Das Kind in dir
Und dabei hatte der Tag so gut angefangen! Keine Außenmission, keine Wraith-Hiveschiffe, die vor dem Gate standen, keine Probleme mit sonstigen Eigenarten der Pegasus-Galaxie … Alles, was sie zu tun hatten, war, einen Stadtteil zu erforschen, und das auch nur, weil Sheppard langweilig gewesen war und Elizabeth ihnen lieber eine Aufgabe zugeteilt hatte, bevor er noch irgendetwas anstellte, das ungeahnte Auswirkungen hatte.
Sie hatte offensichtlich nicht bedacht, dass Sheppard dieses Ergebnis genauso gut erzielen konnte, wenn sie ihnen auftragen würde, Pellkartoffeln mit Plastiklöffeln zu schälen.
Von den Schwierigkeiten, in die Sheppard sie wieder bringen würde, wusste Rodney allerdings noch nichts, als er zusammen mit besagtem Colonel ‚Adrenalinjunkie‘, Teyla und Ronon loszog, um die unteren Level der Stadt auszukundschaften.
Gegenwärtig erkundeten sie einen Raum, in dem sich einige Konsolen und Labortische befanden. Rodney fragte sich gerade, woran die Antiker wohl in diesem Raum experimentiert hatten, als alles seinen Anfang nahm …
„McKay! Vorsicht!“ Das war alles gewesen, was er an Warnung bekommen hatte, ehe ihn etwas grob zur Seite stieß.
Noch bevor er erkennen konnte, was ihn da auf den Boden gestoßen hatte, wurde er von einem grellen Lichtstrahl geblendet, der genau die Stelle traf, an der er sich eben noch selbst befunden hatte und wo nun Sheppard stand.
Rodney hielt sich geblendet eine Hand vor die Augen und konnte nur schemenhaft erkennen, dass Sheppard regungslos inmitten des Lichts stand. Dann, plötzlich, war der Raum wieder in Dunkelheit getaucht und Rodneys Augen brauchten ein paar Sekunden, um sich an die neuen Lichtverhältnisse zu gewöhnen.
„John?“, hörte er Teyla vorsichtig fragen, während er sich vom Boden aufraffte.
Als er endlich wieder vernünftig sehen konnte – er hatte schon angenommen, das helle Licht hätte seine Sehkraft dauerhaft in Mitleidenschaft gezogen –, atmete er vor Erleichterung tief aus. Sheppards Gesichtszüge zeigten zwar kurzzeitig Verwirrung und etwas, das Panik sehr nahe kam (und so leicht war Sheppard doch für gewöhnlich gar nicht zu lesen!), doch im Großen und Ganzen schien es ihm gut zu gehen.
Dann jedoch tat der Colonel etwas, das Rodney diesen Gedanken revidieren ließ, denn er rief auf einmal überglücklich: „Rodney!“
Gleich darauf rannte er auf ihn zu und schloss ihn fest in die Arme, sodass Rodney nichts weiter als „Umpf“ machen konnte, während er von dem stürmischen Schwung einen Schritt zurückstolperte. Doch Sheppard klammerte sich fest an ihn.
„Ich hatte so Angst um dich!“, schluchzte er in seine Schulter, wobei er ihn nur noch enger an sich drückte. „
So große Angst!“
„Ähm …“, brachte Rodney nur heraus, der sich Hilfe suchend nach Teyla und Ronon umsah, die jedoch genauso ratlos wirkten, wie er sich fühlte.
„Du bist in Ordnung, ja? Ich hab dich rechtzeitig aus der Ziellinie gebracht, stimmt’s? Stimmt’s?“, vergewisserte sich Sheppard, seine Worte undeutlich in Rodneys Schulter genuschelt.
„Ähm“, sagte Rodney noch einmal, da er keine Ahnung hatte, was er mit dieser Handvoll Colonel im Arm anfangen sollte.
„Weil ich bin doch für dich verantwortlich. Dass dir nichts passiert. Und du machst mir immer wieder so große Angst.“ Bei den Worten drückte er ihn so fest an sich, dass Rodney für einen Moment fast keine Luft mehr bekam. „Du sollst damit aufhören! Weil dann krieg ich wieder Alpträume. In denen du stirbst. Immer wieder stirbst. Die sind schlimmer als die von den Wraith, weißt du?“
„Sheppard …?!“ Immerhin schon einmal mehr als ein einfaches ‚ähm‘.
„Und du nennst mich nie ‚John‘, das ist total unfair!“ Wenigstens hatte Sheppard sich jetzt endlich aus der Umarmung gelöst. Dafür, dass Rodney nun nicht mehr in einem Todesgriff umklammert wurde, hatte es Sheppard jedoch irgendwie geschafft, seine Hand zu nehmen. „Weil du Teyla ‚Teyla‘ nennst und Ronon ‚Ronon‘ und Elizabeth …“
„Ja, ja, ja, ich verstehe, worauf du hinauswillst.“ Denn unter keinen Umständen würde Rodney ihn in diesem Zustand siezen können. Nicht nach dem, was er gerade gesagt hatte und wie er sich verhielt. „Also los, Shep-
John, bringen wir dich zu Carson.“
„Ich mag aber nicht zu Carson“, schmollte John, der Rodneys Hand losgelassen hatte, sobald Rodney die ersten paar Schritte in Richtung Krankenstation gemacht hatte, und nun mit verschränkten Armen dastand. „Der ist immer so gemein!“
„Gemein?“, wiederholte Rodney verwirrt. Denn wenn eine Charaktereigenschaft auf Carson nicht zutraf, dann war das ‚gemein‘.
„Was ist mit Sheppard?“, wollte Ronon in dem Moment wissen, dem wohl endlich auch auffiel, dass hier irgendetwas nicht stimmte.
Doch John schenkte ihm keinerlei Beachtung, sondern nickte auf Rodneys Frage hin energisch. „Ja. Der lässt mich nie gehen, wenn er mich erstmal auf der Krankensta- … Krankenstasch- … im Krankenzimmer hat. Und immer, wenn ich bei ihm bin, tut mir irgendwas weh“, fügte er nachdenklich hinzu. „Ich mag nicht krank oder verletzt sein. Aber ich mag’s noch weniger, wenn du verletzt bist. Oder Teyla. Oder Ronon. Und deswegen mag ich nicht zu Carson, weil da immer alle verletzt sind.“
„Ja, na ja, siehst du, ich glaube nicht, dass du hier gerade irgendeine Wahl hast“, erwiderte Rodney, der allmählich ungeduldig wurde. Wie es der Colonel nur schaffte, in Schwierigkeiten zu geraten, ohne die sicheren Mauern von Atlantis überhaupt verlassen zu haben, war ihm ein Rätsel.
„Ich will aber nicht!“
Na klasse! Rodney verdrehte die Augen. „Kann mir hier vielleicht mal jemand helfen?!“, wandte er sich genervt an Teyla und Ronon.
„John, ich glaube, Dr. McKay hat recht“, erbarmte sich Teyla endlich. Gut. Die war mit so was ohnehin sehr viel besser als er. „Wir sollten Sie lieber von Carson untersuchen lassen.“
„Warum?“
„Sie verhalten sich nicht gerade so, wie es für Sie üblich ist“, versuchte Teyla geduldig zu erklären.
„Warum?“
„Oh, du meine Güte“, platzte es aus Rodney heraus, womit er die paar Schritte zu John zurückging, um ihn grob an der Hand zu packen und mit sich zu schleifen. „Weil du diesen Strahl von dem Antikergerät abbekommen hast, darum. Also komm jetzt endlich.“
„Aber Carson hat ganz viele große Nadeln“, protestierte John, dessen Tonfall leicht ängstlich klang, der sich aber nichtsdestotrotz von Rodney mitschleifen ließ.
„Wir werden sicherstellen, dass er Ihnen nicht wehtut“, versicherte Teyla ihm. Als John noch immer nicht ganz überzeugt schien, fügte sie an: „Rodney, Ronon und ich werden bei Ihnen bleiben.“
John lächelte sie so offen und ehrlich an, dass Rodney nichts anderes übrig blieb, als seufzend die Augen zu verdrehen.
Den Weg zur Krankenstation konnten sie nicht so diskret zurücklegen, wie Rodney es sich gewünscht hätte. Die verlassenen Korridore waren kein Problem, doch als sie in den belebten Teil der Stadt kamen, versuchte Rodney, Johns Hand unauffällig loszulassen, um keine Blicke auf sie zu ziehen. John jedoch packte seine Hand nur noch fester, wann immer er versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien.
Schließlich kamen sie an einer Gruppe Marines vorbei, die John mit einem „Guten Morgen, Sir“ begrüßten.
„Ja, ja, guten Morgen“, grummelte Rodney an Johns statt, in der Hoffnung, schnell weiterzukommen, doch John blieb plötzlich stehen (und
jetzt, da Rodney ihn gerne weitergezogen hätte, musste er natürlich Rodneys Hand freiwillig loslassen!). Breit grinsend sah er Rodney an.
„Ich bin militärischer Kommandant hier“, erklärte er ihm flüsternd, jedoch nicht leise genug, als dass die Marines ihn nicht gehört hätten. „Das ist sooo cool! Pass mal auf.“ Damit wandte er sich an seine Soldaten und befahl: „Achtung … Stillgestanden!“
Die Marines sahen ihn etwas merkwürdig an, taten aber wie geheißen.
„Rührt euch! – Und Weggetreten.“
Sobald die Soldaten – noch immer merkwürdige Blicke zurückwerfend – den Korridor hinabgegangen waren, wandte sich John wieder Rodney zu. „Echt cool, hm?“
„Ja, ganz toll“, erwiderte Rodney ruppig. „Und jetzt verhalte dich gefälligst etwas unauffälliger!“
Na, prima! Jetzt sah John auch noch gekränkt aus. Das versprach, ein langer Tag zu werden … Oder hoffentlich nur ein paar lange Minuten, falls Carson das schneller als erwartet würde hinbiegen können. Doch Rodney hegte diesbezüglich wenig Hoffnungen. Er sah sich schon an dem Antikergerät arbeiten und – wie eigentlich immer – die Sache in Ordnung bringen, die Sheppard sich mal wieder selbst eingebrockt hatte.
„Du hast mich nicht mehr lieb!“, beschuldigte John ihn in dem Moment in weinerlichem Tonfall, was ihn aus seinen Gedanken holte.
„Was?“, war alles, was Rodney völlig perplex herausbrachte. Diese ganze Situation wurde von Sekunde zu Sekunde abstruser.
„Du hast mich nicht mehr lieb“, wiederholte John, als hätte Rodney ihn akustisch nicht verstanden. Diesmal klang er anklagend und Rodney war sich nicht sicher, ob das eine Verbesserung darstellte.
„John, wir haben Sie alle lieb.“ Ein Glück hatten sie Teyla mit dabei, denn Ronon war wirklich keine große Hilfe. Nach dem breiten Grinsen auf seinem Gesicht zu urteilen, konnte er sich nur mit großer Mühe das Lachen verkneifen. „Aber da wir alle nur das beste für Sie wollen, sollten wir jetzt zur Krankenstation gehen.“
Diese sanften Worte schienen in der Tat Wunder zu wirken, denn John warf Rodney zwar noch einen bösen Blick zu, folgte ihnen aber anschließend widerstandslos.
Als Carson sie eintreten sah, seufzte er tief auf und kam ihnen entgegen.
„Was haben Sie nun schon wieder angestellt?“, wollte er ohne Umschweife wissen.
„Es ist Sheppard“, erklärte Ronon schlicht.
„Was stimmt denn nicht mit ihm?“, wollte Carson wissen, der John bereits anwies, auf eines der Krankenbetten zu hüpfen.
John jedoch suchte hinter Rodney Schutz, was ihm einen bösen Blick von Rodney und eine hochgezogene Augenbraue von Carson einbrachte. Kein sehr effizientes Versteckspiel, bedachte man Johns Körpergröße.
„John? Sie erinnern sich, was ich versprochen habe?“, wandte sich Teyla an ihn, wobei sie ihm sanft eine Hand auf die Schulter legte.
„Der gemeine Doktor darf mir nicht wehtun“, sagte John und warf Carson weiterhin misstrauische Blicke zu. Dann trat er zögerlich hinter Rodney hervor, um sich auf eines der Krankenbetten zu setzen.
Rodney derweil wandte sich an Carson: „Erklärt das in etwa, was mit ihm nicht stimmt?“
„Alientechnologie?“, fragte Carson lediglich und presste die Lippen zusammen.
„Die spinnen, die Antiker“, erwiderte Rodney, was für Carson offensichtlich Antwort genug war, denn er steckte sich sein Stethoskop in die Ohren und begann, John zu untersuchen. „Also gut, dann ist er hier ja in guten Händen. Ich werde mir in der Zwischenzeit dieses Gerät, das uns das hier eingebrockt hat, näher ansehen.“
„Nein!“, schrie John plötzlich auf, sodass Carson erschrocken einen Schritt zurückwich. „Mein Rodney bleibt bei mir!“, verkündete John kompromisslos, sah Rodney jedoch mit angstvollen Augen groß an.
„Na wunderbar!“, seufzte Rodney, während er Carson einen vernichtenden Blick zuwarf, der seine Untersuchung gerade beendete und die Frechheit besaß, leise zu glucksen.
„Hör zu, John.“ Er versuchte, seiner Stimme einen ebenso sanften Klang zu verleihen wie Teyla, scheiterte jedoch irgendwo zwischen ‚Was? DREI Hiveschiffe?!‘ und ‚Verdammt, ich kann die überladene Antikerwaffe nicht abschalten!‘. „Wir alle hier wollen, dass du möglichst schnell wieder normal wirst – allen voran ich, glaub mir. Wenn aber Carsons Voodookünste versagen sollten –“ Carsons finsteren Blick ließ er einfach an sich abprallen. „– wäre es besser, wenn ich schon mal …“
„Du hast es versprochen!“, unterbrach John ihn beleidigt.
„Was? Ich hab gar nichts versprochen!“
Seine Verzweiflung schien für große Erheiterung bei seinen anderen Teammitgliedern zu sorgen, deren Mundwinkel gefährlich zuckten.
„Teyla hat für dich mitversprochen“, erklärte John nun. „Sie hat gesagt, ihr bleibt alle bei mir.“
„Also erstens: ‚Mitversprechen‘ gibt es überhaupt nicht! Und zweitens: Selbst wenn es das gäbe, würde ich mich nicht darum scheren, weil ich wirklich Wichtigeres zu tun habe als babysitten.“
Das vertrieb wenigstens endlich das Grinsen von den Gesichtern der anderen, obwohl das vermutlich eher daran lag, dass John so aussah, als hätte Rodney ihm seine P90 weggenommen.
„Rodney, das war nicht sehr nett“, meinte Carson. Dann wandte er sich an John: „Na komm, Junge, wir kommen auch ohne Rodney sehr gut klar und Teyla und Ronon sind ja auch noch da.“
Fast fühlte sich Rodney etwas schlecht – aber er hatte recht, verdammt noch mal! Es wäre viel effizienter, wenn er sich schon einmal dieses verheerende Antikergerät anschauen würde …
„Aber er braucht mich doch“, erklärte John Carson in ernstem Tonfall und sein Gesichtsausdruck war so offen und verwundbar, wie Rodney ihn noch nie gesehen hatte. Wie er ihn nie hätte sehen
wollen, denn seinem schlechten Gewissen diente der Ausdruck als willkommene Nahrungsquelle. „Sonst läuft er wieder vor irgendein seltsames Strahlgerät und wer soll ihn dann beschützen?“, fuhr John ohne Rücksicht auf Rodneys Gewissen fort und wirkte regelrecht verloren, wie er Carson so aus großen Augen ansah.
Carson seinerseits sah verwirrt von Ronon zu Teyla und schließlich zu Rodney, der schnell die Augen abwandte. Es musste ja nicht gleich jeder erfahren, dass Sheppards momentaner Zustand indirekt Rodneys Schuld war. Aber er hatte den Colonel schließlich nicht darum gebeten, ihn aus der Schusslinie des Strahlers zu schubsen. Wenn er jedoch daran dachte, dass
er jetzt derjenige sein könnte, der dort auf dem Bett saß und sich wie ein schmollendes Kleinkind verhielt …
„Rodney bleibt natürlich hier“, riss ihn Teylas Stimme aus seinen Gedanken.
„Das tue ich?“
„Ja“, bestätigten Carson und Ronon im Chor und Rodneys Augen wanderten instinktiv zu Ronons Stunner, an dem der Satedaner scheinbar unbewusst herumspielte.
Seufzend ließ sich Rodney auf einem der Besucherstühle nieder. John jedoch grinste freudig und auch einen derart unbeschwerten Ausdruck hatte Rodney noch nie zuvor auf seinen Gesichtszügen gesehen. Er konnte kaum glauben, dass
er für diesen glücklichen Ausdruck verantwortlich war. Nun gut – er und ein durchgedrehtes Antikergerät …
„Duhuu, Rodney?“
Ergeben wimmernd vergrub er sein Gesicht in den Händen. „Hm?“, machte er nichtsdestotrotz, denn er hatte das untrügliche Gefühl, dass er, wenn er John heute noch einmal fast zum Weinen brachte, es in der Tat mit Ronon und Teyla zu tun bekommen würde.
„Ich hab dich ganz arg doll gern, hab ich dir das schon mal gesagt?“
Okay, das würde Sheppard später, wenn er wieder ganz er selbst war, definitiv alles furchtbar peinlich sein.
„Ähm … nein.“
John senkte den Kopf und sah beschämt zu ihm herüber. „Oh.“ Ihn schien diese Information fast ein wenig traurig zu stimmen. Dann hellten sich seine Gesichtszüge plötzlich auf und mit einem fast schüchternen Grinsen meinte er: „Aber jetzt sag ich’s dir. Du bist nämlich mein allerliebster Lieblingsfreund.“
Jep. Definitiv mehr als peinlich. Rodney konnte nur hoffen, dass Sheppard ihn nicht umbringen würde, wenn das alles vorbei war.
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Elizabeth hatte er genau genommen vollkommen vergessen. Jedenfalls, bis sie ihnen auf dem Weg zum Labor begegnete. Zu seiner Verteidigung konnte er nur sagen, dass auch sonst niemand an sie gedacht hatte, und ganz abgesehen davon hatten sie genug damit zu tun gehabt, auf John aufzupassen.
Da John ihm nicht von der Seite wich und Carson ohnehin momentan nichts weiter für ihn tun konnte (seiner medizinischen Meinung nach war John „vollkommen in Ordnung“), war das Team gerade gemeinsam auf dem Weg zu Rodneys Labor, um wissenschaftlich an die ganze Sache heranzugehen.
„Ah, da sind Sie ja“, begrüßte Elizabeth sie mit kühler Stimme. Bevor Rodney noch ansetzen konnte, ihr neuestes Problem mit Antikertechnologie zu erklären, fuhr sie fort: „Sie alle wissen, dass John dieses athosianische Gebräu nicht so gut verträgt.“
„Ähm … wie bitte?“ Rodney versuchte, dem Gedankengang zu folgen, doch er musste zugeben, dass er irgendwo zwischen ‚Sie alle wissen‘ und ‚athosianisches Gebräu‘ ausgestiegen war.
„Ich wurde gerade von ein paar Marines darauf hingewiesen, dass John ziemlich …“ Sie warf einen schnellen Blick zu John, der die Arme ausgebreitet hatte und Fliegergeräusche machte, während er um sie alle herumrannte. „… Das Wort war, glaube ich, ‚hackedicht‘ sein soll. Und Sie wissen, dass ich, wenngleich ich es nicht gutheiße, nichts dagegen habe, wenn Sie sich bei Ihren Teamabenden betrinken. Aber ich denke auch, dass ich mich klar genug ausgedrückt habe, als ich sagte: Kein Tropfen athosianischen – oder
irgendeinen – Alkohol während der Arbeitszeit. Außerdem meine ich mich daran zu erinnern, Sie angewiesen zu haben, die unteren Bereiche im Westen der Stadt zu erkunden.“
Rodney schnaubte auf. „Als ob er sich jemals freiwillig betrinken würde – und dann auch noch im Dienst! Das eine Mal hat erstens niemand gewusst, dass er anscheinend nur zwei Tropfen auf einmal verträgt, und zweitens haben wir da versucht, ihn abzufüllen um herauszukriegen …“ Als Rodney sah, wie Elizabeths Augenbrauen nach oben wanderten, fügte er schnell an: „Es hat nicht funktioniert! Der Bastard ist selbst betrunken alles andere als gesprächig. Aber darum geht es gar nicht. Sheppard ist vollkommen nüchtern.“
Genau den Augenblick musste John sich natürlich aussuchen, um sein kleines Flugspiel abzubrechen und Elizabeth breit anzugrinsen. „Hi, Lizzie!“, sagte er mit einer Stimme, die – okay – für einen erwachsenen Mann sehr betrunken klang, und Rodney stöhnte auf.
„Netter Versuch, Rodney“, kommentierte Elizabeth die Lage. „Und Colonel? Sie wissen selber, dass Sie nicht so viel athosianischen Alkohol vertragen. Also glauben Sie bloß nicht, dass ich die ganze Schuld Ihren Teammitgliedern gebe, die Sie“, bei diesen Worten funkelte sie wieder Rodney, Teyla und Ronon an, „davon hätten abhalten sollen.“
„Der Colonel ist in der Tat nicht alkoholisiert, Dr. Weir“, bequemte sich endlich auch Teyla, ihm zu helfen.
„Ach nein?“ Elizabeth zog skeptisch die Augenbrauen hoch, wobei sie John hinterhersah, der gerade fröhlich pfeifend den Korridor hinuntersprang.
„Ich bin für so was wirklich nicht geschaffen!“, stöhnte Rodney und vergrub zum wiederholten Male an diesem Tag das Gesicht verzweifelt in seinen Händen.
„Bringt ihn zurück zu seinem Quartier und lasst es ihn ausschlafen“, ordnete Elizabeth an, ehe sie noch einmal einen missbilligenden Blick in die Runde warf und dann kopfschüttelnd davonging.
Kaum war Elizabeth in der einen Richtung verschwunden, rief John ihnen vom anderen Ende des Korridors zu: „Spielen wir Fangen?“
„Was?! Nein!“, stellte Rodney sofort klar, doch anscheinend zählte ‚nein‘ als Antwort nicht, denn John verkündete einfach mit einem frechen Grinsen: „Ihr seid dran!“ und rannte auch schon um die nächste Ecke.
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Man müsste meinen, mit Ronon als ehemaligem Runner stünden ihre Chancen, Sheppard innerhalb einer vernünftigen Zeitspanne einzufangen, ziemlich gut. Am Anfang ihrer Hetzjagd hätte Rodney die Wahrscheinlichkeit, ihn innerhalb von fünf Minuten zu erwischen, sogar auf über 97 Prozent geschätzt. Mittlerweile war die Prozentzahl für die nächsten paar Minuten auf unter 0,1 gesunken. Und alles nur, weil Atlantis sich wie immer auf Johns Seite schlagen musste. Verräterin! Wann immer sie John zu Nahe kamen, glitten Türen vor ihnen so schnell zu, dass nicht einmal mehr Teyla flink hindurchschlüpfen konnte.
„Ich sollte an genialen Theorien arbeiten, die mir in naher Zukunft den Nobelpreis einbringen. Stattdessen jage ich hier einem fünfjährigen Achtunddreißigjährigen hinterher“, keuchte Rodney, der gerade zu Teyla und Ronon stieß, die schon wieder vor einer verschlossenen Tür standen.
„John?“, rief Teyla durch die Tür, während Ronon sie aufzustemmen versuchte (nachdem er die ersten paar Öffnungsmechanismen mit seiner Kanone weggepustet hatte, hatte Rodney ihn dezent darauf hingewiesen, dass Elizabeth wohl nicht sehr begeistert davon wäre, wenn er die ganze Stadt demolierte). „Wir geben auf“, fuhr Teyla fort, auf die Tür einzureden, „Sie haben gewonnen.“
„Echt? Cool!“, kam es gedämpft von der anderen Seite und schon im nächsten Moment glitt die Tür ganz von selbst auf und John trat über das ganze Gesicht grinsend zu ihnen.
„Sagen Sie mir bitte nicht, dass wir die letzte halbe Stunde quer durch ganz Atlantis gehetzt sind, obwohl wir dieser Schikane jederzeit ganz einfach ein Ende hätten bereiten können?!“
„Ich hätte ihn gekriegt“, stellte Ronon schlicht klar, ohne Rodneys entsetzter Frage Beachtung zu schenken.
John seinerseits ließ sie alle beide unbeachtet und meinte enthusiastisch: „Das hat Spaß gemacht! Was machen wir jetzt?“
„Ist es nicht Zeit, für alle guten kleinen Colonels, ein Mittagsschläfchen zu halten?“, fragte Rodney hoffnungsvoll.
„Roodneey“, sagte John gedehnt und in dem Tonfall, den normalerweise er selbst anschlug, wenn er irgendeinem Idioten etwas sehr Einfaches erklären musste. „Ich bin doch kein Kleinkind mehr!“
„Ach, nein?“
John warf ihm einen finsteren Blick zu. „Ich bin der ranghöchste Offizier hier. Wenn hier irgendjemand jemandem befiehlt, ins Bett zu gehen, dann bin ich das.“
Dann änderte sich plötzlich sein Gesichtsausdruck und er fragte voller Tatendrang: „Gehen wir jetzt fliegen?“
Rodney überkam unvermittelt ein Anflug von Mitgefühl für Johns Eltern, da John ganz offensichtlich ein hyperaktives Kind gewesen sein musste.
„Nein, wir gehen nicht fliegen!“, erwiderte Rodney harsch. Er wusste schon, warum er Kinder nicht ausstehen konnte … „Und wenn du jetzt wieder kommst mit ‚ich hab dich nicht mehr lieb‘, dann schwöre ich, dass du alleine zusehen kannst, wie du wieder normal wirst!“ Erst, nachdem er die Drohung ausgesprochen hatte, wurde ihm klar, dass das wohl eher eine Bestrafung für
ihn wäre als für John.
„Was hältst du davon, wenn wir Rodney an einer Lösung hierfür arbeiten lassen und uns die Puddlejumper ansehen, John?“, schlug Teyla vor, bevor John sich durch Rodneys Worte wieder verletzt fühlen konnte.
Teylas Vorschlag brachte John regelrecht zum Strahlen und mit einem begeisterten „Au ja!“ rannte er auch schon in Richtung Jumper-Hangar davon.
Kopfschüttelnd sah Rodney ihm nach. Wenigstens würde er jetzt seine Ruhe haben …
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„Ich hab dich vermisst, Rodney!“, rief John, als er gefolgt von Teyla und Ronon in das Labor gestürmt kam. Und was hatte es nur mit diesen ganzen Umarmungen auf sich?! Sheppard war doch sonst nicht so auf körperlichen Kontakt aus. Unweigerlich fragte sich Rodney, ob John als kleines Kind wohl diesbezüglich anders gewesen war? Mehr so, wie er sich jetzt verhielt.
„Du warst gerade mal eine Viertelstunde weg“, entgegnete Rodney, der insgeheim dachte, dass das mindestens fünfzehn Stunden zu kurz gewesen war.
„Ich wollte nachschauen, ob mit dir alles okay ist.“
Aber vielleicht auch fünfzehn Minuten zu lang, wenn er sich so Johns offenen und besorgten Gesichtsausdruck ansah …
„Was rausgefunden?“, wollte Ronon wissen, der sich einen der Stühle heranzog, um sich darauf niederzulassen.
Teyla tat es ihm gleich. Sie beide schienen ziemlich geschafft zu sein. Was auch immer sie mit John gemacht hatten – es musste anstrengend gewesen sein.
„Genau genommen, ja“, antwortete Rodney, wobei er sich aus Johns Umarmung herauswand und sich wieder seiner Entdeckung widmete, auf die er kurz zuvor gestoßen war. „Anscheinend hatten die Antiker den Stress mit den Wraith irgendwann satt und wollten den Sorgen entkommen, weshalb sie dieses Gerät gebaut haben, mit dem man einen Tag ‚sorglos wie ein Kind‘ verbringen kann.“
„Einen Tag?“, wiederholte Teyla und klang fast panisch – ein Tonfall, den Rodney bei ihr noch nie gehört hatte. Jep, was auch immer John in dieser Viertelstunde angestellt hatte, musste für Teyla und Ronon wirklich kein Spaziergang gewesen sein.
„Nun, man kann das Ganze auch wieder rückgängig machen, indem man den Betroffenen nochmal von dem Strahler anleuchten lässt. Aber wir haben keine Ahnung, wie genau das gehen soll und ob das Teil nach all den Jahren überhaupt noch richtig funktioniert.“
„Hat ihn immerhin in den Zustand gebracht“, kommentierte Ronon trocken.
Rodney verdrehte die Augen. „Ja, sehr scharfsinnig von Ihnen. Aber falls es Ihnen nicht aufgefallen sein sollte: Niemand von uns hat das Gerät aktiviert und ich wage anzuzweifeln, dass es dazu gedacht ist, seine Strahlung einfach so wild in die Gegend abzufeuern.“
„Dann reparieren Sie es!“, forderte Ronon.
„Sie sind ja heute bärbeißiger als sonst. Sind Sie etwa immer noch sauer, weil er Sie beim Fangen spielen geschlagen hat?!“
„Ich hätte ihn erwischt.“
Rodney hielt es nicht für nötig, Ronon in seinem Stolz zu kränken, indem er klarstellte, dass er John nie erwischt hätte, wenn er nicht freiwillig zu ihnen gekommen wäre.
Stattdessen kam er zu dem eigentlichen Punkt zurück: „Alles, was wir jetzt noch tun müssen, ist, vierundzwanzig – bzw.,“ ein schneller Blick auf die Uhr, „einundzwanzigeinhalb – Stunden abzuwarten, dann ist das Problem von selbst gelöst. Das geht vermutlich ohnehin schneller, als den Strahler zu reparieren.“
„John!“ Teylas Aufschrei ließ sie herumfahren.
„Oh, nein, nein, nein! Nichts anfassen!“, rief Rodney. John turnte auf einem mit Antikergeräten beladenen Regal herum und streckte sich gerade, um eines der Geräte aus dem obersten Fach zu erreichen.
Auf Rodneys Ruf hin sah er zu ihnen herüber – und verlor prompt das Gleichgewicht. Mit den Armen durch die Luft rudernd fiel er hintenüber und riss das Regal dabei mit sich. Tausende von Antikergeräten verteilten sich über den Boden, flogen durch das halbe Labor und rollten unter die Labortische.
Auf den Krach hin, den das zu Boden stürzende Regal verursacht hatte, folgte unnatürlich laute Stille. „Ups“, kam es dann schließlich unter dem Regal hervor, ehe sich John darunter hervorwühlte.
„Okay, vielleicht sollte ich mir diesen Strahler doch einmal ansehen.“
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Völlig erschöpft fiel Rodney am Abend in sein Bett. Was für ein Tag! Immerhin war das Babysitten an Elizabeth (die sich schließlich doch von den wahren Ereignissen hatte überzeugen lassen), Teyla, Ronon und Carson hängengeblieben. Anscheinend hatten die vier sich paarweise abgewechselt, auf Sheppard aufzupassen.
Doch auch Rodneys Tag war alles andere als einfach gewesen. Mit einem so sturen Antikergerät hatte er es lange nicht mehr zu tun gehabt. Es war fast, als sträubte es sich dagegen, John diese ‚Sorglosigkeit‘ wieder abzunehmen. Am liebsten hätte Rodney noch die Nacht durchgearbeitet, aber letztendlich hatte Elizabeth regelrecht angeordnet, dass er schlafen ging.
Nach so einem anstrengenden Tag war es kein Wunder, dass er innerhalb kürzester Zeit einschlief.
Und in noch kürzerer Zeit wieder aufgeweckt wurde.
Erschrocken fuhr er hoch und sah im Halbdunkeln eine Gestalt an seinem Bettende stehen.
„Bist du wach?“
Rodney schloss kurz die Augen und betete, dass es sich um einen Traum handelte. „Ich wünschte, nicht.“
„Ich kann nicht schlafen“, sagte John mit kleiner Stimme. Unsicher trat er von einem Fuß auf den anderen.
Rodney derweil machte das Licht an und rieb sich die Augen. „Wie bist du hier überhaupt reingekommen?“
„Durch die Tür. Kann ich hier schlafen?“
„Was? Nein!“
„Biiitteee!“ Und jetzt zog er auch noch einen Schmollmund und sah ihn aus großen, bittenden Augen heraus an.
„Kommt gar nicht in Frage! Du …“
„Lizzie hat mir meine Waffen weggenommen und was soll ich denn jetzt machen, wenn die Wraith kommen?“
„Die Wraith werden nicht kommen!“, grummelte Rodney genervt. Er war wirklich nicht gut darin, andere Menschen zu beruhigen. Das sollte Sheppard doch eigentlich wissen! Warum war er nicht zu Teyla gegangen? Oder zu Carson, oder …
„Das kannst du gar nicht wissen!“
„Doch, kann ich.“
„Nein, kannst du nicht.“
„Doch, ka- Ich diskutiere hier nicht mit einem Fünfj… mit dir!“
„Also, kann ich jetzt hier schlafen?“
„Oh, um Himmels willen! Wenn du dann endlich den Mund hältst!“
Im nächsten Moment sprang John auch schon auf sein Bettende.
„Oh, nein! Unter keinen Umständen! Auf den Boden mit dir! Militärtraining und das alles, da wirst du eine Nacht auf dem Boden schon vertragen. Und wenn dir das zu hart ist, dann kannst du immer noch in dein eigenes Quartier zurückgehen!“
„Aber Rodney, der Boden ist kalt!“
„Nimm die Extradecke und ein Kissen, dann ist es nicht mehr kalt. Und sei endlich still, ich will hier schlafen.“
Kurze Zeit später hatte John sich auf dem Boden in seine Decke gemümmelt und Rodney konnte endlich wieder das Licht ausmachen. Zufrieden seufzend kuschelte er sich in seine Kissen und schloss die Augen …
„Rodney?“
Er hätte wissen müssen, dass der Frieden nicht lange währen würde, wenn Sheppard im selben Raum war.
„Dir ist schon klar, dass unser Deal war, ich lass dich hier schlafen, wenn du
still bist, ja?“
„Ja.“
Und dann war er tatsächlich still. Eigentlich hätte Rodney nun in aller Ruhe einschlafen können. Stattdessen seufzte er nach ein paar langen Minuten des Schweigens tief auf. „Was wolltest du sagen?“
Einen Moment lang sagte John immer noch nichts und Rodney dachte schon, er wäre eingeschlafen. Doch dann fragte er plötzlich vorsichtig: „Bist du sauer auf mich?“
„Weil du mich nicht schlafen lässt?“
„Nein. Weil …“ John stockte kurz und setzte dann erneut an: „Ich weiß nicht, warum. Aber du bist heute irgendwie schon den ganzen Tag so komisch und ich dachte, vielleicht hab ich ja was falsch gemacht.“
„Oh,
ich bin heute komisch?“, gab Rodney zurück. Als er daraufhin abermals nur Stille erntete, meinte er: „Nein, du hast nichts falsch gemacht. – Außer, dass du mich mit deinem Rettungskomplex unbedingt aus der Schusslinie des Strahlers stoßen musstest.“
„Also ist alles in Ordnung?“, vergewisserte sich John noch einmal.
„Ja, alles in Ordnung“, bestätigte Rodney. „Schlaf jetzt.“
Ein Gähnen von John zeigte ihm, dass er nicht der Einzige war, den der Tag geschafft hatte. Dann folgte ein Rascheln, das vermutlich daher kam, dass John nach einer bequemen Lage zum Einschlafen suchte, und schließlich ein müdes Murmeln: „Hab dich lieb.“
„Ich dich auch“, erwiderte Rodney so leise, dass er im Notfall bestreiten konnte, es je gesagt zu haben.
'''''
Am nächsten Tag ging alles sehr schnell. Obwohl sie ohnehin nur noch ein paar Stunden mit John und seinem inneren Kind hätten verbringen müssen, hatte Rodney den Strahler schließlich doch noch reparieren können (immerhin zwei Stunden und 39 Minuten vor der Zeit) und dann war ihr Team auch schon wieder in dem Raum und der Lichtstrahl traf den Colonel zum zweiten Mal.
Sobald das Licht verloschen war, herrschte einen Augenblick lang gespannte Stille.
„Okay, bevor Sie irgendetwas sagen …“, begann Rodney, der seine Verteidigungsrede schon am frühen Morgen einstudiert hatte, doch Sheppard sah ihn so irritiert an, dass er unsicher abbrach. Es hatte doch sicher funktioniert, oder? Es musste einfach funktioniert haben, schließlich hatte
er das Gerät ja repariert …
„Junge, war das ein verrückter Traum“, verkündete Sheppard in seiner ganz normalen und erwachsenen Lt.-Colonel-Stimme. „Wir waren im Jumper-Hangar, aber Teyla hat mir verboten, meine Jumper zu fliegen.“
Verwirrt schüttelte er den Kopf. Dann schien ihm langsam zu dämmern, dass ihn alle groß ansahen.
„Was?“, wollte Sheppard argwöhnisch wissen. „Was schauen Sie mich alle so an? Hab ich irgendwas verpasst?“
„Nein, Colonel, nichts“, erwiderte Rodney schnell.
Er verspürte zu diesem Zeitpunkt kein Verlangen danach zu erfahren, an was sich der Colonel alles erinnerte oder auch nicht. Das würde er wahrscheinlich noch eher zu hören bekommen als ihm lieb war. Und so floh er nahezu aus dem Raum und ließ einen verwirrt blickenden Sheppard zurück.
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Drei lange Tage durfte er hoffen, dass diese Geschichte einfach in Vergessenheit geraten würde. Doch sobald er Sheppard spätnachts in sein Labor schlendern sah, wusste er mit einem Blick in Sheppards sorgfältig verschlossenes Gesicht, dass sich diese Hoffnung gerade in Wohlgefallen auflöste.
Mit einem tiefen Seufzen schloss er seinen Laptop und drehte sich Sheppard zu.
„Hören Sie, ich habe Teylas Zusammenfassung der Geschehnisse wirklich nichts hinzuzufügen. Sie waren offensichtlich vorübergehend nicht Sie selbst und …“
„Sekunde, wir
reden jetzt darüber?!“, unterbrach Sheppard ihn mit einem fast panischen Unterton.
„Oh, als ob Sie nicht deswegen hier mitten in der Nacht aufgetaucht wären!“
Sheppard warf ihm einen verwirrten Blick zu. „Nein“, erwiderte er. „Ich bin eigentlich gekommen, weil …“
Der Satz verklang im Nichts und als Sheppard auch keine Anstalten machte, ihn fortzusetzen, hob Rodney auffordernd eine Augenbraue und wiederholte: „Weil …?“
Müde rieb sich Sheppard über das Gesicht. „Ich konnte nicht einschlafen.“
Dann erstarrte er kurzzeitig, ehe er Rodney mit einem unleserlichen Ausdruck ansah.
„Flashback?“, fragte Rodney.
Carson hatte sie gewarnt, dass das in den nächsten Tagen öfter vorkommen könnte.
Sheppard nickte. „Immer öfter.“
Einen Moment lang schwiegen sie sich an. Dann wollte Sheppard wissen: „Hab ich wirklich zu Elizabeth gesagt, dass sie ‚eine echt super Mum‘ ist?!“
„Keine Ahnung, da müssen Sie Ronon oder Teyla fragen, die hatten die Ehre, auf Sie aufzupassen.“
„Ja. Richtig.“ Sheppard nickte abwesend und wandte seinen Blick ab, um auf Rodneys geschlossenen Laptop zu starren.
Gerade als Rodney das Schweigen unangenehm wurde und er den Mund öffnete, um
irgendetwas zu sagen (er wusste selber noch nicht, was), hob Sheppard abermals an: „Okay, sehen Sie … Ich hatte noch einen Flashback. Heute Morgen. Und … die Sache ist die … ich meine … oh, verdammt!“ Frustriert brach Sheppard ab, fuhr mit den Händen durch sein Haar und brachte es nur noch mehr durcheinander.
Schließlich startete er einen erneuten Versuch: „Sie wissen ja, wie Kinder so sind.“
„Ehrlich?“, schlug Rodney vor, der absolut nicht verstand, worauf Sheppard mit diesem Satz hinauswollte.
Sheppard verzog das Gesicht. „Ich meinte eigentlich eher …“
Er machte eine unbestimmte Handbewegung, die alles von „nervtötend“ zu „koffeinabhängig“ hätte bedeuten können.
„Ah ja, das macht es natürlich klarer.“
„McKay!“, gab Sheppard warnend zurück.
„Was?!
Sie sind hierher gekommen, um darüber zu reden! – Okay, um
nicht darüber zu reden“, gestand Rodney ein, als Sheppard ihm einen bedeutsamen Blick zuwarf.
Da Sheppard ihn weiterhin düster ansah, lenkte er augenrollend ein: „Okay, okay, wir alle wissen, wie Kinder sind.“
Was auch immer das bedeuten sollte. Aber solange Sheppard eine Ausrede brauchte und ihm keine bessere einfiel, sollte das Rodney recht sein.
Ein Grinsen stahl sich auf Sheppards Gesicht, das Rodney stark an sein schelmisches Grinsen erinnerte, kurz bevor er verkündet hatte, dass sie dran waren, ihn zu fangen.
„Okay“, meinte Sheppard, womit er ihm auf die Schulter klopfte. „Gut, dass wir nicht darüber geredet haben.“
Damit wandte er sich ab und begab sich leichten Schrittes auf die Tür zu.
Eine Millisekunde haderte Rodney mit sich, doch die Chance war einfach zu gut und außerdem hatte er sich das Recht, ihn damit ein wenig aufzuziehen, hart erkämpft, wenn man bedachte, wie viele Nerven Sheppard ihn an diesem Tag gekostet hatte.
„Sheppard?“, rief er und wartete, bis der Colonel sich mit hochgezogenen Brauen zu ihm umgedreht hatte. „Ich hab dich auch lieb.“
Der Gesichtsausdruck, den er dafür zu sehen bekam, war einfach nur göttlich!
E N D E