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine. So stellten beispielsweise die Städte New York und Hamburg ihre komplette Touristeninformation auf VIs um und die Fluglotsen der europäischen Luftraumüberwachung werden von einer VI unterstützt.



    Wichtige Charaktere:

    Sternentorkommando:

    Harry Mayborune
    Spoiler 
    Name: Harrold Maybourne
    Alter: ca. 70 Jahre
    Rang: General
    Position: Kommandant des neuen Sternentorprogramms der EU
    Kurzbeschreibung:
    Nach einem ziemlich wechselvollen Leben, dessen Wendepunkt die Ereignisse im zweiten amerikanischen Bürgerkrieg (siehe Pilot) darstellten, ist Maybourne von seinem Leben Agent und Offizier des alliierten Geheimdienstes abgerückt und in den Dienst der EU getreten. Ausschlaggebend dafür war seine Beteiligung an den Ereignissen auf Magellan, durch die er einen Atomkrieg verhinderte, dafür aber zum Hochverrat an der Allianz gezwungen war.


    Ernst Allert
    Spoiler 
    Name: Ernst Allert
    Alter: 59 (Antiagatika)
    Rang: Oberst
    Position: Stellvertreter von General Maybourne und Feldkommandant des Sternentor-Regiments
    Kurzbeschreibung:
    Nicole Degenhardt-Allerts Mann hat nach der Zerstörung der ersten irdischen Sternentore zuerst der Bundeswehr und danach dem Eurokorps auf irdischen Kriegsschauplätzen gedient. Anders als seine Frau und sein Schwiegervater stand er der Vereinigung Europas nicht kritisch gegenüber. Er hat sich im Korps bis zum Oberst hochgearbeitet und zählt zu den meistdekorierten Offizieren der EU.


    Nicole Degenhardt
    Spoiler 
    Name: Nicole Degenhardt-Allert
    Alter: 52 (Antiagatika)
    Rang: Major
    Position: Kommandantin in EKST1
    Kurzbeschreibung:
    Als die Bundeswehr im Eurokorps aufging, wurde auch Nicole, die zuvor beim STK gedient hatte, mit in die neue Truppe übernommen. Die Beteiligung ihres Vaters am Putschversuch von 2017 warf jedoch ein schlechtes Licht auf sie und sorgte dafür, dass sie lange Zeit auf die schlechtesten Posten abgeschoben und am Weiterkommen gehindert wurde. Sie selbst hält die Vereinigung Europas für ein Verbrechen und ist, wie ihr Vater, eine überzeugte deutsche Nationalistin, zugleich jedoch auch Realistin genug, um einzusehen, dass auch Deutschland stark vom Zusammenschluss profitiert hat. Als sie schließlich mit der Untersuchung des Angriffs auf die Heureka-Kolonie beauftragt wurde, nutzte sie die Gelegenheit, um den Namen ihrer Familie wieder reinzuwaschen. Sie gehörte zu den ersten Offizieren, die für das neue STK angeworben wurden.


    Faith Asena
    Spoiler 
    Name: Faith Asena
    Alter: 32 (Antiagatika)
    Rang: Oberleutnant
    Position: Stellvertretender Kommandant von EKST1. Sanitäter
    Kurzbeschreibung:
    Faith Asena, gebürtig in Istanbul, damals noch souveräne Türkei, später EU, ist ein Offizier, mit einer beinahe makellosen Karriere. Er meldete sich nach dem Beitritt der Türkei in die vereinigte Union, bei dem diese als einziger Staat seine Souveränität freiwillig aufgab, zum Eurokorps. Er absolvierte eine Ausbildung zum Fallschirmjäger und besuchte später die Offiziersakademien in Paris und Izmir, wo er jeweils als fünft und drittbester seines Jahrgangs abschloss. Während seiner Akademiezeit studierte er auch einen reduzierten Medizinstudiengang im Nebenfach, der im Korps zum Sanitäter qualifiziert. Später diente er im istanbuler Fallschirmjägerregiment. Seine Laufbahn erfuhr jedoch einen Knick, als er sich während der europäischen Intervention im Libanon 2028 einen direkten Befehl verweigerte, den auszuführen bedeutet hätte die meisten Männer seiner Kompanie in den Tod zu schicken. Der Angriff geriet zum Desaster und nur seine geschickte Intervention, die jedoch im Widerspruch zu den Befehlen stand, konnte eine Niederlage abwenden. Jedoch schob sein kommandierender Offizier später die Schuld für die Verluste auf seinen Ungehorsam, weshalb er in einem Disziplinarverfahren zum Oberfähnrich degradiert wurde. Erst Jahre später erhielt er seinen alten Rang zurück.


    Gene Hunt
    Spoiler 
    Name: Eugene Hunt, gennant 'Guv'
    Alter: 43 (Antiagatika)
    Rang: Hauptfeldwebel
    Position: Soldat in EKST1
    Kurzbeschreibung:
    Hunt hatte ein bewegtes Leben, über das er nur ungern spricht. Der Weg, der ihm zu STK führen sollte, begann bei der Polizei in Belfast. Als Sohn von Einwanderern aus Manchester war er bei seinen vor allem irischen Kollegen nicht besonders beliebt, so dass er mit Ungleichbehandlung zu kämpfen hatte. Als er schließlich rausgeschmissen wurde, nachdem er einen Verbrecher im Verhör zu hart angefasst hatte, versuchte er sich zuerst bei der Armee, wurde aber nicht genommen. So landete er bei Söldnern, mit denen zusammen er einige Jahre lang die dritte Welt unsicher machte. Wie er es selbst beschreibt, waren sie Bastarde und Dreckschweine, kaum besser als die verbrecherischen Diktatoren, gegen die sie oft kämpfen mussten. Am Ende stellte er sich gegen seinen Hauptmann, als es um die Entführung eines EU-Diplomaten ging, der in einem Kriegsgebiet einen Frieden aushandeln sollte. Er rettete den Diplomaten, der ihm einen Platz im Korps verschaffte. Doch obwohl er nun die europäische Uniform trägt, wird seine Vergangenheit ihn wohl nie wieder loslassen.


    Corinna Silkermann
    Spoiler 
    Name: Corinna Silkermann
    Alter: 47 (Antiagatika)
    Rang: Oberfeldwebel
    Position: Waffenspezialistin von EKST1
    Kurzbeschreibung:
    Corinna ist die ungefähr 15 Jahre jüngere Schwester von Ralf Silkermann, dem Scharfschützen des alten ST1. Anders als ihr Bruder bevorzugt sie jedoch schwere Waffen. Sie neigt zu unüberlegtem und impulsivem Verhalten, kann jedoch mit ihrer Infanterierailgun, wie Nicole schwört, jeden Panzer auseinandernehmen, wie eine Konservenbüchse. Wie ihr Bruder, der beim Putschversuch von 2017 als Soldat unter Reineke starb, es war ist sie antieuropäisch eingestellt. Tatsächlich ist sie sogar Mitglied einer schon in der BRD verfassungsfeindlichen rechten Kameradschaft. Jedoch ist sie bestenfalls minimal rassistisch und vor allem eine Nationalistin. Ihre hauptsächliche Loyalität gilt jedoch Nicole, mit der sie eine langjährige Freundschaft verbindet. Sie würde sie nicht hintergehen, weshalb sie bereit war zumindest in weiten Teilen Nicoles pragmatischere Haltung anzunehmen.


    Philippe Abrams
    Spoiler 
    Name: Philippe Abrams
    Alter: 30
    Rang: Oberfeldwebel
    Position: Computerspezialist und Techniker von EKST1
    Kurzbeschreibung:
    Abrams ist einer der besten Computerexperten des Eurokorps und ein begnadeter Programmierer. Zu seinen größten Leistungen gehörte es ein adaptives Computerprogramm zu kreieren, das fast jedes außerirdische Computersystem hacken kann. Zudem verfügt er über beträchtliches physikalisches und chemisches Wissen, das er gezielt einbringen kann, auch wenn er nicht an einen voll ausgebildeten Wissenschaftler heranreicht. Er ist ebenso scharfsinnig, wie Hunt grobschlächtig und ebenso reaktionsschnell, wie Corinna aggressiv, ist jedoch der schwächste Kämpfer im Team, weshalb Corinna normalerweise die Aufgabe zufällt ihn zu beschützen.


    Mordecai Schwarz
    Spoiler 
    Name: Mordecai Schwarz
    Alter: 36
    Rang: Major
    Position: Kommandant von IT1
    Kurzbeschreibung:
    Mordecai ist einer der besten Späher des Eurokorps und ein ausgezeichneter Scharfschütze, doch diese Beschreibung wird seinem Ruf nicht gerecht. Glaubt man seinen Feinden ist er nicht mehr, als ein Schatten. Ein Gespenst, dass ungesehen kommen und gehen kann und den Tod bringt. Er hat sich mit gezielten Attentatsmissionen während des Afghanistaneinsatzes des Eurokorps einen Ruf unter den Warlords erarbeitet, der dazu führte, dass einige von ihnen sich freiwillig stellten, als Ernst Allert, der die Truppen in ihrem Gebiet kommandierte, nur das Gerücht streute, er sei auf sie angesetzt. Er weis um seine eigenen Fähigkeiten und besitzt ein ausgeprägtes Selbstvertrauen, jedoch ohne sich zu überschätzen. Seine Art, die stets den Eindruck vermittelt, seine Umgebung würde ihn belustigen und seine Verschlossenheit machen es schwer mit ihm auszukommen, doch für schwere Missionen ist er genau der richtige.


    Elias Falkner
    Spoiler 
    Name: Elias Falkner
    Alter: 42 (Antiagatika)
    Rang: Major
    Position: Kommandant von EKST2
    Kurzbeschreibung:
    Elias Falkner ist mehr als alles andere ein Überlebenskünstler. Er begann seinen Dienst als Soldat 2010 bei der Bundeswehr und beantragte direkt nach der AGA eine Versetzung zum Eurokorps. Diese wurde ihm 2011 gewährt, nachdem er seine Ausbildung als Fallschirmjäger abgeschlossen hatte. So gehörte er 2012 zu den Einheiten, die die Einigung der EU durchsetzten. Später studierte er an einer Offiziersakademie. Manche Leute sagen ihm einen Hang dazu nach sich nur in permanenten Krisensituationen wohl zu fühlen, was durchaus nachvollziehbar scheint, meldet er sich doch immer wieder freiwillig für die schlimmsten Krisenherde. Er ist Veteran der Kaukasuskrise und des Ganymed-Einsatzes. Später diente er in Afghanistan. Er wurde mehrfach im Dienst ausgezeichnet. Einige seiner Kameraden halten ihn für einen unerträglichen Idealisten, andere für einen harmlosen Spaßvogel. Tatsache ist, dass beides Facetten einer gezeichneten Persönlichkeit sind. Er hat genug gesehen, um politisch desillusioniert zu sein, hat dabei jedoch etwas, dass er wohl als Soldatenehre bezeichnen würde, als einzigen Rettungsanker erfahren.

    Julius von Sachleben
    Spoiler 
    Name: Julius Gideon Matthäus Siegfried von Sachleben
    Alter: 23
    Rang: Feldwebel
    Position: Soldat von EKST2
    Kurzbeschreibung:
    Als jüngerer Sohn der Familie Sachleben, wurde Julius von Geburt an auf eine Rolle als stellvertretender Leiter des Unternehmens seines Vaters vorbereitet, das sein älterer Bruder eines Tages erben sollte. Nach einem erstklassigen Abschluss in Salem, wandte er sich jedoch gegen den für ihn vorgeplanten Lebensweg. Dadurch überwarf er sich für kurze Zeit mit seinem Vater. Zuerst reiste er mit einem Freund um die Welt. Gerüchten zu Folge sollen sie eine Zeit lang an der Seite kommunistischer Rebellen in Lateinamerika gekämpft haben. Nach drei Jahren kehrte er alleine nach Europa zurück und meldete sich mit dem Ziel an einer Offiziersakademie zu studieren freiwillig zum Eurokorps und diente im Infanterieregiment in Chabarowsk. Erst, als er wenige Jahre später, als ein neues Sternentorprogramm angekündigt wurde, eine Möglichkeit fand das Leben seiner Mutter zu retten, söhnte er sich wieder mit seinem Vater aus und wurde wieder zu einem anerkannten Mitglied der Familie (Was nebenbei eine Wiedereinsetzung ins Testament mit sich brachte).


    Die Antagonisten:

    Lord Dumuzi
    Spoiler 
    Name: Dumuzi
    Alter: ca. 6000 Jahre
    Rang: Systemlord
    Position: Mächtigster Goa'uld seiner Zeit
    Kurzbeschreibung:
    Die Sumerer verehrten Dumuzi als Gott der Vegetation, der alljährlich einmal in die Unterwelt reisen musste, bevor er wieder auftauchte. Diese Geschichte hat einen wahren Kern, denn der Goa'uld Dumuzi ist ein Meister darin sich vor unliebsamen Blicken zu verstecken, so dass er förmlich vom Erdboden verschluckt scheint, sobald es seinem Überleben förderlich ist. Kurz vor der letzten Schlacht der Tau'Ri gegen die Systemlords der Goa'uld, trat Dumuzi, der selbst immer einen untergeordneten Rang bekleidet hatte, vor den Rat und verkündete, dass sich dem Feind zur Schlacht zu stellen, selbst auf einer so gut befestigten Welt wie ihrer, für die meisten von ihnen den sicheren Tod und für alle Schmach und Niederlage bedeuten würde. Er versuchte andere dazu zu agitieren ihm zu folgen, doch es war vergebens, so dass er sich kurzerhand allein auf den Weg machte und dem Rat den Rücken kehrte. Er schaffte es sich vor der Erde und den Ori zu verbergen und wartete den richtigen Moment ab, um sich wieder zu offenbaren. Als die Galaxie nach der Zerstörung der Sternentore, dem Fall der Ori und dem Verschwinden der Erdlinge ein Machtvakuum erlebte, betrat er die Weltbühne aufs Neue und stieg in kürzester Zeit zum mächtigsten Kriegsherrn zweier Spiralarme auf, stark genug, um den Platz des vernichteten Rats der Systemlords einzunehmen. Er ist von gefährlicher Schläue und Verschlagenheit. Seine größte Stärke ist seine Fähigkeit andere gegeneinander aufzuhetzen, während er im Hintergrund seine Ränke schmiedet. Von der Bevormundung durch die alten Systemlords befreit ist er so eine größere Bedrohung, als der Rat es jemals gewesen ist.


    Milio Callidus
    Spoiler 
    Name: Milio Callidus
    Alter: Ca. 300 Jahre
    Rang: Legat
    Position: Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Nyx
    Kurzbeschreibung:
    Milio begann seine Laufbahn als Offizier der neunten Legion der Antiker. Als solcher führte er schon nach wenigen Jahren eine volle Kohorte an und galt als einer der wichtigsten Hoffnungsträger der Legion. Er arbeitete sich mit der Zeit zum jüngsten Primus Pilus hoch, den die Legion je gehabt hatte. In dieser Position gelang ihm ein erfolgreicher Schlag gegen ein Weltenschiff der Flotte von Nyx, ein Erfolg, der bis dahin unerreicht war. Kurz darauf berief der Rat der Antiker des Halo ihn zum Legaten, zum Oberbefehlshaber der Legion. Er rang einigen der erfolgsverwöhntesten Offiziere des Gegners mehrere Siege ab und ließ die Antiker wieder an einen Erfolg im Krieg glauben. Doch mit den Jahren veränderte er sich. Manche sagen es sei, weil er begonnen hatte den Feind zu studieren, um ihn besser verstehen zu können, andere meinen er sei einfach ehrlos geworden. Aus welchem Grund auch immer: nachdem er die Legion zwanzig Jahre lang geführt hatte, lief er plötzlich über und führte nun die Krieger der Nyx, die ihn gefürchtet hatten, wie keinen Legaten vor ihm, gegen die Legion. Niemand kennt seine wahren Beweggründe, außer vielleicht seiner neuen Herrin.
    Geändert von Protheus (14.08.2009 um 14:04 Uhr)
    Die Freiheit des Bürgers heißt Verantwortung.

    (Joachim Gauck)


    "You may belong to any religion[...] - that has nothing to do with the buisness of the state. We are starting with this fundamental principle, that we are all citizens and equal members of one state." (Sir Mohammed Ali Jinnah)

    Meine FF:

    Laufend: 2036 - A Union at War

    Abgeschlossen: 2034 - Das neue Sternentor

  4. #3
    Gehasst, Verdammt, Vergöttert Avatar von Colonel Maybourne
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    Ein guter Start und es gab ja auch ein paar nette Rückblicke auf Maybournes ja nicht so bekannte Vergangenheit.
    Ich würde ja zu gerne lesen, wie die Amerikaner und insbesondere Kinsey reagieren, wenn sie die Aufnahmen sehen.
    Aber eines interessiert mich noch mehr und das ist: Was ist mit Jules passiert?
    Sie ist bisher noch nicht vorgekommen, wird sie auch noch Auftritte haben.
    Bis dann.
    Das Leben ist ein Schwanz und wir die Eier, die mitgeschleift werden.


    Meine aktuellen Fanfiction:


    TGE Combined Season 1 Fire of War:

    http://www.stargate-project.de/starg...ad.php?t=11836




  5. #4
    dumm geboren und nix dazugelernt:P Avatar von Santanico Pandemonium
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    Das hat Kinsey sicher gefreut, als er erfahren hat, dass Maybourne Chef des STK wird und dann auch noch so eine Rede schwingen darf, dem sein Tag war wohl ruiniert

    Und dann sind auch noch seine Pläne um Boeing & Airbus aufgeflogen, da hätte Maybourne mit an die Presse gehen können, sowas ist ja strafbar.... Auftrag eines Mordes erst recht.

    die Vorgeschichte zur Blockbildung war jedenfalls gelungen, man könnte fast sagen, manchmal muss man die Leute zu ihrem Glück zwingen Ich jedenfalls kann der europäischen Kleinstaaterei ebenfalls nichts positives abgewinnen, da stell ich mich meinungsmäßig mal gleich neben den franz. Interpoltypen...
    WEIR: ... putting your life and other people's lives at risk. You destroyed three quarters of a solar system!
    McKAY: Well, five sixths. It's not an exact science.
    WEIR: Rodney, can you give your ego a rest for one second?

    Ein Jahr später:
    Spoiler 
    CARTER: About a year ago, your brother came across an abandoned alien experiment called Project Arcturus.
    CARTER: It was an attempt to generate zero point energy.
    JEANIE: That would be virtually limitless power. What happened?
    McKAY: A slight problem. It was the creation of exotic particles in the containment field.
    CARTER: He destroyed a solar system.
    JEANIE: Meredith! (She smacks his arm.)
    McKAY: It was uninhabited!

  6. #5
    Autor der ungelesenen FF Avatar von Protheus
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    @Colonel Maybourne: Jules Schicksal wird in einer der kommenden Episoden noch beleuchtet werden. Da habe ich mir etwas besonderes einfallen lassen

    @Santanico Pandemonium: Was Kinsey angeht bitte auf die zweite Episode warten. Da hat er seinen nächsten Auftritt.

    Und heute, heute ist der glücklichste Tag in eurem Leben, denn hier ist es: Das erste Kapitel. *Hüstel* Ok, vergessen wir die Selbstbeweihräucherung. Dieses Kapitel dient dem Zweck ein paar wichtige Charaktere einzuführen, Verbündete, wie Gegner. Sind sechzehn Seiten, aber ich musste trotzdem in zwei Teile aufspalten. Viel Spaß beim Lesen.


    Episode 1: Gesprengte Ketten

    Die dunkelbraunen Augen sahen über die fellbewachsene Nase hinweg und musterten voller Neugierde die fremdartige Umgebung. Unzählige laute und leise Klänge drangen an die scharfen Ohren und die feine Nase witterte eine Symphonie aus Gerüchen. Die Männer, die links an ihnen vorbei gingen, hatten fremdartige Gerüche an sich, die so völlig neu waren. Die Nase wurde in ihre Richtung gehalten und aufgeregt geschnuppert, während man an der Seite der Rudelführer weitertrottete, die mit schnellen Schritten durch jene fremdartige Umgebung gingen. Dann kam auf einmal ein Mann um die Ecke, der für einen Moment stehen blieb und in ihre Richtung sah. Sein Fell war anders, als das der Rudelführer. Es war blau statt grün und hatte glänzende Streifen an den Armen. Für einen Moment musterte man ihn interessiert, dann wandte man den Blick ab. Es ging weiter, bis der Mann etwas sagte. Die Rudelführer blieben stehen…

    Harry Maybourne sah auf seine Uhr, während er mit hastigen Schritten die Treppe von der Kommunikationszentrale hinunter in die Hauptkorridore des zwanzigsten Untergeschosses ging. Nicole Degenhardt Allert wartete im Torraum auf sie. In sechs Minuten erwarteten sie ein Team zurück, das unterwegs gewesen war, um eine alte Antikerruine zu untersuchen, von der die Bergungsteams sich einen Hinweis auf den Standort des Castellum Stellae erhofften, das alte Hauptquartier der Antikerflotten vor dem Exodus ihres Volkes in die Pegasus-Galaxie. Sein Adjutant, der Gefreite O’Sullivan, der einige Schritte hinter ihm war, las ihm gerade eine Liste von Materiallieferungen vor, die an diesem Morgen geliefert worden waren, doch er hörte nur mit einem Ohr zu. Seine Gedanken waren bei dem Team, das sie zurückerwarteten. Wenn sie etwas entdeckt hatten, konnte er ein Bergungsteam losschicken. Er erreichte das untere Ende der Treppe, legte die wenigen Meter zum Hauptkorridor mit wenigen Schritten zurück... und lief fast in einen riesigen Hund hinein, der von einem Soldaten in Kampfrüstung an der Leine geführt wurde. Gerade noch rechtzeitig blieb er stehen, um den Tier nicht auf die Pfote zu treten.
    Geändert von Protheus (19.05.2009 um 17:14 Uhr)
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    (Joachim Gauck)


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  7. #6
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    Er sah zuerst den Hund an, ein Tier mit zotteligem schwarz gefärbtem Fell, das an Schnauze, Kehle und den Läufen blond war. Dieser musterte ihn zunächst ebenfalls interessiert, dann wandte er jedoch seinen Blick ab. Der Hundeführer führte das Tier weiter in Richtung des Torraumes, gefolgt von elf anderen Männern mit Hunden derselben großen Rasse, sowie einem Dutzend Männern und Frauen mit Hunden, die etwas kleiner und deutlich zierlicher waren. Maybourne beschleunigte seine Schritte wieder und schloss mit dem Anführer der Gruppe auf. „Leutnant“, sprach er ihn an, „Was wollen sie mit diesen Tölen im Torraum? Und zu welcher Einheit gehören sie überhaupt?“ Der Offizier, ein Mann mit unverkennbar mediterranem Aussehen, hielt an und sah zunächst etwas verwirrt zu Maybourne hinüber. Dann antwortete er nach kurzem Zögern: „Dritte Kompanie, zweites Bataillon, General. Wir haben Befehl die Hunde an das Tor zu gewöhnen.“ Harry schwieg für einen Moment und dachte nach. Er war bei der Planung dieser Operation für die konzeptionelle Auslegung des Programms mit Aufbau der Kommunikations- und Sternentorinfrastruktur und der Integration der Teilstreitkräfte zuständig gewesen, nicht für die tatsächliche Aufstellung des Regiments. Diese Aufgabe hatten statt dessen General Fayolle und Oberst Degenhardt übernommen, die einen sehr viel besseren Überblick über die Einheiten des europäischen Militärs gehabt hatten und vor allem auch gewusst hatten wo wie viele Truppen gefahrlos hatten abgezogen werden können. Er beugte den Kopf zu O’Sullivan hinüber und fragte: „Wir haben Hundestaffeln?“ „Ja, General. Zwei Staffeln in der dritten und eine in der vierten Kompanie des zweiten Bataillons.“ „Auf wessen Befehl?“ „General Fayolles. Sie hatten lediglich zwei Züge Sensortechniker angefordert und er entschied mit dem Hinweis auf die Fehlbarkeit technischer Sensoren, dass die Hunde eine passende Ergänzung darstellen.“ Maybourne rieb sich leicht nervös den Nacken. „Gut. Weitermachen. Aber sehen sie zu, dass diese Flohteppiche den Betrieb nicht stören.“ Der Leutnant schmunzelte. „An dem Tag, an dem sie bei meinen Hunden auch nur einen einzigen Floh finden, nehme ich meinen Abschied, General.“

    In Torraum wartete Nicole bereits auf Harry. Sie stand in voller Montur einige Meter vom Tor entfernt und betrachtete den metallischen Ring, der vor ihr stand. Es schien ihr unglaublich, wozu es in der Lage war. Wer immer auch die Worte gesagt hatte, dass jede fortgeschrittene Technologie zuerst nicht von Zauberei zu unterscheiden sei, hatte wahrscheinlich nicht das Sternentor im Sinn gehabt, aber ihr fiel kaum etwas ein, das besser auf diese Worte gepasst hätte. Die ‚Zauberei’ des Sternentores ließ Begriffe wie Raum und Zeit für den Menschen unwichtig werden. Es brauchte nicht mehr, als einen Schritt durch das Tor, um Entfernungen jenseits des menschlichen Vorstellungsvermögens zu durchqueren. Und es war eine ‚Zauberei’, die ihr Leben auf eine Weise bestimmt hatte, die die Zeit vor jenem Tag, an dem ihr Vater sie förmlich in die Bundeswehr gezwungen hatte, um ihr das Gefängnis zu ersparen, zu einem entfernten Schatten einer Erinnerung verkommen ließ. Sie verspürte eine seltsame Mischung aus freudiger Erwartung wieder Teil der Unendlichkeit zu werden, die das Tor eröffnete, und Furcht davor, welche Mächte aus dem unendlichen Füllhorn der Gefahr und des Schreckens, das diese Galaxie dazustellen schien, dieses Mal ihre Hand nach der Erde ausstreckten.

    Die letzten Monate war sie, nicht zuletzt auf Drängen des Kommissariats für Kolonisation hin, vor den Medien herumgezeigt worden, wie zu Zeiten des alten STK ihr Vater und sein Team. Während die Flotte ihre Kreuzer und Flaggschiffe spazieren geflogen hatte, um über allen europäischen Planeten Präsenz zu zeigen, hatte man sie zu Pressekonferenzen, in Begleitung von Militärberichterstattern auf Manöver oder Patrouillen geschickt und ihr und Kapitän van Hooft in einer großen (und medienwirksamen) Zeremonie den Pour le Mérite, den sie eigentlich schon in kleinem Kreise zwei Tage nach Elysium verliehen bekommen hatten, ein zweites Mal an die Brust geheftet. Sie war zu etwas wie einem Talisman für die Sicherheit eines jeden Europäers auf den Kolonien geworden. Man tat sogar alles, damit die Beteiligung ihres Vaters am Putschversuch von 2017 heruntergespielt wurde. Es durfte kein Makel mehr am Namen Degenhardt sein. Und das alles nur, um den Menschen ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln und die Kolonisation vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Bis jetzt hatte es sogar ganz gut geklappt. Zwar waren viele Großkonzerne, die bisher die Hauptinvestoren der Kolonien gewesen waren, abgesprungen, doch dafür hatten kleinere und mittlere Unternehmen ihren Platz eingenommen und es hatten sich zehntausende Freiwillige für die Kolonie auf Heureka gemeldet. Wie Elysium über Jahre zu einem Symbol des Friedens geworden war, war Heureka nunmehr zu einem Symbol für die Unbeugsamkeit Europas geworden. Sie war so froh, dass alles vorbei war. Noch ein weiteres Interview und sie wäre gewalttätig geworden. Aber glücklicherweise waren auf dem Stützpunkt keine Journalisten mehr erlaubt, seid er den Betrieb aufgenommen hatte.

    Sie bemerkte Maybourne erst, als er nur noch wenige Meter von ihr entfernt war. Tatsächlich bemerkte sie, da es gerade sehr laut im Torraum war – die Wachmannschaften machten Probeläufe mit den Deckengeschützen, die immer wieder ein und ausgefahren wurden; bei vierzig Lafetten machte das einigen Krach – lediglich einen Offizier, der einen Hund, ihrer Einschätzung nach einen Hovawart, an ihr vorbei zum Tor führte. Sie sah sich interessiert um und sah, dass es zwei volle Staffeln von Vierbeinern waren, neben denen der General her ging. Maybourne kam zu ihr und grüßte sie mit einem angedeuteten Salut, den sie dafür umso zackiger und mit einem breiten Lächeln beantwortete. Er sah sie mit gerunzelter Stirn an. „Na, heute gut drauf, Major?“ Major… Noch etwas, woran sie sich erst mit der Zeit würde gewöhnen müssen. Nachdem sie Jahre lang bei Beförderungen übergangen worden war, hatte man ihr nun endlich den Rang zugestanden, der ihr bei ihrer Dienstzeit und ihren Leistungen mindestens zustand. „Ja, General. Es geht endlich wieder los.“ Maybourne sah auf die Uhr. Noch eine Minute bis zur erwarteten Ankunft des Teams. „Entspannen sie sich, Major. Wir haben Zeit und ich will nicht, dass sie im Übereifer die erste Mission verhauen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Keine Sorge, das wird nicht passieren.“

    Bevor Maybourne etwas antworten konnte, aktivierte sich das Tor. Die Hunde winselten, als der innere Metallring sich in Bewegung setzte und die Glyphen einrasteten. Maybourne sah fragend zum Leutnant hinüber, der die Staffeln kommandierte. Dieser bemühte sich zu erklären: „Die Luft um das Tor schwingt im ultrahohen Frequenzbereich, wenn es aktiviert wird. Für uns ist es nicht hörbar, aber für die Hunde schon.“ Maybourne nickte. Dann aktivierte sich das Tor. Nur Sekundenbruchteile, nachdem der Vortex abgeflammt war, sprangen die Soldaten des Erkundungsteams hindurch, einige rückwärts laufend und mit dem Gewehr auf ein Ziel jenseits des Tores zielend. „Iris schließen“, rief Mordecai Schwarz, der die Einheit anführte. Der Mann an den Kontrollen reagierte sofort, die Iris jedoch nicht. Bevor sie sich schließen konnte, sprang eine zweiläufige Kreatur mit einer Widerristhöhe von fast zwei Metern, hindurch. Dann schloss sich die Iris und man hörte einen Schlag, als eine zweite dagegen prallte. Nicole starrte das Wesen für einen Moment fassungslos an, dann wurde ihr klar, dass ein ausgewachsener Utahraptor im Torraum stand. Das Tier hatte einen von Daunenflaum und Federn bedeckten Körper, ein Maul voller messerscharfer Zähne und Sichelklauen von grotesker Größe an den Füßen. Die Hunde legten sofort die Ohren an und knurrten wütend los und auch die Menschen griffen nach ihren Waffen. Für einen Augenblick sah der Dinosaurier sich verwirrt um, versuchte die veränderte Umgebung und die seltsamen Wesen zu erfassen, die ihn umgaben. Er kam jedoch nicht mehr dazu eine Entscheidung zu treffen. Ein Soldat aus dem Erkundungsteam riss sein Gewehr hoch und jagte ihm mehrere Kugeln durch den Schädel.

    Nicole, die sofort ihre Pistole gezogen hatte, sah, wie die Echse zu Boden fiel. Langsam und misstrauisch machte sie einige Schritte auf den Kadaver zu, die Waffe ständig schussbereit. „Was zur Hölle ist das?“, fragte sie Mordecai. Das Team hatte die Aufgabe gehabt einen alten Außenposten der Antiker, dessen Standort man aus noch vorhandenen Fragmenten der Atlantis-Datenbank erfahren hatte, zu durchsuchen, nicht auf Großwildjagd zu gehen. „Keine Ahnung“, antwortete dieser. „Ein Dinosaurier?“ „Sie sind ein Meister des Offensichtlichen. Ich meinte damit eher, was das Viech hier macht?“ Ähm…“, erklärte er etwas unsicher, „Kurz nach unserer Ankunft auf PJ39627 hatten wir Riesenechsen angetroffen. Es waren aber alles harmlose Pflanzenfresser, weshalb ich keinen Grund sah abzubrechen. Wir gingen zum Ziel, suchten die Daten und machten uns auf den Rückweg. Aber kaum dass wie die Anlage verlassen hatten, sind wir diesen Viechern über den Weg gelaufen. Wir sind so schnell wie möglich zurück zum Tor und… Na ja, den Rest kennen sie.“

    Maybourne nickte. „Haben sie die Daten gefunden?“ Mit einem angedeuteten Lächeln Mordecai einen Datenträger aus einer seiner Gürteltaschen und reichte ihn dem General. „Im Kommunikationsdatenspeicher war ein Marschbefehl für durchkommende Schiffe. Und das Ziel…“ Er gönnte sich eine kurze Kunstpause und lachte verschmitzt, als verberge sich in seinen Worten ein Scherz, den nur er gehört hatte. Dann warf er den Datenträger aus dem Handgelenk heraus zu Maybourne, der ihn mit der rechten auffing. „Ist alles dort drauf.“ „Sehr schön. Gute Arbeit, Hauptmann. Ich will ihren Bericht heute Abend auf meinem Schreibtisch. Wegtreten.“ Die Späher salutierten und gingen in Richtung des Ausganges. Maybourne sah indessen auf den Kadaver, der vor dem Tor lag. Er holte tief Luft und amtete langsam pustend wieder aus. „Na, immerhin ein interessanter erster Arbeitstag. Ist es beim alten STK eigentlich jemals langweilig geworden, Major?“ „Sehr selten, General.“ Er verzog kurz das Gesicht. Dann meinte er eher beiläufig: „Was soll’s, ich hab mir den Job schließlich selbst ausgesucht.“ Er stieß einmal mit dem Fuß gegen das Tier, dann sagte er an einen der Tortechniker gewandt, der angelaufen gekommen war, um die Irisautomatik zu überprüfen. „Sorgen sie dafür, dass die Iris beim nächsten mal schneller schließt. Und schaffen sie das hier aus dem Weg.“ Er überlegte kurz. „Bringen sie es zu einer Fleischbeschau und geben sie es dann dem Koch. Mal sehen, ob er was daraus machen kann.“ Dann verließ er mit Nicole zusammen den Torraum, um die nächste Mission zu planen.

    Etwas später saß er zusammen mit Nicole und ihrem Team im Besprechungsraum. Da waren Faith Asena, der erneut als Nicoles Stellvertreter und Sanitäter fungierte, Corinna Silkermann, die Waffenspezialistin des Teams, Eugene ‚Guv’ Hunt als zusätzlicher Schütze und Philippe Abrams, als Techniker und Computerspezialist. Nach allem, was sie zusammen erlebt hatten, seit das Schicksal sie auf verworrenen Wegen in jener Eishöhle auf Magellan zusammengeführt hatte, waren sie mittlerweile schon fast so etwas wie alte Bekannte für ihn. Auf einem großen Bildschirm, der an der Wand hing, wurde ein Ausschnitt des Perseusarmes aus der Milchstraße hervorgehoben gezeigt. Maybourne räusperte sich in einer wortlosen Bitte um Aufmerksamkeit und begann: „Eines unserer Späherteams hat Hinweise auf die Position von Castellum Stellae gefunden. Eine Auswertung der geborgenen Daten hat ergeben, dass es sich im Perseusarm auf Höhe unseres Sonnenorbits befinden muss. Es handelt sich dabei um eine Raumstation, die den Antikern als Flottenhauptquartier gedient hat. Wenn wir irgendwo Hinweise finden können, wie diese Waffen konstruiert werden, die sie bei Elysium zum Einsatz gebracht habe, dann dort.“

    Für eine Sekunde herrschte Stille, dann fragte Abrams: „General, halten sie es wirklich für erstrebenswert diese Technologie in die Finger zu bekommen? Wir haben alle gesehen, was sie anrichten kann. Die Menschheit ist mit der Entwicklung von Schildtechnologien gerade erst über den Punkt hinweg gekommen, an dem sie sich selbst mit Atomwaffen das Licht auspusten kann. Und jetzt sollen wir wieder nach einer Waffe suchen, die so mächtig ist, dass wir damit einen Planeten unbewohnbar machen könnten?“ Corinna, die neben Abrams saß, schnaubte verächtlich, aber auch unüberhörbar amüsiert. „Die Frage stellt sich hier doch gar nicht. Es gibt kein besseres Mittel, um im Leben voran zu kommen, als eine dicke Kanone. Und außerdem geht es hier um das Ausführen von Befehlen und nicht um unser Wohlbefinden, Feldwebel.“ „Besten Dank“, fuhr Maybourne mit scharfem Tonfall verbal dazwischen, bevor Abrams etwas erwidern konnte, „dass sie sich so hingebungsvoll um die Disziplin in der Einheit kümmern, Feldwebel Silkermann. Und jetzt halten sie die Klappe.“ Er wandte sich an Abrams. „Ob sie es glauben oder nicht: Ich verstehe, was sie meinen. Aber hier geht es darum, dass selbst die stärksten Waffen der Flotte bei den Basisschiffen des Gegners über Elysium nicht einmal den Lack ankratzen konnten. Wenn es auf einen Krieg mit Nyx hinausläuft – und danach sieht es im Moment aus – dann brauchen wir eine stärkere Waffe. Das ist ein Beschluss von ganz oben. Wir haben also alle unsere Befehle.“ Abrams nickte. Auch wenn diese Entscheidung ihm sichtlich missfiel, schwieg er.

    Maybourne fuhr fort: „Das nächste Tor, das wir am Castellum dran haben ist Perseus-94, ein Raumtor. Sie werden also, ganz abgesehen davon, dass das Ziel eine Raumstation ist, einen Jumper benutzen müssen. Ihre Aufgabe besteht darin dort so viele Datenspeicher wie möglich zu sichern. Außerdem sollen sie einschätzen, ob es dort noch Hardware gibt, die eine Bergung lohnt. Noch Fragen?“ Asena beugte sich auf dem Tisch vor. „Eine, Herr General. Warum haben wir noch nie zuvor von dieser Anlage gehört? Ich habe alle Missionsakten des STK gelesen und nirgendwo eine Erwähnung gefunden.“ Maybourne schmunzelte. „Es gibt tatsächlich keine Erwähnung des Castellum in irgendwelchen Antikeraufzeichnungen, die wir in der Milchstraße gefunden haben. Wahrscheinlich unterlag die Station der Geheimhaltung. Es gab aber einige Erwähnungen in den Datenbanken von Atlantis. Das meiste sind einfache Statistiken, aber es gab auch einen Eintrag, der den eigentlichen Zweck der Anlage verriet.“ Der Fallschirmjäger nickte. Seine Frage war offenkundig beantwortet. Maybourne erhob sich und meinte: „Machen sie sich Abflugbereit. In einer Stunde wird ein Jumper für sie bereit gestellt.“

    Zur gleichen Zeit im mittleren Sonnensystem:

    Major Elias Falkner sah aus dem Cockpitfenster des Jumpers hinunter auf den Himmelskörper unter ihnen. Kallisto war nicht nur der zweitgrößte Jupitermond, sondern auch der wahrscheinlich größte Truppenübungsplatz im Sonnensystem. Einmal im Jahr sammelte die Flotte sich im Orbit für ein Manöver, dessen Abschluss das ‚große Zielschießen’ bildete, bei dem alljährlich einige weitere Krater in die Oberfläche des Mondes geschlagen wurden. Das Zielschießen gehörte zu den beliebteren Traditionen der Flotte, seit Admiral Heimeshoff es auf den viertel Juli – von den Bürgern der Allianz nicht nur als Tag der amerikanischen Unabhängigkeit, sondern auch als Tag der Vereinigung der alliierten Nationen gefeiert – verlegt hatte und seinen Soldaten gesagt hatte, sie sollten zu Ehren ihrer Mitmenschen von der Allianz ein besonders eindrucksvolles Feuerwerk abbrennen. Freilich war das kurz nach der einseitigen Auflösung der Nato durch die USA gewesen. In der Zwischenzeit diente der Mond als Ausbildungsgelände für Kolonialtruppen, Marineinfanterie und Spezialeinheiten.

    Und aus genau diesem Grund waren sie hier. Sein Team war keine gewachsene Einheit, sondern neu zusammengezogen worden. Und nachdem sie in der ersten Woche des Betriebs noch keine Mission hatten bekommen sollen, hatte er Maybourne überredet mit seinen Leuten ein mehrtätiges Training auf dem Jupitermond einschieben zu dürfen. Es war ein Training, das es in sich haben würde. Die Absprungzone im Walhalla-Krater war über und über mit automatischen Waffensystemen, Sprengfallen und topographischen Gefahren gespickt. Hier würde er seinen Leuten das letzte abverlangen können.

    Der Pilot des Jumpers sah zu ihm hinüber und sagte: „Wir überfliegen in vier Minuten das Zielgebiet.“ Er nickte und erhob sich vom Copilotensitz. Das Cockpit dieses Jumpers war deutlich beengter, als das eines Torschiffes der Antiker. Es war nur Platz für Pilot und Copilot, die durch eine Mittelkonsole getrennt waren, in welcher das DHD installiert war und deren Sitzplätze von Konsolen voller rotorange leuchtender Instrumente und Anzeigen umrahmt waren, die selbst an der Decke saßen. Zusätzlich war der Raum nur spartanisch ausgeleuchtet, damit der Pilot besser nach draußen sehen konnte. Anstelle der holographischen Anzeigen, die in den Antikerjumpern installier waren, trug der Pilot hier einen Helm mit HUD. Falkner trat durch das Schott in den Passagierraum, wo sein Team wartete. Dieser war knapp zwölf Meter lang und drei Meter breit. An den Seiten waren Passagiersitze angebracht und jeder noch so kleine Hohlraum in den Wandverkleidungen und unter den Sitzen war mit Fächern und Halterungen für Ausrüstung voll gestopft. Der hintere Bereich war durch ein weiteres Schott abgetrennt. Dort befanden sich die Hohlräume, in die die Triebwerke eingezogen werden konnten, sowie die Kanzel des Heckschützen. Ein- und Ausstieg für die Crew geschah über Luken an den Seiten des Schiffes, in die zusätzliche Revolverkanonen für den Einsatz in einer Atmosphäre eingebaut waren, die jedoch im Flug flach angelegt und hinter Klappen versenkt worden waren. Das ganze Design war in weiten Teilen von einer modifizierten ASC-401 übernommen worden, deren Hüllendesign man für den Flug durch Sternentore und Einsätze im All optimiert hatte. So war es Eurocopter als Hersteller binnen vier Monaten möglich gewesen einen neuen Flieger für das Sternentorprogramm zu konstruieren.

    „Alle mal herhören“, rief er laut in den Passagierraum, um sich über die Gespräche seiner Leute hinweg Gehör zu verschaffen, „Wir sind in wenigen Minuten über dem Zielgebiet. Bereit machen zum Absprung.“ Die vier Soldaten standen von ihren Plätzen auf und legten sich die Sprunggeschirre und Fallschirme an, während Falkner zu den Munitionskisten ging und davor in die Hocke ging. Er öffnete eine, betrachtete den Inhalt und schloss sie wieder. Sein Gesicht verzog sich zu einem Ausdruck des Missmuts. „Feldwebel von Sachleben!“ „Herr Major?“ „Ich hatte ihnen doch befohlen Munition für die Sturmgewehre aus dem Magazin zu holen.“ „Ja, Herr Major. Ich habe die Kiste in die Halterung vor ihnen gestellt.“ „Na dann kommen sie mal her.“ Feldwebel Julius Gideon Matthäus Siegfried von Sachleben kam zu ihm und sah ihm über die Schulter, während er die Kiste wieder öffnete. „Was ist das hier ihrer Meinung nach?“ „Sturmgewehrm…“ Er beendete den Satz nicht, als sein Blick auf die Granatwerfergeschosse Kaliber 46mm fiel, die in der Kiste lagen. „Ach du Schande.“ „Ja, so würde ich es auch ausdrücken. Wie erklären sie sich das.“ Er sah hektisch auf die Markierungen an der Kiste, wohl immer in der Hoffnung es den Versorgungsoffizieren aus dem Magazin in die Schuhe schieben zu können, resignierte dann jedoch. „Ich muss wohl einen Zahlendreher im Anforderungsformular gehabt haben, Herr Major.“ „Und sie haben es nicht für nötig gehalten in die Kiste hinein zu schauen?“ „Ich muss in Gedanken gewesen sein, Herr Major.“ Falkner sah ihn leicht ungläubig an, dann verpasste er ihm eine leichte Kopfnuss. „Wenn sie das nächste Mal in Gedanken sein sollten, denken sie daran, dass wir tot sind, wenn ihnen so etwas vor einer Mission passiert.“

    Der junge Feldwebel sah aus, als habe sein Major ihn gerade schonungslos zur Sau gemacht. Falkner wusste sich beim besten Willen keinen Reim darauf zu machen, was er in dieser Einheit wollte. Er war ihm von einem Schreibtischtäter aus dem Verteidigungsministerium aufs Auge gedrückt worden – nun, tatsächlich war es so gewesen, dass alle anderen Offiziere sich rechtzeitig und erfolgreich dagegen gewehrt hatten, dass er zu ihnen versetzt wurde – und aus seiner Akte konnte man ersehen, dass er vor sechs Monaten noch ein einfacher Infanterist in einem der sibirischen Regimenter gewesen war. Um in dieser kurzen Zeit von so einer Basis aus alle Anforderungen für ein EKST (Erstkontakt- und Sondereinsatzteam) zu erfüllen, musste er wie ein Besessener geschuftet haben. Und trotzdem, nein gerade deshalb, roch seine Versetzung gefährlich nach Kungelei. Ein junger Soldat aus bestem Hause, der auf Teufel komm raus zu den Sternentorteams wollte… Wollte er unbedingt im Mittelpunkt stehen? Nein, den Eindruck vermittelte er nicht. War er auf Abenteuer aus? Schon sehr viel wahrscheinlicher, aber trotzdem unstimmig. Falkner verstand ihn nicht, aber er glaubte in ihm etwas von sich selbst zu erkennen, als er ins Korps eingetreten war. Das reichte ihm. Er richtete sich wieder auf, wandte sich den anderen Soldaten zu und sagte mit einem sehr finsteren Grinsen: „Dann eben ohne zusätzliche Munition.“ „Was“, entfuhr es der Sanitäterin. „Das macht dann nur zwei Hörner pro Person.“ „Die Unwägbarkeiten des Soldatenlebens, Fähnrich. Außerdem hat jeder auch noch vier Magazine für die Pistole dabei. Das reicht völlig. Und wenn sie glauben ihre Munition verschwenden zu müssen, können sie ihr Gewehr immer noch als Keule benutzen.“

    Sie starrte zuerst von Sachleben, dann ihn fassungslos an. Doch er ließ ihr keine Gelegenheit mehr etwas zu antworten. Stattdessen ging er in die Mitte des Raumes über die Absprungluke im Boden. „Los, Aufstellung.“ Sie stellten sich nebeneinander und Falkner gab dem Piloten durch: „Klar.“ „Roger. Bereithalten.“ Plötzlich wurden sie mit Gewalt von den Füßen gerissen, als Magneten in der Decke sich aktivierten und sie mit dem Geschirr nach oben zogen. Sie klebten alle mit dem Rücken an der Decke, als der Pilot die Atmosphäre abpumpte und die Luke öffnete. Dann wurden sie durch eine Umkehr der Magnetpolarität auf den Mond zugeschossen. Falkner vergewisserte sich noch ein letztes Mal, dass sein Team bei ihm war, dann legte er die Arme an und ließ sich auf den Mond zustürzen.

    Einige Stunden später auf der Erde:

    Harry saß in seinem Büro und arbeitete sich durch einen Berg von Papierkram. So langsam bekam er einen Eindruck davon, warum viele Leute über die Bürokratie in der EU stöhnten. Der Stützpunkt war noch keine Woche in Betrieb und trotzdem waren ihm schon ein Dutzend Formulare auf den Tisch geflattert. In den meisten ging es zum Betriebsvorschriften für den Stützpunkt, in einem jedoch auch absurder Weise um die in der Kantine verkauften Karamellbonbons. Obwohl er nur wenige Minuten brauchte, um die einzelnen Dokumente zu bearbeiten, beschlich ihn doch das dumpfe Gefühl, dass das hier nur ein Vorgeschmack darauf war, was an administrativen Tätigkeiten auf ihn zukam, wenn der Stützpunkt erst einmal einige Zeit lang gelaufen war. Er beschloss möglichst frühzeitig damit anzufangen möglichst viel an O’Sullivan zu delegieren. Sonst würde er irgendwann überhaupt nicht mehr vom Schreibtisch wegkommen. Es klopfte an der Tür und er sagte „Herein“, ohne von seiner Arbeit aufzusehen. Ernst Allert trat ein und stellte sich vor dem Tisch auf. „Sie wollten mich sprechen?“ „Ja, ganz richtig.“ Er fischte aus den Papieren ein Schreiben heraus, das Léon Mathieu ihm geschickt hatte. „Ich nehme einfach mal an, dass sie bereits eine Disziplinarmaßnahme für Major Falkner angesetzt haben?“

    Ernst antwortete: „Ich habe für einen Monat seinen Sold gekürzt und seinen Ausgang beschnitten.“ Harry nickte. Das erschien ihm im Prinzip angemessen, aber leider war das Problem damit noch nicht abgehandelt. „Gut. Aber dummerweise macht der Wirt, dem er die Kneipe zertrümmert hat, gerade mächtig Stunk. Er scheint erkannt zu haben, dass es mir im Zweifel einiges wert wäre diesen Vorfall unter den Teppich zu kehren und will Kapital daraus schlagen. Ich bin am überlegen, ob ich diesem Wirt sein Schweigegeld in den Rachen werfen soll, oder einfach an Falkner ein Exempel statuiere. Sie haben ihn angefordert. Also raus mit der Sprache: Ist er es wert ihn zu beschützen?“ „Auf jeden Fall, General. Er ist einer der besten Soldaten, die ich je unter meinem Kommando hatte. Er ist damals während der Kaukasuskrise zu mir gekommen und hat in Georgien unter mir gedient, bevor er sich für die Blauhelme nach Ganymed gemeldet hat. Er ist mit in Galileo Regio runter gegangen und hat als einziger seiner Kompanie den Einsatz des Nanitenstaubs überlebt. Dann hat er andere überlebende hinter sich gesammelt, sich aus dem Kessel gekämpft, ein Kanonenboot unter seine Kontrolle gebracht und einen Gegenangriff geflogen. Bevor die Konzerntruppen überhaupt wussten, was sie getroffen hatte, hatten sie ihnen schon einen Träger unterm Hintern weg geschossen. Wenn sie die besten in dieser Einheit haben wollen, behalten sie ihn.“ Harry musste unwillkürlich schmunzeln. Er hatte es selten erlebt, dass ein Offizier sich so leidenschaftlich für einen Mann unter seinem Kommando eingesetzt hatte. „Also gut. Aber ich hoffe, dass er sich nicht noch einmal solche Schnitzer leistet.“

    Ungefähr zeitgleich im Perseusarm:

    Nicole saß im Passagierraum des Jumpers und reinigte gelangweilt ihr Gewehr. Sie hatte diesen Einsatz kaum mehr erwarten können, hatte aber in ihrer Vorfreude nicht bedacht, dass die Galaxie nun ein ganzes Stück größer war. Nicht räumlich, sondern gefühlt. Das neue Sternentornetz war sehr viel dünner, als das alte es gewesen war, was lange Flüge vom Tor zum eigentlichen Ziel zu einem unumgänglichen Übel machte. Zuerst hatte sie, um sich die Zeit zu vertreiben, noch mit den anderen Poker gespielt, doch nachdem sie ein halbes Dutzens Spiele hintereinander verloren hatte, hatte sie sich frustriert der Pflege ihrer Waffen zugewandt. Sie setzte gerade wieder den Verschlussmechanismus in das Gewehr ein, während Guv neben ihr schadenfroh lachend seine Karten offen legte, als der Pilot sich bei ihr meldete. „Major Degenhardt, wir sind gleich an den angegebenen Koordinaten.“ „Ok. Ich komme zu ihnen.“ Sie stand auf und befahl den anderen: „Fertig machen.“ Dann ging sie durch das Bugschott ins Cockpit.

    Sie schlängelte sich im beengten Raum an der Mittelkonsole vorbei und setzte sich auf den Copilotensitz. Diese Jumper waren im Betrieb deutlich komplizierter, hatten zugleich aber auch deutlich stärkere Antriebe und Manöverdüsen, als die Schiffe der Antiker, was dazu zwang ausgebildete Raumpiloten einzusetzen, so dass der Mann an den Steuerhebeln nicht zu ihrem Team, sondern zum Fliegergeschwader Alexander Iwanowitsch Pokryschkin, einem im Kaukasus stationierten Elitegeschwader, das dem Sternentorkommando angegliedert worden war. „Wie ist der Status?“, fragte sie den Piloten, der unter seinem verspiegelten Helm auf ein Ziel jenseits des Nebels zu starren schien, auf den sie gerade zuflogen. Dieser antwortete mit deutlichem georgischen Akzent: „Ist auf elf Uhr in Sichtweite.“ Sie richtete ihnen Blick in die angegebene Richtung, sah jedoch nur den Nebel. „Aha…“ Ihr Tonfall schien ihm zu verraten, dass ihr HUD nicht mit den Schiffssensoren verbunden war. Etwas verlegen meinte er: „Oh, tut mir leid.“ Er langte über die Mittelkonsole und zog ein Kabel aus der Konsole des (auf diesem Flug fehlenden) Copiloten, das er Nicole reichte. Sie warf einen Blick darauf. Der Stecker war der gleiche, wie bei externen Datenkabeln für Infanteriehelme. Sie steckte sich das Kabel in die Buchse, die am ‚Hinterkopf’ ihres Helmes saß und plötzlich leuchteten auf ihrem eigenen HUD die Sensoranzeigen des Schiffes auf.

    Sie konnte die Konturen der Station durch den Nebel hindurch erkennen. Unwillkürlich runzelte sie die Stirn. Die Station war noch deutlich größer, als sie es erwartet hatte. In ihrem Zentrum stand ein großes Konstrukt, das aus einem großen Bündel von Türmen und Aufbauten zu bestehen schien, die rechtwinkelig nach ‚oben’ und nach ‚unten’ von der Hauptebene weg wiesen. Die Türme saßen auf einer großen Plattform, die in ihrem Kernsegment aus sechs Teilen bestanden, die vom Zentrum abgingen und nach außen ausfächerten. Das ganze hatte in der Draufsicht in etwa die Form eines Achtecks. Sie schienen von Hangars und Dockanlagen übersäht zu sein. An einigen Stellen waren sie nachträglich erweitert worden, so dass die Station wie eine Aneinanderreihung von Segmenten aussah, die annähernd eine Hakenform bildete, an deren langem Ende die Kernstation saß. Von einem Ende zum anderen Maß die Station mehr als neunzig Kilometer und als sie näher kamen, konnten die Sensoren Formen identifizieren, die offenbar einmal schwere Waffenplattformen gewesen waren. Doch die Station war in üblem Zustand.

    Der Hacken war an mehreren Stellen auseinander gebrochen und die Bruchstücke waren auseinander gedriftet. Zahlreiche der Türme der Kernstation zeigten deutliche Kampfspuren und der Raum um die Brückstücke herum war von Trümmern übersäht, die einmal zu dutzenden Schiffen gehört haben mussten. Doch das absonderlichste daran war, dass die Sensoren die Station selbst nicht erfassen konnten. Nur durch Zufall hatten sie sich der Station auf einer Achse mit einem starken Sonnenwind genähert, in dem sich ihre Konturen deutlich abzeichneten. Nur an den Bruchstellen waren Strahlungsaustritte zu erkennen. Sie sah zum Piloten hinüber. „Bringen sie uns an die Station ran und suchen sie eine Luftschleuse, an die wir andocken können. Wir sehen uns die Sache genauer an.“ Er nickte und änderte den Kurs des Jumpers genau auf das Ziel zu.

    Nicole ging wieder in den Passagierraum, wo die Soldaten inzwischen ihr Kartenspiel beendet und sich für den Einsatz bereit gemacht hatten. Jeder trug eine schwere Infanterierüstung – selbst Abrams hatte nach Elysium ein Training dafür erhalten – und eine Waffe, so dass der Trupp einen ziemlich martialischen Anblick bot. „Zuhören“, befahl sie. „Wir haben die Station erreicht. Sie ist beschädigt, wir können also nicht sicher sein, ob sie noch Atmosphäre hat. Das heißt Atemgeräte. Das ganze Sonnensystem macht einen ziemlich mitgenommenen Eindruck. Da draußen sind Überreste ziemlich heftiger Sonnenwinde zu sehen, die teilweise noch heiß sind. Was immer auch hier passiert ist, ich will nicht länger als nötig bleiben. Wir gehen rein, suchen den zentralen Datenspeicher und verschwinden wieder.“ Während sie diese Anweisungen gegeben hatte, hatte Asena ein zusätzliches Atemgerät an ihrem Rücken befestigt, das, obschon sein Volumen kaum größer war, als ein Liter, Luft für sechs Stunden liefern konnte und mit den versiegelbaren Helmen funktionierte. Sie setzte ein Magazin in ihr Gewehr ein, lud es durch und trat an die Luftschleuse.

    Der Pilot fand eine Stelle, um anzudocken. Ein hörbarer Ruck ging durch das Schiff, als das Schiff in der Luftschleuse einrastete. Bevor er diese allerdings freigab, meldete der Pilot sich noch einmal bei Nicole: „Major, ich habe hier einige merkwürdige Anzeigen. Die Kernbereiche der Station scheinen noch Energie zu haben und die Luftschleuse wurde automatisch unter Druck gesetzt. Ich glaube nicht, dass wir hier alleine sind.“ Ihr ungutes Gefühl, das sie beim Anblick der Station gehabt hatte, verstärkte sich bei diesen Worten noch einmal. „Gut. Lassen sie uns raus und verlassen sie den Nebel dann. Setzen sie eine Meldung nach Sarpedon ab, sobald sie draußen sind. Vielleicht brauchen wir die Kavallerie. Aber bleiben sie in Funkreichweite.“ „Verstanden, Major.“ Die Lichter der Luftschleusenkontrolle blinkten einmal kurz, dann sprangen sie von rot auf grün um. Nicole öffnete die Tür und trat, gefolgt von ihrem Team, in die Schleuse. Als die Tür sich hinter ihnen wieder schloss und die zweite vor ihnen sich öffnete, merkte sie, wie Corinna sich neben ihr spannte und ihre Hände sich um die Griffe ihrer Waffe verkrampften. Offensichtlich war sie nicht die einzige, der dieser Ort nicht geheuer war. Streng genommen war dieses Verhalten lächerlich, hatten sie die Station doch noch nicht einmal betreten, aber Nicole war bereit es als Intuition einzustufen. Und sie hatte gelernt auf ihre Intuition zu hören.

    Sie betraten die Station und schwärmten im Vorraum der Schleuse aus, um die Umgebung zu sichern. Die Sensoren ihrer Anzüge registrierten keine gefährlichen Substanzen in der Luft und meldeten zugleich eine Umgebungstemperatur von achtzehn Grad. Der Zustand der Station war definitiv zu gut, als dass er so geschätzte zwölftausend Jahre lang hätte konserviert werden können. Mit einem Handzeichen signalisierte sie ihren Leuten, dass sie weiter vorrücken sollten. Guv und Asena übernahmen die Spitze und liefen in den größten der abgehenden Gänge hinein. Einer weiteren Intuition folgend, die besagte, dass die Antiker stark hierarchisch denkende Wesen waren, bewegten sie sich in dem Turm, in dem sie sich gerade befanden, weiter nach oben. Und Nicole sollte mit ihrer Einschätzung Recht behalten. Sie fanden einige Stockwerke höher Art Kontrollraum. Der Raum war elliptisch rund und mit Konsolen voll gestellt, die in konzentrisch um die Mitte herum aufgestellt waren. Alles ähnelte in seinem Design sehr dem, was Nicole von Bildern von Atlantis oder aus Ernst Erzählungen kannte. Im Zentrum befand sich ein holographisches Terminal, an dem noch ein Licht leuchtete. Sie gab Abrams einen Wink, auf den hin dieser nickte und an das Terminal trat. Und als er seine Füße auf die Plattform setzte, erwachte der Raum zum Leben.

    Die Lichter an allen Terminals flammten auf einmal auf und ein großes Hologramm, das die Station und ihre nähere Umgebung zeigte, erschien über ihren Köpfen. „Oha“, meinte Corinna, die verwundert zu Abrams sah. Doch Nicole zuckte nur mit den Schultern und antwortete: „Antikergen, würde ich sagen.“ Der selbst etwas überrascht scheinende Abrams legte die Hände auf die Konsole und rief verschiedene Informationen ab. „Sie haben recht, die Station ist zerstört. Scheint einiges abbekommen zu haben. Offenbar ist die Sonne zur Nova geworden und hat ihren Mantel abgesprengt. Deshalb sind große Teile des Sonnensystems mit heißem Plasma gefüllt, das langsam abkühlt. Es hat auch Teile des Nebels verdrängt, so dass der sonnenwärtige Teil der Station mit drin hängt. Er ist offenbar bis zur Rotglut erhitzt.“ „Wie ist das passiert“, wollte Asena wissen. „Haben sie in einem System mit einem sterbenden Stern gebaut?“ Abrams schüttelte den Kopf und rief ein Hologramm auf, das die Station zeigte, die von einem mächtigen Energie- und Materiestrom direkt aus der Sonne gespeist wurde. „Sie haben einen Weg gefunden die Sonne anzuzapfen und gleichzeitig im Gleichgewicht zu halten. Aber am Ende mussten sie so viel Leistung abziehen, dass der Stern instabil wurde.“ „Warum sollten sie das tun?“ „Weil die Station angegriffen wurde, Major. ZPMs haben einen maximalen Energieausstoß pro Zeiteinheit und sie brauchten mehr Energie, um sich zu verteidigen. Moment, ich habe hier noch eine aktive Datei.“

    Abrams rief die Datei auf und das Hologramm eines Antikers in der Uniform der Legionen erschien neben ihm. Er begann etwas in seiner Sprache zu sagen, so dass Nicole zuerst den Übersetzter des Helmcomputers zuschalten musste, bevor sie etwas verstand. „…diesen Iden des März ist die Lage aussichtslos geworden. Die Flotte ist zerschlagen und die innere Verteidigung steht kurz vor dem Zusammenbruch. Nach einer zwölftägigen Schlacht sind die Flotten des Erzfeindes schließlich siegreich.“ Das Hologramm drehte sich plötzlich um, als würde es etwas von der Seite kommen sehen und hob den Arm, um das Gesicht zu schützen. Der Antiker schwieg für einen Moment, dann fuhr er fort: „Gerade haben wir den Haken verloren. Wir evakuieren die Station und schließen uns gemäß unseren Befehlen Legat Hypoferalkus Verbänden auf Caldara an.“ Der Mann atmete ein paar Mal durch, als überlege er, was er noch sagen solle, dann fügte er mit ernsten Gesicht hinzu: „Es heißt er habe eine neue Waffe entwickelt, die ganze Flotten ausradieren kann. Ich hoffe, dass an diesen Gerüchten etwas dran ist, denn dann bekommen wir unsere Rache. Und wenn nicht ist nach diesem Tag der Krieg verloren. Ich gebe hiermit das Kommando über Abwehrkontrolle elf auf. Auf ein Wiedersehen in besseren Tagen.“

    Das Hologramm erlosch und an seine Stelle trat wieder die Darstellung des Umfeldes der Station. Abrams sagte: „Diesen Anzeigen nach saßen hier Fluglotsen und bei Angriffen wurden von hier aus mehrere Geschützbatterien kontrolliert.“ „Die Waffe von diesen Hippopotamus muss das sein, was wir suchen“, rief Corinna aufgeregt. „Vielleicht. Finden wir es heraus. Abrams, sagt das System etwas Näheres darüber?“ Der Franzose ließ seine Hände über die Kontrollen huschen und rief verschiedene Dateien ab. „Nein. Aber Legat Hypoferalkus wird als Spezialist für experimentelle Waffenforschung bezeichnet.“ „Wenn auf diesem Caldara seine Basis war, findet sich da vielleicht etwas.“ „Daran habe ich auch schon gedacht. Sagt das System etwas über die Position oder Toradresse?“ Abrams schüttelte erneut den Kopf. „Auf diesem Computer sind keine Astrogationskarten gespeichert und die Verbindung zum Zentralrechner ist unterbrochen.“ „Dann direkt zur Quelle. Ist der Weg dort hin frei?“ „Laut System sind dieser und die neun umliegenden Türme intakt und stehen unter Druck. Wir müssen über einen Verbindungsgang drei Stockwerke tiefer, von dort aus nach unten in die Fundamente und weiter in den Hauptturm.“ „Dann los.“

    Nicole machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum. Sie stiegen wieder zwei Stockwerke tiefer und wechselten in den Nachbarturm. Als sie dort jedoch die Treppen hinab liefen, hörte sie auf einmal Geräusche, die von unten kamen. Sie riss die linke Faust hoch und signalisierte den anderen anzuhalten. Dabei hielt sie automatisch nach einer guten Verteidigungsposition Ausschau. Die Treppen waren offen und bestanden aus einfachem Eisengestänge mit darauf montierten Trittstufen. Sie wirkten beinahe provisorisch. Es gab hier kaum Deckung, so dass sie sich um Zweifel auf die Rüstungen würden verlassen müssen. Das Team hielt inne und nach einigen Augenblicken hörte sie deutlich die Schritte von mehreren Leuten, die schnell die Treppe hinauf liefen. Sie sah einen ziemlich schmutzig wirkenden Mann, der die Treppe hinauf sah und sie entdeckte. Er brüllte etwas und riss sofort eine Waffe hoch, die an eine britische Sten-Gun aus dem zweiten Weltkrieg erinnerte. Er feuerte mehrere Schüsse ab, die jedoch nichts anderes trafen, als die Wand und als Querschläger zwischen den Stufen hin und her tanzten. Einer traf Nicole, schaffte es jedoch kaum die Rüstung anzukratzen. Sie dachte kurz nach, ob sie dazu auffordern sollte das Feuer einzustellen, verwarf diesen Gedanken jedoch sehr schnell wieder, als eine zweite Kugel sie erwischte. Sie knurrte „Scheiße, was soll’s“ und entsicherte ihr Gewehr. Dann stürmte sie mit ihren Leuten die Treppe hinunter.

    Während sie losstürmten, gab sie dem Piloten über Funk durch, dass sie angegriffen wurden. Sie rannten den Angreifern entgegen und eröffneten das Feuer, sobald sie in einem günstigen Schusswinkel waren. Nicole erledigte zwei von ihnen mit schnellen, kurzen Feuerstößen, dann wirbelte sie herum und feuerte auf weitere Männer, die die Treppen hinauf gerannt kamen. Sie trieben den Gegner hinunter, bis sie den Fuß der Treppe erreichten. Dort hatten mehrere Leute sich im Raum verteilt und in Wandnischen Deckung gesucht, von denen aus sie die Treppe gut unter Feuer nehmen konnten. Ein Hagel aus Kugeln prasselte auf sie ein, beeindruckte sie aber nur wenig. Guv und Asena rückten weiter vor und feuerten auf jedes Ziel, dass sich bot. Wie Tod und Teufel gingen sie nebeneinander her und mähten ihre Ziele mit Dauerfeuer nieder. Plötzlich sah Nicole mehrere Männer am Ende des Ganges auftauchen, der vom Raum abging. Sie richtete ihr Gewehr auf sie und begann zu feuern. Auch Corinna zielte mit ihrer Railgun auf sie und wollte gerade feuern, als ein weiterer Gegner mit einem Raketenwerfer um eine Ecke herum kam und auf das Team feuerte. Nicole, die direkt in der Flugbahn des Geschosses gestanden hätte, warf sich zur Seite. Reflexartig griff sie nach einem der Raketentäuschkörper, die sie am Gürtel trug, und warf ihn den Gegnern entgegen in den Gang. Doch die Rakete war nicht zielsuchend. Mit grausamer Unbeirrbarkeit raste sie in den Raum hinein und schlug gegen die Mittelsäule der Treppe. Die Explosion warf Nicole unsanft gegen eine der Wände, wo sie für einen Moment benommen liegen blieb. Als sie sich wieder aufrappeln wollte und nach ihrem Gewehr griff, trat jedoch jemand mit dem Fuß auf die Waffe. Sie sah auf und erblickte einen der Männer, der seine Waffe auf sie richtete und schoss. Sie zuckte, als die Kugeln sie aus kürzester Distanz trafen. Obwohl sie den Panzer nicht durchdringen konnten, spürte sie die Treffer deutlich und schmerzhaft. Frustriert über die mangelnde Wirkung seiner Waffe nahm der Mann sein Gewehr wie eine Keule und schlug damit mehrmals mit großer Wucht auf Nicoles Kopf ein. Nach dem achten Treffer verlor sie das Bewusstsein.

    Als sie wieder zu sich kam, war das Erste was sie fühlte ein brüllender Kopfschmerz. Sie öffnete die Augen langsam und ihr Blick fiel auf Guv, der einige Meter von ihr entfernt hing. Hing? Sie sah zu ihren Füßen und merkte, dass sie mit dem Kopf nach unten in Klammern an der Decke hing. Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie den Kopf hatte heben müssen, um ihre Füße zu sehen. Dann fiel ihr auch auf, dass sie nicht mehr ihre Rüstung trug. Stattdessen steckte sie in einem groben Hemd und einer Hose, die nur mit einem Seil um die Hüften zusammengehalten wurden. Der Stoff hatte die Qualität von Sackleinen und kratzte auf der Haut. Auch den anderen schien es nicht besser ergangen zu sein. Sie konnte allerdings nur Guv und Corinna sehen. Anstatt sich umzudrehen fragte sie: „Sind alle da?“ „Jawohl, Major“, antwortete Asena in ihrem Rücken. „Abrams ist hier bei mir.“ „Ich bin in Ordnung, Frau Major“, bestätigte auch der Franzose. „Irgendwelche schlimmeren Verletzungen?“ Bevor jemand etwas antworten konnte, wurde die Tür des Raumes geöffnet und zwei der Männer, gegen die sie gekämpft hatten, traten ein. Beide waren mit Maschinenpistolen bewaffnet. Während der eine auf Nicole zuging und sie abhängte, schlug der andere Asena den Kolben seiner Waffe auf den entblößten Oberkörper, eine wütende Reaktion, die wohl vor allem etwas damit zu tun hatte, dass er ihm am nächsten stand. Der türkische Offizier unterdrückte einen Schmerzenslaut und sagte dann mit amüsierter Stimme zu Nicole: „Melde Verletzung: Eine geprellte Rippe, Major.“

    Die Bemerkung rang Nicole ein Schmunzeln ab, als der Mann sie mit großer Kraft packte und auf die Füße zog. Dann führte man sie aus dem Raum hinaus. Die beiden brachten sie zu einem Aufzug und setzten diesen nach oben in Bewegung. Die Größe der Räume, die sie dabei sah, verriet ihr, dass sie sich im Hauptturm befanden. Sie verließen den Aufzug einige Etagen unterhalb des Kommandoraumes. Vor ihnen tat sich ein großer Raum auf, der wahrscheinlich einmal ein Versammlungsraum der Antiker gewesen war. Nun war er jedoch mit einfachen Holzwänden, die zum Teil geschnitzt, zum Teil aber auch nur einfache Bretter waren, in mehrere Segmente unterteilt. In denen, die Nicole einsehen konnte, konnte sie Männer erkennen, die auf Liegen um aus Gold oder Bronze gefertigten Schalen mit Kassa herum lagen und die Samen der Pflanze konsumierten. Einige waren derart weggetreten, dass sie nur noch dumpf röchelnde und sabbernde Wracks waren. In einigen Abteilungen waren andere Männer jedoch auch dabei die Pflanzen zu untersuchen und schienen Kaufpreise dafür auszuhandeln. Zwischen allem gingen sehr leicht bekleidete Frauen umher, die Getränke oder Nachschub an Rauschpflanzen brachten. Einige von ihnen trugen metallische Kragen, an denen Lichter blinkten. Waren sie hier in eine Opiumhöhle geraten?

    Vor einem großen Panoramafenster, das den Blick auf die Zerstörten Überreste der Station freigab, stand ein großer, reich verzierter und vergoldeter Stuhl mit Samtpolstern, der etwas von einem Thron an sich hatte. Davor stand ein nicht minder opulenter Tisch, auf dem zahlreiche Papiere und Datenkristalle lagen. Hinter und neben dem Tisch waren große Samtkissen ausgelegt, auf denen weitere Frauen lagen. Nicole wurde einige Meter vor dem Tisch auf die Knie gezwungen. Als sie sich zuerst nicht runterdrücken lassen wollte, halfen die Männer mit Tritten in die Kniekehlen nach. Es dauerte einen Augenblick, dann kam ein Mann hinter einer der geschnitzten Bretterwände hervor, der der Anführer zu sein schien. Er trug schwarze Kleidung, die in ihrem Schnitt an eine Tunika erinnerte. An seinem Gürtel hingen eine Zat’n’tkel und ein Schmerzstab und sein von einer Narbe verunstaltetes hageres Gesicht wirkte hart. Er machte den Eindruck eines Mannes, der seine Schläger durch pure Furcht zusammenhielt. Er besah sich Nicole von allen Seiten, dann gab er einem seiner Schläger ein Zeichen, auf das hin dieser ihr das Hemd vom Leib riss. Er umrundete sie ein zweites Mal, dann sagte er auf Goa’uld zu einem Mann, den Nicole zuerst nicht sehen konnte: [„Ich muss mich doch sehr wundern, Ceiros. Sie ist viel zu alt, um noch verkauft werden zu können.“]

    Ein Mann, der offenbar hinter Nicole stand, antwortete: [„Keineswegs. Sie ist bei ausgezeichneter Gesundheit.“] Sie widerstand dem Drang sich umzusehen und schwieg weiter. Der Anführer der Kriminellen, denn um nichts anderes konnte es sich bei ihnen handeln, sagte: [„Ach, das wollen wir doch mal sehen.“] Er trat an Nicole heran, packte ihren Kopf und schob ihr die Daumen in den Mund. Dann schob er ihre Lippen auseinander und besah sich ihre Zähne. Das war ihr zufiel. Sie biss ihn mit voller Wucht in einen Finger. Sie spürte, wie ihre Zähne bis auf die Knochen hinunter gingen. Er gab einen kurzen Schmerzensschrei von sich und schlug sie. Ihr Kopf wurde zur Seite geworfen, als seine Hand auf ihre Wange traf, doch sie gönnte ihm nicht die Genugtuung Reaktion auf den Schmerz zu zeigen. Statt dessen stemmte sie sich auf die Füße hoch und sah ihm wütend in die Augen. [Ohohoho, eine Kämpferin. So etwas hatten wir schon lange nicht mehr. Aber trotzdem. Für sie wird niemand bezahlen.“] Der andere Mann kam um sie herum und stellte sich neben seinen Anführer. Er trug sehr feine, mit gold bestickte Kleidung und wirkte äußerlich sehr zivilisiert, was ihn an diesem Ort deplatziert wirken ließ. [„Vielleicht nicht für klassische Zwecke. Aber sie ist eine Tau’Ri. Das beweisen ihre Waffen und die ihrer Begleiter. Es gibt noch eine Menge Gruppen dort draußen, die ihresgleichen hassen. Außerdem ist sie eine gute Kriegerin.“] Der Anführer überlegte kurz. Dann stimmte er nickend zu. [„Mit einem Kragen könnte man sie kontrollieren und als Leibwächterin verkaufen. Also gut, du hast gut gehandelt. Lass ihr und ihren Leuten Kragen ansetzen und bring mir einen. Wir werden seinen Kopf zurück zu seinen Leuten schicken. Dass wird sie in Zukunft davon abhalten unsere Geschäfte stören zu wollen.“]

    Bevor Nicole etwas sagen konnte, gab der Berater den beiden Schlägern ein Zeichen, auf das hin diese sie packten und zurück zum Aufzug schleiften. Sie wurde einige Etagen tiefer gefahren. Im Stockwerk, auf dem sie den Aufzug verließen, waren in verschiedenen Räumen zahlreiche Leute zu Gange. Die meisten waren in irgendeiner Form mit der Verarbeitung von Kassa beschäftigt, aber es gab auch Werkstätten und einen Wachraum, in dem mehrere bewaffnete Männer bereit standen. Sie wurde auf einen Raum zu geführt, vor dem mehrere Männer und Frauen in ähnlich abgerissenen Klamotten wie ihren warteten. Sie alle waren in irgendeiner Form körperlich malträtiert worden und sahen aus, als hätten sie aufgegeben. Im vorbeigehen erkannte Nicole einen Raum als Waffenkammer. Darin sah sie ihre Rüstungen und Waffen auf einigen Tischen liegen, wo ein schmieriger kleiner Kerl sie mit Werkzeugen untersuchte. Jetzt oder nie, schoss es ihr durch den Kopf. Sie schob einen Fuß zur Seite und schlang das Bein um eines des Mannes links von ihr.

    Mit einer ruckartigen Bewegung brachte sie ihn zu Fall. Beinahe hätte er sie mit zu Boden gerissen, doch sie konnte ihren Arm los ringen. Sie schlug den zweiten mehrere Male, so dass dieser zurücktaumelte. Dann packte sie seinen Kopf mit einer Hand am Kinn und der zweiten am Hinterkopf und brach ihm das Genick. Noch während er zu Boden fiel entrang sie seiner Leiche die Waffe und richtete sie auf den ersten, der sich gerade wieder aufrappelte. Aus nächster Nähe pumpte sie ihm mehrere Kugeln in den Leib. Dann lief sie zur Waffenkammer. Der kleine Kerl, der die Körpergröße eines Liliputaners hatte, versuchte gerade die Tür zu schließen, doch sie war schneller. Mit voller Wucht trat sie ihn gegen den Schädel. So dass er fast zwei Meter beiseite geschleudert wurde. Bevor er wieder auf die Füße kommen konnte, schoss sie ihm durch den Kopf und verschloss die Tür hinter sich.

    Die Männer aus dem Wachraum rannten zur Waffenkammer und sammelten sich vor der verschlossenen Tür. Einer von ihnen gab den Öffnungscode ein, doch sie blockierte. Offenbar war sie von innen verkeilt worden. Also packten sie die Tür und schoben sie mit Gewalt auf. Doch als sie sie auf hatten, sahen sie am Tisch drinnen eine Gestalt, die sich gerade den Helm einer Rüstung aufsetzte, ihn verschloss und zu einem Gewehr griff. Sie alle starben im Hagel von 7,62mm-Geschossen, bevor sie ihre Waffen auch nur auf das Ziel hatten richten können. In voller Rüstung trat Nicole auf den Flur hinaus und sah sich um. Rechts von sich entdeckte sie sofort mehrere weitere Wachen. Sie richtete das Gewehr auf sie und feuerte. Die an das HUD gekoppelte Zielhilfe des Gewehres sorgte dabei auf diese Distanz für eine Trefferquote von fast hundert Prozent. Sie hörte einen Schrei, als zwei Männer aus der anderen Richtung mit sehr gefährlich aussehenden Werkzeugen, wie Hämmern, in der Hand sich auf sie stürzen wollten, doch in diesem Augenblick wurde ein Mann aus einer der Schlangen von Sklaven, die vor der Werkstatt für die Kragen gewartet hatten, aktiv.

    Anders als die Personen, die in der linken Schlange standen, hatte er noch in Ansätzen die stolze Haltung eines freien Mannes und ein Feuer in den Augen bewahren können, das nicht zu einem Sklaven passte. Er war knapp einen Meter neunzig groß und von muskulöser, Respekt einflößender Gestalt. Seine Haut hatte den hellbraunen Farbton einer Person, die von gemischtrassiger Herkunft war. Er warf sich gegen den ersten Angreifer und brachte ihn zu Fall. Dann schwang er die fast einen Meter langen Ketten, mit denen man seine Hände gebunden hatte, und schlang sie dem zweiten um den Hals. Mit einem Ruck brach er ihm das Genick. Nicole nickte ihm zu und sagte in brüchigem Goa’uld: [„Danke.“] Er schlug sich in einer Geste, wie sie sie von Jaffa kannte, mit der Faust gegen die Schulter, wobei er sich leicht verneigte und sagte: [„Ich muss euch danken. Jetzt kann ich wenigstens kämpfend untergehen.“]

    [„Ich habe nicht vor hier zu sterben.“] Sie trat an ihn heran und schoss die Ketten mit dem Gewehr durch. [„Und wenn ihr auch weiterleben wollt, dann helft mir. Kommt mit.“] [„Moment“], bat er. Er deutete auf drei andere Männer. [„Befreit auch meine Freunde.“] Sie sah zu den anderen Männern. Sie waren nicht minder muskulös, als der Mann, der ihr geholfen hatte und wirkten wie Krieger, auch wenn sie von weißer Hautfarbe waren. Sie nickte und befreite sie. Dann führte sie sie in die Waffenkammer und gab ihnen die Rüstungen und Waffen ihres Teams. [„Tragen sie das. Wir müssen meine Leute holen.“] Dem Schwarzen reichte sie eine von Abrams Maschinenpistolen. [„Können sie mit so etwas umgehen?“] [„Nein, aber ich lerne schnell.“] [„Dann los.“] Sie liefen zurück zum Aufzug und fuhren damit nach unten. Sie hatte sich auf dem Hinweg die Strecke zu dem Raum, wo man ihr Team gefangen hielt, genau eingeprägt. Plötzlich stoppte die Kabine mitten im Schacht. „Nein, ihr Bastarde. So einfach bekommt ihr mich nicht.“ Sie schob eine Magnesiumgranate in den Werfer ihres Gewehrs und zielte auf den Boden. [„Abstand halten.“] Sie feuerte und brannte ein großes Loch in den Boden des Aufzugs. Dann lud sie die Waffe nach, griff an ihren Gürtel und zog ein feines Band hervor, das sie im Aufzug befestigte. Mit den Worten [„Legen sie sich die Gürtel an und dann mir nach.“] sprang sie in das Loch.

    Sie seilte sich immer tiefer in den Schacht ab, während der Gürtel die Schnur einfach abspulte. Kurz bevor sie am richtigen Stockwerk war, feuerte sie den Granatwerfer auf die Tür ab und sprengte diese damit weg. Der Rückstoß ließ sie gegen die gegenüberliegende Wand des Schachtes schwingen. Doch darauf hatte sie gezählt. Sie stieß sich von der Wand ab und schwang ohne Probleme durch die offene Tür in den Korridor. Sie kam auf den Boden auf und machte eine Rolle vorwärts, bei der sie die Schnur durchtrennte. Als sie in der Hocke zur Ruhe kam und aufsah, bemerkte sie mehrere bewaffnete Männer, die offenbar den Gang hatten absichern sollen, jedoch klugerweise lieber ihr Heil in der Flucht suchten. Einige Augenblicke später kamen auch ihre vier Begleiter in den Flur. Sie liefen weiter zum Raum, in dem man ihre Leute gefangen hielt. Darin standen vier Männer, von denen drei ihre Waffen auf die Tür und ein weiterer seine Pistole auf Asena gerichtet hatte. Er rief [„Stehen bleiben, oder er ist to…“] Bevor er das Wort beenden konnte, hatte eine von Nicoles Kugeln ihn direkt in die Stirn erwischt. Da er keine Zielhilfen und HUDs kannte, hatte er nicht gewusst, dass sie wirklich aus der Hüfte zielen konnte. Mit ihren neuen Helfern erledigte sie auch die anderen drei Gegner, dann nahmen sie ihre Leute von der Decke ab.

    Während das Team seine Rüstungen und Waffen wieder anlegte, bewachte Nicole die Tür. Mehrere Gegner waren über den Aufzug auf diese Etage gekommen und schienen sich unter Führung ihres Chefs zu sammeln. Doch in diesem Moment bekam sie einen Funkspruch herein. „EKST 1, hier Admiral Siska. Können sie mich hören?“ „Admiral, hier Major Degenhardt. Tut verdammt gut von ihnen zu hören. Wo kommen sie so plötzlich her?“ „Plötzlich? Ihr Pilot hat vor elf Stunden den Kontakt zu ihnen verloren.“ „Oha.“ Sie war wohl etwas länger weggetreten gewesen, als sie angenommen hatte. „Wir haben hier drin ein Wespennest aus Drogenhändlern und Sklaventreibern aufgescheucht. Können sie uns hier raus holen?“ „Negativ. Wir können nicht genau durch die Hülle der Station hindurch scannen. Am Ende erwischen wir nur ihren Kopf. Können sie in die Nähe einer der Schadstellen gelangen?“ „Wir wissen nicht einmal genau, wo wir sind.“ „ Also gut. Dann gehen sie einfach nur zur nächsten Luftschleuse.“ „Wir versuchen es. Degenhardt ende.“ Während sie diese Worte sprach, sah der Mann, der sie auf dem Flur gerettet hatte, sie an und fragte: „Sind sie eine Tau’Ri?“ Verwundert, dass ihr Retter der deutschen Sprache mächtig war, runzelte sie unter ihrem Helm die Stirn. „Ja. Woher wisst ihr das?“

    Er griff unter das Hemd, sofern man den Fetzen den er trug so nennen wollte, und holte ein kleines geschnitztes Holzkreuz heraus, das er an einem Lederband um den Hals trug. „Ich habe vor Jahren einen Priester von eurer Welt getroffen. Was er mir beigebracht hat hilft mir die Hoffnung zu bewahren.“ „Ach du Scheiße.“ „Was bitte?“ „Ach nichts. Das ist ein schwieriges Thema.“ Sie sah sich zu den anderen um. „Jungs und Freunde: Admiral Siska ist hier um uns raus zu holen. Wir müssen zur nächsten Luftschleuse. Also laden und entsichern. Was nicht zu uns gehört und bei null verschwunden ist wird erschossen.“ Sie trat aus dem Raum heraus und gab Deckungsfeuer in Richtung der Kriminellen, während ihr Team und die drei geretteten Sklaven losstürmten. Sie kämpften sich den Weg bis zu einer der Luftschleusen frei. Dort wurden sie jedoch vom Gegner festgenagelt. Der einzige Rückzugsweg hätte ins All geführt.

    Während Guv, Asena und Corinna den Gegner so gut sie konnten zurückhielten, versuchte Nicole verzweifelt den Admiral zu erreichen. „Siska, wo sind sie? Wir sind hier an einer der Luftschleusen.“ „Wir sind noch vierhundert Kilometer vor der Station. Halten sie durch, wir schicken ihnen einen Jumper.“ „So viel Zeit haben wir nicht.“ Sie sah aus dem Fenster der Luftschleuse. Vor dem leuchtenden Hintergrund des nachglühenden Sternenplasmas im Raum konnte sie den Schatten eines gewaltigen Raumschiffes erkennen. „Ich kann ihr Schiff sehen.“ Sie schwieg für einen Moment und atmete ein paar Mal tief durch. Dann fragte sie: „Wenn wir uns außerhalb der Station befänden, könnten sie dann mein Funksignal anpeilen und uns reinholen?“ „Kein Problem.“ „Dann machen wir das so. Aber sie müssen schnell sein. Wir haben vier, ich wiederhole, vier Personen bei uns, die keine Rüstungen tragen.“ Siska lachte. „Das ist total verrückt. Machen wir es. Geben sie den Leuten ihre Funkgeräte, dann holen wir sie als erste rein.“ „Verstanden. Bis nachher.“

    Nicole drückte dem Schwarzen ihr Funkgerät in die Hand und schob ihn in die Luftschleuse. „Los, alle zurück.“ Sie drängte alle in die Schleuse hinein, auch wenn sie sich dagegen sträubten. „Los, ich habe einen Plan.“ Als alle in der Schleusenkammer waren, schloss sie die innere Tür. Für ihre Angreifer musste es so aussehen, als würden sie vor dem Beschuss Schutz suchen. Der Anführer trat vor die innere Tür und grinste finster triumphierend durch die Fenster. Nicole sah ihm, auch wenn er ihr Gesicht nicht sehen konnte, lässig in die Augen. Dann hob sie die Hand und zeigte ihm den ausgestreckten Mittelfinger. Eine Geste, die er zu verstehen schien, denn sein Gesichtsausdruck wurde wütend. Dann schlug er auf die Kontrolle der äußeren Luftschleuse. Die äußere Tür wurde geöffnet und sie wurden unter Nicoles Jubeln ins All hinaus gesogen. Keine vier Sekunden später verschwanden zuerst die entkommenen Sklaven und dann die Soldaten in grellen Lichtblitzen.

    Nicole fand sich auf der weitläufigen Brücke eines Schlachtschiffes wieder. Sie sah sich um. Fast zwei Dutzend Offiziere saßen an verschiedenen Stationen und vier Marineinfanteristen hatten die Ex-Sklaven umkreist. Als sie sich weiter umsah, erkannte sie, auf welchem Schiff sie waren. An Rückwand des Raumes stand in silbernen Lettern auf schwarzem Grund der Name ‚Agincourt’. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, während sie ihren Helm abnahm. Mit einem der größten Schlachtschiffe der europäischen Marine anrücken, um ein einziges Team raus zu hauen? Eine vielleicht etwas übertriebene Maßnahme. In diesem Moment erhob Admiral Siska sich auf einmal von der Station des Rudergängers und machte diese wieder für den eigentlichen Offizier frei. Nur sie wagte es mit einem tausend Meter langen Schlachtschiff in ein so dichtes Trümmerfeld hinein zu fliegen. Mit einem Lächeln kam sie auf Nicole zu. Die Estin war kaum älter als vierzig und damit die wahrscheinlich auf lange Zeit jüngste Person im Admiralsrang der Raumstreitkräfte. Doch sie hatte diesen Posten nicht für ihr adrettes äußeres bekommen.

    Diese Frau, von der ein Soldat einmal ein Foto in einem Umkleideraum hatte machen können, dass zum beliebtesten Pin-up in der Flotte geworden war, war es gewesen, die nach Heimeshoffs Tod über Ganymed das Kommando über die versprengten Schiffe der Blauhelme übernommen und den erfolgreichen Gegenangriff angeführt hatte. Sie galt als erstklassige Taktikerin und Strategin, hatte ein außergewöhnliches Gespür für den Raumkampf und hatte maßgeblich bei den Flottenreformen nach Ganymed mitgewirkt, die zum Vorbild für alle modernen Raumstreitkräfte wurden. Außerdem konnte Nicole nachvollziehen, warum man ihr ein einnehmendes Wesen nachsagte, als sie ihr freundliches Lächeln sah. „Sind sie in Ordnung, Major?“ „Ja, Admiral. Danke für die Rettung. Aber… Eine ‚Agincourt’ für die Rettung von fünf Soldaten? Werden sie sich da nicht einiges anhören müssen?“ Sie lachte. „Ich eile eben gerne stilvoll zur Rettung. Außerdem braucht diese Schönheit Auslauf. Es ist nicht gut für die Triebwerke, wenn das Schiff nur im Dock liegt.“ „Na dann…“ Sie sah zu den ehemaligen Sklaven. „Ihre neuen Freunde?“ „Kann man so sagen.“ „Na dann. Leute, nehmt die Waffen runter.“ Sie drehte sich wieder in Richtung des Brückenfensters um und lächelte kampflustig. „Und jetzt treiben wir diese Bastarde aus ihren Löchern. Hauptgeschütz: Feuer in die Fundamente der Basis. Alle J-319 starten. Ich will, dass keiner von diesen Bastarden entkommt.“

    Zwei Tage später auf der Erde:

    Nicole und ihr Team standen im Torraum des STK und sahen Tyr, wie der hünenhafte Schwarze sich ihnen mittlerweile vorgestellt hatte, in die Augen. Er erwiderte den Blick mit einem angedeuteten Grinsen. „Wolltest du einfach abhauen, ohne dich zu verabschieden?“ „Ich glaube, dass man sich von den Leuten, die man gerne wieder treffen möchte, nicht verabschieden sollte. So hat man immer einen Grund wieder zu kommen.“ Nicole lächelte. „Das ist wohl war.“ In den letzten Tagen waren der Schwarze und seine Freunde von Nachrichtendienstoffizieren zur Lage in der Galaxie befragt worden. Das Bild, das sie gezeichnet hatten, gab nur wenig Anlass zur Hoffnung. Die Galaxie schien stärker denn je fragmentiert. Verschiedene Splittergruppen der Jaffa, überlebende Goa’uld und hinterbliebene Anhänger der Ori kämpften um die Vorherrschaft. Sie selbst waren Angehörige kleinerer Volksgruppen, die versucht hatten sich zu gegenseitigem Schutz zu einem Bündnis zu vereinen, jedoch von einem Goa’uld zerschlagen wurden. „Wir müssen gehen. Unsere Leute stehen immer noch in einem verzweifelten Kampf gegen ihre Feinde. Goa’uld, Sklavenhändler, Jaffa. Wir können sie nicht alleine lassen.“ „Dann solltest du besser ganz schnell verschwinden, bevor ich ein Abschiedswort ausspreche.“ Er schmunzelte erneut, dann drehte er sich um und ging zum aktivierten Tor. Er drehte sich noch einmal um und sagte: „Euer General hat uns Hilfe zugesagt. Es wird also nicht allzu lange dauern.“ Dann folgte er seinen Freunden durch das Tor.

    Während das Tor sich abschaltete, verließen die Soldaten von EKST 1 den Torraum wieder und Nicole konnte sich ein triumphierendes Lächeln nicht verkneifen. Ihre letzte Mission hatte sie zwar nicht zu der Technologie für die Wurmlochwaffen geführt – eine Durchsuchung der Trümmer des Castellum Stellae hatte, nachdem Siska mit den Kriminellen aufgeräumt hatte, die Position von Caldara ergeben, doch die Einrichtungen der Antiker dort waren von unbekannten zerstört worden, die ein Hologramm zurückgelassen hatten, dass davor gewarnt hatte, dass manches Wissen nie erlangt werden sollte – doch sie hatten das Tor zur Galaxie wieder aufgestoßen. Und sie hatten einen potentiellen Verbündeten gewonnen. Ihrer Meinung nach war das, auch wenn der Verbrecherfürst vom Castellum entkommen war, ein Sieg.
    Die Freiheit des Bürgers heißt Verantwortung.

    (Joachim Gauck)


    "You may belong to any religion[...] - that has nothing to do with the buisness of the state. We are starting with this fundamental principle, that we are all citizens and equal members of one state." (Sir Mohammed Ali Jinnah)

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    Laufend: 2036 - A Union at War

    Abgeschlossen: 2034 - Das neue Sternentor

  8. Danke sagten:


  9. #7
    Gehasst, Verdammt, Vergöttert Avatar von Colonel Maybourne
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    Und wieder ein gutes Kapitel, dass vor allem am Ende ein erneutes finsteres Bild von dieser Galaxie zeigt.
    Aber das passiert eben, wenn man sich Jahrzehnte nicht um die Galaxie kümmert, die man selbst aufgemischt hat.
    Wer weiß, vielleicht lebt ja Teal´C sogar noch.
    Und was ich auch interessant finde ist, dass Jules Sohn jetzt zu einem Spezialkommando lpmmt, pbwohl er ein Schussel ist...
    Haben Mami oder Paau da was gedreht?
    Bis dann.
    Das Leben ist ein Schwanz und wir die Eier, die mitgeschleift werden.


    Meine aktuellen Fanfiction:


    TGE Combined Season 1 Fire of War:

    http://www.stargate-project.de/starg...ad.php?t=11836




  10. #8
    Autor der ungelesenen FF Avatar von Protheus
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    Zitat Zitat von Colonel Maybourne Beitrag anzeigen
    Und wieder ein gutes Kapitel, dass vor allem am Ende ein erneutes finsteres Bild von dieser Galaxie zeigt.
    Aber das passiert eben, wenn man sich Jahrzehnte nicht um die Galaxie kümmert, die man selbst aufgemischt hat.
    Wer weiß, vielleicht lebt ja Teal´C sogar noch.
    Und was ich auch interessant finde ist, dass Jules Sohn jetzt zu einem Spezialkommando lpmmt, pbwohl er ein Schussel ist...
    Haben Mami oder Paau da was gedreht?
    Bis dann.
    Das mit der Galaxie ist auch so beabsichtigt. Es wäre ja langweilig und auch ein wenig komisch, wenn alles in Butter wäre, nachdem die Ori die Galaxie gerade erst mit einem heiligen Krieg überfahren haben, nachdem die Tau'Ri die alten Machthaber aufgemischt haben.

    Und was den guten Julius von Sachleben angeht: Er ist alles, nur kein Schussel. Die Passage über Kallisto diente vor allem der Illustration des Charakters von Falkner als jemandem, der nicht so einfach aufgibt und der Einführung von Julius. Aber über ihn wird später noch mehr verraten. Und ja, es hat ihm tatsächlich jemand geholfen ins STK zu kommen, aber er erfüllt durchaus alle Anforderungen. Außerdem verfolgt er ein ganz spezifisches Ziel, das er vor Falkner geheim hält und das ich hier aber noch nicht verrate. Gedulde dich noch drei, vier Folgen, dann wird es rauskommen ^^
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  11. #9
    dumm geboren und nix dazugelernt:P Avatar von Santanico Pandemonium
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    gute Fortsetzung, aber nur ein Post? Hast du eine Schreibblockade? Hehe, kleines Späßchen am Rande

    Die Raumstation muss ja riesig sein, hab ich das mit 90 km Länge richtig gelesen??? Das halte ich jetzt mal irgendwie für unrealistsich, selbst Atlantis is ja keine 5km im Durchmesser.

    Jules Junior ist läuft also auch schon in Mamas Fußstapfen, mal sehn was er da so vorhat...
    WEIR: ... putting your life and other people's lives at risk. You destroyed three quarters of a solar system!
    McKAY: Well, five sixths. It's not an exact science.
    WEIR: Rodney, can you give your ego a rest for one second?

    Ein Jahr später:
    Spoiler 
    CARTER: About a year ago, your brother came across an abandoned alien experiment called Project Arcturus.
    CARTER: It was an attempt to generate zero point energy.
    JEANIE: That would be virtually limitless power. What happened?
    McKAY: A slight problem. It was the creation of exotic particles in the containment field.
    CARTER: He destroyed a solar system.
    JEANIE: Meredith! (She smacks his arm.)
    McKAY: It was uninhabited!

  12. #10
    Autor der ungelesenen FF Avatar von Protheus
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    So, hier das nächste (Teil-) Kapitel. Ich hatte zwar angekündigt, dass ich Kinsey schon in dieser Folge wieder bringen wollte, aber mein Episodenplan für die erste Staffel sagt was anderes. Er ist erst für die dritte Folge, die faktisch die vierte ist, weil hier eine Doppelfolge eingeschoben wird, vorgesehen. Wem diese Folge langweilig erscheint, dem sei versprochen, dass die zweite Hälfte um einiges reicher an Action sein wird. Diese Folge dient mehr der Entwicklung der Charaktere. Gesamtlänge dieses Mal 'nur' neun Seiten, weil ich hier eine gute Stelle für einen Schnitt erreicht hatte. Und jetzt noch die Reaktionen:

    @Santanico Pandemonium: Die 90km stimmen so schon. Stell dir die Station vor, wie einen Angelhaken. Wo der Ring sitz, an dem man ihn an der Schnur festknotet, befindet sich der Kern der Station, der sogar etwas kleiner ist, als Atlantis. Und der Rest besteht aus nachträglich angebauten Modulen, die Werften, Trainingsanlagen, Nachschubdepots, Fabriken und Waffenstellungen enthielten. Die Station war gewissermaßen das Herz der Kriegsführung der Antiker. Und was Jules Sohn vorhat, wird in der dritten (sprich vierten) Folge angedeutet, aber noch nicht verraten werden. Und auf diese Zusage kannst du dich verlassen

    Und jetzt wie immer viel Spaß beim Lesen.


    Episode 2: Die Unity, Teil1

    Nicole sah zuerst auf ihre Armbanduhr, dann ließ sie ihren Blick, immer auf der Suche nach Doktor Loeb, durch die medizinische Abteilung des Sternentorkommandos schweifen. Verglichen mit dem, was sie von früher gewohnt war, erschien ihr diese Einrichtung maßlos überdimensioniert. Es gab keine medizinische Station als solche mehr, wie im alten Sternentorkommando, sondern man hatte der Station ein vollwertiges Militärkrankenhaus angeschlossen, das über zweihundert Betten und über hundert Mediziner verfügte. Letztlich machte diese Kapazität Sinn, da diese Operation auf mehr als zehntausend Mann ausgelegt war und sie noch aus früherer Erfahrung wusste, wie oft es große Zahlen von Verwundeten gegeben hatte, oder der Stützpunkt unter Quarantäne hatte gestellt werden müssen, doch in diesem Moment ärgerte es sie. Sie rutschte nervös auf ihrem Stuhl hin und her. Nachdem sie fast eine Stunde lang hatte warten müssen, wurde sie unruhig, zumal noch einiges an Verwaltungsarbeit auf sie wartete.

    Wieder suchte sie nach dem Arzt, auf den sie und die Mitglieder ihres Teams warteten. Von ihrem Platz aus konnte sie die gesamte Ambulanz, des Stützpunkts überblicken. Es war ein gut hundertsechzig Quadratmeter großer Bereich auf der mittleren Ebene der medizinischen Abteilung, in dem ein gutes Dutzend medizinischer Liegen und Behandlungsstationen stand, die durch niedrige, knapp einen Meter hohe Wände getrennt waren, über denen teilweise semitransparente Bildschirme mit Patientendaten, teilweise aber auch nur Glasscheiben angebracht waren. An seiner ihr gegenüberliegenden Seite war der Raum nicht durch eine Wand abgeschlossen, sondern eine gläserne Front, die in ein großes Atrium wies. Nicole stand auf und ging zur Fensterfront. Von dort aus konnte sie das innere der medizinischen Station sehen. Auf drei Etagen, die um das Atrium herum platziert waren, lagen die wichtigsten ambulanten Behandlungseinrichtungen, die Sprechzimmer und Büros der Ärzte und, die meisten Krankenzimmer. Operationssäle und Intensivstation befanden sich in der Etage unterhalb des Atriums. Selbiges war mit Schattengewächsen begrünt und nach oben hin offen. Diese Einrichtung befand sich keine dreißig Meter unter der Erde, so dass man sie nach oben offen gelassen hatte, damit Tageslicht hinein fallen konnte, das Teilweise durch dezent platzierte Spiegel am oberen Ende des Schachtes hinunter geleitet wurde. Nur einige gläserne Decken schlossen den Bereich nach oben hin hermetisch ab, so dass keine Gefahrenstoffe entweichen konnten. Im Gefahrfall konnten allerdings stählerne Schutztore geschlossen und Schilde aktiviert werden, so dass die Einrichtung einem Atomschlag standhalten konnte.

    Dieser ganze Komfort war für eine militärische Einrichtung gänzlich untypisch und der restliche Stützpunkt war um einiges schlichter, wenn auch repräsentativer, als die alten Basen in den Alpen oder im Harz, gehalten. Der Komfort diente weniger der Schaffung einer angenehmen Atmosphäre für die Patienten, um die Genesung zu fördern, als vor allem einer angenehmen Umgebung für die Ärzte, die hier arbeiteten. Man war von vorn herein bemüht gewesen Spitzenkräfte, auch solche von außerhalb des Militärs, anzulocken. Aber solche Leute, die sich ihren Arbeitsplatz aussuchen und gut und gerne das dreifache Einkommen eines Militärarztes haben konnten, waren nur allzu oft nicht bereit in einem sterilen Betonbunker hundert Meter unter der Erde zu arbeiten. Leute zu denen auch Loeb gehörte. Der Chefarzt des STK war erst vor kurzen durch die Reaktivierung eines Patents als Reserveoffizier wieder zur Truppe gekommen, nachdem er für fast zwanzig Jahre am Universitätsklinikum Wien als Mediziner und Professor tätig gewesen war. Er war leicht verschroben, perzte wie ein Schlot und war ziemlich arrogant, aber Ernst hatte ihr erzählt, dass die für die Zusammenstellung der medizinischen Abteilung zuständige Generalstabsärztin bei der Organisation des STK beinahe Luftsprünge gemacht hatte, als er zugesagt hatte.

    Aber was nützte einem der beste Mediziner, wenn er nicht da war. Sie suchte die Büros an der gegenüberliegenden Seite des Atriums mit Blicken ab und erkannte in seinem den charakteristischen blauen Dunst, der aus dem Fenster nach draußen zog. Er schien also immer noch dort zu sein. Mit einem genervten Stöhnen begann sie in einem Fieber unterdrückter Energie auf und ab zu laufen. In der Zeit, die sie bis jetzt mit Warten vertrödelt hatte, hätte sie ohne weiteres einen Missionsbericht fertig schreiben und Materialanforderungen bearbeiten können. Sie hörte Asena, der bei den anderen saß, sagen: „Ich sehe mal, ob ich die Sache beschleunigen kann.“ Er erhob sich von seinem Platz und sprach eine der Krankenschwestern an: „Schwester, ich hätte gerne die Medikationsdatenblätter für EKST1.“ Sie sah ihn zuerst an, als habe er sie, ihre Mutter und ihre gesamte Ahnenlinie beleidigt, hielt sie ihn doch zunächst für einen einfachen Soldaten, und meinte: „Ich darf ihnen keine Einsicht in die Akten geben.“ Er setzte sein charmantestes Lächeln auf. „Es ist ja nicht so, dass es ein Regelverstoß wäre. Ich bin medizinischer Offizier und ich bin mir sicher, dass meine Leute nichts dagegen haben. Außerdem wäre ich ihnen sehr dankbar.“ Bei diesen Worten deutete er auf die anderen Teammitglieder. Sie warf einen Blick auf den rechten Ärmel seiner Uniform und erkannte das medizinische Abzeichen daran. Leicht verlegen schlug sie die Augen nieder und ging schnell zu einem Computer, um mit vier Ausdrucken zurück zu kommen.

    Er nahm sie mit Dank und einem schelmischen Grinsen an und warf einen Blick darauf. „Gut. Und jetzt hätte ich gerne einen Injektor, eine Ampulle mit AAG739 und…“ Er stutzte kurz und sah zu Nicole. Er schien kurz zu überlegen, dann ging er zu ihr und fragte sie leise: „Hatten sie mal Leberzirrhose?“ Sie sah ihn nur sehr verständnislos an und wollte wissen: „Haben sie etwa vor uns die Spritzen selbst zu geben?“ „Ich bin Magister medicinae agminis. Ich darf alle medizinischen Behandlungen mit Ausnahme chirurgischer Eingriffe durchführen.“ „Trotzdem. Ich bin Führungsoffizier. Ich habe ein Recht darauf, dass der Chefarzt persönlich mir die Medikamente verabreicht und nicht ein einfacher Feldmediziner.“ Er verzog in gespieltem Schmerz das Gesicht. „Das tut weh, wissen sie das? Dieses Misstrauen…“ Bei dieser hemmungslos übertriebenen Darbietung geschauspielerter Kränkung musste sie lachen. Natürlich hatte sie nichts dagegen, wenn Asena ihnen die Spritzen gab, auch wenn sie in diesen Augenblick irgendwie das Gefühl hatte aus Prinzip auf Loeb bestehen zu müssen. „Gut, gut. Machen sie zu.“

    Er sah sie fragend an. „Also?“ „Ich hatte keine Säuferleber, falls sie das meinen. Es war ein Granatsplitter vor fünf Jahren, während der ersten Kämpfe in Afrika. Hat meine Leber zerfetzt, also haben sie mir eine neue eingesetzt.“ Er nickte. Mit einem kurzen „Ah, ok“ wandte er sich wieder der Krankenschwester zu. „Und eine Spritze mit Delaphtin, zehn Milligramm.“ Sie verschwand kurz, um die Utensilien zu holen, während er die anderen aufforderte einen Arm freizumachen. Nachdem er die Medikamente hatte, spritzte er zuerst Guv, dann Corinna ihre Dosen. Als er zu Nicole ging und anfing ihr auf die Armbeuge zu klopfen, um eine Ader zu finden, merkte er, dass die Prozedur ihr unangenehm zu sein schien. „Gibt es irgendein Problem?“ „Nein. Ich hasse das Zeug nur.“ Er musste unwillkürlich schmunzeln. AAG739 war ein schwaches Antiagatikum, das die Alterung insbesondere von Organen und Gelenken verzögerte und es Nicole, die es mit fünfunddreißig Jahren zum ersten Mal erhalten hatte, erlauben würde bis knapp über ihr sechzigstes Lebensjahr hinaus im aktiven Dienst an der Waffe zu verbleiben. Sogar noch länger, wenn sie auf ein stärkeres Mittel umstieg, was sie dann jedoch aus eigener Tasche würde bezahlen müssen. Tatsächlich sah sie mit zweiundfünfzig nicht älter aus, als vierzig. „Sehen sie es positiv: Es bedeutet Gesundheit und ein langes Leben.“

    „Und tobt jedes Mal durch meine Adern, als würde mir ein wild gewordener Goa’uld im Leib stecken.“ Er schmunzelte und verabreichte ihr zuerst das Delaphtin. Als man ihr einen neuen, aus ihren eigenen Stammzellen gezüchteten Leberkeim eingesetzt hatte, hatte man ihr auch ein Medikament gegeben, das zwar das Wachstum des neuen Organs beschleunigt hatte, sich zugleich aber auch auf Jahre hinaus im Gewebe ablagerte und mit dem Antiagatikum Nebenwirkungen entwickeln konnte. Delaphtin wirkte dem entgegen, so dass er ihr danach die zweite Spritze geben konnte. Gerade, als er den Injektor an ihre Ader ansetzte, hörte er eine Stimme hinter sich: „Ich hoffe sie wissen, was sie da tun, Soldat.“ Er drehte sich um und blickte in Doktor Loebs Gesicht. Dann salutierte er vor dem Mediziner, wobei er seinen Handteller auf seine Stirn zu richtete, ein Gruß, den die Mediziner des Korps untereinander benutzten, um ihre nach Feldoperationen blutigen Hände zu verbergen. „Ich denke schon, Herr Doktor.“ „Ach ja? Na dann lassen sie mal sehen.“ Loeb drängte sich an Asena vorbei. Obwohl er mit gut fünfundsechzig Jahren für einen Arzt beim Militär schon recht alt war, überragte er den türkischen Offizier immer noch um einen halben Kopf. Sein Blick wirkte immer leicht spöttisch und er schien nicht auf der Welt wirklich ernst zu nehmen, aber trotzdem konnte man in der Art, wie er die Mitglieder des Teams, die Ampulle mit dem Wirkstoff und die Medikationsdatenblätter musterte, große Erfahrung und Routine erkennen.

    „Scheint alles in Ordnung zu sein. Ich übernehme ab hier.“ Mit diesen Worten nahm er Asena den Injektor aus der Hand, überprüfte noch einmal die aufgezogene Dosis und setzte das Gerät danach an Nicoles Ader. Dabei murmelte er wütend Dinge darüber die Angehörigen des Sanitätsdienstes des Korps im speziellen und die Welt im allgemeinen seien inkompetent. Nur wenige Augenblicke, nachdem er ihr die Substanz injiziert hatte, spürte Nicole, wie sich ihr der Magen beinahe umdrehte und ihr Pulsschlag sich beschleunigte. Als sie grün um die Nase wurde, deutete Loeb den Anblick richtig. Mit einer schnellen Bewegung griff er sich eine Nierenschale von einem nahe stehenden Tisch und hielt ihn ihr unter den Mund. Dann erbrach sie die Überreste ihres Frühstücks. Er wirkte dabei völlig gelassen. Rasch fühlte er ihren Puls, dann attestierte er: „Ziemlich heftige Reaktion, aber alles noch im Bereich des Vertretbaren. Trinken sie ordentlich was und essen sie nur leicht zu Mittag, dann sind sie heute Nachmittag wieder auf dem Damm. Und widerstehen sie bitte der Versuchung auf den Fußboden meiner Ambulanz zu spucken.“ Sie sah ihn missmutig an, dann nickte sie jedoch und stand auf. Zusammen mit den drei restlichen Mitgliedern des Teams wartete sie noch, während Asena seine Spritze bekam, dann wollte sie die Ambulanz verlassen.

    Doch als sie sich gerade zur Tür umdrehte, kam ein Mann in der dunkelblauen Uniform eines Flottenoffiziers herein und steuerte direkt auf sie zu. Die goldenen Streifen an seiner Uniform verrieten ihn als kommandierenden Offizier und ihre Anzahl – zwei mit verbreitertem unterstem Streifen – als Konteradmiral. Als er vor ihnen Halt machte, rief sie: „Aaachtung!“ u sie salutierten gemeinsam. Er mochte zu einer anderen Teilstreitkraft gehören, aber wie Admiral Heimeshoff einmal gegenüber einem Panzergrenadier formuliert hatte: „Die Einheiten sind heutzutage stärker integriert, als jemals zuvor in der Geschichte. Mit anderen Worten: Du elende kleine Made grüßt gefälligst auch einen Flottenoffizier!!“ Er erwiderte den Gruß und sagte: „Rühren.“ Sie alle stellten sich etwas breitbeiniger hin und falteten die Hände hinter dem Rücken. „Ich bin Konteradmiral Cǎrtǎrescu. General Maybourne hat mir ihre Einheit für eine Sondermission unterstellt.“ Sie stutzte. Zu was für einer Operation könnte der Kommandant der Flottenaufklärung ihr Team benötigen?

    „Darf ich fragen, um was es geht, Konteradmiral?“ „Natürlich.“ Seine Stimme klang rau und kraftvoll und er trug mehrere Narben in seinem Gesicht mit demonstrativem Stolz, so dass man ihn schnell für einen Chauvinisten hätte halten können. „Wir leiden im Moment an einem eklatanten Mangel an Informationen über den neuen Feind. Es sollte klar sein, dass wir uns über Elysium nur deshalb gegen die Anhänger dieser Nyx behaupten konnten, weil wir unverschämtes Glück hatten. Wenn wir uns auf eine ernsthafte Konfrontation einstellen, müssen wir mehr Informationen sammeln.“ Um seine Worte zu untermalen schlug er sich mit der zur Faust geballten rechten Hand auf die Handfläche der linken. „Die Gefechtsanalyseteams werden den Wracks von Elysium über kurz oder lang schon noch einige Geheimnisse entreißen, aber was uns immer noch Rätsel aufgibt sind die Flottenbewegungen des Gegners. Was wir von unseren Außenposten und Kolonien aus beobachten konnten war seltsam sprunghaft und schien keinem festen Muster zu folgen. Aber wenn es uns gelingt eine breitete Datengrundlage zu schaffen, können wir vielleicht ein Muster darin erkennen.“

    „Und was wäre dabei unsere Aufgabe?“ „EKST2 hat bei einer Erkundung auf P39M75 eine Zelle der Tok’Ra entdeckt. Oder zumindest halten wir es dafür. Und wenn dem so ist, wollen wir ihnen ein bekanntes Gesicht präsentieren. Sie brechen in vier Stunden auf.“ „Ähm… Verzeihung, Konteradmiral, aber wir haben gerade erst eine Medikation erhalten und müssen laut Dienstvorschrift für achtundvierzig Stunden auf dem Stützpunkt bleiben.“ Er gab einen verächtlichen Laut von sich. „Was hat man ihnen gegeben?“ „AAG739.“ „Dieses Teufelszeug? Ich sage ihnen: Wenn wir so hundertzwanzig Jahre Leben sollten, hätte Gott uns auch ohne Medikamente so langlebig gemacht. Außerdem stinken mir diese ganzen übervorsichtigen Vorschriften. Halten sie ihr Team für einsatzbereit?“ Sie sah die anderen an. Keiner von ihnen hatte in seinen Akten jemals schwerere Reaktionen auf das Antiagatikum vermerkt gehabt. Dann sagte sie: „Wir sind einsatzbereit.“ „Dann los. Ich entbinde sie hiermit von der Wartezeit.“

    Der Zielplanet schien auf den ersten Blick eine einfache Agrarwelt zu sein, wie es sie in der Galaxie zu hunderttausenden gab, oder zumindest gegeben hatte, als das Sternentornetzwerk der Antiker noch aktiv gewesen war. Nicoles Team war von einem Jumper unweit der Siedlung abgesetzt worden, in der die Zelle der Tok’Ra vermutet wurde. Auch bei dieser Welt war das nächstgelegene Sternentor mehrere Flugstunden mit den Jumpern entfernt, auch wenn ein Schiff mit Hyperantrieb die Distanz in wenigen Minuten hätte überwinden können. Das kleine Torschiff setzte auf einem großen Acker auf, der mit einem weizenähnlichen Getreide bepflanzt war. Von dort aus ging es zu Fuß weiter. Es war tiefste Nacht, als sie über einen einfachen Feldweg in Richtung der nächsten Siedlung gingen. Am Himmel über ihnen konnte man die Milchstraße als verzerrte Scheibe aus Sternen sehen und das Licht des voll gerundeten Mondes, der größer war, als der der Erde und dem Planeten näher stand, erhellte die Dunkelheit. Sie brauchten gut zwei Stunden, bis sie auf erste Vororte trafen, die kaum mehr waren, als eine Ansammlung von Bauernhöfen um einen Dorfplatz mit einem Brunnen herum. Die Bauern in dieser Gegend schienen viel Vieh zu halten, denn es gab große Ställe an den Höfen und als sie ein kurzes Stück über eine Weide gegangen waren, hatte ein Stier sie beinahe auf die Hörner genommen. Als schließlich die Sonne über dem Horizont aufging und im Dorf die Hähne krähten, war die Stadt endlich in Sichtweite gekommen.

    Nun, auf den zweiten Blick, erkannte Nicole einige Unterschiede zu den Planeten, die sie früher besucht hatte. Die Stadt war deutlich größer, als es damals üblich gewesen war, schien jedoch erst vor kurzem erweitert worden zu sein. Auch die typischen Einfriedungsmauern fehlten und das Stadtbild wurde von den Schloten großer Fabriken dominiert, von denen einige schon zu dieser frühen Morgenstunde dicken schwarzen Qualm in die Luft stießen. Zudem konnte man an verschiedenen Stellen der Stadt Wehrbauten erkennen, auf denen gen Himmel gerichtete Geschütze standen. Das markanteste darunter war ein Gebäude, das wohl ehemals eine Zitadelle gewesen sein mochte und auf dessen Zinnen mehrere Flakbatterien standen. Nicole suchte die Siedlung zunächst aus der Distanz mit dem Fernrohr ab, um sich ein Bild zu machen, dann gab sie die Anweisung zum weitergehen.

    Kurze Zeit später, sie waren stets weiter dem von Bäumen und Gestrüpp gesäumten Feldweg gefolgt, kam ihnen ein alter Mann mit einem Handkarren entgegen. Sein Gesicht war faltig, seine Haut vom Wetter gegerbt und sein Rücken schon krumm, doch er pfiff fröhlich ein Lied, während er den Karren mit überraschender Kraft durch den Dreck der Straße zog. Nicole wies die anderen an etwas zurück zu bleiben, während sie ihm entgegen ging. Als sie auf Hörweite an ihn heran war, rief sie: „He, guter Mann!“ Der Alte sah auf. Als er sie erblickte, weiteten sich seine Augen vor Schreck, er griff sich über dem Herz an die Brust und kippte aus den abgewetzten Latschen. Nicole fluchte leise, dann liefen sie und die anderen zu ihm. Asena zog dem alten sofort das Hemd aus und horchte nach seinem Herzschlag. Dann begann er mit einer Herzdruckmassage.

    Für einen Moment glaubte der Alte durch einen langen hellen Tunnel zu schweben. Ein seltsames Wohlgefühl hatte sich überall in seinem Körper breit gemacht und er glaubte sich von seiner physischen Existenz zu lösen. Dann wurde er zurück in die Wirklichkeit gerissen, als sein Herz wieder zu schlagen begann. Es war brutal schmerzhaft seinen Körper plötzlich wieder zu spüren. Der Schmerz im Herzen war zuerst mörderisch und er lag wieder im Dreck der Straße. Doch dann spürte er einen leichten Stich im Arm und der Schmerz ließ nach. Er hörte einige Leute Dinge in einer seltsamen Sprache reden. „I think he ist busted.“ „Speak german, Guv.“ „Er hat einen Herzanfall erlitten. Aber mit etwas Glück wird er durchkommen.“ Er öffnete sacht die Augen und sein Blick fiel auf mehrere Gestalten, die zu ihm hinab sahen. Einer kniete neben ihm die anderen standen darum herum. Er öffnete die Augen weiter. Als sein Blick wieder auf die Rüstungen und Waffen fiel, begann sein Herz wieder zu schmerzen und er war mit einem röchelnden Laut erneut weg.

    Asena sagte: „Irgendjemand muss mit der Herzdruckmassage weiter machen.“ Corinna nickte. Sie setzte sich rittlings auf den alten, tastete seinen Rippenbogen ab, um das Herz zu finden und begann dann mit der Massage. Asena nahm unterdessen eine Einwegspritze mit Adrenalin aus ihrer Verpackung und sagte: „Weg da.“ Corinna beugte sich mit dem Oberkörper etwas nach hinten und er rammte dem Mann die Spritze mit Schwung ins Herz. Der Alte bäumte sich auf und zuckte heftig, doch nach einigen Sekunden beruhigte er sich wieder und wachte auf. Dieses Mal erlitt er, sehr zu Asenas Beruhigung, keinen Anfall. Er sah wieder in die Runde, dann fragte er etwas in einer unverständlichen Sprache. Der Übersetzungscomputer in Nicoles HUD – sie trug keinen Helm, sondern das HUD als eine Art Headset am Kopf – brauchte einen Moment, um die Sprache zu verstehen. Er ordneten sie schließlich als einen alten slawischen Dialekt mit Verwandtschaft zum Bulgarischen ein. [„Können sie mich verstehen“], fragte sie schließlich, als das Gerät sich entsprechend eingestellt hatte. Ein Lautsprecher an ihrem Headset übersetzte ihre Worte dabei simultan.

    Der alte schnalzte mit der Zunge, hier offenbar eine Entsprechung für ein Ja. [„Was wollt ihr von mir“], fragte er schließlich. Seine Stimme klang dabei ein wenig ängstlich. [„Wir wollten eigentlich nur nach dem Weg fragen.“] Er sah sie mit einem Blick an, in dem die Frage mitschwang, ob sie ihn für dumm verkaufen wollte. [„Wer seid ihr überhaupt?“] [„Ich bin Nicole Degenhardt-Allert. Wir sind Tau’Ri und auf dem Weg in die Stadt.“] [„Die Zerstörer der Goa’uld? Das ist unmöglich. Seid der Explosion des Chaapa’ai sind keine Tau’Ri mehr gesehen worden.“] [„Wir sind Tau’Ri. Ein Schiff hat uns abgesetzt.“] Der Alte legte seine von der Sonne gebräunte Stirn in Falten. Sein Gesicht war dabei so zerknautscht, dass es entfernt an das eines Mopses erinnerte. [„Beweist es.“] [„Wir könnten nichts sagen, um unsere Worte zu beweisen, was ihr nicht irgendwie anzweifeln könntet. Aber wir haben euch nicht hier liegen und verrecken lassen, sondern euch das Leben gerettet. Also schuldet ihr uns so wie ich das sehe etwas.“] Der Alte stand auf, wobei er Corinna zur Seite drängte, die zwar nicht mehr auf ihm saß, wohl aber über ihm gehockt hatte. Dabei fluchte er: [„Elende Halsabschneider. Also gut, ihr habt mich gerettet. Deshalb gebe ich euch einen guten Rat, egal wer ihr seid: Die Wachen in der Stadt mögen keine Fremden. Erst recht keine mit Waffen. Also beschafft euch lieber irgendetwas Unauffälligeres zum Anziehen, wenn ihr nicht zuerst im Kerker landen wollt.“]

    [„Und was würdet ihr vorschlagen?“] Er überlegte kurz, oder tat vielmehr so, dann griff er in seinen Karren und zog einige einfache, bodenlange Mäntel aus grobem Wollstoff heraus. [„Damit fallt ihr gewiss niemandem auf.“] Nicole wollte nach dem Mantel greifen, doch er zog die Hände zurück, in denen er sie hielt. [„Für zwanzig Stotniki gehören sie euch.“] Nicole verzog das Gesicht missmutig. Wer war hier der Halsabschneider? Sie nahm ihre Armbanduhr, eine alte russische Panzerfahreruhr, die Sergej Runge ihr einmal geschenkt hatte, und reichte sie ihm. Sie besaß noch eine Zweite und sie war sich sicher, dass der Russe es verstanden hätte, wäre er hier gewesen. Sofort riss er sie mit gierigen Fingern an sich. [„Oh, ein Zeitmesser. Wunderbar, das Geschäft ist besiegelt. Es war nett euch kennen zu lernen.“] Mit diesen Worten drückte er ihnen die Mäntel in die Hand, packte sich seinen Karren und zog wieder fröhlich pfeifend von dannen. Nicole betrachtete für einen Moment die Mäntel. Es waren einfache Kleidungsstücke aus Wolle, die im Schnitt an vornehme Mäntel der Gründerzeit erinnerten, jedoch aus einem weniger edlen Stoff bestanden. Es schienen Kleidungsstücke arrivierter Kleinbürger zu sein, die vornehmer wirken wollten, als sie tatsächlich waren. Sie griff sich den, der ihr am besten passte und Warf ihn sich über die Schultern. Dann deutete sie in Richtung der Stadt und befahl: „Weiter geht’s.“

    Als sie die Stadt selbst erreichten, bot diese einen diffusen Eindruck. Die äußeren Viertel bestanden aus schnell errichteten Mietskasernen, die in dichter Bebauung aus dem Boden gestampft worden waren. Selbst die Höfe waren mit Hinterhäusern zugebaut und man konnte an den Fenstern erkennen, dass in jeder Wohnung mehrere Familien wohnten. Doch die Straßen waren noch nicht gepflastert, so dass sie über von Wagenrädern und Pferdehufen aufgewühlten Dreck gingen. In den älteren Stadtteilen hingegen waren die Straßen zwar gepflastert, doch die Häuser waren nicht weniger dicht belegt. In den Straßen waren Patrouillen von Soldaten in aufwändigen Uniformröcken und mit einfachen Zündnadelgewehren unterwegs, die ihre Umgebung genau im Auge behielten, aber an diesem frühen morgen Wälzten sich tausende von müden und schmutzig wirkenden Arbeitern durch die Straße in die Fabriken, so dass sie nicht weiter auffielen. Nur die Viertel der Oberschicht, die in der Ostwindlage der Stadt im Osten errichtet worden waren, gaben einen zivilisierteren Eindruck ab. Sie waren mit weißen Mauern und schmiedeeisernen Zäunen umbaut und wurden von Soldaten bewacht.

    Sie wussten nicht genau, wo die Tok’Ra zu finden waren. Major Falkner hatte darauf verzichtet bis in die Stadt vorzurücken und stattdessen auf einer Erhebung in der Nähe Position bezogen und die Stadt mittels Fernrohren erkundet. Dabei hatten sie auch versucht verschiedene Signale, wie von Funkgeräten oder Hyperraumkommunikatoren ausgestrahlt wurden. Und gerade solche hatten sie aufgefangen. Während es noch keine Funkübertragungen gegeben hatte – dieser Planet besaß offenbar noch nicht die entsprechende Technologie – war dem Gefreiten von Sachleben, der bei EKST2 als Kommunikationstechniker diente, eine Übertragung aufgefangen, die denselben Signaltypus benutzte, wie die Tok’Ra um die Jahrtausendwende. Auch wenn er nicht hatte sagen können, ob es sich beim Absender wirklich um einen Agenten der Untergrundbewegung handelte, hatte er doch den Ursprung des Signals durch weitere Messungen über Dreieckspeilung bestimmen können. So fand sich Nicoles Team nun vor einer Schneiderei am Rand der Altstadt wieder.

    Die gepflasterte Straße endete nur wenige Meter weiter und schon der benachbarte Häuserblock war eine gewaltige Mietskaserne. Das Gebäude, so konnte man an seiner Form erkennen, hatte einmal direkt an die Stadtmauer gegrenzt und nur wenige Meter hinter seinem Hof stand ein großer Wachturm, ein Überbleibsel der alten Wehranlage, auf dessen Spitze eine Flugabwehrkanone und mehrere Revolverkanonen standen. Zudem stank die Luft bestialisch. Asena, der ähnliche Gerüche noch aus manchen Städten Anatoliens kannte, attestierte, dass diese Gegend ein Gerberviertel sein musste. Zuerst beobachteten sie das Geschäft, das sich im Erdgeschoss des Hauses befand von einer Gasse auf der gegenüberliegenden Straßenseite aus, doch als Nicole den stapfenden Gleichschritt einer Patrouille hörte, signalisierte sie ihren Leuten sich hinein zu begeben.

    Sie betraten den Verkaufsraum. Das Geschäft war im Tiefparterre des Gebäudes angelegt, so dass es nur einige kleine Fenster zur Straße hin gab. Im Inneren war es eng und in zahlreichen Regalen lagen Stoffballen herum. An einer Wand hing ein in Bronze geschmiedeter Falke mit einer Sonnenscheibe auf dem Kopf, ein religiöses Symbol, das auf der Erde im alten Ägypten Verwendung gefunden hatte. Als sie eintraten, erklang ein leiser Ton von einer Glocke, die über der Tür hing und als Nicole sich umsah, entdeckte sie eine junge Frau, die mit gekreuzten Beinen auf einem Tisch saß und dabei war einen teuer wirkenden Mantel mit Verzierungen zu besticken. Ohne aufzublicken, sagte sie: [„Willkommen in unserem Laden. Mein Mann wird sich gleich um sie kümmern. Und seien sie bitte versichert, dass wir ihnen nichts Übles wollen. Der Falke ist Symbol unseres Gottes, eines noblen Wesens der Güte und des Lichts und nicht eines Tyrannen…“] Die Worte klangen einstudiert, als habe sie sie schon oft aussprechen müssen. Als Nicole den Klang ihrer Stimme hörte, glaubte sie ihn wieder zu erkennen. Sie besah sich die Frau mit ihren glatten blonden Haaren und dem anmutigen Gesicht genauer. Schließlich fragte sie: „Freia?“ Die Tok’Ra sah erschrocken auf. Zuerst erkannte sie die Personen nicht, die ihnen gegenüber standen. In diesem Augenblick kam ein Mann aus einem Hinterzimmer. Er kündigte sich durch seine festen Schritte und die Worte „Ah, seid willkommen in unserem Geschäft“ an. Er stutzte, als er das EKST-Team sah und auch Nicole hätte mit kaum einer Person noch weniger gerechnet. Im Durchgang zum Hinterzimmer stand Friedrich Apel, jener Bundeswehroffizier, der sich vor fast dreißig Jahren den Tok’Ra angeschlossen hatte.

    Apel war zunächst sprachlos, dann fragte er jedoch vorsichtig: „Nicole Degenhardt?“ Er kannte Nicole in ihren jüngeren Jahren, als sie frisch zum STK gekommen war. Mittlerweile hatte sie sich verändert, war vor allem Reifer geworden. Und man konnte ihr ansehen, dass die Jahre nicht gerade einfach für sie gewesen waren. Erst vor kurzem, so schien es ihr manchmal, hatte sie das Lachen wieder gelernt. Wie ein Musketier in einer Verfilmung eines Romans von Dumas schlug den Mantel auf, so dass man die Rüstung und das Gewehr darunter erkennen konnte. Dabei machte sie einen Schritt vorwärts. Die gepanzerten Stiefel der Rüstung klangen dabei Laut auf den Fliesen des Fußbodens. Dann blieb sie stehen, sah Apel für einen Moment an und salutierte dann zackig. „Herr Major.“ Apel grinste und erwiderte den Gruß. Sie glaubte sogar eine Träne in seinem Augenwinkel zu erkennen. „Lassen sie den Rang ruhig stecken.“ Er schüttelte den Kopf. „Zwanzig Jahre… Zwanzig Jahre habe ich nicht von der Erde gehört und auf einmal trifft man sich am unwahrscheinlichsten Ort dieser Galaxie wieder.“ Er musterte Nicole. Ihr Mantel verdeckte immer noch ihre Schultern und Arme, so dass er keine Rangabzeichen erkennen konnte. Was er jedoch sah, war der Sternenkranz, der auf Brusthöhe auf der Rüstung angebracht war. „Offenbar habe ich einiges verpasst. Kommen sie erst mal mit, raus aus dem Vorzimmer.“ Er sagte etwas auf einer Fremden Sprache zu Freia, woraufhin sie nickte, aufstand und den Laden abschloss, dann bedeutete er ihnen ihm in die Hinterzimmer zu folgen.

    Kurze Zeit später saßen sie in einem kleinen fensterlosen Hinterzimmer, das offenbar als Wohn- und Schlafraum diente, um einen niedrigen Tisch herum. Anise hatte Tee serviert und sich anschließend zu Apel gesetzt, der sich alles über die Geschehnisse seit 2009 erzählen ließ, als er das letzte Mal Kontakt mit der Erde gehabt hatte. Während Nicole erzählte, kam sie nicht umhin zu bemerken, wie wenig die beiden sich seit ihrem letzten Treffen verändert hatten. Sie wusste, dass Wirte von Tok’Ra-Symbionten ähnlich langlebig waren, wie Jaffa, doch etwas derartiges in der Theorie zu wissen und schließlich mit eigenen Augen zu sehen war etwas sehr unterschiedliches. Außerdem verriet die Art, wie sie sich bei ihm anlehnte und das Vorhandensein nur einer einzigen Schlafstätte mehr über die Beziehung zwischen den beiden. Als Nicole schließlich in ihrer immer wieder von Kommentaren und Ergänzungen der anderen Teammitglieder unterbrochenen Schilderung bei ihrer Zeit in Afrika angekommen war, senkte Apel auf einmal den Kopf. Als er ihn einen Augenblick später wieder hob, fragte er mit der verzerrten Stimme eines Tok’Ra: „So interessant Friedrich das hier auch findet, kommt zur Sache: Wie habt ihr uns gefunden und was sucht ihr auf dieser Welt?“

    Nicole sah ihn mit einem Schmunzeln an. „Mit wem habe ich die Ehre?“ „Ich bin Aldwin von den Tok’Ra. Eure Anwesenheit hier gefährdet unsere Mission. Also beantwortet bitte meine Frage.“ „Also gut. Euch zu finden war relativ einfach. Wir haben einfach euer Kommunikationssignal angepeilt.“ Aldwin schwieg für einen Moment mit einem in sich gekehrten Blick, der typisch für Tok’Ra war, die mit ihrem Wirt Zwiesprache hielten. Dann wechselte er einige Worte mit Anise/Freia und antwortete Nicole: „Uns war nicht bewusst, dass man auf eurer Welt dazu in der Lage ist. Falls ihr diese Technik schon vor dreißig Jahren beherrschtet, wäre es besser gewesen uns zeitig darüber zu informieren.“ „Der Generalstab war damals anderer Meinung. Ich schätze mal sie wollten nicht immer bis zum Sankt Nimmerleinstag warten, bevor wichtige Informationen mit ihnen geteilt wurden.“ Freia schaltete sich ein: „Freunde, es ist doch nicht von Bedeutung, ob der eine die Kommunikation des anderen belauschen konnte. Die wichtigere Frage ist: Was führt euch hier her?“ „Wir suchen Informationen über Nyx.“

    Aldwin lachte abschätzig. „Wir sind aufgrund einer ganz konkreten Bedrohung hier und ihr gefährdet unsere Operation für ein Schreckgespenst.“ „Es ist kein Schreckgespenst.“ Er sah Nicole sehr ernst an. „Was ihr andeuten wollt ist unmöglich. Selbst mit einem Sarkophag ist auch ein Symbiont sterblich. Goa’uld können bis zu zehntausend Jahre alt werden, dann verliert der Sarkophag seine Wirkung. Nyx ist eine der ältesten Goa’uld überhaupt. Sie ist vor siebentausend Jahren verschwunden und war schon damals über sechstausend Jahre alt. Damit müsste sie seit knapp dreitausend Jahren eine vertrocknete Mumie sein.“ Nicole hatte ganz vergessen, welche Arroganz Tok’Ra zuweilen an den Tag legten. Mit scharfer Stimme antwortete sie: „Zwei unserer Kolonien wurden von Leuten angegriffen, die sie anbeten. Nicht vor drei oder sieben Jahrtausenden, sondern vor einem halben Jahr.“ Die beiden Wirte sahen einander für einen Moment schweigend an, dann meinte Anise: „Das ist nur schwer vorstellbar. Die meisten Kulte verstreuen sich nach dem Tod ihres Anführers schnell oder werden von anderen Goa’uld übernommen.“ Nicole zuckte mit den Schultern. „Und dann wäre die logische Schlussfolgerung was?“ Ein erneuter Moment des Schweigens. Schließlich sagte Apel: „Wir stehen hier einer sehr realen Bedrohung durch Systemlord Dumuzi gegenüber. Er ist zum dominanten Goa’uld aufgestiegen und bereitet in diesem Spiralarm einige Probleme. Wenn jetzt tatsächlich auch Nyx wieder aufgetaucht sein sollte…“ Er beendete den Satz nicht, doch sein Schweigen sagte auch so schon mehr, als tausend Worte.

    „Wie gesagt: Wir wurden von ihren Anhängern angegriffen. Ob sie lebt oder nicht, diese Leute stellen eine große Gefahr da. Ihre Technologie ist ungleich weiter entwickelt, als die der Systemlords es war. Aber wir wissen nichts über ihre Motive. Deshalb sind wir hier. Um Informationen mit den Tok’Ra zu tauschen.“ „An was hattet ihr gedacht?“ „An alles. Alles, was ihr an historischen Aufzeichnungen über sie habt, alle Sichtungen ihrer Schiffe, mögliche Interaktionen mit anderen Goa’uld…“ „Nyx würde sich mit denen nicht lange abgeben. Sie war schon früher dafür bekannt sie geringschätzig zu behandeln und ihnen nicht zu trauen.“ Nicole seufzte. „Wisst ihr einen anderen Weg ihre Flottenbewegungen nachzuvollziehen?“ „Vielleicht“, antwortete Freia. „Ok. Was wollt ihr dafür?“ Apel lachte. „Wie kommt ihr darauf, dass wir etwas dafür wollen könnten?“ „Weil man in dieser Galaxie selten etwas umsonst bekommt.“ „Ja, das stimmt. Also: Nachdem der Feldzug der Ori beendet war, haben wir den Untergrund verlassen und uns eine neue Heimatwelt aufgebaut. Dann tauchte allerdings Dumuzi aus der Versenkung auf. Er hatte sich die ganze Zeit über still verhalten und hat das Machtvakuum ausgenutzt, um schnell zum mächtigsten lebenden Goa’uld zu werden. Er sucht auch nach uns, deshalb haben wir ein Netzwerk von Sensoren aufgebaut, um seine Flottenbewegungen zu überwachen. Wir könnten es benutzen, um nach euren neuen Feinden Ausschau zu halten, aber das stellt ein Risiko für uns dar.“

    Nicole schmunzelte. „Wir können etwas bieten, das jedes Risiko wert ist. Wir bieten Zugang zu einem Sternentornetzwerk.“ Apel runzelte die Stirn, dann antwortete er mit der Stimme von Aldwin: „Es existiert nur noch ein Bruchteil der Tore. Das Netzwerk ist strategisch wertlos geworden.“ „Dachtet ihr die Entwicklung auf der Erde würde stehen bleiben, kaum das ihr uns aus den Augen verliert?“ Sie lehnte sich etwas vor und sah die beiden Tok’Ra mit einem Lächeln an, während sie das Gefühl genoss es einmal selbst sein zu können, die einem außerirdischen Verbündeten überlegene Errungenschaften offerierte. „Wir haben ein neues Tornetzwerk aufgebaut. Eintausend Tore, strategisch günstig platziert in den Spiralarmen Perseus, Orion, Sagittarius und Scutum. Dreihundert Tore stehen auf planeten, siebenhundert sind im All platziert. Die Hälfte aller bekannten bewohnbaren Welten lassen sich über die Tore binnen weniger als fünf Stunden von der Erde aus erreichen, sogar zwei Drittel in weniger als zwei Stunden, wenn man ein hyperraumfähiges Schiff benutzt. Zusammen mit den noch existenten alten Toren ergibt das ein Netzwerk, das dem alten in kaum etwas nachsteht.“ Als Nicole die Blicke der beiden Agenten sah, wusste sie, dass sie sie am Haken hatte. Ein solches Netzwerk würde den ultimativen Vorteil gegenüber jedem Goa’uld darstellen, der aus irgendeiner dunklen Ecke gekrochen kam.

    „Wir können das nicht allein entscheiden. Aber ich glaube nicht, dass der Rat bei diesem Geschäft nein sagen wird. Das bedeutet aber, dass ihr warten müsst. Wir sind im Moment an einem Agenten von Dumuzi dran und wie ihr uns demonstriert habt, scheint unsere Kommunikation nicht so sicher zu sein, wie wir angenommen hatten. Solange wir hier nicht fertig sind, riskiere ich keine weitere Kommunikation.“ Nicole sah die beiden missmutig an. Dann griff sie nach ihrem Gewehr und sagte: „Ein Agent? Gebt uns ein Foto und zwölf Stunden, dann habt ihr seinen Kopf.“ „Beruhigend zu sehen, dass sie sich nicht verändert haben. Aber sie können ihn nicht einfach abknallen. Er tarnt sich als reicher Kaufmann und verkehrt hier in den besten Kreisen.“ Sie grinste sehr finster. „Wir verpassen ihm eine Kugel, schneiden ihm die Schlange aus dem Leib und heften sie ihm an die Brust, dann wissen die Leute, mit was für einem sie es zu tun hatten.“ Wieder wechselten die beiden einige Worte in ihrer fremden Sprache. Dann sagte Anise: „Also gut. Aber ich hoffe sie jagen nicht die halbe Stadt in die Luft.“
    Die Freiheit des Bürgers heißt Verantwortung.

    (Joachim Gauck)


    "You may belong to any religion[...] - that has nothing to do with the buisness of the state. We are starting with this fundamental principle, that we are all citizens and equal members of one state." (Sir Mohammed Ali Jinnah)

    Meine FF:

    Laufend: 2036 - A Union at War

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  13. #11
    Gehasst, Verdammt, Vergöttert Avatar von Colonel Maybourne
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    Ja, es ist doch wirklich schön zu sehen, dass sich manche Dinge oder Personen eben nicht ändern...
    Aber das sie schon Kontakt zu den Tok´Ra hergestellt haben, ist sehr gut, denn da kriegen sie gute Infos.
    Vielleicht kommt ja auch noch mal Jakob vor, da Selmak schließlich hier nicht sterben muss.
    Was mich interessieren würde, ist wie Europa so von seiner Gesellschaft jetzt aussieht, als du Anatolien angesprochen hast...
    Gibt es immer noch große Unterschiede, oder ist der ganze Kontinent wie Zentraleuropa zu unserer Zeit.
    Bis dann.
    Das Leben ist ein Schwanz und wir die Eier, die mitgeschleift werden.


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  14. Danke sagten:


  15. #12
    dumm geboren und nix dazugelernt:P Avatar von Santanico Pandemonium
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    Haben ja schon die Asgard gesagt, dass wir Menschen großes Potential haben, aber andere Rassen wollen das wohl nicht glauben bis sie eine große Überraschung erleben, so wie unsere beiden Tok'Ra hier

    Apropos Asgard, gibts die noch? Falls die irgendwann mal drankamen hab ich es wohl wieder vergessen
    WEIR: ... putting your life and other people's lives at risk. You destroyed three quarters of a solar system!
    McKAY: Well, five sixths. It's not an exact science.
    WEIR: Rodney, can you give your ego a rest for one second?

    Ein Jahr später:
    Spoiler 
    CARTER: About a year ago, your brother came across an abandoned alien experiment called Project Arcturus.
    CARTER: It was an attempt to generate zero point energy.
    JEANIE: That would be virtually limitless power. What happened?
    McKAY: A slight problem. It was the creation of exotic particles in the containment field.
    CARTER: He destroyed a solar system.
    JEANIE: Meredith! (She smacks his arm.)
    McKAY: It was uninhabited!

  16. Danke sagten:


  17. #13
    Autor der ungelesenen FF Avatar von Protheus
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    @Colonel Maybourne: Werde ich bei günstiger Gelegenheit drauf eingehen.

    Asche auf mein Haupt: Ich habe Himmelfahrt nicht in einer Kirche zugebracht, sondern genutzt, um ein neues Kapitel zu schreiben. Gesamtlänge 14 Seiten. Viel Spaß beim Lesen.


    Episode 3: Die Unity, Teil 2

    Die Abenddämmerung umfing die Stadt bereits, als Nicole und ihr Team durch eine enge Gasse unweit der Umzäunung des größten Oberschichtviertels liefen. Dieser Teil der Stadt war offenbar einmal ein Handwerkerviertel gewesen. Doch von den Geschäften und Werkstätten war nicht mehr viel übrig. Konkurrenz im Zuge der radikalen Industrialisierung dieser Welt hatte das Handwerk verdrängt und ganze soziale Schichten ins materielle Nichts abstürzen lassen. Einmal schmucke Fassaden und aufwändig gestaltete Wappenschilde der Zünfte, die manche der Häuser noch zierten, kündeten von einer stolzen Vergangenheit, in der die Handwerksmeister selbst unter der Herrschaft der Goa’uld voller Selbstbewusstsein ihre Position und Macht kund getan hatten. Nun hatten die neuen Entwicklungen sie vom Gipfel gestoßen und auf eine Stufe mit Hilfsarbeitern und Tagelöhnern gestellt, so dass sie nur noch in den Fabriken den Maschinen zuarbeiten durften. Entsprechend hatten auch hier die Arbeiter in die Viertel gedrängt, so dass die alten Häuser ein nicht minder elendes Bild boten, als die Mietskasernen am Stadtrand. Es war wohl gerade diese Nähe zu den einfachen Arbeitern, die den Adel dazu getrieben hatte, sich hinter einem acht Meter hohen schmiedeeisernen Zaun zu verstecken.

    Nicole hielt am Ende der Gasse an und lugte auf die Straße vor ihnen hinaus. Sie konnte gut dreihundert Meter weiter ein Tor im Zaun sehen, an dem acht Soldaten, vier innen und vier außen, Wache standen. Jeder trug ein Zündnadelgewehr und ihre Uniformen schienen um einiges edler zu sein, als jene, die von den Soldaten in den ärmeren Stadtteilen getragen wurden. Was ihre gehobene Stellung jedoch noch stärker unterstrich, waren die Tatsachen, dass ihr Offizier keinen Folterstab trug, um die Truppe im Zweifel zu disziplinieren, sowie dass er mit einer Zat’n’ktel bewaffnet war. Friedrich Apel hatte ihr erklärt, dass diese Männer zu den Gardetruppen gehörten, den besten Soldaten, die dieser Planet besaß. Anders als bei den regulären Infanteristen in den Garnisonen der Unterstadt gab es in ihren Einheiten keine Frauen und sie entstammten alle mindestens dem niederen Adel. Die Aufgaben der Garde erschöpften sich jedoch zumeist in Objektschutz und im Abhalten von Paraden, da sie nur in wirklich großen Schlachten ins Feld geschickt wurde, so dass die einfache Infanterie die Hauptlast der Kämpfe und der Verluste trug. Trotzdem waren sie ernst zu nehmen.

    Nicole signalisierte den anderen mit Handzeichen wie viele Wachen anwesend waren, dann zog sie eine Zat unter ihrem Mantel hervor. Sie hatten zwei dieser Waffen von den Tok’Ra bekommen, da sie gegenüber irdischen den unbestreitbaren Vorteil boten, dass man damit keine blutige Sauerei hinterließ und gründlich hinter sich aufräumen konnte. Sollten sie mit den Soldaten aneinander geraten… Danach zog sie zehn Meter Kletterschnur aus ihrem Gürtel und band an einem Ende damit eine Schlaufe. Diese Schnüre, die zur Standartausrüstung der europäischen Soldaten gehörten, bestanden aus Kohlefasern. Sie waren kaum einen zehntel Millimeter dick, konnten jedoch Belastungen von mehreren Tonnen aushalten. Mit einem erneuten Blick vergewisserte sie sich, dass die Soldaten nicht in ihre Richtung schauten. Dann huschte sie mit schnellen Schritten hinüber zum Zaun und warf die Schlaufe. Es bedurfte einiger Übung um mit diesem ‚Seil’ ordentlich zielen zu können. Tatsächlich benutzten die meisten Soldaten Gewichte, mit denen sie die Vorderenden beschwerten, doch Nicole hatte sich eine andere Technik von Oberleutnant Krüger, der ihr Stellvertreter in Afrika gewesen war, abgeschaut, bei der sie die Schnur zu einem Knäuel wickelte, dass sich von selbst abwickelte und allein schon genug Masse hatte, um die Flugbahn zu stabilisieren.

    Zuerst fand die Schlaufe keinen Halt, so dass Nicole die Schnur noch zwei weitere Male werfen musste, doch dann wickelte sie sich um eine der Spitzen des Zaunes. Nicole zog einmal kräftig dran, um sicher zu gehen, dass sie sicheren halt hatte, dann begann sie hochzuklettern. So schnell sie konnte zog sie sich an der Schnur hoch, wobei sie sich behelfsmäßig mit den Füßen am Zaun abstützte. Bei diesem waren, offenbar aus ästhetischen Gründen und damit sich keine Kinder hindurchzwängen konnten, die Hohlräume zwischen den Stangen mit geschmiedeten Ranken gefüllt, die jedoch zu fein waren, als dass ein wuchtiger Kampfstiefel dazwischen gepasst hatte. Hätte ihr Team Steigeisen dabei gehabt, wäre das ganze kein Problem gewesen, doch so fand sie nur unregelmäßig Halt mit den Füßen. Als sie am oberen Ende des Zaunes angekommen war, schwang sie sich hinüber und seilte sich an der Schnur wieder ab. Auf der anderen Seite war direkt hinter dem Zaun ein Grünstreifen mit aufwändig zurechtgestützten Zierbüschen angelegt. Sie versteckte sich hinter einem und wartete auf die anderen. Diese folgten im Abstand von ein paar Minuten, immer Lücken in der Aufmerksamkeit der Wachen ausnutzend. Zuerst Corinna, dann Abrams, dann Guv und zuletzt Asena. Dann liefen sie weiter.

    Das Ziel war ein Agent von Systemlord Dumuzi, auf manchen Welten auch Tammuz genannt. Dieser, der von den Sumerern auf der Erde als Vegetations- und Naturgott verehrt worden war, war in den letzten zwanzig Jahren zum mächtigsten verbliebenen Goa’uld aufgestiegen und stellte zumindest in diesem Spiralarm eine ernsthafte Bedrohung für die freien Welten. Der Agent residierte in einem der bescheideneren Stadtpaläste dieses Viertels, aber dennoch nahe an dessen zentralem Platz, an dem die Ratshalle der Stadt lag. EKST1 suchte sich seinen Weg entlang der Nebenstraßen, was jedoch nicht einfach war. Obschon sie von Freia/Anise und Friedrich/Aldwin Mäntel bekommen hatten, mit denen sie ihre Rüstungen zu verbergen vermochten und die sich in das Bild der edlen Stadtteile einfügten, liefen sie permanent Gefahr entdeckt zu werden. Die Bewohner dieses Viertels kannten einander zumindest soweit, wie sie einander auch wahrnahmen und mochten keine Fremden. Das bedeutete, dass man sich bestenfalls als niederer Bediensteter unbemerkt auf der Straße bewegen konnte, doch diese durften nur in der Nacht und den frühen Morgenstunden auf den Straßen unterwegs sein. Zudem waren die Straßen breit und gut einsehbar, was es unmöglich machte sich zu verstecken.

    Dennoch schafften sie es irgendwie das Haus der Zielperson zu erreichen. Sie näherten sich über den Zentralen Platz, an dessen Rand sie sich entlang bewegten. Es war ein riesiges, repräsentatives Areal von vierhundert Metern Länge und zweihundertfünfzig Metern breite, das von einem Ensemble von fünf Brunnen, sowie einigen Blumenbeeten geschmückt wurde. Der größte Teil, insbesondere direkt vor dem Ratssaal, war jedoch frei gelassen worden, so dass die Garde dort aufmarschieren konnte. An diesem Abend waren dort zwei Eskadronen Kavallerie angetreten, die offenbar als Ehrenformation für einen Empfang des Rates dienten. Sie saßen auf dem Rücken prächtiger Streitrösser und trugen zu ihren weißen Uniformen auf Spiegelglanz polierte Kürasse und Helme, die aufwändig mit Gold verziert waren. Einer hielt zudem noch eine stark geschmückte Standarte. Es war ein archaisch anmutender Anblick, der jedoch nur zwei Details noch bizarrer wurde: Die Soldaten trugen keine Lanzen oder Karabiner, sondern Maschinengewehre, die nicht minder verziert waren, als ihre Rüstungen und neben ihnen stand ein schnaufendes, in regelmäßigen Abständen Dampf ablassendes Ungetüm aus Stahl, eine gepanzerte Dampfmaschine, auf der schwere Waffen montiert worden waren.

    Diese Dinge waren der Grund, warum Dumuzi sich subversiver Techniken bedienen musste, aber auch der Grund für die Industrialisierung dieser Welt. Die Machtbasis des Systemlords war noch dünn und viele Einheiten seiner Streitkräfte nur mit Stabwaffen oder Zat’n’ktel ausgestattet. Was jedoch früher, als nur die wenigsten Welten über nennenswerte Streitkräfte verfügt hatten, kein Problem gewesen war, stellte sich nun als fatal heraus, nachdem viele Welten in zunehmendem Maße nach dem Vorbild der Erde während der Operation Overlord, oder zumindest dem, was man dafür hielt, aufrüsteten. Dampfgetriebene Panzer wie dieser mochten beispielsweise grotesk langsam, über hundertzwanzig Tonnen schwer und kaum in der Lage sein einen Gleiter abzuschießen, doch für Infanterie, die sich vor allem auf Stabwaffen stützte, waren sie Furcht erregende Gegner.

    Während sich die Mächtigen dieser Stadt im Glanz ihrer eigenen militärischen Macht sonnten, liefen die irdischen Soldaten weiter zum Haus, das der Agent bewohnte. Die beiden Tok’Ra hatten eine Verkleidung als fremdweltlerische Schneider gewählt, weil sie so, sobald sie Aufträge von Adeligen erhalten hatten, in der Lage gewesen waren, in die Oberschichtviertel zu gelangen und ihn zu observieren. Daher wussten Nicole und ihre Leute, dass er als reicher Bürgerlicher getarnt war und damit nach den Gesetzen dieser Welt nicht zu Feiern des Rates erscheinen durfte. Die Chancen ihn zu Hause anzutreffen standen an diesem Abend also gut. Sie schlichen um das Haus herum und fanden einen der Nebeneingänge, die für Lieferanten oder Dienstpersonal gedacht waren. Nicole kniete vor der Tür nieder und besah sich das Schloss. Sie wollte schon einige Werkzeuge herausholen, um es zu knacken, doch Guv legte ihr die Hand auf die Schulter und fragte: „Entschuldigung Frau Major, darf ich?“ Nicole nickte, dachte sie doch zuerst, dass er das Schloss knacken wolle. Doch Guv legte zuerst den Mantel ab, setzte sich dann seinen Helm auf und ging dann einige Schritte zurück. Bevor sie etwas sagen konnte, hatte er einige Schritte Anlauf genommen und die Tür mit einem wuchtigen Tritt eingetreten. Das leichte Holz, so zeigte sich, war kein Gegner für den stämmigen Engländer. Es brach um das Schloss herum, das an Ort und Stelle blieb, während die Tür krachend aufschwang.

    Nicole sah zu Corinna hinüber, die gerade ihren Helm aufsetzte, und verdrehte dabei die Augen, doch die Waffenspezialistin lächelte nur und sagte: „Warum auch nicht, wenn es funktioniert?“ Wie der englische Soldat neigte auch sie zu sehr direkten Herangehensweisen und Nicole hatte den Eindruck, dass sie seine rohe Kraft und den Mangel an politischer Korrektheit, den er oft an den Tag legte, sehr interessant fand, um das mindeste zu sagen. Sie setzte sich ebenfalls ihren Helm auf und hob die schussbereite Zat. Guv stand bereits mit schussbereitem Sturmgewehr im Kellerflur, als sie das Haus betrat. Sie übernahm die Spitze und pirschte durch den Flur vor. Zuerst fiel ihnen nicht auf, dass sie in die falsche Richtung liefen, bis sie das Ende des Flures erreichten und die letzte Tür aufstießen. Sie fanden sich in einem Schlafraum voller Bediensteter wieder, die panisch versuchten Alarm zu schlagen, als sie die Eindringlinge bemerkten. Gerade noch rechtzeitig gelang es Nicole und Abrams, die die Zats trugen, sie auszuschalten, bevor einer die in einer Ecke des Raumes hängenden Kordeln erreichen konnte, die mit Klingeln im ganzen Haus verbunden waren. Dann liefen sie durch den Flur zurück und fanden die Treppe nach oben.

    Hatte im Keller mit seinen nackten Wänden und dem ärmlichem Mobiliar noch bestenfalls die Größe des Stockwerks und die Art der in den Vorratsräumen gelagerten Dinge verraten, dass sie sich in einem Herrenhaus befanden, bordete das Erdgeschoss geradezu vor zur Schau gestelltem Reichtum über. Der Fußboden war mit edlem Tropenholz vertäfelt und dort wo dies nicht auch auf die Wände zutraf, waren sie mit Seidentapeten behängt. Die Möbel schrieen dem Betrachter ihren Wert geradezu entgegen und es hingen zahlreiche Bilder und Devotionalien an den Wänden, für deren irdische Äquivalente ein Kunstsammler hundert Morde begangen hätte, nur um sie sein Eigen nennen zu dürfen. Die Treppe führte sie zunächst in die Küche, wo auch zu dieser späten Stunde noch ein Koch am Herd stand und das Essen für den nächsten Tag zubereitete. Als er Nicole sah, griff er zunächst zu einem großen Fleischermesser, dass er beherzt schwang, doch als die anderen vier Soldaten die Treppe hochkamen, schwand seine Kampfeslust sichtbar. Er wurde kreidebleich und legte das Messer betont langsam auf den Herd zurück. Danach hob er die Hände und ging langsam rückwärts auf seine kleine Schlafkammer zu. Doch Nicole ließ es nicht darauf ankommen ihn einfach nur einzusperren. Ein einzelner Schuss aus der Zat beförderte ihn zu Boden.

    Asena packte den Bewusstlosen und schleifte ihn in die Kammer. Dann durchquerten sie die große Eingangshalle und pirschten sich über die repräsentativen Treppen nach oben. Das Holz knarrte unter ihren Schritten leise und jeder Ton wurde in Nicoles Ohren zu einem Donnergrollen, dass sie verraten konnte. Doch als sie das obere Ende der Treppe erreichten, schien sie niemand bemerkt zu haben. Sie durchsuchten den ersten Stock, der nicht minder prachtvoll ausgestattet war, als das restliche Haus. Guv fand im Rauchersalon einen Humidor, den er kurzentschlossen aufbrach. Er schnupperte kurz an einigen der Zigarren und Zigarillos darin und steckte sie sich zusammen mit einer Dose Pfeifentabak in eine Gürteltasche. Als er Nicoles mahnenden Blick sah, bemerkte er daraufhin nur: „Der Hausherr wird es nicht mehr brauchen. Und jetzt lassen sie uns diesen Bastard abknallen. Das Wohlstandsgefälle hier macht mich sauer.“ Nicole verzichtete darauf ihn verbal abzumahnen und beschränkte sich darauf ihn mit einem eindeutigen Blick zu bedenken, den er gut verstand: Das nächste Mal würde es ihm an den Kragen gehen. Für ihn stellte das allerdings nur einen Ansporn dar sich künftig nicht erwischen zu lassen. Der Söldner steckte ihm einfach noch zu sehr im Blut.

    Als sie in die vierte Etage vordrangen, hörten sie bereits auf der Treppe die laute Stimme einer Frau, die auf Goa’uld mit irgendjemandem ein Streitgespräch führte. [„… Lass dir gesagt sein, Dumuzi: Wenn du Systemlord spielen willst, dann handle auch wie einer. Du lässt mich hier wie irgendwelchen niederen Abschaum hausen und diesen arroganten Menschen die Stiefel lecken. Alles was man bräuchte um diese armselige Welt zu erobern wäre ein einzelnes Hatak mit einer Legion Krieger.“] Eine männliche Stimme antwortete, während sie sich weiter die Treppe hinauf schlichen: [„Was ist los Zipacna? Man könnte meinen, dass du an Hormonschwankungen leidest. Kommst du mit deinem weiblichen Wirt nicht zurecht?“] Man hörte die Folgen eines Wutausbruches. Irgendetwas aus Keramik oder Glas wurde mit ziemlicher Wucht gegen eine Wand geworfen und zerbrach dabei. [„Du niederträchtiger kleiner…“] [„Sachte, sachte. Vergiss nicht: Du hattest alles verloren, als ich meinen Feldzug begann. Du warst machtlos und gebrochen, als ich dich gerettet habe. Man sollte meinen, dass du deinen Platz kennst.“] [„Ich muss mich vor diesen Menschen erniedrigen, weil du nicht tun willst, was nötig ist. Wir könnten diese Welt schon längst…“]

    Erneut unterbrach der Gesprächspartner die Frau. [„Ich könnte diese Welt schon längst beherrschen, wenn du nicht unfähig gewesen wärest deinen Auftrag zu erfüllen. Ich habe dir diesen neuen Wirt nicht ohne Grund gegeben.“] Die Frau lachte verächtlich. [„So viel Stolz habe ich mir noch bewahrt, dass ich mich nicht als Hure ins Bett einer Ratsherrin legen werde. Eher nehme ich mir meine Waffe und lösche den ganzen Rat aus.“] [„Tau’Ri über dich, du Narr. Du weist selbst, dass diese Welt fallen muss, bevor sie zu mächtig wird. Mit deiner Dummheit gefährdest du den ganzen Plan.“] Nicole musste in einem Anflug von böser Ironie lächeln. Mit einer flinken Bewegung setzte sie einen Schalldämpfer auf ihr Sturmgewehr auf und fuhr mit einer schnellen Bewegung um die Wandecke herum in den Raum hinein, in dem sich die Frau aufhielt. „Oh ja. Tau’Ri über sie.“ Der rote Punkt der Laserzielhilfe tanzte genau zwischen den Augen der Frau, deren Aussehen Nicole überraschte. Sie war physisch ungefähr vierzig Jahre alt, doch von ausgesuchter Schönheit und wirkte auf schwer in Worte zu fassende Weise erhaben. Ihr war bereits aufgefallen, dass viele wichtige Positionen auf dieser Welt von Frauen besetzt wurden und Männer bestenfalls aufgrund von physischer Kraft und Ausdauer als Arbeiter und Soldaten, nicht aber als Denker geschätzt wurden. Wenn es ihre Aufgabe hatte sein sollen eine Angehörige des Adelsrates zu verführen… Wahrscheinlich hätte das eine Gelegenheit geboten Symbionten an den sprichwörtlichen Mann, beziehungsweise die Frau, zu bringen.

    Die Frau sah Nicole mit einem Gesichtsausdruck an, in dem eine Mischung aus Überraschung und purer Angst geschrieben stand. Sie machte eine kurze Geste, auf die hin sich auf einmal zwei leichte flimmernde Schatten im Raum in Bewegung setzten und auf Nicole zukamen. Im letzten Moment erkannte sie, dass es sich um getarnte Leibwächter handeln musste und wich einem unsichtbaren Hieb aus, der sie den Kopf gekostet hätte. Auf ihr bloßes Gefühl vertrauend trat sie mit einem weit ausholenden und schwungvollen Tritt nach rechts und traf den einen Angreifer. Dabei rief sie mehr, als dass sie es sagte, das Sprachkommando: „Sensormodus Beta!“ Ihr HUD flackerte kurz, als die Helmsensoren sich von der Ortung von elektromagnetischen Signalen und Feldern auf Strahlung umschalteten, die von Goa’uld-Tarnvorrichtungen erzeugt wurde. Sie sah beide Gegner. Es waren Gestalten von knapp einem Meter achtzig Körpergröße, die in ledernen Rüstungen steckten und Klingenwaffen führten. Und einer schlug gerade direkt nach ihrem Kopf…

    Doch bevor die Klinge sie traf, war plötzlich Guv da. Auch er hatte seine Helmsensoren umgestellt und schlug mit einem wuchtigen Hieb nach dem Gegner. Dieser wurde voll erwischt und umgeworfen. Der Engländer war mit einem Satz bei ihm und zog ihn wieder auf die Füße, jedoch nur um ihm mit voller Wucht das Knie in die Magengrube zu rammen. Fast gleichzeitig hatten sich Asena und Abrams dem zweiten Gegner in den Weg gestellt. Der Franzose blockte die Klinge seines Gegners zuerst mit dem gepanzerten Arm ab, dann machte er einen Ausfallschritt und brachte eine Serie von Schlägen an. Seit er von seiner technischen Einheit abberufen worden war, hatte er sich im Kalarippayat geübt, einer indischen Kampfkunstart, die seiner eher schwachen Körperkraft zu gute kam. Während Guv das Gesicht seines Gegners, oder vielmehr seines Opfers, mit einem schweren, bronzenen Krug bearbeitete, der als Staubfänger auf einer Kommode im Raum gestanden hatte, stieß Abrams seinen mit einem schnellen, beidhändig ausgeführten Schlag von sich weg, das Asena sofort ausnutzte. Als Fallschirmjäger war er zwar auch im Nahkampf geschult, machte hier aber kurzen Prozess, indem er Getarnten mehrere Kugeln aus seiner Maschinenpistole, die er als Seitenwaffe trug, in den Leib jagte.

    Als beide Leibwächter tot waren, sah Nicole mit einem boshaften Lächeln zu der Frau hinüber. „Ein Ashrak ist nur so lange gefährlich, wie er ungesehen bleibt. Zipacna, ja? Ich hatte dich anders in Erinnerung.“ Sie seufzte. „Ja, die gute alte Zeit. Nicht dass es einen Unterschied machen würde.“ Sie jagte der Frau mehrere Kugeln in den Leib. Die Wunden waren für den Wirt eines Symbionten nicht tödlich, doch Nicole hatte auch nicht vor die Sache so einfach zu beenden. Während die Wirtin zusammenbrach, zog sie ihr Kampfmesser und ging zu ihr. Mit einer schnellen Bewegung schlitzte sie ihr den Nacken auf und zog den Goa’uld mit einer schnellen und kraftvollen Bewegung heraus. Sie hielt den wütend und ängstlich schreienden Schlangenartigen zuerst mit einer Hand fest, dann packte sie ihn an Kopf und Körperansatz und brach ihm die Wirbelsäule. Ein leises Wimmern erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie sah die Frau zu ihren Füßen in ihrem eigenen Blut liegen. Sie tastete nach Nicoles Bein und sah ihr direkt in die Augen. Nicole schlug den Blick nieder und sagte: [„Es tut mir leid.“] Die Frau sah sie an und ein Lächeln schien ihren Mund zu umspielen. Mit letzter Kraft hauchte sie das Wort [„Danke“]. Dann nahm Nicole ihre Pistole und gab ihr den Gnadenschuss.

    Sie spießte den toten Symbionten mit einem Messer neben der Frau in den Holzfußboden. Dann richtete sie sich wieder auf und sah zum Langstreckenkommunikationsgerät, das Zipacna benutzt hatte. Es war immer noch aktiviert und zeigte Kopf und Schultern eines Mannes mit kurzen dunklen Haaren, sandelholzfarbenem Teint und dunklen, fast schwarzen Augen. Er hatte ein schmales Gesicht und einen sehr intensiven Blick, in dem eine Mischung aus Autorität, Intelligenz und Spott geschrieben stand. „Wahrlich kein angenehmes Ende“, sagte er in sauberem Englisch, das frei von jedem Akzent war. „Hätte es nicht einfach gereicht ihn zu erschießen?“ „Das hätte es nicht und das wisst ihr ebenso gut wie ich. Hätte ich ihr den Parasiten im Nacken gelassen, wäre es für die Einheimischen ein Mord gewesen, denn ich bezweifle, dass hier allzu oft obduziert wird. Jetzt ist es eine Rettung ihrer Welt vor den Goa’uld.“ Der Mann lächelte. „Ganz ohne Zweifel. Ich muss gestehen, dass ich gehofft hatte die Ori hätten eure impertinente kleine Welt ausradiert, aber offenbar ist heutzutage nicht einmal mehr auf religiöse Fanatiker verlass. Ihr habt mir heute einige Probleme gemacht und ich nehme an, dass weitere Zusammenstöße unvermeidlich sein werden. Ihr solltet deshalb wissen, dass ich euch einen neuen Feind gemacht habt.“

    Nicole schnaubte verächtlich. „Es bricht mir das Herz. Das letzte Mal haben wir euch bis in die finstersten Löcher zurückgetrieben. Dieses Mal werden wir sie über euren Köpfen einreißen und euch darin begraben.“ Sein Lächeln blieb ungebrochen. „Ich bezweifle es. Es gibt Mächte in dieser Galaxie, denen nicht einmal ihr die Stirn bieten könnt.“ Er lachte leise. „Tatsächlich baue ich darauf, dass ihr in eurem unüberlegten Eifer gar nicht anders könnt, als es zu versuchen. Dadurch würde mir eine große Last von den Schultern genommen.“ „Redet ihr von Nyx?“ Bei der Erwähnung dieses Namens verfinsterte sich Dumuzis Mine. Nicole gestattete sich ein siegessicheres Grinsen und fuhr fort: „Noch mag sie sich als Göttin anbeten lassen, aber wir haben den wahren Gott getötet. Wir haben das Meer ausgetrunken, den Horizont fortgewischt, unsere Welt von ihrer Sonne losgekettet. Wir sind die Mörder aller Mörder. Tot sind alle Götter: nun wollen wir, dass der Übermensch lebe.“ Dumuzi schmunzelte und schüttelte den Kopf. „Wie wenig ihr doch versteht.“ Mit diesen Worten schaltete er die Übertragung ab. Für fast eine Minute herrschte Stille im Raum. Nur die Atemgeräusche der Soldaten, in die sich der leise Klang der Marschkapellen auf dem Platz vor dem Haus mischte, waren zu hören. Schließlich fragte Abrams: „Sie haben Nietzsche gelesen, Major?“ „Der Lieblingsphilosoph meines Vaters. Außerdem: Kennen sie jemanden, der die Gesichte des Sternentores besser beschreibt?“ Sie wartete nicht auf eine Antwort, sondern legte sich ihr Gewehr über die Schultern und sagte: „Verschwinden wir. Unsere Tok’Ra warten.“

    Eine gute Stunde saßen sie wieder im Hinterzimmer der kleinen Schneiderei am Rande der Altstadt. Während Freia/Anise über ein Langstreckenkommunikationsgerät mit dem hohen Rat Rücksprache hielt, hatte Friedrich/Aldwin sich mit den irdischen Soldaten zusammen in einen Nebenraum gesetzt und tauschte Anekdoten aus den letzten Jahren aus. Dabei paffte Guv mit zufriedenem Grinsen eine Zigarre aus seiner Beute. Er hatte auch den anderen eine angeboten, doch lediglich Friedrich hatte angenommen. Bekennende Raucher standen auf der Erde in den letzten Jahren mit Leprakranken und Kinderschändern auf einer Stufe gesellschaftlicher Reputation, mit dem feinen Unterschied, dass ersteren Mitleid und Zweitgenannten eine psychiatrische Behandlung zu Teil wurde, doch Guv tröstete sich mit dem Gedanken sich mit seiner Leidenschaft in erlauchter Gesellschaft zu befinden. Während Friedrich gerade aus dem Tok’Ra-Nähkästchen plauderte – er wurde dabei mehrmals von Aldwin unterbrochen, dem einige der Geschichten offenbar peinlich waren – trat Freia/Anise schließlich wieder in den Raum. Sie hielt einen kristallinen Datenträger in der Hand, den sie Nicole hinhielt. Anise sagte: „Der hohe Rat hat einer erneuten Kooperation mit der Erde zugestimmt. Auch wenn man eurer Geschichte eher skeptisch gegenübersteht.“

    Nicole runzelte die Stirn. „Warum? Wir könnten ihnen sofort ein ganzes Trümmerfeld voller Beweise zeigen.“ Die Tok’Ra senkte kurz den Blick, dann sprach Freia weiter: „Ich denke die Idee Nyx könnte wieder aufgetaucht sein ist zu radikal und vor allem zu bedrohlich, als dass sie sie akzeptieren könnten. Aber eure Schilderungen decken sich fatalerweise mit Daten, die unsere Sensoren gesammelt haben.“ In einer anmutigen Bewegung setzte sie sich auf eines der Sitzkissen, das neben Nicoles lag. „Anise und ich haben die Sensorprotokolle nach den Energiewerten durchsucht, die ihr uns gegeben hattet. Sie sind normalerweise typisch für Schiffe von Völkern wie den Gadmeer oder den Had’dah, Völkern von denen keine Gefahr für uns ausgeht und die sich nur selten im menschlich bewohnten Teil der Galaxie zeigen. Deshalb überwachen wir ihre Schiffsbewegungen nicht. Aber vor kurzem konnten wir feststellen, dass Dumuzi seine Versorgungsrouten und mehrere Flottensammelgebiete verlegt hat. Zuerst konnten wir uns keinen Reim darauf machen, doch jetzt…“ Sie schwieg für einen Moment und griff nach einem der Becher mit starkem Tee, die auf dem niedrigen Tisch standen, der in der Mitte der Sitzkissen stand. Erst nachdem sie einige Schlücke getrunken hatte, sprach sie weiter. „Er nimmt in Kauf seine Schiffe durch Gebiete zu schicken, die von Se’tak und den Jaffa kontrolliert werden, um neuen Schiffsbewegungen auszuweichen, die wir nicht zuordnen können. Dabei waren es keine zwanzig Schiffe, die wir dort geortet haben. Dumuzi ist kein Idiot. Er kennt die Stärke seines Gegners und weis, wann er den Kampf riskieren kann. Wenn es diese Leute sind, die eure Kolonien überfallen haben, wenn nur so wenige von ihnen Dumuzi bereits solche Angst einjagen, dass er lieber gegen die Jaffa kämpft, sind sie eine Bedrohung, die wir noch nicht einmal annähernd abschätzen können.“

    Einige Tage später im inneren Sagittarius-Arm:

    „Fallen aus dem Hyperraum in 5, 4, 3, 2, 1…“ Die Stimme des Piloten hallte über die Brücke der ‚Selene’. Kapitän van Hooft stand vor dem Hologramm auf der Brücke und beobachtete, wie die Anzeige sich änderte und Abschnittsweise das gerade erreichte Sternensystem sichtbar wurde, während sein erster Navigator das System scannte und so eine Planetenkarte zusammensetzte. Er entdeckte das Geschwader, dem sie auf den Fersen waren, einige hunderttausend Kilometer entfernt unweit eines der Planeten. Während er den Befehl gab die internen Emissionsspeicher zu aktivieren, fluchte er lautlos, als ihm klar wurde, dass ihm in diesen Sensordaten nur ein weiterer Beweis der technischen Überlegenheit ihrer Opponenten erbracht wurde. Wie können diese Bastarde nur so dicht an Planeten springen, schoss es ihm durch den Kopf. Dann schüttelte er den Gedanken ab und konzentrierte sich wieder auf ihre Aufgabe. „Status der Emissionsspeicher?“ „Zu dreißig Prozent geladen“, antwortete der Systemoffizier. Van Hooft schüttelte in einem Anflug von Ratlosigkeit den Kopf. Sie beschlichen dieses Geschwader nun schon seit Tagen, wie Jäger im Nebel seine Beute. Doch seit sie vor drei Tagen bei einer Überprüfung von Aufklärungsdaten, die Nicole Degenhardts Team von den Tok’Ra erhalten hatte, auf das Geschwader gestoßen waren, hatten sie ihre Tarnvorrichtung fast unentwegt aktiviert gehabt. Nur während der Hyperraumsprünge waren sie in der Lage gewesen die Emissionsspeicher zu leeren, doch die anderen Schiffe waren schnell und die Sprünge kurz, so dass es praktisch unmöglich war die Speicher völlig zu leeren und auskühlen zu lassen. Doch gerade das war bitter nötig. Lange würde das Schiff diese Belastung nicht mehr mitmachen. Von ihm ganz zu schweigen, der er ähnlich lange auf den Beinen war.

    „Ich hoffe dieser Schrotthaufen macht jetzt nicht schlapp“, hörte er eine raue Stimme hinter sich sagen. Er drehte sich um und sah zu Konteradmiral Cǎrtǎrescu, der sich für diese Aufklärungsmission auf seiner Fregatte eingeschifft hatte. „Der Kapitän scheint mir jedenfalls am Ende zu sein.“ Van Hooft lächelte den älteren Offizier zuversichtlich an. „Keineswegs, Herr Admiral. Ich brauche einfach nur einen starken Kaffee.“ Cǎrtǎrescu ließ ein verächtliches Schnauben vernehmen. „So würde ich es nicht ausdrücken. Sie brauchen Ruhe.“ Er zuckte mit den Schultern. „Sie wissen ja, wie das ist: Im Einsatz führt der Kapitän das Schiff so lange wie möglich selbst.“ „Ja, durchaus. Aber trotzdem: Ich bin unzufrieden. Unzufrieden mit dem bisherigen Verlauf dieser Mission. Nach dem, was mir gesagt wurde, müsste dieses Schiff ein Wunderwerk der Technik sein, das die Aufklärung revolutioniert. Aber bisher haben wir nicht mehr Daten gesammelt, als ein Späher der Fennek-Klasse es nicht auch gekonnt hätte.“ „Admiral, in diesem Punkt muss ich ihnen widersprechen. Ein Fennek hätte so etwas keine Stunde überstanden, geschweige denn drei Tage. Man hätte ihn sofort entdeckt und verjagt oder zerstört.“

    „Das mag sein“, gab Cǎrtǎrescu zu. „Aber für das Geld, das in diesem Schiff steckt, hätten wir ein komplettes Geschwader herkömmlicher Fregatten oder einen schweren Kreuzer bekommen können. Ganz zu schweigen von bis zu sechzig Fenneks.“ „Die ‚Selene’ ist effizienter, als alle diese Schiffe es zusammen wären.“ „Das möchte ich auch hoffen. Denn dieses überladene Stück Blech wurde samt seiner Schwesterschiffe gegen meine ausdrückliche Empfehlung aus dem Etat meiner Abteilung bezahlt. Das wirft uns in unseren Anschaffungsplänen um Jahre zurück.“ Van Hooft musste schmunzeln. Daher wehte der Wind also. Dann war es wohl Zeit zu beweisen, dass der Konteradmiral etwas für sein Geld bekommen hatte. „Fähnrich Schlüter“, befahl er dem Piloten über schiffsinternen Funk, „bringen sie uns näher an die Schiffe ran. Ich will sehen, was die dort vorhaben.“ Auf dem Hologramm konnte er verfolgen, wie die ‚Selene’ sich den Schiffen der Nyxanhänger näherte, die immer noch im Orbit des Planeten standen. In den letzten Tagen hatten sie fast ein dutzend verschiedener Planeten angeflogen, sich kurz bei diesen Aufgehalten und waren anschließend weiter gezogen. Doch das wirklich absonderliche daran war, dass die meisten dieser Planeten unbewohnt waren. Auf einigen existierte nicht einmal Leben.

    Als die Fregatte sich bis auf wenige hundert Kilometer an ihre Ziele heran gepirscht hatte, konnten die optischen Sensoren – andere hätten Emissionen erzeugt, die das Schiff verraten hätten – mit extremer Vergrößerung Objekte erfassen, die von den Schiffen abgesetzt worden waren. Zuerst fielen nur die größeren auf, Objekte von gut zwei Metern Länge, die von den Schiffen weg über den Planeten ausschwärmten. Doch dann sah man, dass aus diesen Objekten heraus eine große Anzahl kleiner Kugeln herausfiel, die sich in der Atmosphäre des Planeten verteilten. An den Sensorsystemoffizier gerichtet fragte van Hooft: „Was sind das für Dinger?“ „Kann ich nicht sagen, Kapitän. Die Kugeln erzeugen keine Emissionen, die von unseren passiven Sensoren erfasst werden könnten.“ Er strich sich mit den Fingern über den Bart, dann befahl er: „Schlüter, bringen sie uns in einen günstigeren Winkel. Ich will einen Blick in diese großen Kapseln hinein werfen.“ Der Pilot tat, wie ihm geheißen. Da sie auf der Nachtseite des Planeten waren und das Schiff völlig abgedunkelt war, waren sie mit aktivierten Emissionsspeichern buchstäblich nicht zu entdecken. Bestenfalls ein Suchscheinwerfer wäre dazu in der Lage gewesen, aber solche einfachen und zuverlässigen Mittel waren meistens nur auf irdischen Schiffen vorhanden. So konnten sie unbemerkt navigieren und sehr dicht an eine der Kapseln heran fliegen. Die optischen Sensoren wurden auf die Luken gerichtet, aus denen die Kugeln heraus fielen und man konnte erkennen, dass die Kapsel selbst offenbar keine Kugeln enthielt, sondern sie mit der gleichen dimensionalen Teleportationstechnologie herbeiholte, mit der diese Leute ganze Schlachtschiffe versetzen konnten. Dann deaktivierte die Kapsel plötzlich ihre Teleporter und flog mit hohem Tempo zurück zu ihrem Basisschiff.

    „Sie gehen wieder in Sprungformation“, teilte der Pilot mit. Wie automatisch kamen van Hooft die Worte über die Lippen, die er in den letzten Tagen so oft wiederholt hatte, dass es ihm vorkam, als würden sie einen Großteil seines Wortschatzes ausmachen. „Aktive Sensorerfassung. Kurspeilung vornehmen und unseren eigenen Kurs anpassen. Vor dem Sprung den Einsatzgruppenversorger informieren und dann hinterher.“ Wieder begann die Besatzung mit der Prozedur, die sie in den letzten Tagen immer wieder abgespult hatten. Doch dieses Mal unterbrach Cǎrtǎrescu sie. „Moment, Kapitän.“ „Ja, Admiral?“ „Ich will eine von diesen Kugeln haben, die sie ausgesetzt haben. Eine Analyse wird uns wertvolle Erkenntnisse liefern.“ Der Kapitän nickte. Dann befahl er: „Whaker absetzen und eine Probe bergen.“ Whakers, eigentlich WAKERS, waren Wireless Atmosphere Knowledge Retrieval Satellites, ferngesteuerte Satelliten zur Erkundung einer Atmosphäre, ohne dass ein Landungstrupp ausgesetzt werden musste. Die ersten Entwürfe dieser Technologie basierten noch auf einer verkleinerten und ferngesteuerten Walküre, doch mittlerweile hatten die Drohnen mehr Ähnlichkeit mit einer alten EADS Barracuda. Es dauerte einige Augenblicke, dann bestätigte der zuständige Maat: „Drohne ist raus.“

    Nur wenige Minuten später, nachdem die Drohne erfolgreich eine der Kugeln eingesammelt und zum Schiff zurück gebracht hatte, war die ‚Selene’ den Schiffen der Nyx in den Hyperraum gefolgt. Der Flug dauerte nun schon mehr als fünf Stunden und brachte endlich die lang ersehnte Gelegenheit die Emissionsspeicher abkühlen zu lassen. Während des Sprungs waren van Hooft und Cǎrtǎrescu in den Laderaum/Hangar der ‚Selene’ gegangen. In Ermangelung eines vernünftigen Labors an Bord – biologische Proben wurden im Büro des Bordarztes untersucht, doch für Maschinen war dort keine Ausrüstung vorhanden – hatte der Chefingenieur dort eine Analysevorrichtung improvisiert, indem er eine Isolationskapsel für Gefahrenstoffe genommen und eine Reihe von Sensoren daran angeschlossen hatte. Nun stand diese Kapsel auf einer Frachtkiste vor den drei Offizieren. Der Kapitän und der Admiral betrachteten sie mit unverholenem Misstrauen. Sie hatten sich beide ein wenig hinunter gebeugt, so dass sie die Kugel auf Augenhöhe im transparenten Mittelstück der Kapsel schweben sahen. Der Ingenieur hingegen legte eine seltene Begeisterung ob dieses kleinen Beutestückes an den Tag.

    „Das ist unglaubliche Technologie“, postulierte er voller Enthusiasmus. Der Admiral bedachte ihn für diese Äußerung nur mit einem strengen Blick und fragte: „Wissen sie, was es ist?“ „Vermutlich.“ „Vermutlich? Wir brauchen Fakten.“ „Mit dieser Ausrüstung ist leider nicht mehr als eine vernünftige Spekulation zu erreichen, Admiral.“ „Also gut. Spekulieren sie.“ „Jawohl, Herr Admiral.“ Er räusperte sich. „Was ich in Erfahrung bringen konnte ist, dass dieses Gerät eine Sensordrohne ist. Sie sammelt permanent Informationen über ihre Umwelt und sendet sie an einen Empfänger.“ Sofort schrillten bei van Hooft die Alarmglocken. „Kann man uns orten, solange wir dieses Ding haben?“ „Nein. Die Kapsel isoliert die Signale.“ „Und was ist dann so toll an diesem Ding“, wollte der Admiral wissen. „Nun, die Datenmenge, die diese kleine Sonde sammelt ist, falls wir die Größe der ausgestrahlten Datenpakete als identisch oder kleiner ansetzen, höher, als das, was die Hauptsensorenanordnung eines Geschwaderführers der Argus-Klasse liefert.“ Für einen Moment sahen die beiden höheren Offiziere einander viel sagend an. Die Argus-Klasse diente als Geschwaderführer für Fenneks und trug die leistungsstärksten Sensoren Europas, direkt von den Asgard übernommene Technologie, die unter irdischen Systemen in ihrer Leistung nur noch von Sensoren alliierter Vermessungsschiffe übertroffen wurde. „Und was misst diese Kugel?“

    „Kann ich nicht sagen. Die Datenpakete sind stark verschlüsselt und ich habe nicht die Ausrüstung, um einen Blick hinein zu werfen. Aber da ist noch mehr, was diese Dinger können. Sie sehen ja, dass die Kugel schwebt…“ „Na und? Die Isolationskapseln haben eingebaute Magnetfelder, um gefährliche Substanzen zu stabilisieren.“ „Schon, aber ich habe die Felder gar nicht angeschaltet. Die Kugel schwebt von selbst. Und glaubt man den Sensoren des Wakers, halten die meisten davon sich in über vierzig Kilometern Höhe über dem Planeten. Aber das beste müssen sie noch sehen.“ „Und das wäre?“ Der Ingenieur stellte einen aufgeklappten Laptop neben die Kapsel. Das Gerät mochte aussehen, als sei es aus der Zeit der Jahrtausendwende, hatte aber das fünfzigfache an Leistung eines damaligen Computers. Auf dem Bildschirm war eine in Bewegung befindliche Fläche zu sehen, die in wellenförmigen Mustern schwach zu pulsieren schien. „Das hier ist eine 50-Fache Vergrößerung der Oberfläche der Kugel. Sehen sie? Das Metall ist in Bewegung. Ich müsste es mir erst unter einem Elektronenmikroskop ansehen, aber ich glaube, dass wir es hier mit variablen Nanomaterialien zu tun haben.“ „Und was bedeutet das?“ „Also, wenn man ein größeres Schiff daraus bauen würde, könnte es seine Gestalt verändern und Hüllenschäden selbstständig abdichten. Die Möglichkeiten wären enorm. Diese Sensoren könnten beispielsweise in einer Sonne überleben. Aber ich glaube nicht, dass diese Leute es selbst hergestellt haben. Zumindest haben sie nicht die Technologie das Nanomaterial in größeren Mengen herzustellen.“

    Cǎrtǎrescu nickte. Die Hüllen der Schiffe, die bei Elysium zerstört worden waren, hatten aus gewöhnlichem Metall bestanden. Sofern man ein Metall als gewöhnlich bezeichnen wollte, das bei nur wenigen Millimetern stärke die gleichen Belastungen aushielt, wie eine fünfzehn Zentimeter dicke Platte aus Nirosta. „Verstauen sie das Ding anständig. Sobald wir uns mit dem Verband treffen, übergeben wir es zum sofortigen Transport nach Sarpedon an den Einsatzgruppenversorger.“ Der Ingenieur nickte und winkte einen seiner Techniker heran, der ihm half die schwere Isolationskapsel wegzutragen. Während die beiden damit beschäftigt waren die Kapsel in eine Frachtkiste zu packen, die hartem Vakuum standhalten konnte, meldete der Pilot sich über die interne Kommunikation: „Konteradmiral, Kapitän, wir erreichen gleich das Zielsystem. Gehen in fünf Minuten auf Unterlichtgeschwindigkeit.

    Auch in diesem System steuerten die verfolgten Schiffe direkt einen Planeten an. Doch dieses Mal machten sie sich die Mühe darauf zu landen. Während zwei Schiffe im Orbit verblieben, steuerten die restlichen Einheiten des Geschwaders direkt ein Ziel entlang des Äquators des Planeten an. Van Hooft befahl auch hier sich dem Planeten zu nähern. Er stand neben dem Admiral vor dem Hologramm und beobachtete ungeduldig die Annäherung. Wenn diese Leute diesem Planeten besondere Beachtung schenkten, musste hier etwas besonderes zu finden sein. Während die ‚Selene’ sich dem Planeten auf Schleichfahrt näherte, beugte Cǎrtǎrescu sich zu van Hooft vor und sagte leise zu ihm: „Wissen sie, was mich besonders interessiert? Sie haben bewiesen, dass sie uns im Orionarm angreifen können, aber seit Elysium haben ihre Aktivitäten gegen uns sich auf einige Überfälle auf Frachter beschränkt, die entlang der Routen in den Perseusarm unterwegs waren.“ „Überfälle auf Frachter?“ „Ja. Wir haben das ganze geheim gehalten. Sechs Frachtschiffe hat es erwischt. Wenn die so weitermachen, können wir bald keine Unfälle mehr als Gründe vorschieben. Aber trotzdem: Warum greifen sie uns zuerst so direkt an und halten sich danach so zurück? Warum greifen sie uns überhaupt an, wenn sie angeblich nur an diesen seltsamen Raumfahrern interessiert sind, von denen Maybourne erzählt hat?“

    Van Hooft zuckte mit den Schultern. „Vielleicht finden wir es hier heraus?“ In diesem Moment sagte der erste Navigator plötzlich: „Kapitän, wir haben da etwas mit den optischen Sensoren erfasst.“ „Lass sehen.“ Der Navigator nickte und schaltete seine Sensorbilder auf das Hologramm. „Wir waren noch mit Fixsternpeilung beschäftigt, als auf einmal das hier aufgetaucht ist.“ In der Mitte des Bildes war ein großer, grauer Schatten zu sehen. Van Hooft vergrößerte die Anzeige noch ein wenig, dann erkannte er auf einmal eine Silhouette, die ihm seltsam bekannt vorkam. „Mit ihrer Erlaubnis, Admiral: Schlüter, Kursänderung in Richtung 3 zu 5 zu 0.“ „Jawohl, Kapitän.“ Während der Pilot den Kurs änderte, sah Cǎrtǎrescu den Kapitän fragend an. Dieser beeilte sich zu erklären: „Diese Silhouette. Ich glaube zu wissen, was es ist.“ Er wandte sich dem Navigator zu. „Sieh zu, ob du ein besseres Bild bekommen kannst.“ Dann sah er wieder zum Admiral. „Wenn ich richtig liege, dann ist das die…“ Er wurde vom Hologramm unterbrochen, dessen Projektor einen Signalton abgab, als das neue Bild geladen war. Und dort lag sie im All: Die ‚Unity’.

    Der Rumpf des mächtigsten von Menschenhand gebauten Schlachtschiffes war fast auf ganzer Länge aufgerissen. Es sah aus, als habe jemand mit einem stumpfen, schartigen Messer einen gewaltigen Schnitt durch die Flanke des Schiffes gezogen. Je näher die kleine europäische Fregatte kam, desto besser konnte man sehen, wie schwer die Schäden tatsächlich waren. Van Hooft raunte nur leise: „Sie sieht aus, als sei sie durch eine Supernova geflogen.“ Der Admiral nickte nur stumm. Es war ein demoralisierender Anblick zu sehen, wie dieses Schiff zugerichtet worden war. Unweit des Schiffes waren noch die Trümmer eines der Schlachtkreuzer der ‚Freedom’-Klasse zu sehen, die den Giganten begleitet hatten. Das kleinere Schiff schien in einer gewaltigen Explosion zerrissen worden zu sein. Es war nicht mehr übrig, als einige verstreute Trümmer. Man konnte jedoch auch sehen, wie einige kleine Objekte, in ihren Ausmaßen nicht größer, als kleine Fähren, die Trümmer umschwirrten und untersuchten. „Wir scheinen nicht die einzigen zu sein, die an der Gegenseite interessiert sind.“, meinte der Admiral. „Wir sollten zumindest den Flugschreiber bergen. Jetzt kann ihr Schiff zeigen, was es wert ist. Suchen sie uns eine Andockluke und schicken sie ein Team rein. Aber schön so, dass man uns nicht sieht.“

    Die äußere Luftschleuse öffnete sich mit einem leisen Summen. Schon dieses Geräusch beruhigte van Hooft ein wenig, zeigte es doch, dass dieser Teil des Schiffes noch unter Druck stand. Doch ein schneller Blick auf die Sensoren seines Druckanzuges verrieten ihm, dass die Atmosphäre einen hohen Anteil an Giftgasen aufwies und radioaktiv war. Offenbar hatte es Leckagen in den Leitungssystemen gegeben, durch die giftige Stoffe ausgetreten waren. Er sah zu den beiden Offizieren, die ihn begleiteten und nickte ihnen wortlos zu. Dann traten sie aus der Schleuse auf das Schlachtschiff hinüber. Beide Offiziere trugen schussbereite Maschinenpistolen und auch van Hooft hielt eine 9mm in der Hand. Bei dieser Atmosphäre bezweifelte er jedoch, dass sie auf irgendetwas würden schießen müssen. Sie wussten, dass ihnen nicht viel Zeit bleiben würde, bis eines der Shuttles die ‚Selene’ entdecken würde. Deswegen beeilten sie sich auf ihrem Weg zu den Flugschreibern des Schiffes. Diese mussten nach allgemein gültigem UN-Standart an mehreren leicht zugänglichen Stellen über das Schiff verteilt liegen, damit eine Bergungsmannschaft sie im Zweifel schnell erreichen konnte. Es blieb nur zu hoffen, dass die Alliierten sich bei ihrem Flaggschiff daran gehalten hatten und dass die Pläne richtig waren, die ein europäischer Geheimdienst vor zwei Jahren für Unsummen einem chinesischen Hacker abgekauft hatte, nur um wenige Tage später mitzuerleben, wie er sie offen ins Internet stellte.

    Die ‚Selene’ hatte gezwungenermaßen dicht an der Brücke des Schiffes angedockt, da sie dort für einige Augenblicke Ruhe vor den Shuttles gehabt hatte. Also lag der erste Flugschreiber in einer Computerzentrale, die auch als Behelfsbrücke dienen konnte. Die eigentliche Brücke war von einer Energiewaffe in eine geschwärzte Höhle verwandelt worden. Sie arbeiteten sich an heruntergestürzten Trägern, explodierten Leitungen und den in der Schwerelosigkeit treibenden Leichen von Besatzungsmitgliedern vorbei zur Computerzentrale. Dort begann einer der beiden Offiziere sofort mit dem Ausbau des Flugschreibers, was relativ schnell von Statten ging. Nachdem die Systeme der Blackbox schwere Schäden und den Tod der Kommandocrew registriert hatten, hatten sie automatisch die Daten gesichert und die Halterungen des Geräts entriegelt, so dass nur ein paar Schrauben gelöst werden mussten, um sie zu entfernen. Van Hooft bemerkte unterdessen eine blinkende Lampe an einer Konsole, hinter der eine aufgedunsene Gestalt saß, die er als den Kapitän zu identifizieren glaubte. Er schob die Leiche aus dem Weg und besah sich die Anzeige genauer. Die Konsole hatte noch Energie. Es war ein Batteriebetriebenes System, das auf Notversorgung geschaltet worden war. Es handelte sich offenbar um eine noch aktive Audiodatei. Der europäische Kapitän schaltete das Mikrophon an seinem Helm an und fuhr die Aufnahme ab.

    „Logbuch von Captain Cliff McLane, ANSS ‚Unity’. Das ist wahrscheinlich meine letzte Eintragung. Noch haben wir für einige Stunden Luft im Segment, aber wir sind Tage vom nächsten Außenposten der Allianz entfernt und ich glaube nicht, dass uns noch jemand retten kommt. Wenn sie das hier hören, gehe ich also davon aus, dass sie die Flugschreiber bergen wollen. Was darauf gespeichert ist, ist von äußerster Wichtigkeit für den Fortbestand der Erde. Ich beschwöre sie diese Daten dem alliierten Oberkommando zukommen zu lassen.“ Die Aufnahme war für einen Moment still, doch man konnte McLanes Atem hören, was zeigte, dass er einfach nur nachdachte, was er sagen sollte. Dann ging es weiter: „Das Schicksal meines Schiffes ist das Ergebnis von Fehlern, die ich gemacht habe. Der erste war es wohl in einem Konflikt Partei zu ergreifen, über den ich nichts wusste. Wir haben vor sechs Tagen bei einem Zwischenstopp um Navigationsbesteck zu nehmen ein kleines Schiff entdeckt, das schwer beschädigt war und in einer Trümmerwolke trieb. Es entsprach keiner bekannten Bauweise, aber ich ließ es an Bord nehmen, um es zu untersuchen. Wir fanden darin einen Piloten, der dem Tode nahe war. Ich ließ ihn von den Ärzten versorgen und das Schiff untersuchen. Aber dann kam der Moment, an dem unser Schicksal besiegelt wurde.“

    McLanes Stimme lachte leise. Es klang beinahe irr. Offenbar hatte er schon unter Sauerstoffmangel gelitten, als er diese Worte aufgenommen hatte. „Es tauchten andere Unbekannte auf und wollten den Fremden haben. Verdammt, sie waren sogar bereit uns sein Schiff behalten zu lassen. Ihnen war nur der Pilot wichtig. Aber ich habe abgelehnt und ihnen gesagt, dass ich niemanden ausliefere, bevor ich nicht weis, worum es geht. Ich wollte ein großer Held der Menschlichkeit sein und Teufel auch, ich hatte eine komplette Schlachtlinie aus Großraumschiffen hinter mir, während die nur zwei kleine Hüpfer hatten. Also ließ ich sie links liegen und setzte meinen Flug fort. Dann, zwei Tage später, waren sie wieder da. Dieses mal mit mehr und mit größeren Schiffen. Haben uns gejagt. Die ‚Royal Sovereign’ ist gleich beim ersten Schusswechsel vernichtet worden. Ich habe die Flucht befohlen und noch versucht einen Hilferuf abzusetzen, aber unsere Signale sind nicht durchgekommen. Mehrere Tage lang konnten wir ihnen ausweichen. Aber dann habe ich meinen zweiten Fehler gemacht. Ich habe meine Späher ihre Schiffsbewegungen verfolgen lassen. Auf den Flugschreibern sind 20 Terabyte Astrogationsdaten, die wir dabei gesammelt haben. Als ich glaubte eine ihrer Basen gefunden zu haben und mir sicher war ihre Schwachstellen erkannt zu haben, habe ich den Angriff befohlen, um eine mögliche Gefahr für die Erde abwenden zu können.“ Wieder lachte er. „Ein Irrtum? Eine gottverdammte Dummheit. Sie hatten sie aus dem nichts Verstärkungen da und haben uns fertig gemacht. Wir hatten keine Chance. Ihre Waffen gehen einfach durch Schilde durch.“

    Auf der Aufnahme hustete McLane stark, dann sagte er: „Irgendwie scheint etwas mit der Luft nicht zu stimmen. Ich muss die Aufnahme beenden. Bitte bringen sie die Flugschreiber zur Erde. Und behalten sie uns als die in Erinnerung, die wir sein wollten: Verteidiger des Guten und Richtigen. Vermerk im Logbuch: Captain Cliff McLane gibt hiermit das Kommando über das Schiff ab. Die Unity wird hiermit als irreparabel zerstört und im All verloren vermerkt. Datum 20.1.2034. McLane ende.“ Van Hooft sah zur Leiche des Kommandanten hinüber. Er hatte sicherlich nur getan, was er für das Richtige hielt. Aber wie hatte schon der alte Faust es formuliert: Eine Kraft, die stets nur Gutes will, doch Böses schafft? Vielleicht war McLane so jemand gewesen, doch es war nicht an ihm über ihn zu urteilen. „Fähnrich, sind sie mit dem Flugschreiber fertig?“ „So gut wie.“ Der Offizier löste die letzten Schrauben und zog den Datenspeicher aus seiner Halterung. Dann machten sie sich auf den Rückweg zur Schleuse. Sie hatten den Weg knapp zur Hälfte hinter sich gebracht, als Cǎrtǎrescu sich bei ihnen meldete: „Kapitän, wir wurden entdeckt und müssen hier weg. Das Schiff ist abflugbereit. Schwingen sie ihren Arsch samt den Flugschreibern hier her.“ „Sind unterwegs, Admiral.“

    So schnell sie konnten legten sie den Weg zurück zur ‚Selene’ zurück. Kaum dass sich die Luftschleuse hinter ihnen geschlossen hatte und Dekontaminationsgase in die Kammer gepumpt wurden, hatte die Fregatte sich auch schon vom Wrack gelöst und strebte in den freien Raum, wo sie Platz zum Manövrieren hatte. Als er aus der Schleuse trat, drückte van Hooft dem Mann, der schon den Flugschreiber trug, noch seinen Helm in die Hand und ging direkt auf die Brücke, ohne vorher den Druckanzug auszuziehen. Dort stand der Konteradmiral mit festem Stand vor dem Hologramm und rief Befehle. Als er des Kapitäns gewahr wurde, salutierte er vor ihm und meinte: „Gut sie wieder hier zu haben. Das Schiff gehört ihnen.“ Van Hooft erwiderte die Ehrenbezeugung. „Wie viele Gegner?“ „Knapp zwanzig. Aber keine Sorge: Ich habe die Kavallerie gerufen.“ Er grinste und trat an das Hologramm. Man konnte das Geschwader der gegnerischen Einheiten sehen, das auf sie zukam und versuchte das Netz um sie enger zu ziehen. Es hatte den Anschein einer Treibjagd, bei der man die Position des Ziels nicht genau kannte. Offenbar erzielten die Emissionsspeicher immer noch ihre Wirkung.

    Die ‚Selene’ versuchte so schnell wie möglich auf die nötige Distanz zum nahe gelegenen Planeten zu kommen, um in den Hyperraum springen zu können, doch ihre Gegner würden sie vorher abfangen. So schien es zumindest. Denn kurz bevor sie in Feuerreichweite waren, fielen vor ihnen auf einmal ein volles Geschwader Torpedoboote und zwei Staffeln Counterpunches aus dem Hyperraum. Die schnellen Angriffsboote, die sich bis zum Einsatzbefehl beim Versorger ‚Sarajevo’ gehalten hatten, gingen sofort zum Angriff über. Sie feuerten eine volle Salve von Clustertorpedos ab. Normalerweise waren diese Torpedoboote dazu gedacht wesentlich größere Schiffe zu zerstören, doch diese waren mit Torpedos ausgestattet, die nach den Erfahrungen von Elysium für die Zerstörung der kleinen und schnellen Angriffseinheiten des Gegners optimiert waren. Die Nyx-Schiffe stoben auseinander, doch dieses Mal folgten die Waffen ihnen. Sie waren mit einfachen optischen Zielsuchern ausgestattet, die auch diese Schiffe erfassen konnten, die für die meisten Sensoren kaum zu erkennen waren.

    Während die Angreifer versuchten den Geschossen auszuweichen und sie abzuschießen, formierten die Torpedoboote sich neu und setzten sich hinter die ‚Selene’. Zugleich begannen die Counterpunches dem Gegner nachzustellen und aus allen Waffen auf ihn zu feuern. Doch ihre Gegner brauchten nur einen Augenblick, um sich zu sammeln. Vier von ihnen wurden von den neuen Torpedos abgeschossen, doch die anderen schüttelten die lästigen Zielsucher ab und stürzten sich auf die flüchtenden Schiffe. Sie umtanzten ihre Gegner, immer wieder aus verschiedenen Richtungen auf sie feuernd. Cǎrtǎrescu sah sich das Schauspiel für einen Moment an, doch als es zwei der Torpedoboote erwischte, befahl er: „Genug gespielt. Bringen sie uns hier raus, Kapitän.“ „Aye. Geschwader: Formation auflösen auf mein Zeichen. Sturmformation, Feuer in Flugrichtung konzentrieren. Jetzt.“

    Die Torpedoboote reagierten sofort. Sie nahmen eine Formation ein, bei der sie möglichst viele Waffen nach vorne einsetzen konnten und eröffneten das Feuer. Es ging dabei gar nicht mal darum etwas zu treffen, sondern einen freien Korridor zu schaffen. Auf Kosten eines Torpedobootes und zweier eigener Maschinen vernichteten die Counterpunches unterdessen einen weiteren Gegner. Als die Flugrichtung frei war, befahl van Hooft: „Alle Schiffe bereit halten für Sprung. Geschwader: Statische Bomben abwerfen auf mein Zeichen. Verzögerung vier Sekunden.“ Er wartete, behielt das Hologramm, das ihm zeigte, wie die Schiffe zueinander standen, genau im Auge. Dann, als die Gelegenheit günstig war, damit die Jäger raus springen konnten, befahl er: „Statische Bomben los. Geschwader: Rücksprung zum Versorger.“ Die Torpedoboote klinkten Waffen aus, von denen jeder zwei trug. Diese statischen Bomben dienten nicht dazu physischen Schaden anzurichten. Ihr eigentlicher Zweck war es Sensoren zu blenden. Drei Sekunden, nachdem sie ausgeklinkt worden waren, hatten alle Schiffe auf Sprunggeschwindigkeit beschleunigt. Und dann, bei der vierten Sekunde, explodierten die Bomben und ließen eine gewaltige Entladung von elektromagnetischer Energie, Strahlung und Neutrinos frei, die alle Sensoren im Zielgebiet überlastete. Doch im gleichen Augenblick sprangen die Europäer noch vor der Schockwelle in den Hyperraum.

    Vier Tage später erreichte der Verband wieder die Erde, wo die Flugschreiber sofort zur Analyse gegeben wurden. Zugleich hatte man ein wertvolles Stück Technologie erbeutet und neue Erkenntnisse über den Gegner gesammelt. Obschon er es gegenüber van Hooft nie zugegeben hätte, war Cǎrtǎrescu mit dem Ausgang der Mission zufrieden. Letztlich hatten die Kooperation mit dem STK und das überladene Stück Blech tatsächlich mehr geleistet, als 60 Fenneks es vermocht hätten.
    Die Freiheit des Bürgers heißt Verantwortung.

    (Joachim Gauck)


    "You may belong to any religion[...] - that has nothing to do with the buisness of the state. We are starting with this fundamental principle, that we are all citizens and equal members of one state." (Sir Mohammed Ali Jinnah)

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    Deine Geschichte wird immer besser, denn dies Kapitel hat mir erneut überaus gut gefallen, jetzt auch von Aufteilung der Absätze.
    Inhaltlich gab es auch nicht auszusetzen, der Höhepunkt war natürlich dass Gespräch von Nicole und dem Goa´Uld.
    Allerdings hätte ich nicht Nietzsche zitiert, da mir der Kerl von je her viel zu frauenfeindlich eingstellt ist.
    Nur weiter so, vor allem bin ich ja auf Jules und das neue Europa gespannt, aber ich warte auch auf Kinsey Juniors Auftritt.
    Bis dann.
    Das Leben ist ein Schwanz und wir die Eier, die mitgeschleift werden.


    Meine aktuellen Fanfiction:


    TGE Combined Season 1 Fire of War:

    http://www.stargate-project.de/starg...ad.php?t=11836




  19. Danke sagten:


  20. #15
    dumm geboren und nix dazugelernt:P Avatar von Santanico Pandemonium
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    Und wieder ein Goa'uld weniger, wirklich praktisch

    Auch sonst ein super Kapitel, die Europäer werrden sicher so großzügig sein und der Allianz das Logbuch übergeben, aber nur eine Kopie natürlich

    Freu mich dann schon mal auf die Fortsetzung
    WEIR: ... putting your life and other people's lives at risk. You destroyed three quarters of a solar system!
    McKAY: Well, five sixths. It's not an exact science.
    WEIR: Rodney, can you give your ego a rest for one second?

    Ein Jahr später:
    Spoiler 
    CARTER: About a year ago, your brother came across an abandoned alien experiment called Project Arcturus.
    CARTER: It was an attempt to generate zero point energy.
    JEANIE: That would be virtually limitless power. What happened?
    McKAY: A slight problem. It was the creation of exotic particles in the containment field.
    CARTER: He destroyed a solar system.
    JEANIE: Meredith! (She smacks his arm.)
    McKAY: It was uninhabited!

  21. #16
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    @Colonel Maybourne: Jules wird noch nicht auftauchen, aber ihr Sohn wird einen bedeutenderen Auftritt haben. Und was den Philosophen angeht: Ich persönlich bin ein großer Fan sowohl von Schopenhauer, als auch von Nietzsche. So gesehen musste er es einfach sein. Einerseits hat er das Thema des Verhältnisses zwischen Menschen und Göttern auf eine Art behandelt, die sehr gut zu Stargate passt, andererseits ist er ein Meister des prosaischen Schreibens, weshalb man ihn gut zitieren kann.

    @Santanico Pandemonium: Natürlich sind sie außerordentlich großzügig


    @all: Bei dieser Gelegenheit sei das nächste Kapitel für kommenden Montag angekündigt. Wie bereits versprochen wird es sich vor allem um Kinsey jr., das neue Europa und Jules Sohn drehen.
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    (Joachim Gauck)


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  22. #17
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    Ich gestehe, ich bin knapp anderthalb Stunden im Verzug, aber hier ist das neue Kapitel. Länge dieses Mal 14 Seiten. Viel Spaß beim Lesen.


    Episode 4: Schmutzige Diplomatie

    „Welche Einheiten haben wir im Perseus stehen?“ Es war der zweite Monat des neuen Sternentorprogramms. Harry Maybourne löste seinen Blick von der gewaltigen Anzeigetafel an der Wand der Nachrichtenzentrale, die gerade einen Spiralarm der Galaxie vergrößert darstellte, und sah zum Stabsoffizier hinüber, der links neben ihm stand. Der Mann legte die Stirn in Falten und begann in den in einer Mappe in seinen Händen liegenden Unterlagen nach dem jüngsten Bericht der Flotte zu kramen. Es war ein Anblick, der Harry ungehalten machte. Er erwartete nicht weniger von diesem Mann, als dass er aus dem Stehgreif alle Informationen wiedergeben konnte, die er brauchte, um eine sinnvolle taktische Entscheidung zu fällen. „Also“, hakte er nach. „Einen Moment Geduld bitte, General.“ Jakob Schultheiß, wie der betreffende Offizier hieß, durchsuchte mit hochrotem Gesicht die Akte. Man konnte sehen, dass es ihm peinlich war. Eigentlich war er ein Offizier der Schweizer Armee, war jedoch im Zuge militärischer Kooperation zwischen der Eidgenossenschaft und der Europäischen Union zum Korps gekommen. Zugleich war er ein erfahrener Spezialist für aufklärungs- und nachrichtendienstliche Koordination.

    Das hatte zumindest in seiner Akte gestanden, doch Maybourne war kurz davor sich die entsprechende Seite zu verbrennen. Er trat von einem Bein auf das andere und sagte: „Nein, Leutnant, ich habe keine Geduld. Gut möglich, dass hier Informationen von drei Teilstreitkräften und hunderten Horchposten zusammenlaufen.“ Er machte eine Geste, die den weitläufigen Raum mit seinen zahlreichen Arbeitsstationen, der mit seiner hohen Decke fast etwas an eine Kathedrale erinnerte, einschloss. „Und gut möglich, dass es so viele Informationen sind, dass sie sich unmöglich alles merken können.“ Er schwieg für einen Augenblick, bevor er fortfuhr: „Aber das bringt mir rein gar nichts. Wie zur Hölle soll ich diese Operation leiten, wenn man mir nicht einmal sagen kann, wo unsere eigenen Leute stehen?“ Er hob die Stimme und rief: „Wenn mir also jetzt bitteschön endlich einmal jemand meine Frage beantworten könnte!!“

    Er übertönte bei diesem Satz das allgemeine Gemurmel der Soldaten im Raum, auch wenn die meisten unbeirrbar mit ihrer Arbeit fortfuhren. Nur die, die in unmittelbarer Nähe zu ihm saßen schwiegen für einen Moment betreten, als seien sie kleine Jungs, die von ihrem Lehrer dabei erwischt worden waren ihre Hausaufgaben nicht gemacht zu haben. Bevor Harry Leutnant Schultheiß jedoch zusammenstauchen konnte, sagte jemand in seinem Rücken: „13 Schiffe.“ Er drehte sich um. Sein Blick fiel auf einen Verbindungsoffizier der Flotte, der in seiner schneidigen Uniform mit goldenen Streifen aus der Masse der anderen Anwesenden hervorstach. Er kam mit schnellen, aber leger wirkenden Schritten auf Harry zu und meinte: „Im Moment stehen neun Fenneks auf Aufklärungsmission und vier Fregatten im Perseusarm.“ In just diesem Moment bekam Schultheiß einen Zettel gereicht, den der Computer gerade ausgespuckt hatte. „Der Flottenbericht sagt dasselbe, General. Allerdings ist die ‚Xaver Thelmann’ laut Bericht schon wieder auf dem Rückflug.“ Maybourne sah ihn mit einem viel sagenden Blick an, der ihn dazu brachte hastig zu erklären: „Wir hatten einen Rechnerfehler. Das Programm hat anstelle des ersten Berichts nur Zahlensalat ausgegeben.“ Harry konnte sich ein stöhnen nur mit Mühe verkneifen. Die große Menge von Informationen, die aus diversen Quellen, teilweise in unterschiedlichen Datenformaten in das System eingespielt wurden, hatten eine komplett neue Software für die Nachrichtenzentrale nötig gemacht, die noch einige Macken hatte. Er erinnerte sich noch zu gut daran, wie seine Einheit während des zweiten Sezessionskrieges 2012 neue Flugabwehrraketen bekommen hatte, deren Zielsoftware nicht funktioniert hatte. Seit dem hatte er einen ziemlichen Hass auf alle Programmierer. „Na, wenigstens können sie es auf jemand anderes schieben. Sorgen sie dafür, dass das wieder in Ordnung gebracht wird. Sofort.“

    Schultheiß salutierte und eilte sofort los, um den Befehl auszuführen, sichtlich froh seinem missmutigen Vorgesetzten zu entkommen. Harry wandte sich indes dem Flottenoffizier zu. „Soll das heißen, dass wir nur ein lumpiges Dutzend Schiffe draußen haben? Man erwartet von mir, dass ich eine komplette Kampfeinheit auf einen Planeten in diesem Spiralarm drei Flugstunden vom nächsten Sternentor schicke und ich kann nicht mal sicher sein, dass wir dafür genug Schiffe als Rückendeckung bekommen.“ Der Offizier zuckte jedoch nur mit den Schultern. „Die Galaxie ist groß. Wir reden hier von über 400 Millionen Kubiklichtjahren allein in einem Spiralarm. Und nach den Überfällen auf die Langstreckenfrachter rufen die Reeder nach Schutz für ihre Schiffe auf den Routen nach Hebridan und Gaetas. Admiral Siska versucht Schiffe freizustellen, aber das Flottenkommando zögert sie die schweren Streitkräfte einsetzen zu lassen, solange wir keine konkrete Bedrohung haben.“

    Harry wusste, dass er Siska und ihren Leuten kaum einen Vorwurf machen konnte. Nein, er hatte im Moment mit dem üblichen Problem zu kämpfen, dass seine Handlungsfreihet in seiner gesamten Laufbahn eingeschränkt, spätestens seitdem er Colonel geworden war: Je höher man in der Kommandoebene stand, desto mehr musste man seine Entscheidungen vor jenen rechtfertigen, die politische Interessen hatten. Er wollte gerade etwas dazu sagen, als sein Adjutant O’Sullivan und Oberst Allert ankamen. Während Allert nur entspannt lächelte, war im Gesicht des irischen Gefreiten Besorgnis zu lesen. „General“, sagte er hastig, „das müssen sie sich ansehen.“ „Was ist los, O’Sullivan?“ „Moment“, sagte Ernst und ging an einen der Computer. Er loggte sich ins stützpunktinterne Netzwerk ein und rief den Rundfunkverteiler auf. Dabei murmelte er leise: „Der Amisender…“ Auf dem Bildschirm flackerte eine Übertragung von Fox News Channel auf. Der Sender war aufgrund seiner einseitigen Berichterstattung in den letzten Jahren zu einem beliebten Ziel des Spotts europäischer Kabarettisten geworden, hatte jedoch immer ein Ohr an den Geschehnissen der Zeit innerhalb der Allianz. Man sah eine Nachrichtensprecherin in einem streng geschnittenen Blazer und mit blonden Haaren. Neben ihr waren Bilder des Sitzungssaales der UN-Vollversammlung und Abraham Kinseys zu sehen. „…shalb forderte der Verteidigungsminister der Allianz, Minister Abraham Kinsey, heute vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen die Verabschiedung einer Resolution zur Auslieferung des Landesverräters Harold Maybourne. Maybourne, der bis vor kurzem noch ranghoher Offizier der United Allied Airforce war, hat sich vor acht Monaten der Desertation und des Geheimnisverrates schuldig gemacht. Wenn er ausgeliefert wird, droht ihm nach alliiertem Recht die Todesstrafe…“ Die Frau redete noch weiter und verlas Stellungnahmen verschiedener konservativer Politiker zu diesem Ansinnen. Doch Harry hörte schon nicht mehr zu. Er schwieg nur einen Moment, dann begann er zu lachen, laut und fröhlich, bis er sich eine Träne der Heiterkeit aus dem Augenwinkel wischen musste.


    Am United Nations Plaza, New York, im Sitzungssaal des Weltsicherheitsrates:

    Abraham Kinsey stand am Rednerpult des Sitzungssaales und schwang eine feurige Rede, bei der er seine Worte mit dramatischen Gesten untermauerte. Er sprach mit einer beinahe an Wut grenzenden Inbrunst, die Orhan Ecevit nur selten vor diesem Plenum erlebt hatte. Während er sich umsah, hatte er das Gefühl, dass es vielen der Anwesenden nicht anders ging. Viele der Diplomaten, die in dieser Runde saßen, lauschten den Worten des amerikanischen Staatsmannes aufmerksam, einige davon mit einem Ausdruck der Zustimmung im Gesicht, andere mit offenkundiger Ablehnung, während der Rest sich in leisen Unterhaltungen über die gefallenen Worte austauschte. Es schien, dass nicht wenige ihr Missfallen über das Verhalten des Amerikaners äußerten. Kinsey sprach von Gerechtigkeit und stellte Harold Maybourne mit Männern wie Vidkun Quisling auf eine Stufe. Unschlüssig, wie er diese Situation bewerten sollte, sah Orhan zu Lothar von Minkwitz, der zwischen ihm und Wolf Bjerregaard, seinem zweiten beständigen Schatten, saß. Von Minkwitz beobachtete Kinsey mit einem belustigten Grinsen, dass Orhan nur zu gut kannte. Es war ein Ausdruck der Siegesgewissheit.

    Offiziell waren Wolf und er diplomatische Attachés des Legationsrats, doch tatsächlich ging ihre Funktion sehr viel weiter. Sie waren Leibwächter, Sekretäre, Chauffeure, teilweise auch Kammerdiener. Von Minkwitz selbst hatte sie einmal seine Vertrauten genannt. Als er Orhans rätselnden Blick bemerkte, beugte er sich zu ihm und flüsterte ihm zu: „Dieser Trottel weis nicht, worauf er sich eingelassen hat. Aber er wird schon noch merken, wie hoch das Lehrgeld ist, das er bei uns zahlen muss.“ „Alles, was er vorbringt, ist wahr.“ Von Minkwitz ließ ein verächtliches Schnauben vernehmen. „Er behilft sich mit emotional aufgeladener Rhetorik und Halbwahrheiten, um Sympathiepunkte zu sammeln. Sein eigener Kopf steckt viel zu tief in der Schlinge, als dass er alle Fakten auf den Tisch legen könnte. Und ich habe vor diese Schlinge zuzuziehen.“ Kinsey beendete seine Rede mit den Worten: „…Und deshalb fordere ich heute die Auslieferung eines Verräters, damit eben diese Gerechtigkeit walten kann. Ich danke ihnen.“ Wohlweislich verzichtete er auf die üblichen Worte „Gott schütze sie“, mit denen er seine Reden normalerweise beendete, denn in dieser Sache würde er die Unterstützung verschiedener moslemischer Länder brauchen. Als er vom Rednerpult zurücktrat, brandete unter der Fraktion der arabischen und verschiedener südamerikanischer Staaten, die gemeinhin als Unterstützer der alliierten Politik bekannt waren, Applaus auf. Offenkundig war es das Ziel möglichst viele Unentschlossene auf Kinseys Seite zu ziehen. Doch als von Minkwitz sich von seinem Platz erhob und zum Rednerpult ging, war ihm das Lächeln immer noch nicht vom Gesicht gewichen.

    Er trat hinter der Sitzreihe auf der rechten Seite des Saales hervor, an der die europäischen Diplomaten saßen, und trat auf das erhöhte Podium, auf dem das Rednerpult stand. Er neigte kurz und anerkennend das Haupt vor den Vorsitzenden der Versammlung, dann wandte er sich dem Saal zu. Anders als Kinsey schaltete er die Teleprompter nicht ein, sondern stellte sich offen und locker hin. In diesem Moment, in dem die vergoldeten Wand mit dem Wappen der UN hinter ihm aufragte und er ins Plenum blickte, schien er die völlige Antithese zu seinem Vorredner zu sein. Kinsey war ein Agitator, ein Menschenfischer, der die Massen aufzupeitschen vermochte. Lothar Friedrich Gerhardt Graf von Minkwitz hingegen konnte überzeugen. Er besaß nicht das Charisma des fast dreißig Jahre jüngeren Amerikaners, hatte allerdings die Ausstrahlung eines würdevollen Sprechers, der Erfahrung und vielleicht sogar Weisheit besaß. „Gerechtigkeit“, begann er. „Gerechtigkeit ist nicht mehr, als ein Wort. Versuche der Bestimmung der absoluten Werte richtigen Handelns im allgemeinen und der Definition der Gerechtigkeit im besonderen, die bisher unternommen wurden, entlarvten diese Worte als leere Formeln, durch die jede beliebige gesellschaftliche Ordnung als gerecht gerechtfertigt werden kann. Gerechtigkeit ist mit dem Fällen von Urteilen verbunden, die stets das Privileg von Richtern und Göttern waren. Doch wenn dieses hohe Haus im Sinne der Gerechtigkeit urteilen soll, müssen wir folgendes bedenken: Primum Inquisitionis requisitum est probatio corporis delicti. Das erste Erfordernis richterlicher Untersuchung ist die Prüfung des Tatbestandes. Auch dieser Kreis kann nicht zu einem gerechten Urteil gelangen, ohne die Fakten zu kennen, die zu nennen bisher vermieden wurde…“

    Orhan konnte nicht anders, als zu lächeln, während er der Rede folgte. Von Minkwitz warf Kinsey mit spielerischer Leichtigkeit Knüppel zwischen die Beine, indem er die ganze Debatte von einer Frage der Gerechtigkeit für einen Verräter zu einer Grundsatzüberlegung über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens machte und ihm die Beweislast aufzwang. Er sprach frei und mit einer Überzeugungskraft, die er schon bewundert hatte, als sie einander das erste Mal begegnet waren. Es war während seiner Zeit an der Karls-Universität in Prag gewesen. Er war jung und froh gewesen seiner Heimat entflohen zu sein. Ein Studium an der ältesten Universität nördlich der Alpen bot ihm einen würdigen Rahmen für seine persönliche Revolution, denn im Jahr 2013 hatte die gesamte Studentenschaft dort sich in Aufhur befunden.

    In den anderthalb Jahren seit die europäische Kommission die Regierungsgewalt übernommen hatte, waren die Idealisten, die 2012 die Revolution getragen hatten, zu vielen Kompromissen gezwungen gewesen, um die Lage zu stabilisieren. So hatten die Konzerne und gesellschaftlichen Eliten eine Entwicklung erzwungen, an deren Ende das neue Europa kaum vom alten zu unterscheiden gewesen wäre. Javier Solana und Romano Prodi, die in jenen Jahren zu den wichtigsten Verfechtern einer wirklichen europäischen Einigung gehört hatten, waren gezwungen worden ihre Ämter aufzugeben. Doch in dieser Lage hatte Christoph Rieck, ein junger Mitarbeiter Solanas, der seinen Idealismus noch zwischen den Fronten der täglichen Realpolitik verloren gehabt hatte und unwillig gewesen war einfach aufzugeben, auf eigene Faust weitergemacht. Er war durch die Union gereist und hatte vor Arbeitern, Intellektuellen und Studenten gesprochen, um sie zu überzeugen, dass es an ihnen war dafür zu sorgen, dass die Union eine wirkliche Zeitenwende erlebte und nicht die Union der Banken und des Kapitals sein würde, die die Eliten sich erhofften, sondern eine Union der Bürger, der Freiheit und des Humanismus.

    Als sein Weg ihn nach Prag geführt hatte, war er bereits zu einer Identifikationsfigur für die soziale und humanistische Bewegung geworden. Er hatte im Auditorium Maximum vor den Studenten gesprochen und die Menge mit unglaublichem Charisma aufgepeitscht. Dann war plötzlich ein Mann, dessen Haare bereits ergrauten und der in seinem distinguierten Auftreten so gar nicht in jene Veranstaltung zu passen schien, nach vorne getreten und hatte das Wort ergriffen. Zuerst hatten die Studenten ihn hinauswerfen wollen, doch dann hatte er die Gelegenheit bekommen zu sagen, warum er gekommen war. Er sagte ihnen, dass sie nicht alleine standen und dass dies die bedeutendsten Tage in der Geschichte Europas waren. Lothar von Minkwitz. Mit ihm hatte sich jemand offen auf die Seite der Humanisten gestellt, der aus jener Riege kam, die man zuvor als Anhänger der nationalstaatlichen Ordnung gesehen hatte. Und in den folgenden Monaten hatten sie tatsächlich auch die so genannte gesellschaftliche Mitte mobilisieren können, die sich bis dahin in erzreaktionärer Trägheit als Garant eines Systems gefallen hatte, das abgewirtschaftet hatte. So hatten die Neoliberalen schließlich kalte Füße bekommen und, nachdem ein von Rechtsradikalen verübtes Attentat auf Rieck, das dieser nur knapp überlebt hatte, die Bewegung noch weiter angestachelt hatte, Reformen zugestimmt. Und im Spätherbst 2014 wurde Rieck schließlich zum ersten demokratisch gewählten Regierungschef einer vereinigten EU gewählt. Europa war unter ihm tatsächlich mehr geworden, als eine wirtschaftliche Allianz. Es war ein von Rückschlägen und Problemen gezeichneter Weg gewesen, insbesondere nachdem der Kontinent noch mit den Nachwirkungen der Wirtschaftskrise und der Abschottung der Märkte zu kämpfen gehabt hatte, doch er hatte unermüdlich gearbeitet um aus Europa ein Land zu machen, in dem jeder ein Leben in Würde leben konnte, auch wenn der allgemeine Lebensstandart außerhalb von Westeuropa mehr dem in den Beitrittsstaaten von 2007 entsprach.

    Es war eine aufregende, eine viel versprechende Zeit gewesen, die in erstaunlichem Maße Wort gehalten hatte, wie Wolf es einmal ausgedrückt hatte. Orhan war nach seiner damaligen Rede mit von Minkwitz ins Gespräch gekommen und hatte mit ihm zusammen in einem akademischen Forum an der Ausarbeitung der so genannten Prager Schriften mitgearbeitet, die einen maßgeblichen Einfluss auf die Neuordnung der EU gehabt hatten. Ohne dass Orhan sich darüber im Klaren Gewesen wäre, hatte von Minkwitz ihn auch danach genau im Auge behalten, als er nach dem Ausbruch des türkischen Bürgerkrieges in seine Heimat zurückgekehrt war. Und am Ende dieses Krieges war der Graf, damals Botschafter der EU in Teheran, wieder an ihn heran getreten und hatte ihm eine feste Stellung angeboten. So waren auf seinen ganz persönlichen Prager Frühling die besten Jahre seines Lebens gefolgt. Als von Minkwitz seine Rede beendete, standen mehrere Diplomaten spontan auf und applaudierten ihm. Auch Orhan und Wolf erhoben sich, jedoch nur um den Saal gut im Auge behalten zu können. Er konnte Kinsey sehen, der aussah, als habe er auf eine saure Zitrone gebissen. Nicht, dass man es ihm wirklich angesehen hätte, aber nach siebzehn Jahren im Dienst des Grafen hatte er gelernt das undurchsichtige Mienenspiel solcher Männer und Frauen zu deuten. Er war sich sicher, dass es heute noch einige unschöne Szenen geben würde.

    Als Kinsey das Hauptquartier der vereinten Nationen durch den Hinterausgang verließ, um den Journalisten auszuweichen, die das Hauptportal belagerten, stand ihm die Zornesröte im Gesicht. Immer wieder schlug er sich mit dem Handrücken der zur Faust geballten Rechten in die offene Linke und schimpfte dabei. „Verfickte Scheiße. Dieser elende Hurensohn.“ „Bitte Sir, beruhigen sie sich“, versuchte einer seiner Mitarbeiter ihn zu besänftigen. Doch Kinsey quittierte ihm seine Bemühungen nur mit einem wütenden Blick und den Worten: „Haben sie überhaupt eine Ahnung, was für eine Bedeutung das hier hat? Nein? Dann halten sie gefälligst die Schnauze, Bates.“ Der so angesprochene verzog leicht erbost das Gesicht und hielt Kinsey die Tür auf, als die Wagenkolonne vorfuhr, die ihn ins Hotel bringen sollte. Während sie im gepanzerten Rolls-Royce die East 44th Street am East River entlang fuhren, sah Kinsey aus dem Fenster zur Stadt hinaus. New Yorks Skyline war ungleich dichter, als er es noch aus seiner Jugend kannte. Hunderte gewaltiger Wolkenkratzer, von denen die größeren Gebäude wie das Empire State Building oder das Chrysler Building ohne weiteres in den Schatten stellten, reckten sich an diesem Abend gen Himmel, der ebenso wie die Stadt von einem furiosen Farbspiel erhellt war, das diese Stadt jede Nacht erleuchtete. New York war durch einen Boom seit der Gründung der Allianz einmal mehr zu einem Wohlstandsparadies geworden, das sich jedoch in den letzten Jahren immer mehr von seinen Wurzeln abwandte und der Zukunft zustrebte.

    Er deutete aus dem Fenster auf eine große Leuchtreklame an einem der höchsten Wolkenkratzer Manhattans. Er zeigte eine Frau im weißen Anzug, die den Leuten von den Lehren der ‚Kirche’ erzählte, deren Hohepriesterin sie war. „Sehen sie das?“ „Natürlich“, antwortete Bates und auch Simore, ein zweiter, wesentlich jüngerer Mitarbeiter des Ministers, nickte eifrig. „Dann sagen sie mir, was das ist.“ „Eine Leuchtreklame der Nuelisten.“ Für einen Moment schwieg Kinsey. Dann sagte er: „Sie müssen das ganze Bild sehen. Das ist eine Katastrophe.“ „Aber wieso, Sir?“, fragte Simore. „Die Nuelisten leiten die drittgrößte Unternehmensgruppe der Welt. Sie sind eine beispiellose Erfolgsgeschichte der letzten zehn Jahre. Sollten wir uns nicht eigentlich freue…“ Er wurde in seinem Redefluss jäh unterbrochen, als Kinsey mit der Hand auslangte und seinen Kopf einmal heftig gegen die Wand des Wagens schmetterte. Er gab einen Schmerzenslaut von sich und hielt sich den Kopf mit beiden Händen. Währenddessen sagte Kinsey: „Das ist ein Ausdruck des Untergangs Amerikas Bidens beschissene Allianz hat uns in eine Krise gestürzt, die tausend Mal tiefer geht, als jede Bedrohung durch chinesische Atomraketen es jemals gekonnt hätte. Die Leute hören auf Amerikaner zu sein und leben einen verdammten Scifi-Roman. Und diese Nuelisten sind ein Symptom des Ganzen. Wenn es weitergeht, wie bisher, sind sie in Nordamerika in neun Jahren die größte einzelne Sekte und in sechzehn Jahren zahlreicher als die Christen.“ Er schüttelte den Kopf. „Oh, es kotzt mich so an, was aus unserem Land geworden ist.“

    Bates schmunzelte nur Wortlos, während Simore, offenbar darauf bedacht seinen Boss nicht weiter zu verärgern, sagte: „Oh, ich bin ganz ihrer Meinung, Sir.“ Kinsey sah ihn an und meinte: „Hören sie, wenn sie weiter für mich arbeiten wollen, dürfen sie nicht jedes Mal zum schleimigen Kriecher werden, nur weil ich ihren Kopf gegen die Wand donnere. Wenn sie das nicht kapieren, ersetze ich sie durch ein hübsches Mädchen, das schöner anzusehen ist, als sie. Also reißen sie sich verdammt noch mal zusammen.“ Simore nickte. „Ja, Sir.“ Kinsey sah ihn nur verächtlich an. Bates war in diesem Moment klar, dass der Job des Jungen wieder zur Disposition stand. „Und welche Rolle spielt diese jüngere Entwicklung in der Frage nach Maybourne, Sir“, wollte er wissen. „Ich war der Meinung, dass das mittlerweile auf der Hand liegen sollte, Bates. Wenn ich dieses Land retten will, muss ich seinen Glauben in sich selbst und Gott noch einmal wiederbeleben. Und solange dieser Crocodile-Dundee-Verschnitt in den Umfragen sieben Prozentpunkte vor mir liegt, kann ich mir das getrost in die Haare schmieren. Und da passt es mir so gar nicht, dass dieser miese kleine Deutsche mich vor der UN-Vollversammlung derart vorgeführt hat.“

    Bates nickte. Er hätte ahnen können, dass es eigentlich um Wahlkampffragen ging. Kinsey kandidierte im Moment für das Amt des Präsidenten der Allianz, war jedoch gegenüber einem australischen Mitbewerber, der für eine sehr viel progressivere Politik und eine Orientierung zur extraterrestrischen Expansion eintrat, gehörig ins Hintertreffen geraten. Maybourne auf den elektrischen Stuhl zu bringen würde ihm allerdings einige Stimmen bei den mittlerweile ziemlich politikverdrossenen Konservativen der Allianz bringen. „Und wie wollen sie weiter verfahren?“ Kinsey antwortete zunächst nicht auf diese Frage. Er schwieg beharrlich, während der Wagen das südliche Ende von Manhattan umrundete und die Halbinsel auf der Westside wieder hinauf fuhr. Schließlich meinte er: „Wer war dieser Kerl?“ „Meinen sie den anderen Redner?“ „Ja.“ „Ein deutscher Diplomat, Sir“, antwortete Simore. „Sie hatten während der Operation Superiority ein Attentat auf ihn befohlen“ Er sah seinen Berater genervt an. „Denken sie ich kann mir den Namen von jedem merken, den ich abknallen lasse? Und überhaupt: Warum lebt der Kerl dann noch?“ Bates schaltete sich ein, bevor Kinsey erneut gewalttätig gegenüber Simore wurde. „Es sollte kein ernsthaftes Attentat sein, sondern ihn nur auf eine falsche Fährte locken. Ich hatte damals einen deutschen Nazi angeheuert und ihm eine unscharfe Waffe gegeben, die nur das Bewusstsein nahm, aber nicht tötete.“ „Ah, ok. Und wer ist dieser Kerl nun genau?“ „Legationsrat erster Klasse Lothar von Minkwitz. Vormals im Dienst der Bundesrepublik Deutschland, von 2010 bis 2013 bei Javier Solana. Später dann ein politischer Weggefährte von Christoph Rieck.“

    Kinsey nickte. „Ein echter Europäer also. Mann, ich hasse ihn jetzt schon.“ Er sah zu Bates hinüber. „Der Mann ist ein Hindernis. Sorgen sie dafür, dass er aus dem Weg geräumt wird.“ Dieser zog eine Augenbraue hoch. „Final?“ „Nein, nein. Das wäre zu auffällig. Tun sie einfach nur etwas Brutales und schüchtern sie ihn ordentlich ein. Die Vollversammlung steck ich ohne weiteres in die Tasche, wenn er aus dem Weg ist. Aber seien sie diskret. Das letzte, was ich brauchen kann, ist mein Name in Verbindung mit einer Anklage wegen Gewaltverbrechen in einer Klatschspalte.“ Bates nickte. „Das wird kein Problem sein. Ich werde jemanden dafür anheuern.“ Mit nachdenklichem Gesicht sah Kinsey wieder nach Manhattan hinaus. Dann, fast vier Minuten später, sagte er leise: „Gut.“

    Zeitgleich im Perseusarm, unweit des Planeten Emunio:

    Elias Falkner blätterte im Buch in seinen Händen eine Seite weiter und sah dabei zu den anderen Soldaten seines Teams hinüber, die sich im Passagierraum des Jumpers zusammengesetzt hatten und gemeinsam die Zeit bis zur Landung totzuschlagen versuchten. Ein Kartenspiel hatte eine gewisse Kurzweil in den Flug gebracht, doch nachdem über hundert Euro den Besitzer gewechselt hatten, hatten sie die Sache lieber abgebrochen, bevor sie ernsthaften Ungemach bescherte. Danach hatte Arya Akunin, die im Team als Scharfschützin fungierte, angefangen von ihrer georgischen Heimat und dem teilweise etwas schwierigen Verhältnis zu ihrer in mütterlicher Linie indischen Familie zu erzählen. Sie hatte einige amüsante Geschichten zu erzählen gewusst, nach denen das Gespräch allerdings über einige recht absurde Gedankensprünge über Wein, Karikaturisten und Russland auf Militärgeschichte gekommen. Nun erzählte Julius von Sachleben gerade eine Geschichte, die Falkner schon so einige Male gehört hatte.

    „…Und dann ist sein ganzes Geschwader von der Bildfläche verschwunden. Acht Boote. Zusammen mit zwei Jägergeschwadern und einem Einsatzgruppenversorger.“ „Ja und?“, fragte ein anderer Soldat zur Antwort. Dieser Kommentar stachelte Julius allerdings nur noch mehr an. „Ja und? Na hör mal, es geht hier schließlich um niemand geringeren, als Günter Theismann. Er hat mit seinem Geschwader im Alleingang zwischen den Saturnmonden aufgeräumt und hat während des Konzernkrieges fünf Großraumschiffe torpediert. Dann ist er plötzlich für drei Monate verschwunden und wird plötzlich für tot erklärt. Im offiziellen Untersuchungsbericht heißt es, das Geschwader sei in einem Kampf mit einem Goa’uld zerstört worden. Aber glaubt mir: Theismann hat noch ganz andere Feinde geschlagen. Außerdem“, er beugte sich etwas vor und senkte verschwörerisch die Stimme, „hat es einen Überlebenden gegeben. Ein einfacher Torpedoschütze. Die ‚Agincourt’ hat ihn am äußeren Rand des lokalen Clusters halb tot in einer treibenden Rettungskapsel gefunden. Aber der MND hat ihn sofort in Gewahrsam genommen und alle Akten zu dem Vorfall einkassiert. Der Mann hatte irgendetwas bei sich, was sie unbedingt haben wollten. Theismann hatte es für sie holen sollen und er und alle seiner Männer sind bis auf einen dabei draufgegangen.“

    Nikolai Semjonowitsch Poliakov, Soldat und Linguist des Teams, lachte bei diesen Worten amüsiert. „Theismanns letzte Mission ist ein moderner Mythos“, erklärte er. „Das ist so eine der Geschichten, die niemand offiziell dementiert, weil die Leute dem Nachrichtendienst gerne eine unheilvolle Aura andichten.“ Julius schmunzelte. „So? Dann erzähl uns was Besseres.“ Nikolai dachte für einen Moment nach, dann meinte er: „Ich hab vor kurzem etwas gesehen, dass so unglaublich ist, dass ich es zuerst für mich behalten habe. Aber auch auf die Gefahr hin, dass ihr mich auslacht: Ich weis, dass es wahr ist. Es war vor zwei Wochen auf P39M42. Als wir diese Ori uns in der alten Ruine festgenagelt hatten. Ich war von Arya getrennt worden und hab versucht Anschluss an den Major und Karin zu bekommen und bin dabei drei von diesen Bastarden direkt in die Arme gelaufen. Ich hab sie erledigt, aber einer hat mich mit einem Stabwaffenschuss am Bein erwischt. Ich bin also in Deckung gehumpelt und hab die Wunde mit Brandsalbe behandelt. Aus meinem Versteck konnte ich durch einen Mauerspalt in den Hof sehen. Und in diesem Moment taucht die Verstärkung auf. Die meisten sind sofort über das Gebäude ausgeschwärmt und haben den Gegner zur Hölle geschickt, aber einer von denen ist auf den Prior los. Und als der ihn mit seinem Stab umbringen, häuten oder was auch immer will, macht er plötzlich eine Wurfbewegung mit der freien Hand und der Prior fliegt durch die Luft, als sei er von einem Stier überrannt worden. Hat ihn so hart getroffen, dass er nicht mehr aufgestanden ist.“

    Und tatsächlich lachten Arya und Julius. „Bist du dir sicher, dass er ihn nicht doch mit einer Schrotflinte abgeschossen hat oder so was?“ „Hat er nicht“, schaltete Falkner sich auf einmal ein. „Ich hab es auch gesehen. Er hat ihn mit einer einfachen Geste durch die Luft geschleudert. Als ich nachgefragt habe, haben sie mir gesagt, dass es ein experimentelles Waffensystem war.“ Die Scharfschützin und der Technikspezialist wirkten für einen Moment ehrlich überrascht. Dann meinte Julius: „Na also. Es gibt für alles eine Erklärung.“ Sie stieß ihn leicht mit dem Ellenbogen in die Seite und sagte: „Außer für Theismanns Verschwinden, was?“ Während die beiden lachten, erhob Falkner sich von seinem Platz. „Wie man’s nimmt. Als ich gefragt habe, wann diese Waffen an die Truppe ausgeteilt werden, war der Offizier mit dem ich gesprochen habe, sehr schnell bemüht das Thema zu wechseln.“ Er warf einen Blick auf die Borduhr, deren Anzeige auf einem Bildschirm über dem Durchgang zum Cockpit saß. Die zu erwartende Flugzeit würde in wenigen Minuten um sein. Er steckte sein Buch in eine der Gürteltaschen und griff nach seinem Helm. Noch während er ihn aufsetzte kam auch schon die Meldung des Piloten, dessen starker Österreicher Akzent Falkner schmunzeln ließ: „Major, wir treten gleich in den Zielorbit ein. Landung in ungefähr acht Minuten.“

    Der Jumper hielt gemeinsam mit dem zweiten Torschiff, das EKST1 unter Nicole Degenhardt an Bord hatte, auf den Planeten zu, doch als er in die obere Atmosphäre eintrat, näherten sich auf einmal mehrere Todesgleiter. Die Kampfflieger hielten direkt auf die beiden Transporter zu. Falkner und sein Team wurden der neuen Bedrohung gewahr, als der Jumper plötzlich zu einem drastischen Ausweichmanöver gezwungen war, das sie beinahe von den Füßen riss. Falkner hielt sich reflexartig an einem Handlauf fest und ging mit dem Funkgerät auf die Funkfrequenz des Piloten. „Was ist da los?“ „Todesgleiter, Herr Major. Halten sie sich besser fest.“ Als Erwiderung kam ihm nur ein leise gebrummtes „Scherzkeks“ über die Lippen. Nur wenige Augenblicke später hörten sie aus dem hinteren Bereich des Fliegers auch schon das typische Wummern der Schnellfeuerrailguns des Heckschützen. Falkner sah zu seinen Soldaten und befahl: „Sprunggeschirre!“ Bei diesen Worten griff er mit der linken in eines der Fächer knapp unter der Decke des Jumpers, in denen die Geschirre aufbewahrt wurden. Karin Scheffer, die Sanitäterin des Teams, sagte, während sie ihren ersten Arm durch die Riemen des Geschirrs schob: „Ein gottverdammter Dauerzustand hier.“ „Hören sie auf zu nölen, Feldwebel.“ Er schaltete sein Funkgerät auf die Einsatzfrequenzen, die auch EKST1 benutzte. „Major Degenhardt, können sie mich hören?“

    „Laut und deutlich, Falkner. Die Jumper können unter Beschuss nicht landen. Machen sie ihr Team bereit. Wir springen ab.“ Er grinste. „Ganz meine Meinung, Major.“ Mit einem schnellen Blick überprüfte er, ob seine Leute sich absprungbereit gemacht hatten. Julius war noch an einer Munitionskiste zu Gange und reichte den anderen Magazine für die Sturmgewehre. Dann griff er nach einer leichten Railgun, eine Mortimer R111, die anders, als ihr Name vermuten ließ, nicht aus England, sondern dem schönen Mortemer in der Normandie kam, und warf sie Falkner zu. Dieser fing sie mit der freien Hand und funkte Nicole zu: „Unseretwegen kann es losgehen.“ Er trat über die Absprungluke im Boden und signalisierte dem Piloten durch einen Druck auf einen Schalter in der Decke, dass sie springen wollten. Zur Bestätigung leuchtete eine Anzeige daneben grün auf und begann zu einem Signalton zu blinken. Schnell traten auch die anderen Soldaten über die Luke. Dann wurden sie plötzlich mit dem Rücken nach oben an die Decke gezogen und die Luke unter ihnen öffnete sich. Sie konnten sehen, dass die Jumper über einem Waldgebiet flogen. Vereinzelte Geschosse der Kanonen von Todesgleitern fegten durch ihr Sichtfeld und gaben einen Eindruck davon, wie heftig der Kampf war. Der Pilot passte genau den richtigen Moment ab, bevor er die Soldaten nach draußen schoss. Die Magnete, die sie an der Decke hielten, änderten ihre Polung und schleuderten sie nach draußen. Der Boden kam schnell näher, doch um dem Gefecht zu entkommen, hielten sie ihre Fallschirme so lang wie möglich geschlossen. Im allerletzten Moment erst fingen sie ihren Fall ab und landeten hart auf dem Waldboden.

    Falkners Team kam über eine knapp einen Hektar große Fläche verteilt auf. Während er seine Leute sammelte, warf er immer wieder Blicke zum Himmel hinauf. Die beiden Jumper versuchten einander Deckung zu geben und sich durch heftiges Feuer ihrer Bordkanonen zur Wehr zu setzen, aber die sechs Todesgleiter, die sie umschwirrten, waren hartnäckige Gegner. Anders als frühere Kämpfer der Goa’uld, die direkt und offen angegriffen hatten, hatten diese Flieger Atmosphäre und Wolken des Planeten so lang wie möglich genutzt, um sich unentdeckt anzunähern. Als sie das Feuer eröffnet hatten, waren sie bereits so dicht an ihren Zielen gewesen, dass die Jumper ihre Raketen nicht mehr hatten einsetzen können. Eine auf den ersten Blick unbedeutende Verhaltensänderung, die Falkner allerdings wichtige Hinweise darauf gab, wie die Goa’uld sich in den letzten zwanzig Jahren verändert hatten. Als mit Nikolai der letzte seiner Soldaten zum Team aufschloss, waren Nicole und ihre Leute gerade ebenfalls dabei abzuspringen. Der Wind ließ sie nach Osten abdriften und sie würden wohl in einigen Kilometern Entfernung landen. Ein schneller Blick in die Runde verriet, dass sie im Moment relativ ungeschützt dastanden. Deshalb befahl Falkner zuerst eine geschützte Position zu suchen. Unter einem Felsvorsprung in der Nähe warteten sie, bis er eine Verbindung mit Nicole bekam.

    Als der Funkkontakt stand, hörte er mit ihrer Stimme Schüsse hinüber hallen. „Wir stehen unter Beschuss durch die Gleiter“, verkündete sie. „Wir brauchen ein paar Minuten, um das zu klären. Begeben sie sich schon einmal zum Ziel, wir kommen nach.“ „Wird erledigt. Haben sie vor dem Absprung noch Positionsdaten erhalten?“ Ihre Antwort ging zuerst in einer Explosion eines Stabkanonentreffers unter, der nur wenige Meter von ihr entfernt eingeschlagen sein musste. Dann sagte sie: „Ich weis nur, dass wir irgendwo südöstlich vom Ziel sind.“ „Habe Verstanden. Wir machen uns auf den Weg. Falkner over and out.“ Er holte einen Kreiselkompass aus einer seiner Taschen und bestimmte den verlauf der Meridiane, dann gab er mit einer Geste den Weg vor. „Wir sollen zum Ziel vorrücken. Also vorwärts.“ Sie setzten sich in Bewegung. Eigentlich hatten die Jumper sie direkt am Ziel absetzen sollen, doch nun waren sie gezwungen sich zu Fuß zurechtzufinden. Nachdem sie gut vier Stunden unterwegs waren, fragte Karin: „Das Ziel sollte doch eine Hafenstadt sein, oder? Hat jemand beim Absprung gesehen, wie weit wir von der Küste entfernt sind?“ Arya, und Nikolai verneinten, doch Julius sagte: „Mindestens mehrere hundert Kilometer.“ Sie sah ihn überrascht, aber auch ein wenig so an, als sei er ein Ausbilder, der sie gerade zur Strafe zu einem 20-Kilometerlauf verdonnert hatte. „Wieso das?“ Man konnte sehen, wie auf Falkners Gesicht ein leichtes Grinsen auftauchte. Er schien zu wissen, was Sache war. „Major?“, fragte Julius, unschlüssig, ob er irgendetwas Komisches gesagt hatte. „Reden sie ruhig weiter, Feldwebel.“ Julius nickte und deutete auf die Bäume. „Das hier ist ein Eichenwald. In Küstennähe hätten wir Rotbuchen als Indikatoren, aber wir sind bis jetzt an keiner einzigen vorbei gekommen. Ergo ist das hier kontinentales Klima und das bedeutet mehrere hundert Kilometer zum nächsten Ozean.“ Geradezu schockiert sah sie zu Falkner, doch der zuckte nur mit den Schultern. „Sie hätten an der Böschung dieses Baches vor einer halben Stunde sehen können, dass wir hier einen Ascheboden haben. Dazu Eichen, Kiefern und Birken…“ Er legte eine Kunstpause ein und fügte dann mit beinahe säuselndem und süßem Tonfall hinzu: „Fünfhundert Kilometer mindestens. Also keine Müdigkeit vorschützen.“

    New York, am Tag nach Kinseys Rede vor der Vollversammlung:

    Bates beobachtete aus dem Fenster seiner schwarzen Limousine die Straße vor dem Haus, in dem sich das Apartment von Lothar von Minkwitz befand. Er befand sich in einer guten Gegend in der Nähe des Dakota-Building unweit des Central Parks in einem alten Stadthaus. Es war eine jener teuren Gegenden, in denen Männer vom Schlage des Ministers wohnten. Er fühlte sich hier nicht wohl. Sozialneid mochte ihm fremd sein, doch er hatte immer wieder das Gefühl an solchen Orten fremd zu sein, selbst wenn der Minister ihn mitnahm. Er war in den Slums des Rust Belt aufgewachsen und war ein Mann der Tat. Ein Leben hinter den Fassaden, die Bewohner solcher Gegenden nur allzu oft vor sich aufbauten, war ihm zuwider. Er wollte sich die Hände schmutzig machen dürfen. „Wir sind jetzt vor der Wohnung“, erscholl es aus dem Ohrhörer, den er trug. Nachdem der Minister ihn damit beauftragt hatte sich um seinen Widersacher zu kümmern, hatte er einige Iren angeheuert, die in Amerika ein Refugium gefunden hatten, in das sie sich zurückziehen konnten, wenn es ihnen in ihrer Heimat zu heiß wurde. Sie selbst bezeichneten sich als Freiheitskämpfer. Er hingegen nannte die Dinge beim Namen. Sie waren nichts anderes, als Terroristen. Paradoxerweise hatte der Abfall Nordirlands von Groß-Britannien nicht viel mehr bewirkt, als den alten Hass wieder aufflammen zu lassen. Nur dass es dieses mal die Protestanten waren, die mit aller Brutalität gegen die irische Regionalverwaltung, jenes Überbleibsel der irisch-republikanischen Regierung in der vereinten EU vorgingen.

    Diese Männer anzuheuern brachte einige Vorteile mit sich. Das wichtigste war, dass sie keine Ahnung hatten, für wen sie arbeiteten. Bates besaß mittlerweile große Erfahrung in dieser Art von Operationen und Kinsey konnte sich mittlerweile absolut sicher sein, dass keine Spuren zu ihm führen würden, wenn er ihm den Auftrag gab etwas zu erledigen. Die Iren hatten nun vor einigen Minuten schwer bewaffnet das Haus betreten und sich vorsichtig in die vierte Etage vorgearbeitet, in der die Wohnung des Diplomaten lag. Sie hatten jedoch noch keine Bestätigung vom Team bekommen, dass Bates auf einem nahe gelegenen Dach platziert hatte, um die Wohnung abzuhören. „Position halten. Warten sie auf ihren Einsatzbefehl.“ „Verdammt, was soll das? Heute Abend spielt Belfast.“ Bates schlug nur einmal mit der Stirn gegen das Lenkrad. Diese Leute waren Profis, die einmal im Alleingang die Polizeihauptwache von Dublin auseinander genommen hatten, doch sie Namen diesen Auftrag zu leicht. „Fußball können sie nächste Woche immer noch schauen. Und jetzt machen sie, was ich ihnen sage.“ Er wartete auf eine Meldung des Horchpostens. Nach einigen Minuten meldete der Detektiv, den er dort hingeschickt hatte: „Sagten sie nicht das wäre ein Deutscher?“ „Ist er auch. Was haben sie?“ „Keine Ahnung. Klingt fast wie indisch.“ Als er diese Worte hörte, stellten sich Bates die Nackenhaare zu berge. Er stieg aus dem Wagen und sah sich hastig um. Dann erkannte er ein Fahrzeug mit indischem Diplomatenkennzeichen. In diesem Moment sagte der Anführer der Iren: „Ich hab es satt zu warten. Wir gehen jetzt rein.“ „Nein, sie verdammter Paddy. Sofort raus da!“ Doch seine Warnung nützte nichts mehr. Er hörte über Funk die Tür splittern und das Trappeln von Stiefeln. Dann begannen die Schüsse.

    Orhan brachte eine weitere Kanne mit heißem Wasser und eine hölzerne Dose mit Darjeeling-Tee darin in den Salon und stellte sie auf die große Tafel, die darin stand. Der Salon, der zugleich den Vorraum zum eigentlichen Wohnzimmer der Wohnung darstellte, diente dem Grafen als Empfangsraum für seine diplomatischen Gäste und schien einer anderen Kultur und Zeit entsprungen zu sein. Obschon die Wohnung mit moderner Hausinfrastruktur ausgestattet war – Wolf und er hatten nach dem Angriff auf den Grafen vor etwas mehr als einem halben Jahr, den sie als persönliche Schande und versagen aufgefasst hatten, darauf bestandne modernere Sicherheitsvorkehrungen einbauen zu dürfen – war sie mit jahrhunderte alten Möbelstücken ausgestattet und Regale voller Alter Bücher zierten gemeinsam mit Kupferstichen die Wände und an der Stirnseite des Raumes war das Wappen das Familienwappen des Hausherren gut sichtbar aufgehängt. Darunter hingen zwei gekreuzte Langschwerter. Die Wohnung erinnerte in all dem mehr an eine Momentaufnahme des Stammschlosses in Holstein, das der Graf nur so ungern gegen diese Wohnung eingetauscht hatte, als seine Pflichten bei der UN verlangten, dass er dauerhaft in New York wohnte. Doch den Gast, den er an diesem Abend eingeladen hatte, schien das Ambiente nicht zu befremden.

    Parimajan Suri, Botschafter Indiens bei den vereinten Nationen, war ein langjähriger Bekannter von Lothar von Minkwitz. Man hätte bei ihnen ohne weiteres von Freunden sprechen können, doch sie lehnten diesen Begriff einheilig ab, um die nötige Distanz zwischen sich zu wahren, die es erforderte, wenn die Interessen ihrer Länder einander zuwider liefen, auch wenn diese schon längst nicht mehr existierte. Als Orhan zunächst den ersten Aufguss des Tees auf einer speziell geformten Untertasse beiseite schüttete und danach den zweiten Aufguss ausschenkte, lächelte der Inder breit und sagte: „Du verstehst es immer noch einen Gast fürstlich zu bewirten, Lothar.“ Der Graf erwiderte das Lächeln und sagte: „Ich gebe mir alle Mühe.“ Suri lachte und sagte: „Man spürt, wenn man in einem Haus willkommen ist. Gestern hat dieser Kinsey mich zu sich eingeladen und versucht mich in der aktuellen Debatte auf seine Seite zu ziehen. Er hat mir Schnaps angeboten und als er nicht mehr weiter wusste unverhohlen versucht mich zu bestechen.“ In diesem Moment konnte Orhan es sich nur mit Mühe verkneifen laut loszulachen. Der Botschafter war, ungewöhnlich genug für jemanden in seiner Position, ebenso wie die beiden Leibwächter, die ihn heute begleitet hatten, ein Sikh, was jedem halbwegs aufmerksamen Betrachter schon an den kunstvoll gebundenen Turbanen auffiel, die sie trugen. Er legte großen Wert auf tugendhafte Lebensführung, trank keinen Alkohol und besaß ein extrem ausgeprägtes Ehrgefühl. Es dürfte relativ klar sein, wie er abstimmen würde, sobald es erneut um den Fall Maybourne ging.

    Von Minkwitz machte keinen Hehl aus seiner Abscheu für das Verhalten, das der alliierte Minister an den Tag legte. Während er weiter mit Suri über die von Kinsey geforderte Resolution sprachen, verließ Orhan den Raum wieder und legte einen Kontrollgang durch die Wohnung ein. Wenn immer diplomatische Gäste anwesend waren, hatten die Dienstmädchen frei und lediglich Wolf und er befanden sich mit in der Wohnung. Während er eine permanent bei der Tür oder – je nach Vertrauen, das man dem Gast entgegenbrachte – im Salon blieb, erledigte der andere die Handreichungen und überprüfte zwischendurch die Wohnung. Er kontrollierte die Fenster entlang der äußeren Zimmer und ging dann weiter in die Diele. Dort standen Suris Leibwächter, zwei hochgewachsene Sikh, die mit ihren Turbanen noch größer wirkten, und der Däne. Orhan konnte sich nur wenige Furcht erregendere Verteidigungslinien vorstellen, als diese drei, die sämtliche Zugänge in den Raum genau im Auge behielten. Orhan wollte gerade weitergehen, als plötzlich mehrere Schüsse das Türschloss zerfetzten und die Tür aufgestoßen wurde. Drei Männer und eine Frau mit nussbraunen Haaren in dunklen Kampfanzügen und mit Gewehren in der Hand drängten in die Wohnung. Als sie die vier Leibwächter entdeckten, herrschte für einen Liedschlag Stille im Raum, während die Eindringlinge versuchten den durchdringenden Blicken ihrer vier Gegenüber stand zu halten. Dann drängten mehrere weitere Eindringlinge nach und die Schießerei begann.

    Blitzschnell hatten die Sikh großkalibrige Automatikwaffen gezogen, während Wolf eine UZI unter seinem Jackett hervorzog. In einem Schusswechsel auf kürzeste Distanz wurde einer der Sikh von mehreren Kugeln getroffen, während der Kugelhagel, den sie entfesselten, die ersten drei Angreifer förmlich zerfetzte. Orhan stürzte in den Nachbarraum und warf sich eine Schutzweste über. Dann griff er sich ein gekürztes Sturmgewehr und war mit einem Satz im Salon. Der noch lebende Leibwächter und Wolf waren mittlerweile zurückgedrängt worden, so dass zwei Angreifer die Diplomaten direkt angegriffen hatten. Doch denen fiel nicht im Traum ein zurückzutreten. Suri stellte sich dem ersten Gegner entgegen und stellte auf eindrucksvolle Weise unter Beweis, dass man sich nicht mit ihm oder seinen Glaubensbrüdern anlegen sollte, während der Graf sich eines der Schwerter gegriffen hatte, die unter dem Wappenschild hingen, und sich damit zur Wehr setzte. Orhan fiel sofort auf, dass die Angreifer nur auf die Leibwächter scharf schossen, bei den Botschaftern jedoch vorsichtig waren. Nicht, dass es eine Rolle gespielt hätte. Er sprang auf den Gegner zu, der mit Suri rang, oder vielmehr von ihm verprügelt wurde, und rammte ihm die Waffe gegen die Schläfe. Dann Drängte er den zweiten vom Grafen ab. Als sie ein freies Schussfeld hatten, machten Wolf, der Inder und er kurzen Prozess mit den anderen in der Wohnung. Er zählte schnell in Gedanken mit es waren sieben Angreifer gewesen. Keine normale Anzahl. Niemand, der sich sieben Mann leisten konnte, konnte nicht auf mehr bezahlen. Und tatsächlich hörte er Schritte die Treppe hochkommen. Er wandte sich Wolf zu und sagte: „Bring sie hier raus.“ Der Däne nickte ihm zu und drängte zusammen mit dem Inder die beiden Diplomaten zu einem Hinterausgang, den sie als Fluchtweg freigehalten hatten.

    Orhan atmete noch einmal tief durch, dann lief er auf den Flur hinaus… Und wurde beinahe von einem Kampfmesser erwischt, als er durch die Wohnungstür trat. Im allerletzten Moment bemerkte er den blitzenden Stahl und beugte den Oberkörper zurück, so dass die Waffe an ihm vorbeischnellte. Der Gegner hatte ihn nicht mit dem ersten Stich erledigt. Ein Fehler, den zu bereuen er keine Gelegenheit mehr hatte. Orhans Hand schnellte vor und schloss sich um sein Handgelenk. Dann verpasste er dem Angreifer drei schnelle Schläge in den Unterleib, die auf Nieren und Leber gezielt waren. Als er vor Schmerzen wimmernd zu Boden ging, verpasste er ihm einen Schlag, der sein Genick brach. Die Geräusche von mindestens drei weiteren Paaren schwerer Stiefel kamen die Treppe hinauf. In diesem Moment verstand Orhan, warum der Graf es bevorzugte sich mit ehemaligen Spezialeinheitlern zu umgeben. Er trat näher an die Treppe und wartete, bis die Schritte genau unter ihm waren. Dann schloss er seine Hände um das Geländer und schwang sich hinüber auf den Flur eine Etage tiefer. Drei weitere Männer in den dunklen Kampfanzügen und mit den altersschwachen, aber hervorragend gepflegten Waffen. Er bekam den ersten Gegner sofort zu Schaffen und schleuderte ihn über das Geländer nach unten. Dann packte er den Zweiten, der mit einer Pistole auf ihn schießen wollte, und drehte ihn so, dass er ihn als Schutzschild in Richtung des dritten benutzen konnte. Dabei packte er die Waffenhand, brach sie und richtete sie in einer sehr unnatürlich wirkenden Pose auf den dritten Gegner. Vier Kugeln aus drei Metern Distanz bereiteten ihm ein Ende. Der festgehaltene schaffte es sich dem eisernen Griff des Leibwächters zu entwinden und ging einige Meter auf Distanz. Orhan starrte ihn wütend an. Dann machte er einen Schritt auf ihn zu, bei dem ihm der alte Schlachtruf seiner Einheit über die Lippen kam: „Der Tod kommt mit uns!“

    Diese Worte ließen den Gegner zusammenzucken. Er versuchte noch zu schießen, doch Orhan war schneller. Er riss sein Gewehr hoch und pumpte dem Mann mehrere Kugeln in den Leib. Danach lief er die Treppe nach unten. Er sah, dass der Kerl, den er aus dem dritten Stock herunter geworfen hatte, noch lebte, allerdings schwer verletzt schien. Er lief auf die Straße hinaus und sah sich um. Eine Limousine und ein Lieferwagen starteten ihre Motoren und verschwanden. Dabei zwang eine aus dem Lieferwagen heraus abgegebene Gewehrsalve Orhan hinter einem anderen Wagen Deckung zu suchen, doch in dem Moment, den er gehabt hatte, hatte er den Mann erkannt, der am Steuer der Limousine gesessen hatte. Es war einer der Begleiter Kinseys im Hauptquartier der UN gewesen. Lachend ging er zurück ins Haus und ging zu dem verwundeten. Er holte sein Handy raus und wählte den Notruf. Während das Telefon wählte, sagte er: „Ich rufe dir jetzt einen Krankenwagen. Und bis der hier ist, werden wir uns ein wenig unterhalten. Fangen wir doch mal damit an, wer ihr seid…“

    Am darauf folgenden Tag ging Orhan durch die Straßen der Upper East Side. Er hatte den Kragen des Mantels hochgeschlagen und musterte seine Umgebung verstohlen. Acht Stunden hatten drei verschiedene Beamte des New Yorker Polizeidezernats ihn verhört. Dem ersten schien die Materie zu heiß zu sein, so dass er den Fall ganz schnell weitergereicht hatte, während der zweite offenbar irgendjemandem nicht zu pass gekommen war. Nachdem er dem dritten dann zum vierten Mal den Hergang geschildert hatte, dabei jedoch nur das Gefühl gehabt hatte, dass dieser ihm aus dieser ganzen Sache einen wie auch immer gearteten Strick drehen wollte, hatte er genervt seinen Diplomatenpass gezückt und war aus der Wache raus spaziert. Auch wenn man sein Gewehr als Beweismittel für die Ballistik beschlagnahmt hatte, hatte er sich doch relativ schnell neue Pistolen beschaffen können, so dass er sich zumindest angemessen Bewaffnet fühlte. Seine Schritte trugen ihn ins Guggenheim-Museum für moderne Kunst. An den Metalldetektoren am Eingang zeigte er den Wärtern einen gefälschten Polizeiausweis, den er vom selben Kriminellen bekommen hatte, wie die Kanonen. Die Ausweise galten zwar als Fälschungssicher, aber letztlich war New York immer noch eine Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten.

    Auf der dritten Ebene des Museums traf er von Minkwitz und Wolf. Der Diplomat betrachtete aufmerksam ein Gemälde von Claude Monet, während der Däne immer in seiner Nähe stand und wirkte, wie ein sprungbereiter Löwe. Da er nicht so ohne weiteres eine Waffe durch den Metalldetektor bekommen konnte, vermutete Orhan, dass er eine seiner Plasmawaffen aus Kunststoff und Keramik trug. Er begrüßte seinen Freund mit einer knappen Geste und ging dann zu von Minkwitz. „Wie ist es bei der Polizei gelaufen?“ „Es hätte schlimmer sein können. Aber die Sache ist eindeutig politisch. Wer immer auch dahinter steckt, hat großen Einfluss bei der New Yorker Polizei. Zumindest groß genug, um Einfluss darauf zu haben, wer in welchem Fall ermittelt.“ „Und wen hast du im verdacht?“ Orhan seufzte. Letztlich war klar, dass er nicht hoffen konnte seine Gefühle vor jemandem zu verbergen, der solche Erfahrung im Deuten von Mienenspiel hatte, wie der Graf. „Ich glaube, dass Kinsey dahinter steckt. Einer seiner Leute war am Tatort.“ „Wie sicher bist du dir?“ „Absolut.“ Von Minkwitz schwieg für einen Moment. Kinsey offen anzuprangern wäre nicht weniger Sinnlos, als zu fordern, der Mond solle aufhören zu leuchten. Schließlich sagte er: „Dann zeig ihm, dass wir uns zu wehren wissen. Aber sei Human und richte kein Blutbad an.“

    Am nächsten Tag betrat Kinsey eines der besseren Restaurants Manhattans und ging zielstrebig zu einem Tisch, der ihm in der Einladung genannt worden war. Er war etwas überrascht gewesen, dass von Minkwitz sich auf einmal mit ihm treffen wollte, doch letztlich war es für ihn nur ein Zeichen, dass der alte Mann kalte Füße bekommen hatte. Am Tisch saß jedoch nicht der deutsche Diplomat, sondern ein wesentlich jüngerer Mann von vielleicht fünfundzwanzig Jahren. In einer Gesellschaft, in der fast jeder Zweite regelmäßig Antiagatika nahm, war so etwas nur noch schwer zu beurteilen. Als der junge Mann, der ein ansehnliches Gesicht hatte, in dem im Moment jedoch keine Spur von Freundlichkeit zu erkennen war, sah, dass Kinsey stutzte, deutete er auf den freien Stuhl. „Ich freue mich, dass sie meiner Einladung gefolgt sind, Botschafter.“ „Ihre Einladung? Ich hatte erwartet von Minkwitz zu treffen.“ „Oh, der Graf ist im Moment leider unabkömmlich. Aber er bittet mich eine Angelegenheit mit ihnen zu diskutieren.“ Mit Widerstreben setzte Kinsey sich. Der Mann hatte ein südländisches Aussehen, dass er sofort mit dem Bild eines Moslem assoziierte und er hatte keine große Neigung mit so einer Person zu speisen, doch diese Sache war wichtig für ihn. Nachdem er sich gesetzt hatte, winkte der junge Mann eine Kellnerin, die offenbar von ähnlicher Abstammung war, herbei und sagte: „Topluluk uzmanlık alanı ister.“

    Kinsey runzelte die Stirn und sah ihn fragend an. „Oh“, bemühte er sich zu erklären, „ich habe nur die Spezialität des Hauses für uns bestellt. Ich habe gehört, die machen hier einen ganz hervorragenden Fisch.“ Für einen Moment saßen sie einander schweigend gegenüber. Dann sagte Kinsey: „Was wollen sie?“ Der Mann hob die Hände zu einer Geste, die Kinsey fokussierte. „Sehen sie, das ist extrem unhöflich von ihnen. Bevor man zum Geschäftlichen kommt, sollte man einen Happen zusammen Essen und einen Schluck trinken. Insbesondere, wenn man eingeladen wird.“ „Sie nehmen an, dass ich Wert auf ihre Einladung lege.“ „Sagen sie das noch mal, wenn sie den Fisch gesehen haben.“ Der junge Mann wich Kinseys Versuchen das Gespräch zu forcieren in den folgenden Minuten immer wieder aus und sprach über Belanglosigkeiten. Wäre die Angelegenheit nicht von derartiger Wichtigkeit für ihn, er wäre schon längst aufgestanden und gegangen. Aber das konnte und wollte er sich hier nicht leisten. Also resignierte er und wartete mit auf den Fisch. Zuerst war er misstrauisch, verlangte sogar einen Tausch der Teller, doch als der junge Mann beherzt zu essen begann und ihm der Geruch des Fisches in die Nase stieg, nahm er auch ein paar Bissen.

    Schließlich fragte er: „Also, worum geht es hier?“ Der Mann sah ihn an, während er sich ein weiteres Stück Fisch in den Mund schob. Nachdem er es heruntergeschluckt hatte, antwortete er: „Es geht darum, dass sie ein Attentat auf den Botschafter befohlen haben. So ganz nebenbei bemerkt zum zweiten Mal, wie wir durch General Maybourne wissen. Und das geht mir gehörig gegen den Berufsethos. Wenn eine Bedrohung für den Grafen besteht, halte ich es für meine Pflicht mich der Sache anzunehmen. Ich verdanke ihm viel. Er hat mir sogar einen Leibwächtervertrag für seine Enkelin angeboten. Ein solches Vertrauen macht ihn für mich zu mehr, als bloß einer zu beschützenden Person.“ Kinsey merkte, dass er leicht zu schwitzen begonnen hatte, schob es jedoch zuerst auf die Raumluft, die ihm sehr warm schien. „Lassen wir das Geplänkel. Seien sie jetzt einfach ein netter Junge und sagen sie ihrem Grafen, dass er aufhören soll mir in die Quere zu kommen.“

    Sofern es überhaupt möglich gewesen war, wurde das Gesicht des Mannes um eine weitere Nuance härter. Er sah von seinem Fisch auf und Kinsey direkt in die Augen. „Um eins klar zu stellen: Ich habe die Hölle, die wir türkischer Bürgerkrieg nennen, nicht überlebt, weil ich nett gewesen bin. Ich habe überlebt, weil ich bereit war bis zum Äußersten zu gehen.“ Er bemerkte ein leichtes Zucken bei Kinseys rechtem Arm. „Lassen sie das lieber. Ich war bei den Spezialeinheiten, während sie Funker auf einem Zerstörer gewesen sind und wenn ich sie mir so ansehe seit dem kein anständiges Kampftraining mehr hatten. Ich könnte über den Tisch springen und sie töten, bevor sie auch nur den Holster aufgeknüpft hätten. Und mit ihren beiden Gorillas würde ich auch fertig werden.“ Nach dem, was Bates über die Leibwächter des Grafen erzählt hatte, zweifelte Kinsey nicht an dieser Aussage. Er nahm die Hand betont langsam wieder über den Tisch und griff sich nach seiner Krawatte, um sie zu lockern. „Sehen sie“, sagte der Mann, „Ich bin nicht hier, um mit ihnen zu verhandeln. Ich bin hier, um den Standpunkt des Grafen klar zu machen.“ Er spießte ein weiteres Stück Fisch auf und hielt es sich vor die Augen. Bevor er es sich in den Mund schob, sagte er: „Das erstaunliche an Giften ist, dass der Körper eine Immunität dagegen entwickelt, wenn man ständig kleinen Dosen ausgesetzt ist. Ich bin in den Gedekondus – Slums, wie sie es wahrscheinlich nennen würden – von Istambul aufgewachsen. Ein Chemieunternehmen hat auf einem Grundstück des Geländes heimlich Abfälle verklappt. Wir haben uns immer über die vielen Kranken gewundert, aber ein gutes hatte die Sache auch. Was sie gerade spüren, sind die Auswirkungen eines Insektengiftes mit dem schönen Handelsnamen Ceronium. Das schöne daran ist, dass ich mindestens ein Dutzend dieser wunderbaren Fischgerichte essen müsste, bevor ich etwas spüre. Bei ihnen sieht das etwas anders aus.“

    Orhan erhob sich von seinem Platz, während Kinsey, der ihn mit wütendem Blick fixierte, sich vor Schmerzen krümmte. „Also, Herr Minister, sie werden in den nächsten fünfzehn Minuten eine Herzattacke erleiden. Ich hoffe, dass sie sich nicht zu ungesund ernährt haben, denn ansonsten könnte es unbeabsichtigte Komplikationen geben. Schließlich habe ich sehr zu meinem Bedauern nicht den Auftrag sie dauerhaft zu schädigen. Was die Sache mit Maybourne angeht: Schlagen sie sie sich lieber aus dem Kopf.“ Er beugte sich runter und flüsterte ihm zu: „Und wenn wir noch ein einziges Mal aneinander geraten, wird einer von uns es nicht überleben. Und ich werde es nicht sein. Fassen sie das als versprechen auf.“ Er richtete sich wieder auf, ging zur Gaderobe und holte seinen Mantel. Auf dem Weg nach draußen warf er der vermeintlichen Kellnerin, einer verdeckten Ermittlerin des syrischen Geheimdienstes, die er von früher kannte und die ihm kurzfristig ausgeholfen hatte, einen Kussmund zu, während Kinsey am Tisch von seinem Stuhl fiel und seine Leibwächter zu ihm heranstürzten, um ihm zu helfen. Um die Abstimmung würde man sich wohl keine Sorgen mehr machen müssen.
    Die Freiheit des Bürgers heißt Verantwortung.

    (Joachim Gauck)


    "You may belong to any religion[...] - that has nothing to do with the buisness of the state. We are starting with this fundamental principle, that we are all citizens and equal members of one state." (Sir Mohammed Ali Jinnah)

    Meine FF:

    Laufend: 2036 - A Union at War

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  23. #18
    dumm geboren und nix dazugelernt:P Avatar von Santanico Pandemonium
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    oO, eineinhalb Stunden zu spät, das lassen wir aber nicht zur Gewohnheit werden gelle
    und: SKANDAL: ich habe einen Rechtschreibfehler gefunden!! Unglaublich, was für eine Zumutung

    Und zur Story: war ja klar dass Kinsey Junior eins auf den Deckel kriegt, wenn dem seine Praktiken mal rauskommen (am besten kurz vor der Wahl) gehts ihm an den Kragen. War wieder gut geschrieben das ganze.
    Frag mich dann nur was es mit der Mission im Perseus auf sich hat. Nur sehr erstaunich dass es dort auch Rotbuchen usw gibt, ist immerhin ein anderer Planet... Von den irdischen Gegebenheiten auf solche auf anderen Planeten zu schließen ist schon gewagt (Entfernungder Küste etc)
    WEIR: ... putting your life and other people's lives at risk. You destroyed three quarters of a solar system!
    McKAY: Well, five sixths. It's not an exact science.
    WEIR: Rodney, can you give your ego a rest for one second?

    Ein Jahr später:
    Spoiler 
    CARTER: About a year ago, your brother came across an abandoned alien experiment called Project Arcturus.
    CARTER: It was an attempt to generate zero point energy.
    JEANIE: That would be virtually limitless power. What happened?
    McKAY: A slight problem. It was the creation of exotic particles in the containment field.
    CARTER: He destroyed a solar system.
    JEANIE: Meredith! (She smacks his arm.)
    McKAY: It was uninhabited!

  24. #19
    Gehasst, Verdammt, Vergöttert Avatar von Colonel Maybourne
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    Hast dich ja bei dem Kapitel von Babylon A.D. inspieren lassen, vor allem, was dass neue New York angeht...
    Es bleibt nur zu hoffen, dass der Rest der Welt nicht so aussieht, wie es die Vision in dem Film gewesen ist.

    Und was Europa angeht, da kann man sagen, dass es wie in unserem jetzigen aussieht, wenn auch nicht ganz so perfekt.
    Es hat ja immerhin einen Türkischen Bürgerkrieg gegeben, der auch ziemlich heftig war...
    Gehört eigentlich auch ganz Sibirien zur Europäischen Union und was ich noch wissen wollte, was ist mit der Schweiz?
    Sie scheinen ja unabhängig zu sein, gilt das denn auch für Norwegen und gibt es noch weitere unabhängige Europäische Nationen?

    Zu guter letzt kan ich sagen, dass es wieder ein sehr gutes Kapitel war und nur noch das Schicksal von Jules offen ist.

    Bis dann.
    Das Leben ist ein Schwanz und wir die Eier, die mitgeschleift werden.


    Meine aktuellen Fanfiction:


    TGE Combined Season 1 Fire of War:

    http://www.stargate-project.de/starg...ad.php?t=11836




  25. #20
    Autor der ungelesenen FF Avatar von Protheus
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    Also, dann gebe ich diese Informationen mal außerhalb der Story raus :

    @Santanico Pandemonium: Die Sache mit Perseus war ursprünglich als Nebenhandlungslinie für diese Episode gedacht, um den Konflikt mit Dumuzi voran zu treiben. Was Fagus Sylvatica, zu Gutdeutsch die Rotbuche, angeht, so ist sie die Zeigerpflanze für gemäßigte Klimate mit ozeanischen oder semikontinentalen Einflüssen. Und ja, sie wächst auch auf anderen Planeten. Oder ist dir die aufgefallen, dass alle Wälder, durch die SG1 in der Fernsehserie stratzt, mit irdischen Gewächsen angefüllt sind? Ich habe ja eine Erklärung dafür zu bringen versucht, als ich in der Vorgeschichte von den Auswirkungen des Sternentornetzwerkes auf die Galaxie geschrieben habe. Darin heißt es, dass die Antiker beim Versuch neuen Lebensraum für sich zu schaffen durch die Tore hochaggressive Terraformingorganismen eingesetzt haben, um die Umwelt möglichst vieler Planeten ihren Vorstellungen anzupassen. Und dabei ist auch die Rotbuche verbreitet worden .

    @Colonel Maybourne: Jup, die Inspiration für New York kam aus Babylon A.D. Meiner Meinung nach einer der besten SF-Filme des letzten Jahrzehnts. In Sachen EU ist zu sagen, dass sie die heutigen Mitgliedsstaaten, Norwegen, Russland bis hin zur Beringstraße, Weisrussland, die Ukraine, die Türkei, die Balkanstaaten und die Kaukasusstaaten (Georgien, Armenien, Aserbaidschan) umfasst. Die Schweiz, Liechtenstein und Island sind noch unabhängig. Ein Versuch der Kurden während des türkischen Bürgerkrieges (Ausgebrochen, nachdem die Kemalisten in Istanbul unfähig gewesen waren das Land zusammenzuhalten, als Ankara von den Ori zerstört worden war und die Islamisten nach der Macht griffen. Beendet nach einem Eingreifen der EU zu Gunsten der Kemalisten) einen eigenen Staat zu gründen, wurden im Keim erstickt.

    Insgesamt bedeckt sie also über fünfzehn Prozent der Landflächen der Erde und hat zwischen 0,75 und 1 Milliarde Einwohner. Wirtschaftlich weist sie einige regionale Disparitäten auf, was bedeutet, dass Westeuropa als die am dichtesten besiedelte Region einen HDI (Human Development Index, Messwert der Lebensqualität) von ca. 0,95, die am wenigsten entwickelte Region (Kamtschatka) einen von 0,801 hat. Im Schnitt liegt er bei 0,876, was ungefähr dem heutigen Lebensstandard auf Malta oder in Ungarn entspricht. In einigen Regionen Osteuropas, wie z.B. Sankt Petersburg, Moskau oder Tiflis, liegt er auch deutlich über den 0,9, aber nur in den 'Kernstaaten' der EU von 2005 liegt er flächendeckend so hoch. Zum Vergleich: Der HDI wird auf einer Skala von 0 bis 1 angegeben. Ab 0,8 gilt ein Staat als hoch entwickelt. Deutschland hatte 2007 einen HDI von 0,935. Für diese Region hat also in meiner FF bis 2034 sogar eine Steigerung statt gefunden.

    Und Jules... Tja, über sie wird noch nichts verraten. Nur über ihren Sohn. Aber nur in der Geschichte. Leider wurde die Episode zu lang, weshalb ich darauf verzichtet habe die restlichen Absätze für die Mission der beiden Teams dran zu hängen. Die sind jetzt einfach an den Anfang des nächsten Kapitels verschoben.

    Ansonsten vielen Dank für die Kritiken.
    Geändert von Protheus (02.06.2009 um 21:13 Uhr)
    Die Freiheit des Bürgers heißt Verantwortung.

    (Joachim Gauck)


    "You may belong to any religion[...] - that has nothing to do with the buisness of the state. We are starting with this fundamental principle, that we are all citizens and equal members of one state." (Sir Mohammed Ali Jinnah)

    Meine FF:

    Laufend: 2036 - A Union at War

    Abgeschlossen: 2034 - Das neue Sternentor

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