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Thema: Weihnacht (SG1)

  1. #1

    Standard Weihnacht (SG1)

    Auch von mir eine Story zum ersten Advent. Ich wünsche euch viel Spaß.

    Titel: Weihnacht
    Autor: Aisling
    Fandom: Stargate SG1
    Personen: Daniel, Cameron
    Timeline: 9. Staffel, nach Babylon – also zu einem Zeitpunkt, wo Cameron noch ziemlich undurchschaubar war.
    Geschrieben: 2005
    Inhalt: Weihnachten vergräbt sich Daniel in seine Arbeit.
    Danke: An Birgitt und Antares fürs Beta. Und an Doro, die behauptet hat, dass man keine Cameron-Story schreiben könnte, weil man nicht genug über ihn weiß.
    Disclaimer: Alle Charaktere und sämtliche Rechte an SG 1 gehören MGM/UA, World Gekko Corp. Und Double Secret Production. Diese Fanfic wurde lediglich zum Spaß geschrieben und nicht um damit Geld zu verdienen. Jegliche Ähnlichkeiten zu lebenden und loten Personen ist zufällig und nicht beabsichtigt. Alle weiteren Charaktere sind Eigentum des Autors.



    Daniel Jackson spürte schon eine ganze Weile, dass Cameron im Eingang stand und ihm bei der Arbeit zuschaute. Wahrscheinlich lehnte der Colonel ganz lässig gegen den Rahmen und hatte alle Zeit der Welt. Natürlich konnte er nicht wissen, wie sehr er Jack O’Neill ähnelte, der auch regelmäßig auf Daniel gewartet hatte, bis dieser eine Übersetzung beendet hatte. Energisch schob Daniel den Gedanken an Jack weit weg. Genauso weit, wie Jack tatsächlich auch war. Und ignorierte den Schmerz, den er dabei empfand.
    Cameron war es anscheinend egal, dass Daniel ihn nicht beachtete. Er schien viel Geduld zu haben.
    Heute gab es auch nichts, was irgendjemanden im gesamten Komplex zur Eile antrieb. Es war der erste Weihnachtsfeiertag und kein einziges Team war auf Außenmission.
    Wenn die Ori wüssten, dass ein religiöses Fest gefeiert wurde, dann wäre es bestimmt nicht so ruhig.
    „Haben Sie nicht über die Feiertage frei, Jackson?“
    Ja, das hatte er. Aber da Daniel noch nicht einmal eine Wohnung außerhalb des Cheyenne Mountain sein eigen nennen konnte, war ihm einfach nicht nach Feiern. Er hatte das Fest für sich persönlich abgesagt.
    „Stimmt, das müssten Sie am besten wissen. Schließlich haben Sie das in meinem Dienstplan so festgelegt.“
    „Aber nicht, damit Sie hier ganz allein sitzen und über irgendwelchen Übersetzungen brüten. Sie sollten die Weihnachtstage mit Ihren Freunden verbringen.“
    Freunde hatte Daniel. Aber Sam verbrachte die Feiertage bei ihrem Bruder und da wollte er nicht stören, Teal’c besuchte seine Heimat und Jack… Jack war in Washington und auf Daniels letzten Anruf hatte er ganz seltsam reagiert. Also hatte Daniel das Flugticket, das er sich schon vor Wochen besorgt hatte, zurückgegeben und beschlossen, über Weihnachten zu arbeiten.
    Seitdem die Ori ihre Galaxis heimsuchten, stapelten sich die unerledigten Sachen nur so auf seinem Schreibtisch. Deswegen wollte Daniel über die Feiertage einige Texte aus der Literatur der Antiker übersetzen. Nichts, was nicht noch einige Jahre warten konnte, aber es war etwas, was ihm viel Freude bereitete.
    Es war definitiv besser als ein schlecht gelaunter Jack. Warum ihre Freundschaft auf einmal auf so wackligen Füßen stand, sogar zu zerbrechen drohte, wusste Daniel nicht. Er würde es herausfinden. Nach Weihnachten.
    „Ich habe nur noch sehr wenige Freunde und die nutzen das Fest, um ihre Familien zu treffen. Ich habe das einmal mitgemacht und mich wie das fünfte Rad am Wagen gefühlt. Wie Sie vielleicht wissen, hat mein Aufstieg damals all meine Freundschaften außerhalb des Stargate-Projektes ziemlich nachhaltig zerstört.“
    „Das kann ich verstehen. Aber Sie sollten trotzdem Feierabend machen. Sie sitzen schon seit fast zehn Stunden hier.“
    Camerons besorgter Unterton hinderte Daniel daran, einen sarkastischen Kommentar abzugeben. Es war selten geworden, dass sich jemand um ihn Gedanken machte.
    „Und was soll ich stattdessen machen? Mein Quartier reizt mich nicht sehr und auf die Kantine habe ich erst recht keine Lust.“
    „Ja, die Weihnachtsdekoration ist grausam. Ich habe meinen Piepser und dadurch etwas Bewegungsfreiheit. Wir könnten zusammen in den Fitnessraum gehen. Und mein Kühlschrank hat, seit meinem letzten Ausflug nach Denver, wieder eine große Auswahl an chinesischen Fertigmenüs zu bieten."
    „Klingt gut. Und wenn Sie mir noch einige Tricks für den Nahkampf beibringen, dann könnte es mir sogar Spaß machen.“

    Als Pilot war Cameron eigentlich ein lausiger Kampfsportler gewesen. Erst während seines unfreiwilligen Aufenthalts im Dorf der Sodan hatte er einiges aufgeholt.
    Es war die Zeit gewesen, wo Daniel geglaubt hatte, wieder jemanden verloren zu haben, bevor sie Freunde werden konnten.
    „Dann treffen wir uns in einer halben Stunde im Fitnessraum. Ich will mich noch umziehen.“
    „Einverstanden. Ich mache noch den Absatz fertig und dann komme ich nach.“
    Statt einer Antwort klopfte Cameron kurz auf den Türrahmen, nickte und ging.
    Daniel wollte sich wieder seiner Arbeit zuwenden, doch statt sich an die Übersetzung zu machen, setzte er die Brille ab und massierte seine Nasenwurzel.
    Seit einiger Zeit hatte er während seiner Freizeit ein fast schon kumpelhaftes Verhältnis zu seinem Vorgesetzten. Sie verabredeten sich öfters zum Sport. Und es hatte fast schon Tradition, dass sie sich anschließend Camerons ‚Notfallreserven’ vom Chinesen in der Mikrowelle erhitzten und in dessen Quartier vertilgten. Eigentlich mochte Daniel das Kantinenessen, aber es war einfach nicht scharf genug gewürzt. Wohingegen die Fertigportionen einfach nur feurig waren. Bisher hatte Cameron sich strikt geweigert, zu verraten, wo er das Essen kaufte.
    Weihnachten mit Cameron zu verbringen war von den wenigen Möglichkeiten, die Daniel einfielen und auch realisierbar waren, die beste. Es war seine Chance, dieses sentimentale Fest zu vergessen. Besonders die Tatsache, dass er niemanden zum Feiern hatte.
    Entschlossen setzte er seine Brille wieder auf und versuchte, sich auf seinen Text zu konzentrieren, merkte aber schnell, dass seine Gedanken weit weg waren.
    Mit einem leisen Fluch gab Daniel auf, speicherte die Datei ab und fuhr anschließend seinen Computer runter.
    Dann ging er zu seinem Quartier und suchte seine Sportsachen raus. Obwohl er von General Landry zwei Lagerräume zugeteilt bekommen hatte, war sein Zimmer überfüllt mit diversen Relikten. Alles Erinnerungsstücke von verschiedenen Missionen. So gerne sich Daniel auch damit beschäftigte, jetzt hatte er keine Zeit, in Erinnerungen zu schwelgen. Er wollte nicht, dass Cameron auf ihn warten musste.
    Daniel war noch vor Cameron im Fitnessraum. Wie erwartet, war sonst niemand da - wer über die Feiertage Dienst hatte, war jetzt entweder auf seinem Posten oder auf der Weihnachtsfeier in der Kantine.
    Daniel begann, sich mit Dehnübungen aufzuwärmen.
    Als Cameron kurz darauf den Raum betrat, nickte Daniel ihm nur zu, ohne in seinen Bewegungen innezuhalten. Cameron sagte ebenfalls nichts, sondern stellte sich neben ihn und begann mit seinen Übungen.
    Diese Ruhe in dem Raum, die nur von dem Rascheln ihrer Kleidung betont wurde, hatte eine faszinierende Ausstrahlung auf Daniel. Er liebte diese Momente.
    Hätte ihm jemand vor zehn Jahren gesagt, dass er Sport und ganz besonders Kampfsport mit Leidenschaft treiben würde, hätte er denjenigen für verrückt erklärt.
    Aber als Wissenschaftler, dessen einzige körperliche Betätigung Grabungsarbeiten waren, hätte er auf Außenmissionen keine Überlebenschance gehabt. Und so hatte er, nach seiner Rückkehr von Abydos, unter Jacks Anleitung angefangen zu lernen, wie man effektiv tötete.
    Nicht dass er es wollte. Aber viel zu oft hieß es ‚Er oder ich'. Jack hatte ihm klar gemacht, dass es keine Schande war, im Krieg den Gegner zu töten.
    Verdammt, jetzt dachte er schon wieder an Jack. Gleichzeitig hatte auch seine körperliche Anspannung nachgelassen. Keine gute Idee, wenn man versucht, einen Spagat zu machen. Auch wenn er von einem richtigen Spagat noch sehr weit entfernt war. Beinahe wäre Daniel umgekippt, einzig Camerons Hand, die ihm half, sein Gleichgewicht zu bewahren, rettete ihn vor einer Zerrung.

    „Alles in Ordnung?“
    „Ja, danke. Ich glaube, ich habe es mit den Dehnübungen ein klein wenig übertrieben.“
    Camerons Grinsen zeigte, dass es mehr als nur ein klein wenig war.
    „Wäre schade, wenn wir jetzt schon aufhören müssten.“
    „Brauchen wir auch nicht. Es ist ja nichts passiert. Wenn Sie bereit sind, ich bin es.“
    „Dann los!“
    Gleichzeitig griff Cameron auch schon an. Schnell und kompromisslos. Zu schnell, als dass Daniel den Tritt hätte blocken können. Einzig einen Schritt nach hinten schaffte er. Cameron schien damit gerechnet zu haben und setzte nach. Daniel konnte den Schlag in seinen Magen so gerade eben noch abwehren, musste aber wieder einen Schritt zurückweichen. So wurde er von Cameron einmal durch den ganzen Raum getrieben; erst als der Archäologe die Wand in seinem Rücken spürte, blockte er den letzten Tritt ab und ging selbst in die Offensive. Cameron konnte den Schlag abwehren, wich aber zurück.
    Da sie nicht vorhatten, einander ernsthaft zu verletzen – blaue Flecke nicht mit eingerechnet – schlugen sie nicht mit voller Kraft, verzichteten auch auf die wirklich unfairen Tricks.
    Der Kampf blieb recht lange ausgeglichen, bis Daniel, statt abzuwehren und rückwärts zu gehen, Camerons Schlag in den Magen einsteckte und gleichzeitig vorwärtsstürmte. In einer fließenden Bewegung trat Daniel Cameron die Beine weg und drückte gegen seine Schulter. Er hatte einen Moment genutzt, in dem Cameron unaufmerksam war, und deswegen von dem Angriff vollkommen überrascht wurde. Er versuchte noch zu reagieren, konnte aber nicht verhindern, dass er auf den Boden fiel und Daniel sich auf ihn setzte.
    „Eins zu null für mich.“
    „Zufall, ein blinder Archäologe findet auch mal ein Korn.“
    „Sagen Sie das nicht noch mal!“
    „Welchen Teil davon? Ich finde, dass alles zutrifft.“
    Dabei grinste Cameron. Auch Daniel konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Er stand auf und ging einige Schritte zur Seite, ließ aber seinen Kontrahenten nicht aus den Augen.
    Dieser ließ sich Zeit und setzte sich nur auf. Dabei musterte er Daniel.
    „Sie wollen es also wirklich wissen?“
    „Warum nicht? Morgen habe ich alle Zeit der Welt, um mich von dem, was wir uns antun, zu erholen. Und ich wollte schon immer wissen, wer der Bessere ist.“
    Dabei wusste er es schon längst. Seitdem Cameron von den Sodan zurückgekehrt war, demonstrierte er eine Härte und Kompromisslosigkeit, der Daniel nicht wirklich etwas entgegensetzen konnte.
    Aber er arbeitete daran, diesen Zustand zu ändern. Und wenn er einfach nur öfter aufstand, als Cameron ihn auf die Matte schickte.
    „Hat man Ihnen schon mal gesagt, dass ich solche Herausforderungen immer ernst nehme?“
    „Wenn Sie das nicht täten, wäre ich Ihnen ernsthaft böse.“
    „Und was soll ich Sam sagen, wenn sie mich fragt, woher Sie ein blaues Auge haben?“
    „Nichts, schließlich sind Sie nur mein Vorgesetzter und nicht mein Kindermädchen. Falls Sam ein Problem damit hat, dass ich nicht mehr der brave Wissenschaftler bin, dann schicken Sie sie zu mir.“
    Daniels Tonfall war definitiv zu aggressiv, als dass es Camerons neckender Stimmung angemessen wäre. Doch er war es leid. In unzähligen Einsätzen hatte er bewiesen, dass er mehr drauf hatte, als es für einen einfachen Archäologen üblich war. Trotzdem meinten alle, ihn beschützen zu müssen, nur weil er keinen militärischen Rang hatte. So sehr er sich in den letzten Jahren verändert hatte, an dieser Situation würde sich so schnell nichts ändern.
    „Schon gut, Jackson. Ich habe es nicht ernst gemeint.“
    „Beweisen Sie es mir!“
    „Ihr Wunsch ist mir Befehl. Sie müssen sich anstrengen, denn so schnell werden Sie keinen Punkt mehr machen.“
    „Dann strengen Sie sich an. So schnell werden Sie keinen Punkt mehr machen.“

    Gleichzeitig stand Cameron auf. Seine Bewegungen waren nun anders, erinnerten Daniel an ein Raubtier, das sich zum Angriff bereit macht.
    Daniel wusste, dass er ab sofort mit sämtlichen Tricks rechnen musste, die Cameron kannte. Und dass er mehr als nur blaue Flecke riskierte. Aber genau darin bestand auch die Herausforderung.
    Wenn er Jack in dieser Art und Weise provoziert hätte, hätte der spätestens jetzt die Notbremse gezogen und versucht, die Situation mit einem Scherz zu entspannen.
    So ähnlich Jack und Cameron sich in mancher Hinsicht waren, es gab noch viel mehr Dinge, in denen sie sich unterschieden.
    Abgelenkt, wie er war, bekam er Camerons Angriff nicht wirklich mit. Er spürte nur einen schmerzhaften Schlag in den Bauch, klappte zusammen, und dann lag er auch schon auf dem Boden.
    „Eins zu eins. Und jetzt stehen Sie schon auf. So fest habe ich nun auch nicht zugeschlagen.“
    Daniel war zwar anderer Meinung, sparte sich jedoch einen Kommentar. Stattdessen holte er noch einmal tief Luft und stand auf.
    Noch ein Grund, auf Jack sauer zu sein. Und wenn Jack nicht da war, dann war Cameron genau der Richtige, an dem er seinen Frust abarbeiten konnte.
    „Ich wollte nur für Chancengleichheit sorgen.“
    „Sicher, Sie waren mit Ihren Gedanken ganz weit weg. Noch einmal und Sam wird vielleicht wirklich ein Veilchen an Ihnen bewundern können.“
    Gar nicht gut. Cameron schien die Herausforderung nicht nur anzunehmen, sondern es sogar zu genießen. Daniel wurde klar, dass er eigentlich verloren war.
    Aber er hatte nicht vor, kampflos unterzugehen.
    „Noch steht nicht fest, wer morgen ein Veilchen hat. Denn wenn ein blindes Huhn ein Korn findet, dann klappt es auch mit dem zweiten.“
    Während des verbalen Schlagabtausches umkreisten sie sich. Belauerten einander. Als Daniel versuchsweise eine Attacke startete, brach er sie gleich wieder ab. Cameron stand schon in Abwehrhaltung und das Funkeln in seinen Augen verriet, dass es nicht nur beim bloßen Abblocken bleiben würde.
    Sie umkreisten sich weiter und dann verlor Daniel die Geduld und griff an. Doch Cameron war auf der Hut, blockte ab und griff seinerseits an.
    „Zwei zu eins. Sie picken in die Luft, statt ein Korn zu erwischen.“

    Anderthalb Stunden später war Daniel fix und fertig. Sein Atem ging stoßweise und alle Knochen schmerzten. Ein Veilchen hatte er nicht. Die Nase war auch heil geblieben, diesen Angriff hatte er so gerade eben abwehren können. Nur seine Schulter hatte es erwischt.
    Nach Punkten hatte er haushoch verloren. Aber Cameron hatte auch einkassieren müssen. Sein Kiefer würde in den nächsten Tagen garantiert grünblau schillern und Sam würde wirklich Grund haben, Fragen zu stellen.
    Aufstöhnend beugte Daniel sich vornüber und stützte sich mit seinen Armen auf den Oberschenkeln ab. Am liebsten würde er sich hinsetzen, aber das könnte Cameron als Zeichen der Aufgabe werten.
    „Haben Sie endlich genug, Jackson?“
    „Wenn Sie mir fünf Minuten geben, um wieder zu Atem zu kommen, dann hole ich mir den nächsten Punkt.“
    „Es steht fünfundzwanzig zu zehn. Es sollte doch selbst in Ihren Dickkopf hineingehen, dass Sie diesen Rückstand nicht mehr aufholen können. Und ich habe genug. Schließlich habe ich Bereitschaftsdienst und kann mich nicht bis zur totalen Erschöpfung verausgaben. Ich gehe jetzt duschen und anschließend gibt’s bei mir was Chinesisches zu essen. Kommen Sie?“
    Gleichzeitig war Cameron nähergekommen und hielt Daniel die Hand hin.
    Erleichtert, dass es vorbei war, schlug er ein und richtete sich auf.
    Dabei musterte er seinen Vorgesetzten und bezweifelte, dass dieser gerade die Wahrheit gesagt hatte. Cameron sah einfach nur fertig aus.
    Das machte es für Daniel leichter, zuzugeben, dass er auch genug hatte.
    „Duschen ist eine fantastische Idee. Ich wette, dass wir jetzt allein dort sind. Niemand wird heute meckern, dass ich mich beeilen soll.“
    „Manchmal hat es doch Vorteile, über Weihnachten hier zu bleiben.“
    Ironie tropfte nur so aus seinen Worten. Wäre es anders gewesen, dann hätte Daniel ihn noch zu einer weiteren Runde herausgefordert. So brummte er nur zustimmend.

    Nachdem er zwanzig Minuten unter der Dusche gestanden hatte, wurde Daniel wieder munterer. Die Hitze tat seinem Körper gut. Auch seine Schulter pochte nicht mehr.
    Vorsichtig versuchte er, seinen Arm zu strecken und den Duschkopf zu erreichen. Doch das hätte er besser gelassen, denn seine Hand war noch nicht über seinem Kopf, als die Schulter sich wieder meldete. Er konnte gerade noch einen Schmerzensschrei unterdrücken.
    Cameron, der zwei Duschen weit weg stand, sollte nicht mitbekommen, dass er doch was abbekommen hatte. Nicht auszudenken, wenn er wegen eines Trainingsunfalls auf die Krankenstation müsste. Sam würde dann wieder versuchen, ihn zu bemuttern, Teal’c würde vor seiner Tür Wache halten und Cameron würde sich schlecht fühlen. Nein, das brauchte er nicht.
    „Alles in Ordnung, Jackson?“
    „Bestens! Ich weiß nur, dass ich morgen garantiert einen Muskelkater haben werde.“
    Dabei drehte er sich zur Seite, damit Cameron seine Schulter nicht sehen konnte.
    „So wie Sie gerade gestöhnt haben, ist das die Untertreibung des Monats. Genau so gut könnte ich behaupten, dass ich gerne Berichte schreibe.“
    Daniel verzog das Gesicht. Berichte waren die Spezialität des SG1-Teams. Daniel selbst musste seine Ausführungen darauf prüfen, ob sie für Laien überhaupt verständlich waren. Oft genug scheiterte er.
    „Erinnern Sie mich nicht daran, ich habe noch einen ganzen Stapel auf meinem Schreibtisch liegen.“
    Wohlig räkelte Daniel sich unter dem Wasserstrahl. Es ging doch nichts über eine heiße Dusche – außer anschließend noch ein gutes Essen, aber dafür würde Cameron gleich sorgen.
    „Dabei dachte ich, dass Sie die Feiertage nutzen, um die Berichte zu schreiben.“
    Cameron hatte sich gerade eingeseift und die Augen geschlossen, um sie vor dem Schaum zu schützen. Deswegen bekam er nicht mit, wie Daniel zur Seite trat, das Wasser auf kalt drehte und es in seine Hände laufen ließ. Die eiskalte Ladung landete als Volltreffer auf Camerons Hintern.
    Mit einem Quieken sprang er zur Seite.
    „Verdammt! Spinnst du? Was sollte das?“
    „Wer mich Weihnachten an so etwas Grauenhaftes wie Berichte schreiben erinnert, der hat eine Strafe verdient.“
    Cameron stellte sich wieder unter die Dusche und spülte den Schaum ab. Dann drehte er das Wasser ab.
    „Dann hoffe ich, dass Sie das Echo vertragen.“
    Cameron packte Daniel und schob ihn zu seiner Dusche, die immer noch auf kalt stand.
    Daniel stemmte sich lachend gegen Camerons Griff. Nass, wie er war, konnte er sich auch ohne Probleme herauswinden.
    Cameron versuchte, ihn erneut zu packen, und erwischte dabei die lädierte Schulter.
    Dieses Mal schrie Daniel auf. Sofort ließ Cameron ihn los und wurde ernst.
    „Was haben Sie?“
    Dann sah er, dass die Schulter ein einziger blauer Fleck war.
    „Oh, Scheiße, Jackson! Warum haben Sie nichts gesagt? So, wie das geprellt ist, könnte auch noch mehr verletzt sein. Ich bringe Sie zur Krankenstation.“
    „Bloß nicht! Dort bin ich oft genug. Weihnachten wird mich kein Arzt sehen. Und an der Schulter können die eh’ nichts ändern, außer mir eine Armschlinge zu verpassen.“
    „Wenn Sie mir versprechen, dass Sie die nächsten Tage den Arm nicht benutzen werden, dann schleife ich Sie nicht zum Doc.“
    „Außer zum Halten der Kaffeetasse und zum Bedienen der Maustaste werde ich die nächsten zwei Tage meine Hand nicht belasten.“
    „Wenn Sie Ihre Finger von dem Computer lassen, dann verschone ich Sie mit der Krankenstation.“
    Daniel wusste, wann er verloren hatte, wollte aber noch einen letzten Trumpf ausspielen.
    „Wenn Sie mir sagen, was ich dann die nächsten Tage machen soll? Wenn ich mich langweile, bin ich unausstehlich. Und da Sie Schuld daran sind…“
    Langsam wurde Daniel kalt. Er drehte das Wasser noch einmal kurz heiß auf, um sich aufzuwärmen, dann drehte er den Hahn zu und schnappte sich sein Handtuch. Cameron stand immer noch dort, wo er Daniel losgelassen hatte, und kratzte sich am Kopf
    „Wieso wundert mich das nicht?“
    „Vielleicht liegt es daran, dass ich mit Worten immer noch besser kämpfen kann als mit Waffen.“
    Die Antwort seines Vorgesetzten konnte Daniel nicht verstehen, da dieser sich auch sein Handtuch genommen hatte und dort hineinnuschelte, vermutete aber, dass es kein Kompliment war.
    Froh über diesen kleinen Sieg, verzichtete Daniel auf einen weiteren Kommentar und ging in die Umkleide. Cameron folgte ihm.

    Als er seinen Pullover anziehen wollte, konnte er den Arm nicht vernünftig bewegen, um hineinzukommen.
    Fluchend legte er den Pullover zur Seite und nahm stattdessen ein Hemd, das weder warm noch bequem war.
    „Wenn Sie sich noch nicht einmal richtig anziehen können, dann sind Sie doch ein Fall für die Krankenstation.“
    „Nein, ist schon gut. Ich komme klar. Wie war das noch, Sie machen gleich was zu essen?“
    „Wenn Sie wollen, dann packe ich zwei Fertiggerichte in meine Mikrowelle. Trauen Sie sich währenddessen in die Kantine und holen zwei Bier?“
    Ein Blick auf die Uhr machte Daniel klar, dass die Weihnachtsfeier noch nicht vorbei war.
    „Wenn ich was Vernünftiges zu essen haben will, habe ich wohl keine andere Wahl. Ist das die Rache für das kalte Wasser?“
    „Trauen Sie mir so eine Gemeinheit zu?“
    „Das machen Sie, ohne mit der Wimper zu zucken.“
    „Stimmt. Und jetzt ab mit Ihnen. Und beeilen Sie sich, ich habe Hunger.“
    Seufzend machte Daniel sich auf den Weg. Solange Cameron ihn nicht zur Krankenstation brachte, war er sogar bereit, in die Kantine zu gehen.
    Ganz so schlimm wie bei nicht-militärischen Weihnachtsfeiern würde es nicht werden, da der Alkoholkonsum pro Person auf eine Flasche Bier limitiert war, aber die ausgelassene und übermütige Stimmung war nicht nach Daniels Geschmack.
    Als er sich dem Speiseraum näherte, konnte er schon den Lärm hören. Weihnachtslieder von einem sehr schlechten Chor gesungen. Zahnschmerzen waren angenehmer. Gleichzeitig schlug ihm eine Duftwolke von Rauch, gebratenem Geflügel, Apfel und Zimt entgegen. Etwas was ihn an glücklichere Weihnachten erinnerte.
    Vor der Tür blieb Daniel einen Moment stehen. Irgendwie konnte er sich nicht überwinden hineinzugehen. Doch sein knurrender Magen überzeugte ihn, dass er es nicht weiter aufschieben konnte.
    Es war so, wie er erwartet hatte. Der Saal war sehr kitschig geschmückt – das Grün der Tannen wurde von roten und goldenen Kugeln verunstaltet - und die Soldaten waren in einer sentimentalen Stimmung.
    Bevor irgendjemand auf die Idee kam, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, holte Daniel das Bier und machte, dass er wegkam.

    Er klopfte kurz an Camerons Tür, trat aber ein, ohne auf eine Aufforderung zu warten.
    Das Quartier war fast schon spartanisch eingerichtet: ein Bett, ein Kleiderschrank, ein Tisch, zwei Stühle und ein Fernseher in einer der Ecken. Einzig die Kühleinheit und die Mikrowelle gehörten nicht zur Standartausstattung.
    Es roch nach asiatischen Gewürzen – nach sehr scharfen Gewürzen. Das Pingen der Mikrowelle zeigte an, dass mindestens ein Gericht fertig war, und Daniel spürte den Pawlovschen Effekt: Das Wasser lief ihm in Mund zusammen.
    „Das riecht fantastisch. Was gibt es denn?“
    Cameron nahm das warme Essen aus der Mikrowelle und stellte die Kunststoffpackung auf den Tisch. So sparten sie das Geschirr. Und sie hatten auch nur Plastikbesteck.
    „Ich habe keine Ahnung. Ich kann die Schriftzeichen nicht lesen.“
    Dann nahm Cameron die nächste Portion, riss die Verpackung ab und stellte das Essen in die Mikrowelle.
    Neugierig nahm Daniel die Verpackung. Asiatische Schriftzeichen, keine englische Übersetzung. Wirklich gut waren seine Chinesischkenntnisse nicht, aber es reichte, um die Beschriftung zu verstehen.
    „Geschmacksrichtung Hund, exotisch gewürzt. Ich habe vor Jahren auf PX-3495 einen Welpen vorgesetzt bekommen und er schmeckte fantastisch. Bin gespannt, wie der hier ist.“
    Gespannt sah Daniel zu Cameron rüber, doch dieser schien sich nicht daran zu stören, dass ein Haustier auf dem Speiseplan stand. Stattdessen holte er die andere Verpackung aus dem Mülleimer und reichte sie Daniel.
    „Und was ist das hier?“
    „Huhn, mit scharfer Currysoße. Hört sich beides lecker an.“
    Daniel öffnete die Bierflaschen und stellte sie auf den Tisch, dann setzte er sich hin.
    „Wenn Sie nichts dagegen haben, nehme ich den Hund. Huhn ist nicht mein Ding.“
    Das war Camerons einziger Kommentar. Daniel hatte ihn noch auf der letzten Aussenmission Huhn essen sehen – wusste jetzt aber, warum er anschließend so schlechte Laune gehabt hatte.
    Sie hatten sich kennengelernt, kurz bevor Daniel aufgestiegen war, und seit einem halben Jahr waren sie beide Teil der SG1, und trotz allem wusste Daniel fast gar nichts über seinen Vorgesetzten. Irgendwie schien Cameron nicht gern über sich zu reden. Und dass es tatsächlich Fleisch gab, das Cameron nicht mochte, war für Daniel etwas ganz Neues.
    „Wie Sie möchten. Hauptsache, ich werde satt, ich habe heute viel zu wenig gegessen.“
    „Sie haben vor lauter Arbeit mal wieder das Essen vergessen und sich nur von Kaffee ernährt?“
    Dafür wusste Cameron definitiv zu viel über ihn.
    „Schuldig im Sinne der Anklage“, gab Daniel auch zu. „Ich hatte mir aber fest vorgenommen, heute noch etwas zu essen.“
    „Sicher. In der Kantine, wo Sie so viel Lust auf eine Weihnachtsfeier haben. Versuchen Sie nicht, sich rauszureden. Aber haben Sie Lust, gleich noch eine DVD zu schauen? Der Abend ist halb rum und ich habe keine Lust, den Rest allein zu verbringen.“
    Es war eine Überlegung wert. Daniel war zwar vom Training recht müde, aber wenn er sich jetzt hinlegen würde, war er bestimmt wieder mitten in der Nacht wach.
    „Lust habe ich schon, aber ich weiß nicht, ob ich noch einen ganzen Film durchhalte. Ich bin ziemlich k.o. vom Training.“
    Inzwischen war die zweite Portion fertig. Cameron setzte die dampfende Schale auf den Tisch, hockte sich dazu und kostete. Dann nahm er Sambal Oelek und würzte nach.
    „Wir können auch was Kürzeres schauen. Ich habe von Star Trek und Al Bundy die Staffelboxen hier.
    Auch Daniel probierte sein Essen. Das Huhn war genau so, wie er es liebte: heiß und feurig. So feurig, dass er erst einen Schluck trinken musste, bevor er antworten konnte.
    „Al Bundy ist nicht mein Ding, und wieso sollte ich mir Aliens anschauen, wenn ich im realen Leben schon dagegen kämpfen muss?“
    „Ich schaue es, um mich darüber zu ärgern, was für Flugmanöver sie im All beherrschen, die technisch gar nicht möglich sind.“
    Cameron war also leicht masochistisch veranlagt.
    „Dann sollten wir besser Star Wars gucken. Da gibt es wenigstens große Raumschlachten. Wie schmeckt denn der Hund?“
    Während Daniel gerade mal einige Bissen gegessen hatte, war Camerons Schale fast leer.
    „Sehr zart und lecker. Möchten Sie probieren?“
    Das ließ sich Daniel nicht zwei Mal sagen und stibitzte ein besonders großes Stück Fleisch. Im ersten Moment schien es trotz der zusätzlichen Chilisoße nicht ganz so scharf zu sein wie das Huhn, doch dann setzte der Effekt ein und Daniel hatte das Gefühl zu verbrennen.
    „Das kommt davon, wenn man gierig ist. Geht es wieder?“
    Zwischen zwei Hustenanfällen nickte Daniel. Es dauerte noch einen Augenblick, dann ging es wirklich besser. Er nippte an seinem Bier.
    „Hölle, war das scharf. Und lecker. Können Sie mir bei Ihrem nächsten Einkauf auch einige Portionen mitbringen?“
    „Klar, Jackson. Wenn ich ‚Das Imperium schlägt zurück’ einlege, bleiben Sie dann hier?"
    Es war für Daniel sehr verlockend, den restlichen Abend nicht allein in seinem Quartier zu verbringen.
    „Solange ich nicht die ganze Zeit auf dem Stuhl sitzen muss, gern. Ich habe den Film schon ewig nicht mehr gesehen. Han Solo war lange Zeit mein Held.“
    „Er hat ja auch zuerst geschossen.“
    „Und Lucas hat es in der digitalisierten Version geändert, weil es politisch nicht korrekt war. Und dabei charakterisiert genau das Han Solo. Aber natürlich muss es heutzutage unter den Teppich gekehrt werden, wie vieles andere auch. Aber darüber will ich heute nicht diskutieren.“

    Wenn das Stargate-Programm nicht so schrecklich geheim wäre, dann hätte Daniel vielleicht wirklich noch ein Leben außerhalb der Armee. Und Freunde, bei denen er nicht fürchten musste, für diese jederzeit die Grabrede halten zu müssen.
    Camerons einzige Reaktion war ein kurzes Hochziehen seiner Augenbraue, dann wechselte er das Thema.
    „Wenn Sie gleich mit anpacken, dann können wir das Bett drehen, damit wir uns an die Wand lehnen können.“
    Froh, dass Cameron auch keine Diskussion über dieses schwierige Thema wollte, ging Daniel darauf ein.
    „Das hört sich richtig bequem an.“
    „Muss es ja auch. Man gibt Ihnen auf Missionen ja auch zwei Kopfkissen mit.“
    „Gehört das nicht zur Standardausrüstung?“
    Das tat es nicht und Daniel wusste es auch, aber Camerons Gesichtsausdruck bei seinem todernsten Tonfall brachte Daniel zum Lachen.
    Erst da schien Cameron zu merken, dass Daniel ihn geneckt hatte.
    „Danke, das war doch gar nicht nötig“, grinste Cameron schließlich.
    Daniel lehnte sich bequem zurück. Er fing an, diesen Abend zu genießen. Er beobachtete, wie Cameron aufstand und seine Schale in den Mülleimer warf. Daniel vertilgte die letzten Bissen seiner Portion. Er war gerade fertig, als Cameron ihm auch schon die Schale wegnahm und entsorgte.
    Daniel stand ebenfalls auf, wusste aber nicht so recht, was er machen sollte. Es war aber jemand da, der ihm das sagen konnte.
    „Wie sind Ihre weiteren Befehle, Colonel?“
    „Manchmal wünsche ich mir, dass Sie mich im Einsatz genau so anreden, statt Ihren eigenen Dickkopf durchsetzen zu wollen.“
    „Ich bin Zivilist, kein Militär!“
    „Ich weiß und meistens haben Sie mit Ihrer Einstellung auch Recht, aber ich habe noch Träume und Wünsche.“
    „Und die drehen sich um mich?“
    Vielleicht konnte Daniel Cameron endlich aus seiner Reserve locken. Und sei es nur durch diesen absolut unpassenden Kommentar. Doch Cameron nahm das ganz locker.
    „Jetzt übertreiben Sie aber, Jackson. Packen Sie das Kopfende vom Bett an und auf drei drehen wir es.“
    Um Cameron eine Freude zu machen, hielt Daniel auch wirklich seinen Mund und folgte der Anordnung. Cameron sah ihn an und schüttelte den Kopf.
    Während Cameron die DVD raussuchte, machte Daniel es sich auf dem Bett bequem. Er nahm beide Kissen, um seine Schulter – die nicht gerade wenig schmerzte – zu entlasten. Dann lehnte er sich vorsichtig gegen die Wand. Und es ging.
    Inzwischen hatte sich auch Cameron auf das Bett gesetzt.
    „Kann ich rein zufällig auch ein Kissen haben?“
    „Muss das sein? Ich habe gerade eine bequeme Position gefunden.“
    Darüber, dass er halbwegs schmerzfrei war, wollte Daniel nichts sagen. Sonst machte Cameron doch seine Drohung wahr und brachte ihn zur Krankenstation.
    Doch Cameron murmelte nur etwas in seinen nicht vorhandenen Bart und formte seine Decke zu einer Rolle, die er sich in den Rücken schob.

    Dann startete er die DVD.
    Es war Jahre her, dass Daniel den Film zuletzt gesehen hatte. Schon bei den ersten Szenen merkte er, wie viel er vergessen hatte und was er inzwischen aus einem vollkommen anderen Blickwinkel sah. Seine Reisen durch das Stargate hatten ihn verändert.
    Richtig amüsant wurde es bei den Raumgefechten, als Cameron bissige und sarkastische Kommentare von sich gab.
    Es hätte glatt Jack sein können, der sich über ein Footballspiel aufregte. Doch im Gegensatz zu Jack, der kein guter Footballspieler war, war Cameron kein Theoretiker – er war der beste Pilot, den Daniel jemals kennengelernt hatte. Egal, was für eine Maschine man ihm gab, schon nach kurzer Zeit beherrschte er das Fluggerät. Es machte keinen Unterschied, ob es irdisch oder außerirdisch war.
    „Mein Gott, wenn du den Arsch deines Flügelmanns retten willst, dann musst du deine Kiste hochziehen. Und zwar jetzt!“
    Das tat der Pilot natürlich nicht, sondern schwenkte zur Seite ab. Und zwei Sekunden später war nicht nur der Flügelmann, sondern auch der Pilot tot.
    „Idiot!“
    Nur schwer konnte Daniel ein Lachen unterdrücken. Er versuchte, es mit einem Gähnen zu kaschieren. Und dann setzte die Müdigkeit ein. Daniel versuchte, es zu verdrängen. Das schaffte er bei jeder Übersetzung, dann sollte er es auch schaffen, wenn er mit Cameron einen Film schaute.
    Kurz vor dem Ende des Films fiel es Daniel immer schwerer, die Augen offen zu halten, und während Luke gegen Darth Vader kämpfte, verlor Daniel seinen eigenen. Er schlief ein.
    Er wachte erst auf, als Cameron ihn sanft an der unverletzten Schulter berührte. Daniel hatte zuerst gar keine Lust, wach zu werden. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte er die Augen schließen können, ohne irgendwelche Horrorvorstellungen – allgemein wurde sie Albträume genannt – zu haben. Diesen Zustand wollte er noch ein wenig genießen.
    Die Augen fest zukneifend schob Daniel Camerons Arm zur Seite. Dazu gab er ein – wie er hoffte – mürrisches Brummen von sich.
    „Jackson, das ist mein Bett. Und hier schlafe ich ganz allein. Also schwingen Sie ihren Hintern aus meinem Bett und gehen Sie in ihr eigenes.“
    Camerons Stimme klang mehr amüsiert als verärgert. Deswegen startete Daniel noch einen Versuch.
    „Will’ nicht aufsteh'n.“
    „Das ist mir egal. Und ich empfehle Ihnen, jetzt aufzustehen, bevor ich mit einem kalten Waschlappen ankomme und dafür sorge, dass Sie wach werden.“
    „Das würden Sie nicht wagen.“
    So sehr sich Daniel bemühte, er schaffte es nicht, weiterzuschlafen. Dafür war Cameron zu hartnäckig. Bevor der Colonel seine Drohung wahr machen konnte, öffnete Daniel die Augen und richtete sich auf.
    Der Abspann vom Film lief noch, also konnte er nur einige Minuten gedöst haben.
    „Schau einer an. Manche Drohungen wirken immer.“
    Cameron stand neben dem Bett und hatte sogar ein feuchtes Tuch in der Hand. Statt Daniel endgültig zu wecken, wischte Cameron damit den Tisch ab. Daniel verfolgte jede seiner Bewegungen. Er hatte keine Lust, doch noch Opfer eines heimtückischen Angriffs zu werden.
    „Nein, die Tatsache, dass Sie einfach nicht aufgehört haben zu reden. Da konnte ich gar nicht richtig schlafen. Und der Punkt, dass mein Bett mindestens zwanzig Zentimeter breiter ist.“
    „Weichei!“
    „Nein, diesen Luxus bekommt man geboten, wenn man Zivilist ist.“
    Grinsend beobachtete Daniel, wie Cameron den Kopf schüttelte. So gerne er noch bleiben würde, er war einfach zu müde, um sich vernünftig zu unterhalten. Und Cameron schien auch schlafen zu wollen.
    Daniel stand auf und streckte sich. Für den ersten Weihnachtstag war es doch ein erstaunlich angenehmer Tag gewesen.
    „Dann mach' ich mich auf den Weg. Danke, dass Sie mich von der Arbeit weggerissen haben.“
    „Das war reiner Eigennutz.“
    Mehr war Cameron wohl nicht bereit zu sagen. Auch stand er auf der anderen Seite des Tisches, das Tuch fast schon als Waffe haltend, als ob er verhindern wollte, dass Daniel ihm zum Abschied auch nur die Hand gab.
    Es war einer der Momente, wo Daniel überhaupt nicht wusste, was in Camerons Kopf vorging. Auch wenn sie sehr eng zusammen arbeiteten, war Cameron manchmal ein Buch mit sieben Siegeln. Selbst Teal’c gab durch sein Schweigen mehr von sich preis.
    Aber um dieses Buch zu entziffern, musste er wach sein. Morgen war auch noch ein Tag.
    „Na, dann. Bis morgen, Mitchell.“
    Daniel war schon fast zur Tür hinaus, als Cameron ihn zurückrief.
    „Jackson.“
    Eher zögernd drehte Daniel sich um. Was wollte Cameron jetzt noch von ihm?
    „Ja?“
    „Ich habe da noch was für Sie.“
    Erstaunt beobachtete Daniel, wie Cameron zu seinem Schrank ging, ein kleines Päckchen herausnahm und wieder zu ihm kam. Dann reichte er Daniel die Schachtel, die in einfaches Packpapier eingewickelt war und gar nicht wie ein Geschenk aussah.
    Damit hatte Daniel überhaupt nicht gerechnet. Völlig überrascht drehte er das Geschenk in seinen Händen, während Cameron die Tür schloss.
    „Nun machen Sie schon auf.“
    Cameron wirkte ungeduldig und Daniel war es peinlich. Schließlich hatte er kein Geschenk für Cameron. Er hatte zwar im Internet nach etwas gesucht – Zeit für Weihnachtseinkäufe hatte ihm die Arbeit nicht gelassen -, weil er auch Sam und Teal’c etwas schenken wollte. Aber für seinen Vorgesetzten hatte er einfach nichts gefunden. Auf ein SOS-Geschenk hatte Daniel verzichtet.
    Unbeholfen riss er die Verpackung runter. Übrig blieb eine kleine fast schon edle Schmuckverpackung.
    Fragend sah Daniel Cameron an. Dieser hatte ein lausbubenhaftes Grinsen aufgesetzt und wirkte jetzt einfach nur sehr zufrieden mit sich und der Welt.
    Daniel kniff die Augen zu und öffnete die Schachtel. Als er den Mut fand, das Geschenk zu betrachten, war er überrascht. Es war ein modern gestalteter Anhänger und doch wirkte er sehr vertraut.
    „Was ist das?“, wagte er zu fragen.
    „Gibt es doch noch etwas, womit ich Sie zum Grübeln bringen kann? Ich hatte schon Sorge, dass Sie etwas Ähnliches besitzen.“
    „Nein“, Daniel schüttelte den Kopf. „Vom Stil her könnte es ein Schmuckstück aus Mittelamerika sein, aus dem Gebiet der Inca Roca, die um 1350 ihre Blütezeit hatten. Aber einige Elemente passen nicht hinein. Sie wirken so modern.“
    „Alle Achtung.“
    Cameron ließ ein anerkennendes Pfeifen hören, worauf Daniel verlegen mit den Schultern zuckte – um es sofort zu bereuen.
    „Sie haben mir das Schmuckstück doch nicht geschenkt, um meine Geschichtskenntnisse zu prüfen.“ Daniel rang mit den Worten.
    „Nein. Es ist ein ganz moderner Glückbringer, den ich in Denver bei einem fliegenden Händler gekauft habe. Nichts Kostbares! Aber die gute Frau versicherte mir, dass dies ein Amulett sei, das böse Götter vertreiben würde. Und da die Ori es auf Sie abgesehen haben, dachte ich, dass es nicht schaden könnte…“
    Daniel verstand, was Cameron sagen wollte. Und selbst wenn es nur ein billiger Glücksbringer aus drittklassigem Material war, so zählte doch die Geste mehr als alles andere.
    „Danke, Mitchell. Ich weiß es zu schätzen. Es ist nur so, dass ich versucht habe, für Sie etwas zu Weihnachten zu finden--“
    „Wenn Sie mir damit sagen wollen, dass Sie mir Socken schenken wollten, dann können Sie die behalten. Meine Großmutter hat mich jahrelang mit SOS-Geschenken bedacht, weil ihr nie etwas Gescheites einfiel.“
    „Nein, das wollte ich uns doch ersparen. Ich habe gar nichts.“
    So, jetzt war es raus. Cameron schien es nicht zu stören.
    „Dann kann ich ja noch einen Wunsch äußern, bevor ich Sie rausschmeiße.“
    Das erinnerte Daniel daran, wie müde er doch eigentlich war und gähnte.
    „Ich kann nicht jeden Wunsch erfüllen.“
    „Diesen schon. Ich heiße Cameron und bin es ziemlich satt, dass wir uns die ganze Zeit so förmlich anreden.“
    Ein Stein fiel Daniel vom Herzen.
    „Daniel.“
    Cameron nahm kurz seine Hand, quetschte sie ziemlich unsanft, dann schob er Daniel mehr oder weniger zur Tür hinaus.
    „Um sechs klingelt mein Wecker. Gute Nacht.“
    Und machte die Tür hinter Daniel zu. Der stand einen Moment vor Camerons Quartier, bevor er sich kopfschüttelnd auf den Weg machte. Sein einziger Gedanke war, dass er dringend schlafen musste, vielleicht würde er ja am nächsten Tag Camerons seltsames Verhalten verstehen. Das Amulett war ein Beweis, dass Daniel nicht geträumt hatte. Und seine Schulter. Aber seitdem er aufgewacht war, hatte sie kaum noch geschmerzt.
    Für Weihnachten war es ein extrem guter Tag gewesen.

    Ende
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  2. #2
    Ägypten-Fan Avatar von Valdan
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    Hi Aisling,

    noch so eine schöne Geschichte.

    Ungewohnt, die beiden miteinander agieren zu sehen, aber in meinen Augen absolut nachvollziehbar.

    Außerdem lieferst du ganz nebenbei die Erklärung, warum der "untrainierte" Daniel aus der ersten Staffel sich zu dem Daniel gewandelt hat, wie wir ihn aus den letzten Staffeln kennen! Aber schließlich kann man nicht jahrelang mit so vielen Militärs rumhängen, ohne das irgendetwas kleben bleibt!

    Auch das Ende finde ich sehr schön, und was mir an dieser Geschichte auch sehr gefällt:
    Ich habe den Film schon ewig nicht mehr gesehen. Han Solo war lange Zeit mein Held.“
    ... oh wie kann ich ihn verstehen!!!!!

    Liebe Grüße, Val
    "Der Mensch fürchtet die Zeit, doch die Zeit fürchtet die Pyramiden."
    arabisches Sprichwort

    ***


  3. #3
    Brigadier General Avatar von Teleia
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    Hi Aisling!

    Danke für diese goldige Geschichte!

    Eine ungewöhnliche Konstellation Daniel und Cameron so zusammen zu sehen, hat mir aber sehr gut gefallen. Du hast die Zwei super getroffen, richtig zum knuddeln.

    Noch mal danke für diese Story und ich wünsche dir noch einen schönen ersten Advent!

    LG
    Teleia
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    halte die Unendlichkeit auf deiner flachen Hand und die Stunde rückt in die Ewigkeit.
    -William Blake-

    Meine neue FF:
    Willkommen in Atlantis

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  4. #4

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    Valdan:
    Ungewohnt, die beiden miteinander agieren zu sehen, aber in meinen Augen absolut nachvollziehbar.
    Genau das hat mich ja gereizt, diese Story zu schreiben, dass die beiden zu Beginn der Staffel kaum miteinander, sondern viel mehr nebeneinander und ja, ein wenig von Vala bedrängt reagiert haben.

    Außerdem lieferst du ganz nebenbei die Erklärung, warum der "untrainierte" Daniel aus der ersten Staffel sich zu dem Daniel gewandelt hat, wie wir ihn aus den letzten Staffeln kennen! Aber schließlich kann man nicht jahrelang mit so vielen Militärs rumhängen, ohne das irgendetwas kleben bleibt!
    Das ist für mich die einzig wirklich logische Erklärung... Und wenn man überleben will, lernt man viel.
    ... oh wie kann ich ihn verstehen!!!!!
    Ja, es gibt nur 3 Star Wars Filme!

    Teleia: Eine ungewöhnliche Konstellation Daniel und Cameron so zusammen zu sehen, hat mir aber sehr gut gefallen. Du hast die Zwei super getroffen, richtig zum knuddeln.
    Danke für das Lob. Ich hoffe, ich habe dir damit den ersten Advent ein wenig versüßt.
    Ich bin nett, höflich, liebenswert
    und zuvorkommend.
    Und garantiert nicht ironisch.
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  5. #5
    Denkende Leseratte mit Kampfkatze Avatar von Tamara
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    Mehr als 5 Adventszeiten später habe auch ich zu dieser Geschichte gefunden und sie hat mir richtig gut gefallen.

    Es gibt wirklich sehr wenige Geschichten mit einer so tollen Interaktion zwischen Cameron und Daniel, prima! Und ich finde, Du hast ihren Umgang miteinander gut getroffen.

    Vielen Dank!
    Nicht, was die Dinge objektiv und wirklich sind, sondern was sie für uns,
    in unserer Auffassung, sind, macht uns glücklich oder unglücklich.
    (Arthur Schopenhauer)

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