Dankeschön, liebe Evaine, für's "Danke". (Irgendwie wird das hier immer weniger ... *seufz*) ;)
Kapitel 15: Fortschritte
HMAS Hammersley, 16:40 Uhr, erste Hundewache, Heimathafen
Mit gemischten Gefühlen betrat EJ die Gangway, die aufs Schiff führte. Einerseits freute sie sich, dass sie wieder gesund war, andererseits fürchtete sie sich aber auch vor der Reaktion ihrer Schiffskameraden. Wie würde man sie wohl aufnehmen? Würde man ihre Rückkehr an Bord überhaupt bemerken? Wie sollte sie sich den anderen gegenüber verhalten?
Unwillkürlich wurden ihre Schritte langsamer, je weiter sie hinaufging. Mit einem Blick umfasste sie die Brücke, die Aufbauten und die Beiboote, und plötzlich wurde ihr klar, wie sehr sie das alles vermisst hatte. Hier fühlte sie sich heimisch, hier gehörte sie hin. Mit einem Mal wurde ihr Schritt fester und ihre Haltung aufrechter. Ein breites Lächeln erhellte ihr Gesicht, als sie das Deck betrat und salutierte.
Es war nun fünf Wochen her, seitdem sie angeschossen worden war. Sie hatte die Zeit an Land genutzt und sich über die rechtlichen Schritte informiert, die eine Scheidung einleiten würden. Es würde nicht leicht werden, solange ihr Mann sein Einverständnis verweigerte, aber unter bestimmten Umständen war es möglich, auch ohne dieses von ihm geschieden zu werden. Dazu gehörte unter anderem auch die Tatsache, dass Steve wegen eines tätlichen Angriffs auf sie verurteilt worden war.
Noch hatte EJ die Scheidung nicht eingereicht, aber sie hatte sich bei einem Anwalt des sozialen Dienstes der Navy Rat eingeholt. Man hatte ihr jede Unterstützung zugesagt, die sie benötigen würde. Doch die Angst, dass er seine Drohung wahr machen würde, saß immer noch tief.
Ein weiterer Schritt in ein normales Leben war es gewesen, sich an eine Psychotherapeutin zu wenden. EJ hatte es endgültig satt, voller Misstrauen und in ständiger Angst zu leben. Sie würde es aber kaum alleine schaffen, sich von dem Trauma ihrer Ehe zu befreien. Die intensiven Sitzungen, die sie bereits hinter sich hatte, trugen dazu bei, dass sie sich nun schon sicherer im Umgang mit Männern fühlte, aber sie war auch davor gewarnt worden, zu viel von sich zu verlangen. Es würde noch eine ganze Weile dauern, bis sie ihre Erlebnisse verarbeitet hätte.
Sie wandte sich in Richtung des Schotts, das ins Innere des Schiffes führte, als dieses aufgerissen wurde und Bomber herausgestürzt kam.
„EJ“, quietschte sie begeistert. „Endlich! Geht es Dir gut? Toll, dass Du wieder da bist!“
EJ ließ ihre Tasche fallen und fing die Köchin auf.
„Hey, renn mich nicht gleich um“, lachte sie dabei.
Sie umarmte die Freundin fest und ließ dann zu, dass diese ihre Tasche aufnahm.
„Ich bin wieder völlig fit“, erklärte sie ihr, als sie ins Schiffsinnere gingen. „Schließlich hatte ich ja auch lange genug Zeit, mich zu erholen.“
„Ich hab Dich schrecklich vermisst“, gab Bomber zu. „Allein in der Kabine war es furchtbar langweilig.“
„Ja, klar doch. Du hast ja schließlich noch nie allein in der Kabine gewohnt“, gab EJ ironisch zurück.
„Ach, Du weißt doch, wie ich das meine“, entgegnete Rebecca und knuffte sie leicht in die Schulter.
Das Gesicht zu einer Grimasse verzerrend hielt EJ sich die Stelle und stöhnte übertrieben auf. Erschrocken sah Bomber sie an, aber dann sah sie das Grinsen, das sich auf das Gesicht ihrer Freundin stahl.
„Oh, verdammt, jag mir gefälligst nicht so einen Schrecken ein“, schimpfte sie los. „Ich dachte schon, ich hätte Deine Verletzung erwischt.“
„Von der ist kaum mehr was zu spüren“, beruhigte EJ sie. „Es macht mir eben Spaß, Dich ein wenig aufzuziehen.“
„Das merke ich. So was bin ich gar nicht von Dir gewöhnt.“
„Ist für mich auch noch ungewohnt, aber ich übe“, grinste sie ihre Freundin an und die Köchin lachte los.
„Also, zum Üben wirst Du noch viel Gelegenheit haben. Ich bin mal gespannt auf die Gesichter der Jungs, wenn Du auf die Art loslegst.“
EJ sah sie etwas zweifelnd an, aber dann musste sie ebenfalls lachen.
„Ich muss leider wieder an die Arbeit“, meinte Bomber, als sie sich wieder beruhigt hatte. „Ich muss noch prüfen, ob wir alle Vorräte an Bord haben.“
„Soll ich Dir helfen?“, bot EJ sofort an, aber die Köchin schüttelte den Kopf.
„Nein, Du meldest Dich besser gleich beim CO. Außerdem ist es Dein erster Abend zurück an Bord. Pack Deine Sachen aus und gewöhn Dich wieder ein.“
„Wie Du meinst, Bomber. Ich seh’ Dich später“, nickte die junge Frau und ging zu ihrer Kabine, während Rebecca in Richtung Kombüse verschwand.
Nachdem sie ihre Tasche ausgepackt und die Sachen im Schrank verstaut hatte, machte EJ sich auf den Weg zu Mike. Die Tür zum Schiffsbüro stand offen und sie klopfte höflich an.
„Ja? Oh, EJ. Schön, dass Du wieder da bist“, sagte er erfreut, als er sah, wer ihn sprechen wollte.
„Seaman Kingston meldet sich zurück an Bord“, salutierte sie, entspannte sich dann aber und lächelte ihn an. „Ja, es ist schön, wieder an Bord zu sein, Sir.“
„Lass den „Sir“ mal für einen Augenblick weg“, lächelte er zurück. „Wie geht es Dir? Bist Du wieder okay?“
„Es geht mir bestens, Mike, danke der Nachfrage. Diese Auszeit hat mir in jeder Hinsicht gut getan.“
Er blickte sie prüfend an und nickte dann.
„Ja, das kann ich sehen. Du siehst toll aus.“
Sie lachte auf.
„Nun übertreib mal nicht. Erholt vielleicht, das lasse ich noch gelten, aber „toll“? Nein, Mike, das wäre doch zu viel behauptet.“
Er sah sie fasziniert an. In der Frau, die vor ihm stand, erkannte er den Teenager von damals wieder. Sie musste in den letzten Wochen, als er mit der Hammersley auf See gewesen war, sehr an sich gearbeitet haben. Sie deutete seinen Blick richtig und wurde ernst.
„Ich wollte mich nicht nur zurückmelden, sondern Dich auch darüber in Kenntnis setzen, dass ich mich an den sozialen Dienst gewandt habe“, erklärte sie ihm. „Ich bin derzeit in psychologischer Behandlung und werde jedes Mal, wenn wir wieder hier sind, weitere Sitzungen haben. Ich hoffe, es stört Dich nicht?“
„Ganz im Gegenteil, ich finde es großartig, dass Du Dich dazu entschlossen hast, Hilfe zu suchen.“
„Ich werde auch Deine Hilfe brauchen“, fuhr sie etwas unsicherer fort.
„Wobei denn? Du weißt, dass Du jederzeit auf mich zählen kannst.“
„Ich habe mich fast dazu durchgerungen, die Scheidung einzureichen“, erklärte sie ernst.
„Dabei kann Dir aber ein Anwalt besser zur Seite stehen als ich ...“, wandte Mike ein, aber sie unterbrach ihn sogleich.
„Nicht diese Art von Hilfe. Ich war bereits bei einem Anwalt und habe mich informiert. Nein, ich meinte eher ... moralische Unterstützung.“
Ihre Stimme war leise und unsicher geworden, aber Mike legte ihr die Hand auf die Schulter und drückte sie aufmunternd.
„Natürlich werde ich für Dich da sein, keine Frage. Wir werden das schon durchstehen.“
„Ich ... ich kann einfach seine Drohung nicht vergessen ...“
„Er wird Dir nichts tun können, EJ. Hier an Bord bist Du sicher“, beruhigte er sie und nahm sie kurz in den Arm.
Sie löste sich wieder von ihm und sah ihn dann an.
„Danke, Mike. Für alles ...“
„Jederzeit, EJ“; nickte er. „Vergiss das nie.“
Als die junge Frau die Kabine wieder verließ, stieß sie an der Tür fast mit der XO zusammen, der sie mit einem entschuldigenden „Ma’am“ auswich. Kate sah ihr verwundert nach und blickte dann zu Mike, der sie etwas wehmütig anlächelte.
„Was war denn das?“, fragte sie und betrat den Raum.
„Familiengeheimnisse“, erklärte er ihr rätselhaft und schüttelte den Kopf, als sie ihn fragend ansah. „Kümmern wir uns lieber um das Schiff, damit wir rechtzeitig auslaufen können“
***
Der Alltag holte EJ schnell wieder ein. Sie merkte rasch, dass es ihr nicht mehr so schwer fiel, auf die Scherze und Neckereien der anderen einzugehen. Zwar verhielt sie sich noch immer zurückhaltend, aber sie schottete sich nicht mehr ab. Ihre Therapiesitzungen hatten ihr in dieser Hinsicht bereits sehr geholfen.
Immer wieder bekam sie zu hören, dass man sie vermisst hatte. Vielen war erst, als sie nicht mehr da war, aufgefallen, wo sie überall, ohne zu fragen, mit angepackt hatte. Dies ging von kleinen Handreichungen bei Reparaturen über geflickte Kleidung bis zum Kaffee, den sie der Wache ungefragt auf die Brücke gebracht hatte. Zudem hatte sich die Mannschaft bereits an die regelmäßigen Massagen gewöhnt gehabt. Swain hatte sich mehr als einmal gewünscht, auf ihre Unterstützung zurückgreifen zu können. Davon hatte er ihr aber bereits bei seinen Besuchen im Krankenhaus erzählt. Er war sogar so weit gegangen, zu fragen, ob sie sich nicht für den medizinischen Dienst weiterbilden wolle. Das hatte sie zwar abgelehnt, aber sie behielt diese Option für sich im Auge. Wer wusste schon, was die Zukunft bringen würde?
Am Wohlsten fühlte EJ sich immer noch in der Gesellschaft von Bomber, Swain und Buffer. Der Bootsmann hatte sie ebenfalls, wie die beiden anderen, während ihres Krankenhausaufenthaltes besucht. Er hatte sie mit Geschichten aus dem Schiffsalltag unterhalten und sie so manches Mal zum Lachen gebracht. Seine freundliche Art hatte ihr ein beruhigendes Gefühl gegeben. Er schien wirklich besorgt um ihr Wohlergehen und verhielt sich in keiner Weise aufdringlich. Als die Hammersley ohne sie wieder auf Fahrt ging, hatte sie seine Besuche sogar vermisst.
EJ wurde derselben Wachmannschaft zugeteilt wie zuvor. Mit Spider, Buffer und Swain kam sie bestens klar, das zeigte sich auch in der Zusammenarbeit bei Entermanövern oder Missionen an Land. Was die Arbeit anbelangte, hatte sie vollstes Vertrauen zu ihren Kameraden. Ganz allmählich lernte sie nun, ihnen auch außerhalb des Dienstes zu vertrauen. Sie bemerkte, dass Swain und Buffer immer ein Auge auf sie hatten, wenn sie in Gesellschaft waren. Das fand sie erstaunlicherweise äußerst beruhigend, und so kam sie allmählich immer mehr aus sich heraus.
Mit jeder weiteren Therapiesitzung verarbeitete sie ein weiteres Stück ihrer Vergangenheit. Es war nicht einfach, sich selbst eingestehen zu müssen, welche Fehler sie begangen hatte. Sie erkannte, wie falsch es gewesen war, so lange an ihrer Ehe festzuhalten. Ihre Angst vor dem Alleinsein hatte da eine sehr große Rolle gespielt. Sie hatte sich zwar in der Zwischenzeit daran gewöhnt, auf sich selbst gestellt zu sein, aber das hatte sie viel Kraft gekostet. Allmählich schälte sich heraus, dass der Unfalltod ihrer Eltern, als sie erst fünf Jahre alt gewesen war, zu dieser Angst geführt haben musste. Sie war zu klein gewesen, um zu begreifen, dass ihre Eltern sie nicht absichtlich im Stich gelassen hatten. Die Schwester ihres Vaters hatte sie aufgenommen und sich um sie gekümmert, aber sie war schon nicht mehr die Jüngste und ohne die Nachbarn wäre EJ sehr einsam gewesen. Sie hatte sich mehr bei den Flynns als zu Hause herumgetrieben. Dann war Mike, für den sie damals sehr geschwärmt hatte, zur Navy gegangen. Wieder hatte sie sich im Stich gelassen gefühlt und musste einen Verlust ertragen.
Schließlich, sie war 17 und hatte gerade mit dem College begonnen, verstarb ihre Tante und hinterließ ihr ein wenig Geld, das gerade dazu ausreichte, die Schule zu beenden. Erneut war EJ verlassen worden und dies mochte der Grund dafür gewesen sein, dass sie Steve geheiratet hatte. So viele Verluste - es war kein Wunder, dass sie sich an ihren Mann geklammert hatte, obwohl er sie misshandelte.
Doch nun sollte damit Schluss sein. Eines Tages nahm sie all ihren Mut zusammen und machte einen Termin mit dem Anwalt, der sie bereits beraten hatte. EJ wies ihn an, die Scheidung so bald wie möglich einzureichen. Sie wollte mit dem Mann, der sie geschlagen, missbraucht und ihr Kind getötet hatte, nichts mehr zu tun haben und hoffte, ihn nie wieder sehen zu müssen.
Landurlaube waren EJ noch immer nicht geheuer. Wenn das Schiff in einem fremden Hafen lag, blieb sie am liebsten an Bord. Allerdings wollten ihre Kameraden bald nichts mehr davon hören und zwangen sie mit sanfter Gewalt, sich ihnen anzuschließen. Bomber gelang es als Erster, ihre Freundin zu überreden, mit an Land zu kommen. Zuerst war es nur ein Bummel über den örtlichen Markt, dann der Besuch touristischer Attraktionen und eines Abends kam EJ dann mit in eine Bar, in der sich die Mannschaft traf. Ihre Kameraden ließen nicht zu, dass sich ihr jemand Fremdes näherte, und bald verflog ihre Unsicherheit und sie genoss das Zusammensein mit ihren Freunden.
Das Einzige, was ihr an diesen Abenden an Land unangenehm war, war die Tatsache, dass die Seeleute dabei ordentlich becherten. Zu sehr erinnerte es sie an die Ausfälle, die Steve dann immer gehabt hatte. Alkohol war ihr ein Gräuel, weshalb sie sich auch regelmäßig verabschiedete und aufs Schiff zurückkehrte, bevor sie in Panik geraten konnte. Diesen Punkt zu verarbeiten, war ihr noch nicht wirklich gelungen. Allerdings musste sie zugeben, dass die Schiffskameraden, obwohl der Alkohol auch ihr Verhalten veränderte, niemals in irgendeiner Weise ausfallend oder gar gefährlich wurden. Ganz allmählich lernte sie, zu akzeptieren, dass sie auf diese Art die Spannungen abbauten, die der harte und oft gefährliche Dienst entstehen ließ. So manches Mal beobachtete sie lächelnd, dass einer der Männer mit einem Mädchen verschwand und erst am nächsten Morgen aufs Schiff zurückkehrte.
Die Arbeit machte EJ viel Freude. Sie mochte die See, die Kameradschaft auf der Hammersley und das Wissen, etwas zum Wohlbefinden der Mannschaft beizutragen, indem sie regelmäßig Massagen verabreichte. Trotz ihres ausgefüllten Arbeitstags hatte sie noch genügend Freizeit, die sie nun nicht mehr allein in der Kabine verbrachte. Die Jungs brachten ihr das Pokern bei, aber nachdem sie einen Abend lang nur verloren hatte, gab sie das Glücksspiel lieber wieder auf. Zu ihrer Überraschung entdeckte sie, dass Buffer Schach spielte. Sie verbrachten manche Freiwache in der Offiziersmesse und spielten gegeneinander, wobei mal der eine, mal der andere gewann, da sie ungefähr die gleiche Spielstärke hatten. Was EJ nicht bemerkte, war die Tatsache, dass Pete sie beim Spiel unverwandt betrachtete und dabei ein seltsames Leuchten in den Augen hatte. Es fiel aber einigen ihrer Kameraden auf und bald wurden insgeheim Wetten darüber abgeschlossen, ob oder wann er sich ihr erklären würde. Erst, als Swain davon Wind bekam, hörten die Spötteleien auf.
Buffer fiel es zunehmend schwerer, sich von ihr fernzuhalten. Er hatte fasziniert ihre Entwicklung beobachtet und es gefiel ihm sehr, was er sah. Er verliebte sich mehr und mehr in die junge Frau, deren Vertrauen er jedoch nicht enttäuschen wollte. Ihm war klar, dass sie in ihm nur einen Freund sah, auf den sie sich verlassen konnte. Wehmütig dachte er daran, dass es ihm schon einmal mit einer Frau an Bord so ergangen war. Irgendwie schien er kein Glück zu haben, was Beziehungen anging. Zuerst war da Nav gewesen, in die er sich verliebt hatte. Sie jedoch hatte nur Augen für ET gehabt, mit dem sie nun zusammen war, was jeder an Bord wusste, aber offiziell ignorierte. Die beiden schafften es auch spielend, ihre Beziehung aus dem Bordalltag auszuschließen. Niemand hätte auf den Gedanken kommen können, dass hier irgendjemand bevorzugt würde. An Bord war Nav einfach nur ETs Vorgesetzte. An Land jedoch ...
Nikki war immer noch eine gute Freundin, aber Buffer hatte aus Respekt und Liebe zurückgesteckt. Für ihn war es selbstverständlich, ihr Glück über das seine zu stellen. Er hatte sich dann mit flüchtigen Beziehungen abgelenkt, hier und da versucht, mehr daraus zu machen und bei der einen oder anderen gedacht, dass sie die richtige wäre. Sie waren es nie gewesen. Seine letzte Freundin, Monica, hatte sein Vertrauen sogar ziemlich ausgenutzt und war mit einem anderen Mann, den er nicht einmal kannte, in Urlaub gefahren. Als sie zurückgekommen war und ihn anrief, hatte er sich gerade in einer sehr brenzligen Lage befunden und sie hatte ihn mit ihrem Anruf in höchste Lebensgefahr gebracht. Immer wieder sagte er sich, dass sie das nicht hatte wissen können, aber dennoch war die Beziehung daran zerbrochen. Danach hatte er von festen Verbindungen die Nase voll gehabt. Er hatte seine wiedergewonnene Freiheit ausgiebig gefeiert. Das war auch der Grund dafür gewesen, dass er sich bei der Blutspende nicht sicher gewesen war. Er hatte es nicht so deutlich sagen wollen, aber er war sicher, dass EJ verstanden hatte, worauf er anspielte. Bei einem seiner Besuche im Krankenhaus hatte sie ihm nämlich mitgeteilt, dass er seinen nächsten Bluttest beruhigt machen könne, denn er sei „sauber“. Das hatte wohl eine Untersuchung ihres eigenen Blutes ergeben. Er war heilfroh darüber, nicht wegen seiner eigenen Gesundheit, sondern, weil er ihr keine Krankheit mit übertragen hatte.
Am Schwersten fiel ihm die Zurückhaltung dann, wenn er an Land war und etwas getrunken hatte. Er achtete genau darauf, wer sich ihr näherte und griff ein, wenn er merkte, dass sie sich bei einer Begegnung mit einem Fremden unwohl fühlte. Sie war nun nicht mehr so scheu und knüpfte langsam auch Kontakte außerhalb des Bootes. Es gefiel ihm nicht, aber er wusste, wie wichtig es für sie war. Ein weiterer Schritt in ein „normales“ Leben. Nachdem er sie jedoch eines Abends „gerettet“ hatte, indem er behauptete, sie sei „sein Mädchen“ und der andere möge sie doch bitte in Ruhe lassen, hatte er betroffen registriert, dass sie vor ihm zurückgewichen war. Es hatte ihn verletzt, dass sie ihn auf diese Weise mit ihrem Mann gleichsetzte und er hatte sich mit einer gemurmelten Entschuldigung abgewandt. Was er nicht mehr hatte sehen können, war ihr erschrockener Blick, und auch ihr geflüstertes „Es tut mir leid“ hatte er nicht gehört.
EJ war an diesem Abend klar geworden, wie sehr sie sich an Buffers unaufdringlichen Schutz gewöhnt hatte. Ihr Zurückweichen war rein instinktiv erfolgt und hatte mit dem Mann selbst überhaupt nichts zu tun. Sie hatte ihn nicht auf diese Weise brüskieren wollen. Es hatte nur daran gelegen, dass er nach Alkohol gerochen hatte und sie davor noch immer automatisch zurückschreckte. Es würde wohl noch lange dauern, bis sie diese Konditionierung durchbrechen konnte, falls ihr das jemals gelingen würde.
tbc.