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Thema: Zwei Minuten/ Verhandlungssache

  1. #1
    Staff Sergeant Avatar von MariLuna
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    03.03.2009
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    Standard Zwei Minuten/ Verhandlungssache

    Serie: SGA
    Rating: PG-13
    Genre: Romanze, Humor, Slash
    Hauptcharaktere: Rodney McKay, John Sheppard, Evan Lorne
    zeitliche Einordnung: 3. Staffel, aber nur, weil Rodney bei Carter in der Arrestzelle und bei Woolsey in der Psychiatrie gelandet wäre!
    kurze Inhaltsangabe:
    Zwei Geschichten, die aufeinander aufbauen, daher hier in eine zusammengequetscht -Zwei Minuten: können unglaublich lang werden und alles nur peinlicher werden lassen, vor allem, wenn je-mand wie McKay ins Spiel kommt … aus der Sicht von Major Lorne
    Verhandlungssache: McKay hätte gerne zwei Bilder von Major Lorne, doch die Verhandlungen erweisen sich als ziemlich hartnäckig

    Disclaimer: Stargate atlantis=Eigentum von MGM
    ich verdiene nix damit, nur aus Spaß an der Freude


    Zwei Minuten


    Momentaufnahmen.
    Details, die er sein ganzes restliches Leben nie wieder vergessen würde.
    Eine Schweißperle, die sich ihren Weg über Haut bahnte, dabei eine dunkle Spur im hellen Sand hinterließ, bis sie in einer braunen Haarsträhne hängenblieb.
    Haar, das von einem dunklen Army-Tuch verdeckt wurde.
    Das Tuch, das im Nacken mit einem Knoten zusammengebunden war – in Marine-Manier, obwohl dieser Mann kein Marine war.
    Der feine, weiße Sand, der wie Mehl an Schläfen und Haaransatz klebte.
    Der leichte blaue Schimmer, mit dem sich die Schläfenader unter der Haut abzeichnete.
    Die halbgeschlossenen, tiefblauen Augen.
    Finger, an denen der Sand klebte, die in einer unendlich sanften Berührung die Kieferknochen des anderen nachfuhren.
    Ein Kuß, der zwei Menschen miteinander verband, erzwungen von dem einen, von dem niemand – aber wirklich niemand!! – in Atlantis ein solches Verhalten erwartet hätte und aufgezwungen demjenigen, der sonst lieber mit Ex-aufgestiegenen Priesterinnen und Eremitinnen in Zeitblasen anbandelte und von dem das weibliche Personal von Atlantis gerne einmal einen solchen Kuß erhalten hätte.
    Mit dem einen Unterschied, dass diesmal nicht er die Kontrolle hatte sondern jemand anderes.
    Jemand, dem man es am allerwenigsten zugetraut hätte.
    Major Evan Lorne stand am Sternentor und bemühte sich wie alle anderen um wenigstens etwas Ähnliches wie Contenance. Seine gute Erziehung, sein Anstand schrie ihm zu, dass er sich gefälligst umdrehen oder wenigstens nicht so starren sollte, doch das war unmöglich.
    Er gaffte genauso wie alle anderen. Genauso wie Teyla und Ronon, die der Szene sogar noch ein wenig näher stan-den, genauso wie Chuck und die anderen Techniker oben an den Konsolen, genauso wie die ande-ren vier Marines, die neben Lorne standen und ganz genauso wie Dr. Weir, die von allen wohl das entgeisterste Gesicht machte.
    Zumindest die ersten zehn Sekunden lang, danach konnte man förmlich sehen, wie sie die passenden Worte für die Standpauke zusammensuchte, die sie einem der beiden definitiv gleich halten würde. Und ihrer Miene nach zu urteilen würden einige sehr unschöne Worte fallen.
    Doch trotz allem, trotz dieser Ungeheuerlichkeit, dieser Missachtung sämtlicher Regeln, ließ man McKay gewähren, denn dieser Kuß brachte etwas fertig, was den Ärzten und Sanitätern nicht gelang – Colonel Sheppard hielt still.
    Er schlug nicht mehr um sich, wehrte sich nicht mehr gegen die Ärzte, schimpfte, fluchte und tobte nicht mehr wie ein verletzter Berserker. Stattdessen hing er in diesem unverschämten Kuß, gefangen wie eine Fliege im Spinnennetz, ohne Fluchmöglichkeit, ohne Chance, sich zur Wehr zu setzen, ja, noch nicht einmal protestieren konnte er, nicht bei der fremden Zunge, die sich ihm so vehement zwischen die Mandeln schob.
    Seine Hände krampften sich zwar noch immer in den Rücken des anderen, vergruben sich tief, doch sie bekamen nicht mehr als dessen schusssichere Weste zu fassen, fügten also keine Schmerzen zu, sondern wirkten letztendlich nur furchtbar hilflos.
    Und das war er auch.
    Hilflos.
    Ausgeliefert.
    Schamlos ausgeplündert, allen Blicken feilgeboten.
    In seinen weit aufgerissenen Augen lag alle Wut dieser Welt, zusammen mit dem gnadenlosen Versprechen, McKay dafür, wenn das hier vorbei war, sämtliche Knochen zu brechen, ihn zu ertränken, zu erwürgen, den Genii für ihre Atomtest zur Verfügung zu stellen, den Wraith zum Fraß vorzuwerfen …
    Und genau das war es, was ihn ablenkte.
    Von den Schmerzen und der Angst.
    Von den herumwuselnden Medizinern, die sich noch hier an Ort und Stelle, direkt vor dem Stargate, durch das sie erst vor wenigen Minuten getaumelt waren, bemühten, diesen Käfer, der sich knapp oberhalb seines linken Knies festgehakt hatte, zu befreien. Diesmal war es zwar kein Iratus-Käfer, doch dieser hier schien noch unangenehmer zu sein, denn er wollte sich regelrecht im Fleisch des Colonels vergraben, hineinkriechen, als wäre dies ein warmes, gemütliches Nest.
    Man mute ihn buchstäblich herausschneiden und Lorne wurde schon allein vom Zusehen ziemlich mulmig. Wie gut, dass sie alle jetzt etwas anderes hatten, worauf sie ihre Aufmerksamkeit richten konnten.
    Etwas, das nach den ersten zwanzig Schrecksekunden sogar irgendwie interessant wirkte. Fremdartig, ungewohnt, aber faszinierend zugleich.
    Nicht eklig – verdammt noch mal, es sollte doch eklig wirken, wenn ein Mann einen anderen küsste, oder?
    Doch dieses unangenehme Gefühl, das ihn sonst immer überkam, wenn er so etwas im Fernsehen serviert bekam, blieb aus. Lorne war weiß Gott nicht homophob, von ihm aus konnten die Leute hinter verschlossenen Türen treiben was sie wollten, es ging ihn schlichtweg nichts an und er hatte auch einige schwule und lesbische Freunde und es war ihm egal – solange sie nicht direkt vor sei-ner Nase herumknutschten.
    Da war er ein wenig pingelig. Weil es ihm immer dieses unangenehme Gefühl verursachte, irgend etwas zwischen Bewunderung und Unbehagen.
    Bewunderung, weil sie auch öffentlich zu ihrer Neigung standen und Unbehagen, weil man ja nie wusste, wie die Umstehenden reagierten und er nicht in etwas mit hineingezogen werden wollte. Es war derselbe Grund, weshalb er sich auch von Demonstrationen fernhielt. Weil es eben Leute gab, die eindeutig einen an der Klatsche hatten und immer gleich mit Pflastersteinen werfen mussten - vorzugsweise auf ihn, obwohl er gar nichts getan hatte.
    Er war kein Feigling, aber den Zorn der anderen musste man auch nicht unbedingt provozieren, oder?
    Lorne griff seine vorherige Frage wieder auf.
    Warum war das hier nicht eklig?
    Warum hatte es den gegenteiligen Effekt?
    Warum wirkte es eher mystisch, beinahe überirdisch wie der Nebel, der manchmal vom Ozean um Atlantis herum heraufzog?
    Evan Lorne fühlte sich, als wäre er hier Zeuge eines großartigen Geschenkes, einer magischen Black Box, in der alle positiven Energien des Universums selbst gebündelt waren. Er konnte förmlich riechen, wie sich die Stimmung im Kontrollraum veränderte. Ein leises Seufzen neben ihm ließ ihn kurz zur Seite blicken. Als er den regelrecht verklärten Gesichtsausdruck der Marine neben sich bemerkte, wusste er, dass er auf die anderen wahrscheinlich genauso wirkte.
    Verzückt.
    Ergriffen.
    Bewegt.
    Etwa zur selben Zeit seufzte Sheppard auf und der glühende Haß verschwand. Seine Hände entspannten sich, krampften sich nicht mehr in die Weste, sondern rutschten etwas tiefer, verhakten sich in den Schnüren, die die Weste zusammenhielten.
    Entspannt, locker.
    Auch seine Miene wirkte weitaus friedvoller. Vielleicht war es aber auch nur die Erschöpfung. Oder der Schmerz in seinem Bein.
    Jedenfalls gab er sich geschlagen.
    Eine Minute war vergangen, eine Minute, in der mehr als ein Dutzend Augenpaare – die Mediziner nicht eingerechnet, denn die waren anderweitig beschäftigt - auf einem McKay lagen, wie ihn noch nie einer hier erlebt hatte. Noch niemals war der Unterschied zwischen Labor-McKay und dem Mis-sions-McKay offensichtlicher als in diesen wenigen Minuten – und das nicht nur wegen der ungewöhnlichen Kopfbedeckung, (auch wenn diese für einen Wüstenplaneten durchaus angebracht war).
    Auf der einen Seite der arrogante Mistkerl, cholerisch und besserwisserisch und auf der anderen die über sich selbst hinauswachsende, ja manchmal geradezu tapfere Nervensäge, die auch einem Wraith gegenüber frech wurde, wenn es die Situation erforderte.
    Manchmal schien es, als würde sich mit den Klamotten auch die Person verändern.
    Und seitdem er auf den Off-World-Missionen nicht mehr in den Farben der wissenschaftlichen Abteilung herumlief, blitzte dieses andere Ich immer häufiger auf, drang teilweise sogar bis hierher nach Atlantis durch. Schießübungen und Kendotraining mit Ronon waren wahrscheinlich nur die Spitze des Eisberges.
    Eines sehr riesigen Eisberges, wenn sich Lorne diese Szene hier genauer betrachtete.
    Ob McKay sich überhaupt über die Folgen seiner Tat hier Gedanken gemacht hatte?
    Nicht wirklich, wie es schien, doch auch wenn, kratzte es ihn garantiert nicht, denn dann hätte er schon längst damit aufgehört. Spätestens jetzt, wo die Mediziner langsam zum Ende kamen und einer von ihnen den gruseligen Käfer in einer sicheren Transportbox verstaute.
    Eigentlich könnte er jetzt damit aufhören, den Colonel zu küssen.
    Laut Lornes innerer Uhr dauerte das hier schon ganze zwei Minuten.
    Doch wenn, vertiefte Rodney den Kuß nur noch.
    Doch gerade als Lorne sich bewusst wurde, dass Sheppard diesen Kuß tatsächlich entgegnete und kurz darauf spürte, wie sein eigener Körper ebenfalls auf das anregende Szenario vor ihm reagierte, donnerte Dr. Weirs Stimme durch den Raum.
    „Der Käfer ist weg. Die Ärzte sind fertig, Rodney. Der Colonel muß sofort zur Krankenstation gebracht werden, also hören Sie jetzt um Gottes Willen mit dem Unfug auf!“
    Der Bann brach augenblicklich. Sheppard riß die Augen auf, nahm all seine Kraft zusammen und stieß den Kanadier von sich.
    „Schade“, meinte Rodney nur, wenn auch ziemlich atemlos.
    Ziemlich enttäuscht starrte er den Ärzten hinterher, die die Liege mit seinem Opfer in Eilschritten aus dem Kontrollraum schoben. Beeilten sie sich so sehr, weil eine medizinische Indikation vorlag oder eher, um den Colonel aus McKays gierigen Lippen zu bekommen?
    Lorne tippte auf beides.
    Dann wurde sich McKay plötzlich der breit feixenden Gesichter um ihn bewusst.
    „Was denn?“ in wahrhaft pathetischer Manier breitete er die Arme aus. „Irgend jemand musste ihn doch dazu bringen, stillzuhalten, oder?“
    „Dafür gibt es Sedativa!“ grollte Dr. Weir erbost. Jeder, der sie kannte, wusste, dass sie sich nur mühsam zurückhielt, ihn aber, wenn sie erst einmal in ihrem schalldichten Büro waren, gründlich zur Sau machen würde.
    „Ach, tatsächlich?“ gab Rodney erstaunlich gelassen zurück. „Nun, ich fand meine Methode weitaus effektiver.“
    Das war zuviel.
    „In! Mein! Büro!“ auffordernd deutete Elizabeth in die entsprechende Richtung und die Pause, die sie zwischen den einzelnen Worten machte, zeigte, dass nur ihre eiserne Selbstdisziplin sie davon abhielt, an Ort und Stelle Kleinholz aus ihm zu machen. Sie musterte ihn noch einmal mit drohend zusammengezogenen Augenbrauen, bevor sie auf dem Absatz herumkreiselte und ihm voran zu ihrem Büro ging.
    McKay wirkte für einen Augenblick verunsichert, doch dann schlich sich ein stilles Lächeln auf seine Züge. Als er an Lorne vorbeiging, murmelte er leise vor sich hin, wahrscheinlich mehr zu sich selbst, doch Evan verstand jedes Wort:
    „Nun, das kann mir keiner mehr nehmen.“

    ***


    Verhandlungssache


    Den ganzen restlichen Vormittag über hatte Major Lorne diese eine, ganz bestimmte Sache beschäftigt, ein Gedanke, der sich regelrecht festgefressen hatte und als er das Kasino betrat und sein Blick sofort auf McKay fiel, wusste er, was er zu tun hatte. Hastig, bevor ihn seine Courage verließ, befüllte er sein Tablett mit dem Nötigsten und ging dann zu dem Wissenschaftler hinüber – nicht, dass sich im letzten Moment noch jemand anderes neben ihn setzte! Denn das, was er beabsichtigte zu tun, würde er nur einmal und zwar hier und jetzt, in dieser einen Sekunde, wagen und danach nie wieder.
    „Ah, Dr. McKay. Darf ich mich zu Ihnen setzen?“
    Der andere war ehrlich verblüfft. Sonst hielt sich der Major eher von ihm fern.
    „Bitte“, meinte er dann und deutete auf den Stuhl ihm gegenüber. „Was kann ich für Sie tun, Major?“ fragte er dann, während Lorne sich setzte.
    Das war die Frage, deren Antwort Lorne zwar ganz genau kannte, die er aber so unverblümt nicht aussprechen konnte. Nicht hier im Kasino, wo Dutzende fremder Ohren mithören konnten.
    „Sind Sie immer noch an meinen Bildern interessiert?“
    McKay musterte ihn erstaunt und Lorne versuchte ein unverbindliches Lächeln. Erst vor zwei Tagen hatte er McKay in genau dieser Hinsicht eine ziemlich harsche Abfuhr erteilt, ihm gesagt, dass seine Bilder nicht zu verkaufen wären und rein privaten Zwecken dienten. Das Interesse an seiner Kunst schmeichelte zwar seiner Künstlerseele, doch er war noch nicht bereit, seine Lieblinge „aus dem Haus zu lassen“.
    Es gab einfach nichts, was ihm als Tauschmaterial wertvoll genug erschien. Unter Wert wollte er sich ja auch nicht verkaufen, wenn das die Runde machte, konnte er gleich einpacken. Jedenfalls dachte er das, bis er heute am frühen Vormittag Zeuge einer gewissen Szene wurde, die in den nächsten Tagen garantiert Gesprächsthema Nummer Eins auf Atlantis sein würde.
    „Sicher, Major. Aber Sie sagten doch, ich hätte nichts, was wertvoll genug wäre um dagegen eingetauscht zu werden.“
    Lorne starrte in diese wahnsinnig intensiven blauen Augen und wenn er bisher noch an seinem Plan irgend welche Zweifel gehegt hatte, wurden sie in diesem einem Moment über Bord geworfen.
    „Jetzt gibt es etwas“, erwiderte er gedehnt, während er langsam das Dressing über seinem Salat verteilte.
    McKay, der schon länger hier saß und sich gerade den letzten Bissen seines Steaks zwischen die Zähne schob, hob interessiert eine Augenbraue.
    „Und das wäre?“ erkundigte er sich in seinem gewohnt genervten Tonfall. So sehr er den Major auch schätzte und so sehr er diese Bilder auch wollte, er mochte es grundsätzlich nicht, wenn er dazu gezwungen war, den anderen die Würmer einzeln aus der Nase zu ziehen.
    Lorne wirkte für einen Moment verschüchtert, jedenfalls senkte er kurz den Kopf, kaute beflissen auf seiner Unterlippe herum und blickte sich dann sichernd im Kasino um, als hätte er Angst, dass jemand ihn hören könnte.
    Er setzte an, etwas zu sagen, doch dann klappte er den Mund doch wieder zu.
    Rodney seufzte tief und schob ihm ungeduldig seinen Tableau-Rechner zu, den er wie immer neben sich liegen hatte.
    „Gut, schon verstanden, Ihnen verschlägt es die Sprache, aus welchem Grund auch immer. Schreiben Sie es auf, es sei denn, Ihre Hand ist ebenfalls von einer plötzlichen Lähmung befallen.“
    Oh ja, er wollte diese Bilder wirklich sehr und nur deshalb zeigte er so viel Geduld. Mit einem schie-en Grinsen nahm Lorne das Angebot an und schrieb seinen Preis auf, um ihm dann den Tableau-Rechner mit demselben schiefen Grinsen zurück zu geben.
    Stirnrunzelnd las McKay, was der andere dort geschrieben hatte und fast schien es, als husche ein leichtes Lächeln über seine Lippen.
    „Und dafür darf ich mir aussuchen, welche?“ fragte er in bewunderswert neutralen Tonfall zurück. Lorne hatte mit einer anderen Reaktion gerechnet, schlimmstenfalls mit einem cholerischen Anfall, doch der Kanadier überraschte ihn.
    Genau, wie er sie alle vorhin im Kontrollraum überrascht hatte, als er sich über einen schwerverletzten Colonel Sheppard beugte, der sich strikt weigerte, sich von dem herbeigerufenen Notfallteam betäuben zu lassen, damit sie ihm diese seltsame Kreatur vom Knie schneiden konnten und ihn mit einem Kuß so weit von seinen Schmerzen ablenkte, damit die Ärzte ihn trotzdem noch von dem Tier befreien konnten.
    Das war die unorthodoxeste Art und Weise, einen tobenden Sheppard zur Ruhe zu bringen, die der Major je erlebt hatte.
    Andererseits wollte er jetzt nicht in McKays Haut stecken, denn wenn der Colonel erst einmal wieder klar im Kopf und auf den Beinen war, konnte dieser sich garantiert auf etwas gefasst machen.
    „Ja, Sie dürfen wählen“, Lorne holte einmal tief Luft. „Aber ich habe noch andere Bedingungen“, fügte er dann noch schnell hinterher. Wie gesagt, seine Bilder waren sein Heiligtum, davon trennte er sich nicht so leicht.
    „Machen Sie eine Liste“, forderte McKay ihn auf und er wirkte irgendwie ziemlich amüsiert. „Feilschen wir später um die einzelnen Punkte. So lange Ihnen bewusst ist, dass dies hier…“ vielsagend deutete er auf das, was Lorne ihm aufgeschrieben hatte, „den Hauptteil der Bezahlung beinhaltet und mir mindestens ein Bild zusichert.“
    „Aber nur ein kleines Bild“, schränkte Lorne sofort ein. So einfach wollte er es dem lieben Dr. McKay nun auch nicht machen.
    „Ein Mittleres.“
    „Nein, ein kleines.“ Lorne blieb stur, obwohl er sich nicht sicher war, ob das seine ganzen Pläne nicht gefährdete, aber er wusste, wenn McKay nicht schon von vorneherein ablehnte, war ein gutes Zeichen.
    „Sagen wir, das ist Verhandlungssache“, gab McKay nach einem kurzen Augenblick des Überlegens nach. Er wollte diese Bilder wirklich unbedingt!
    Lorne fühlte sich unwillkürlich geschmeichelt.
    „Einverstanden. Wenn Sie Zeit haben, können wir das gerne heute Abend über die Bühne bringen“, er sagte es so ruhig wie er konnte und hoffte, dass McKay die Nervosität in seiner Stimme entging. Oder dass er wenigstens einmal so höflich war, sich ein sarkastisches Kommentar zu verbeißen.
    „Und welche Uhrzeit schwebte Ihnen vor, Evan?“
    Rein automatisch wollte Lorne ihm ein “Für Sie immer noch Major“, entgegenschleudern, doch dann wurde er sich dessen bewusst, dass eine persönlichere Anrede bei dem, was er von McKay ver-langte, mehr als nur verzeihlich war.
    „Ist Ihnen 23:00 Uhr recht?“ erwiderte er dann, nachdem er schnell in Gedanken seinen Dienstplan überschlagen hatte. Sein Dienst begann erst wieder am nächsten Tag um 6.00 Uhr, also Zeit genug für das, was ihm vorschwebte. Und vielleicht war sogar noch eine Extravorstellung drin.
    „Einverstanden. Also dann, wir sehen uns um 23:00 in Ihrem Quartier, Evan.“ McKay genoß seinen kleinen Triumph und zog den Namen des Majors auf eine spöttische, vertrauliche Art in die Länge, die dem Major stark an den Umgangston zwischen ihm – McKay – und Colonel Sheppard erinnerte.
    „Ab morgen wieder Major, Dr. McKay.“
    „Sicher, Evan. Ganz wie Sie wünschen.“ Mit einem letzten spöttischen Augenzwinkern, nahm der Kanadier sein Tablett und verließ den Tisch, einen ziemlich zufriedenen, aber zugleich auch verle-genen Major Lorne zurücklassend.

    ***

    Rodney starrte auf die Grafiken auf seinem Laptop ohne sie wirklich zu sehen. War er eigentlich irre? Wie konnte er sich nur zu so einem Blödsinn überreden lassen, nur wegen zwei Aquarell-Bildern? Gut, Major Lornes Bilder waren einsame Klasse, aber trotzdem … immer wieder huschten seine Gedanken ungewollt zu dem zurück, was Lorne ihm aufgeschrieben hatte:
    Ich will dieselbe Behandlung wie sie Col. Sheppard heute im Kontrollraum von Ihnen erhalten hat. Mit allem drum und dran.
    Zog er es allen Ernstes in Erwägung, Major Lorne heute Abend seine Zunge in den Hals zu stecken? Mal ganz davon abgesehen, dass er keine Ahnung hatte, was den Major zu diesem unge-wöhnlichen Handel bewog – hatte der Kerl nicht irgendwo eine Freundin oder Frau hocken? Wieso also jetzt das? War er so einsam?
    Ja sicher, die Nächte in Atlantis waren für die meisten hier verdammt lange und einsam und kalt, aber warum versuchte er dann nicht, eine der hübschen Mitarbeiterinnen hier für ein Schäferstündchen zu gewinnen? Lorne war doch weiß Gott kein unattraktiver Kerl und ein mutiger Soldat noch dazu, da würde sich bestimmt eine andere einsame Seele finden, die ihm das Bett wärmte.
    Wieso wollte er unbedingt einen Kuß von ihm?
    Müde rieb er sich über die Stirn. Die heutige Aktion im Kontrollraum hatte ihm weiß Gott schon genug Probleme eingebracht. Zuerst eine Zurechtweisung von Elizabeth, die sich wirklich gewaschen hatte und in der Worte wie „unverantwortlich“, „blamabel“ und „totaler Blackout der Großhirnrinde“ zusammen mit einigen Schimpfwörtern gefallen waren, bei denen er noch jetzt spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoß (wo hatte diese Frau nur solche Ausdrücke her?) und als er Sheppard dann auf der Krankenstation besuchte, hätte dieser ihn garantiert an die Wand genagelt, wenn Teyla und Ronon ihn nicht zurückgehalten hätten. Die Standpauke war trotzdem nicht ohne gewesen.
    „Wie können Sie es überhaupt wagen, mir nach dieser Aktion noch unter die Augen zu treten? Was haben Sie sich dabei eigentlich gedacht? Wie können Sie es wagen, mich vor versammelter Mann-schaft so bloßzustellen? Wenn Sie mich nur noch einmal anrühren, schmeiß ich Sie den Wraith zum Fraß vor!“
    Ja, und dann hatte er tatsächlich mit einem Spucknapf nach ihm geworfen.
    Mit einem Spucknapf!
    Dabei war er sich sicher, dass der Colonel auch seinen Spaß gehabt hatte – wieso sonst hätte er sich mit ihm dieses spannende Zungenduell geliefert? Aber das konnte der Superheld von Atlantis jetzt ja nicht zugeben.
    Okay, das war nicht wirklich das Problem, so etwas ähnliches hatte er ja erwartet, aber musste er deshalb so laut herumbrüllen, dass man es auch noch auf dem Gang vor der Krankenstation hörte?
    Rodney sah ja ein, dass er Bockmist gebaut hatte, aber trotzdem war das kein Grund, dann auch noch mit einem Spucknapf nach ihm zu werfen.
    Das Ding hätte ihn treffen können, wäre er nicht rechtzeitig ausgewichen!
    Was war schon geschehen?
    Niemand wurde verletzt, es war nur ein Kuß, verdammt noch mal!
    Und der einzige, dessen Ruf diese Sache auf immer ruinierte, war seiner – Rodneys. Nicht Sheppards, sondern Rodneys. Wahrscheinlich dachten jetzt alle, er stürze sich auf alles, was nicht bei drei auf den Bäumen war.
    Oder wie sollte er sich das mit Major Lorne jetzt erklären?
    Ob er es bereute?
    Nein, natürlich nicht, dafür hatte es sich viel zu gut angefühlt. Sheppards warme Lippen auf seinen, sein Atem an seiner Haut … es ließ sich nicht leugnen, dafür dachte er in den letzten Tagen viel zu oft daran, wie es wäre, wie es sich anfühlen würde …
    Und ganz egal, was Sheppard behauptete, er hatte den Kuß erwidert und diesen Moment konnte ihm niemand mehr nehmen.
    Ihm doch egal, was die anderen da hineininterpretierten. Wenn die Leute hier sonst kein anderes Gesprächsthema hatten, war das doch nicht seine Schuld, oder?
    Lorne … wieso ausgerechnet Lorne?
    Würde er es wirklich über sich bringen, ihn heute, in – er warf einen schnellen Blick auf die Uhr – nicht ganz neun Stunden zu küssen?
    Na ja, warum nicht, er könnte sich ja vorstellen, es sei wieder Sheppard. Und immerhin bekam er ja etwas dafür.
    Und sehr viel weiter würde diese Sache sowieso nicht führen, und so lange keine Gefühle dahinter standen sah er darin auch gar kein Problem. Ja, er sollte das als wissenschaftliches Experiment betrachten.
    Mit diesem Gedanken kehrte er wieder zurück an seine Arbeit und verschwendete keinen Überlegungen mehr an weitere Fragen, deren Antwort er sowieso nicht kannte.

    ***

    Um viertel nach zehn kroch Rodney unter der letzten Konsole hervor und suchte sein Quartier auf, wo er sich zuerst eine schöne, heiße Dusche gönnte, die seine Lebensgeister wieder weckte. Dann putzte er sich ausgiebig die Zähne und gurgelte mit dem stärksten Mundwasser, das er hatte – immerhin musste Lorne nicht wirklich wissen, was er heute so gegessen hatte – und tapste dann hinüber zum Schrank, wo er erst einmal ziemlich ratlos seine Garderobe musterte. Jedenfalls so lange, bis ihm plötzlich bewusst wurde, dass er sich hier jetzt tatsächlich Gedanken darüber machte, was er für Lorne (!) anziehen wollte.
    Großer Gott – hatte er denn noch alle beisammen?
    Entschieden griff er sich sein Außenweltmissionen-Outfit: blaugraue Cargohose und schwarzes, nichtssagendes T-Shirt. Und irgendwie passte es ja auch: er war tatsächlich auf einer Mission, wenn auch auf einer ziemlich ungewöhnlichen – er wollte sich zwei Bilder von Lorne erobern. Und er wollte diesem Prinzen des seltsamen Humors einen Kuß schenken, dass diesem nicht nur Hören und Sehen verging, sondern dass er seine dämliche Liste mit den anderen Bedingungen schlichtweg vergaß.

    ***

    Pünktlich um 23:00 betätigte McKay den Türmelder von Lornes Quartier. Beinahe sofort glitten die Türen zur Seite und Major Lorne stand vor ihm.
    „Sie sind pünktlich, McKay.“
    „Ich bin immer pünktlich, Evan.“ Als Rodney an ihm vorbei ins Quartier trat, registrierte er Lornes noch nicht ganz trockenen Haare und einen leichten, aromatischen Duft an ihm. Aha. Lorne hatte sich also auch geduscht und frisch gemacht. Irgendwie kam sich Rodney jetzt nicht mehr ganz so albern vor; nur alt, denn Lorne trug Jeans und T-Shirt und das machte ihn glatt um fünf Jahre jünger.
    Warum mussten die meisten Marines immer wie übergroße Lausbuben aussehen?
    Neugierig sah er sich um. Lornes Quartier zeugte von genau derselben übertriebenen Ordnung wie das des Colonels. Typisch Militär eben. Doch er besaß weitaus mehr persönliche Gegenstände. Rodney sah Bücher, sogar eine geradezu verblüffende Anzahl von dickeren Wälzern, Fotos, kleine Figürchen – eindeutig athosianischer Schnickschnack - und in einer Ecke lehnte seine Staffelei. Und seine Bilder standen direkt davor, fein säuberlich aneinandergestapelt.
    „Gut, also … hier sind die Bilder“, leicht zögerlich ging Lorne zu seinen Werken hinüber, hob sie auf und legte sie auf das Bett. „Sie können sich zwei aussuchen, aber nicht das große hier, das ist nicht verkäuflich.“
    Er deutete vielsagend auf das größte Bild, das er dort stehenließ, wo es war.
    „Verstanden“, meinte Rodney nur und ließ sich mit der Betrachtung sehr viel Zeit. Die meisten der Bilder zeigten Atlantis – Atlantis bei Tag, bei Nacht, bei Sonnenaufgang, bei Nebel, einige sogar aus einer Jumper-Perspektive (höchstwahrscheinlich aus dem Gedächtnis gemalt oder mit einem Foto als Vorlage) und vier Bilder zeigten Landschaften vom Festland.
    Gedankenverloren musterte McKay ein Bild nach dem anderen.
    „Da fällt die Auswahl wirklich schwer. Die sind alle schlichtweg genial.“
    „Danke“, erwiderte Lorne, ehrlich erfreut. Wenn er noch irgend einen Zweifel an McKays lauteren Absichten bezüglich seiner Bilder gehabt hatte, verflüchtigten sie sich in genau diesem Augenblick. McKay war bekannt dafür, niemals mit Lob um sich zu schmeißen, wenn es sich vermeiden ließ. Lornes Künstlerseele fühlte sich sehr geschmeichelt.
    Evan bemühte sich, den Kanadier nicht anzustarren. Er hatte eigentlich erwartet, ihn entweder in Uniform oder in Zivilkleidung zu sehen, aber das hier, das war … hielt er das hier etwa für eine Mis-sion? Und plötzlich begriff er, dass das genau der Fall war.
    Dann fiel ihm aber auch ein, was er heute Morgen gedacht hatte, nämlich dass der Missions-McKay der weitaus Interessantere war und um seine Lippen zuckte ein zufriedenes Lächeln.
    „Das hier“, unterbrach ihn Rodneys Stimme in seinen Überlegungen. Er deutete auf eines, das Atlantis bei Nebel zeigte – es hatte eine sehr mystische, sehr geheimnisvolle Ausstrahlung. Lorne gab es einen leisen Stich, mit diesem Bild hatte er sich besonders viel Mühe gegeben, es gehörte zu seinen Favoriten. Aber irgendwie war er auch stolz, dass sich McKay genau dafür entschieden hatte.
    „Das würde sich gut in Jeannies Wohnzimmer machen. Ah .. Sie haben doch nichts dagegen, oder? Ich wollte eines meiner Schwester und ihrem Mann zu Weihnachten schenken.“
    „Ihre Schwester wohnt in Vancouver, nicht wahr?“
    „Ja, ist das ein Problem?“
    Ein Problem? Dass eines seiner Bilder die Staatsgrenzen der USA verließ und in einem gemütlichen, kanadischen Wohnzimmer landete? Natürlich nicht! Aber der Teufel mochte ihn holen, wenn er das McKay gegenüber je zugab.
    „Nein, ist schon in Ordnung“, gab er daher betont zögerlich zurück.
    „Hm … und das hier, das hätte ich gerne für mein Quartier.“ Lächelnd deutete Rodney auf ein Nachtbild. Doch dann bemerkte er, wie sich Lornes Miene umwölkte.
    „Was ist? Ich denke, alle außer dem großen hier sind verhandelbar?“
    „Ja, aber das gehört auch zu einem meiner Lieblingsbilder… gut, okay, Sie können es haben, aber das erhöht natürlich den Preis.“
    McKay verdrehte die Augen und schnaubte entrüstet. „Sie sind schlimmer als ein Wüstenprinz mit seinen Rennkamelen, ist Ihnen das eigentlich klar?“
    Lorne grinste nur und reichte ihm ein zusammengefaltetes Blatt Papier. „Hier ist die Liste.“
    Während McKay die zehn-Punkte-Liste durchlas, verstaute Lorne seine Bilder wieder sorgfältig ne-ben der Staffelei und legte die zwei, die Rodney erwählt hatte, neben die Eingangstür.
    „Sie sind tatsächlich ein Dieb“, seufzte Rodney hinter ihm unglücklich. Lorne grinste breit. Es handelte sich ausnahmslos um die üblichen Tauschgüter, doch er wusste, dass besonders die ersten fünf Posten – Kaffee, blauer Wackelpudding, Schokoladenriegel, Gummibärchen und Chips – dieser Naschkatze von Astrophysiker an die Substanz gingen.
    „Die letzten fünf Punkte sind verhandelbar“, erklärte er großzügig.
    „Aha“, machte Rodney in seinem typischen die-Sache-hat-doch-einen-Haken-Tonfall. Und den hatte sie, tatsächlich, wie ihm Lorne gleich darauf bestätigte.
    „Ja, je nachdem, wie gut das ist, was ich gleich von Ihnen bekomme.“
    „Warum wollen Sie das überhaupt? Haben Sie nicht eine Freundin?“
    „Doch.“
    „Ach, und wie wird die das hier wohl finden?“
    „Sie wird es nicht erfahren“. Lorne schenkte ihm ein spitzbübisches Lächeln. „Wissen Sie, das, was Sie heute mit Sheppard angestellt haben, sah sehr beeindruckend aus. Ich möchte meine Freundin, wenn sie das nächste Mal mit der Daedalus vorbeikommt, mit ein paar neuen Tricks überraschen.“
    „Ach, dann soll das hier eine Lehrstunde werden?“ Irgendwie wurde Rodney das Gefühl nicht los, dass der Major ihn veräppeln wollte. Er hielt sich selbst nämlich nur für einen durchschnittlichen Küsser, aber wenn Lorne ihm dafür die Bilder gab – bitteschön.
    Es würde ihn trotzdem nicht wundern, wenn plötzlich die Tür aufginge und halb Atlantis mit einem „April, April!“ hereingestürmt käme.
    Doch Lorne ließ sich durch seine Skepsis nicht aus der Ruhe bringen. „Sozusagen“, bestätigte er schlicht.
    Rodney holte einmal tief Luft und trat dann bis auf einen Meter zu ihm heran.
    „Gut. Licht aus.“
    „Wie bitte?“
    „Dieses Licht verdirbt die Stimmung.“
    Lorne gehorchte und dimmte das Licht auf ein schummriges Niveau herunter. Wenn das McKay so lieber war, sollte es ihm recht sein.
    Rodney atmete noch einmal besonders tief durch, schien sich zu sammeln, trat noch einen kleinen Schritt auf ihn zu, zauderte dann jedoch unsicher.
    „Ahem … darf ich?“ zögernd legte er dem Major die Hände auf die Oberarme, während er gleichzeitig noch ein wenig näher rückte. Er bemühte sich sichtlich, keine bloße Haut zu berühren und seine Hände so gut wie möglich auf den Ärmeln von Lornes Shirt zu positionieren.
    Lorne nickte, er fühlte sich plötzlich auch ziemlich beklommen.
    Was für eine Schnapsidee, schoß es ihm kurz durch den Kopf, doch dann biß er nur in Gedanken die Zähne zusammen. Schnapsidee, genau, aber es war seine gewesen und da musste er jetzt durch.
    Und soooo unangenehm war diese Berührung nun ja auch wieder nicht. Einigermaßen beruhigt legte er nun auch seine Hände auf die Oberarme des anderen. Aber ihm war es egal, wie viel nackte Haut er dabei berührte.
    „Ahem … Evan? Könnten Sie bitte die Augen schließen?“ es war eine leise, beinahe gehauchte Bitte.
    Na toll, erst das Licht auf ein Minimum beschränken und jetzt auch noch die Augen schließen? Heute morgen war McKay aber nicht so verklemmt gewesen. Lorne verbiß sich ein spöttisches Schmunzeln und tat McKay den Gefallen. Und dann wartete er.
    Und wartete.
    Und wartete.
    Und gerade, als er die Augen aufschlagen und fragen wollte, wann der andere endlich gedachte anzufangen, spürte er warme, weiche Lippen auf seinem Mund. Ein zarter, fast nur gehauchter Kuß, der dann jedoch etwas sicherer wurde.
    Weiche, warme Lippen, eine neugierige, forschende Zunge, die zugleich unheimlich sanft über die Innenseite seiner Lippen glitt, neckisch an seine eigene Zunge stieß, sie stimulierte, auf das Spiel einzusteigen und es kostete Lorne erhebliche Mühe, dieser stummen Aufforderung nicht nach-zugeben. Rodney schmeckte nach Pfefferminz und dem leisen Echo von Schokolade, die er wohl vor einer halben Ewigkeit gegessen hatte, die aber immer noch in seinem Speichel präsent war. Entweder das, oder der häufige Konsum mit Süßem hatte Rodneys DNS schon in ein halbes Schokotörtchen verwandelt. Wie auch immer, es war eine atemberaubende Mischung. Und gerade, als er anfing es zu genießen, zog sich die Zunge wieder zurück, stupste abermals von außen gegen seine Lippen, und plötzlich war da warmer, süßer Atem, der ihm unendlich sachte über die Haut strich wie der Luftzug einer leichten Meeresbrise und letztendlich Zähne, die sanft an seiner Unterlippe knabberten, bevor diese vorschnelle, freche Zunge wieder mit dem Inneren seines Mundes Bekanntschaft schloß.
    Lorne prägte sich das alles ganz genau ein und wartete. Wartete, dass dieses zärtliche Vorspiel vorbeiging und die Leidenschaft hervorbrach, die er heute morgen gesehen hatte.
    Doch McKay schien noch etwas Aufforderung zu benötigen, also ließ Lorne seine rechte Hand von McKays Oberarm hinauf zu dessen Nacken wandern und drückte ihn etwas näher an sich heran.
    Erstaunlicherweise verstand McKay diese stumme Bitte und erhöhte seinen Druck auf Lornes Mund.
    Lorne wollte also mehr? Na gut, wenn er darauf bestand … auch wenn sich Rodney sehr komisch dabei vorkam jemanden zu küssen ohne dass dieser irgendeine Reaktion zeigte, so etwas war alles andere als anregend – aber anregend sollte das hier ja auch gar nicht sein, oder?
    Rodney bemühte seine Fantasie, stellte sich dunkles, verstrubbeltes Haar und blitzende Augen vor und spürte, wie er allmählich in Stimmung kam. Er vergaß, dass es Lorne war, den er hier küsste und presste seine Lippen so fest auf die des anderen, bis genau der richtige Grad von Begehren und Zärtlichkeit erreicht war und ließ seine Zunge wieder vorschnellen, doch diesmal hielt er sich nicht mit halben Sachen auf, spielte und stimulierte so lange an der des anderen herum bis dieser gar nicht mehr anders konnte als den Kuß zu entgegnen.
    Lorne war verblüfft.
    Irgendetwas sprang über, das spürte er ganz genau. Und ehe er es sich versah, ging er auf dieses neckische Spiel ein und gab den Kuß mit aller Macht zurück. Doch als er spürte, wie es ihm heiß das Rückgrat hinunterlief und sich etwas tief in ihm regte, gewann sein Verstand wieder die Ober-hand und er schob den Kanadier etwas von sich.
    „Große Güte, Rodney“, stieß er schließlich hervor. „Wie kann jemand, der so gut küssen kann, nur Single sein?“
    McKay gab ein leises „Hm“ von sich und verschränkte die Arme vor der Brust. Trotz des Dämmerlichts konnte Evan deutlich die tiefe Falte zwischen seinen Augenbrauen erkennen.
    „Was ist?“ hakte er nach.
    „Nichts. Ich überlege nur noch, ob ich das als Beleidigung oder Kompliment betrachten soll.“
    „Kompliment“, gab Evan ehrlich zu und ahnte, dass das wohl ein großer Fehler gewesen war.
    McKay grinste. „Oh, das heißt ja wohl, wir können von Ihrer Liste wenigstens noch einen Punkt streichen.“
    Evan tat, als dächte er angestrengt darüber nach. Er hatte eine zehn-Punkte-Liste und nur die ersten fünf bedeuteten ihm wirklich etwas. Doch das musste McKay ja nicht unbedingt erfahren.
    „Gut, den letzten“, gab er mit einem theatralischen Seufzer zurück, bevor er wieder einen Schritt auf den Kanadier zumachte und ihm abermals die Hände auf die Oberarme legte.
    „Und jetzt bin ich dran. Stillhalten, ich muß doch ausprobieren, ob ich schon genug gelernt habe.“
    „Ah…“ begann Rodney zweifelnd.
    „Dafür streiche ich einen weiteren Punkt“, lockte Evan und wusste, er hatte gewonnen, als Rodney wieder zu grinsen begann.
    „Einverstanden.“
    Lorne hatte sich alles ganz genau eingeprägt und begann wie Rodney zuvor mit einem zuerst zarten Kuß, der sich allmählich zu einem kleinen Erkundungsgang seiner Zunge im Mund des anderen steigerte. Er bemühte sich, es ganz genauso zu machen wie Rodney zuvor bei ihm und registrierte einigermaßen überrascht, wie der andere unter seinem Griff allmählich zu schaudern begann. Als ihm klar wurde, dass der Kanadier hier auf seine eigenen Tricks genauso reagierte wie Evan zuvor, wusste er, dass dies hier die richtige Entscheidung gewesen war. Seine Freundin würde ausflippen, wenn er sie bei ihrem nächsten Treffen auf diese Art begrüßte.
    Bis auf das leise Beben in seinen Muskeln blieb Rodney erstaunlich still, auch wenn es ihn sehr viel Selbstbeherrschung kostete. Er war regelrecht enttäuscht, als sich Lorne von ihm löste.
    „Okay, und jetzt beide zusammen, okay?“ Lornes Stimme hatte sich verändert, sie klang jetzt sehr rauchig und schwer.
    „Das macht zwei Punkte weniger“, hauchte Rodney.
    „Einen.“
    „Nein, zwei.“
    „Na gut“, Evan gab sich erstaunlich schnell geschlagen und verlor keine Zeit mehr. Er vergrub seine Hände in Rodneys Haar und zog ihn fest zu sich heran. Auch Rodney löste seine Hände aus ihrer derzeitigen Position und schlang sie um den anderen, wo sie sich beinahe schmerzhaft fest im Mus-kelfleisch unter den Schulterblättern verkrallten.
    Lorne, bei weitem nicht bisexuell veranlagt, spürte, wie er sich allmählich in diesem berauschenden, wilden Spiel zu verlieren begann, wie nichts mehr zählte außer diesem Kuß, wie das Verlangen in ihm aufbrüllte, mehr zu schmecken, mehr zu fühlen, mehr zu bekommen.
    Mehrmehrmehr.
    Und irgendwann verlor er den Kampf der Zungenduelle, denn plötzlich – ohne es selbst richtig zu bemerken – überließ er Rodney die Führung. Als das Verlangen nach Sauerstoff überhand nahm, ließen sie für einen Augenblick voneinander ab, hielten sich jedoch immer noch gegenseitig fest. Ziemlich atemlos legte jeder den Kopf auf die Schulter des anderen.
    „Meine Güte“, keuchte Lorne, „ich wusste ja, dass Sie ein loses Mundwerk haben, aber das eben…“
    „Sie lernen schnell.“
    „Was können Sie noch so alles mit Ihrer Zunge anstellen?“ Argh! Falsche Frage, nein, Evan, ganz schlechtUnd tatsächlich kam es prompt zurück:
    „Das zeige ich Ihnen gerne für einen weiteren Punkt.“
    „Dann sind es ja nur noch fünf.“
    „Sie können ja rechnen, Evan.“
    Statt einer Antwort verschloß Evan seine Lippen nur mit einem Kuß. Das ganze drohte hier zwar gerade etwas aus dem Ruder zu laufen, aber im Moment gab es nichts, was ihn weniger interessierte.
    Und als Rodney nach einem besonders wilden, leidenschaftlichen Kuß von seinen Lippen abließ und stattdessen eine feine, kribbelnde Spur hauchzarter Küsse seine Kinnlinie entlang zu seinem rechten Ohr zog und dann an seinem Ohrläppchen zu knabbern begann, konnte Evan ein leichtes Aufseufzen nicht zurückhalten. Verdammt, das musste er seiner Freundin zeigen. Unbedingt!
    Was war das? Evan erschauerte vor Wonne, als der Kanadier seine Lippen über seinen Hals gleiten ließ, nahe an die Pulsader und dort verweilte. Für einen Augenblick fühlte sich Evan an diese Dracula-Filme erinnert, fast erwartete er, dass sich ihm zwei Fangzähne in den Hals bohrten und tatsächlich spürte er für einen kurzen Augenblick Zähne; doch dann kam wieder nur diese Flammenlinie wunderbarer, leichter Küsse. Lorne schmolz regelrecht dahin.
    Große Güte, das ist ja wirklich unglaublich!
    Rodney war an seiner Halskuhle angelangt und begann nun, ihm die ersten Schweißtropfen von der Haut zu lecken und die Kombination von schmeichelnder Nässe und warmen Atem auf seiner Haut brachte Lorne beinahe um den Verstand.
    Der Kerl hat es echt drauf. Warum ist er noch immer Single? Herrje, Sheppard, du weißt ja gar nicht, was dir entgeht.
    Plötzlich war alles vergessen – seine Freundin, dass dies hier eigentlich nur als Lehrstunde gelten sollte, als kleines Experiment und vor allem die Tatsache, dass Lorne einfach nicht auf Männer stand. Irgend etwas in seinem Gehirn schaltete mit einem beinahe hörbaren „klack“ ab und ältere, weitaus primitivere Areale seines Hirns übernahmen die Kontrolle.
    Mit einem ungewohnt gutturalen Aufstöhnen schlang er die Arme fest um den anderen und drängte ihn in Richtung Bett. Mit einem gekonnten Hebelgriff landete McKay auf der Matratze und noch bevor er richtig registrierte, was hier vor sich ging, lag Lorne schon über ihm.
    Für eine Millisekunde blitzte die gnadenlose Erkenntnis in Rodney auf, dass er wohl eine viel größere Durststrecke hinter sich hatte als angenommen, wenn er sich gegen dies hier nicht einmal mehr wehren wollte. Doch dann kämpfte sich ein kleiner, aber hartnäckiger Gedanke in sein endorphin-verseuchtes Gehirn.
    „Lorne. Evan“, keuchend versuchte er sich den hungrigen Lippen des anderen zu entziehen, jedoch nur mit mäßigem Erfolg. „Sie haben eine Freundin! Herrgott noch mal, Cadman wird mir das nie verzeihen!“
    Die Nennung des Namens seiner Freundin brachte Evan in die Wirklichkeit zurück. Doch nur für einen Moment, dann verschloß er Rodneys Lippen wieder mit einem gierigen Kuß.
    „Es sind noch fünf Punkte übrig“, flüsterte er dem Kanadier danach anzüglich ins Ohr.
    „Ja?“ für einen Augenblick starrte Rodney ihn nur grenzenlos verwirrt an und wurde sich erst jetzt bewusst, in welcher prekären Lage er sich tatsächlich befand.
    „Oh. Oh. Ah, nein, ich glaube, wir einigen uns auf das, was war und die letzten fünf Punkte. Das … ist kein Problem. Außerdem, Major, denken Sie an Cadman.“
    „Die ist nicht da“, entgegnete Lorne schulterzuckend. Er und Laura waren schon vor einer Ewigkeit übereingekommen, dass sie zu oft zu lange voneinander getrennt waren um enthaltsam zu leben. Sie als Marine wusste genauso gut wie er, dass die Treue im Herzen mehr zählte als der eine oder andere One-Night-Stand zwischendurch. Sie hatten einen gefährlichen Beruf und ganz natürliche menschliche Bedürfnisse, und wer wollte dem anderen Spaß missgönnen, wenn man nicht wusste, ob man den morgigen Tag überlebte?
    „Kussunterricht ist eine Sache, aber das hier führt doch etwas … zu weit“, wagte Rodney erneut einzuwenden und versuchte immer wieder sich irgendwie unter dem Major hervor zu winden, doch dieser wollte ihn eindeutig nicht entkommen lassen.
    „Rodney, für wen wollen Sie sich aufheben? Er sieht Sie nur als Freund.“
    „Das weiß ich, Major, ich bin nicht blöd.“
    „Also…“ Lorne schenkte ihm einen auffordernden Blick, und schickte gleich noch ein paar neugierige Finger hinterher, die langsam unter Rodneys Shirt krabbelten.
    Dieser holte einmal tief Luft und blickte ihm dann standhaft in die Augen.
    „Gut, das kostet Sie aber die letzten fünf Punkte auf Ihrer dämlichen Liste. Und -“ um seine Lippen zuckte ein hinterhältiges Lächeln. „Noch ein Bild.“
    „Kein Bild, Rodney. Aber die Rahmen spendiere ich gerne noch dazu.“
    „Doch, ein Bild. Und … und die Rahmen. Ich verkaufe mich nicht unter Wert.“
    Lorne verbiß sich ein Grinsen. Er verstand immer mehr, wieso sein kommandierender Offizier diese kleinen Dispute mit McKay so sehr genoß. Doch Rodneys Wortwahl brachte ihn ins Grübeln.
    Ich verkaufe mich nicht unter Wert.
    Sechs kleine Worte, die ihm mehr von dem Kanadier verrieten als all die Male, wo sie durchs Tor getreten, in einem Jumper gesessen oder vor bösen Buben geflohen waren zusammen. Abermals machte es in seinem Kopf „klack“.
    Plötzlich war alles weg – die Erregung, der Drang, mehr von diesem Mann zu spüren, zu erkunden, was er sich in seinen kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können und das schier unermessliche Verlangen danach diesen Körper in Besitz zu nehmen.
    Von seiner plötzlichen Erkenntnis schwer getroffen, richtete er sich auf und musterte ihn kritisch.
    „Meine Güte, Rodney, du liebst ihn wirklich, nicht wahr?“
    „Ein Bild und die Rahmen“, murmelte Rodney nur ohne auf seine Frage zu antworten. Doch Evan saß immerhin noch auf ihm, er hatte genau gespürt, wie er zusammengezuckt war.
    „Kein weiteres Bild. Für die Rahmen gehen wir mal zusammen zu den Athosianern, die können das ganz gut. Und wir verbleiben bei den restlichen fünf Punkten. Liefer mir die Sachen morgen im Laufe des Tages. Die Bilder kannst du heute schon mitnehmen.“
    „Was … was hast du?“ beinahe entsetzt starrte Rodney ihn an.
    Beruhigend legte ihm Evan die Hände auf die Brust, er spürte den heftigen, harten Herzschlag unter seinen Fingern und wusste, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte, so sehr es ihm auch um eine vergnügliche Nacht leid tat.
    „Wenn er je davon erführe, dass wir zusammen einen One-Night-Stand hatten, würde er dich has-sen. Und mich ebenso. Das mit dem Kussunterricht ist eine Sache, aber das andere …“ vielsagend ließ Evan den Rest seines Satzes in der Luft hängen. Aber Rodney war ja nicht umsonst ein Genie – er verstand, was er meinte und nickte nur. Und dann, als er das, was nicht gesagt worden war, ebenfalls verstand, erhellte sich sein Gesicht.
    „Du … du meinst wirklich, ich hätte Chancen … bei ihm?“
    Lorne erinnerte sich an diese kleine Szene am heutigen Morgen und grinste unwillkürlich.
    „Wenn du ihn irgendwie dazu bringen kannst, dir nicht gleich eine zu scheuern, wenn du ihn wieder küsst, dann garantiere ich dir dafür. Am besten ohne Publikum. Herrje, Rodney, du hast ja sogar mich heiß gemacht und ich stehe definitiv nicht auf dich.“
    „Hm“, machte Rodney nur.
    „Überlegst du wieder, ob das ein Kompliment oder eine Beleidigung war?“ Jetzt lachte Evan wirklich.
    „Ja“, gab Rodney einfach nur zu, hob einen Arm, legte ihm die dazugehörige Hand in den Nacken und zog ihn wieder zu einem langen Kuß zu sich herunter. Dieser Kuß jedoch war anders als die anderen – er schmeckte nach Freundschaft, Vertrauen und auch ein wenig Wehmut, denn es war der letzte.
    Der Allerletzte.
    Und Evan Lorne sah ihn als das, was er war: als ein Dankeschön.

    ***

    Am nächsten Morgen saß Major Lorne mit Colonel Sheppard zusammen im Kasino beim Frühstück. Obwohl sie nur Belanglosigkeiten austauschten, spürte Lorne doch, dass die ganze Geschichte vom Vortag noch an Sheppard nagte – und zwar nicht zu knapp. Er schien sich sehr unwohl zu füh-len, denn er fühlte sich tatsächlich bemüßigt, immer wieder ziemlich ungnädige Blicke zu den anderen, die sich ebenfalls hier ein Frühstück gönnten, hinüberzuwerfen.
    Ganz so, als wolle er alle möglichen dummen Kommentare von vorneherein im Keim ersticken.
    Lorne verbiß sich nur mühsam ein Grinsen, denn so kannte er seinen Vorgesetzten gar nicht. Wenn ihn das Geschehene immer noch beschäftigte, musste er wohl öfter an den Kanadier denken als er sich selber gegenüber eingestand.
    Eine laute, ziemlich spitze Stimme schallte plötzlich durch den ganzen Saal.
    „Ich habe es Ihnen doch schon gesagt. Wenn die Kanne leer ist, ist sie leer. Neuen Kaffee gibt es erst wieder ab 10:00 Uhr.“
    Die dunkelhaarige Dame Mitte Dreißig, die dort am Kaffeautomaten mit Rodney McKay diskutierte, war allen in ganz Atlantis als gute Seele des Kasinos bekannt, immer freundlich, immer nett, immer lächelnd – aber auch sehr resolut, vor allem, wenn es um die Sonderwünsche von Dr.McKay ging.
    „Nein, Dr.McKay, tut mir leid, es gibt keinen Kaffee mehr.“
    Was jetzt kam, überraschte alle. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, packte McKay die verdutzte Frau um die Taille, zog sie zu sich heran und gab ihr einen langen, innigen Kuß.
    Im ganzen Kasino herrschte plötzlich Totenstille und an die zwanzig Augenpaare richteten sich vol-ler Überraschung auf die beiden.
    Jeder konnte sehen, wie die allseits bekannte Küchenfee im Laufe des Kusses regelrecht in McKays Armen versank. Als er sie schließlich freigab, wirkte sie ziemlich enttäuscht.
    Die Küchenfee seufzte tief.
    „Eine Tasse Kaffee, kommt sofort…“ mit einem wahrhaft verklärten Lächeln eilte sie zurück in ihre Küche.
    Irgend jemand lachte leise auf und als Rodney in die Richtung blickte, aus der das Geräusch gekommen war, sah er Major Lorne, zusammen mit einem alles andere als begeisterten Colonel Sheppard an einem Tisch sitzen. Lorne hatte zwar schnell die Hand vor den Mund gelegt, doch das amüsierte Funkeln seiner Augen war nicht zu übersehen.
    Rodney grinste ihm zu und für einen Augenblick schien zwischen beiden Männern eine seltsame Verbindung zu bestehen, ein stilles Einverständnis, Lob und Dank und noch etwas anderes, etwas wesentlich Größeres, irgendwo zwischen der Grenze von Freundschaft und Brüderlichkeit.
    Dann wandte sich Rodney ab und ging hinüber zur Theke. Keine Sekunde zu früh, denn schon stürmte die Küchenfee aus der Küche, in der Hand eine riesige Porzellantasse mit dampfendem Kaffee. Auf ihrem Gesicht lag noch immer dieses verklärte Lächeln, als sie ihm die Tasse in die Hand drückte.
    „Bitteschön, Dr. McKay. Heute gibt es wieder blauen Wackelpudding. Ich werde einen für Sie zurücklegen.“
    „Danke“, meinte er und schenkte ihr ein ungewohnt herzliches Lächeln.
    Dann drehte er sich um und schlenderte zu Sheppard und Lorne hinüber, die verdutzten Blicke und das Getuschel der anderen ignorierend.
    „Hallo Rodney“, begrüßte Evan ihn überschwänglich. „Wie es aussieht, hast du eine Methode ge-funden, deine Verluste auszugleichen.“
    Rodney nickte dem Colonel grüßend zu und ließ sich dann auf den Stuhl neben Lorne sinken.
    „Ja“, erwiderte er und nahm einen genüßlichen Schluck von seinem frischgebrühten Kaffee. „Nicht zu fassen, was man für eine Tasse Kaffee alles machen muß. Danke noch mal, übrigens.“ In seiner Stimme schwang neben dem altbekannten Sarkasmus auch eine gehörige Portion Ehrlichkeit mit, die weder Lorne noch Sheppard entging.
    „Bitte, gern geschehen. Und wenn du wieder mal was brauchst …“
    „Ich weiß, alles Verhandlungssache“, Rodney verdrehte die Augen und boxte dem Major kameradschaftlich mit dem Ellbogen in die Rippen.
    Das war eindeutig zu viel für Sheppard. Seine Blicke, die während des kurzen Gespräches immer schneller zwischen Rodney und Evan hin und herwechselten, fokussierten sich plötzlich auf den Astrophysiker und bekamen einen leicht stechenden Ausdruck.
    „McKay, wenn Sie glauben, Sie hätten ein Freifahrtschein jeden und alles abzuknutschen, aus wel-chen Gründen auch immer, muß ich Sie enttäuschen. Noch einmal so ein Ding und Sie fliegen aus meinem Team.“
    Es frustrierte ihn, dass er keine Ahnung hatte, wovon sein Stellvertreter und Rodney hier sprachen, dass die beiden sich plötzlich so gut verstanden und er sich hier vorkam wie der sprichwörtliche Ochs vorm Berg.
    „Langsam, Colonel“, entgegnete Rodney leicht gereizt, „was ich in meiner Freizeit mache und wen ich abknutsche, geht Sie nichts an. Ich habe mir nur einen Kaffee geholt und ich glaube nicht, dass unsere Küchenfee das anders verstanden hat.“
    „Nein, habe ich nicht, Dr. McKay“, ertönte plötzlich die leise Stimme der Genannten. Unbemerkt war sie herangetreten und legte einen Teller mit Eiern und Speck vor Rodney ab.
    „Kleine Aufmerksamkeit des Hauses“, erklärte sie und dann, als sie Sheppards fassungslosen Blick bemerkte, fügte sie besänftigend hinzu: „Ausnahmsweise. Weil er“, schmunzelnd hob sie die Hand und fuhr dem verblüfften Rodney durchs Haar, „- wirklich verdammt gut küssen kann. Aber wem erzähle ich das …“ fügte sie dann noch mit einem geradezu unverschämten Augenzwinkern in Sheppards Richtung hinzu, bevor sie sich umdrehte und wieder verschwand.
    Das war zuviel für Lorne. Er brach in klirrendes Gelächter aus, auch wenn er sich dabei der tödlichen Blicke seines Vorgesetzten vollkommen bewusst war.
    „Du …“, meinte er schließlich japsend und legte kurz seine Stirn auf Rodneys Schulter – ein kameradschaftlicher Schulterklaps unter Brüdern sozusagen, „siehst du, das hast du jetzt davon …du Genie … das wirst du dein Lebtag nicht mehr los.“
    „Bin ich wirklich so gut?“ nuschelte Rodney zwischen seinem cholesterinhaltigen Frühstück hervor.
    „Ja, verdammt“, platzte es da plötzlich aus Sheppard hervor, doch so leise, dass nur Lorne und McKay ihn verstehen konnten.
    Zuerst starrte Rodney ihn nur total verblüfft an, doch dann überzog ein Strahlen sein Gesicht.
    „Ha, ich hab es doch schon immer gesagt. Wer ist das Genie von Atlantis, na, wer? Wer?“
    „Aber ich habe die bessere Frisur“, konterte Sheppard.
    „Das nennst du Frisur? Das sieht eher aus wie ein Tribble.“
    „Du weißt schon, dass Tribble eine hohe Vermehrungsrate haben?“
    „Soll das heißen, deine Frisur hat schon Abkömmlinge?“
    „Ich kann nicht mehr“, ächzte Major Lorne, verabschiedete sich hastig und verließ das Kasino, bevor er einen weiteren Lachanfall bekam. Er war wirklich froh darüber, dass sich die beiden endlich wieder vertrugen, denn ohne diese Kabbeleien mit seinem Rodney war Sheppard nicht wirklich zu ertragen.

    Ende

    (davon gibt es noch eine Fortsetzung, nämlich "Nützliche Traditionen" und "Rache", und die folgen demnächst)

  2. #2
    Ägypten-Fan Avatar von Valdan
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    Hallo MariLuna,

    vielen Dank für das breite Lächeln, das du gerade auf mein Gesicht gebracht hast. Es wird sich bestimmt noch eine Weile halten.

    Du hast die beiden, nein eigentlich alle drei gut beschrieben, und auch die ganze Situation ist klasse. Und du hattest schon Recht, das ganze in die dritte Staffel zu verlegen, denn ansonsten wäre das bestimmt nicht so ohne weitere großartige Konsequenzen abgegangen.

    Ich freue mich schon auf die angekündigten Fortsetzungen.

    LG Val
    "Der Mensch fürchtet die Zeit, doch die Zeit fürchtet die Pyramiden."
    arabisches Sprichwort

    ***


  3. Danke sagten:


  4. #3
    There is good in you... Avatar von Chayiana
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    Uhm, jetzt muss ich mal gestehen, dass ich diese Story schon woanders gelesen hab, nachdem man mich darauf aufmerksam gemacht hatte *zu Sinaida rueberschiel*, aber ich hab einfach drauf gehofft, dass du sie dann auch hier einstellst ... *g*

    Zu der Laenge sag ich mal nichts, denn das ist ja mittlerweile geklaert, denke ich ...

    Aber diese beiden kleinen FFs sind einfach koestlich! Vor allem fand ich es bei der ersten lustig, das Ganze aus Lornes Sicht zu lesen ... und seine Gedanken dabei waren einfach gut, die ganze Verwunderung, warum das gar nicht eklig ist, sondern vielmehr das Gegenteil ...

    Aber viel besser war dann das, was du daraus gesponnen hast ... Im ersten Moment hab ich nur gedacht: Hallo? Lorne? Und McKay? Aeh ... naja ...
    Aber wie du dann diesen Kussunterricht mitsamt den Verhandlungen aufgezogen hast ... einfach klasse! Ich hab wie Valdan mit einem gaaaaanz breiten Grinsen dagesessen!

    Und wie Sheppard dann am Ende so neidisch/eifersuechtig wurde, dass er dann schliesslich "Ja, verdammt!" schreit ... ich hab echt am Boden gelegen!

    Danke fuers Posten!

  5. Danke sagten:


  6. #4
    Chief Master Sergeant Avatar von Jolinar
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    Ich gebe zu: ich habe mir erst die Kommentare zu deiner Geschichte durchgelesen, die mich aber neugierig gemacht haben, mir alles durchzulesen. Ich bin eigentlich kein Freund von Slash, aber hier mußte ich an etlichen Stellen herzhaft lachen. McKay als besten Küsser von Atlantis darzustellen, hat schon was. Und am Ende ging es mir wie Loren - ich grinse immer noch

    Auf die Fortsetzungen bin ich jetzt echt gespannt.

  7. Danke sagten:


  8. #5
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    Also die Märchen gefallen mir weit besser, die hast du irgenwie ... liebenswürdiger erzählt.

    Die Grundidee hiervon finde ich eigentlich sehr nett: Rodneys wirklich einmalige Methode, um den Colonel zum Schweigen zu bringen und wie die anderen Leute darauf reagieren.
    Aber da die Ausgangssituation ja nicht wirklich ernst gemeint ist, finde ich die Reaktionen der anderen nicht ganz passend. Besonders Elizabeth Weir hat für mich keine große Ähnlichkeit mit der Frau aus der Serie.

    Beispiele:
    Jeder, der sie kannte, wusste, dass sie sich nur mühsam zurückhielt, ihn aber, wenn sie erst einmal in ihrem schalldichten Büro waren, gründlich zur Sau machen würde.
    (...) dass nur ihre eiserne Selbstdisziplin sie davon abhielt, an Ort und Stelle Kleinholz aus ihm zu machen.

    Also, für mich klingt dass nicht nach Dr. Weir.

    Also wie gesagt, die Idee, dass Rodney der beste Küsser von Atlantis überhaupt ist, der auch Leute wie Lorne beeindrucken kann - und in Wahrheit nur John will, hat mir gut gefallen, die Umsetzung nicht so sehr.

  9. Danke sagten:


  10. #6
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    Also ich finde die Storry echt klasse. Auch mich hast du zu einem breiten Grinsen damit getrieben^^
    Auch wie du sie geschrieben hast, ich konnte mir alles sehr Bildhaft vorstellen
    Eigentlich les ich auch nicht gerne so lange FF's, aber bei dieser GEschichte wollte ich gar nicht mehr aufhören^^ Ich hoffe die Fortsetzung wird genauso großartig^^

    Wobei ich auch gestehen muss, dass mir die Reaktion von Elizabeth auch nicht so vertraut mit ihr war. Ich denke nicht, dass sie so ausgerastet wäre, sondern möglicherweise eher gelächelt und Shepard damit aufgezogen hätte
    Aber diese kleine Unstimmigekeit (in meinen Augen) tut deiner Geschichte wirklich nichts ab.^^ Ein großes Lob von mir^^
    Spoiler 
    Stargate in den Mund gelegt:
    9x Gold; 8x Silber; 8x Bronze +
    1x Eine Anleitung zum Bau einer Arena xDD, 1x Gedanken-Lesegerät, 1x ein Paar Stelzen, 1x Augentropfen
    )

  11. Danke sagten:


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