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Thema: The voice within

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    Staff Sergeant Avatar von Sumanira
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    Standard The voice within [NC-17]

    Titel: The voice within

    Autorin: Sumanira

    Serie: SG-1

    Staffel: Mitte Staffel 7, unmittelbar nach "Grace"

    Inhalt: Die Tok' ra bitten Sam um ihre Hilfe, doch das Ganze ist an eine Bedingung geknüpft, die das Team in eine schwere Krise stürzt und nicht nur Sams Leben in Gefahr bringt, sondern auch das ihrer Freunde


    Genre: Abenteuer, Angst, Drama, Schmerz /Trost, Romance, Sci-Fi, Mystery

    Rating: P18 aufgrund vereinzelter Gewaltszenen

    Pairing: Jack/Other, Sam/Other, Sam/Jack

    Anmerkung des Autors: Im MIttelpunkt steht eindeutig Sam. Es wird eine längere Geschichte, ein paar Kapitel hab ich schon geschrieben, es ist also Vorlauf da!

    Würd mich über ein Feedback freuen! LG und viel Spaß beim Lesen, Susann

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    Seit Tagen starrte sie nun Nacht für Nacht dieselben funkelnden Gebilde an, betrachtete das Wunderwerk, das die Kristalle geschaffen hatten, lauschte dabei den immer gleichen Geräuschen und versuchte krampfhaft nicht daran zu denken, dass sich der eigentliche Grund ihres Hierseins auch nach fast zwei Wochen noch nicht hatte blicken lassen. Doch es war weniger die Enttäuschung, die ihr den Schlaf raubte, als vielmehr die Angst, das Glück könnte ihn nach all den vielen überlebten Missionen, nun doch verlassen haben. Sie kannte das Gefühl leider zu gut, Zuhause zu sitzen und zu warten, zu hoffen, zu bangen und jede Nacht zu einem Gott zu beten, an den sie im Grunde genommen nicht glaubte.

    Jacob hatte sich stark verändert, seit er seinen Körper mit Selmak teilte. Endlich ließ er die Liebe zu seinen Kindern zu, hatte seinen Frieden geschlossen, sowohl mit ihr, als auch mit Marc. Eines aber würde sich wohl niemals ändern. Sie war noch immer dazu verdammt, nicht zu wissen, wo er war und was er tat. Malek hatte bereits mehrfach angedeutet, dass sich Jacobs Mission als komplizierter erwies, als zunächst angenommen und schon morgen sollte sie mit Teal´c wieder zur Erde zurückkehren, ohne ihn auch nur einmal gesehen zu haben, geschweige denn die erhoffte Zeit mit ihm verbracht zu haben. Der Umzug der Tok´ra war so gut wie abgeschlossen und das Gefühl diese zwei Wochen sinnlos vergeudet zu haben, vermischt mit einer gehörigen Portion Wut und Trauer im Bauch, hinterließ einen äußerst fahlen Geschmack in ihrem Mund.

    Die Nächte in den kristallinen Tunneln waren lang, einsam, verleiteten unweigerlich zum Grübeln und hatten ihr während des gesamten Aufenthaltes zu erstaunlichen Erkenntnissen verholfen.

    Ja!

    Sie war definitiv keinen Deut besser als er, war ihm bereitwillig in die Air Force gefolgt, hatte sie, wie es sich für eine waschechte Carter gehörte, zum Mittelpunkt ihres Lebens erklärt und war seither ständig bemüht, Jacobs hohen Ansprüchen zu genügen. Inzwischen war sie nicht nur so gut wie all die Männer in diesem Job, nein, sie war weitaus besser! Doch nach all den Jahren Kampf um Ansehen und Karriere war ihr so manches Mal der wirkliche Sinn des Lebens abhandengekommen und ihr eigener Willen war dazu verdammt, sich hinter den Regeln anzustellen, die tagtäglich ihr Leben bestimmten. Entsprach das noch ihr selbst und der Vorstellung dessen, wie sie sein wollte … wer sie sein wollte? Sam hatte gelernt, sich die Dinge schön zu reden, sich nicht der Tatsache zu stellen, dass sie entgegen ihrer Natur zu einer Marinonette geworden war, die sie eigentlich nie hatte sein wollen.

    Oberflächlich gesehen war sie die perfekte Soldatin, stark, klug, pflichtbewusst und eine brillante Wissenschaftlerin noch dazu, immer bestrebt das Herz ihres stolzen Vaters höher schlagen zu lassen.
    Sie war ein Soldatenkind durch und durch, wurde von Beginn an im Sinne von Ehre und Pflicht erzogen und es war immer klar, dass sie eines Tages in seine viel zu großen Fußstapfen treten würde. Sich hinter der perfekten militärischen Maske zu verstecken, um all ihre menschlichen Defizite zu verschleiern, war einer der leichtesten Übungen, die Sam fast bis zur Perfektion beherrschte.

    Unter der makellosen Schale jedoch brodelte es gewaltig, denn die Regeln, die ihr Leben lang Sicherheit und Halt geboten hatten, waren inzwischen wie ein viel zu enges Korsett, das ihre Wünsche und Träume in eine Litanei von Vorschriften presste und ihr sowohl die Luft zum Atmen nahm, als auch die Möglichkeit, an sich selbst und ihren eigenen Fehlern zu wachsen.
    Sam schloss ihre Augen, versuchte die ungebetenen Gedanken, die sie seit Wochen regelmäßig wie eine nicht zu bändigende Naturgewalt heimsuchten aus ihrem Kopf zu verbannen, doch in der Einsamkeit jener Nächte wurde es immer schwerer und schwerer, sich dagegen zu wehren. Dabei tat sie wirklich alles, um ihr wohl gehütetes Air Force Dasein auch weiter wie ein rohes Ei zu hüten.
    Aber tief in ihr versteckte sich Sam Carter, noch immer unsicher wie das zerbrechliche Mädchen, das weinend vor dem Grab ihrer Mutter stand, unfähig sich selbst zu deuten und ihre eigenen persönlichen Träume auszuleben. Vielleicht war das auch der Grund ihrer Besessenheit für die Wissenschaft und das Militär.

    Alles war logisch geordnet und unterlag strengen Regeln, anders als all dieser einlullende Gefühlskram, der meist die unweigerliche Tendenz besaß in einer Katastrophe zu enden und sie soweit gebrachte hatte, einen großen Bogen darum zu machen. Jonas Hanson hatte es einmal mehr bewiesen und sie hatte sich geschworen, niemals wieder jemanden so nahe kommen zu lassen, dass es ihm danach die Macht verlieh, sie verletzlich und angreifbar zurückzulassen … wären da nicht diese verbotenen Gefühle für ihren kommandierenden Offizier, die so sicher wie das Amen in der Kirche unter jene Rubrik fielen. Ganz gleich wie sehr sie sich in den vergangenen Jahren auch bemüht hatte, sie zu ignorieren und auf das alte Sprichwort zu vertrauen, dass Zeit alle Wunden heile, in ihrem Fall war leider auch darauf kein Verlass. Sie war gefangen in ihrem selbstgesponnenen Netz aus Regeln, blindem Gehorsam, grenzenlosen Ehrgeiz und dem brennenden Verlangen nach einen Mann, den sie als solchen nicht begehren durfte.

    In seiner Gegenwart fühlte sie sich perfekt eingehüllt in ihre allumfassende Heldenverehrung für den großen Jack O`Neill, den Ritter in schimmernder Rüstung, der die Welt Gott weiß wie oft vor dem sicheren Untergang bewahrt hatte. Wie zur Hölle hätte sie ihm also nicht verfallen sollen?
    Er war so nah und doch so fern, thronte in seiner Perfektion über ihr wie ein griechischer Gott auf dem Olymp. So selbstbewusst sie war, wenn es um Wissenschaft und Technik ging, umso tiefer war sie unter ihren Selbstzweifeln begraben, wenn er in ihrer Nähe war. Doch anstatt, dass sich ihre Lage entspannte, verwandelte sich auch ihre anfangs noch jugendliche Lässigkeit, die sie während ihrer ersten Missionen ihm gegenüber an den Tag gelegt hatte, in eine grenzenlose Verehrung für ihren direkten Vorgesetzten, den sie zu ihrem persönlichen Helden auserkoren hatte. Sie begehrte ihn, liebte ihn auf eine gefährliche Art und Weise und hasste ihn mit derselben Intensität für seine Stärke und ihre eigene Schwäche. Er war und blieb eine unüberwindbare Grenze.

    Bei ihrem ersten Zusammentreffen hatte sie ihn kurzerhand zum Frauenverachtenden Macho degradiert, doch schon bald musste sie feststellen, dass sich hinter der coolen Fassade ein Mensch verbarg, der ihren Respekt und ihre Achtung verdiente. Sie hatte viel zu lange die Augen davor verschlossen, welche gefährlichen Emotionen in ihr heranreiften und es ihr schon bald gänzlich unmöglich machten, sich weiter in ihre heile Scheinwelt zu flüchten. Ihr erbitterter Kampf an dieser Front war längst verloren. Dennoch wehrte sie sich auch weiter mit fast bewundernswerter und gleichermaßen bemitleidenswerter Vehemenz dagegen und ergab sich damit dem Schicksal, nie das haben zu können, was sich ihr Herz wirklich wünschte. Nicht in ihrer Position. Nicht mit ihrem vorgefertigten Plan vom Leben. Nicht mit ihren hochgesteckten Zielen.

    Seit dem unheilvollen Zatarc Test und seinem erzwungenen Geständnis, war sie hin und her gerissen zwischen den flatternden Schmetterlingen in ihrem Bauch und der Angst um ihre Karriere, für die sie so lange gekämpft hatte, also hielt sie ihn weiter auf Armlänge entfernt und hatte jede einzelne Bitte, ihn in seine Hütte nach Minnesota zu begleiten, eiskalt abgelehnt. Es war die Hoffnung, dass ihre eigenen unangemessenen Gefühle für ihn, sich einfach im Gewühl des Alltags in Luft auflösen würden, die ihren Widerstand aufrecht hielt. Doch während sie sich im Laufe der Jahre weiter selbst belog, beharrlich an ihrer Taktik des Vermeidens und Verleugnens festhielt und sich damit ablenkte, ihre Karriere voranzutreiben, schien er irgendwann einfach begonnen zu haben, nach vorn zu schauen und sich instinktiv abzuschotten. Allem Anschein nach war ihm so gelungen, über diese Gefühle hinweggekommen, doch sie blieb zurück … strikt professionell, militärisch korrekt, aber auf emotionaler Ebene tot. Diese Taubheit war nur vorübergehend ein Trost, den die Vernunft spendete und gerade jetzt spürte sie, dass die emotionale Verausgabung dieses jahrelangen Kampfes sie an die Grenzen des Erträglichen gebracht hatte. Sie vermisste die wunderbare Leichtigkeit der ersten Tage, das kollegiale Geplänkel und den lockeren Umgang, an dessen Verschwinden sie einen entscheidenden Anteil trug. Aber am allermeisten vermisste sie das zarte Band der Freundschaft, das sie einst zusammenhielt.

    Sam tat immer, was ihr befohlen wurde, nicht selten auch entgegen ihrer eigenen Prinzipien. Ungewollt schossen die Ereignisse mit General Bauer und der unheilvollen Naquadah Bombe zurück in ihr Bewusstsein. Aus Angst um ihre Karriere hatte sie getan, was er verlangte und das daraus resultierende Beinah Desaster einfach in Kauf genommen, anstatt ihm zu sagen, er solle sich seine Befehle gefälligst in den Hintern schieben. Jack dagegen folgte der Stimme seines Gewissens, wenn nötig auch gegen jede Regel und sie beneidete ihn darum, immer für das einzustehen, an das er glaubte. Trotz all ihrer Bemühungen, war sie selbst noch Lichtjahre davon entfernt und die Mission auf Anubis´ Stützpunkt ein paar Wochen zuvor, hatte ihr deutlich gezeigt, wie gerne sie diese Distanz endlich überwinden wollte. Er hatte ihr das alleinige Kommando anvertraut, aber war sie tatsächlich schon soweit wirklich zu führen? War sie bereit ihre eigenen, womöglich unangenehmen und folgenschweren Entscheidungen zu treffen, wenn es notwendig war und auch die Konsequenzen dafür zu tragen, so wie er es tat? Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als die Kraft aufzubringen, von ihrem vorgegebenen Pfad auszubrechen und so ihren eigenen Weg zu finden.

    Die Gedanken plätscherten weiter leise vor sich hin, als eine bekannte Stimme sie hochschrecken ließ.

    „Schläfst du schon, Major Carter?“, fragte Teal´c flüsternd und trat ein, ohne auf eine Antwort zu warten. Er wirkte getrieben, fast ein wenig hektisch, während er vor ihr stand und sich verneigte. Ein Blick in das Gesicht ihres Freundes genügte und Sam ahnte, dass ihr höchstwahrscheinlich nicht gefallen würde, was er mitzuteilen hatte, versuchte sich aber zunächst nichts anmerken zu lassen.

    „Schlaf? … Was ist das?“, gähnte sie angestrengt und rieb ihre brennenden Augen, bevor sie sich aufsetzte und ihn fragend ansah. „Wo drückt der Schuh, Teal´c?“

    „Wie kommst du darauf, dass mein Schuh drückt?“, fragte er mit hochgezogener Augenbraue und sein Blick streifte bedächtig über seine Beine nach unten. Seine Antwort zauberte ein sanftes Lächeln auf Sams Lippen, das erste dieses tristen Tages und verscheuchte für einen Moment die düsteren Gedanken. Sie schüttelte amüsiert ihren Kopf.

    „Das ist nur ein Sprichwort. Ich vergesse jedes Mal, dass du das nicht wissen kannst. Sag mir einfach, weshalb du gekommen bist.“

    „Sicher“, erwiderte er mit einem Lächeln, als er sah, dass ihres bereits verblasste. „Wir haben soeben eine Nachricht von der Erde erhalten. Bra´tac und die freien Jaffa erbitten umgehend meine Anwesenheit. Einer unserer Spione, der unter zwei neuen, aufstrebenden Goa´uld dient, wird in etwa einer Stunde auf Chulak eintreffen. Ich denke seine Informationen könnten auch für die Erde von größter Wichtigkeit sein und ich würde wirklich sehr gern an seiner Befragung teilnehmen.“

    Sam seufzte ungewollt laut. Ihr schweres Atmen zeugte von deutlichem Unbehagen, aber es gab keinen vernünftigen Grund, ihm seinen Wunsch zu verwehren und ihn noch länger mit ihr in den stickigen Tunneln gefangen zu halten.

    „Du musst dich nicht rechtfertigen … wirklich. Morgen früh geht es für mich ohnehin zurück zur Erde.“

    „Hast du denn die Hoffnung bereits aufgegeben, deinen Vater zu sehen?“, fragte der Jaffa seine Kollegin und Freundin mit besorgter Miene, denn die Selbstzweifel, die an ihr nagten und die fast schon exzessiven Gefühlschwankungen der vergangenen Tage und Wochen, waren ihm nicht entgangen.

    „Laut Malek stehen die Chancen schlecht, aber du musst dir um mich keine Gedanken machen, geh einfach“, gestikulierte sie wild in Richtung Tunnelausgang. „Ich komme hier schon zurecht, Teal´c und wer weiß, was für interessante Nachrichten dabei für uns rausspringen.“

    Ihre rein diplomatische Antwort beruhigte den Jaffa in keiner Weise, denn die Ereignisse der letzten Wochen hatten bei ihr deutliche Spuren hinterlassen. Daniels Rückkehr zu den Lebenden, seine Geiselnahme in Honduras, der Ausflug nach Tatarus, der nach dem Zusammentreffen mit einem von Anubis Supersoldaten für sie in einem gebrochenen Arm endete und allen voran die vier Tage Kampf ums Überleben auf der Prometheus schienen ihr selbst bis zum heutigen Tag noch schwer zuzusetzen. Teal´c war ganz und gar nicht wohl dabei, sie allein zu lassen, nicht einmal für ein paar Stunden, hatte er sich doch genau deshalb bereit erklärt, sie hierher zu begleiten. Sein feines Gespür für menschliche Konflikte warnte ihn schon seit längerem, wenn es um seine Tauri Freundin ging, aber es gab ganz simpel keine Wahl. Dieses Treffen war einfach viel zu wichtig.

    „Wärst du so freundlich und würdest Daniel Jackson sagen, dass es mir unendlich leidtut, aber ich kann auch zu seiner Einweihungsfeier nicht kommen. Ich werde noch einen Tag länger bleiben, um Rya´c zu besuchen.“

    „Aber sicher“, zwinkerte sie ihm verständnisvoll zu und versuchte die Zweifel in seinen Augen durch ein weiteres Lächeln zu vertreiben. „Du kennst ihn doch. Er versteht das.“

    Mit zwiespältigen Gefühlen verabschiedete sich der Jaffa, drehte sich mit einem letzten prüfenden Blick zu ihr um, bevor er in dem schier endlos erscheinenden Tunnelsystem verschwand. Sam schloss stöhnend ihre Augen und ließ sich zurück auf ihr provisorisches Bett fallen. Die Erschöpfung siegte. Das Gedankenkarussell in ihrem Kopf hörte schließlich auf, sich zu drehen und nach einer gefühlten Ewigkeit glitt sie endlich in den Schlaf, den ihre gepeinigte Seele so dringend benötigte.

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    Leider war ihr dieser Hauch von Frieden nicht lange vergönnt, denn schon bald kam eine hektische Betriebsamkeit außerhalb ihres kleinen, abgetrennten Privatbereiches auf. Von Weitem war das Geräusch der sich aktivierenden Ringe zu hören, unentwegt hallten laute aufgeregte Rufe in der Dunkelheit, während pausenlos schwarze Schatten an ihrem Domizil vorüberhuschten. Einen Moment lang zögerte sie noch, bevor die permanent anwachsende Neugier ihr auch die letzte verbliebene Ruhe raubte. Kurz entschlossen streckte sie ihre müden Glieder und stand auf, um nachzusehen, was da draußen vor sich ging. Ganz offenbar war das neu angelegte Ratszimmer das Ziel der hektisch an ihr vorbeieilenden Menschen, deren Gewimmel sie fast ein wenig an wild gewordene Ameisen erinnerte. Sam reihte sich unauffällig ein und folgte den tuschelnden Gestalten.

    Sachte schob sie sich durch die aufgestaute Menge und der Anblick einer jungen Frau, die in der Mitte des weitläufigen Raumes kauerte und verbissen nach Luft schnappte, ließ das Blut in ihren Adern gefrieren. Die namenlosen Gesichter vor ihr lichteten sich ein wenig und nun konnte sie auch Garshaw erkennen, die vor der Frau am Boden hockte und mit ruhiger Stimme auf sie einredete. Die Situation hatte etwas Groteskes an sich. Einerseits brach sie völlig unerwartet über Sam herein, andererseits war sie wie ein Gewitter, das sich bereits wochenlang zusammengebraut hatte, schwarz und schwärzer werdend, bis sich die ganze Spannung in einem tosenden Donnergrollen löste. Für einen Moment wurde ihr schwindlig, als die wunderschönen, smaragdgrün leuchtenden Augen der jungen Frau sie plötzlich von unten herauf anblickten und sich eine Reihe von Bildern vor ihren Augen wie ein rasender Stummfilm abzuspielen begann. Panik erfüllte ihre Inneres und es war als hörte sie ihre eigene Stimme nur noch durch einen dumpfen Schleier. Sam glitt in eine andere Welt, wurde von den aufkommenden Gefühlen überwältigt, die über sie hinwegrollten.

    „Indila?“, formten sich die zuvor verworren in ihren Gedanken umherschwirrenden Buchstaben mit einer unglaublichen Selbstverständlichkeit zu dem ihr eigentlich unbekannten Namen. Das aufgeregte Gemurmel um sie herum verklang und die Blicke aller Anwesenden fielen auf sie. Totenstille legte sich über das Ratszimmer. Jeder betrachtete sie, als habe ein Geist aus ihr gesprochen und auch Garshaw wandte sich einen Moment von der jungen Frau ab, um Sam mit blitzenden Augen anzusehen.

    „Du erkennst sie wieder, Major Carter?“, hallte die metallische Symbiontenstimme dröhnend laut in ihren Ohren und erst jetzt bemerkte Sam, dass sie direkt vor den beiden Frauen stand und nicht einmal wusste, wie sie überhaupt dorthin gekommen war. Langsam lichtete sich der Nebel, der Sams Verstand vorübergehend eingehüllt hatte und sie nickte ungläubig und doch wissend, so als traute sie ihrer eigenen Antwort nicht über den Weg. Kannte sie die junge Frau? Zweifel mischten sich mit erstaunenswerter Sicherheit. Etwas in ihr sagte klar und deutlich ja, dabei hatte sie sie doch eigentlich noch nie zuvor gesehen.
    Seit Martouf war ihr etwas Derartiges nicht mehr passiert, und das, was sich gerade in ihr abspielte, war mehr als beängstigend. Abgehackte Gedankenfetzen, verschwommene Bilder und tiefe Emotionen wirbelten in ihrem Kopf und ihrem Herzen umher. Sams schwebte zwischen Glück und der Furcht vor dem, was jene Gefühle diesmal alles mit sich bringen würden.

    „Ist sie … ?“, presste sich die junge Frau am Boden stammelnd hervor.

    „Ja“, erwiderte Garshaw, die zu wissen schien, welche Frage sich hinter dem unvollendeten Satz verbarg.

    Getrieben vom Wunsch zu flüchten, begann Sams Puls einen Wettlauf mit ihrem bis zum Anschlag pochenden Herzen, doch die leuchtend grünen Augen hielten sie wie gefesselt an ihrem Platz und ihr blieb nur noch zuzusehen, wie sich die Frau mit dem tiefschwarzen lockigen Haar, das bis zu ihren schmalen Hüften reichte, vom Boden erhob und sich vor ihr aufbaute. Sams Verstand schrie sie förmlich an, sich nicht darauf einzulassen, aber ihr Körper gehorchte in keiner Weise und schon Sekunden später lag sie in den Armen eines ihr völlig fremden Menschen. Die schmale, fast schon hagere Gestalt, die Sam mit einer Kraft festhielt, die man ihr kaum zutraute, wirkte zwar zerbrechlich, vermittelte aber zur gleichen Zeit starke Gefühle wie Geborgenheit und Freundschaft, die sie sonst nur in Janets Armen fand.

    „Es tut mir sehr leid, Major Carter. Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen, aber meine Freude über deine Anwesenheit hat mich einfach übermannt …“, suchte die junge Frau, die aussah, als sei sie Rapunzels dunkelhaarige Zwillingsschwester, mühsam nach den passenden Worten. Das Ganze erinnerte Sam stark an ihr erstes Zusammentreffen mit Martouf und an die Emotionen, die sie schon damals vollkommen verwirrt hatten, aber ihr Gegenüber schien nicht weniger überfordert, denn bereits im nächsten Moment blitzten ihre Augen und der Symbiont übernahm die Kontrolle.

    „Mein Name ist Dinaté. Du musst wissen, Jolinar war wie eine Schwester für uns und in all den Jahren nach ihrem Tod wurde uns nie die Ehre zuteil, ihre letzte Wirtin kennenzulernen. Wir haben fast neun Monate Gefangenschaft hinter uns, aus der wir uns erst jetzt befreien konnten. Meine Wirtin Indila ist ein sehr emotionaler Mensch, den deine überraschende Anwesenheit hier sehr mitnimmt“, erklärte der Tok´rasymbiont überraschend sachlich, doch noch bevor Sam überhaupt in der Lage war, zu antworten, wurde die junge Frau abrupt von ihr weggezogen und in Begleitung von Garshaw und einigen Ratsmitgliedern in einen der ruhigeren Nebentunnel gezerrt, während Sam wie versteinert zurückblieb. Niemand schien sich für das seelische Durcheinander zu interessieren, das die kurze, aber intensive Begegnung in ihr ausgelöst hatte. Doch der Glaube, es konnte nicht noch schlimmer kommen, wurde nur einen Augenblick später zunichtegemacht, als Malek sie bestimmend am Arm zur Seite schob.

    „Major Carter“, klopfte er ihr legere auf die Schulter und lächelte sie an, als seien die letzten zehn Minuten nie passiert. „Ich habe dich schon in deinem Quartier gesucht. Es tut mir sehr leid, aber Jacob wird nicht mehr kommen. Wir haben vor ein paar Minuten Nachrichten von ihm erhalten. Seine Mission wird wie bereits befürchtet noch eine Weile länger dauern, weil ….“

    Sam nickte nur kurz, ließ den unbeirrt weiterredenden Mann einfach stehen und spürte dessen Entsetzen über ihr Verhalten in seiner Stimme, als er ihr ein paarmal vergeblich nachrief. Sie nahm von ihrer Umgebung so gut wie nichts wahr, setzte mit leerem Blick einen Fuß vor den anderen und kehrte in die Stille ihres kleinen, beengten Raumes zurück. Die Enttäuschung über Jacobs Ausbleiben hielt sich in überschaubaren Grenzen. Sie hatte ohnehin nicht mehr mit ihm gerechnet, ein Umstand, der sich nun mehr als bezahlt machte. Eingerollt wie ein Baby lag sie auf ihrem Bett, versuchte verbissen ihre Gedanken, die nur noch um die seltsamen Bilder in ihrem Kopf kreisten, in andere Bahnen zu lenken. Manchmal gelang es ihr, meistens jedoch hing sie in der Endlosschleife der sich nahtlos aneinanderreihenden Erinnerungen fest, die trotz intensiven Nachdenkens keinen wirklichen Sinn ergaben. Kurze Schlaf und wesentlich längere Wachphasen wechselten sich bis in die frühen Morgenstunden kontinuierlich ab und gerade als ihr überaktives Gehirn endlich beschlossen hatte, für heute zu schließen und sich ihre Lider langsam der Schwerkraft beugten, stand plötzlich Anise vor ihr.
    „Nicht auch noch das“, murmelte Sam leise vor sich hin. Diese Frau war wie ein einziges rotes Tuch, aber sie versuchte verbissen, sich ihre leider allzu offensichtliche Abneigung nicht vom ersten Moment anmerken zu lassen.

    „Major“, verschränkte Anise ihre Arme vor der Brust, als spürte sie Sams ablehnende Haltung bereits jetzt schon. „Indila, die Frau, die du vorhin kennengelernt hast, würde sehr gern mit dir sprechen und auch der Hohe Rat bittet später um deine Anwesenheit. Garshaw hat dir ein dringendes Anliegen zu unterbreiten.“

    „Was … jetzt? Sofort?“, grummelte Sam mürrisch und verdrehte ihre Augen. Nach ihrer Zeitrechnung war es noch immer früher Morgen und sie war müde genug um die nächsten drei Wochen nur mit Schlafen zu verbringen, etwas, das sie unter normalen Bedingungen nie zugeben würde, aber was war an den vergangenen Stunden schon normal? Was war an ihrem ganzen Adrenalin gesteuerten Leben schon normal?

    „Ja, jetzt!“, antwortete Anise in einem ähnlich gereizten Ton, der dem von Sam in nichts nachstand. „Indila hat wirklich wichtige Informationen mitgebracht, die auch dich interessieren dürften ….“

    „Ach komm schon Anise“, konterte Sam trotz ihres halbschlafenden Zustandes. „Wir wissen doch beide ganz genau, dass ihr nie Informationen ohne einen Hintergedanken teilt …“, fuhr sie fort und nahm der blonden Tok´ra damit kurzweilig den Wind aus den Segeln, doch diese war schließlich für ihre Beharrlichkeit bekannt, die Sam gleich darauf zu spüren bekam.

    „Hör es dir doch zuerst einmal an, bevor du urteilst, Major Carter und entscheide danach …! Ich weiß, deine Erfahrungen waren nicht immer gut, aber ….“

    Sam stöhnte entnervt auf. Irgendwie kam ihr der Satz bekannt vor. Um was auch immer diese Frau sie bis jetzt gebeten hatte, es endete prinzipiell in einem persönlichen Desaster. Gerade in diesem Moment hätte sie weiß Gott alles dafür getan, Janet herzaubern zu können, um ihr eine der allseits beliebten Gute Laune Pillchen zu entlocken, aber stattdessen ergab sie sich ihrem Schicksal, erhob sich mit knirschenden Zähnen und begleitete die verhasste Frau in den Sitzungsraum. Was hatte sie schon zu verlieren?

    Demselben Weg folgend, wie schon ein paar Stunden zuvor, bemerkte Sam die Ruhe, die inzwischen in jeden Winkel der faszinierenden Tunnel gekrochen war und auch im Ratsraum hatte sich noch niemand eingefunden, außer Indila, die am anderen Ende leise mit sich selbst redend auf und ablief. Ihr Brustkorb hob und senkte sich beinah hektisch und ihre schmalen, zarten Hände rieben unablässig aneinander, ein klares Zeichen von Nervosität, ein unerwünschtes Gefühl, das Sam gerade mit der fremden und doch so vertrauten Frau verband.

    Anise riss sie jäh aus ihrem einsamen Monolog. „Major Carter wäre jetzt da. Der Hohe Rat wird sicher noch eine Zeit lang brauchen, bis er eintrifft “, fügte sie kurz und schmerzlos an und verschwand noch im gleichen Augenblick wieder, als sei sie gar nicht dagewesen. Die junge Frau erstarrte wie ein Reh im Scheinwerferlicht und zum zweiten Mal in dieser Nacht blickte Sam in das Gesicht des wunderschönen, blutjungen Mädchens mit den faszinierenden Augen. Ein zartes Lächeln, das ihrer Mimik ein lebendiges Strahlen verlieh, huschte über ihre geschmeidig, geschwungenen Lippen und war gleichzeitig so ansteckend, dass Sam sich dessen Wirkung kaum mehr entziehen konnte. Wortlos schloss die Frau mit wenigen Schritten die Distanz zu ihr und Sam fand sich erneut in einer festen Umarmung wieder. Hin und gerissen zwischen Mitleid und ihrer inneren Stimme, die sie erneut vehement warnte, zögerte sie kurz, bevor sie die innige Geste schließlich doch erwiderte.

    „Es tut mir leid, dass ich dich so überfallen habe Samantha, aber du hast keine Vorstellung, wie sehr ich mich freue, dass du gekommen bist. Ich weiß, das alles hier muss ziemlich verrückt für dich sein, aber vielleicht verstehst du auch, dass es mich so überwältigt, zu spüren, dass ein Teil von Jolinar noch immer in dir lebt“, flüsterte die junge Frau mit dünner, zittriger Stimme und Sam spürte Indilas Tränen auf ihrer Haut, das leise Schluchzen und den Schlag ihres Herzens, der laut und beharrlich gegen ihre Brust klopfte und sich mit dem ihrem vereinte. Wieder sprudelten diese Bilder hoch, die sich wie eine Diashow vor ihrem inneren Auge abspielten, als befände sich irgendwo in ihrem Kopf eine Quelle, die immer wieder für Nachschub sorgte. Große hohe Bäume, ein wunderschöner, verwachsener Garten und zwei herzhaft miteinander lachende Frauen erschienen, verschwanden aber Sekunden später schon wieder. Die Erkenntnis war zum Greifen nahe, wenn sie ihr Unterbewusstsein zu Wort kommen ließ …. Sam wusste, dass es nur ein Hauch dessen war, was tief in ihr auf seinen Ausbruch lauerte und gleichzeitig spürte sie wie sehr ihr Gegenüber unter dem emotionalen Abstand litt, den sie zu halten versuchte, wie eine Ertrinkende ihren Rettungsring.

    „Bitte hab keine Angst“, bat Indila sanft, gab Sam wieder frei und griff stattdessen nach ihren Händen, der Wunsch, sich zu erklären beinah übermächtig. „Wir vermissen Jolinar sosehr und als wir letzte Nacht aus Uruk zurückkehrten, hätten wir niemals vermutet, dich hier anzutreffen. Es ist alles etwas schwierig für mich und meinen Symbionten, weil wir schon nicht mehr an eine Rückkehr geglaubt haben, geschweige denn dich jemals kennen zu lernen. Diese Mission sollte ursprünglich nur zwei Wochen dauern … eine reine Aufklärung! Aber es wurden ganze neun Monate daraus. Aufgrund der neuen Technologien, die Gestianna, eine der drei Goa´uld, entwickelt hatte, konnten wir den Planeten nicht mehr verlassen und mussten deshalb als ihre Bedienstete dort ausharren. Erst als wir sie zu einem Treffen mit Anubis begleiten durften, gelang uns wie ein Wunder die Flucht.“

    Die Geschichte, die Sam im Folgenden zu hören bekam, war beängstigend und beeindruckend zugleich. Mindestens genauso, wie die Frau, die sie erzählte und keiner von beiden bemerkte, wie die Zeit verstrich. Fast eine Stunde brachten sie damit zu über die genauen Umstände von Jolinars Tod und über Indilas Zeit auf Uruk zu sprechen, doch Sam spürte instinktiv, dass ihr die emotionsgeladene junge Frau etwas verheimlichte, aber wenn es um die Tok´ra ging, überraschte Sam nichts mehr. Dennoch fühlte es sich so natürlich und selbstverständlich mit ihr zu reden. Die anfängliche Skepsis verflog schnell und im selben Maße wuchs die Sympathie mit jeder Sekunde in Indilas Gegenwart zu einem ausgeprägten Gefühl von Vertrauen an. Ihre grünen Augen sprühten vor Leben, wenn sie sprach und ihr gewinnendes Lächeln verlieh ihrem ganzen Sein eine umwerfende Natürlichkeit. Der Gleichklang, der sich in der Kürze der Zeit zwischen den zwei Frauen eingestellt hatte und die von erfrischender Tiefsinnigkeit gezeichneten Gespräche, waren für Sam unerklärlich, fast schon außergewöhnlich. Irgendetwas verband ihre Seelen, etwas das so schön war, dass keiner von beiden in Worte fassen konnte, was es war. Sam spürte, wie sehr die liebenswerte junge Frau auch nach so langer Zeit noch um ihre Freundin trauerte und der seit vielen Jahren in ihr schwelende Funken Schuld setzte ihr Herz lichterloh in Brand. Natürlich hatte sie sich die Tatsache Wirtin zu sein nicht ausgesucht, aber Jolinar hatte letztendlich ihr Leben für sie gegeben und in gewisser Weise fühlte sie sich verantwortlich für ihren Tod und den Verlust, den Indila erlitten hatte.

    „Garshaw sagt, du seist eine große Kriegerin unter den Tauri und verantwortlich für den Tod mehrerer Systemlords?“, lenkte die einfühlsame junge Frau Sams abschweifende Aufmerksamkeit auf ein unverfänglicheres Thema und ahnte nicht, dass sie damit unbewusst ein ganz anderes heikles Thema anschnitt.

    „Uh.“ Sam sog die Luft zwischen ihren zusammengebissenen Zähnen ein und versuchte sich ein Lächeln abzuringen, obwohl ihr wahrlich nicht danach zumute war. „Das stimmt so nicht ganz“, räusperte sie sich. „Es war viel mehr die Leistung eines ganzen Teams … meines Teams, von dem ich stolz sagen kann, dass es mit Abstand das Beste der Welt ist. Vielleicht lernst du sie ja irgendwann mal kennen. Ich bin sicher, du würdest sie mögen.“

    Indila sah das erwachende Funkeln in Sams Augen, während sie voller Leidenschaft von den Mitgliedern ihres Teams schwärmte, wie ein kleines Mädchen vom Weihnachtsmann am Heiligen Abend und sie beneidete die Taurifrau ein wenig um die innige Freundschaft, die sie mit den drei Männern verband.

    „Daniel ist unser Sprachgenie mit der diplomatischen Ader. Man kann nichts vor ihm verheimlichen und Teal´c … wirkt im ersten Moment auf jeden angsteinflößend, dabei ist er eigentlich eher wie ein liebenswerter Teddybär, wenn man ihn nur gut genug kennt und Colonel O´Neill ….“

    Ganz plötzlich geriet Sams enthusiastische Stimme ins Stocken und ihr gerade noch so aufgeblühtes Lachen verkümmerte hinter einer merkwürdigen Unsicherheit. „Nun ja, er ist eben Colonel O`Neill“, beendete sie ihren Satz hastig und weckte damit sofort Indilas Neugier. Irgendetwas, das diesen Mann betraf, machte ihrer neuen Freundin schwer zu schaffen und gerade, als sie beschlossen hatte, der Sache auf den Grund zu gehen, trafen auch schon die ersten Mitglieder des Hohen Rates ein. Nach und nach betraten drei Personen, die Sam nur vom Sehen kannte den Ratsraum, gefolgt von Garshaw und Anise, doch selbst Sam war auf der Stelle klar, dass das nicht einmal ein Bruchteil des Hohen Rates war und diese Tatsache bereitete ihr augenblicklich schweres Kopfzerbrechen. Was zur Hölle ging hier vor? Sam spürte die flirrende Spannung in der Luft, die immer dann entstand, wenn eine Bombe kurz vor dem Platzen war. Sie entschloss sich um Indilas Willen auszuharren und sich in Ruhe anzuhören, was Garshaw zu sagen hatte, auch wenn das Bedürfnis, auf der Stelle kehrt zu machen und auf direktem Weg nach Hause zu gehen, kaum mehr zu unterdrücken war. Wie ein Schatten hatte sich die liebenswerte junge Frau, die ihr schon jetzt auf unerklärliche Weise ans Herz gewachsen war, hinter ihr aufgebaut, schenkte ihr Halt und gab ihr die Kraft, durchzustehen, was auch immer jetzt sie erwartete.

    „Zuerst möchte ich Dinaté wieder zurück im Schoß unserer Tok´ra Familie begrüßen, nach dem wir alle nicht mehr mit ihrer Rückkehr gerechnet hatten“, begann Garshaw, ohne sich lange mit Nichtigkeiten aufzuhalten und nickte der angesprochenen jungen Frau mit einem wohlwollenden Lächeln zu, bevor sie unbeirrt fortfuhr.
    „Aber nichts desto trotz haben wir eine Mission zu erfüllen, jetzt mehr denn je. Unsere hoch geschätzte Freundin erreichte uns mit überaus beängstigenden Neuigkeiten vom anderen Ende der Galaxie. Die lange verschollene Gao´uld Königin Ishtar und ihr Gefährte Tammuz sind wieder aufgetaucht, nachdem sie sich viele Jahrhunderte lang erfolgreich vor uns und den System Lords versteckt halten konnten und ich befürchte, wir kommen nicht umhin, uns sofort mit ihnen auseinanderzusetzen. In ihrer völligen Abgeschiedenheit auf Uruk haben sie von uns allen unbemerkt große Macht erlangen können”, lief Garshaw in bester Oberlehrermanier direkt vor Sam auf und ab und fuchtelte dabei unentwegt mit ihrer Hand. So Nervös hatte sie die ansonsten stets abgeklärte Frau, die jetzt beinah ängstlich nach Worten suchte, selten erlebt.

    „Gestianna, Isthars Schwägerin und Schwester von Tammuz hat es geschafft, ein paar sehr beeindruckende neue Technologien zu entwickeln, die den Planeten zu einer Art uneinnehmbarer Festung machen, die man ohne ihre Zustimmung weder betreten, noch verlassen kann. Das Sternentor auf Uruk, aber auch der Planet selbst, sind von einem Schild umgeben, den man nicht überwinden kann. Noch dazu wird jedem Kind unmittelbar nach der Geburt ein Chip im Nacken implantiert, dessen Funktionsweise nur Gestianna bekannt ist und der dazu dient, eine Flucht der einheimischen Bevölkerung, sowie der dort lebenden Jaffa und ihren Familien gänzlich zu verhindern.“

    Die Stimme der Tok´ra Führerin brach und Sam schluckte schwer, als diese unvermittelt vor ihr stehen blieb und so tief einatmete, als koste sie die Erklärung ihre letzten Kräfte. Sams Herz setzte einen Schlag aus, nur um dann noch heftiger gegen ihre Rippen zu hämmern und sie fühlte Indilas Arm, der sich schützend um ihre Schulter schmiegte. Die Tok´ra teilten nie ihre Geheimnisse und der Fakt, dass sie es dieses Mal in vollem Umfang taten, ließ nichts Gutes erahnen.

    „Seit Neuestem treiben sie einen regen Handel mit Anubis und sind einen Bund mit ihm eingegangen, um sowohl die Tauri, als auch die Tok´ra und die rebellischen Jaffa endgültig zu besiegen und so die Vorherrschaft über die gesamte Galaxie zu gewinnen. Ishtar ist als Königin in der Lage Anubis die notwendigen Symbionten ohne genetisches Gedächtnis zu liefern und nachdem ihr …“, hauchte sie Sam ins Gesicht, „… auf Tatarus ganze Arbeit geleistet habt, braucht Anubis dringend Nachschub. Auf dem Heimflug von einem Treffen zwischen Gestianna und dessen ersten Primus, hat es Dinaté geschafft, sie in ihrem Teltak zu überwältigen und zu töten, was uns nun in die grandiose Lage bringt, sie durch jemand anderen zu ersetzen und uns so Zugang zu Uruk und den dortigen Technologien zu verschaffen.“

    Für den Bruchteil einer Sekunde blickte Garshaw erwartungsvoll zu Sam auf, die sich noch immer keinen rechten Reim darauf machen konnte, weshalb ausgerechnet sie so eindringlich gemustert wurde, aber vor allem, verstand sie nicht, warum Garshaw ihr all diese wirklich brisanten Informationen so bereitwillig auf einem Silbertablett servierte. Doch die Erklärung ließ nicht lange auf sich warten.

    „Dafür bräuchten wir deine Hilfe, Major Carter.“

    Sams Augen weiteten sich voller Unglauben und die Sorge, was sie wohl damit meinte, fraß tiefe Linien in ihr sonst so faltenloses Gesicht. Wie sollte ausgerechnet sie helfen, hatte sie doch zuvor noch nicht einmal von den drei besagten Goa´uld gehört?

    „Warum könnte ich euch da helfen?”, schüttelte Sam immer wieder ihren Kopf.

    „Wir wollen, dass du Gestiannas Stelle einnimmst und statt ihrer mit Indila nach Uruk zurückkehrst! Aber eines sollte ich gleich von vornherein klarstellen. Wir wollen dich, Major und nur dich allein … ohne den Rest von SG 1.“

    --------------------------------------------------------------------------------------------------

    „Beeil dich Jack“, rief Daniel durch die heruntergekurbelte Fensterscheibe seines Autos, währenddessen er entnervt Grimassen schnitt und mit wachsender Ungeduld auf seinem Sitz hin und her rutschte.

    „Verdammt, nun komm endlich“, grummelte der Archäologe, zutiefst frustriert von der Seelenruhe, die sein Freund gerade an den Tag legte. Jack stand vor der Tür des beeindruckenden, freistehenden Hauses von Dr. Julie Denaux und Daniel konnte noch immer nicht glauben, dass ausgerechnet Jack sich Hals über Kopf in eine Beziehung mit einer Wissenschaftlerin gestürzt hatte und dazu in solch halsbrecherischer Geschwindigkeit, dass ihm bei der Vorstellung jetzt noch ganz schwindlig wurde. Selbst in seine Hütte nach Minnesota hatte er sie bereits mitgenommen. Daniel wusste nicht wirklich viel von der neuen Frau an Jacks Seite, abgesehen davon, dass ihre Familie dem Präsidenten sehr nahestand und ihr Vater seit langer Zeit den Posten des französischen Botschafters in Washington innehielt.

    Nicht in einer Millionen Jahren hatte er sich vorstellen können, dass sein Freund etwas mit einem Mitglied des wissenschaftlichen Personals anfangen würde, war er doch in den letzten Jahren nie müde geworden, seine deutliche Abneigung gegenüber den sogenannten Freaks zu betonen. Erst vor knapp zwei Wochen war sie als freie Mitarbeiterin und Verantwortliche für die anstehenden geologischen Missionen auf der Suche nach neuen, bisher unentdeckten Naquadahvorkommen ins SGC gekommen. Sams und Teal´cs Aufenthalt bei den Tok´ra hatte ihm und Jack die verhasste Aufgabe beschert, gemeinsam mit SG 7 für den Schutz der vierköpfigen Gruppe Wissenschaftler zu sorgen. Die mehr als deutlichen und überaus auffälligen Annäherungsversuche der jungen Dame während der fünf Tage auf P3X-403 waren für niemanden zu übersehen. Sie war bildschön, klug, glänzte mit mehr Sexappeal, als ihr zuträglich war und sie hatte vom ersten Augenblick an keinerlei Hehl daraus gemacht, wen und was ihr verwöhntes Herz begehrte … den legendären Jack O`Neill!

    Ihr ermutigendes Lächeln, die einladende Körpersprache und ihr andauerndes Herumschleichen um Jack offenbarten auf einen Schlag all ihre Absichten. Stets bemüht ihren äußerst erotischen, weiblichen Charme spielen zu lassen, wann immer es ging, umwarb sie ihn mit allen ihr zu Verfügung stehenden Mitteln. Daniel hatte sie schnell durchschaut. Diese Frau war Jemand, der gewohnt war, immer zu bekommen, was sie wollte, auch im Fall seines besten Freundes. Sie kam, sah und siegte.

    Argwöhnisch beobachtete Daniel, wie Jack der nur mit einem leichten Morgenmantel bekleideten Frau einen leidenschaftlichen Kuss verpasste, während sie so heftig mit ihm flirtete, als wolle sie ihn jeden Moment zurück ins Bett schleifen, um genau das fortzuführen, was beide fraglos bereits die ganze Nacht lang getan hatten. Das schulterlange, kastanienbraune Haar der jungen Geologin umschmeichelte in leichten Wellen ihre schmalen Wangen und ihr hübsches, makelloses Gesicht unterstrich die unbestritten auf den Punkt durchtrainierte Figur. Sie war ohne Zweifel das, was man geläufig als fleischgewordenen Männertraum bezeichnete. Wie konnte man es Jack also verdenken, dass er nicht lange fähig war, ihren permanenten Avancen Stand zu halten, was wiederum eine Reihe wilder Gerüchte innerhalb des SGC nach sich gezogen hatte.

    „Jack … ich fahre gleich ohne dich“, brüllte Daniel nun schon zum gefühlt hundertsten Mal über die Straße und trat aufs Gaspedal, um den Motor provokant aufheulen zu lassen.

    Seltsamerweise drehten sich Daniels Gedanken in allererster Linie um Sam und deren Gefühle, wenn sie das erste Mal mit Jacks neuer Flamme konfrontiert werden würde. Der Archäologe machte sich nichts vor, wenn es um seine beiden besten Freunde ging und um die jahrelang ignorierte und ebenso verbotene Zuneigung zwischen den zwei Offizieren. Bis jetzt hatte er immer gehofft, Sam und Jack würden es irgendwann schaffen, sich einander zu öffnen, sich auszusprechen und gemeinsam ihre Optionen abzuwägen, aber beide waren jahrelang stur geblieben, verharrten in den engen Fesseln der für ihn unmenschlich erscheinenden Airforce Regeln und drückten sich so mit vollendeter Ignoranz um das letzten Endes Unvermeidbare. Für Daniel war auch Dr. Julie Denaux nur ein weiterer von Jacks aussichtslosen Versuchen, sich Sam aus dem Herzen zu schneiden. Sein Blick fiel automatisch zurück auf das ungezügelt miteinander turtelnde Paar. Es gefiel ihm einfach nicht, was er nun schon seit Tagen mit ansehen musste. Mit einem unmissverständlichen Lächeln auf ihren vollen Lippen, ließ die offenherzige Wissenschaftlerin ihre Finger über Jacks Arme bis in seine Hände gleiten, um sie noch einmal fest in den ihren zu halten und ihm einen weiteren, diesmal wesentlich dezenteren Kuss auf seine Lippen zu hauchen, bevor seine Finger aus ihren Händen schlüpften. Erleichtert beobachtete Daniel, wie sein Freund mit schnellen Schritten die Straße überquerte.

    „Ich dachte schon, sie will dich vor der Haustür zum Frühstück vernaschen“, witzelte Daniel gespielt lässig, um auf diese Weise den wachsenden Unmut bezüglich Jacks neuer Beziehung gekonnt zu überspielen. „Hammond hat von zehn Uhr morgens geredet und nicht von zehn Uhr abends, das ist dir schon klar, oder?“

    „Spricht da etwa der Neid aus dir, Danny?“, setzte sich Jack mit einem breiten Grinsen neben ihn auf den Beifahrersitz und warf die Tür hinter sich zu. Jacks Lebensgeister waren förmlich wiedererwacht an der Seite der quirligen, lebenslustigen, jungen Frau, die ohne Weiteres seine Tochter hätte sein können und ihm das Gefühl zu geben schien, der interessanteste und begehrteste Mann auf Erden zu sein.

    „Weshalb“, stöhnte Daniel und trat so heftig aufs Gas, dass die Reifen beim Anfahren quietschten. „Sollte ich denn?“

    „Ach komm schon Daniel, gönnst du einem alten Mann keinen Spaß mehr?“ Jack wandte sich zu ihm und der junge Archäologe sah, wie sich nachdenkliche Falten in Jack Stirn gruben, als sich Daniels zuvor noch ausdruckslose Mimik auf der Stelle verfinsterte.

    „Ist das wirklich was Ernstes Jack? … Oder nur zur vorrübergehenden Unterhaltung?“

    „Wie soll ich das jetzt nach ein paar Tagen schon wissen?“, erwiderte der und gestikulierte dabei wild mit seinen Händen, ein unmissverständliches Zeichen dafür, dass ihm die Frage sichtlich unangenehm war und Daniel hatte das darauffolgende geschickte Ablenkmanöver schon von vornherein durchschaut.
    „Fakt ist, sie tut mir gut. Sie ist einfach … herrlich unkompliziert, erfrischend, geradeheraus, hingebungsvoll, hat Temperament …. Ich kann ich selbst sein, verstehst du? Und nicht zu vergessen … sie ist verdammt heiß.“

    „Ja … sicher Jack! Versteh mich bitte nicht falsch … du verdienst das, mehr als jeder andere, den ich kenne, es ist nur …“, stammelte Daniel mit einem Hauch schlechten Gewissens.

    „Was?“, wollte der ältere Mann nun wissen und sah den Krieg im Inneren seines jungen Freundes ganz offen auf dessen Gesichtszügen toben.

    „Ich finde nur, du solltest es Sam sagen, bevor es die SGC Gerüchteküche tut.“ Jacks Augenbrauen schossen beim Klang ihres Namens unwillkürlich in die Höhe.

    „Warum?“, erwiderte er trocken, fast schon auffallend teilnahmslos und Daniel wusste, dass ihm der Gedanke an Sams bevorstehende Reaktion wesentlich näher ging, als er bereit war zuzugeben.

    „Ah, du weißt genau warum ….“

    „Nein tue ich nicht“, zischte Jack zurück. „Hör zu Daniel, auch wenn ich nicht sehe, was dich das angeht, sage ich es jetzt noch ein letztes Mal: Ich bin ihr keine Rechenschaft schuldig. Carter ist meine untergebene Offizierin und ich ihr Vorgesetzter … nicht mehr … und nicht weniger. Daran hat sie niemals irgendwelche Zweifel aufkommen lassen oder irre ich mich da? Davon mal ganz abgesehen wird sie es heute Abend ohnehin erfahren, es sei denn, es ist ein Problem für dich, wenn ich gemeinsam mit Julie zu deiner Einweihungsparty komme?“

    „Nein, nein, natürlich nicht, Jack. Tue, was du für richtig hältst …“, grummelte der jüngere Mann sichtlich verärgert, dass keiner seiner beiden Freunde müde wurde, die Gefühle füreinander, die weit über die Grenzen normaler Kameradschaft hinausgingen, so konsequent zu ignorieren, nur weil sie nicht in deren durchstrukturiertes, regelkonformes Leben passten. Liebe war nun mal keines von den Dingen, die man einfach kontrollieren konnte. Angestrengt versuchte sich Daniel wieder auf die Straße zu konzentrieren, anstatt auf die in ihm aufschäumende Wut und das tiefe Mitleid, das er für seine beste Freundin empfand. All die Jahre über war Sam wie die Schwester, die er niemals hatte. Er liebte sie von ganzem Herzen und auch wenn er jetzt schon wusste, dass sie es niemals zugeben würde, war ihm dennoch klar, dass Jacks kleine Affäre sie bis ins Mark verletzten würde. Es war einfach nicht fair! Nach allem, was beide für diesen Planeten getan hatten, erzürnte ihn dieser ganze Militärregelblödsinn, in den sich die zwei verstrickt hatten und der sie voneinander fernhielt. Was gäbe er nicht alles, Sha´re in seinen Armen zu halten und ihr zu sagen, wie sehr er sie liebte, während seine zwei Freunde diese große Chance in den Wind schlugen, für die er Himmel und Hölle in Bewegung setzen würde, um sie nur noch ein einziges Mal zu bekommen. Auch jetzt hatte er wieder das dringende Bedürfnis jeden einzeln zu schütteln, anzuschreien und ihre zwei sturen Köpfe einmal beherzt aneinander knallen zu lassen, damit sie endlich zu Vernunft kamen. Im Grunde genommen war es bemitleidenswert, denn es stand außer Frage, dass beide eines Tages, wenn ihre Zeit erst einmal abgelaufen war, jede einzelne Sekunde bereuen würden, die sie mit diesem sinnlosen Tanz umeinander vergeudet hatten. Daniel beschlich die bittere Vorahnung, dass das bevorstehende Zusammentreffen der zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein konnten, zweifellos in einer Katastrophe enden musste ….

    --------------------------------------------------------------------------------------------------

    „Ich soll bitte was tun?“, schaute Sam in die Runde der wenigen Versammelten, schnappte nach Luft und brach spontan in ein hysterisches Lachen aus, in dem beinah auch ihre Frage unterging. „Das soll sicher … ein Scherz sein … oder?“

    Der Raum fiel in eine gespenstische Stille, die einzig und allein von ihrem Kichern durchbrochen wurde, doch selbst jetzt verdrängte ihr Verstand das längst Offensichtliche. Sam lachte einfach weiter und hielt hartnäckig an der Idee fest, dass man sie auf den Arm nehmen wollte. “Der war wirklich … wirklich gut. Ich hätte euch das beinah abgenommen, aber ihr könnt jetzt wieder damit aufhören.”

    Niemand schien ihr Amüsement zu teilen, stattdessen starrten sie alle unvermindert ernst an. Erst jetzt bohrte sich die Wahrheit auf bizzarem Weg direkt in ihre vernebelten Gedanken und ihr schallendes Gelächter ertrank in dem dumpfen Grollen, das aus ihrer Kehle emporkroch.

    „Kein Scherz … oder?”, fragte sie plötzlich so leise, dass sie sich fast selbst nicht mehr hörte, doch mit jedem weiteren Wort gewann ihre Stimme wieder an Stärke. “Das kann nicht euer Ernst sein? Ich bin kein Goa´uld und auch mit den Naquadahresten in meinem Blut wird mich niemand für einen halten! Wisst ihr, auch eine Schwalbe macht noch längst keinen Sommer!”

    Natürlich verstand niemand den Sinn dieser Redewendung und alle anwesenden Augenpaare musterten sie fragend. Nun war es Anise, die vortrat und Sam auf diese Art anlächelte, die immer bewirkte, dass sie das Gefühl hatte, sich ganz unnötigerweise aufzuregen.

    „Dieses Problem kannst du getrost mir überlassen, Major. Ein paar kleine Modifikationen an deinem Körper und deiner physischen Beschaffenheit und du wirst die perfekte Gao´uld Göttin sein. Während der fünf Tage Flug, die wir bis Uruk benötigen, haben wir genug Zeit diese erforderlichen Veränderungen vorzunehmen. Jolinar hatte für ein paar Wochen denselben Wirt, den Gestianna zuvor verlassen hatte, weil sie die schwerverletzte Frau nicht mehr heilen wollte. Sie hat dir sowohl ihre Erinnerungen hinterlassen, als auch die des Smybionten. Alles, was du brauchst, ist irgendwo dadrin in deinem Kopf, wir müssen es nur mit Hilfe eines Erinnerungsgerätes aus den Tiefen deines Unterbewusstseins hervorholen. Du vereinst Kampferfahrung und das dafür notwenige Wissen. Niemand wäre geeigneter, diese Technologien zu entschlüsseln, als du ….”

    Sam hatte es die Sprache verschlagen. Sie konnte es kaum glauben. Alles war bereits bis ins kleinste Detail geplant. Der Gedanke daran förderte ein weiteres, diesmal bitteres Lachen zutage und die Antwort sprudelte nur so aus ihr heraus.

    „Normalerweise bin ich für jeden Spaß zu haben, vor allem, wenn es darum geht, einem Goa´uld in den Hintern zu treten”, antwortete sie inspiriert von den geläufigen Worten ihres kommandierenden Offiziers.
    „Aber wie stellt ihr euch das vor? Weder General Hammond, noch die Air Force werden mich einfach so gehen lassen und erst recht nicht ohne das Team.”

    „Wir gedenken nicht, ihnen die Wahrheit zu sagen, Major, denn das würde dich und die gesamte Mission nur unnötig in Gefahr bringen“, erklärte Garshaw mit einer berechnenden Kälte in ihrer Stimme, dass Sam ein eisiger Schauer über den Rücken lief. Seltsam gefasst rieb sie sich die Stirn und rang um ihre rasant dahinschwindende Fassung.

    „Nur um das einmal klarzustellen. Hier geht es nicht nur darum, ob ich es tun will oder nicht! Das, was ihr da von mir verlangt, könnte das Ende meiner Air Force Karriere bedeuten, sollte es jemals rauskommen. Das kann mich in Teufels Küche bringen und ein paar sehr ernste Konsequenzen haben. Ich bin keiner von euch Tok´ra, dass ich einfach losziehen kann, um zu tun, wonach mir gerade ist! Ich unterliege Regeln und Vorschriften ….“

    Sams Empörung stieg sekündlich und mit ihrem Kopf zwischen den Händen vergraben versuchte sie ihre stark beschleunigte Atmung wieder in den Griff zu bekommen. Was ihr aber viel mehr zu schaffen machte, war das Kribbeln, das sich über ihren ganzen Körper ausbreitete und sich anfühlte, als beherbergten ihre Adern Milliarden kleiner krabbelnder Käfer. Ihr Verstand schrie sich förmlich die Seele aus dem Leib, jetzt endgültig zu gehen, solange sie noch konnte und diesen Unfug keine Sekunde länger anzuhören, doch die schon wochenlang beharrlich in ihrem Inneren flüsternde Stimme wurde immer lauter, schärfer, stachelte sie an und ließ jegliche Vernunft leise verklingen. Warum nur dachte sie überhaupt darüber nach? Das Ganze war gegen alles, für das sie ihr Leben lang so bedingungslos eingestanden war.

    „Okay“, platzte es dennoch aus ihr heraus, als beherrschte sie eine fremde Macht. „Sagen wir, ich würde es tun, rein hypothetisch gesprochen natürlich … wie genau soll das funktionieren? … Und ich will jedes noch so kleine Detail, denn sollte ich tatsächlich mitspielen … was ich damit jetzt nicht sagen will … dann erwarte ich bedingungslose Offenheit, zumindest mit gegenüber. Also was ist der genaue Plan und wie in aller Welt wollt ich mich zum Goa´uld machen?“

    „Sam bitte, lass mich diejenige sein, die dir das erklärt“, ergriff Indila, die bisher beharrlich geschwiegen hatte, das Wort und holte tief Luft, bevor sie begann.

    „Zuerst solltest du wissen, dass wir nicht viel Zeit haben nachzudenken. Ishtar erwartet Gestianna in spätestens sechs Tagen zurück. Wenn wir nicht pünktlich dort eintreffen, wird sie wegen der neuen Wirtin misstrauisch sein. Du musst dich also bis morgen entscheiden! Während unserer fünftägigen Reise wird Anise die notwendigen Veränderungen vornehmen, das heißt, den Naquadahgehalt in deinem Blut ausreichend angleichen, deine Stimme modifizieren und für das passende Blitzen deiner Augen sorgen. Ich verspreche, das ist alles ausreichend erforscht und sicher. Das Teltak, von dem im Übrigen bis jetzt niemand außer uns weiß, wird ohne weiteres die Schutzschilde passieren dürfen und wir erklären Ishtar, dass die Tauri auf der Rückreise versucht haben, unser Schiff zu erobern, wobei Gestiannas Wirtin tödlich verletzt wurde und sie dich stattdessen nahm. Ishtar wird hocherfreut sein, denn sie muss glauben, es bedeutet den freien Zugang zu dem Wissen in deinem Kopf, während wir sie stattdessen mit falschen Informationen versorgen und uns in Ruhe damit befassen können hinter die Funktionsweise von Gestiannas Technologien zu kommen, um sie außer Kraft zu setzen. Du musst nur für ein paar Wochen glaubhaft den Goa´uld spielen. Gestiannas erster Primus Ferim und seine Schwester Crytal, eine hohe Priesterin im Tempel, stehen bereits auf unserer Seite, das dürfte unser Vorhaben wesentlich erleichtern.“

    Indila verstummte und es wurde still. Sam sah, wie schwer es der jungen Frau fiel auszusprechen, was sie zu sagen hatte. Es bedurfte keiner hellseherischen Fähigkeiten, um zu wissen, dass es dabei um ihr beider Schicksal ging, als ihre leuchtend grünen Augen sie in die ihren bohrten.

    „Ich will dir nichts vormachen. Niemand kann garantieren, dass wir zwei diesen Planeten lebend verlassen. Womöglich sterben wir dabei, diesen Irrsinn zu beenden, aber das hier ist eine einmalige Chance, die so nie wiederkommen wird. Wenn wir jetzt nicht zuschlagen, werden Ishtar und Anubis schon bald mit einer gemeinsamen Armee Supersoldaten aufbrechen, um die Erde zu erobern und mit denselben Technologien zu versklaven, die sie und Gestianna auch schon bei der Bevölkerung auf Uruk anwenden. Nichts kann sie dann noch aufhalten, die Macht über die ganze Galaxie an sich zu reißen.“

    Die Verzweiflung, die Sam auch in ihrem Gespräch zuvor gespürt hatte, spiegelte sich deutlich in Indilas Stimme wider, doch noch immer schwankte sie zwischen dem Verrat, den sie dafür begehen musste und der bisher stets unumstößlichen Loyalität ihrem Team gegenüber. Die Frage, weshalb die Tok´ra diese offensichtliche Lüge für nötig hielten, spukte weiter in ihrem Kopf herum und verlangte nun umso dringlicher gestellt zu werden.

    „Warum ich allein? Warum diese Lüge? Was wollt ihr General Hammond und Colonel O`Neill erzählen? Dass ich einen kleinen, mehrwöchigen Tok´ra Betriebsausflug mitmachen möchte oder wie habt ihr euch das vorgestellt?“, fragte sie mit einer guten Portion Sarkasmus und wandte sich dabei direkt an Garshaw, die ihrerseits kein Blatt vor den Mund nahm.

    „Versteh mich nicht falsch, Major. Ich bewundere euren Zusammenhalt … wirklich. Aber je mehr Personen eingeweiht sind, desto größer ist die Gefahr, dass ihr beide verraten oder gar enttarnt werdet. Leider gibt es unter den Menschen der Erde zu viele verschiedene Interessen und die letzten Jahre haben oft genug bewiesen, dass ihr die gefährlichen Strömungen in euren eigenen Reihen nicht unter Kontrolle habt. Ich weiß …“, hob Garshaw beinah warnend die Hand, als sie sah, dass die junge Frau vor ihr zu einem lautstarken Argument ausholen wollte, legte verständnisvoll ihre Hände ums Sams Schultern und sah sie dabei fast wie eine überbesorgte Mutter an.

    „… dass alle Mitglieder deines Teams absolut zuverlässig sind und ich würde sowohl Colonel O`Neill, als auch Dr. Jackson und Teal´c ohne weiteres mein Leben anvertrauen, aber erstens ließen sie dich niemals allein gehen, wenn sie wüssten, was wir wirklich vorhaben und wie hoch das Risiko für dich ist, und zweitens, was noch viel gravierender ist, wir wissen von Indila, dass es bereits Kontakte zwischen Ishtar, Anubis und den abtrünnigen Mächten der Erde gibt. Da wir nicht wissen, wer diese Leute sind und wo genau sie sitzen, ist es besser, dass das gesamte Stargatecenter an unsere Geschichte glaubt. Nur so können wir sicher sein, dass ihr beide nicht verraten werdet. Alle sollen denken, Gestianna lebt und wir schleusen dich für ein paar Tage zusammen mit Indila als menschliche Sklavin auf ihr Teltak ein. Wenn du danach als neue Wirtin auf Uruk eintriffst und diese Information bis zur Erde vordringen sollte, werden alle im Stargatecenter, aber eben auch die Verräter unter euch glauben, dass unser Plan gescheitert ist. Nur auf diese Weise können wir alle täuschen und ihr zwei weiter unbehelligt agieren. Bitte versteh das, Major Carter. Es ist besser, wenn sie die Wahrheit nicht erfahren. Nur wir Anwesenden hier wissen davon und so muss es auch bleiben.“

    Das Ganze klang wirklich einleuchtend und Sam verstand durchaus den Konflikt, in dem Garshaw steckte, auch wenn ihr Kopf gerade nicht müde wurde nachzudenken, von welchen verräterischen Mächten sie da gesprochen hatte. Der NID? Kinsey oder Simmons? Oder Jemand von dem sie bis jetzt noch nichts wussten?
    Noch immer konnte sie sich nicht vorstellen, wie sie ihren Freunden und ihrer Familie diesen furchtbaren Verrat antun sollte, denn nichts Anderes wurde von ihr verlangt. Sie würde ihnen ins Gesicht lügen müssen, würde riskieren müssen, deren Vertrauen für immer zu verlieren und mit ihm alles, wofür das sie so hart gearbeitet hatte, doch die Vorstellung, einmal nur das zu tun, was ihr Gewissen und ihre tiefe ureigene Stimme von in ihr verlangte, weckte ein Gefühl von Euphorie, das sie noch nie zuvor gespürt hatte. Im Prinzip war die Entscheidung längst getroffen, ganz gleich welche Konsequenzen deshalb am Ende auf sie warteten, ganz gleich, ob sie überleben oder sterben würde. Das erste Mal in ihrem Leben waren es keine Regeln, die ihren Weg bestimmten, sondern nur sie selbst … und das Schicksal.

    „Das ist so verrückt, dass es schon fast wieder genial ist“, warf sie seufzend ihre Hände in die Luft. „Nur damit ich das richtig verstehe. Hammond soll einer angeblich harmlosen Undercover Mission zustimmen, die dann nach außen hin aus dem Ruder läuft und ich zur Wirtin gemacht werde, während nur wir wissen, dass es eigentlich ganz anders ist?“

    Garshaw nickte nur und wartete auf eine Reaktion. Sam schwankte zwischen Lachen und Weinen, zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Diese Herausforderung erweckte ihre verkümmerte Seele wieder zum Leben, entflammte eine ungeahnte Leidenschaft und mit ihr die Hoffnung, ihrem tristen Dasein einen neuen Sinn zu geben. Die Tonnenschwere Last, die seit Wochen auf ihrem Herzen lag, verflog wie eine Feder im Wind. Sie fühlte sich lebendig wie nie zuvor, fühlte sich, als rauschte die Euphorie wie eine Droge durch ihre verschlafenen Adern. Ein überschäumendes Gefühl von Freiheit nahm ihren ganzen Körper in Besitz, löste die Fesseln, die ihren Willen solange gefangen gehalten hatten und trug sie mit weiten Schwingen hinweg über ihre selbsterschaffenen Mauern aus Ehre und Pflicht. Irgendwie war es doch Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet Major Samantha Carter, das Musterbeispiel an Regelkonformität und Loyalität sich entschieden hatte, alles, was ihr bis dato heilig war, mit Füßen zu treten, denn zugegeben, dies war weiß Gott keine ihrer sorgfältig durchdachten, bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Entscheidungen. Hier ging es nicht mehr um ihren Dad oder Jack oder ihre Freunde und noch viel weniger ging es um ihre Karriere oder die Air Force. Diesmal ging es einzig und allein um Sam Carter. Niemand würde sie jetzt noch abhalten können und ihre Stimme strotzte nur so vor wilder Entschlossenheit.

    „Ich werde es tun“, trat sie mit neugewonnenem Mut aus dem langen Schatten ihrer ehrgeizigen Ziele, hinter denen sie sich schon viel zu lang versteckt hatte.

    „Und was ist, wenn General Hammond oder Colonel O`Neill es dir verbieten? “, entgegnete Garshaw mit verschränkten Armen und einem Blick, der verriet, dass sie noch nicht vollends davon überzeugt war, dass die junge Frau ihr Vorhaben wirklich durchziehen wollte. Sam ließ die Frage und auch die daraus resultierenden Folgen einen Augenblick auf sich wirken, bevor sie hörbar einatmete und die Worte, von denen sie stets geglaubt hatte, eher daran zu ersticken, als sie jemals laut auszusprechen, mit ungeahnter Selbstverständlichkeit von ihren Lippen rutschten. Diese einsam getroffene Entscheidung war ganz und gar die Ihre, in keiner Weise getragen von Pflichtgefühl oder Ehrgeiz, Befehlen oder Gehorsam, sondern einzig und allein von ihrem Gewissen und der Stimme ihres Herzens.

    „Dann werde ich es ohne die Zustimmung meiner Vorgesetzten tun! Mein Entschluss steht fest ….“
    Geändert von Sumanira (02.10.2016 um 22:20 Uhr)

  2. Danke sagten:


  3. #2
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    Hallo Suminara,

    deine Geschichte enthält interessante Charakterstudien und dreht sich mit den Tok'Ra um einen Aspekt der Serie, den ich persönlich in Fanfiktions ein wenig vermisse.

    Ich bin gespannt auf die Fortsetzung.
    "Die Zeit macht jede Wahrheit zum Roman."
    aus dem Lied Mayerling von
    Udo Jürgens (Text v. Michael Kunze)

    "Das "Vaterland" ist der Albdruck der Heimat."
    Kurt Tucholsky

  4. Danke sagten:


  5. #3
    Staff Sergeant Avatar von Sumanira
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    Hallooo Durnah, vielen lieben dank für deine netten Worte, hab mich sehr gefreut, dass doch Jemand mitliest. Das baut echt auf. Es werden alle irgendwie ihren Platz finden, die Tok´ra, die Goa´uld und auch die Jaffa, hoffe, die Fortsetzung taugt dir, LG Susann

  6. #4
    Staff Sergeant Avatar von Sumanira
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    Alles kursiv Geschriebene ist keine laut gesprochene Rede, sondern Symbionten / Wirte, die mit miteinander sprechen!


    2. Kapitel

    „Und du bist dir wirklich sicher, Sam? Du wirst ihnen eiskalt ins Gesicht lügen müssen und auch wenn ich dich erst seit ein paar Stunden kenne, habe ich das Gefühl, genau zu wissen, dass es dir viel mehr abverlangen wird, als du jetzt wahrhaben willst“, stieß Indila hervor, als die zwei Frauen den kleinen Raum erreichten, der das Sternentor beherbergte. Trotz der zuvor heißen Diskussion mit Dinaté über den Sinn und Unsinn dieser Frage, hatte sich die junge Frau auch diesmal durchgesetzt und getan, was sie für richtig hielt.

    „Bin ich“, antwortete Sam. Das Licht des schimmernden Ereignishorizontes fing sich in ihren glasklaren Augen und Indila hatte fast den Eindruck, als könnte man durch das funkelnde Blau direkt in ihr Herz sehen. „Ihr müsst keine Angst haben, dass ich es mir noch einmal anders überlege. Ich habe gesagt, ich werde es tun, also tue ich es auch!“

    „So hatte ich das nicht gemeint, Sam“, verteidigte sich die junge Frau fast ein wenig enttäuscht.

    „Es … tut mir leid“, brachte Sam stammeln hervor und schloss ihre Augen. „Ich hätte das nicht sagen sollen. Du bist ganz und gar nicht wie die anderen. Es ist nur … ich bin so verdammt ….“

    „Nervös?“ Indila schien ihre Gedanken lesen zu können. Die junge Frau ergriff ihre Hand und streichelte sie sanft. „Überlass das Reden einfach mir. Ich habe nichts zu verlieren … ganz im Gegensatz zu dir, also bringen wir es endlich hinter uns!“, forderte sie und zog Sam in Richtung Tor, doch deren unerwarteter Widerstand ließ sie noch einmal zurückblicken.

    „Nur eines noch Indila…“, holte Sam tief Luft und drückte der jungen Tok´ra einen Zettel in die Hand. „Wenn sie es wirklich ablehnen sollten, wirst du mich holen müssen. Sie werden mich nicht durchs Tor gehen lassen. Ich habe dir die Koordinaten aufgeschrieben. Du landest das Teltak auf einer Lichtung außerhalb von Colorado Springs. Ich werde vor Sonnenaufgang dort auf euch warten. Ach … und vergiss die Tarnung nicht, wir wollen schließlich keinen Ufoalarm auf der Erde auslösen.“

    Indila lachte kurz auf, bevor ein sorgenvoller Schatten über ihr Gesicht huschte. „Glaubst du wirklich, dass sie es ablehnen?“

    „Ich kann dir nicht sagen warum, aber ich habe kein gutes Gefühl“, gestand Sam schließlich und kaute angestrengt auf ihrer Unterlippe. „Ich kenne Colonel O`Neill schon ein paar Jahre. Er traut keinem Tok´ra, außer meinem Dad und seit dem Vorfall mit Kanan ist sein Misstrauen noch größer. Wenn er nein sagt, wird sich auch General Hammond nicht gegen seine Entscheidung stellen, dessen bin ich mir sicher. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als seinen Segen, denn wenn er mir die offizielle Mission nicht genehmigt, dann ist es das Ende meiner Karriere und Uruk eine Reise ohne Wiederkehr.“

    „Ich hoffe sehr, dazu wird es erst gar nicht kommen. Vielleicht ist es hilfreich, wenn sich Dinaté in O`Neills Gegenwart im Hintergrund hält. Aber sollte das alles nichts bringen … dann werden wir da sein“, versprach Indila, bevor beide Frauen Hand in Hand durch das Tor gingen und nur Bruchteile von Sekunden später die klirrende Rampe hinunterliefen, wo Sam von einem ungeduldig wartenden General Hammond mit einem festen Händedruck und einem warmen väterlichen Lächeln empfangen wurde, das ihr abtrünniges Herz auf der Stelle schmerzhaft gegen ihre Rippen pochen ließ.

    „Schön sie endlich wiederzuhaben, Sam“, begrüßte er sie und musterte die unbekannte Frau neben seiner Offizierin mit einer Mischung aus Anstand und dezenter Neugier. „Wen haben sie uns denn da mitgebracht, Major?“

    „Das ist Indila von den Tok´ra, Sir. Sie ähm … nun ja … also wir …“, stotterte Sam und verfluchte sich selbst für ihre absolut unprofessionelle Aufregung.

    „Ich freue mich außerordentlich, sie kennenzulernen, General Hammond. Sam hat mir schon jede Menge von ihnen erzählt. Sie ahnen gar nicht, wie sehr sie von ihren Führungsqualitäten schwärmt. Von ihren großartigen Leistungen im Kampf gegen die Goa´uld mal ganz zu schweigen“, rettete die schlagfertige Tok´ra ihre neue Freundin aus ihrem Schlamassel und streckte Hammond forsch ihre Hand entgegen. „Der Hohe Rat schickt mich, um eure Hilfe zu erbitten und ich würde mich sehr freuen, wenn sie mir nur ein paar Minuten ihrer überaus kostbaren Zeit schenken würden, lieber General.“

    Sam räusperte sich laut, angesichts der breiten Auswahl an Komplimenten und des umwerfend charmanten Lächelns auf Indilas Lippen, mit dem sie den älteren Mann binnen Sekunden vollends um den Finger gewickelt hatte. Offenbar wusste sie sehr wohl, wie man einen erfahrenen General handhaben musste, um genau das zu bekommen, was sie wollte.

    „Nun ja“, begann der ältere Mann ungewohnt wortkarg, während sich seine Wangen in ein sattes Rot tauchten. „Dann schlage ich vor, sie beide bringen ihre Untersuchung hinter sich und wir sehen uns in einer Stunde im Konferenzraum.“

    Sam nickte zufrieden, aber gerade als die zwei Frauen in Richtung Ausgang gehen wollten, öffnete sich vor ihnen die schwere Metalltür und ein überaus beschwingter, fröhlich vor sich hin pfeifender Colonel schlenderte ihnen entgegen, dicht gefolgt von Daniel, der sichtlich genervt von der übertrieben guten Laune seines Teamkollegen mit den Augen rollte.

    „Carter! Das wurde aber auch wirklich Zeit. Wir haben sie schon schmerzlich vermisst. Ich hoffe doch sehr, all die Schlagen haben sich von ihrem überaus klugen Köpfchen ferngehalten?“, begrüßte er Sam mit einem typisch frechen O`Neill Grinsen und klopfte ihr salopp auf die Schulter, bevor sein Blick von unten nach oben über die schlanke Statur der fremden jungen Frau neben ihr streifte.

    „Wen haben wir denn da? Ein neues Gesicht? … Und ein ganz junges noch dazu? Schicken die Tok´ra jetzt schon Kinder vorbei, um unser Herz zu erweichen? … Netter Versuch! Aber leider vergeblich, meine Liebe! Ich kenne euresgleichen zur Genüge und ….“

    „Ich freue mich auch sehr, sie kennen zu lernen. Mein Name ist Indila und der Beschreibung zufolge müssen sie Colonel O`Neill sein“, unterbrach sie ihn kurzerhand, verneigte sich flüchtig und legte ihre Aufmerksamkeit zurück zu Sam.

    „Er ist wirklich überaus charmant“, bemerkte sie mit einem breiten Siegerlächeln auf ihren Lippen. „Allerdings lassen seine Manieren einer Frau gegenüber stark zu wünschen übrig. Es sieht fast so aus, als hatte er nicht das Vergnügen, die Vorzüge einer guten Kinderstube zu genießen. Leider bezweifle ich, dass in diesem Fall noch was zu machen ist … nicht in solch fortgeschrittenem Alter.“

    Sam konnte sich ein leises Kichern kaum mehr verkneifen, aber auch Daniel versuchte verzweifelt sein vor dem Ausbruch stehendes Lachen zu unterdrücken … leider vergebens! Und selbst Hammonds dezentes Schmunzeln erweckte den Eindruck, dass er den Schlagabtausch, den sich Jack mit der vorwitzigen Frau lieferte, äußerst amüsant zu finden schien.

    „Vorlaut ist sie auch noch!“, grummelte Jack. „Und was bitte heißt hier fortgeschrittenes Alter?“, schoss seine Augenbraue ungläubig in die Höhe. Bis auf Jacob verstanden die meisten Tok´ra keinerlei Humor und waren gewöhnlich steif wie ein Spazierstock. „Mein Großvater … Gott hab ihn selig … hätte dir dafür den Hintern versohlt, junge Dame. Vielleicht sollte ich das gleich mal übernehmen.“

    „Nur zu, versuchen sie es! Klingt schon jetzt nach jeder Menge Spaß“, grinste sie frech und ließ ihren Blick herausfordernd über seinen Körper wandern.

    „Scheint fast so, als habe der große Jack O`Neill endlich seinen Meister gefunden … ausgerechnet in einem jungen Mädchen. Ich bin übrigens Daniel Jackson, der besser erzogenere Teil von SG 1“, spottete der Archäologe hämisch und begrüßte sie mit einem Handschlag, bevor er Sam in eine kurze, aber auffallend liebevolle Umarmung schloss und ihr einen flüchtigen Kuss auf Wange presste. „Du hast mir gefehlt.“

    „Du mir auch, Daniel“, murmelte sie verlegen. Seine Nähe und die Wärme seiner Worte und Gesten schenkte ihr jedes Mal das unbezahlbare Gefühl, sich willkommen und zuhause zu fühlen, wofür sie ihren besten Freund beinah mehr liebte als ihren eigenen Bruder. Er war und blieb etwas ganz Besonderes, denn sein Aufstieg, der darauffolgende monatelange Schwebezustand und die Angst, womöglich nie wieder die Chance zu bekommen, ihm zu sagen, wieviel er ihr wirklich bedeutete, hatte damals ein tiefes Loch in ihr Herz gerissen. Für sie grenzte es auch jetzt noch an ein Wunder, dass er zu ihnen zurückgekehrt war und seitdem genoss sie jeden Augenblick in seiner Gegenwart in vollen Zügen.

    Jack stand indes noch immer mit offenem Mund vor Indila und wog sorgfältig seinen nächsten Schachzug ab, wurde jedoch schnell von Hammonds unmissverständlichem Kopfschütteln zur Raison gebracht, als er gerade zum verbalen Gegenschlag ausholen wollte.

    „Nun da wir diese überaus nette Begrüßung hinter uns gebracht haben, schlage ich vor sie beide besuchen endlich Dr. Fraiser“, nickte der General den zwei Frauen zu. „Wir sehen uns dann alle um Punkt 1200 zur Besprechung im Konferenzraum wieder.“


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    „Sie soll also menschliche Dienerin von … wie war doch gleich nochmal ihr Name … werden?“, wollte Jack nun zum dritten Mal wissen, vollkommen überfahren von der Fülle an Namen, die ihm binnen kürzester Zeit um die Ohren geworfen worden waren und ihn schon jetzt dazu tendieren ließen die ganze Sache unter der Rubrik `unkalkulierbares Risiko und bei Weitem viel zu gefährlich´ ohne mit der Wimper zu zucken abzulehnen, aber er hatte Indila bereits an der Angel. Schon als seine 2IC ihm kurz vor Beginn der Besprechung eher widerwillig und seltsam verschlossen von der Verbindung zwischen Jolinar, Indila und ihr erzählt hatte, war sein Misstrauen geweckt. Wenn an der Sache etwas faul war, und das war bei den Tok´ra in der Regel immer der Fall, dann würde er es früher oder später erkennen.

    „Ihr Name ist Gestianna und sie ist Ishtars Schwägerin.“ Mit schier grenzenloser Geduld setzte Indila erneut zu einer Erklärung an, nachdem er sie bereits mehrere Male mitten im Satz unterbrochen hatte und Dinaté konnte nun nicht mehr an sich halten, ihre Wirtin eingehender zu warnen.

    [style type="italic"] `Du musst vorsichtig sein. Er versucht, dich in Widersprüche zu verwickeln´

    `Glaubst du, ich weiß das nicht? Seine Abneigung gegen uns muss enorm sein. Er spielt mit mir … und er ist gut. Aber er weiß nicht, dass ich es weiß´[/style], entgegnete sie ihrer Gefährtin

    „Und wer ist dann diese Ishtar? Aber vor allem, was hat SIE damit zu tun?“, sah Jack die junge Frau mit scharfen Augen von unten herauf an und trommelte bedächtig mit seinen Fingern auf dem Tisch.

    „Ishtar ist …“, begann sie wieder von vorn mit einem angestrengten Seufzen, denn das ganze Katz und Maus Spiel wurde langsam aber sicher anstrengend. Diesmal unterbrach sie Daniel, der sich Jacks Schikanen der jungen Frau gegenüber offenbar nicht mehr mit ansehen konnte.

    „… auch besser bekannt als die sumerische Himmelskönigin Inanna, Herrscherin über Uruk und Göttin der Liebe, Fruchtbarkeit und des Krieges“, führte er ihren Satz fort und jeder konnte das unheimliche Leuchten der Begeisterung in seinen Augen sehen.
    „Sie nahm sich den sterblichen Hirten Dumuzi, oder auch Tammuz genannt, zum Mann und machte ihn zum König. Jedes Jahr im Frühling wurde in Uruk, dem heutigen Warka im Irak, die sogenannte Heilige Hochzeit mit einem rauschenden Fest gefeiert, bei dem sich beide vereinten, um die Fruchtbarkeit der Natur für das kommende Jahr zu garantieren. Neben den ägyptischen Göttern zählen die sumerischen Götter Mesopotamiens zu den ältesten in der Geschichte der Erde. Es wäre bestimmt faszinierend, sich den Planeten genauer anzusehen.“

    „Ishtar und Gestianna haben alles nach dem genauen Abbild des alten Uruk dort wieder erbauen lassen. Die Stadt ist von einer riesigen Mauer umgeben und in ihrem Zentrum thront eine gewaltige Zikkurat“, erzählte die junge Frau dem neugierigen Archäologen, der sie nur zu gern mit tausenden von Fragen gelöchert hätte, aber sein bester Freund neben ihm stöhnte bereits sichtlich entnervt auf und kritzelte weiter gelangweilt auf einem unschuldigen Papier herum.

    „Du verstehst das nicht, Jack. Das ist lebendige Geschichte.“

    „Ja Daniel, mag sein und das ist alles wirklich furchtbar interessant, aber ich beschränke mich lieber auf die wesentlichen Dinge“, warf ihm Jack einen missbilligenden Blick zu, der dann sofort weiter in Richtung Indila wanderte. Sein zynischer Unterton sprach Bände, denn schon der bloße Gedanke an die Verbindung zum Irak ließ seinen Magen im Schleudergang drehen und versorgte ihn mit einem bunten Potpourri ungewollter Erinnerungen.

    „Also wer genau ist diese … diese … Gestina?“, fuchtelte er wild mit seinem Finger. „Wenn ich schon einen meiner Leute ohne Rückendeckung auf eine solche Mission schicken soll, würde gern wissen, mit wem wir es zu tun haben und damit meine ich keinen weiteren Vortrag in Geschichte!“

    „Gestianna ist quasi Ishtars rechte Hand. Der Sage nach fiel ihr Bruder Tammuz bei Ishtar in Ungnade und sie verurteilte ihn, in der Unterwelt zu bleiben.“ Indila warf mürrisch ihre Hand in die Höhe und stoppte so Jacks erneut aufkommenden Drang, gegen die seiner Meinung nach unwichtigen Details zu protestieren. „Nun lassen sie mich doch nur ein einziges Mal ausreden, Colonel! … Gestianna hat sich einst aus Liebe zu ihrem Bruder bereit erklärt, die Strafe mit ihm zu teilen. Auf Uruk wurde sie so zuerst Ishtars Handlanger, allerdings ist sie ihr inzwischen absolut ebenbürtig und beide Frauen teilen sich nun dort die Macht. Wir hoffen innerhalb der fünf Tage Flug hinter einige der technischen Details von Gestiannas neuesten Erfindungen zu kommen, wenn Sam die Aufgabe ihres Lotars übernehmen könnte. Gestianna umgibt sich ausschließlich mit weiblichen Sklaven, die eine gewisse technische Intelligenz mitbringen müssen, um ihr bei ihren Entwicklungen zu helfen. Sie hat mich damit betraut, einen angemessenen Ersatz für die verstorbene Nahrin zu finden und Sam ist einfach nur perfekt für diese Aufgabe.“

    Der sonst so gesprächige Colonel saß mittlerweile wie versteinert auf seinem Stuhl und hatte die Hände vors Gesicht geschlagen. Daniel kannte seinen besten Freund gut genug, um zu wissen, dass er für die blutige Schlacht, die sein militärischer Verstand gerade mit seinem brennenden Herzen in ihm austrug, am liebsten keine Zeugen wollte. Indila hatte recht, Tok´ra hin oder her. Es war die beste Gelegenheit seit langem, aus erster Hand Erfahrungen bezüglich neuer Technologien zum Schutz der Erde zu sammeln. Für seinen Freund allerdings stand viel mehr als nur das auf dem Spiel. Einerseits wollte er Sam nicht das Gefühl vermitteln, sie für unfähig zu halten oder ihr gar die einmalige Chance zu verweigern, endlich allen zu beweisen, wie gut sie wirklich war, andererseits aber war da dieses tiefe Misstrauen gegenüber der Tok´ra und allen voran die Furcht, irgendjemand könnte spüren wie tief sich der Stachel der verbotenen, kompromittierenden Angst um ihr Leben bereits in das Herz des Offiziers gebohrt hatte. Aus militärischer Perspektive gab es keinen ersichtlichen Grund ihr diese Mission zu verbieten, ganz im Gegenteil! Aber seine alles andere als professionellen Gefühle für sie, drängten ihn zu etwas völlig Anderem.
    Hammond hatte ihm die Entscheidung überlassen, ob er das Risiko eingehen wollte oder nicht und nun saß er vor ihnen, wie ein Häufchen Elend, das die Wahl zwischen Tod und Teufel hatte.

    „Wie kommt sie wieder von diesem Schiff runter?“, presste er schließlich knurrend zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor und sein Blick schien sich direkt in das Herz jener Frau zu bohren, die ihn erst in diese unmögliche Lage gebracht hatte.

    [style type="italic"] `Ganz gleich, was du jetzt sagst, er hat seine Entscheidung längst getroffen´[/style], ließ Dinaté seine nun leicht verunsicherte Wirtin wissen, die in Sams Gesicht ein und dieselbe Vorahnung lesen konnte. Jeder, der nur etwas genauer hinsah, musste den glasigen Schleier in ihren Augen bemerken. Für sie stand gerade nicht weniger als ihre Zukunft auf dem Spiel und Indila wollte um ihretwegen nicht einfach kampflos aufgeben. Sie musste es wenigstens versuchen, egal wie aussichtslos das Vorhaben auch zu sein schien.

    „Ich werde kurz vor unserer Ankunft irgendwie dafür sorgen, dass sie das Schiff unbemerkt und unbeschadet verlassen kann. Unweit von Uruk gibt es einen kleinen Planeten, dessen Bewohner sie solange aufnehmen werden, bis wir sie dort abholen können“, antwortete Indila sichtlich bemüht die Nerven zu behalten, während Sam am anderen Ende des Tisches verbissen ihren Stift fixierte und versuchte das haltlose Zittern ihrer Hände zu verbergen. „Bitte Colonel, ich gebe ihnen mein Wort, dass ich alles in meiner Macht stehende tun werde ….“

    „Irgendwie? … IRGENDWIE? Ist das etwa eure Vorstellung von gut durchdacht und sicher?“, fuhr er die junge Frau so schroff an, dass sie erschrocken zusammenzuckte und vorübergehend kein Wort mehr rausbrachte. Jacks Stimme hingegen schwoll weiter an, wurde lauter und aufbrausender. „Ich traue euch Tok´ra kein stückweit über den Weg, mein Fräulein. Dein Wort ist rein gar nichts wert, jedenfalls nicht für mich. Ihr würdet doch selbst eure Großmutter für den Erfolg einer Mission verkaufen. Und Carter ist viel zu wertvoll für mi … hm hm … uns, um sie euren halbausgegorenen Plänen zum Opfer fallen zu lassen. … Die Antwort lautet NEIN!“

    „Aber Sir“, schoss Sam aufgebracht von ihrem Stuhl hoch, sodass dieser mit voller Wucht gegen den Schrank hinter ihr knallte und jeder sie entsetzt anstarrte. In ihren Augen blitzte eine ungeheure Wut, die Daniel noch nie zuvor darin gesehen hatte. Sam war bekannt für ihre Selbstbeherrschung und ihren bedingungslosen Gehorsam, aber in diesem Moment schien ihr beides rasant abhandengekommen zu sein. „Das ist einfach nur unfair … selbstgerecht und arrogant.“

    „Setzen sie sich, Major“, befahl Jack fast brüllend und erhob sich ebenfalls, bereit sich den Vorwürfen seiner ungewohnt rebellischen 2IC zu stellen. „Sofort!“

    Sams Atmung war besorgniserregend schnell und ihre Augen prallten auf die ihres Vorgesetzten, als versuchten sie die Mauer darin mit ihrem bloßen, ungebrochenen Willen einzureißen. Sie dachte nicht daran, jetzt klein bei zu geben und sich einfach seiner Willkür zu beugen. „Sie wissen ganz genau, dass es keinen vernünftigen Grund gibt, mir diese Mission zu verweigern, Sir. Sie wollen nur ihren privaten Kleinkrieg mit den Tok´ra auf meinem Rücken und dem der gesamten Galaxie austragen ….“

    „Ich denke, das reicht jetzt wohl, Carter! Ich werde nicht mit ihnen diskutieren", warnte er sie grollend und stemmte kämpferisch seine Hände in die Hüften.

    „Was ist Sir? Können sie die Wahrheit nicht ertragen?“, redete Sam sich zunehmend in Rage und ignorierte seinen mehr als zornigen Gesichtsausdruck. Die Luft zwischen ihnen brannte indes lichterloh und Daniel befürchtete, einer von Beiden könnte schon bald etwas sagen, das er später bereuen würde.

    „Wollen sie damit etwa unterstellen, meine Entscheidung sei unsachlich und voreingenommen, Major?“

    „Ja, das will ich, Sir“, erwiderte Sam stur, sich der möglichen Konsequenzen ihres an Ungehorsam grenzenden Verhaltens wohl bewusst.

    „Verdammt Carter!“, traf Jacks Faust krachend am Tisch auf. „Was zur Hölle ist eigentlich in sie gefahren? Seit wann verstehen sie keinen klaren Befehl mehr? Oder haben ihnen die Tok´ra in den zwei Wochen eine Gehirnwäsche verpasst?“

    „Colonel, Major, kann ich sie beide einen Augenblick allein sprechen … in meinem Büro?“, mischte sich nun ein sichtlich verärgerter General Hammond ein, der sich das Schauspiel lange genug mit angesehen hatte, aber seine beiden Offiziere ignorierten ihn konsequent.

    „Ja natürlich, Colonel. Was Anderes habe ich von ihnen auch nicht erwartet! Ich vertraue Indila … wenn sie überhaupt wissen, was das bedeutet. Es gab mal eine Zeit, da haben sie mir auch vertraut! Warum tun sie es jetzt nicht mehr?“, zischte sie zurück und stützte sich auf der Tischplatte ab, als seine Augen ihren von Hass erfüllten Blick einfingen. Die sonst so stabile Verbindung zwischen ihnen hatte einen abgrundtiefen Riss bekommen, der gerade absolut unüberwindbar schien. Sein Bauchgefühl hatte ihn von Anfang an gewarnt und nun bestätigte sich sein Verdacht. Irgendetwas war anders … SIE war anders. Er wusste noch nicht warum, aber er schwor sich, es so schnell wie möglich herauszufinden. Das bohrende Gefühl, dass sie ihm etwas verheimlichte und er sie in ihrem derzeitigen Zustand vor sich selbst schützen musste, schob jegliche militärische Vernunft beiseite. Sie stand unter seinem Kommando und er war verdammt nochmal für sie verantwortlich, rechtfertigte er sich vor seinem aufbegehrenden Gewissen und zwang sich mit letzter Kraft, ruhigere Töne anzuschlagen.

    „Diese Erinnerungen trüben ihr Urteilvermögen, Carter“, sagte er schließlich mit leiser, geradezu sanfter Stimme. „Warum können oder wollen sie das einfach nicht sehen? Mein Instinkt sagt mir klar und deutlich, dass ich sie nicht gehen lassen sollte und bis jetzt konnte ich mich darauf immer zu hundert Prozent verlassen. Sie bleiben hier … das ist mein letztes Wort.“

    Eine beißende Kälte folgte der Stille, die durch den ganzen Raum kroch wie ein unheimlicher Nebel. Sam schluckte schwer, schloss ihre müden Augen und ihr Kopf schien plötzlich hunderte von Tonnen zu wiegen. Es war vorbei. Sie fühlte sich von ihm auf die schlimmste Art gedemütigt, bloßgestellt … zutiefst verletzt! Warum war sie im Grunde ihres Herzen nicht überrascht? Das Schicksal hatte also entschieden. Falls sie jemals zurückkehrte, würde ihr Leben nie wieder das sein, das sie verlassen hatte. Mit einem tiefen Atemzug hob sie ihren Blick zu Indilas entsetzten Augen, die sich ein letztes Mal stumm vergewisserten, ob sie trotz allem an ihrem Entschluss festhalten wollte und Sam nickte kaum spürbar, bevor sie sich wieder ihren Vorgesetzten zuwandte.

    „Ganz … wie sie meinen … SIR!“ So aufgewühlt sie auch war, sie konnte ihm kaum verübeln, dass er seinem Gefühl gefolgt war, wenn sie ihn doch immer dafür bewundert hatte und gerade dabei war, genau dasselbe zu tun. „Ich denke, Indila möchte unter den gegebenen Umständen sicher so schnell wie möglich zurückkehren, um eine Alternativlösung zu finden. Wenn sie also nichts dagegen hätten, würde ich sie gerne zum Tor begleiten … COLONEL?“

    „Tun sie das, Major“, erwiderte er streng, während sich Indila betont freundlich zuerst von Daniel, dann von General Hammond und schließlich auch von ihm verabschiedete. Jack brachte es nicht fertig sie, oder gar Sam anzusehen, die wie eine Verbrecherin auf der Flucht an ihm vorbeirannte und deren wütende, stampfende Schritte auf der Treppe noch lange bis in den Konferenzraum widerhallten. Sie würde ihn vermutlich noch eine Zeit lang dafür hassen und sosehr ihn ihre offen zur Schau getragene Feindseligkeit auch verletzte, der Horror sie stattdessen in ihren möglichen Tod zu schicken, war weitaus größer.

    „Sind sie sich ganz sicher mit ihrem Entschluss, Colonel?“, trat Hammond vorsichtig an ihn heran.

    „Ja Sir! … Es sei denn, sie …?“

    „Nein Jack. Ich werde ihre Wahl ganz bestimmt nicht in Frage stellen. Sie kennen Major Carter besser, als ich es je tun werde. Ich vertraue ihrer Einschätzung voll und ganz … solange sie es auch tun“, nickte der ältere Mann verständnisvoll und wandte sich an Daniel. „Viel Spaß bei ihrer Einweihungsparty heut Abend, Dr. Jackson“

    Danach zog er sich in sein Büro zurück und ließ seinen gedankenversunkenen 2IC mit einem nicht minder nachdenklichen Daniel zurück, der gerade zu einer Frage ausholte.

    „Was ist Daniel? Willst du mir auch vorwerfen, ich hätte überreagiert?“, kam er ihm zuvor und fiel entkräftet zurück in die Lehne seines Stuhles, um die zweifellos kommende Moralpredigt über sich ergehen zu lassen. Sein jüngerer Freund allerdings blieb hinter ihm stehen und legte seine Hand stützend auf seine Schulter.

    „Vielleicht war ich nicht immer mit allem einverstanden, was du entschieden hast, aber du hattest immer deine Gründe … sicherlich auch heute und ich werde mir nicht anmaßen, darüber zu urteilen“, lief er weiter zur Tür, öffnete sie und hielt kurz inne. „Aber trotzdem solltest du noch einmal mit ihr reden … über alles! Wir sehen uns heute Abend, Jack!“

    „Ja“, murmelte der leise, hörte wie die Tür ins Schloss fiel und ließ seinen Kopf in den Nacken fallen. „Bis heute Abend!“ Der erste Kampf war blutig zu Ende gegangen, aber der Krieg war noch längst nicht vorüber, denn die nächste Schlacht wartete bereits auf ihn ….


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    „Es tut mir so leid, dass ich versagt habe, Sam.“ Indilas Blick klebte beschämt, aber ebenso nachdenklich auf dem grauen Betonboden des Torraumes, während sich die sieben Chevron der Reihe nach aktivierten und Sergeant Harrimans Stimme die leise Unterhaltung der beiden Frauen übertönte.

    „Das muss es nicht. Er hat dir … uns nicht einmal eine Chance gegeben“, begann Sam, die ihre überschäumende Wut auf ihren kommandierenden Offizier einfach nicht mehr in den Griff bekam. Ihre Zähne knirschten aufeinander und sie versuchte die Flüche für sich zu behalten, die sie ihm seit sie den Konferenzraum verlassen hatte in Gedanken unablässig an den Kopf warf.

    „Kannst du ihm das wirklich verübeln, Sam? Er hat die Verantwortung und er hat gespürt, dass etwas nicht stimmt … das ist seine Aufgabe, oder nicht? Er hat nur getan, was sein Herz ihm ….“ Mitten im Satz brach ihre Stimme und sie griff nach Sams Hand. „Noch kannst du es dir überlegen. Ich würde es verstehen, wenn du ….“

    „Ganz sicher nicht“, protestierte Sam lautstark, senkte ihre Stimme aber auf der Stelle zu einem leisen Flüstern, als sie bemerkte, dass alle Augen im Kontrollraum bereits auf sie gerichtet waren. „Ich will das … mehr als ich jemals etwas wollte, verstehst du?“

    „Ja … aber eines muss ich zuvor noch wissen, sonst kann ich dich unmöglich ruhigen Gewissens mit mir gehen lassen! Und bitte Sam … lüg mich nicht an“, bat Indila mit einem schweren Seufzen und ignorierte wieder einmal Dinaté´s warnende Worte.
    Sie konnte die Frau, mit der sie inzwischen mehr verband als bloße Erinnerungen, nicht auf eine solche Mission schicken, ohne diesen schweren Verdacht auszuräumen, der sich während der gesamten unheilvollen Besprechung in ihr wie eine ansteckende Krankheit ausgebreitet hatte.

    „Sag mir, Sam … gehst du seinetwegen?“

    „Was?“ Sam fiel aus allen Wolken. „Herrgott Nein“, schoss es wie aus einem gebrochenen Damm aus ihr heraus. „Wie kommst du darauf?“

    „Du liebst ihn“, platzte es im Gegenzug aus der jungen Frau heraus, die es gewohnt war, die Dinge unverhohlen beim Namen zu nennen. „Und ich werde das Gefühl einfach nicht los, du läufst vor ihm davon, aber das sollte definitiv nicht der Grund sein, sich ….“

    „Shhhh“, schüttelte Sam heftig ihren Kopf und schob Indila ungewollt schroff beiseite. Ihr Herz raste auf und ab wie eine Achterbahn, als sie ihre Augen schloss und verbissen nach den richtigen Worten suchte. „Es ist nicht, wie du denkst, bitte glaub mir! Ich muss einfach hier weg, um endlich meinen eigenen Weg zu gehen. Ich spüre … nein, ich weiß, Uruk ist mein Schicksal. Ich kann dir nicht sagen warum, ich bitte dich nur, mir zu vertrauen. Ganz gleich, was ich für Colonel O´Neill empfinde oder nicht, er … ist … nicht … der Grund! Ich gehe, weil es meine einzige Chance ist, mich selbst zu finden und ich flehe dich an … nimm sie mir nicht weg!“

    Eine eisige Stille überkam die junge Tok´ra und verschluckte alles, nur nicht das Gefühl von Unsicherheit. Indila war auch jetzt weder klar, ob sie die Antwort vollends zufriedenstellte, noch ob ihr Verdacht damit vollständig aus der Welt geräumt war, aber sie konnte sowohl die tiefe Verzweiflung, als auch die aufkeimende Hoffnung fühlen, die Sams Worte begleiteten. Vermutlich lag die Wahrheit, wie so oft im Leben, irgendwo in der Mitte und trotz der verbliebenen Bedenken, lenkte sie ein.

    „Okay. Morgen früh vor Sonnenaufgang. Anise und ich werden da sein!“, drückte sie noch einmal lächelnd Sams Hand und verschwand im schimmernden Blau des Ereignishorizontes, der nur Sekunden später geräuschvoll in sich zusammenbrach. Einen Moment lang starrte sie noch andächtig auf die sich schließende Iris, bevor sie sich umdrehte und ganz automatisch in Richtung Kontrollraum aufschaute. Sie hatte ihn gespürt, noch ehe sie ihn sah, wusste, dass seine Augen sie studierten und krampfhaft versuchten, zu verstehen, was zuvor passiert war. Mit den Händen locker in den Hosentaschen stand er neben Sergeant Harriman, aber sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass die Lässigkeit seiner Haltung nur dazu diente, das Chaos in seinem Inneren zu verbergen. Ihr Blick fand den seinen und hielt ihn, doch die einst so wunderbare Gabe, nur anhand ihrer Augen miteinander zu kommunizieren, war verschwunden. Es war, als sprachen sie ganz plötzlich verschiedene Sprachen. Seine Züge waren von maskenhafter Starre und tiefe Furchen der Qual und Erschöpfung hatten sich in sein gutaussehendes Gesicht gegraben. Der Wunsch in ihr wuchs, sie mit ihren sanften Fingern zu vertreiben und beim Gedanken daran, dass dieser Traum niemals wahr werden würde, brannten die Tränen dieser unerfüllten Liebe umso schärfer in ihren Augen und ein bitterkalter Schauer kroch über ihre nackte Haut. Auf der Suche nach der verlorenen Wärme rieb sie sich ihre fröstelnden Oberarme und floh schließlich von Rastlosigkeit getrieben durch die massive Eingangstür in den vermeintlichen Schutz der weiten, grauen Gänge.


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    Die Türklingel läutete nun schon seit zwei Minuten unablässig, während Sam noch immer laut fluchend nach ihrem ständig verschollenen Schlüsselbund suchte und zur Tür rannte, nur um ihn dort unschuldig im Schloss hängend vorzufinden.

    „Sam Schätzchen, wo bleibst du denn?“, rief Janet zum fünften Mal, als ihre Freundin endlich öffnete und sie vollkommen abgehetzt ansah.

    „Entschuldige bitte“, hechelte sie und blickte fragend umher. „Wo ist Cassie? Kommt sie nicht mit?“

    „Nein, sie ist auf einem Schulausflug. Ich hatte noch keine Zeit, dir davon zu erzählen“, umarmte sie Sam liebevoll und drückte sie dann an ihren Armen von sich, um sie breit grinsend von oben bis unten zu mustern. „Du sieht einfach fantastisch aus … wenn auch etwas zu dürr für meinen Geschmack. Heute Abend wirst du mit meiner „All you can eat“ Diät anfangen, haben wir uns da verstanden?“

    „Sicher Mom“, murmelte Sam und wieder bohrte sich das schlechte Gewissen quer durch ihre Seele. Das Lügen lag ihr ganz und gar nicht und erst recht nicht bei einem Menschen, der es so wenig verdient hatte, belogen zu werden, wie ihre warmherzige, seelensgute beste Freundin. Hastig griff sie nach ihrer schwarzen Lederjacke, warf sie lässig über ihre Schulter und ließ die Haustür hinter sich ins Schloss fallen. Sie waren bereits spät dran, als Sam in Janets Auto stieg und dort einen üppigen Schokoladenkuchen auf den Schoss gestellt bekam, den sie ganz offensichtlich mit allergrößter Liebe für Daniel gebacken hatte.

    Mit der beginnenden Fahrt jedoch wurde ihre zuvor noch munter plaudernde Ärztin immer ruhiger und nachdenklicher. Irgendetwas schien sie zu beschäftigen, denn sie starrte seltsam abwesend auf die Straße und brabbelte dabei leise vor sich hin, so als trage sie eine überaus hitzige Diskussion mit sich selbst aus.

    „Na schön Janet, ich denke, das reicht dann! Was ist los?“, platzte es nach längerem Überlegen doch aus Sam heraus, aber die resolute Ärztin schwieg noch eine Weile beharrlich weiter und atmete ein paarmal tief und schwer ein, bevor sie es schlussendlich nicht mehr aushielt.

    „Sam …“, stammelte sie unsicher. „Ich weiß weder, ob es richtig ist, mich da einzumischen, noch ob ich diejenige sein sollte, die es dir sagt, aber du bist meine Freundin und ich kann dich nicht einfach so ins offene Messer laufen lassen. Bevor wir bei Daniel ankommen, solltest du möglicherweise etwas wissen ….“

    „Janet“, mahnte Sam ungeduldig, obwohl sie bei der Art, wie ihre Freundin mit sich kämpfte, grübelte, ob sie es überhaupt hören wollte.

    „Ich habe keine Ahnung, wo ich beginnen soll.“

    „Vielleicht am Anfang?“, bot sie an und rutschte nervös auf ihrem Sitz herum. „Janet bitte, du machst mich ganz verrückt. Ich beiße nicht, also raus damit. So schlimm kann es doch ….“

    „Es gibt eine neue Wissenschaftlerin im SGC“, fiel sie Sam unvermittelt ins Wort und versuchte es mit der Scheibchenmethode.

    „Oh“, entkam Sam ein ungewolltes Kichern. „Du hast recht Janet, das ist absolut weltbewegend.“

    „Ich glaube, das Lachen wird dir gleich vergehen“, zögerte sie kurz und begann von Neuem. „Diese Frau, also die Wissenschaftlerin … sie war auch mit auf der Mission! … Du weißt schon, die Naquadah Forschungsmission von SG 7, die Colonel O`Neill leitete, während du weg warst?“

    „Ähm … Ja! Und?“, sah sie Janet fragend an und das seltsames Gefühl einer bangen Vorahnung ließ alle ihre Nervenenden vibrieren.

    „Nun ja, die Gerüchteküche im SGC brodelt seit Tagen und … auch wenn Daniel es nicht klar und deutlich zugegeben hat ….“

    „Er hat sich wieder verliebt?“, warf Sam übereifrig ein und ein strahlendes Lächeln zog über ihre Lippen.

    „Nein, Sam, Nein!“, stöhnte die Ärztin laut auf. „Nicht Daniel ...! Ich rede von Colonel O`Neill! … Es heißt, er habe sie sogar schon für ein paar Tage mit in seine Hütte genommen.“

    Und plötzlich wurde es still, gespenstisch still. Nur das beständige Geräusch des leise vor sich hin brummenden Motors durchbrach den trügerischen Frieden.

    „Wie … schön“, rutschte ihr nüchtern, fast schon teilnahmslos heraus, während in ihrem Inneren ein gewaltiger Sturm aufzog und das Lächeln auf ihren Lippen gefror.

    Er hatte … eine Freundin?

    Das Wort und seine Bedeutung klemmte in ihrem Hals wie ein sperriger Felsbrocken. Sam versuchte zu schlucken, einmal, zweimal, dreimal, doch ihre Kehle war staubtrocken und sie glaubte jeden Moment zu ersticken. Das konnte … nein, das durfte einfach nicht wahr sein! Sollte sein umwerfendes, faszinierendes Lächeln, das sie jedes Mal fast dahinschmelzen ließ, nun nicht mehr für sie bestimmt sein?
    Es war, als tat sich der Boden unter ihren Füßen auf und offenbarte die lodernden Flammen der Hölle, die versuchten sie in ihre Tiefen zu ziehen und sie mit Haut und Haaren zu verschlingen, um ihr gerade in Milliarden kleine Teile zerberstendes Herz darin zu verbrennen. Nie in ihrem Leben hatten Worte je so unerträglich wehgetan, wie diese. Wieder und wieder hallten sie in ihrem Kopf, bis sich alles um sie im Kreis drehte. Ihr Puls raste und jeder klare Gedanke verabschiedete sich ins Nirwana. Der Tag, vor dem sie sich seit Jahren gefürchtet hatte, war also wirklich gekommen. Sie schnappte nach Luft und starrte wie tot auf ihre Hände, die zitternd auf ihrem Schoss lagen. Nun saß sie endgültig vor dem Scherbenhaufen ihres Lebens. Gab es noch irgendeinen Grund, der sie hier hielt? Die Vorstellung, schon morgen in einem Teltak zu sitzen, das sie weit, weit wegbringen würde von diesem Ort und dem Schmerz, war der einzige Trost, der sie jetzt nicht vollständig den Verstand verlieren ließ.

    „Er wird sie heute Abend mitbringen“, flüsterte Janet und schmiegte dabei ihre Hand um die eiskalten Finger ihrer Freundin, doch es kam keinerlei Reaktion.

    „Sam, bitte sag doch was“, bettelte sie. „Gott, es tu mir wirklich so leid, aber ich … ich musste es dir einfach sagen.“

    Doch die Frau neben ihr befand sich noch immer in einem Schockzustand, dem kein Wort des Trostes hätte gerecht werden können. Janet hatte immer geahnt, welch intime, innige Gefühle für ihren kommandierenden Offizier in ihrer Freundin schlummerten und von vornherein dazu verdammt waren, ein leidvolles Dasein in den dunklen Tiefen ihres Herzens zu fristen. Sam hatte es immer vehement geleugnet, aber das, was sie jetzt sah, riss selbst ihr eigenes Herz entzwei. Was musste wohl gerade in ihr vorgehen?

    Sam fühlte sich begraben unter den Trümmern ihrer falschen Hoffnungen, die all die Jahre über, weiter in ihr schwelten. Irgendwie hatte sie immer gehofft, ein Teil jener verbotenen Gefühle für sie, lebte noch irgendwo in ihm, aber nun schien es, als waren sie weder Freunde, noch Liebende und schon bald auch keine Kollegen mehr. Sie hatte wahrlich kein Recht, ihm irgendetwas vorzuwerfen, dennoch fühlte sie sich schon das zweite Mal an diesem Tag von ihm verraten. War das etwa seine Strafe für ihre Zurückweisung?
    In diesem Augenblick zog sie es in Erwägung, Janet zu bitten, sie wieder nach Hause zu bringen, um auch ihren letzten Abend auf der Erde in süßer Ahnungslosigkeit zu verbringen. Wie zur Hölle sollte sie ihm nur gegenübertreten und ertragen, ihn in den Armen einer anderen Frau zu sehen? Ausgerechnet eine Wissenschaftlerin!
    Sie musste! Es war Daniels Einweihungsparty, das neue Haus, über das er sich nach seiner Rückkehr sosehr gefreut hatte.

    „Ich könnte ihnen erzählen, dass es dir nicht gut ging und du nicht mitkommen konntest. Ich bin sicher, Daniel würde es verstehen“, bot die hilflose Ärztin inzwischen völlig verzweifelt an.

    „Nein Janet! Es geht mir gut! … Warum sollte es mir auch nicht gut gehen?“ Tränen drohten ihr die Stimme zu rauben, doch sie kämpfte um jedes Wort. Sie würde genau der taffe Major sein, den alle von ihr erwarteten … so wie immer. Jemand wie sie weinte nicht und er würde sie verdammt nochmal nicht brechen! „Colonel O`Neill kann tun und lassen, was er will, Janet. Sein Privatleben geht mich rein gar nichts an. Es ist mir völlig egal, mit wem er sein Bett teilt, hast du mich verstanden?“

    „Bitte Sam, ich bin deine Freundin. Du musst mir nicht länger etwas vormachen!“
    „Ich sagte NEIN Janet“, versuchte sie hartnäckig ihr aufkommendes Schluchzen zu unterdrücken. „Und jetzt will ich davon nichts mehr hören!“

    Sie war nicht die verletzliche Frau! Nein! Sie war stark.
    `Du kannst damit umgehen, Sam. Du hast es schon einmal geschafft, und du wirst es wieder schaffen´ wiederholte sie die Worte immer und immer wieder wie ein Mantra. Mit einem stur ins Gesicht gehefteten Ausdruck wusste sie, nichts konnte ihr gerade zurückerlangtes Selbstbewusstsein erschüttern und sie akzeptierte die Herausforderung, die sie schon viel zu lang vor sich hergeschoben hatte als ihre erste Aufgabe auf dem Weg zu sich selbst. Es war Zeit, einen der Dämonen zu besiegen, die sie nachts nicht schlafen ließen. Ein für alle Mal!

    Sam hörte noch das missmutige Seufzen ihrer besten Freundin, die im Grunde genommen nur helfen wollte, aber sie konnte und wollte diese Hilfe jetzt nicht annehmen. Gedankenverloren fiel ihr Blick aus dem Fenster hinauf zu den Wolken, wo ein herrliches Gemisch aus strahlendem Blau und blendendem Weiß an ihren Augen vorüberzog und sich kunstvoll zu einer nebligen Masse vermischte, die ihre Gedanken schnell abdriften ließ….



    Wärme umgab sie, als sich der Dunst um sie auflöste.
    Ihre Zehenspitzen bohrten sich zaghaft in den warmen, weichen Sand, der ihre zarte Haut liebkoste. Eine sanfte Brise wehte durch die langen, goldblonden Strähnen, die sich spielerisch um ihren Nacken schmiegten und ihren Hals küssten. Ein Kribbeln fuhr über ihren Rücken, fand seinen Weg bis tief in ihr Inneres und flutete all ihre Sinne mit Frieden und Geborgenheit. Schmetterlinge flatterten wild in ihrem Bauch umher, weckten neue, faszinierende Gefühle. Das federleichte, seidig weiche Material ihres Kleides tanzte mit jedem Windhauch in leisen Wellen um die geschmeidige Haut ihrer Hüften und sandte unaufhörlich leichte Schauer durch ihren ganzen Körper. Sie fühlte sich, als schwebte sie in der Sicherheit seiner starken, schützenden Arme, die sich zärtlich um sie schlangen und an seine Brust zogen. Sein fordernder Griff um sie festigte sich und sie gab sich dem märchenhaften Gedanken hin, schon bald voll und ganz die Seine zu sein. Sie schloss ihre Augen, ließ los und verlor sich in ihm, seiner allumfassenden Gegenwart, seiner Liebe, seinen Berührungen. Sie war die Auserwählte, behütet in seiner Umarmung erwartete sie ihr Schicksal, wenn die Dunkelheit sich über sie legte und sie endlich Körper und Seele miteinander teilten.

    Von Weitem erklang die schwermütige Melodie der Lauten und Harfen, die ihr der leise Gesang des Wüstenwindes entgegentrug. Der betörende Tanz der Almeh zog die Menschen in freudiger Erwartung der Heiligen Hochzeit unter die Palmen am Ufer des großen Flusses. Ihre verführerischen, fließenden Bewegungen erweckten schlafende Sehnsüchte in der flirrenden Mittagshitze und hinterließen die Stadt in heller Aufregung. Schwerelos in ihrer Unwissenheit treibend ahnte sie nicht, was sie erwartete … wer schon solange auf sie lauerte ….

    Wie ein Geist aus tiefster Dunkelheit überfiel sie der unerträgliche, höllische Schmerz und mit ihm die Panik. Ohrenbetäubende Schreie drangen aus ihrer Kehle und schleuderten sie mit voller Wucht aus der Geborgenheit des Himmels in die ewige Hölle, bis sie in der tödlichen Stille erloschen, die sich über sie legte. Lähmende Angst zerfleischte ihren Verstand und drängte die letzten Überreste in die Finsternis ihrer Gedanken, als eine fremde Macht Besitz von ihr nahm. Ihr Körper war abgeschnitten von ihrem Willen, nichts unterlag noch ihrer eigenen Kontrolle. Ihr Flehen erstarb in der schrecklichen Gewissheit, verloren zu sein und die abscheulichen Bilder ihrer Gräueltaten überschwemmten ihre weinende Seele. Sie war eine Gefangene in ihrem eigenen Körper, hilflos, machtlos … besessen von IHR.

    `Ab jetzt gehörst du mir … mir allein!´, flüsterte eine gnadenlos düstere Stimme in ihrem Kopf, aber ihre angstvollen Schreie blieben für immer ungehört.

    `Lass mich gehen ... NEEEEEIN …!´




    Mit einem markerschütternden Schrei fuhr Sam hoch, ihre Armen wild um sich schlagend. Janet zuckte erschrocken zusammen und riss vor Schreck beinah das Lenkrad zur Seite. Gerade eben noch glaubte sie, ihre Freundin war dem akuten Schlafmangel und der Erschöpfung der letzten Wochen erlegen, so ruhig hatte ihr Kopf an der Fensterscheibe gelehnt.

    „Sam um Himmels Willen, was ist los mit dir?“, schrie die panische Ärztin mit weit aufgerissenen Augen und packte Sam am Oberarm, schüttelte sie und versuchte sie so irgendwie dem Zustand zu entreißen, der sie gerade gefangen hielt, aber ganz gleich, was Janet tat, Sam wehrte sich mit Leibeskräften, so als hielte sie sie für einen Angreifer.

    „Verdammt Sam, ich flehe dich an, wach auf“, brüllte sie erneut und zitterte am ganzen Körper, die ersten Tränen sammelten sich in ihren Augen. „Du machst mir Angst.“

    Doch anstatt dass sich ihre Beifahrerin beruhigte, wurde sie nun von wesentlich derberen Krämpfen geschüttelt. Es grenzte fast an ein Wunder, dass Janet ihr Auto irgendwie auf der Straße halten konnte und sie noch nicht im Straßengraben lagen. Geistesgegenwärtig steuerte sie den Wagen auf den Seitenstreifen, trat auf die Bremse und würgte den Motor ab.

    „Saaaam“, schlang sie brüllend ihre Arme um die krampfende junge Frau und Janet hatte keine Ahnung, woher sie die fast unmenschliche Kraft holte, ihre weitaus stärkere Freundin so fest an sich zu pressen, dass ihr beinah die Luft wegblieb. Ganz allmählich entspannte sich Sam in der Umarmung und ihre Lider schossen in die Höhe. Völlig verwirrt trafen sich ihre Blicke.

    „Gott Sam“, keuchte sie atemlos. „Verstehst du mich? … Ich bin es Janet.“

    Sam nickte, während ihr Atem raste, als hatte sie einen Marathonlauf hinter sich und die sonst so abgebrühte Ärztin befürchtete, sie könnte jeden Moment hyperventilieren. „Ruhig Schätzchen, atme, ruhig, ganz ruhig“, redete sie mit Engelsgeduld unentwegt auf sie ein. Nach und nach normalisierte sich Sams Zustand und die Erkenntnis dessen, was gerade vorgefallen war, traf sie wie ein Schlag. Sie wusste nicht, was schlimmer war: Die Übelkeit, die in ihr aufstieg oder die Erinnerungen an das Grauen, das sie selbst schon einmal am eigenen Leib erfahren hatte. Sie kannte das Gefühl im eigenen Körper gefangen zu sein, wie ein hilfloser Beobachter zuschauen zu müssen, was mit einem selbst geschah. Wessen Gefühle hatte sie soeben gespürt? Es waren weder Jolinars, noch ihre eigenen, auch wenn es sich zuerst so angefühlt hatte. Nur eine Vermutung lag nahe und die ängstigte sie zu Tode.

    „Es tut mir so leid, Janet. Ich wollte dir keine Angst machen“, entschuldigte sie sich instinktiv, als sie den erwartungsvollen Blick ihrer besten Freundin auf sich gerichtet spürte. Sie erwartete eine Erklärung und dicke Schweißperlen liefen ungehindert über Sams Wangen nach unten. „Mach dir keine Sorgen. Wirklich, das war nur ein Traum … nichts weiter.“

    „Ein Traum, Sam?“, zischte sie ungewollt barsch zurück und schüttelte ihren Kopf. „Das war kein Traum! Das war verdammt real! Ich hab´ mir fast in die Hosen gepinkelt. Morgen Vormittag Punkt elf wirst du in meinem Büro stehen und wir werden den längst überfälligen Rundumcheck machen!“

    „Aber Janet“, begann Sam zu protestieren, doch wenn in ihr erst einmal die gewissenhafte Ärztin erwachte, war sie wie ein Bulldozer, den keiner mehr aufhalten konnte.

    „Nichts Aber, mein Fräulein“, griff sie mit voller Strenge durch. „Ich habe viel zu lang beide Augen zugedrückt, habe stillschweigend zugesehen, wie du deinen Körper und deine Seele vergewaltigst. Ab heute ist Schluss damit oder ich sorge dafür, dass du den Torraum in den nächsten Wochen nur noch auf Fotos bewundern kannst. Haben wir uns verstanden?“

    Sam wusste, dass jegliche Widerrede zwecklos war, aber im Grunde war es auch völlig egal, denn sie würde den Torraum ohnehin so schnell nicht wiedersehen, wenn sie ihn denn überhaupt jemals wiedersehen würde, also spielte sie für den Moment einfach mit.

    „Na schön, ich werde da sein. Ich habe ja ohnehin keine Wahl!“, erwiderte sie gespielt einsichtig, aber in vollem Bewusstsein, dass sie nicht gedachte, dieses Versprechen auch tatsächlich einzuhalten. Wann in aller Welt hatte sie nur gelernt, so gnadenlos zu lügen und ihr Gewissen einfach auszuschalten?


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    Es hatte Sam alles abverlangt ihre Freundin während der restlichen Fahrt davon zu überzeugen, dass es ihr nach dem vermeintlichen Albtraum wieder gut genug ging, um Daniels Party zu überstehen. Dennoch machte sie sich keine Illusionen. Die aufmerksame Ärztin würde sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den ganzen Abend keine Sekunde lang aus den Augen lassen. Schon die Vorstellung, irgendjemand, ganz gleich wer, könnte Zeuge sein, wie ihr Herz einen qualvollen Tod starb, war entwürdigend. Alles, was sie jetzt womöglich noch retten konnte, war ihr zweitklassiges, schauspielerisches Talent.

    Die Party war bereits in vollem Gange, als sie dort ankamen und Sam war mehr als erleichtert, zu sehen, dass sich ihr kommandierender Offizier noch nicht unter den anwesenden Gästen befand, auch wenn sie wusste, dass die Realität sie sicher bald einholen würde. Schon vom ersten Moment an, in dem sie Daniels Wohnzimmer betrat, hatte sie den Eindruck, alle hielten sie für die interessante Person auf Erden und sie spürte sofort die neugierigen Blicke des halben SGC Personals auf ihr ruhen. Das geschäftiges Treiben in dem weitläufigen Raum nahm bei jedem Neuankömmling zu und sie hoffte, sie würde irgendwann einfach in der Menge untergehen.

    Daniels neue Bleibe, ein verträumtes Vorstadthäuschen in einer ruhigen Wohngegend, glich, genau wie seine damals wesentlich kleinere Wohnung, einer faszinierenden Reise durch die Geschichte. Jeder noch so kleine Fleck, jeder Winkel, jede Ecke, alles war gefüllt mit den verschiedensten Artefakten, die er von seinen zahlreichen Reisen mitgebracht hatte. Für Sam war es jedes Mal wie Streifzug von einem Teil der Welt zum anderen, von einem Jahrhundert ins nächste. In der einen Ecke des Raumes glaubte man sich im alten Ägypten inmitten einer riesigen Pyramide und nur ein paar Schritte weiter, hatte man das Gefühl, man säße an den ausladenden Ufern des Amazonas und lauschte dem Gesang der Ureinwohner. Sam mochte seine Art zu leben, bewunderte ihn für die Begeisterung, die er für die kleinesten Dinge aufbringen konnte wie in Kind, das jeden Tag die Welt ein stückweit neu entdeckte. Er war wie ein Bruder, war der menschlichste, mitfühlendste, oft viel zu selbstloseste Teil des gesamten Teams. Mit jedem Jahr, das sie zusammen verbracht hatten, war das anfangs zwarte Pflänzchen der Freundschaft zu einem stattlichen Baum mit hunderten von wundervollen Verzweigungen herangereift.

    Als hatte er ihre Gedanken gespürt, traf sie sein Blick und ein verträumtes Lächeln, huschte über Sams Lippen, bevor sie ihm entgegenliefen.

    „Sam, Janet“, begrüßte er jede der beiden Frauen mit einem schüchternen Kuss auf die Wange, aber Sam ließ es sich nicht nehmen, ihn umso liebevoller zu umarmen.

    „Es ist einfach … grandios“, flüsterte sie ihm ins Ohr und lachte dabei verschmitzt. „Du musst mir unbedingt den Namen deines Innenausstatters verraten.“

    „Uhh.“ Daniel schnaufte laut und entließ sie aus seinen Armen. „Ich weiß nicht, ob du dir den leisten kannst, aber womöglich käme er ganz ohne Bezahlung, wenn du deine Freundin davon überzeugen könntest, mir ein Stück dieses köstlich aussehenden Schokoladenkuchens zu überlassen, bevor Jack kommt und ihn mir vor der Nase wegschnappt.“, rutschte ihm leichtfertig heraus. Ein unterdrücktes Husten entkam Sam und er bemerkte ihr spontanes Unbehagen. Die Art, wie sie seinen Blick mied, ließ einen leisen Verdacht in ihm aufkeimen.

    „Dürfte ich dir unsere liebe Janet vielleicht einen Moment in die Küche entführen? Ich hätte da bloß ein paar Fragen wegen des Caterings“, bat er Sam und packte die verdutzte Ärztin ohne auf eine Antwort zu warten am Arm, um sie reichlich unsanft durch seine nagelneue, hölzerne Schwingtür in die Küche zu befördern.

    „Hast du ihr irgendwas gesagt, Janet?“

    „Ja hab´ ich! Was hast du denn gedacht? Sie ist meine Freundin! Sollte ich sie allen Ernstes geradewegs in die Falle laufen lassen?“, fuhr sie ihn an und verschränkte ihre Arme schützend vor der Brust. „Dir ist schon klar, dass sich fast das gesamte SGC hier versammelt hat? Du musstest nicht mit ansehen, wie mitleidig sie alle angestarrt haben, als wir gekommen sind und wäre es nicht um deinetwegen, säße sie jetzt hundertprozentig wieder Zuhause auf ihrem Sofa.“

    „Es tut mir leid, Janet“, gestand er reumütig ein. „Ich hätte dich nicht anschreien sollen. Natürlich hast du Recht, aber irgendwie hatte ich noch die Hoffnung, dass Jack es ihr persönlich sagen würde, aber dafür ist es jetzt ohnehin viel zu spät.“ Daniel hob seine Brille an, um sich nachdenklich über den Nasenrücken zu reiben. „Glaubst du wirklich, sie kann das durchstehen? Ich meine, sie benehmen sind wie frischverliebte Teenager und selbst für mich ist es kaum zu ertragen, ihnen zuzusehen.“

    „Du kennst sie doch, oder?“, zuckte Janet mit den Schultern. „Sie gibt mal wieder die gefühllose Superwoman, immer schön nach dem Motto: Lass bloß Niemanden auch nur einen Funken Schwäche sehen! Alles nur Fassade, aber das weißt du ja sicher selbst!“

    Das Läuten der Türklingel riss beide schlagartig aus ihrem Gespräch und sie starrten sich kurz an.

    „Ich gehe dann wohl mal besser zu Sam, falls es der Colonel ist“, stürmte sie sie wie besessen an Daniel vorbei zurück ins Wohnzimmer, wo ein einziger Blick auf Sams versteinerte Figur genügte, um ihre Befürchtung zu bestätigten. Ihre Augen schienen jedes einzelne Brett des Fußbodens mit größter Sorgfalt zu inspizieren und Janet glaubte fast, als suche sie dort verbissen nach dem Loch, in das sie noch in allerletzter Minute hätte springen können, doch da war nichts. Nichts, was sie jetzt noch vor der Schmach seines Verrats hätte retten können. Das zuvor so angeregte Gemurmel der Gäste wurde leiser, irgendwo klirrte ein Löffel in der Kaffeetasse, die mit einem leisen Scheppern abgesetzt wurde und das Kratzen eines Stuhlbeines auf dem frisch eingelassenen Holzboden durchbrach die plötzliche Ruhe.
    Wie ein hilfloses, auf einer offenen Lichtung den Gnadenschuss erwartendes Reh, stand sie inmitten des Raumes und die Menge um sie herum trat instinktiv beiseite, so als wollte ihr niemand den Blick auf das ausgelassen miteinander kichernde Paar versperren, das gerade durch den Flur ins Wohnzimmer schlenderte und direkt auf sie zuhielt.
    Sam hatte keine Wahl, wenn sie nicht vor dem versammelten SGC ihr Gesicht verlieren wollte, also nahm sie all ihren Mut zusammen, hielt ihren Atem an … und schaute zu ihm auf.

    Ihre Blicke prallten aufeinander wie zwei Himmelkörper. Alles schien still zu stehen. Für den Bruchteil einer Sekunde verlor sie sich im lebendigen Braun seiner Augen, die ihr so viel mitzuteilen versuchten und es dennoch nicht schafften. Der Moment war wie ein Meer aus Zeit und ließ sie aus der ungeliebten Wirklichkeit flüchten … ließ sie vergessen, dass er längst losgelassen hatte, woran sie sich noch immer festklammerte. Es war, als verblasste die Welt ringsherum, als existierten nur noch sie und er … und …

    „Ich vermute, sie sind dann wohl die weltberühmte Major Carter?“

    … Sie! Eine weibliche Stimme mit leicht französischen Akzent und einem dezenten Hauch von Arroganz katapultierte sie wieder zurück in die bittere Realität. Sam schluckte schwer, als sie mit ansehen musste, wie die Frau neben ihm seine Hand nahm, zärtlich ihre Finger mit den seinen verschlang und mit einem eiskalten Funkeln in ihren Augen ganz deutlich klarstellte, zu wem Jack O`Neill von nun an gehörte ….

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    Glossar:
    Almeh = Tänzer
    Zikkurat = Tempelturm in Mesopotamien

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    Alles lief wie in Zeitlupe ab, als Sam mit glühenden Wangen und dem dringenden Gefühl im Erdboden versinken zu wollen bemerkte, dass sie ihr Gegenüber schamlos anstarrte. Instinktiv ergriff Sie die zierliche Hand, die ihr entgegengehalten wurde, nickte wie in Trance und versuchte ihren Blick von der jüngeren Frau an der Seite ihres Vorgesetzten abzuwenden, aber es gelang ihr einfach nicht. Der feine Stoff ihres Kleides zeichnete jede Linie ihres makellosen Körpers nach, betonte ihre langen, schier endlos wirkenden schlanken Beine und jede zarte weibliche Rundung an den passenden Stellen. Mit ihrem schulterlangen, braunen Haar, das sich in leichten Wellen um ihre schmalen Wangen schlängelte, den großen, leuchtend blauen Augen, der reinen Haut ihres engelgleichen Gesichtes und den vollen, glutroten Lippen war sie zweifellos eine Schönheit, die ihresgleichen suchte.

    „Es ist mir eine Ehre, sie endlich persönlich kennenzulernen, nachdem Jack mir schon so viel von ihnen erzählt hat“, schüttelte die Frau übertrieben freundlich ihre Hand.

    „Die Freude ist ganz meinerseits“, zwang sich Sam irgendwie heraus, so als müsste sie gleich an ihrer offenkundigen Lüge ersticken. Nein, es war keine Freude, es war ein Albtraum, ein einziger, schrecklicher, nicht enden wollender Albtraum. „Und mit wem habe ich die Ehre, wenn ich fragen darf?“

    „Oh natürlich, entschuldigen sie bitte, Sam … ich darf doch Sam zu ihnen sagen, oder? Jack nennt sie immer Carter. Ich weiß, sie sind nur seine Kollegin, aber trotzdem ist das so schrecklich unpersönlich, finden sie nicht auch? Ich bin Dr. Julie Denaux, die neue leitende Geologin und die Frau, die es glücklicherweise geschafft hat, Jacks Herz trotz seiner Abneigung dennoch für die Vorzüge einer Wissenschaftlerin zu begeistern, nicht wahr Jack?“ Erwartungsvoll strahlte sie den Mann neben sich an, hauchte ihm einen zarten Kuss auf seine Wange, während er sichtlich angestrengt versuchte dem zunehmend angewiderten Blick seiner 2IC zu entgehen, indem er der Frau an seiner Seite lächelnd zunickte. Tausend Fragen schossen durch Sams Kopf. Hasste er sie wirklich sosehr, dass er sie dieser emotionalen Folter und der Schmach auf so erniedrigende Art und Weise aussetzen musste? War es tatsächlich notwendig, sie vor all ihren Kollegen und Freunden derart bloßzustellen? Diese Frau mit ihrem Unschuldslächeln verstand es bestens, jede einzelne oberflächlich verheilte Wunde, die diese jahrelang unausgesprochene Vereinbarung mit dem Colonel in ihr verursacht hatte, binnen Sekunden mit äußerster Brutalität wieder aufzureißen.

    „Wie schön. Das freut mich … für sie“, murmelte Sam und musste ihre Zähne zusammenbeißen, um die in ihr ungehindert aufsteigende Wut auf ihn irgendwie zu überspielen. Sein ganzes Verhalten, egal ob hier oder während der Besprechung, wirkte wie ein einziger Rundumschlag, der sie in jeder erdenklichen Art treffen sollte. Und es traf! Mitten ins Herz. Oder besser gesagt dem, was noch davon übrig war. Die Flammen der Eifersucht wüteten so erbarmungslos in ihrem Körper, dass jeder, der sie jetzt berühren würde, unweigerlich fürchten musste, sich an ihr die Finger zu verbrennen.

    „Sir“, schweifte Sams Blick zurück zu dem Mann, der nun all seinen Mut zusammennahm, sie anzusehen.

    „Carter“, erwiderte er ganz automatisch. Dunkle Schatten huschten über sein Gesicht und Sam wusste nicht, was sie in seinen leeren, fast schon ausdruckslosen Augen las. Mitleid? Schmerz? … Reue? Vermutlich war es nur das, was sich ihr gebrochenes Herz einzureden versuchte. Die Fähigkeit in ihm wie in einem offenen Buch zu lesen, war mit dem Moment verwunden, als er sie eiskalt verraten hatte.

    Julie hingegen schien ein deutliches Gespür dafür zu haben, wann es an der Zeit war, die nächste Runde einzuläuten und Sam ahnte, dass dieser Abend ein einziger Spießrutenlauf werden würde. Alles, was sie wollte, war Abstand, am liebsten sofort, am liebsten mehrere Millionen Lichtjahre von diesem Ort, diesem Leben und dem Weg, der längst nicht mehr ihrer war.

    „Sie haben ja keine Ahnung, Sam“, dröhnte die Stimme der attraktiven Geologin förmlich in ihren Ohren und verursachte so langsam Kopfschmerzen. „Seit zwei Wochen höre ich nun schon die unglaublichsten Geschichten über sie und ich dachte schon sie ….“

    „Sam, da bist du ja“, erklang endlich die Stimme der Erlösung in Form ihrer besten Freundin, die gerade noch rechtzeitig als Retterin in der Not hinter ihr auftauchte und sich bei ihr einhakte, bevor sich Sams randvoll aufgestaute Wut in einer Explosion epischen Ausmaßes entladen würde. Ein leichter, aber spürbar ironischer Unterton schlich sich in Janets Worte und trieb Sam ein breites Grinsen ins Gesicht. „Colonel, Miss Denaux. Es tut mir wirklich furchtbar leid, ihnen Sam entführen zu müssen, aber wir haben Daniel versprochen, ihm in der Küche zur Hand zu gehen, nicht wahr Schätzchen?“

    „Oh mein Gott ja, das hätte ich doch fast vergessen. Ich würde mich wirklich gern noch länger mit ihnen unterhalten, aber wie sie sehen … die Pflicht ruft! … Sir, Miss De … nim“, hob Sam entschuldigend ihre Hände, bediente sich dabei eiskalt in der untersten Schublade der beliebten Wortspielereien ihres Vorgesetzten und zwang sich ein letztes Mal seinen verzweifelt nach Vergebung suchenden Blick zu erwidern, aber sie brachte es einfach nicht fertig, ihm das versöhnliche Lächeln zu schenken, das er sich von ihr zu erhoffen schien.

    „Denaux“, korrigierte sie die junge Frau leicht verschnupft, während ihre Augen misstrauisch zwischen ihr und Jack hin- und herwanderten. Sie schien sich durchaus darüber bewusst, was gerade vor sich ging, doch Janet zog Sam so hastig in Richtung Küchentür, dass es erst gar nicht zu einer Diskussion kommen konnte, bei der womöglich ein Wort das andere gegeben hätte und Daniels Party zu einem Kleinkrieg hätte ausarten lassen.

    Laut vor sich hin grummelnd schob Janet ihre geistesabwesende Freundin weiter durch die Menschenmenge in die Küche. „Ich schwöre, für diese Aktion endet sein nächstes Treffen mit mir in einer ganzen Armada Nadeln in seinem gottverdammten Hintern. Es tut mir so leid, dass du das solange ertragen musstest, Sam. Ich wollte schon längst bei dir sein, aber Colonel Reynolds hat mich aufgehalten und mit tausend Fragen wegen seines gebrochenen Handgelenks gelöchert. Wenn Daniel nicht gekommen wäre, um ihn abzulenken …“, begann die kleine Ärztin sofort zu erklären, während sich die Schwingtüren gemächlich hinter ihr einpendelten.

    „Schon gut, Janet. Ich habe dir gesagt, es ist vollkommen in Ordnung, also ist es auch vollkommen in Ordnung“, schwor Sam mit beharrlicher Sturheit und schnappte sich die einsame Flasche Whiskey, die auf Daniels Küchentisch bereits danach lechzte, von ihr geöffnet zu werden. Sie trank gewöhnlich nie, jedenfalls nicht mit der Absicht in einen Rausch zu fliehen, der sie vor der Wirklichkeit bewahrte. Vor Janets entsetzten Augen leerte sie das erste Glas in einem Zug, nur um sich in Sekundenschnelle nachzuschenken, auch das Zweite hinunterzukippen, als handle es sich lediglich um Wasser und dann sofort erneut anzusetzen.

    „Hey, hey Schätzchen, ich denke das reicht dann“, riss ihr Janet beherzt die Flasche aus der Hand. „Das bist nicht du … sich sinnlos betrinken!“

    „Hm, hm,“, lachte Sam bitter auf und versuchte ihren flüssigen Seelentröster mit einem unkoordinierten Handgriff zurückzuerobern, doch sie hätte wissen müssen, dass sie ihrer energischen Freundin in ihrem jetzigen Zustand rein gar nichts entgegen zu setzen hatte. Notgedrungen gab sich Sam geschlagen, ließ sich auf einen der Stühle fallen, die charakteristisch für Daniel in Reih und Glied um den Tisch gestellt waren und rieb sich ihre pochenden Schläfen. „Wer weiß schon, wer ich wirklich bin … wenn ich es doch selbst nicht mehr weiß.“

    „Sam, bitte“, kniete sich Janet vor sie und bedeckte liebevoll ihre auf dem Schoß ruhenden Hände. „Selbst, wenn du es noch so vehement abstreitest, ich weiß, dass es dir wehtut, ihn mit einer anderen Frau zu sehen, aber so langsam glaube ich wirklich, dass das noch nicht alles ist. Ich sollte dich nach Hause fahren und wir reden in Ruhe ….“

    „Wer will hier schon nach Hause fahren?“, öffnete sich hinter ihnen die Tür und das Gemisch aus lautem Gemurmel und sanfter musikalischer Untermalung drang durch den kleinen Spalt in die Küche.

    „Herrgott nochmal, hat man denn hier nirgends seine Ruhe“, stieß Sam grummelnd hervor und verdrehte dabei ihre Augen, doch Daniel hatte aufgrund der Lautstärke kein Wort verstanden. Zwar fragte er sich kurz, warum Janet dort vor seiner besten Freundin am Boden kauerte, aber er ließ sich dennoch nicht in seinem Vorhaben beirren, ihr noch irgendwie den Abend zu versüßen und zerrte sie am Arm nach oben, um sie vorbei an Janet zurück ins Wohnzimmer zu schubsen.

    „Wir beiden Hübschen werden jetzt tanzen und den zwei Turteltauben da drüben beweisen, dass wir das viel besser können“, schwang er Sam unerwartet temperamentvoll an seine Schulter und ließ eine verschmitzt lächelnde Dr. Fraiser zurück. Vollkommen gerührt von Daniels Versuch sie aufzumuntern, kicherte Sam ausgelassen in seinen Armen, während er ihr ein freches Grinsen nach dem anderen zuwarf. „Er soll ruhig sehen, was ihm entgeht.“

    Für einen Augenblick vergaß Sam sowohl die Mission und die damit verbundenen Konsequenzen, als auch Colonel O`Neill, der keine zwei Meter von ihr entfernt eng umschlungen mit Julie tanzte. Daniels herzhaftes Lachen hallte in ihren Ohren und erst in letzter Sekunde bemerkte sie, weshalb er so gekonnt versucht hatte, sie abzulenken, denn ganz plötzlich standen sie direkt neben dem neuen SGC Traumpaar, als die Musik verklang und einige Pärchen das Parkett verließen. Sams Blick schweifte hilflos zu Janet, die nur achselzuckend mit dem Kopf schüttelte. Was in aller Welt bezweckte ihr bester Freund damit, sie erneut in eine solch furchtbare Lage zu bringen, aus der sie erst vorhin mit Mühe und Not entkommen war?

    „Jack, mein Freund“, klopfte Daniel dem älteren Mann auf die Schulter und hielt Sam so fest an sich gepresst, dass jeder Versuch ihrerseits, sich unauffällig loszureißen, vermutlich in einer weiteren überaus peinlichen Situation gegipfelt hätte. „Man könnte meinen, du versuchst, mir den versprochenen Tanz mit dieser unglaublich attraktiven Frau vorzuenthalten. Hast du Angst, sie könnte doch noch merken, was für ein schlechter Tänzer du wirklich bist, wenn sie erst einmal den Vergleich mit mir hat?“

    Während Jack seltsam wortkarg blieb und die gewohnt schlagfertigen Kommentare erstaunlicherweise ausblieben, begann Sam innerlich zu kochen, denn was Daniel da vorhatte, war genau das, wovor sie sich am allermeisten fürchtete, doch sein Griff an ihrer Taille wurde nur noch fester, als er spürte, dass sie schon wieder versuchte zu flüchten. „Davonlaufen bringt nichts, Sam. Ihr beide werdet jetzt verdammt nochmal reden wie erwachsene Menschen.“, flüsterte er ihr ins Ohr, schob Sam unbemerkt in Richtung Jack und griff im gleichen Atemzug mit einem überdimensional breiten Grinsen im Gesicht nach der freien Hand der jungen Geologin, die völlig unvermittelt in seinen Armen landete.

    „Tut mir leid Jack, aber das ist mein Tanz“, verkündete der Archäologe sichtlich zufrieden mit seiner Leistung und überließ seine beiden Freunde ihrem Schicksal.

    Leise Musik drang aus den Lautsprechern, vermischte sich mit dem gedämpften Stimmengewirr und ein angespanntes Schweigen breitete sich zwischen den zwei Offizieren aus. Sam dachte nicht daran, ihn irgendeines Blickes zu würdigen. Alles, was sie beschäftigte, war die Frage, wie sie sich ohne großes Aufsehen zu erregen, möglichst unbeschadet aus dieser misslichen Lage befreien konnte. Ein sanftes spanisches Lied, dessen Stimmung so gar nicht zu der ihren passte, brachte all ihre wild durcheinander schwirrenden Gedanken und ihre aufbegehrenden Rachegelüste gegenüber Daniel schnell wieder zum Schweigen. Wie immer hatte er es nur gut gemeint ….

    „Tanzen, Carter?“, hielt Jack ihr seine Hand entgegen und der reumütige Ton in seiner Stimme brach ihren Widerstand.

    „Warum nicht … Sir“, sah sie zu ihm auf und begegnete seinen Augen, in denen ein Schmerz aufflackerte, als hätte man ihn körperlich verletzt. Schon die erste zarte Berührung seiner Finger zog sie unweigerlich in den gewohnten Rausch der jahrelang so erfolgreich unterdrückten Gefühle und weckte erneut das Verlangen nach all dem, was nun endgültig unerreichbar war. Dennoch waren sie wie zwei Magneten, die einander anzogen und es nicht verhindern konnten. Die Wärme seiner starken Arme nahm sie in Empfang und vereinte ihre Körper im Takt der Musik. Ihre Hand glitt zögerlich über seinen Arm hinauf zu seiner Schulter, immer darauf bedacht, die vor Jahren gezogenen Grenzen nicht zu überschreiten, während sich seine Finger mit ähnlich ehrfürchtiger Zurückhaltung um ihre Taille schmiegten und sie sanft, aber bestimmend an sich zogen. Eine gefühlte Ewigkeit wagte keiner von beiden, etwas zu sagen, doch Sam spürte, wie er verbissen versuchte, passende Worte zu finden und dabei immer wieder zu einem Erklärungsversuch ansetzte, der ihm einfach nicht gelingen wollte.

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    „Ich muss zugeben, er könnte tatsächlich Einiges von ihnen lernen, was das Tanzen betrifft Dr. Jackson, aber seine Stärken liegen einfach ganz woanders.“ Julies Blick, der zuvor noch fest auf ihren Tanzpartner gerichtet war, glitt zu den zwei im Takt der Musik schwelgenden Offiziere und sie bemühte sich redlich, ihr Missfallen über die spürbare Nähe zwischen Jack und seiner Kollegin weitestgehend im Zaum zu halten. Ihr äußerer Eindruck von der Astrophysikerin passte haargenau in das Bild, das ihre Fantasie bereits nach den ersten Erzählungen einiger SGC Mitarbeiter von ihr gezeichnet hatte - unnahbar, militärisch steif, von Ehrgeiz zerfressen und kalt wie ein Eisklotz. Natürlich gab es Gerüchte. Ziemlich eindeutige Gerüchte, die sich allesamt um das undurchsichtige Verhältnis zwischen Jack und seiner untergebenen Offizierin drehten, darum, wie sie es geschafft hatte in rasantem Tempo eine Bilderbuchkarriere hinzulegen, um die sie jeder beneidete. Aber als Frau war sie keine Konkurrenz. Ein Mann wie Jack war beileibe nicht ihre Kragenweite. Er brauchte Temperament und Leidenschaft, jemanden, der das Leben an seiner Seite zu genießen wusste, etwas das diese Frau ihm unmöglich geben konnte. Und dennoch beunruhigte sie diese unerwartete Vertrautheit, die beide auf eine seltsame und für sie absolut unerklärliche Weise zu verbinden schien. Die Art, wie sie miteinander umgingen, einander ansahen, sehnsüchtig und ängstlich zugleich, ließ eine unliebsame Vermutung in ihr reifen.

    „Sie drei stehen sich ziemlich nahe, nicht wahr?“, begann sie sich sachte heranzutasten, ohne gleich mit der Tür ins Haus zu fallen.

    „Vier!“, korrigierte Daniel sie mit einem leicht verwirrten Gesichtsausdruck. „Da ist auch noch Teal´c! Hat Jack ihnen etwa unseren Außerirdischen verschwiegen?“

    „Nein, natürlich nicht, aber ich hatte leider noch nicht das Vergnügen ….“

    „Nun, dann haben sie definitiv etwas verpasst“, warf Daniel grinsend ein, als er an seinen unglücklicherweise durch Abwesenheit glänzenden Freund dachte. „Er wird schon morgen aus Chulak zurückkehren und dann lernen sie ihn ganz sicher bald kennen.“

    „Aber Jack und Major Carter …“, holte sie ein weiteres Mal aus, „scheinen sich besonders nahe zu stehen.“ Daniel runzelte nur die Stirn und sah sie argwöhnisch an. Langsam ahnte er, worauf sie hinauswollte, was es war, das sie die ganze Zeit beschäftigte und sie immer wieder dazu veranlasste aus ihren Augenwinkeln zu beobachten, was sich auf der anderen Seite der Tanzfläche abspielte. Die nächste Frage ließ nicht lange auf sich warten.

    „Sagen sie Daniel … hatten die beiden … jemals … nun ja … sie wissen schon … eine Affäre?“, brach das Wort aus ihr heraus, vergebens bemüht ihrer Stimme das Unbehagen zu entziehen, das sich beim Anblick der zwei tanzenden Offiziere in ihr ausbreitete.

    „Sie sollten vorsichtig mit derartigen Andeutungen sein, Doktor. Die Air Force Regeln verbieten eine solche Beziehung“, erwiderte Daniel diplomatisch.

    „Das war nicht die Antwort auf meine Frage“, schüttelte sie im Gegenzug den Kopf.

    „Nein … hatten sie nicht!“

    „Tut mir leid Dr. Jackson, ich wollte wirklich nicht indiskret sein“, räusperte sie sich und versuchte es noch einmal. „Es ist nur … beide wirken so … wie soll ich sagen … so vertraut miteinander.“

    „Sehen sie Miss Denaux, das ist, was kein Außenstehender je begreifen wird. In unserem Job ist gegenseitiges Vertrauen genau das, was den Unterschied machen kann zwischen Überleben und Sterben. Sam hat Jack in Situationen gesehen und beigestanden, in denen die meisten anderen Menschen die Flucht ergriffen hätten. Umgekehrt gilt dasselbe. Uns alle verbindet etwas Einzigartiges, Unbeschreibliches, mehr als bloße Freundschaft. Etwas, das mit nichts zu vergleichen ist und tiefer geht als es eine intime Beziehung jemals könnte“, versuchte er ausgerechnet einer Frau zu erklären, deren Tiefgründigkeit einzig und allein in ihrem Ausschnitt zu finden war und er ahnte, dass sie deshalb niemals verstehen konnte, was sie alle verband. „Wir haben gemeinsam Dinge erlebt, die der menschliche Verstand nicht fassen kann. Das hat uns untrennbar zusammengeschweißt.“

    „Sicher“, grummelte sie leise vor sich hin und ein unangenehmes Gefühl von Eifersucht auf die Frau, die unter normalen Umständen keinerlei Gefahr für sie darstellte, bohrte sich wie ein vergifteter Pfeil mitten durch ihr Herz. Der Gedanke, das erste Mal nicht einschätzen zu können, mit was genau sie konkurrieren musste, jagte ihr eine Heidenangst ein und sie kam nicht umhin zuzugeben, dass Daniel mit einer Sache richtig lag. Sie wusste so gut wie nichts über das außergewöhnliche Verhältnis, in dem die vier Mitglieder von SG 1 zueinander standen, außer dem, was sie im SGC hier und da aufgeschnappt hatte. Die Frau, die tagtäglich Seite an Seite mit dem Mann arbeitete, der ihr Herz im Sturm erobert hatte, war genau wie er selbst eine lebende Legende, aber trotz dessen hatte Julie nicht eine Sekunde lang mit dem gerechnet, was sich gerade direkt vor ihren Augen abspielte.

    „Wenn ich ihnen einen gut gemeinten Rat geben darf, Doktor“, flüsterte ihr Daniel zu. „Sollten sie mit Jack wirklich etwas Längerfristiges planen, werden sie das …“, sein Blick schweifte unmissverständlich zu Sam und Jack. „…ganz einfach akzeptieren müssen.“

    Seine Worte hinterließen bei Julie das bedrückende Gefühl, ausgeschlossen zu sein, ein Gefühl, das ihr gewöhnlich völlig fremd war. Wie konnte eine Frau wie Major Carter, die ihr nicht ansatzweise das Wasser reichen konnte, eine Gefahr sein? Es war an der Zeit diesem Mauerblümchen in Militäruniform ein für alle Mal klarzumachen, dass sie bei Jack endgültig ausgedient hatte. Dieser in jederlei Hinsicht bemerkenswerte Mann gehörte ihr … und nur ihr allein.

    „Es war wirklich eine Freude, Daniel, aber nach all der Tanzerei meldet sich nun doch mein Magen. Ich würde dann sehr gern etwas essen“, nickte sie ihm mit einem gezwungenen Lächeln zu und schlängelte sich geradewegs durch die Menge, ihr Ziel ganz klar im Visier.

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    „Hören sie Carter … mir liegt wirklich sehr viel daran, dass sie verstehen, warum ich einfach keine andere Wahl hatte“, stöhnte Jack leise auf und seine Lippen berührten dabei unschuldig ihr Ohr. Wie hatte er ihren Duft vermisst, diese wunderbare Mischung aus Unschuld, Kraft und Güte, aber die Chemie zwischen ihnen war empfindlich gestört. Niemand konnte das jetzt noch abstreiten, nicht einmal er. Es fiel ihm sichtlich schwer, sich nichts von dem anmerken zu lassen, was seit der Besprechung in ihm schwelte, die Angst, sie könnte ihn, nach seiner Absage und der Art, wie er ihr Julie präsentiert hatte, bis in alle Ewigkeit hassen, machte die Ungewissheit nur noch unerträglicher.

    „Als ihr kommandierender Offizier ist es meine Aufgabe, die Risiken gegen den Nutzen abzuwägen. Sie wissen ganz genau, dass den Tok´ra ein Menschenleben nicht halb so viel wert ist, wie es sein sollte“, hielt er kurz inne, schluckte schwer und gab schließlich mit belegter Stimme zu: „Ich will sie einfach nicht verlieren, Carter.“

    Ohne es zu wollen verkrampfte sich Sam mit jedem Wort mehr, spürte ihr Herz immer schneller und härter gegen seine Brust klopfen, aber auch das seine schien vor Anspannung zu beben. Lange waren sie sich körperlich nicht mehr so nahegekommen wie in eben diesem Moment und waren einander dennoch emotional so fern. Die Verbitterung in ihr vermischte sich mit Wehmut und verrauchte allmählich in dem Bewusstsein, dass sie noch nie gut darin gewesen war, ihm lange böse zu sein und der Gedanke, die letzten Worte, die sie womöglich miteinander wechselten, könnten Worte des Zornes und der Wut sein, ließ die dicke Eisschicht um ihr Herz binnen Sekunden schmelzen.

    „Ich verstehe Sir, wirklich. Sie müssen ihre Entscheidungen nicht vor mir rechtfertigen …“, flüsterte sie bewegt, während ihr Kinn auf seiner Schulter ruhte und sie spürte, wie ihr warmer Atem eine Gänsehaut über seinen Nacken breitete. Sie hatten beide nicht mit unangebrachten Vorwürfen gespart, hatten einander verletzt und wehgetan, wo sie nur konnten, aber sie musste ihm zugutehalten, dass er es aus reiner Sorge und Pflichtgefühl getan hatte, ganz im Gegensatz zu ihr ….

    „Ich will es aber, Carter“, erwiderte er unnachgiebig. „Ich möchte nicht, dass sie denken, ich hätte den Glauben in sie und ihre Fähigkeiten verloren. Sie wissen, dass es Niemanden auf diesem Planeten … in der gesamten Galaxie gibt, dem ich mehr vertraue.“

    „Es ist wirklich in Ordnung, Colonel. Wir haben beide Fehler gemacht, die wir nicht mehr ändern können“, schob sie ihn sanft von sich, starrte hilflos, fast schon ängstlich zu Boden und wusste gerade selbst nicht, wovon sie eigentlich sprach. Die Mission? All die Jahre der Zurückweisung ihm gegenüber? Julie? Oder war es nicht vielmehr die Mischung aus allem? Die Dinge, nicht nur zwischen ihnen, waren schon viel zu lang außer Kontrolle geraten.

    „Sehen sie Major, die letzten Wochen und Monate waren nicht einfach … für uns alle. Womöglich habe ich in meinem Irrglauben, nichts und niemand könnte ihnen je etwas anhaben, vollkommen unterschätzt, wie nahe ihnen all das wirklich gegangen ist. Ich habe ihnen zu viel zugemutet und das tut mir leid. Tja … und dann kommen sie nach den zwei Wochen bei den Tok´ra wieder zurück, bitten mich, sie ohne das Team auf eine derart riskante Mission zu schicken und sind plötzlich … so … anders. Sagen sie mir, was ich denken soll“, bat er leise und sein aufrichtiger Versuch, sie zu verstehen, nagte an ihrem Gewissen. „Verdammt, Carter. Ich mache mir doch nur Sorgen um sie.“

    Sams Atem strich rau durch ihre Kehle und sie bemerke, wie das Blut in ihre Wangen schoss. Ihr Inneres zog sich vor Sehnsucht nach ihm zusammen. Sehnsucht nach der Verbundenheit, der Freundschaft. Wie waren sie nur in diese Sackgasse geraten? Er hatte ihr erneut die Hand gereicht. Warum nur, war sie einfach nicht in der Lage, sie zu ergreifen? Aus ihren Augenwinkeln nahm sie Julies argwöhnischen Blick wahr, der nun keinen Moment mehr von ihnen abließ, dabei misstrauisch beobachtete, wie er Sams Kinn anhob und sie mit sanften Druck zwang, ihn anzusehen. Seine Augen bettelten förmlich um eine Erklärung, um irgendein Zeichen, das sie ihm einfach nicht geben konnte, nicht jetzt … und vielleicht auch nie wieder. Sie spürte, wie die Dämme ihrer Beherrschung nach und nach in sich zusammenbrachen. Es war Rettung in allerletzter Sekunde, als Julie mit wilder Entschlossenheit auf sie zuhielt und rücksichtlos einforderte, was ihr gehörte.

    „Jack“, eroberte die junge Französin seine Hand, zog ihn besitzergreifend zu sich hinunter und hauchte ihm einen zärtlichen Kuss auf sie Wange. „Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich sterbe vor Hunger. Ich dachte mir, wir zwei könnten endlich gemeinsam das Buffet stürmen?“

    „Sicher doch, Jules“, formten seine Lippen ein schmales Lächeln, doch was sich in seinen Gesichtszügen abzeichnete, war alles andere als Zufriedenheit. Für ihn war dieses Gespräch noch lange nicht beendet, aber Sam hoffte inständig, es würde sich keine weitere Möglichkeit mehr dafür ergeben. Sie konnte ihn keinesfalls noch einmal in die Augen sehen, ihn ein weiteres Mal belügen und in Gedanken zählte sie bereits die verbliebenen Stunden, die es noch zu überwinden galt, bis sie endlich ihre langersehnte Reise antrat, die sie hoffentlich zurück zu sich selbst führen würde.

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    Die Küche wurde letztendlich zu ihrem Zufluchtsort, ein ziemlich angenehmer, wie sie zugeben musste. Es gab reichlich zu essen, noch viel mehr zu trinken, aber vor allem Ruhe vor den lästigen Blicken ihrer neugierigen Kollegen. Sam machte sich keinerlei Illusionen darüber, dass sie alle ihr Gespräch mit Colonel O`Neill beobachtet hatten, um am Montagmorgen auch mit den entsprechenden schmutzigen Details aufzuwarten und an irgendwelchen wilden Spekulationen in der Cafeteria teilzunehmen.

    Der Spüldienst war eine dankbare Aufgabe, die ihr nur deshalb zuteilwurde, weil Daniels neue Spülmaschine selbst nach über drei Wochen nicht eingetroffen war und auch sein Repertoire an Geschirr noch immer stark zu wünschen übrigließ.
    Janet wiederum hatte es sich zur Pflicht gemacht, ihr alle zehn Minuten einen Kontrollbesuch abzustatten und dabei auch jedes Mal sorgfältig den Bestand an alkoholischen Getränke zu überprüfen und Sam wartete nur darauf, dass sie irgendwann auch den Inhalt der Flaschen penibel genau messen würde, nur um sicherzustellen, dass sie sich nicht heimlich daran bediente. Gut, dass ihre beste Freundin keine Ahnung von der Flasche des vorzüglichen alten Rotweines hatte, die sie im Schrank hinter den Putzmitteln versteckt hielt und die ihr seit einer halben Stunde den Abend erträglicher machte.

    Doch auch Daniel war wie ein Schatten in der Nacht, blinzelte hier und da durch die Tür und versuchte von Zeit zu Zeit sein Glück damit, sie zu einem weiteren Tanz mit ihm zu überreden. Aber ein gebranntes Kind scheute bekanntlich das Feuer, also hielt sie sich vom Wohnzimmer fern und wartete geduldig auf den Moment, in dem Colonel O `Neill und seine Begleitung endlich den Weg nach Hause antreten würden. Irgendwie hatte sie insgeheim immer weiter gehofft, dass sie eines Tages, wenn die Regeln nicht mehr ihr beider Leben bestimmten und die Goa´uld endlich keine Gefahr mehr darstellten, an seiner Seite sein würde … nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern in seinem Leben, Tag für Tag … und Nacht für Nacht. Doch ihr Schicksal stand in den Sternen und Julie war nur eine weitere Hürde, die ihrem unerfüllbaren Traum im Wege stand.

    Geistesabwesend polierte sie das selbe Glas nun schon seit mindestens fünf Minuten. „Man könnte fast annehmen, sie verstecken sich hier, Major. Jack und ich dachten schon, sie seien bereits gegangen, aber ihre Freundin erwähnte, dass ich sie in der Küche finden würde“, riss sie Julies ungeliebter, französischer Akzent rabiat aus ihren Gedanken und Sams Blick fiel erschrocken auf die Frau, die es sich leger an der Anrichte lehnend, neben ihr bequem machte. Was zur Hölle wollte sie von ihr? Salz in die Wunden streuen oder sich am Anblick ihrer gebrochenen Gestalt weiden? Sams Einschätzung zu folge kam wohl kaum eine andere Erklärung in Frage.

    „Sam“, antwortete sie mürrisch und widmete sich als nächstes den eigentlich bereits trockenen Tellern. „Waren wir nicht schon … bei Sam angelangt, Doktor?“

    „Ja! Stimmt! Sie haben recht … das waren wir … SAM.“ Mit ihren langen schlanken Fingern fuhr die Geologin bedächtig an der Kante der Küchenplatte entlang, stieß sich dann ab, um Sam wie eine in der Falle gefangene Maus zu umkreisen und sie dabei von oben bis unten zu mustern.

    „Was wollen sie eigentlich von mir, Doktor?“, baute sich Sam mit verschränkten Armen vor ihr auf und brachte die Sache schnell auf den Punkt. „Sie sind sicher nicht hierhergekommen, um unsere nicht vorhandene Freundschaft aufzufrischen?“

    „Sie haben getrunken“, stellte die Geologin fast beiläufig fest. „Das passt so gar nicht zu dem, was Jack mir über sie erzählt hat.“

    „Oh! … Das tut mir aber leid! Habe ich etwa ihr vorgefertigtes Bild von mir durcheinandergebracht? Das war ganz bestimmt nicht meine Absicht“, Sams Worte trieften nur so vor beißendem Sarkasmus und sie ärgerte sich noch im selben Augenblick, dass sie sich überhaupt dazu hatte hinreißen lassen, derart die Kontrolle über sich zu verlieren.

    „Ja Major, lassen sie es raus! Befreien sie sich! Zeigen sie mir endlich den wahren Menschen hinter der wohlgeordneten, militärischen Fassade“, lachte Julie triumphierend auf, ließ Sam erst gar nicht zu Wort kommen und das, was danach wartete, sprengte den Rahmen des Erträglichen. „Mag sein, dass ihnen einige Leute … einschließlich Jack … die Vorstellung von der perfekten Soldatin abnehmen, aber mir können sie nichts vormachen. Sie wissen sicher selbst, dass es so Einige im SGC gibt, die ihre eigenen Vermutungen haben, auf welche Weise sie die Karriereleiter erklommen haben.“ Julie betrachtete sie einen Augenblick schweigend und zuckte lässig mit der Schulter, bevor sie zum ultimativen Schlag ausholte. „Aber wissen sie Sam, uns beiden ist doch klar wie oder besser womit Männer denken. Und was ist schon ein kleiner Gefallen, wenn eine Promotion dabei rausspringt. Danach sind schließlich beide Seiten, sagen wir … befriedigt?“

    Das saß! Und traf mit voller Härte. Die junge Frau wusste haargenau, dass sie mit ihrer Anschuldigung mitten in ein Wespennest stach. Nur ein paar gezielte Worte reichten, um Sams tief begrabene Ängste zutage zu befördern und genau in den Wunden zu bohren, mit denen sie in den letzten Wochen gekämpft hatte. Seit Jahren schlug sie sich immer wieder mit solchen Vorwürfen herum, die hinter vorgehaltener Hand kursierten, denen sie aber jedes Mal mit ihrer absoluten Professionalität, ihren außergewöhnlichen Leistungen und ihren grandiosen Ideen einen Riegel vorschieben konnte. So etwas Absurdes jetzt ausgerechnet von dieser Frau zu hören, ließ die Wut in ihrem Inneren hochkochen. Wie eine hungrige Löwin baute sich Sam vor ihr auf. Die Knöchel ihrer Fäuste traten weiß hervor, so fest hatte sie sie geballt. Mit tiefen Atemzügen versuchte sie ihren rasenden Puls zu drosseln, der das Blut in ihren Ohren rauschen ließ und die pochende Ader an ihrer Schläfe in voller Größe betonte. Ihre Beherrschung hing an einem seidenen Faden und nur noch ein falsches Wort hätte genügt, um ihn zum Reißen zu bringen.

    „So langsam geht mir das Spielchen, das sie mit mir treiben, gehörig auf den Geist. Also was zur Hölle wollen sie von mir?“, fauchte Sam ungewollt laut. Nicht, dass sie wirklich betrunken war, aber sie spürte, wie der Alkohol die Grenzen aufweichte, die sie sonst gut zu ziehen verstand.

    „Machen wir uns doch nichts vor, Major“, spürte Sam bereits den Atem der selbstverliebten jungen Frau auf ihrem Gesicht „Ich weiß alles über sie … über ihre Gefühle für Jack! Gefühle, die weit über ihre ach so deutlich betonte Freundschaft hinausgehen. Aber ich sage ihnen was: Ihre süße, kleine Schwärmerei ist eine einsame Liebe. Es mag ja sein, dass ein winziger, verschwindend geringer Teil seines Herzens ihnen gehört, doch es ist mein Name, den er schreit, wenn ich ihn zu seinem Höhepunkt bringe, also sollten sie sich einbilden, er würde jemals etwas Anderes in ihnen sehen, als seine pflichtbewusste, ambitionierte Kollegin, dann irren sie sich aber gewaltig, meine Liebe.“

    Damit war Sams Geduldsfaden endgültig gerissen. Blinder Hass begann sich wie glühend heiße Lava durch ihre Adern zu schlängeln. Ihre Nägel bohrten sich tief in ihre Handflächen und sie bebte vor Zorn, der jegliche Vernunft in Nullkommanichts aufgefressen hatte. Wie konnte sich dieses kleine französische Biest nur wagen …?

    „Was ist eigentlich ihr Problem, Doktor?“, hallte Sams aufgebrachte Stimme in der ganzen Küche, als sie Julie am Kragen packte und schroff gegen die Wand rammte. Ihre Unterarme drückten brutal gegen die Brust der völlig überrumpelten jungen Frau und ihre Gesichter waren nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt. „Nur fürs Protokoll, Miss Allwissend: Sie verstehen rein gar nichts, also tun sie mir um Himmels Willen den Gefallen und behalten sie ihre gut gemeinten Ratschläge für sich.“

    Plötzlich ergriff Sam ein seltsamer Schwindel und zugleich presste es ihr die Luft aus den Lungen. Das vollkommen verängstigte, kreidebleiche Gesicht der jungen Frau verschwamm vor ihren Augen und ein dunstiger, weißer Schleier umschloss sie wie ein nebliger Schatten, der leise wartend um sie schlich, sie heimlich beobachtete. Sam wollte sich zurückziehen …. Das unkontrollierte Zittern von Julies Körper ließ die rasende Panik erahnen, die in ihr wüten musste und sie vermutlich für alle Zeiten von Sam ferngehalten hätte. Aber irgendetwas fesselte sie, so als war eine unsichtbare Macht dabei von ihr Besitz zu ergreifen. Ihre Hände schlossen sich wie von selbst um Julies Hals, spürten die tobende Schlagader unter sich, als sie zudrückten. Ein seltsames Röcheln drang aus der Kehle der Geologin, deren Augen immer stärker hervortraten. Sam schrie innerlich auf, versuchte sich gegen ihren eigenen Körper zu wehren, aber sie war machtlos. Das war nicht, was sie wollte, ganz gleich, wie sehr sie Julie hasste. Ein fremder Willen, der sich um ihr Bewusstsein legte, drang mit aller Gewalt in ihre Seele drang ….


    `Du bist schwach … Mensch! Du willst es und bist dennoch unfähig, deinen Urinstinkten zu folgen …!´, summte eine seltsam bekannte, düstere Stimme in ihrem Kopf.

    Ein eiskalter Schauer kroch über Sams Rücken und sie konnte die Gänsehaut fühlen, die sich wie ein Lauffeuer mit Milliarden kleiner Perlen über ihrem Körper ausbreitete. Als ihr Verstand begriff, was ihre Augen sahen, setzte ihr Herz einen Schlag aus. Oh mein Gott, sie war dabei zu töten, einem unschuldigen Menschen das Leben zu nehmen.

    `Lass sie los!´, brüllte Sam so laut sie nur konnte, doch ihre Hände blieben unbeherrschbar, schlangen sich nur noch fester um die zarte Haut. Sie war gefangen, ebenso wie Julie, deren Atemzüge in immer kürzeren Abständen kamen und ihre Lippen mit einem zarten Blauton belegten. Ihr Blick war starr, voller Horror, als war sie dabei in die Hölle zu sehen.

    `Neeeein, neeeein, neeeein … Ich will das nicht!´ Sams gellende Schreie vibrierten in ihrer Brust, doch die Macht in ihr war gierig, zerrte an ihrer Seele wie ein verhungerndes Tier an einem Stück Fleisch.

    `Sie hat den Tod verdient und du weißt es´, erwiderte die Stimme mit einem dröhnenden Lachen.

    `Nein! Das hat sie nicht! … Niemand … hat das verdient!´, stieß Sam noch heißer hervor, doch die lautlosen Worte verschwanden so schnell, wie der Nebel um ihre Seele ….



    „Carter … um Himmels Willen, was tun sie da? Lassen sie sie los! … Verdammt Major, Loslassen!“ Seine panischen Schreie dröhnten in ihren Ohren und sie spürte die Wärme seiner Hände auf ihrer von Schweiß überzogenen Haut. Seine Finger umklammerten ihre Arme, pressten sich verbissen bis auf ihre Knochen und zogen sie mit fast übermenschlichen Kräften fort von ihrem röchelnden, hustenden Opfer.

    „Sie wollte … mich … töten Jack, … ich schöre, diese Irre wollte mich … töten“, keuchte die junge Frau und rang nach jedem Quäntchen Luft. Allmählich schärfte sich Sams Blick, der ungläubig zwischen ihren Händen und dem Ergebnis ihres Ausbruches in Form von mehreren Fingerabdrücken an Julies Hals hin und herglitt und sie das erste Mal mit den Spuren dessen konfrontierte, was sie beinah vollendet hätte, wenn … ja, wenn er nicht rechtzeitig gekommen wäre.

    „Oh Gott“, begannen ihre Hände zu zittern, während seine Finger sich wie ein stählernes Seil um ihre Gelenke schlossen. „Es tut mir so leid, Sir. Es tut mir so unendlich leid. Ich wollte das nicht“, schüttelte Sam verzweifelt ihren Kopf, als die ersten Tränen wie ein glühendes Rinnsal über ihre Wangen krochen. Was … nein wer war nur in sie gefahren? Niemand würde glauben, dass es nicht ihr freier Wille war. Sam hatte das Gefühl verrückt zu werden, den Verstand zu verlieren oder zumindest das, was noch davon übrig war. Alle Blicke klebten an ihr, Entsetzen, Schock, Angst. Aber das Schlimmste war die Enttäuschung in seinen Augen, zwei dunkle schattige Höhlen, die sie ansahen, als sei sie ein Monster. Und vielleicht war sie das auch, eine Gefahr für jeden, für ihre Umwelt und sich selbst, unberechenbar, furchteinflößend, brutal. Jemand, den man nicht um sich haben wollte.

    „Sam … was … was hast du …?“, schluchzte eine zutiefst verschüchtert wirkende Janet, die im Türrahmen lungerte und ebenso wenig zu verstehen schien, was gerade passiert war, wie Daniel, der mit einer Engelsgeduld versuchte, die laut fluchende Julie mit Worten zu beruhigen.

    „Diese Irre gehört eingesperrt“, keifte sie immer wieder hysterisch und schüttelte den Kopf. „Sie hat mich einfach angegriffen. Ihr habt alle gesehen, was sie getan hat. Diese Frau ist ….“

    „Beruhige dich endlich, Jules“, verlor Jack für eine Sekunde ungewollt die Nerven, ließ Sams Hände wieder los.

    "Entschuldige bitte!" Sichtlich überfordert wandte er sich sofort an die noch immer am ganzen Körper zitternde Julie und schloss sie in seine Arme. "Alles ist gut … es ist nichts passiert, hörst du ...“, flüsterte er ihr immer wieder leise ins Haar, während sein Blick wie hypnotisiert an Sam hing.
    Jeder konnte sehen, wieviel Kraft ihn der Spagat kostete zwischen seinem Verständnis für Julies völlig berechtigte Entrüstung und seiner Hoffnung, dass es einfach einen plausiblen Grund für den Angriff seines 2IC geben musste.

    „Ich schwöre bei Gott, ich wollte das nicht“, flüsterte Sam mit gebrochener Stimme und er blickte sie an, als war sie gerade vor seinen Augen gestorben.
    Mit einem letzten „Es tut mir leid … Sir“, drehte sie sich um, riss die Terrassentür hinter sich auf und rannte verstört nach draußen.

    Einen Moment lang stand Jack wie versteinert da, starrte ihr nach, war aber zu keinem Wort fähig, obwohl alles in ihm danach schrie, ihr sofort nachzulaufen, sie mit all seinen offenen Fragen zu konfrontieren und zu verstehen, warum sie derart die Kontrolle über sich verloren hatte. Die Bilder spielten sich wie in einem Albtraum quälend langsam vor ihm ab, ihre Finger, die sich immer fester um Julies Hals schnürten und ihr seltsam abwesender Blick, so als war sie nicht mehr Herr ihrer Sinne. Sie war einfach kein gewalttätiger Mensch, der sich von niederen Instinkten beherrschen ließ, jedenfalls nicht die Carter, die noch bis vor ein paar Wochen Seite an Seite mit ihm gegen genau den Wahnsinn kämpfte, den er gerade in ihren Augen gesehen hatte. Er konnte sie nicht gehen lassen, nicht in diesem Zustand, in dem sie war. Er wollte … nein er musste es verstehen. Sie war viel zu wichtig … viel zu wichtig für ihn.

    „Es tut mir leid, Jules … aber ich muss mit ihr reden“, ignorierte er ihr erbittertes Flehen, bei ihr zu bleiben, schob sie behutsam zurück in Daniels Obhut und folgte der Frau, der insgeheim noch immer sein Herz gehörte.

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    Eine frische Brise wehte ihr die schweißnassen, goldblonden Strähnen ins Gesicht und kühlte ihre brennende Haut, als sie kraftlos durch die Finsternis taumelte. Der Himmel war sternenklar und nur der schmale Lichterschein, der durch die grell erleuchteten Fenster nach draußen fiel, erhellte das Dunkel. Zitternd und bleich wie eine Kalkwand lehnte sie sich an die mächtige Pappel am Zaun, lauschte einen Augenblick dem sanften Rauschen der Blätter und rang in der Stille nach Fassung. Ihr ganzer Körper stand unter Spannung, kribbelte, vibrierte, fühlte sich an, als waren soeben dreihunderttausend Volt durch sie hindurchgerast. Sosehr sie sich auf bemühte, zu verstehen, was gerade passiert war, ihr Verstand fand einfach keine rationale Erklärung und verschloss sich auch weiter vor dem, was ihr Herz längst wusste. Sie war Wissenschaftlerin. Ihr gesamtes Denken basierte einzig und allein auf Logik, aber das hier entbehrte jeglicher Grundlage. Es konnte einfach nicht sein, was nicht sein durfte. SIE war tot und nichts in Janets Untersuchungsergebnissen vom Mittag hatte auf etwas Derartiges hingewiesen, aber selbst, wenn ihr irgendwer glauben würde, dann wäre ihr Schicksal in einer vorübergehenden Sicherheitsverwahrung unter ständiger Beobachtung binnen Sekunden besiegelt. Ihre einzige Chance war Uruk, auch wenn sie noch immer nicht verstand weshalb.

    Das leise Rascheln der Blätter am Boden ließ sein Kommen erahnen. Von Weitem vernahm sie Schritte. Natürlich würde er nicht lockerlassen, bis er Antworten hatte. Antworten, die sie ihm einfach nicht geben konnte, selbst wenn sie es wollte. Erschrocken schnellte ihr Blick in die Höhe, folgte seinem Schatten. Immer wieder blieb er stehen, während sie vorsichtig um den Stamm herumschlich und sich selbst dafür verfluchte, nicht gegangen zu sein, als es noch möglich war.

    „Carter?“, hörte sie ihn noch im selben Moment leise rufen, doch seine Stimme wurde schnell fordernder, härter und zeugte von tiefer Entschlossenheit. „Carter! Es hat doch keinen Sinn davor wegzulaufen. Wir müssen darüber reden!“

    Instinktiv ging sie einen weiteren Schritt zurück und trat dabei auf einen Ast, der mit einem lauten Knacken entzweibrach.
    Sie wusste, nun war es zu spät und dennoch begann sie zu laufen, die Straße fest im Blick und den letzten Funken Hoffnung hochhaltend, sie könnte dem entgehen, aber er hatte sie längst im Visier. Ihre Beine waren kaum mehr fähig sie zu tragen und sie spürte ihn schon ganz dicht hinter sich, als seine Hand nach ihrem Oberarm griff und sie mit voller Wucht an ihn zurückschleuderte.

    „Verflucht Carter“, hielt er sie in einer festen Umklammerung gefangen. „Sie werden mir jetzt endlich sagen, was zur Hölle da drinnen in sie gefahren ist!“ Selbst im Dunkeln konnte sie den Zorn in seinen Augen aufblitzen sehen, aber im selben Maße hörte sie auch seine Verzweiflung in jedem einzelnen Wort. Sein Blick bohrte sich tief in den Ihren, als glaubte er ihr so die Wahrheit gewaltsam entreißen zu können, die sie ihm fraglos verheimlichte. Aber sie hielt ihm stand so gut sie konnte. Nur noch ihr beider Atem, schnell und unregelmäßig, war in der plötzlichen Stille zu hören.

    „Herrgott nochmal Carter“, warf er seinen Kopf in den Nacken und sie spürte, dass er allmählich am Ende seiner Geduld angelangt war. „Nun machen sie doch endlich ihren Mund auf. Ich bin sicher, Julie wird die Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen und wenn ich ihnen irgendwie helfen soll, müssen sie wohl oder übel mit mir reden.“

    „Ich habe sie aber nicht um ihre Hilfe gebeten, Sir“, brach sie ihr eisiges Schweigen und alle ihre Gesichtszüge gefroren auf der Stelle zu einer ausdruckslosen Maske, hinter der nun auch die letzten verbliebenen Gefühle verschwanden, die in ihr brodelten. Der Druck an ihren Armen ließ ein wenig nach und die Wut in seinen Augen wich einer tiefen Trauer, die sie so bis jetzt nur am Tag von Daniels Aufstieg gesehen hatte. Seine Lider beugten sich der emotionalen Last, die auf ihm ruhte. Einen Moment lang stand er einfach nur da, ordnete seine Gedanken und holte tief Luft, bevor er wieder zu ihr aufblickte. Tiefe Falten hatten sich in seine Stirn gefressen und er wirkte sichtlich nervös.

    „Carter, bitte … Sagen sie mir … haben sie irgendein Problem mit meiner Beziehung zu Julie?“, fragte er eindringlich und doch so sanft, dass es ihr beinah das Herz zerriss. „Ich weiß, dass die Art, wie sie es erfahren ….“

    „Ganz sicher nicht, Sir“, fiel sie ihm unvermittelt ins Wort. Die Lüge brach mit einer unglaublichen Selbstverständlichkeit aus ihr heraus und wie gewohnt verbannte sie ihr Herz und ließ ganz allein ihren Kopf sprechen. „Ich gönne ihnen ihr Glück. Niemand … hat das mehr verdient. Sie sind mir keine Rechenschaft schuldig, genauso wenig, wie ich ihnen.“

    „Na schön“, murmelte er tonlos, ließ aber dennoch nicht locker. „Was ist es dann? Irgendetwas muss doch vorgefallen sein?“

    Gott war ihr Zeuge, sie würde eher an der Wahrheit ersticken, als auch nur ein Wort darüber zu verlieren und selbst wenn, wem würde er wohl mehr glauben? Ihr, seiner Kollegin, die nichts weiter als eine einzige Enttäuschung für ihn war oder der Frau, die ihm ohne Zögern genau das bot, wozu sie all die Jahre lang nicht fähig gewesen war? Schon der Gedanke, wie beide sich ihrer Liebe hingaben, ließ erneut den bitteren Geschmack von Eifersucht in ihrer Kehle aufsteigen. Julie hatte Recht. Er würde niemals mehr in ihr sehen, als die Freundin, die Kameradin und wenn er erst einmal von dem tiefen Abgrund in ihrer Seele wüsste, dann vielleicht noch nicht einmal mehr das. Sam schwieg, kaute auf ihrer Unterlippe und starrte wie besessen zu Boden. In ihren Augen brannten bereits die Tränen, die sie schon bald nicht mehr unter Kontrolle haben würde, wenn sie der Situation nicht schnellsten entkam.

    „Ich möchte jetzt bitte gehen, Sir“, ignorierte sie stur seine Frage. „Wenn Julie rechtliche Schritte gegen mich einleiten will … bitteschön. Dann soll sie es tun! Ich komme klar. Sie müssen mich nicht verteidigen.“

    Die Kälte in ihren Augen ließ ihn zusammenzucken und sie nutzte seine Verwirrung gnadenlos aus, zog ihren Arm aus seiner Hand und rieb sich über die schmerzenden Abdrücke, die seine Finger dort hinterlassen hatten. „Sagen sie Daniel, es tut mir leid, dass ich ihm den Abend verdorben habe und Janet soll sich keine Sorgen machen. Ich werde mir ein Taxi nehmen und mich morgen wie abgesprochen bei beiden melden.“

    „Carter“, berührte er sehnsuchtsvoll ihre Finger, als sie an ihm vorüberzog und Sam hielt kurz inne. Noch einmal fanden ihre Blicke einander und sie spürte seinen heftigen Schmerz, als war es ihr eigener. „Ich weiß einfach, dass irgendetwas mit ihnen nicht stimmt und ich schwöre, ich werde nicht lockerlassen, bis ich herausgefunden habe, was es ist. Das hier sind einfach nicht mehr sie ….“

    Ein bitteres Lächeln huschte über Sams bebende Lippen und mit letzter Kraft trotzte sie den Tränen, die ungeduldig nach Freiheit strebten.
    „Nein Sir, da irren sie sich gewaltig. Ich habe mich immer nur verstellt, solange sie da waren. Jetzt … bin ich einfach nur ich selbst“, begegnete sie ihm mit den gleichen harten Worten, die auch ihr einst beinah das Herz gebrochen hatten, bevor sie ohne einen Blick zurück im Dunkel der Nacht verschwand.

  8. Danke sagten:


  9. #6
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    19.09.2016
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    Hallo, danke erstmal an Tiara Nomo und Durnah. Ich weiß, dass SG 1 Storys hier nicht so gefragt sind, das ist wirklich schade, aber leider nicht zu ändern, aber für die, die noch mitlesen, kommt das nächste Kapitel, LG Susann


    WARNUNG! In diesem Kapitel spielt Gewalt eine Rolle! Es ist definitiv P18 aufgrund des sensiblen Themas, auch wenn es keine expliziten Beschreibungen gibt, aber ich wollte es gern erwähnt haben. Angedeutete Folter und Tod! (eines Kindes)

    ZUR ERKLÄRUNG:
    Alles kursiv Geschriebene ist keine laut gesprochene Rede, sondern Symbionten / Wirte, die mit miteinander sprechen!


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    4. Kapitel

    Sam wusste, dass es eine absolut unchristliche Zeit war, um die junge Frau aus dem Bett zu holen, aber auch nach langem Nachdenken war ihr niemand eingefallen, dem sie ausreichend vertraute. Nervös wanderte ihr Blick über die ruhige Seitenstraße inmitten von Colorado Springs, während ihre Finger mit ein paar geschickten Handgriffen versuchten ihr vollkommen zerzaustes, widerspenstiges Haar zu bändigen, das auf den eindeutig chaotischen Zustand in ihrem Inneren schließen ließ. Die grellen Lichter der Stadt erleuchteten den dunklen Nachthimmel, als von Weitem die Sirene eines Polizeiautos ertönte und sie kurz ablenkte, doch das plötzliche Licht im Hausflur brachte ihre Aufmerksamkeit schnell wieder zurück. Nur Sekunden später erschien endlich die zierliche Gestalt des frisch gebackenen First Lieutenant hinter der milchigen Glasscheibe.

    „Wer ist da?“, stöhnte die Frau auf der anderen Seite. „Es ist mitten in der Nacht.“

    „Hier ist Major Carter und es ist genau ….“ Sam blickte verstohlen auf ihre Uhr. „… vier Uhr einundfünfzig, Hailey. Es tut mir leid, sie so früh zu stören, aber es ist wirklich dringend. Kann ich vielleicht kurz mit ihnen reden?“

    Eine bedächtige Stille folgte einem lauten Seufzen, bis sich der Schlüssel im Schloss drehte und sich die wuchtige alte Haustür mit einem lauten Knarren vor ihr öffnete.

    „Guten Morgen, Major“, murmelte Hailey angestrengt und rieb sich ihre verschlafenen Augen. „Gibt es einen Notfall im SGC?“

    „Nicht direkt …“, zögerte Sam kurz und presste die Umschläge in ihrem Arm noch fester an ihre Brust. „Mein Besuch ist eher … hm … persönlicher Natur.“ Wieder überkam sie ein Anflug von Unsicherheit. Wieder wuchsen die Zweifel, ob es richtig war Hailey, wenn auch nur indirekt, mit in die Sache hineinzuziehen und ihr so die Bürde einer solchen Entscheidung aufzuerlegen. Aber irgendetwas sagte Sam, dass sie die einzig Richtige dafür war. In ihr steckte großes Potential, denn sie dachte sowohl mit ihrem Verstand, als auch mit ihrem Herzen, selbst wenn sie bisweilen noch etwas impulsiv agierte, so war Sam sicher, dass die unerschrockene junge Frau eines Tages ein eigenes SG Team führen würde und das Zeug zu einer glänzenden Karriere hatte. Sie waren einander ähnlicher, als es nach außen hin den Anschein machte. Tief in ihren Gedanken versunken, spürte Sam Haileys musternden Blick über ihr Gesicht gleiten.

    „Bei allem gebotenen Respekt, Major Carter, aber sie sehen aus, als hätten sie die ganze Nacht kein Auge zugemacht. Geht es ihnen nicht gut? Wollen sie reinkommen“, bot die sichtlich besorgte junge Frau an und trat beiseite. „Ich könnte ihnen einen Kaffee machen und sie sagen mir in Ruhe, was los ist.“

    „Nein Danke, Lieutenant, mir geht’s gut … wirklich“, versuchte Sam die schmerzhaften Erinnerungen an den vergangenen Abend einfach wegzulächeln. „Hören Sie, ich habe nicht viel Zeit. Mein Flug geht in knapp zwei Stunden“, fuhr sie mit einem tiefen Atemzug fort und übergab die Umschläge der jungen Frau, die sie auf einmal mit hellwachem Blick ansah, in dem sich all die Fragen widersiegelten, die gerade in ihrem Kopf herum zu spuken schienen. Sam wollte sie Sache nur schnellstmöglich hinter sich bringen. „Ich möchte sie um einen Gefallen bitten, Hailey … aber ich muss mich zu hundert Prozent darauf verlassen können, dass sie genau das tun, was ich ihnen sage.“

    „Natürlich Major“, nickte sie und betrachtete die beiden Kuverts in ihrer Hand, einen großen und einen kleineren, bevor sie fragend zu Sam aufschaute. „Also was genau soll ich damit tun …?“

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    Ein forsches Klopfen an der Tür riss seinen Blick von dem nicht enden wollenden, ungelesenen Aktenstapel los, der sich seit zwei Tagen auf seinem Schreibtisch häufte und im selben Maße gedieh, wie das schlechte Gewissen, das Lesen der Berichte überhaupt solange aufgeschoben zu haben. Sein leises „Herein“ jedoch ging in dem lauten Knall der ins Schloss fallenden Tür unter.

    „Dr. Fraiser“, legte er seinen Stift beiseite und lächelte seine leitende Ärztin freundlich an. Er kannte diesen Ausdruck in ihrem Gesicht, wobei er neben der sonst üblichen Entschlossenheit auch einen Funken Sorge darin zu entdecken glaubte. „Was verschafft mir die Ehre ihres Besuches?“

    „Nun ja Sir … es geht um Major Carter“, verschränkte sie ihre Arme vor der Brust und wagte es zunächst nicht ihren Vorgesetzten in die Augen zu sehen, aus Angst, er könnte so das ganze Ausmaß ihrer Verzweiflung bemerken. „Sie … Sie … hatte vor einer halben Stunde einen Termin bei mir und … sie ist nicht erschienen. Das ist einfach nicht ihre Art. Was soll ich sagen, ich ….“

    „Sie machen sich Sorgen?“, füllte er ihre momentane Sprachlosigkeit mit seinen eigenen Worten. „Aber ich kann sie beruhigen. Ich bin sicher, sie ist bereits auf dem Weg zu ihrem Bruder, zumindest hat sie sowas angedeutet oder womöglich liegt sie auch schon am Strand von Hawaii und trinkt ihren zweiten Cocktail. Ich habe ihr gestern drei Wochen Urlaub zugesagt, weil ich glaube, dass sie es dringend nötig hat. Soweit sie mir gesagt haben, gab es doch keinerlei Auffälligkeiten in ihren Untersuchungsergebnissen, also was spricht dagegen?“

    „Nein Sir, die waren alle unauffällig“, rieb sie sich nervös ihre Hände. „Ich warte zwar noch auf ein paar Laborwerte, aber ich denke, da dürfte nichts Weltwegendes nachkommen.“ Janet schwankte zwischen Erleichterung und Entsetzen. Dennoch war sie froh, dass der Rest der Party nichts von dem Eklat in der Küche mitbekommen hatte. Niemand schien ihm also von der Sache zwischen Julie und Sam erzählt zu haben. Die Erinnerungen waren lebendiger denn je. Sofort nach Sams überstürztem Aufbruch war Colonel O`Neill zurückgekehrt, hatte seine junge Freundin ohne ein Wort der Erklärung beinah übertrieben fürsorglich durch den Garten ins Auto gebracht und dabei wenig erfolgreich versucht seinen besten Freund loszuwerden, der sich in seinem Vorhaben festgebissen hatte, ihn zum Reden zu bewegen. Doch alles, was Daniel letztendlich aus dem völlig abwesend wirkenden Mann herausholen konnte, war das Versprechen, dass er alles versuchen würde, Julie davon abzubringen, gegen Sam vorzugehen. Was auch immer am Abend zuvor in ihre beste Freundin gefahren war, es sah ihr rein gar nicht ähnlich und der versäumte Termin war nur ein weiteres Puzzleteil in einem Bild, das bis dato keinerlei Sinn ergab. Leider war sie O`Neill heute Morgen noch nicht über den Weg gelaufen. Dabei gab es einiges, über das sie mit ihm sprechen wollte, nicht nur darüber, ob sein Vorhaben von Erfolg gekrönt war. Julie hatte einen ziemlich unversöhnlichen Eindruck gemacht, aber bei allem, was Janet während des Abends gesehen hatte, musste sie der jungen Frau zugutehalten, dass sie ganz ohne Zweifel bis über beide Ohren verliebt war. Wenn es also jemand schaffen konnte, sie von ihren Racheplänen abzuhalten, dann der Mann, an den sie ihr Herz verschenkt hatte.

    „Dann werden sie mir sicher zustimmen …“, holte sie die Stimme des Generals aus ihren verworrenen Gedanken zurück. „… dass Major Carter sich diesen Urlaub redlich verdient hat?“ Nachdenklich verschränkte er seine Finger am Schreibtisch und versuchte mit einem durchdringenden Blick den Grund für die tiefe Sorge in ihrem Gesicht zu entschlüsseln. „Oder ist da noch etwas, das ich wissen sollte, Doktor?“

    Janet schluckte schwer und spielte unentwegt an dem Stift in der Brusttasche ihres Kittels, als sich ein weiterer Besucher ankündigte und sie mit demselben forschen Klopfen gerade noch vor dem beginnenden Kreuzverhör rettete. Erschrocken fixierten ihre Augen die Tür, durch die im selben Moment ein ziemlich müde aussehender Colonel O`Neill mehr schlich als ging.

    „Sie sind zu spät, Colonel“, bemerkte Hammond leicht verschnupft und tappte mit dem Zeigefinger auf seine Uhr.

    „Es tut mir leid, General … Sir“, entschuldigte er sich sein 2IC kleinlaut, so als war ihm über Nacht seine Schlagfertigkeit im Hals stecken geblieben, während sein Blick, ebenso steif und leer, weiter zu der kleinen Ärztin wanderte, die ihn aus sicherer Entfernung mit großen, fragenden Augen ansah. Hammond verspürte einen unangenehm eisigen Hauch, eine zunehmend merkwürdige Spannung, die weit über Jacks gewohnte Abneigung gegenüber Ärzten hinausging und er grübelte, was sich die zwei da wohl schweigend zu sagen versuchten, das offensichtlich nicht für seine Ohren bestimmt war.

    „Wie dem auch sei“, unterbrach er nach einer Weile die wortlose Konversation seiner beiden Offiziere und wandte sich an Jack. „Ich wollte ihnen nur mitteilen, dass sie die nächste Zeit auf Major Carter verzichten müssen, Colonel. Nachdem sie nun nicht mit den Tok´ra auf diese Mission geht, habe ich ihr drei Wochen Urlaub genehmigt. Ich konnte es ihnen leider gestern nicht mehr mitteilen, aber ich denke, sie dürften ja sicher ….“

    „Wie bitte, Sir? … Ich glaube kaum, dass sie gerade allein …“, unterbrach er seinen Vorgesetzen mit aller Schärfe, ohne vorher nachzudenken, doch schon im selben Augenblick erstarben die unbedacht hervorgestoßenen Worte auf seinen Lippen und sein anfänglicher Eifer drosselte sich ruckartig zu vornehmer Zurückhaltung. „Uhm … was ich sagen wollte war … sie haben sicher Recht, General. Carter wirkte in letzter Zeit tatsächlich etwas überspannt. Der Urlaub wird ihr ganz bestimmt guttun.“ Ein mechanisches Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln, während er dem General auffallend freundlich zunickte.

    „Wenn sie mich dann also entschuldigen würden, Sir“, warf Janet hastig ein. Jack atmete erleichtert aus. Sie hatte schnell begriffen, dass es allerhöchste Zeit war, ihm aus der misslichen Lage zu helfen, bevor Hammond noch unangenehme Fragen stellte, die weder sie, noch er, im Moment beantworten wollten „Mein Problem hat sich ja nun geklärt und Lieutenant Miles wartet sicher schon mit der Untersuchung von SG 5 auf mich.“

    „Gehen sie ruhig Doktor.“

    Von Nervosität getrieben hastete sie in Richtung Ausgang und warf O´Neill einen letzten, äußerst aufschlussreichen Blick zu, ehe sie wortlos nach draußen schlüpfte.

    „Tja dann …“, räusperte sich Jack leise und deutete mit seinem Daumen zur Tür, die er sogleich recht zielstrebig ansteuerte. „… werde ich wohl auch mal wieder.“

    „Nicht so schnell, Colonel“, stoppte ihn Hammonds strenge Stimme kurz vor der erlösenden Freiheit. Jack presste frustriert seine Lippen aufeinander, während er sich am Türknauf wie an einem Rettungsanker festklammerte und um ein eingehendes Wurmloch betete, das einzige, was ihm jetzt noch helfen konnte. Teal´cs Rückkehr stand kurz bevor. Warum zur Hölle konnte sein Jaffa Freund nicht wenigstens einmal dann auftauchen, wenn man ihn am dringendsten brauchte? In Zeitlupentempo drehte er sich zurück und lächelte dem älteren Mann zu.

    „Ja … Sir?“

    „Jack“, begann der General zögerlich, als er zu seinem 2IC aufschaute. „Sie wissen, dass mich ihr Privatleben nichts angeht … solange es nicht ihre Arbeit beeinträchtigt. Und normalerweise lasse ich mich nicht vom Gerede der Leute anstacheln. Nun … es ist mir etwas unangenehm“, gab er zu. „Aber es ist mir mehrfach zu Ohren gekommen, dass sie und Doktor Denaux sich auf der letzten Mission … naja sagen wir mal … näher als üblich gekommen sind.“

    „General … Sir, ich …“, schlüpfte Jack fast automatisch in den Verteidigungsmodus.

    „Nein Jack, schon gut“, hob Hammond schnell die Hand und brachte seinen nun unangenehm berührten Offizier damit auf der Stelle zum Schweigen. „Sie sind mir weiß Gott keine Erklärung schuldig. Es ist nur so, dass die Ergebnisse der Untersuchungen von P3X-403 äußerst erfreulich sind. Aufgrund des dort gefundenen Naquadahvorkommens sollen SG 1, SG 7, Dr. Denaux und ein paar Geotechniker schon übermorgen dorthin zurückzukehren, um die ersten Vorbereitungen für einen baldigen Abbau zu treffen. Ich weiß, das ist nicht ihr Lieblingsjob, aber da sie den Planeten bereits kennen und aufgrund von Major Carters Abwesenheit noch eine Weile unvollzählig sein werden, ist SG 1 meine erste Wahl.“

    Jack konnte seine rasant entgleisenden Gesichtszüge nicht mehr verbergen, während Hammond weiter sichtlich bemüht nach den passenden Worten suchte.
    „Es tut mir leid, Colonel, aber ich muss darauf bestehen. Ich bitte sie nur, den Klatschmäulern keinen weiteren Stoff mehr zu liefern. Glauben sie mir Jack, ich weiß, dass sie die Professionalität und Diskretion in Person sind, aber bitte machen sie auch Dr. Denaux freundlich, aber bestimmt klar, dass während einer Mission andere Regeln gelten, als in ihrem Schlafzimmer.“

    „Sir! Es war wirklich nicht unsere Absicht …“, erwiderte Jack erschüttert von den Ausmaßen der brodelnden SGC Gerüchteküche. Stöhnend ließ er seinen Kopf in den Nacken sinken und brauchte einen Moment, bis er Hammond wieder in die Augen sehen konnte. „General, ich hoffe, sie wissen, dass ich niemals ….“

    „Ja, das ist mir durchaus bewusst, Colonel. Ich befürchte nur, dass unsere Diplomatentochter etwas konkretere Anweisungen braucht, was das korrekte Verhalten betrifft und ich dachte mir, es ist ihnen sicherlich lieber, das persönlich zu übernehmen“, atmete Hammond erleichtert auf, das unliebsame Thema endlich hinter sich zu haben und ließ sich salopp in die Lehne seines Stuhles fallen. „Wegtreten!“

    „Ja Sir“, murmelte Jack mit einer Mischung aus Widerwillen und wachsendem Unbehagen, doch auch wenn er der Aufforderung nur allzu gerne nachgekommen wäre, er musste die auf seiner Seele brennende Frage stellen, jetzt sofort, also wandte er sich noch einmal an den General, der bereits wieder in seine Akten vertieft war.

    „Ähm George … sagen sie, hat Major Carter ihnen gegenüber erwähnt, wohin …?“

    „Nein … hat sie nicht“, fiel ihm Hammond ins Wort und nickte ihm aufmunternd zu. „Jedenfalls nichts Genaueres. Ich verstehe, dass ihnen die gestrige Auseinandersetzung noch immer zu schaffen macht, aber geben sie ihr einfach die Zeit, ihre Kräfte neu zu sammeln und Gras über das Ganze wachsen zu lassen. Vielleicht sieht die Sache danach schon wieder anders aus, Jack.“

    Es war mehr als ernüchternd. Selbst wenn der General etwas wusste, hätte er es ihm jetzt nicht gesagt, soviel konnte Jack den Worten seines Vorgesetzten entnehmen. Schließlich hatte er keine Ahnung von dem, was gestern Abend auf Daniels Party vorgefallen war und er hoffte für Carter, dass es Hammond auch niemals erfahren würde. Die Sorge um sie beherrschte mittlerweile sein gesamtes Denken und Tun, war inzwischen groß genug, um jeglichen noch so gut gemeinten Rat geflissentlich in den Wind zu schlagen und er wusste auch bereits welcher Person sein nächster Besuch galt.

    „Vermutlich haben sie recht“, entgegnete Jack verhalten und ließ seinen Vorgesetzten mit dem massiven Aktenstapel allein zurück.
    Auf seinem Weg durch den Konferenzraum hielt er kurz vor der großen Fensterfront, die den besten Ausblick auf den immer wieder beeindruckenden, massiven Steinring bot, der ihr aller Leben Tag für Tag bestimmte. Seine Augen schweiften über die nach und nach aufflackernden Symbole, danach über die Mitglieder von SG 5, die lachend und scherzend im Torraum auf ihren Abmarsch warteten. Wohin nur war diese Leichtigkeit in seinem eigenen Team verschwunden? Die ganze Nacht über war er wach neben Julie gelegen, die sich an ihm, wie ein kleines Mädchen an seinem Vater, festklammert hatte. Die offene, junge Frau war das ganze Gegenteil von Carter, aber war das nicht genau der Grund, warum er ihrem hartnäckigen Werben nachgegeben hatte? Um sich endlich zu beweisen, dass er genau das brauchte, was seine langjährige Kameradin ihm niemals geben konnte … niemals geben wollte? Seit jenem verhängnisvollen Tag vor ein paar Wochen, an dem sie Carter völlig entkräftet von Bord der Prometheus geholt hatten, entfernte sie sich immer weiter von ihnen, vor allem aber von ihm.

    `Jack´, hatte sie ihn genannt und selbst jetzt hörte, nein spürte er noch die Wärme, die dabei in ihrer Stimme lag. Warum nur hatte er auf der Krankenstation nicht nachgehakt, als er die Möglichkeit dazu hatte? Sicher! Die tagelangen Einflüsse der Gaswolke schienen ihren Verstand angegriffen zu haben, aber womöglich hatte er genau da die einmalige Chance vertan, das erste Mal eine ehrliche, weniger abgebrühte und tausendmal überdachte Antwort von ihr bekommen. Seine Gedanken kreisten wie eine Endlosschleife in seinem Kopf, schwenkten unwillkürlich zum vergangenen Abend zurück und immer wieder sah er ihren Blick, abwesend, völlig fremd. Die klirrende Kälte in den sonst vor Herzlichkeit nur so strotzenden, lebendigen Augen ließ noch jetzt jeden einzelnen Tropfen Blut in seinen Adern zu Eiszapfen gefrieren. Das Gefühl, irgendetwas übersehen zu haben, verfolgte ihn und kostete ihn beinah seinen Verstand. Warum nur diese Worte … diese gottverdammten Worte … ausgerechnet?

    Mit einem tiefen Seufzen riss er sich von dem Bild im Torraum los und machte sich auf den Weg zur Krankenstation. Wenn jemand Antworten auf seine Fragen haben könnte, dann ihre beste Freundin.

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    „Ah, Lieutenant, könnten sie mir bitte die Resultate von Captain Sanders Blutanalyse bringen? Und die gestrigen von Major Carter würde ich auch gern noch einmal sehen wollen!“, trug Janet ihrer gewissenhaften älteren Kollegin auf.

    „Sicher Doktor, ich hole sie schnell.“ Die Krankenstation war ungewöhnlich ruhig, als die klickenden Absätze ihrer Schwester auf dem steinernen Korridor in der Ferne verklangen. Die Angst, im Nachhinein doch noch etwas Beunruhigendes zu finden, hatte sie nun den ganzen Morgen lang keinen Frieden finden lassen. Sams Verhalten war derart untypisch und nun auch noch dieser überstürzte Urlaub, von dem sie niemandem erzählt hatte? Ein denkbar ungutes Gefühl machte sich in ihrem Magen breit. Laut stöhnend rieb sie sich ihren verspannten Nacken, bevor sie Sams vor ihr liegende Krankenakte der letzten Wochen aufschlug und zu lesen begann. Ihre eigenen Worte klangen wie ein gelebter Horrorfilm und wie schon die ganzen Jahre zuvor grübelte sie auch jetzt wieder, wie ein Mensch all das überleben konnte, ohne dabei irgendwann völlig den Verstand zu verlieren.

    Ein dunkler Schatten, der vor ihr ihrem Schreibtisch auf dem Boden fiel, ließ sie erschrocken aufblicken und doch war sie nicht überrascht, zu sehen, wer dort im Türrahmen lehnte und seinen verschlafenen Zustand offen zur Schau stellte. Ein Gähnen jagte das andere, während seine Augen wortlos über die offen am Schreibtisch liegenden Blätter streiften.

    „Ist das Carters Akte?“, wollte er neugierig wissen und reckte seinen Kopf nach vorn, in der Hoffnung so einen kurzen Blick darauf ergattern zu können.

    „Ja, ist es“, antwortete sie unverhohlen, stieß den Ordner zu und legte fast schon besitzergreifend ihre Hand darüber, um direkt zu der Frage zu kommen, die ihr seit Stunden unter den Nägeln brannte. „Was hat sie gesagt, Colonel? Wird sie Sam anzeigen?“

    „Nein … wird sie nicht“, schüttelte er den Kopf und stützte sich vor ihr am Tisch ab. „Ich weiß wirklich nicht, wie ich es geschafft habe, aber sie hat mir versprochen, vorerst nichts zu unternehmen.“

    „Puh“, blies Janet scharf die aufgestaute Luft aus ihren Lungen und schloss erleichtert ihre Augen, als plötzlich Lieutenant Miles in der Tür auftauchte.

    „Ich wollte nicht stören, Doktor. Ich bringe nur die gewünschten Ergebnisse“, zwängte sie sich an Jack vorbei und übergab die Zettel ihrer bereits wartenden Vorgesetzten, bevor sie genauso schweigsam wieder verschwand, wie sie gekommen war. Janet spürte Jacks Blick neugierig über den Zettel huschen, der fast wie ein unausgesprochener Appell auf dem Ordner seines Majors lag und seine ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Seine Augen trafen schnurgerade auf die der Ärztin und suchten dort nach irgendeiner Art von Hinweis, doch er fand nichts als eine gehörige Portion Unverständnis. Die Vorwürfe, die er sich selbst bereits seit Stunden machte, spiegelten sich offen in ihrem Gesicht wider. Eine bedrückende Stille breitete sich über ihnen aus und sein Kopf fiel kraftlos auf seine Brust, als er ihrer stummen Anklage nicht mehr länger standhalten konnte.

    „Herrgott nochmal, ich weiß selbst, dass ich mich gestern nicht Ruhm bekleckert habe, Doc“, schoss es ungewollt impulsiv aus ihm heraus. „Und sie können mir glauben, dass es so Einiges gibt, das nur allzu gerne rückgängig machen würde, aber wie kann ich, wenn ich keinerlei Ahnung habe, wo sie ist … wenn sie mir keinerlei Chance gibt, mich zu erklären.“

    „Ach wirklich?“, fuhr sie ihn so laut an, dass er zusammenzuckte. „Überrascht sie das allen Ernstes?“

    Sofort verdunkelte sich sein Blick, seine Schultern sanken in sich zusammen und das Elend, unter dem er begraben schien, erweckte schließlich ihr Mitgefühl.

    „Es tut mir leid, Jack“, seufzte Janet leise und fuhr mit ihren Fingern nachdenklich über die Buchstaben auf der Akte ihrer Freundin, bevor sie wieder zu ihm aufsah. „Sam und ich hatten vor über einer Stunde einen Termin. Sie hat meinen eindeutigen Befehl missachtet, ist weder gekommen, noch hat sie angerufen und abgesagt. Ich habe es gestern nicht mehr ausgehalten und bin noch auf dem Heimweg bei ihr vorbeigefahren. Es war niemand da, dabei hätte sie längst dort sein müssen … und auch heut Morgen war sie zuhause nicht anzutreffen. Auf ihrem Handy meldet sich nur die Mailbox. Ich mache mir furchtbare Sorgen, Colonel. Selbst wenn die ganze Sache mit Julie Sam hart getroffen hat … und sagen sie mir jetzt ja nicht, sie wüssten das nicht … so würde sie niemals eine wehrlose Frau derart angreifen. Ihr muss klar gewesen sein, dass Julie ihr körperlich vollkommen unterlegen ist und dennoch …“, erlosch ihre Stimme in den Tränen, sie sich nach und nach in ihren Augen sammelten. Jacks Hand glitt zaghaft über den Tisch und schmiegte sich schützend um die ihre. Warum in aller Welt hatte er Carter nur gehen lassen, fragte er sich beim Anblick der verzweifelten Ärztin zum gefühlt tausendsten Mal und in diesem Moment erschien ihm sogar eine Arrestzelle im SGC ein sicherer Platz für seine 2IC als irgendwo da draußen, allein, verwirrt und offenbar nicht mehr im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte.

    „Ist da irgendwas, das sie mir sagen wollen?“, wanderten seine Augenbrauen bis tief unter den Haaransatz. Seine Finger schlossen sich fest um das Blatt unter ihren Händen und zogen es hervor. Er konnte förmlich riechen, dass sie ihm etwas verheimlichte.

    „Sie werden darin nichts finden“, zuckte sie mit den Schultern. „Ich glaube einfach nicht, dass ich etwas übersehen habe. Ihre Werte waren einwandfrei. Da war nichts Außergewöhnliches … nichts außer ….“

    „Außer was?“, wedelte er mit dem Blatt in seiner Hand. „Nun reden sie schon Janet.“
    Jack konnte den Krieg, der in ihrem Inneren entbrannt war, in ihren Augen sehen. Sie kämpfte mit ihrer Loyalität gegenüber Sam auf der einen Seite und ihrer Verantwortung als ihre Ärztin auf der anderen, doch zu seiner Erleichterung siegte nur Sekunden später die Vernunft. Sie konnte und wollte diese Bürde nicht allein tragen.

    „Na schön, Colonel, was ich ihnen jetzt sage, muss unter uns bleiben. Ich will nicht, dass irgendjemand davon erfährt oder es sogar bei General Hammond landet. Alle würde glauben Sam ….“ Mitten im Satz verstummte sie und suchte nach den richtigen Worten. „Sie wissen genau, wie schnell die Vermutung kursieren würde, sie sei diesem Job nicht mehr gewachsen und solange sie nicht hier ist, um sich zu verteidigen oder den Verdacht zu widerlegen ….“

    „Verdammt Doc!“ Jacks Fäuste krachten hart vor ihr auf den Schreibtisch und er beugte sich zu ihr nach vorn, was ihm auf der Stelle ihre volle Aufmerksamkeit einbrachte. „Glauben sie allen Ernstes ich wäre hier, wenn ich vorhätte, sie bei Hammond anzuschwärzen? Wobei sie zugeben müssen, der Vorfall mit Julie wäre schon Grund genug, sie für einige Zeit aus dem Verkehr zu ziehen. Gott allein weiß, was alles hätte passieren können, wenn ich nicht in die Küche gekommen wäre. Hier geht es nicht mehr um Carters Karriere, sondern um ihre geistige Gesundheit. Ich kann im Moment einfach nichts versprechen, Janet, aber ich will ihr helfen und sie müssen mir schon vertrauen, dass ich nichts tue, was ihr schaden könnte.“

    „Das tue ich“, nickte sie zaghaft, holte tief Luft und hoffte inständig, dass es die richtige Entscheidung war, ausgerechnet ihm davon zu erzählen, doch sein durchdringender Blick ließ keinen Raum für weitere Diskussionen. „Gestern … auf der Fahrt zu Daniels Party … ist sie kurz eingeschlafen … oder zumindest glaube ich das. Wie aus dem Nichts hat sie plötzlich begonnen zu schreien und wild um sich zuschlagen. Ganz egal, was ich auch versucht habe, ich konnte sie nicht beruhigen. Letztendlich musste ich den Wagen am Straßenrand stoppen und dann habe ich sie festgehalten, bis wir beide fast keine Luft mehr bekamen. Erst dann ist sie aufgewacht, vollkommen verschwitzt, zitternd und völlig außer Atem. Sie hat versucht mir einzureden, es sei nur ein Albtraum gewesen, aber ….“

    „… Aber?“, blieb Jack stur.

    „Nun ja“, stammelte sie verunsichert, ob sie sich mit der ganzen Sache nicht doch nur in etwas verrannte. „Ich weiß, dass es möglich ist, sofort nach dem Einschlafen einen Traum zu haben, aber es ist ungewöhnlich, aus einem solchen Traum nicht sofort aufzuwachen, schon gar nicht nach allem, was ich zuvor versucht habe, um sie zu wecken. Es war so … lebhaft. Sie wirkte fast, als sei sie tatsächlich gefangen und wollte sich befreien.“

    Aufmerksam beobachtete Janet seine sich im Sekundentakt ändernde Mimik. Das warme Licht der kleinen Schreibtischlampe betonte die dunklen Ränder um seine Augen, die sie unverwandt anstarrten und sich nach und nach mit tiefer Sorge füllten. Er wirkte angespannt, müde, so als hatte er nicht nur in der vergangenen Nacht keinen Schlaf gefunden. Jeder einzelne Muskel in seinem Gesicht leistete Schwerstarbeit, die undurchdringliche Fassade des stets souveränen und über jede Situation erhabenen Colonels aufrecht zu erhalten, während sein Blick fast schon besessen auf der feingeschliffenen Maserung ihres Schreibtisches klebte, als entschlüsselte er darin gerade die Antwort auf all die ihn quälenden Fragen. Seine Lider schlossen sich zu schmalen Schlitzen, bevor er mühsam zu ihr aufsah und sie den glasigen Schimmer bemerkte, der sich unter das warme Braun seiner Augen gemischt hatte.

    „Machen wir uns nichts vor, Janet. Ich denke, wir wissen beide sehr gut, was das bedeutet. Sie ist eine tickende Zeitbombe“, flüsterte er sichtlich um Fassung ringend und die Ärztin spürte, wie sehr Sams Zustand ihm wirklich zu schaffen machte. Selbst nach all den Jahren des Verleugnens und Verdrängens war sie noch immer so viel mehr für ihn, als er zuzugeben bereit war und auch alle Julie Denauxs dieser Welt konnten daran nichts ändern. „Carter braucht Hilfe, Doc … und zwar dringend. Wir müssen sie finden, bevor sie vollkommen außer Kontrolle gerät.“

    „Ich weiß, Jack“, vergaß Janet für einen Moment alle Förmlichkeiten. „Ich weiß … aber ich bitte sie, General Hammond noch nichts von gestern Abend zu sagen, bevor wir sie gefunden haben. Geben sie ihr noch diese eine Chance, sich selbst zu erklären.“

    „Auch wenn ich bezweifle, dass sie ein Interesse daran hat, habe ich nicht vor ….“ Der laute Klang der Sirenen übertönte seine
    mit Schwermut belegte Stimme und er blickte auf die Wanduhr über der Tür. „Es tut mir leid, aber ich muss gehen. Das ist Teal´c. Sobald ich etwas in Erfahrung bringen konnte, sind sie die erste, die es erfährt“, versicherte er ihr mit einem Lächeln, dem jegliche Überzeugung fehlte.

    „Ähm Jack“, rief sie ihm hinterher. „Hammond hat angedeutet, sie könnte womöglich zu ihrem Bruder nach San Diego gefahren sein. Vielleicht sollten wir dort anfangen?“

    „Danke Doc … auch für ihre Offenheit“, presste er sich mühsam hervor, drehte sich um und machte sich auf den Weg in den Torraum. Sein Gang, als sie ihm andächtig nachblickte, hatte so gar nichts von der unbeschwerten Leichtigkeit, mit der er sonst über die Gänge schlenderte und sie konnte sich nur ansatzweise vorstellen, was es nach dem ganzen Hin und Her mit Daniels Aufstieg und Rückkehr für ihn bedeutete, sich schon wieder um ein Mitglied seines Teams sorgen zu müssen und das ausgerechnet um das vermeintlich stärkste Glied der Kette, dem Menschen, der sonst immer den Eindruck vermittelte, über den Dingen zu stehen. Hatten sie alle in den letzten Monaten kläglich versagt und völlig übersehen, welcher Sturm sich in Sams Innerem zusammengebraut hatte und nun ungebremst einer Katastrophe entgegensteuerte? Er hatte Recht. Sie mussten sie finden … so schnell wie möglich und warten zählte weiß Gott nicht zu ihren Stärken, also griff sie zielstrebig nach ihrem Telefonhörer.

    „Guten Tag, ich brauche eine Nummer in San Diego! … Marc Carter … Ja danke, ich warte ….“

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    Jack war anwesend, zumindest körperlich, soviel konnte Daniel sagen, doch der Blick seines besten Freundes führte ins Leere.
    Mehr als die erlösende Nachricht, dass er Julie hatte überzeugen können, nicht gegen Sam vorzugehen, war aus dem wortkargen Mann nicht herauszubringen, dabei hätte er zu gern gewusst, was am Abend im Garten zwischen seinen beiden Freunden vorgefallen war. Sam plötzliches und vollkommen unerwartetes Urlaubsgesuch über ganze drei Wochen war mehr als nur ungewöhnlich.

    „Geht es dir nicht gut, O`Neill?“, fragte Teal´c, dem bereits im Torraum die seltsam gedrückte Stimmung aufgefallen war, die seine beiden Kameraden umgab, aber Daniel bemühte sich wenigstens, seinen Ausführungen zu folgen.

    „Doch … sicher T, entschuldige bitte“, schüttelte Jack den Kopf und schleifte seine immer wieder abdriftenden Gedanken zurück zu seinem wiedergekehrten Teamkollegen, auch wenn er am liebsten nichts mehr von alledem hören wollte, doch das Thema schien ihn förmlich zu verfolgen. Schon der Name Gestianna bereitete ihm Kopfschmerzen allerschlimmster Sorte und er rieb sich mit einem lauten Stöhnen über seine pochenden Schläfen. „Wir haben schon von den zwei Damen gehört. Die Tok´ra wollten Carter dafür rekrutieren, Jagd auf besagte Dame zu machen, aber wir haben dankend abgelehnt.“

    „Nun ja O`Neill“, ließ sich Teal´c erschöpft in seinen Stuhl sinken, musterte dabei die mitgenommene Gestalt seines Taurifreundes eingehend und Jack ahnte, dass ihm bereits der nächste Schlag in die Magengegend drohte. „Ich glaube kaum, dass wir noch lange ignorieren können, was sich da zwischen Anubis und Gestianna zusammenbraut. Es heißt, Ishtar würde als Königin für neuen Nachschub an Symbionten sorgen und im Gegenzug dafür habe er den beiden Frauen eine Allianz versprochen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis sie gemeinsam ihre Fühler nach der Erde ausstrecken und mithilfe von Gestiannas Technologien könnten sie die gesamte Erdbevölkerung versklaven, so wie es bereits auf Uruk der Fall ist. Pelnec glaubt, dass Gestianna versuchen könnte, die alleinige Herrschaft über den Planeten an sich zu reißen, sobald die Flotte mit Anubis erst einmal steht. Unter den Jaffa munkelt man, dass Ishtar ihre Schwägerin einst gezwungen haben soll, in alle verwendeten Technologien einen Schutzmechanismus einzubauen, der einen alleinigen Zugriff verhindert. Jede Veränderung oder Modifizierung bedarf der Anwesenheit beider Goa´uld. Offenbar ahnte sie da bereits, dass sich Gestianna nicht für immer und ewig mit der Rolle der unterwürfigen Dienerin zufriedengeben würde. Und tatsächlich scheint es inzwischen so zu sein, dass sie mehr Macht besitzt, als Isthar und man sagt ihr nach, sie sei überaus brutal in ihrem Vorgehen. Gestianna ist gefährlich, O`Neill … äußerst gefährlich, und Pelnec ist sich sicher, sie allein ist der Schlüssel, zu einem Sieg über beide Goa´uld.“

    „Und was sollen wir ihrer Meinung nach jetzt tun, Teal´c?“, erkundigte sich Hammond, den nun nichts mehr auf seinem Sessel halten konnte. So langsam zehrte dieses tägliche Spiel um Leben und Tod an seinen Kräften, der ewige Kampf, der einfach kein Ende nehmen wollte. Er war müde, jetzt mehr denn je. Kaum hatte man einen Goa´uld in die Flucht geschlagen, lauerte am anderen Ende der Galaxie bereit der nächste auf seine Chance. „Sie haben uns doch gerade selbst erklärt, dass wir uns weder über das Stargate, noch mit einem Schiff Zutritt zu Uruk verschaffen können. Was bleibt uns dann noch, außer hier zu sitzen, abzuwarten und unsere Verteidigung vorzubereiten?“

    „Vielleicht hätten wir Sam doch gehen lassen sollen“, warf Daniel ganz überraschend ein, der bis dato nur den aufmerksamen Beobachter gespielt hatte. „Mit ihrer Hilfe wäre es uns vielleicht gelungen ….“

    „Herrgott nochmal Daniel!“ Jacks flache Hand schlug so fest am Tisch auf, dass alle Tassen darauf zu klirren begannen und jeder einzelne Stift einen gehörigen Satz in die Luft machte. „Misch dich nicht in Dinge ein, von denen du nichts verstehst … und glaub ja nicht, dass ich die Diskussion mit Carter heute mit dir fortsetzen werde!“

    Teal´cs Blick wanderte erschrocken zwischen seinen beiden Kollegen hin und her, doch er war klug genug, die Frage nach dem Grund der Abwesenheit ihrer gemeinsamen Freundin nicht ausgerechnet jetzt in den Raum zu werfen und so dem schwelenden Konflikt der beiden Starrköpfe den letzten Funken zu liefern, der ihn vollends zu einem ausgewachsenen Streit entarten lassen würde. Wie stur beide sein konnten, wenn es darum ging ihre weit auseinanderdriftenden Ansichten zu vertreten, hatte er leider viel zu oft miterleben müssen. Er würde schon noch herausfinden, was genau in seiner Abwesenheit ein solch tiefes Loch in den eisernen Zusammenhalt ihrer kleinen eingeschworenen Gemeinschaft gerissen hatte. Der Jaffa wartete einen kurzen Augenblick, ob Jack vielleicht doch den Versuch einer Entschuldigung wagen würde, aber sein stur am Tisch klebender Blick ließ diese Hoffnung schneller dahinschwinden, als sie aufgekommen war.

    „Es gäbe da vielleicht einen Weg, General Hammond …“, wandte sich Teal´c wieder an den älteren Mann und versuchte die nun stumm weitergeführte Auseinandersetzung der zwei Männer am anderen Ende des Tisches so gut wie möglich zu ignorieren. „ … allerdings müssten wir uns noch ein wenig gedulden. Pelnec sagte, es stünde in den nächsten zwei bis drei Wochen eine Lieferung neuer Symbionten an und er glaubt, er könnte uns währenddessen auf Isthars Ha´tak schmuggeln. Ich denke, wir sollten sein Angebot unbedingt annehmen, General.“

    „Das sehe ich genauso Teal´c“, erwiderte Hammond, der sich bereits auf dem Weg in sein Büro befand, um dem Präsidenten die schlechte Nachricht zu überbringen.

    „Ich denke, ich sollte dann wohl telefonieren gehen. Ach, und Colonel…?“, blickte er noch einmal zurück. „Finden sie heraus, wo sich Major Carter aufhält und sagen sie ihr, sie soll jederzeit erreichbar bleiben. Notfalls muss sie ihren Urlaub unterbrechen … so leid es mir tut. Ich fürchte, auf dieser Mission ist sie und ihr Fachwissen unverzichtbar.“

    „Sicher General“, murmelte er und vergrub seinen Kopf, der sich unterdessen anfühlte, als spielte darin eine ganze Blaskapelle einen wilden Takt, zwischen seinen Händen. Immerhin konnte er jetzt bei seiner Suche nach Carter auf die offiziellen Kanäle zurückgreifen, aber wie in aller Welt sollte er Hammond bis dahin erklären, dass sie auf gar keinen Fall fit für eine solche Mission war, ohne sie dabei ans Messer zu liefern oder ihrer Karriere den Gnadenstoß zu versetzen. Schnell verwarf er die Frage, schob sie in die hinterste Ecke seiner Gedanken. Zuerst einmal musste er sie überhaupt finden und in ihm reifte die grausam ernüchternde Erkenntnis, dass darin wohl die eigentliche Herausforderung lag.

    -------------------------------------------------------------------------------------------------

    Über vier Tage waren sie nun bereits unterwegs. Vier Tage des Wartens, vier Tage grausamer Erinnerungen an Dinge, die kein Mensch jemals sehen, geschweige denn erleben sollte. In ihrem Kopf herrschte ein undefinierbares Chaos, eine Suppe aus Millionen kleiner Zutaten, die nicht zueinander passten und dennoch zusammengehörten wie die Teile eines riesigen Puzzles, die sich nach und nach in ihrem Verstand zu einem großen Ganzen vereinten. Schon kurz nachdem Anise ihr das verhasste Erinnerungsgerät an ihre Schläfe gepresst hatte, wurde sie überflutet von jahrtausendealten Bildern, die in ihren Träumen zu leben begannen und sich ungehindert unter das mischten, was bereits seit Jolinar in ihr wohnte.
    Die Stunden verflogen, wurden zu Tagen und verstrichen unbemerkt. Unzählige Male war sie gedankenversunken wie ein Geist durch das Schiff geirrt, rastlos, verloren in den Identitäten, die sie verzweifelt einzuordnen versuchte, etwas, das ihr mit der Zeit immer besser gelang. Noch nie in ihrem ganzen Leben war sie so müde gewesen, doch unter all den fremden Eindrücken fühlte sie sich selbst näher, als jemals zuvor.

    Indila hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass Gestianna zu Lebzeiten großen Wert auf ihr Aussehen legte und man es nicht riskieren konnte, Ishtars Misstrauen nur deshalb auf sich zu ziehen, weil man Sams äußeres Auftreten nicht dementsprechend angepasst hatte. Sam war klar, dass der Zeitplan straff war, also vermied sie es, sich über die notwendigen Veränderungen zu beschweren, die sie nach und nach zu einem anderen Menschen formten.

    Zaghaft glitt ihr Blick über den Spiegel, den Indila direkt vor ihr aufgestellt hatte und sie zuckte beinah erschrocken zusammen, als sie das Endergebnis das erste Mal mit eigenen Augen sehen konnte. Nichts … rein gar nichts darin erinnerte noch an die gebrochene Gestalt, die dieses Teltak vor ein paar Tagen betreten hatte. Die Frau, die ihr gegenüberstand, war so fremd und dennoch so unendlich vertraut, wie ein Teil von ihr, der sich viel zu lang in den Tiefen all ihrer Unsicherheiten versteckt gehalten hatte und sich jetzt beharrlich seinen Weg an die Oberfläche bahnte. Sam streckte sich zu voller Größe, nahm ihre Schultern zurück und straffte ihren erhaben, fast schon majestätisch aufgerichteten Oberkörper, der ihr würdevolles, kämpferisches Auftreten in einem Maß betonte, das ihr beinah den Atem raubte. Es war, als schoss die Kraft, die sie daraus schöpfte, wie eine riesige Welle durch ihre Adern. Womöglich steckte doch mehr von ihr selbst darin, als sie zunächst vermutet hatte?

    Ihre neue Freundin erwies sich als wahre Meisterin der Verwandlung. Mit viel Liebe zum Detail und schier grenzenloser Geduld hatte Indila stundenlang damit zugebracht aus dem vermeintlichen Aschenputtel eine Göttin zu zaubern. Sam konnte ihre Augen kaum mehr von dem abwenden, was sie sah. Das schimmernde Blau ihrer Pupillen strahlte wie ein wolkenloser Himmel, ihr perfekter, weißer Teint unterstrich die feinen Konturen ihres weichen, weiblichen Gesichts, nur ihre Wangen schimmerten in zartem Rosa. In liebevoller Kleinstarbeit hatte die junge Tok´ra ihr wildes Haar gezähmt, das wegen des Zeitmangels der letzten Wochen ungewöhnlich lang geworden war. Alle ihre zartblonden Strähnen waren mühsam in mehrere, schmale holländische Zöpfe geflochten worden, die sich in regelmäßigen Abständen von der Stirn begonnen nach hinten über ihren Kopf schlängelten, um sich dann in ihrem Nacken wieder zu vereinen und Sam kam nicht umhin schmunzelnd festzustellen, dass diese Frisur fast ein wenig von der ihr so vertrauten militärischen Strenge vermittelte.

    Indilas Finger schmiegten sich liebevoll um ihre Handgelenke. „Die Person, die du verkörperst ist abgrundtief böse, du hingegen bist wunderschön, sowohl äußerlich, als auch innerlich. Warum versteckst du deine Weiblichkeit, Sam?“

    „Das ist nicht, was mein Job von mir verlangt“, erklärte sie fast schon entschuldigend, während sich das sanfte Rosa ihrer Wangen langsam zu einem satten Pink färbte. „Weiblichkeit ist nicht unbedingt die Tugend einer guten Soldatin, Indila!“

    „Aber in erster Linie bist du eine Frau … und eine außergewöhnlich faszinierende noch dazu.“

    Sam schluckte. Soviel Aufmerksamkeit war ihr unangenehm. Bis jetzt hatte sie nie wirklich großen Wert darauf gelegt, dass man sie als Frau überhaupt wahrnahm und sie hielt sich selbst gewiss nicht für etwas Besonderes, aber das, was sie in diesem Spiegel sah, zeigte eine völlig neue Seite. Eine Seite, die sie bis jetzt immer sorgfältig unterdrückt hatte. Sam nahm ihren Körper in einer ganz anderen Weise wahr, fühlte das erste Mal die Wirkung, die sie damit auf andere Menschen haben konnte, als sie Indilas berauschten Blick auf sich spürte, der sich kaum mehr von ihr abwenden konnte. Ganz gleich, was man den Goa´uld gewöhnlich nachsagte, Gestianna schien es verstanden zu haben, sich gekonnt ins Szene zu setzen. Das Oberteil, in das die beiden Tok´ra sie gepresst hatten, enthüllte mehr, als es verdeckte und war nichts weiter als ein aufwendig verarbeitetes, dunkelblaues Wildlederbustier, bei dem ihrer Meinung nach eindeutig jede Menge Stoff fehlte. Ihr Bauch blieb frei, offenbarte ihr Nabelpiercing, das sie sonst stets gut zu verstecken verstand und dennoch musste sie zugeben, dass an den entscheidenden Stellen alles saß, wo es sitzen musste. Von ihren perfekt inszenierten Brüsten angefangen, bis hin zu ihrem stilvoll betonten Dekolleté, man konnte gerade so viel sehen, dass es mit größter Sicherheit die Fantasie des Betrachters in höchstem Maße anzuregen vermochte und selbst die passenden breiten Lederarmbänder um ihre Handgelenke und Oberarme schienen das perfekte Bild zu komplettieren.

    Mit inzwischen wiedergefundenem Selbstbewusstsein sprang ihr Blick mutig zu den unteren Körperregionen und fand den leicht ausgestellten, überaus knappen Rock, oder sollte man besser sagen den kurzen Fetzen Stoff selben Materials und selber Farbe wie ihr Oberteil, der sich eng um ihre Hüften schmiegte, gerade unterhalb selbiger endete und somit jedem eine grandiose Aussicht auf ihre schlanken, beinah endlos lang erscheinenden Beine verschaffte. Eine edle Silberkette, an der rundherum unzählige, handgearbeitete Anhänger befestigt waren, diente als eine Art Gürtel, vielleicht war es aber auch nur als Schmuck gedacht, mutmaßte Sam, als ihre Augen weiter ihre Beine hinabwanderten und die schlichten, ebenfalls dunkelblauen Sandalen sahen, von denen aus sich hauchdünn verschlungene Striemchen ihre Unterschenkel bis in Kniehöhe emporwanden. Alles in allem ein unbestritten gelungenes Arrangement, jedes noch so kleine Accessoire, jedes unscheinbar wirkende Detail saß an Ort und Stelle, als war es nur für sie allein gemacht und selbst Indilas Makeup Kreation war auf den Punkt getroffen. Nicht zu viel! nicht zu wenig!

    Vollkommen gefesselt von ihrem eigenen Spiegelbild brauchte sie einen Moment, um wieder zu sich zu kommen, denn zu einem Goa´uld gehörte schließlich noch wesentlich mehr, als nur ein perfektes Äußeres und als konnte Indila in ihren Augen lesen, flüsterte sie ihr sanft ins Ohr.

    „Versuch es! Das Zauberwort heißt Emotionen … extreme Emotionen. Du musst sie tief aus deinem Inneren heraus spüren, um es zu aktivieren. Konzentrier dich …“, schlüpfte die junge Frau mit ihren Fingern zwischen die von Sam, verschlang sie liebevoll miteinander und hielt sie so fest sie konnte. „Denk an etwas, dass du ganz besonders liebst … oder etwas, das du maßlos hasst.“

    Sie wusste, sie konnte nicht verhindern, was nun spontan in Ihre Gedanken schoss. Unwillkürlich beschleunigte sich ihr Puls, kleine, feine Schweißperlen legten sich über ihre Stirn und das Atmen fiel ihr zunehmend schwer. Das Bild vor ihren Augen hatte sich schon zum Zeitpunkt seines Geschehens tief ins sie gebrannt und ihre Gefühle in hellen Aufruhr versetzt.

    „Colonel“, seufzte sie so leise, dass auch Indila es nicht hören konnte, obwohl sie direkt neben ihr stand. Sam schloss ihre unerträglich schweren Lider, die unter der Last der unliebsamen Erinnerungen litten, wie sie selbst und nicht einmal jetzt, Milliarden von Lichtjahre entfernt wagte sie es, seinen Namen auszusprechen, denn sofort erschien sie auf der Bildfläche, ihr Inbegriff von Hass. Sam spürte, wie das Blut durch ihre Adern schoss wie ein Sturzbach, bevor es zu kochen begann, immer heißer und brennender.

    „Julie“, entfuhr es ihr mit einem tiefen Knurren und ihre Augen blitzen mit einem fast schon grellen Schein auf, der sogar Indila vor Schreck zusammenzucken und instinktiv einen Schritt zurückweichen ließ. Sam keuchte laut, bemühte sich ihren wild tobenden Herzschlag unter Kontrolle zu bringen, während sie ihrer Tok´ra Freundin ein beinah teuflisches Grinsen zuwarf.

    „Damit sollte ich wohl auch diese Prüfung mit Bravour bestanden haben … nicht wahr?“, dröhnte ihre gellend metallische Symbiontenstimme in ihrem eigenen Kopf und hallte laut zwischen den goldenen Wänden des Tel´tak wider. Indila blickte sie erstaunt an und ein gewinnendes Lächeln formierte sich in ihrem erstaunten Gesicht.

    „Wow! Ich habe zwar absolut keine Ahnung, wer diese Julie ist, aber solange sie eine derartige Reaktion in dir auslöst, dürfte das hier kein Problem mehr für dich sein“, kicherte sie erleichtert, auch wenn der Schock über Sams ungeheures Tempo im Erlernen der benötigten Fähigkeiten und das schon jetzt überraschend angsteinflößende Gebaren, ihr noch gewaltig in den Gliedern saß. Ihre Tauri Freundin schien zweifellos zufrieden mit sich selbst und Indila konnte in den vergangenen Tagen hautnah miterleben, wie Sam förmlich über sich hinaus zu wachsen begann und aus jedem einzelnen Schritt eine unglaubliche Kraft zu ziehen vermochte.

    `Ich weiß, dass du es nicht hören willst, aber Chrytal hatte recht. Es gibt sie wirklich … und sie steht direkt vor uns´, erklärte Dinaté mit vollster Überzeugung. `Wir müssen es ihr sagen. Wir sind ihr die Möglichkeit schuldig, ihre Entscheidung unter Einbeziehung aller Fakten noch einmal zu überdenken.´

    Der Gedanke, dieses verfluchte Ammenmärchen konnte tatsächlich wahr sein, schnürte Indila die Kehle ab, aber sie musste gestehen, Sams Anblick ließ keinen anderen Schluss mehr zu. Sie war die Frau, von der die jahrhundertelang überlieferte Prophezeiung sprach. Das bis eben noch zufriedenes Lächeln erstarb auf ihren Lippen, ihr Kopf senkte sich langsam und nun waren es ihre Augen, die heftig aufblitzen.

    „Ist irgendwas nicht in Ordnung Dinaté?“, erschrak Sam und wusste absolut nicht, was sie davon halten sollte, dass Indila ihrer Gefährtin ohne jegliche Erklärung die Kontrolle übergab.

    „Womöglich möchtest du es dir doch noch einmal überlegen, Major Carter, denn wenn du hörst …“, begann der Tok´ra Symbiont unsicher, womit sie am besten anfangen sollte.

    „Zweifelt sie etwa schon wieder an mir?“, fiel ihr Sam sofort unvermittelt ins Wort und alle unterdrückten Ängste, die sie bis eben meisterhaft beherrscht hatte, durchbrachen ihre perfekt sitzende Fassade. „War ich nicht gut genug? Wenn sie glaubt, ich lasse mich nach all dem Aufwand jetzt noch davon abhalten, das durchzuziehen, dann hat sie sich geschnitten! Noch nie in meinem Leben habe ich etwas sosehr gewollt und ich ….“

    „Das ist es nicht, Major. Bitte hör dir zuerst an, was wir zu sagen haben“, unterbrach Dinaté die aufgeregte junge Frau und ließ sich in dem dringenden Bedürfnis ihr Gewissen zu erleichtern nicht mehr aufhalten.
    „Es gibt da etwas, das wir dir nicht erzählt haben, weil wir es beide bis eben noch als albernes Geschwätz einer abergläubischen Priesterin abgetan haben. Doch nun, da wir dich erlebt haben, denken wir beide, dass es womöglich doch wahr sein könnte. Unter den Menschen von Uruk gibt es eine uralte Prophezeiung, die besagt, dass irgendwann eine wunderschöne Frau kommen würde, deren Herz größer sei, als das Dach der Welt, deren Augen blauer sind als das Meer, deren Haare goldener schimmern, als die Sonne selbst und deren unschätzbarer Mut die Tyrannei der Goa´uld für immer besiegen wird.“ Für den Bruchteil einer Sekunde war Sam sprachlos.

    „Und jetzt glaubt ihr allen Ernstes, ich sei das?“ Ihre Antwort klang fast ein wenig amüsiert, bevor sie ihre Stimme senkte und sich zwang, die Sache mit dem nötigen Ernst zu betrachten. „Und wenn schon, was könnte falsch daran sein, wenn diese Menschen daraus ihre Kraft schöpfen? Für uns kann das nur gut sein. Sie werden mich unterstützen, wenn sie glauben, ich sei ihre fleischgewordene Prophezeiung. Wir können jede Hilfe brauchen.“

    „Du verstehst das nicht, Sam“, meldete sich Indila aus heiterem Himmel wieder zurück, umfasste Sams Schultern und sah ihr dabei durch einen zarten Tränenschleier hindurch tief in die Augen, während alles ungebremst aus ihr herausbrach. „Chrytal sagt, die Frau aus der Legende wird siegreich sein, aber sie muss bei der Befreiung Uruks ihr eigenes Leben lassen.“

    Beide Frauen starrten sich wortlos an, denn der schmerzverzerrte Blick der sensiblen Tok´ra genügte Sam, um zu wissen, wie sehr die Angst in ihrem Gegenüber tobte und wütete, aber sie hatte fürwahr keine Ahnung, woher die seltsame Gelassenheit kam, mit der sie selbst all diese Information zur Kenntnis nahm.

    „Selbst wenn es so sein sollte …“, begann Sam und zögerte nicht die zitternde junge Frau in ihre Arme zu schließen. „Als ich mich bereit erklärt habe, das hier zu tun, wusste ich genau, auf was ich mich eingelassen habe. Glaub mir, ganz gleich was kommt, es war meine freie Entscheidung und sollte ich dabei sterben, dann ist das mein Schicksal. Ich habe meinen Frieden damit gemacht … verstehst du?“

    Sams Lippen hauchten einen zarten Kuss auf die Stirn ihrer um mindestens einen Kopf kleineren Freundin und schob sie ein klein wenig von sich, um sie mit einem smarten Lächeln, das auch bei Daniel und Cassie nie ihre Wirkung verfehlte, wieder aufzumuntern. „Und jetzt reden wir nicht mehr davon! Sag mir lieber, wieviel Stunden wir noch bis Uruk haben?“

    „Etwa fünf“, antwortete Indila mit einem gequälten Gesichtsausdruck, der Sam spüren ließ, wie tief die Freundschaft bereits ging, die beide verband. „Du solltest noch etwas schlafen, Sam. Ich werde Anise in der Zwischenzeit auf Elbera absetzen und dich wecken, wenn wir da sind.“

    „Tu das“, setzte sich Sam auf den Podest hinter ihr, lehnte ihren Kopf gegen die Wand und wartete bis Indila außer Sichtweite war. Ein kurzer, verstohlener Blick in den Spiegel entlockte ihr ein leises Seufzen, bevor sie zum letzten Mal ihre Augen als Samantha Carter schloss, denn sobald sie wiedererwachte, würde sie kein Major der USAF mehr sein, sondern Gestianna, Göttin der Unterwelt und Herrscherin über Uruk ….



    „Auf die Knie!“, hallte die tiefe, metallische Stimme wie ein unheilvolles Donnergrollen in ihrem Kopf. Unter ihrem ausgestreckten Arm sorgte die vereinte Stärke ihres Willens dafür, dass das Handgerät verheißungsvoll zu glühen begann, dann aber doch noch einmal erlosch. Die gequälten Augen der jungen Mutter vor ihr starrten sie voller Grauen an.

    `Bitte, tu es nicht. Er ist doch noch ein Kind´, flüsterte die Stimme im Inneren ihrer Seele, die dazu verdammt war, sich die abscheuliche Szene mit anzusehen, unfähig das Unvermeidbare zu verhindern. Die Hilflosigkeit, die sie verspürte, verzehrte sie, ließ sie in aller Stille schreien und weinen, aber niemand spürte den einsamen Kampf hinter den Mauern ihres unsichtbaren Gefängnisses.

    „Lasst Gnade walten, meine Königin“, wimmerte die verzweifelte Mutter, bettelte, flehte in den herzzerreißendsten Tönen, während der kleine Junge mit dem pechschwarzen, lockigen Haar zaghaft seinen Kopf hinter ihrem Rücken hervorstreckte, noch nichts ahnend von der Gefahr, in der er sich befand. Unverzüglich schob die Frau ihn mit einer Hand zurück in die vermeintliche Sicherheit, die keine war. „Ich verspreche, er wird es nie wieder tun!“

    „Schweig! Ich bin es leid. Meine Geduld ist am Ende. Er wird für seine Unverfrorenheit bezahlen!“, forderte die zornbebende Stimme.

    „Ich bitte dich, verschon ihn. Nimm mich dafür. Er hat es nicht mit Absicht getan, meine Königin! Bitte …“, brach die Mutter haltlos in Tränen aus, als ihre Peinigerin erneut die Hand gegen den Jungen erhob.

    „Geh mir aus dem Weg!“

    „Nein, nein, bitte … ich flehe dich an …!“ Wieder begann das Gerät zu Glühen und die Mutter drehte sich um, warf sich schützend über den heftig zitternden Körper des Jungen, der nun endlich den Ernst der Lage begriffen hatte. Instinktiv klammerte er sich um den Hals seiner Mutter und presste seinen kleinen Kopf an deren Brust. Aus der Kehle der Frau drangen entsetzliche, markerschütternde Schreie, immer lauter und schriller, als sie einer der Jaffa gewaltsam von ihrem Sohn losriss, ein paar Meter mit sich schleifte und sie mit dem Gesicht voraus auf den kalten Steinboden presste. Der kreischende Junge blieb allein zurück, Schweiß und Tränen strömten über sein maskenhaft starres Gesicht. SIE kannte keine Gnade, geschweige denn die Bedeutung des ihr völlig fremden Wortes.

    „Nein, nicht“, bäumte sich die brechende Stimme der Mutter, die sich weiter erfolglos gegen den übermächtigen Jaffa wehrte, ein letztes Mal auf, doch das Geräusch des glühenden Handgerätes besiegelte sein finsteres Schicksal. Die keuchende Frau schloss ohnmächtig ihre Augen, wimmerte und betete, still und leise, während die durchdringenden Schreie ihres kleinen Jungen den ganzen Raum erfüllten. Der Schmerz, den er mit schwindender Kraft hinausbrüllte, durchströmte die Wände ihres bitterkalten Verlieses in den Tiefen des Tempels, drang bis in jede Fingerspitze, lähmte Körper und Geist …. Nur noch ein grässliches Röcheln blieb, bis auch dieses restlos verstummte.

    Endlich gab der Jaffa die Mutter frei. Stöhnend riss sie ihre Augen auf, stürzte vorwärts und fiel vor der reglosen Gestalt ihres Kindes auf die Knie, um es behutsam in ihre Arme zu heben, als drohte es jeden Moment zu zerbrechen. Sein Kopf lehnte schlaff an ihrer Schulter, während sie ihn wie ein schlafendes Baby hielt, schaukelte und ihm liebevoll eine Locke seines schwarzen Haares von der Stirn strich. Mit den Fingerspitzen fuhr sie über seine Wange, verewigte jedes noch so winzige Detail seines zarten Gesichts in den Tiefen ihres sterbenden Herzens. Ihre Tränen tropften auf seine Lider, seine vom Schrei versteinerten, leicht geöffneten Lippen. Aus seinem Mundwinkel sickerte Blut, das langsam über seine blasse Haut rann und den Boden unter ihm in tiefes Rot tauchte. Der Hauch des Todes legte sich über den Raum. Einen Wimpernschlag lang schien alles in Stille zu versinken, bis IHRE schneidende Stimme die Luft zerriss.

    „Sein armseliges Dasein hatte keine Berechtigung. Er hat nur das bekommen, was er verdient hat“, fauchte sie voller Hohn und richtete ihren Blick auf die beiden Jaffa. „Schafft mir endlich dieses weinerliche Etwas aus den Augen oder ihr seid die nächsten auf meiner Liste!“


    `Was bist du nur für ein abgrundtief böses Geschöpf´, flüsterte sie benommen vom Anblick der trauernden Mutter.

    `Und du bist nichts weiter als eine Närrin …´, entgegnete SIE gefährlich ruhig, bevor sie in lautes, schallendes Gelächter ausbrach, das in den Ohren summte und den Kopf vibrieren ließ. `… denn schon bald gehört auch deine erbärmlich weiche Seele nur noch mir allein … Samantha!´



    „Neiiiiiiin!“ Ein ohrenbetäubender Schrei drang aus Sams Kehle und ihr Körper schoss explosionsartig in die Höhe. Halb aufgerichtet rang sie japsend wie ein Fisch nach Luft, um ihre lechzenden Lungen zu fluten. Ihr Herz pochte hart, fast verbissen gegen ihre Rippen, so als wollte es sich verzweifelt aus der Enge ihrer Brust befreien. Dicke Schweißperlen liefen über ihre Stirn, während ihre weit aufgerissenen Augen mühsam versuchten, sich zu orientieren. Leicht benommen kam sie auf ihren Füßen zum Stehen, schwankte, zitterte und ihr Blick fiel unwillkürlich auf den Spiegel vor ihr, doch das, was sie darin sah, brachte alles Leben in ihr zum totalen Stillstand. Leichenblass starrte sie auf ihr Gegenüber, stolperte einen Schritt zurück. Glühende Augen erwiderten ihren Blick und alles, was sie reflektierten waren Tod und Vernichtung, Qualen und Leid.

    „Nein … das bin ich nicht …“, flüsterte Sam erschrocken über die fremde Frau im Spiegel. Panik umklammerte ihren zitternden Körper, presste sie auf den Boden, hielt sie gefangen. Alles um sie herum begann sich zu drehen, im Dunst IHRER Anwesenheit zu verschwimmen. Von unglaublicher Furcht erfüllt schüttelte Sam ihren brutal hämmernden Kopf, bevor sie ihn schutzsuchend zwischen ihren Händen vergrub.

    „Nein, nein, nein … ich … bin nicht du“, schrie sie schließlich so laut sie nur irgend konnte, doch kein einziger Ton drängte nach außen. Der Schmerz war kaum mehr auszuhalten und sie schloss ihre Augen, hoffte lieber das Bewusstsein zu verlieren, als ihren Verstand, aber es half nichts. Nur Sekunden später öffnete sie ihre Lider, starrte gebannt und mit beklommener Miene in den Spiegel, doch diesmal fand sie darin … nur sich selbst.
    Was zur Hölle geschah nur mit ihr. Tagelang war sie verschont geblieben, doch nun kehrte alles mit verheerender Wucht zurück. Mit einem Mal war aller Frieden dahin, weggespült von schlagartigem, kalten Begreifen. Sam spürte den eisigen Hauch in ihrem Nacken und alle Haare stellten sich auf, das Gefühl sich übergeben zu müssen beinah übermächtig. Aus der Ferne vernahm sie IHR höhnisches Lachen, das lauter und lauter in ihren Ohren dröhnte.

    `Sieh den Tatsachen endlich ins Auge, du bist mir ähnlicher, als du dir eingestehen willst, meine Liebste. Es gibt kein Entrinnen, schon bald bist du mein ….´


    Wie in Trance setzte Sam ein Bein vor das andere, stieß sich dabei von Wand zu Wand und taumelte durch die Tür in den vorderen Raum des Schiffes. Indila saß hochkonzentriert am Steuerpult, schien nichts von dem mitbekommen zu haben, was sich gerade im hinteren Teil abgespielt hatte. In diesem Moment bemerkte Sam, wie das Tel´tak aus dem Hyperraum fiel und ein riesiger Ball vor ihren glasigen Augen erschien.

    URUK!

    Doch so faszinierend und fesselnd der Ausblick auf den Giganten auch war, alles was Sam vernahm, war SIE und ihr bösartiges Lachen:

    `Willkommen Zuhause … Samantha!´

  10. Danke sagten:


  11. #7
    Staff Sergeant Avatar von Sumanira
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    Hallo liebe Leser! Da ich im Moment leider keinen Laptop habe und es hier ohnehin wenige gibt, die mitlesen, wird es hier wahrscheinlich keine Updates mehr geben. Es tut mir ehrlich leid für die wenigen Leut, die es vielleicht doch gelesen haben könnten, aber wer gern wissen will, wie es weitergeht, die Story ist auch auf fanfiction.de nachzulesen und hat dort auch schon 9 Kapitel. Mein Name ist derselbe wie hier. Hoffe, niemand nimmt mir das übel, aber ich denke, es betrifft sicher eh kaum Jemanden.

    Danke für euer Verständnis! Wünsche euch allen einen wunderschönen 2. Advent oder was noch übrig ist davon leider ist der Sonntag ja immer viel zu schnell vorbei.
    LG Susann

  12. #8
    First Lieutenant Avatar von Angelika
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    Ich finde es schade, dass es jetzt nicht weitergeht. Ich habe die Geschichte jetzt erst entdeckt und angefangen zu lesen. Sehr toll und spannend geschrieben und jetzt keine Fortsetzung mehr. Schade, sehr schade.

  13. Danke sagten:


  14. #9
    Staff Sergeant Avatar von Sumanira
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    Hallo Angelika, tut mir echt leid, bin auch sehr selten online hier. Ich muss zugeben, dass ich im Moment hier eh bissl hänge, aber ich setz dir inzwischen die anderen Kapitel nach und nach noch rein, wenn du willst. Hoffe, das ist ok. Ein Wunder, dass ich deine Antwort überhaupt gesehen hab *schäm*

    Ich schreib dir also gleich hiernach das nächste Kap rein, ganz iebe Grüße Susann





    Ein dumpfes Röcheln drang aus Sams Kehle. Indilas Blick sprang erschrocken von dem kleinen Bildschirm vor ihr zu der schwankenden Frau, die sich verbissen an der Wand abstützte und aussah, als hatte sie gerade einen Geist gesehen.

    „Sam?“ Die Leichenblässe in ihrem Gesicht ließ bei der jungen Tok´ra alle Alarmglocken schrillen. Ohne irgendwelche Fragen zu stellen sprang sie auf und konnte den drohenden Sturz ihrer Freundin gerade noch so mit einem beherzten Griff um ihre Hüften verhindern. „Was ist passiert?“

    „Nichts … Gar nichts!“, schüttelte Sam ihren Kopf und das fortwährende Gelächter in ihren Ohren verklang in der warmen, weichen Stimme ihrer Freundin. Die automatische Lüge rutschte wie selbstverständlich von ihren Lippen. Jahrelange Übung zahlte sich aus, in jedweder Lebenslage. Sie war gut darin. Langsam normalisierte sich auch ihr Puls, ihre Atmung wurde flacher und ruhiger. Wie schon die letzten beiden Male zuvor fühlte es sich danach an, als war das alles nur ein simpler böser Traum.

    „Ich sehe doch, dass etwas nicht stimmt“, ließ sich Indila nicht beirren. „Mag sein, dass dir Zuhause immer alle diese überaus schlechte Vorstellung abnehmen, aber versuch das bitte nicht bei mir.“

    „Okay, Okay. Womöglich habe ich in den letzten Tagen nicht genug gegessen und getrunken“, versuchte Sam als nächstes Nummer zwei auf ihrer Liste altbewährter Ausreden und vernahm mit zunehmender Erleichterung das zurückhaltende Nicken ihres Gegenübers. „Ich bin zu schnell aufgestanden und ich schätze, mein Kreislauf war damit wohl etwas überfordert.“ Ihr Repertoire an Notlügen hatte sich im Laufe der Jahre zu einer stattlichen Liste entwickelt, auf die sie nur zu gerne zurückgriff, wenn es notwendig war. Was auch immer all das zu bedeuten hatte, sie musste es allein herausfinden, das Problem allein bewältigen. Der geringste Zweifel an ihrem klaren Verstand würde die junge Frau erneut dazu veranlassen, die gesamte Mission in Frage zu stellen und das wollte sie mit allen Mitteln verhindern. Sam atmete tief durch und ein flüchtiges Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab. „Glaub mir, ein paar Kohlenhydrate, viel Wasser dazu und ich bin wieder topfit.“

    „Na schön, Sam. Ich bringe dich jetzt wieder nach hinten und du wirst das ganz schnell nachholen. Wir werden sicher jeden Moment von den Sensoren gescannt und ich kann nicht riskieren, dass du in dem Zustand vor Ishtar auftauchst“, stellte Indila mit deutlichen Worten klar, schob sie zurück zu ihrer provisorischen Schlafstätte der letzten Nächte und verschwand dann im Maschinenraum, um keine zwei Minuten später mit etwas Obst wiederaufzutauchen.

    „Iss“, forderte sie unmissverständlich, als beide plötzlich den zum Leben erwachenden Monitor am Steuerpult hörten.

    „Ich kümmere mich darum. In ein paar Minuten ist es soweit. Alles läuft wie besprochen, aber bis wir landen, ruhst du dich aus!“
    Sam wusste, argumentieren war zwecklos, also fügte sie sich Indilas Anweisungen, blieb sitzen und verfolgte von ihrem Platz aus das Gespräch, das sie mit einem Jaffa führte, während sie gleichzeitig versuchte mit aller Macht die schrecklichen Bilder vom Tod des kleinen Jungen aus ihrem Gedächtnis zu schieben und durch eiserne Entschlossenheit zu ersetzen. Womöglich waren das alles lediglich Auswüchse ihrer blühenden Fantasie, versuchte sie sich krampfhaft einzureden, aber die sofort wiedereinsetzende Erinnerung an den Vorfall mit Julie machte diese Hoffnung jäh zunichte. Ganz gleich, wo auch immer die Wahrheit lag, der Zeitpunkt darüber nachzudenken war äußerst schlecht, denn alles, was jetzt zählte, war Ishtar mit einer schauspielerischen Glanzleistung von ihrer Echtheit zu überzeugen und womöglich konnte sie sich genau diese so beängstigenden Träume dabei zunutze machen, um sich so einen entscheidenden Vorteil zu verschaffen.

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    Vom Rücken des Pferdes aus bot sich ihr eine atemberaubende Aussicht auf die Stadt, der keine noch so detaillierte Beschreibung je hätte gerecht werden können. Hinter ihr lag ein schier endloses Meer kleiner flacher Häuser, die fast Labyrinth ähnlich aneinanderklebten und nur einem Ziel folgten, den monumentalen Tempelanlagen im Zentrum. Vor ihr thronten bereits die massiven Mauern, die den Stadtkern umschlossen und um die sich beständig die Lebensader, ein langer, breiter Wassergraben, schlängelte. Keine Worte konnten auch nur ansatzweise wiedergeben, welche Gefühle sich in Sams Inneren ausbreiteten.
    Unzählige verhaltene, fast schon ängstliche Blicke, die sich sofort zu Boden senkten, sobald Sam sie erwiderte, säumten ihren Weg entlang der staubigen Gassen und brachten sie mit jedem zurückgelegten Schritt ihrer Bestimmung ein Stückchen näher. Eine seltsam gedrückte Atmosphäre lag über diesen einfachen Menschen. Fast alle Frauen trugen schlichte, weiße Kleider, während sich die Robe der Männer zumeist nur auf eine Art langen Rock um ihre Hüften beschränkte.

    Ein lautes Geräusch holte sie schließlich aus ihren Gedanken. Die Schreie eines Kindes, die in der unheimlichen Stille auch kaum zu überhören waren, drangen umso lauter in Sams Ohren und eine merkwürdige Unruhe machte sich im Gedränge breit, als sie das brüllende Baby ein paar Meter voraus auf dem Arm seiner plötzlich in Panik geratenden Mutter entdeckte. In den Augen der jungen Frau spiegelte sich dieselbe nackte, pure Angst wider, die sie erst kurz zuvor in ihrem Traum gesehen hatte. Vollkommen panisch bedeckte die Mutter die bebenden Lippen des schreienden Bündels mit ihrer Hand, drängte sich durch die Menschen nach hinten und verschwand in der vermeintlichen Sicherheit des endlos erscheinenden Häusermeeres. Erschüttert von ihren eigenen Schuldgefühlen und dem Wissen, dass sie allein der Grund für die entsetzliche Furcht dieser Menschen war, fiel Sams Blick auf ihre Hände, die sich so fest an die Zügel ihres Pferdes klammerten, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Nur mit größter Mühe unterdrückte sie ihr aufbegehrendes Mitgefühl und versuchte so krampfhaft die Fassade der skrupellosen Goa´uld Göttin aufrechtzuerhalten, für die sie alle zu halten schienen. Nur Sekunden später ging ein leises Raunen durch die Menschenmenge und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf den Reiter, den sie vom Palast her auf sich zukommen sah.

    „Wer ist das?“, flüsterte Sam ihrer Begleiterin zu, die beinah totenstill neben ihr ritt. Sie konnte die Person aus der Ferne noch nicht genau erkennen, obwohl die Silhouette und die Art des erhabenen Auftretens, ihr ein seltsames Gefühl von Vertrautheit vermittelten. Ein schmales Lächeln umspielte Indilas Lippen, als sie sich zu ihr hinüberbeugte.

    „Das ist Ferim“, murmelte die junge Frau und Sam spürte die Woge der Erleichterung wie eine Flutwelle durch ihre Adern rauschen. „Wenn wir Ishtar erst einmal hinter uns haben, ist er die nächste große Hürde.“

    Instinktiv wusste Sam, dass es mit Sicherheit nicht leicht werden würde, den, Erzählungen und Erinnerungen zufolge, stolzen Mann mit einem ausgeprägten Ehrgefühl von sich zu überzeugen. Eine gewöhnliche Taurifrau als Schlüssel zu Uruks Freiheit. Die Ähnlichkeit mit Teal´c war in jederlei Hinsicht verblüffend, und sie hoffte inständig, dass sich die langjährigen Erfahrungen mit dem befreundeten Jaffa im richtigen Umgang mit Ferim vielleicht bezahlt machten.
    Je näher er kam, desto mehr offenbarte sich Sam die Gestalt des imposanten Kriegers. Die für einen Jaffa vollkommen untypische Bekleidung beinhaltete nicht mehr als ein langes, enganliegendes, ärmelloses Kettenhemd, das bis zu den Knien reichte, einen schmalen Gürtel, der es umschloss und einem einfachen, weißen Schal, der leger über seine linke Schulter gelegt war. Abseits des spärlichen Gewandes zeichnete sich das geschmeidige Zusammenspiel seiner athletischen, kraftvollen Muskulatur ab, während seine gebräunte Haut in den beiden untergehenden Abendsonnen schimmerte, ihn in ein einzigartiges Licht tauchte und seine Muskelansätze definierte, wie die einer perfekten römischen Marmorstatue. Sein volles, lockiges Haar betonte jeden seiner markanten Gesichtszüge, die im selben Maße Härte, wie auch Sanftmut ausstrahlten. Faszinierende, leuchtend braune Augen brachten sein charmantes Lächeln zu vollendeter Geltung, als er sein Pferd vor ihr stoppte und Sam dabei forschend von Kopf bis Fuß musterte. Eine unterschwellige Spannung, die beinah mit Händen greifbar war, lag in der Luft, als müsse sie sich jeden Moment in einem schaurigenBlitz entladen.

    „Meine Königin“, verneigte er schließlich voller Ehrfurcht seinen Kopf vor ihr und Sam stieß erleichtert ihren Atem aus, den sie unbewusst gehalten hatte. „Wie ich sehe, seid ihr wohlbehalten zurückgekehrt. Indila hat uns schon von den Unannehmlichkeiten berichtet, die euch die Tauri bereitet haben. Ich geleite euch zum Tempel. Ishtar wünscht, euch umgehend zu sehen … und eure neue Wirtin natürlich auch.“

    „Dann sollten wir keine Zeit mehr verlieren, Ferim. Du weiß, wie sie es hasst, zu warten …“, antwortete Sam mit einer Selbstverständlichkeit, als kenne sie Ishtar tatsächlich schon seit Jahrtausenden, dabei schlug ihr Herz so laut, dass sie befürchtete, jeder konnte es hören. Der verwirrte Blick des Jaffa wanderte kurz zwischen ihr und Indila hin und her, bevor er nickte und sein Pferd drehte, um die Spitze der kleinen Gruppe zu übernehmen, die sich schon wenige Augenblicke später weiter in Richtung Tempelanlage bewegte.

    Es dauerte nicht lange, bis die massiven Ziegelbauten direkt vor ihnen auftauchten. Daniels Worte hallten unwillkürlich in ihrem Kopf. Gelebte Geschichte, hatte er es genannt. Wenn er jetzt nur mit seinen eigenen Augen sehen könnte, was gerade mit jedem zurückgelegten Meter immer näher rückte. Entlang des Wasserkanals, den sie überquerten, ragten in regelmäßigen Abständen hohe Palmen aus den begrünten Uferhängen und ein riesiger runder Torbogen, der links und rechts von zwei massiven quadratischen Türmen flankiert wurde, ermöglichte bereits von außen die Sicht auf den ausladenden Platz im Inneren des Palastkomplexes. Sam fühlte sich wie ein Statist in einem von Hollywoods großen Monumentalfilmen, mit dem gravierenden Unterschied, dass sie dabei eine der Hauptrollen bekleidete.

    Der Tross, an dessen Ende sich inzwischen ein ganzes Gefolge Jaffa und einige Tempelbedienstete eingefunden hatten, kam in der Mitte des gigantischen Innenhofes zum Stehen. Sam schwang sich vom Pferd, das ihr sofort von einem der Männer abgenommen wurde und bestaunte mit halboffenem Mund, was immer sie als nächstes zu sehen bekam. Hunderte von Fackeln waren ringsum an den gewaltigen Ziegelmauern befestigt, tauchten den gesamten Platz in ein warmes Licht und ersetzten nach und nach das Orange der am Horizont versinkenden Abendsonnen. Unzählige bizarre Schatten tanzten an den Wänden, bewegten sich im dumpfen Rhythmus der einsetzenden Trommeln. Hoch konzentriert fixierten Sams Augen die grazile Figur, die wie in Zeitlupe aus dem Dunkel hervortrat. Eine Gruppe Jaffa begleitet sie, unter ihnen ihr eigener erster Primus Reynac, der keinen Millimeter von ihrer Seite wich und sie ansah, als sei sie eine Heilige. Es verschlug Sam förmlich die Sprache angesichts so viel Schönheit und Anmut. Sie konnte sich nicht davon abbringen, die Frau vor sich anzustarren, vollkommen fasziniert von ihrem kraftvollen, vor erotischer Energie nur so strotzenden Körper. Sie machte ihrem Titel als Göttin der Fruchtbarkeit und der körperlichen Liebe wahrlich alle Ehre. Kein Wunder, dass man ihr, ebenso wie Harthor, die Fähigkeit nachsagte, Männer willenlos in ihren Bann zu ziehen, wenn sie es sogar schaffte, Sam mit ihrem bloßen Anblick zu fesseln. Die Perfektion ihres Gesichtes setzte sich in ihrer gesamten Gestalt fort. Bis hinunter zu den schlanken Fesseln war sie in jedem Detail makellos. Ihre langen schwarzen Locken schlugen in der sanften Brise wild, und doch geordnet, um ihre schmalen Wangen. Mit ihren blassrosa Lippen und den langen Wimpern wirkte sie wie eine Puppe, eine perfekte Puppe, zart und zerbrechlich. Hätte Sam nicht gewusst, welch enorme Kraft und Kaltblütigkeit sich hinter der perfekten äußeren Schale verbarg ….

    Das typische Aufblitzen in den tiefbraunen Augen ihres Gegenübers aber warf Sam schnell zurück in die Realität. Vor ihr stand ein überaus gefährlicher Goa´uld, der auf keinen Fall merken durfte, dass sie nicht die war, die sie vorzugeben versuchte. Sam konzentrierte sich mit aller Macht auf die hochkochenden Emotionen in ihrem Inneren. Es hatte schon einmal funktioniert und es musste wieder funktionieren. Ein unheimliches Engegefühl verschnürte ihre Brust, ließ sie unauffällig nach Luft schnappen.

    Jetzt Sam, jetzt!

    Ihr Puls hämmerte unablässig in ihren Ohren, als jenes verhasste Bild im Herzen alle Emotionen zum Kochen brachte und so endlich das erlösende Glühen in ihren eigenen Augen auslöste.

    „Wie ich sehe, hast du einen angemessenen Ersatz gefunden, liebste Gestianna?“, hallte Ishtars gellende Stimme über den ganzen Platz, während Sam die eingehende Ganzkörperinspektion geduldig über sich ergehen ließ. „Ich hoffe, sie wird uns von Nutzen sein.“ Bedächtig umrundete sie der Goa´uld wie ein Löwe seine Beute, wieder und wieder ließ sie ihren Blick über Sams Körper gleiten, bevor ein gewinnendes Lächeln über ihre Lippen zog. „Aber so wie ich dich kenne, wirst du sicher alles aus ihr herausholen, was unserer Sache dienlich sein könnte … nicht wahr?“

    „Worauf du dich verlassen kannst … Ishtar!“, verfinsterte sich Sams Gesichtsausdruck und ein lautes hämisches Lachen drang aus ihrer Kehle. Für den Bruchteil einer Sekunde war sie sich nicht mehr sicher, ob die Worte, die nun ihre Lippen verließen, wirklich noch ihre eigenen waren. „Diese dumme, einfältige Tauri glaubte doch tatsächlich, sie könnte MICH besiegen.“

    „Nun ja …“, kam Ishtar direkt vor ihr zum Stehen. Wie glühend heißes Feuer spürte Sam den Atem des Goa´uld auf ihrer Haut und hielt verbissen dem schneidend scharfen Blick stand, der sich durch ihre Augen bis tief in ihre Seele bohrte.
    Auch Indila, die zwar äußerlich vollkommen ruhig, aber innerlich vor heller Aufregung zitternd, neben ihr stand, wusste, dass dieser eine Moment über Erfolg oder Misserfolg entscheiden würde. Nur der Hauch eines Zweifels oder ein Anflug von Furcht konnte alles zunichtemachen … doch zur Überraschung der Tok´ra, die kaum glauben konnte, wie überzeugend Sam war, schmolz Ishtars Misstrauen mit jeder Sekunde immer mehr dahin.

    „Offenbar hatte das naive Ding keine Ahnung, dass man sich besser nicht mit dir anlegen sollte“, betonte der Goa´uld mit einem überheblichen Grinsen. „Ein fataler Fehler … und ein unerwarteter Glücksfall für uns. Anubis wird hocherfreut sein, wenn er erfährt, wer deine neue Wirtin ist.“

    „Du sagst es“, erwiderte Sam, der die Rolle förmlich auf den Leib geschneidert zu sein schien, ohne das geringste Anzeichen von Unsicherheit. „Aber bei aller Freude, liebste Schwägerin, nach der langen Reise und den unerwarteten Turbulenzen bin ich etwas … nun ja, ich gebe es ungern zu … erschöpft. Wenn du mich jetzt also entschuldigen würdest!“

    „Aber sicher doch“, trat Ishtar gespielt unterwürfig beiseite. „Deine Sklavinnen warten bereits sehnsüchtig auf dein Eintreffen.“ Sam spürte mit jeder Geste und jedem Wort die unter der perfekten Oberfläche schwelende Feindschaft zwischen den zwei Goa´uld, die einander hassten und sich dennoch brauchten. Ihre Aufgabe bestand also darin, hinter das große Geheimnis zu kommen, wie man Gestiannas Technologien außer Kraft setzen konnten, aber eines war so sicher wie das Amen in der Kirche. Sie brauchte Ishtar, um ihr Ziel zu erreichen und die Herausforderung, sich währenddessen im Zusammenleben mit dem exzentrischen Goa´uld nicht zu verraten, würde ihr wahrhaftig alles abverlangen … auch Dinge, die sie wohl unter normalen Umständen nicht zu geben bereit war.

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    Sam blendete den aufkommenden Sturm zwischen Indila und Ferim gekonnt aus und genoss stattdessen die fesselnde Aussicht, die der balkonähnliche Vorbau an ihrem persönlichen Quartier auf die Lichter der Stadt zu ihren Füßen bot. Die Nacht hatte ihre sanften Schwingen über Uruk ausgebreitet und dennoch war alles hell erleuchtet. Von oben wirkte es wie eine Flut von Fackeln, deren Flammen im lauen Abendwind loderten, während der stetige orientalische Gesang der Frauen irgendwo inmitten des Häusermeeres eine vermeintlich heile Welt vorgaukelte. Die Mauern der Tempel ragten im Stadtkern empor, doch noch höher schraubte sich der Turm der Eanna wie eine steinerne Spirale in den Himmel. Die beeindruckende Zikkurat hielt Sams Blick gefangen, beflügelte ihre Fantasie und versorgte sie mit Bildern eines langen, kaum fassbaren Lebens. In der Ferne thronten die Gipfel der Berge und wohin das Auge reichte lagen kleine Dörfer, grüne Oasen inmitten der Wüste und Felder wie Flicken in einem riesigen Teppich. Selbst Daniels Bücher konnten nicht in Worte fassen, was sie zu sehen bekam. Das Paradies am Rande der Galaxie! Auch wenn sie gerade einmal zwei Stunden hier war, faszinierte sie dieser Planet, seine Menschen und ihre Gebräuche schon jetzt mehr, als sie jemals für möglich gehalten hatte. Es war, als sei sie leibhaftig heimgekehrt und vielleicht war sie das auf eine gewisse Weise, die sie im Moment noch so wenig verstand, wie all die anderen Geheimnisse, die diesen Ort umgaben.
    Ihr Blick schweifte weiter in die Ferne, wo die Palmenwedel über den sternenklaren Himmel strichen und Sam schloss ihre Augen, um die sanfte Brise, die zärtlich über ihre Haut streichelte, mit allen Sinnen zu spüren und zu genießen.



    Stille. Menschen schrien. Über der Stadt brannten die beiden Sonnen am Himmel, unerbittlich und heiß. Von der Wüste her wehte ein trockener Wind. Viele Geräusche drangen durch die Mauern, dominiert von grellen Schreien, die sich wie Säure durch ihre Seele fraßen. Es war eine andere Art von Stille. Jene, die erklang, wenn das Blut pochend durch die Adern schoss, grausam, erschreckend …seltsam. Ihr Atmen war schwer, ihr Mund trocken. Sie horchte, lauschte ihrem immer langsamer werdenden Herzschlag, doch sie erinnerte sich, dass es noch einen anderen gab: Den der Welt! Ihre Gedanken wirbelten umher, sprangen von Erinnerung zu Erinnerung, fanden weder Anfang, noch Ende. Dann sah sie ihn. Leise bahnte sich seine Stimme den Weg durch ihren brüchigen Verstand, fing ihr Herz, bevor es fiel. Doch die Dunkelheit war schneller, überkam sie, schwächte sie und sie empfing den Schmerz, der ihr ein wenig Kraft zurückgab. Der Tod stand am Ende allen Lebens … aber nicht hier, nicht an diesem Ort und nicht zu dieser Zeit ….



    Sam Lider flatterten, flogen auf und sie zuckte zusammen, als hätte man ihr einen Schlag verpasst. Wieder waren da diese Kopfschmerzen, bohrend und brennend. Eine Wand aus blassem Dunst umgab sie. Instinktiv klammerte sie sich an die steinerne Brüstung, um ihren schwankenden Körper wieder unter Kontrolle zu bringen, sofern das noch möglich war. Sekunden fühlten sich an wie Stunden. Allmählich schärfte sich ihre schemenhafte Sicht, verschwamm, schärfte sich. Aufbegehrende Stimmen zogen sie zurück in die Gegenwart, doch die düstere Ungewissheit blieb. Wohin hatte sie dieser Traum getragen, Vergangenheit … oder Gegenwart? Sie schluckte, drückte die aufkommende Übelkeit zurück in die Tiefen ihres Magens. Die Abstände wurden kürzer, die Intensität stärker, die Fähigkeit zu unterscheiden schwand dahin wie der riesende Inhalt einer Sanduhr. Das Schlimmste aber, war zu spüren, wie der Verstand bröckelte, mürbe wurde, mehr und mehr an Substanz verlor. Wieviel Zeit blieb ihr noch, bis man ihn zwischen zwei Fingern zerbröseln konnte? War sie verrückt oder dabei, es zu werden? Fragen über Fragen türmten sich in ihrem verwirrten Kopf.

    Sam warf einen kurzen Blick über ihre Schulter. Mit einem erleichterten Seufzen stellte sie fest, dass Indila und Ferim nichts von ihrem kurzen Aussetzer bemerkt hatten. Der lautstarke Disput im Inneren ihres opulenten Schlafzimmers war bereits in vollem Gange und holte sie aus dem tiefen Loch, in das sie ihre Angst erneut hineinzuziehen drohte.

    „Bist du von allen guten Geistern verlassen? Wie konntest du sie hierherbringen? Eine gewöhnliche Taurifrau …! Du hattest mir einen eurer Spione versprochen!“, vernahm Sam die aufbrausende Stimme von Ferim, dessen erhitztes Gemüt sich nur noch mehr aufzuheizen schien, je mehr Indila versuchte, ihre Entscheidung zu verteidigen.

    „Sie ist dort eine angesehene Kriegerin … genau wie du hier!“, stemmte die junge Frau ihre Hände in die Hüften, bevor sie sich in voller Größe vor dem Jaffa aufbaute. Sam imponierte es sichtlich, dass die junge Tok´ra so vehement für ihre Ehre einstand, doch am Ende war es allein sie, die ihren Primus durch Taten und nicht durch Worte davon überzeugen musste, ihr zu folgen, auch wenn sie im Augenblick nicht viel mehr als Letzteres zur Verfügung hatte.

    `Mag sein, dass du Ishtar vorerst mit deiner mageren Vorstellung überzeugen konntest, aber er wird dich nie als seine Herrin akzeptieren, geschweige denn Befehle von dir entgegennehmen. Die Ehre eines Jaffa ist sein höchstes Gut. Ferim dient keiner einfältigen Menschenfrau … niemals! Du brauchst mich, wenn du ihn für dich gewinnen willst, Samantha. Schließlich ist er MEIN erster Primus …´, verhöhnte sie die Stimme tief drinnen, die wie aus dem Nichts aufgetaucht war und sie auf der Stelle erstarren ließ. Sam konnte IHR selbstzufriedenes Grinsen förmlich vor sich sehen, doch das erste Mal spürte sie das Aufbegehren in ihrem Inneren. Sie wollte sich nicht mehr hinter der Angst verstecken, die SIE gezielt in ihr zu schüren versuchte. So leicht würde sie es IHR nicht machen, ihren Körper zu stehlen und ihre Seele zu vergiften. Sam war bereit die Fesseln der Dunkelheit abzustreifen, zu kämpfen, nicht nur für die Freiheit dieser Menschen, nein auch für ihre eigene.

    `Er WAR dein Primus, meine Liebe! Du bist tot … jedenfalls physisch, ganz gleich, welche Macht du über mich zu haben glaubst! Ich bin … und ich werde keine deiner Marionetten´, brach all die aufgestaute Wut aus Sam heraus, die bittere Enttäuschung darüber, dass sie sich in den letzten Tagen viel zu oft ihrer Furcht hingegeben hatte, anstatt es als das zu sehen, was es war: Eine Chance! Es war notwendig, den Gedanken zuzulassen, dass SIE wohl noch eine Zeit lang einen festen Platz in ihrem Kopf einnehmen würde, aber war sie nicht eigentlich genau deshalb hierhergekommen, um sich dem Kampf zu stellen?

    `Er wird mir nicht dienen, da hast du vollkommen recht´, zischte Sam siegessicher zurück. `Nein, er wird mir freien Willens helfen, euch zu zerstören. Verlass dich darauf!´

    Entschlossen, die Sache allein und auf ihre eigene Art zu regeln, lief Sam nach drinnen, drängte sich zwischen die Tok´ra und den Jaffa, legte jedem eine Hand auf die Brust und schob sie bestimmend auseinander, bevor sie sich zu ihrer Freundin herunterbeugte und ihr ins Ohr flüsterte.

    „Würdest du uns vielleicht einen Augenblick allein lassen?“, bat Sam die Tok´ra, deren mürrisches Stöhnen schnell deutlich werden ließ, dass sich ihre Begeisterung darüber in Grenzen hielt. Doch schon der leiseste Versuch eines Protests wurde von Sams glühenden Augen und ihrer laut hallenden, metallischen Stimme im Keim erstickt. „Das war keine Bitte, Indila … sondern ein Befehl!“

    Die junge Frau zuckte erschrocken zusammen und brauchte ein paar Sekunden, bis sie sich wieder gefangen hatte. „Ganz wie du meinst, Sam“, gab sie sich leise grummelnd geschlagen. „Ich warte dann draußen … falls du mich doch noch brauchst.“

    Ferim starrte ihr leicht verwirrt nach, verschränkte sogleich abwehrend seine Arme vor der Brust und verzog dabei keinerlei Miene, während er so fest verwurzelt wie ein Baum in der Erde vor Sam stand und sich nicht von der Stelle rührte. Ein flüchtiges Lächeln huschte über ihr Gesicht, denn ganz unwillkürlich kam ihr Teal´c in den Sinn und sie fragte sich, ob jedem Jaffa dieser starre Ausdruck wohl in die Wiege gelegt war oder man es ihnen als Kinder mühsam antrainiert hatte. Sie schüttelte den Gedanken schnell ab und erwiderte stattdessen Ferims unnachgiebigen Blick, der durch sie hindurch zu gehen schien und dann im Nirgendwo endete. Seine Mimik war festgefroren, seine Lippen schmal und seine Augen gaben nichts von dem Preis, was in ihm vorging. Nur hier und da zuckte unterschwellig ein Muskel.
    Sam verkniff sich ihr aufbegehrendes Seufzen und bohrte ihren Finger tief in seinen muskulösen Oberkörper.

    „Also … Ferim“, begann sie zögerlich und hoffte irgendwie seine meterhohe Mauer aus Ehrgefühl und Stolz zu durchdringen, die ihm eine objektive Sicht auf die Dinge verwehrte. „Wie ich die Sache sehe, hast du genau zwei Möglichkeiten. Entweder du sträubst dich weiter, mich zu akzeptieren und das Ganze hier ist von vornherein zum Scheitern verurteilt … oder aber du gibst mir wenigstens die Möglichkeit, dir zu beweisen, dass ich die richtige Wahl bin. Es ist eure einzige Chance und du weißt das.“

    Ein wenig bewunderte sie ihn fast für die Konsequenz, mit der er sie ignorierte. Die Luft schien sich binnen Sekunden um mehrere Grad abgekühlt zu haben und das wollte inmitten einer Wüstenoase schon etwas heißen. Das Schweigen zwischen beiden wurde unerträglich. Vorsichtig legte sie ihre Hand auf seinen Oberarm, der sich hart wie Eisen anfühlte und erahnen ließ, dass seine gespielte äußere Gefasstheit langsam zu bröckeln begann.

    „Du hast nichts zu verlieren, was du nicht ohnehin schon verloren hast“, flüsterte sie und sah, wie sich sein Brustkorb hektisch hob und senkte, wie er jedes Quäntchen Sauerstoff so lebenshungrig in sich einsog, als würde sie es ihm durch ihre bloße Anwesenheit streitig machen. Es war dieselbe Art Kampf, die sie damals auf Chulak auch in Teal´c gesehen hatte. Nach einer gefühlten Ewigkeit spürte Sam, wie seine Augen sich ihr öffneten, sie das erste Mal wirklich ansahen und versuchten die Wahrheit in ihnen zu erkennen, während sie weitersprach. „Glaub mir, wir haben bereits mehrere Systemlords besiegt, vielen Welten zur Freiheit verholfen … Hilf mir, dass auch ihr frei sein könnt. Ich brauche dich … so wie du mich!“

    „Na schön …“, warf er seinen Kopf in den Nacken und stöhnte so laut auf, als hatten ihn diese zwei Worte bereits all seine Kraft gekostet. Wieder begegneten ihre Blicke einander und ein Großteil der anfänglichen Feindseligkeit war einem zarten Gefühl der Zuversicht gewichen. „Jeder Mensch hat eine Chance verdient. Du hast die weite Reise auf dich genommen, um uns zu helfen und dafür sollte ich dir ebenfalls ein stückweit entgegenkommen. Wir haben tatsächlich nichts zu verlieren … aber womöglich etwas zu gewinnen.“

    „Vielen Dank“, atmete Sam erleichtert auf und glaubte, er musste den riesigen Steinbrocken hören, der gerade von ihrem Herzen fiel. Sie streckte ihm ihre Hand entgegen, die er kurz betrachtete, bevor er sie mit einem warmen Lächeln ergriff, das die Finsternis der letzten Tage sofort mit einem warmen Licht erhellte. Die erste Eisschicht war gebrochen, auch wenn es nur der Anfang war. „Mein Name ist Samantha Carter, aber für meine Freunde bin ich nur Sam und ich hoffe doch sehr, dass ich dich auch dazu zählen kann?“

    Wortlos verneigte sich der Jaffa vor ihr.

    „Also … Sam“, ahmte er sie nach und zögerte noch eine Sekunde. „Wie ich die Sache sehe, wirst du die nächsten Tage alle Hände voll zu tun haben, Ishtar die perfekte Vorstellung einer skrupellosen Goa´uld Queen zu liefern und ich kann nur hoffen, du weiß, worauf du dich dabei eingelassen hast …!“

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    „Ach komm schon Jack“, bettelte sie beharrlich weiter. „Ich vermisse dich. Auf der Basis darf ich gerade mal `Hallo´ zu dir sagen. Du warst schon letzte Nacht nicht hier und du hast versprochen, dass du mich auf diese Party begleitest. Papa möchte dich endlich kennenlernen.“ Gott, er hasste es, sich wie ein Feigling mit einer Lüge aus der Affäre zu ziehen, aber manchmal war selbst das besser, als jemanden zu verletzen, der einem etwas bedeutete. Ja, Julie bedeutete ihm etwas.

    „Ich kann einfach nicht, Jules“, murmelte er ins Telefon und war froh, dass sie das verräterische Rot in seinem Gesicht jetzt nicht sehen konnte. „Teal´c ist mein Freund und er braucht mich.“ Trotz aller Gewissensbisse log er unverblümt weiter. Für diese Art von Veranstaltung hatte er gerade weiß Gott keine Nerven. Alles, wonach sein Herz begehrte, war ein ruhiger Abend mit Teal´c und Daniel, auch wenn er und sein bester Freund sich im Moment nicht wirklich viel zu sagen hatten. Die letzten zwei Wochen hatten sich zu seinem persönlichen Albtraum entwickelt. Die Hoffnung Carter im Schoss ihrer Familie in San Diego vorzufinden, hatte sich nach Dr. Fraisers Anruf dort binnen Sekunden als Sackgasse erwiesen und auch sonst war jede noch so kleine Spur ergebnislos im Sande verlaufen. Zu sagen, er war deprimiert, war eine himmelweite Untertreibung. Er hatte wahrlich alle Quellen angezapft, die ihm zur Verfügung standen, sowohl die offiziellen, als auch all seine zwielichtigen Kontakte aus alten Zeiten. Seit ihrem Verschwinden gab es weder Kontobewegungen, noch Kreditkartenumsätze. Carter war wie vom Erdboden verschluckt, jedes Lebenszeichen erloschen, wie ein Geist, der zwar über ihnen schwebte, sich aber jedes Mal in Schall und Rauch auflöste, sobald man danach griff. Seine Sorge um sie hatte inzwischen Dimensionen erreicht, die alle anderen Momente, in denen er geglaubt hatte, sie verloren zu haben, in den Schatten stellte und der Gedanke, sie könnte sich in ihrer derzeitigen Verfassung etwas antun, hatte ihn schließlich dazu veranlasst, seine Suche auf alle Krankenhäuser des Landes auszuweiten. Zu seiner Erleichterung ergebnislos, aber er wusste, dass es im Grunde genommen keinerlei Bedeutung hatte. Ohne ein Wort zu gehen und sich nicht einmal von Daniel zu verabschieden, waren ebenso wenig Carters Art, wie die Ereignisse auf dessen Party. Wenigstens für das SGC blieb sie im Notfall immer erreichbar.

    „Teal´c ist doch kein kleines Kind mehr. Kann er die Probleme mit seinem Sohn nicht mit Daniel besprechen?“, hallte ihre zunehmend frustrierte Stimme in seinem Ohr.

    „Daniel hat keinerlei Erfahrung mit Kindern. Es tut mir ehrlich leid, Jules, aber ….“

    „Na schön, Jack“, fiel sie ihm überraschend sanft ins Wort und änderte mit einem Schlag sowohl ihren Ton, als auch ihre Strategie. „Was hältst du davon, wenn ich einfach nach der Party noch zu dir komme? Die beiden bleiben doch sicher nicht die ganze Nacht?“ Jedes einzelne Wort war mehr gehaucht, als gesprochen. Sie versuchte wirklich alle Register zu ziehen, aber das, was ihr gerade vorzuschweben schien, war im Moment definitiv nicht auf seiner Liste der bevorzugten Tätigkeiten für diesen Abend.

    „Du weißt, dass es nichts gibt, was ich lieber täte, als die Nacht mit dir zu verbringen, aber Daniel hat nicht vor nach Hause zu fahren“, rutschte die nächste Lüge glatt von seinen Lippen, während sein Gewissen bereits lauthals nach Erleichterung schrie. „Bitte verlang nicht von mir zu wählen.“

    Es war verrückt. Wie konnte er sie so hintergehen und das nach nicht einmal einem Monat … ? Was? Beziehung? Affäre? Oder womöglich doch nur Ersatz für diesen einen Menschen, der seit über sechs Jahren in seinem Kopf und seinem Herzen spukte, dabei so nah war und doch so unerreichbar fern? War Julie mehr als nur das Resultat aus dem ewigen Kampf, über das Verlangen nach IHR hinwegzukommen?

    „Warum stößt du mich seit Tagen fort, Jack?“ Er hörte das leise Schluchzen im Hintergrund, die Verzweiflung in ihren Worten und seine Schuldgefühle brachen wie ein berstender Damm über ihn herein … aber er konnte sie jetzt nicht bei sich haben. Nicht wenn sich seine Gedanken gerade um etwas … nein um jemanden ganz anderes drehten.

    „Du weiß, dass das nicht wahr ist. Es geht nur darum, einem Freund beizustehen. Ich verspreche, morgen mach ich das alles …“, versuchte er sie zu beschwichtigen, als ihn der schrille Ton seiner Klingel erlöste und er dankbar das Thema wechselte. „Teal´c und Daniel sind da. Bitte sei nicht böse auf mich! Morgen … okay?“

    „Okay.“ Ein wenig überzeugendes Flüstern kroch durch den Hörer. „Ich liebe dich, Jack“, ergänzte sie zärtlich und schien voller Sehnsucht auf eine Antwort zu warten.
    „Ja …“, zwang er sich hervor. „Ich dich auch“, unsicher ob seine Worte überhaupt begannen, an der Wahrheit zu kratzen, aber sie brauchte diesen Zuspruch, den er ihr jetzt auf keinen Fall verweigern durfte und es schien tatsächlich so, als konnte das die über Tage aufgestaute Spannung ein wenig nehmen.

    „Bis morgen“, hörte er sie mit einem leisen Seufzen auflegen, tat dasselbe und eilte zur Tür, vor der er allerdings nur Teal´c vorfand, drei Kartons Pizza an seine Brust gepresst und einen Sixpack Bier in der Hand.

    „Daniel?“, fragte Jack verdutzt und folgte dem Blick des Jaffa in Richtung Straße, wo er seinen besten Freund mit dem Telefon am Ohr wild gestikulierend im Auto sitzen sah. „Was ist los?“

    „Er hat soeben einen Anruf von General Hammond erhalten. Soweit ich verstanden habe geht es um Major Carter“, drängte er sich an Jack vorbei, der ganz plötzlich wie eine leblose Statue im Türrahmen lehnte, um jeden von Daniels sich sekündlich verändernden Gesichtszügen eingehend zu studieren. „O´Neill?“

    „O´Neill!“

    „Hm?“, murmelte Jack, ohne seine Augen auch nur einmal vom Objekt seines Interesses abzuwenden.

    „Ich bin sicher, Daniel Jackson wird uns alles berichten, sobald sein Gespräch beendet ist. Wir sollten die Pizza essen, bevor sie kalt wird.“ Teal´c legte ihm vorsichtig die Hand auf die Schulter und spürte dabei wie aufgewühlt sein Tauri Freund war. Die verzweifelte Suche nach irgendeinem Lebenszeichen von Major Carter hatte ihn enorme Kraft gekostet und Teal´c konnte lediglich erahnen, dass seine Nerven nur noch an einem seidenen Faden hingen, denn bis jetzt hatten sowohl er, als auch Daniel Jackson sein Angebot auf ein Gespräch abgelehnt. Am Ende war es schließlich Dr. Fraiser, die Erbarmen hatte und ihm von dem Vorfall am Abend der Party erzählte. Sie alle saßen wie auf glühenden Kohlen, stets in Erwartung einer Katastrophe einerseits und der bangen Hoffnung auf eine harmlose Erklärung andererseits. Was ihm allerdings im selben Maße Kopfzerbrechen bereitete, war die Tatsache, dass sich die Kommunikation zwischen seinen beiden Freunden seither nur auf Wortfetzen und undefinierbare Blicke beschränkte. In der Luft lag eine Mischung aus unausgesprochenen Vorwürfen und mindestens genauso intensiven Schuldgefühlen. Ohne lange zu fackeln schob Teal´c seinen Freund durch den Flur ins Wohnzimmer und drückte ihm, endlich am Sofa sitzend, seine Pizza in die Hand.

    „Iss O`Neill. Es bringt Major Carter nicht zurück, wenn du verhungerst und solltest du so weitermachen, wie in den vergangenen Tagen, stehst du kurz davor“, schenkte er ihm ungewohnt bereitwillig sein seltenes Lächeln und öffnete zwei Flaschen Bier, bevor er neben ihm Platz nahm, um genüsslich in seine Pizza zu beißen. Auch wenn sich sein eigener Appetit ebenso wie der von Jack, in Grenzen hielt, würde er verdammt sein, es ihn merken zu lassen. Minutenlang aßen beide in komfortablem Schweigen, als die Tür ins Schloss fiel und Daniel geräuschlos wie ein Schatten vor ihnen auftauchte. Augenblicklich schoss Jack in die Höhe.

    „Gibt es was Neues von Carter?“, lief er dem Archäologen entgegen, der sich, anstatt ihm zu antworten, geistesabwesend in den Sessel setzte und den übrigen Karton auf seinen Schoss legte, bevor er ihn öffnete.

    „Hallo?“, bohrte sich Jacks Zeigefinger in dessen Oberarm. „Irgendjemand Zuhause?“ Doch der junge Mann nahm auch davon keinerlei Notiz, starrte stattdessen mit leicht offenem Mund auf seine zitternden Finger.

    „Verdammt!“, fluchte Jack und stieß ihm wutentbrannt das Stück Pizza aus der Hand, das in hohem Bogen am Tisch landete. „Ich habe dich was gefragt, Daniel! Was ist mit Carter?“

    „Sam“, riss Daniel seinen Kopf herum. „Ihr gottverdammter Name ist SAM!“ Ein verächtliches Schnauben drang aus seiner Kehle und es kam, wie es kommen musste, als ein Wort das andere gab. „Du liebst sie und selbst jetzt, wo du nicht einmal weißt, ob du sie je wiedersiehst, kannst du diesen verfluchten Air Force Scheißdreck bleibenlassen und sie bei ihrem Namen nennen?“

    Jeder wusste, dass es keine Frage war. Der über Jahre hinweg aufgestaute Frust in dem sensiblen Archäologen entlud sich wie ein reinigendes Gewitter, das Jack für einen Moment gänzlich die Sprache verschlug, Daniel aber nur noch mehr anspornte, seinem Ärger endlich Luft zu machen. Teal´c konnte die herannahende Katastrophe förmlich in seinen Gliedern spüren, aber womöglich war es endlich an der Zeit, diese unangenehme Wahrheit aus jenem Raum zu befreien, in dem sie vor Jahren weggeschlossen worden war.

    „Ihr Name ist Sam … nicht Carter, nicht Major … nur SAM! Von mir aus spiel weiter den Ahnungslosen Jack, aber euer verzweifelter Versuch einander zu beweisen, dass die Air Force über dieser Liebe steht, hat uns erst in diese Lage gebracht. Und zu allem Übel musstest du ihr auch noch Julie ohne Warnung vor die Nase setzen. Hast du dich danach wenigstens für ein paar Sekunden besser gefühlt, als du sie endlich bestrafen konntest? Das war es doch, oder nicht? Eine Strafe! Nichts als Rache … für all die Jahre, in denen sie dich immer wieder abgewiesen hat. Vielleicht hast du damit endgültig das Beste verloren, was dir passieren konnte seit Cha ….“ Der Name verstummte auf seinen Lippen. Der junge Mann wusste, dass er weit übers Ziel hinausgeschossen war, obwohl er nur laut ausgesprochen hatte, was ohnehin jeder dachte … jeder wusste.

    „Halt den Mund, Daniel!“, schrie Jack so laut, das Teal´c die Ohren dröhnten, als er seinen besten Freund mit voller Wucht am Kragen packte und ihn gegen das Bücherregal schleuderte, an dem dieser mit einem qualvollen Laut abprallte und zu Boden ging. Inzwischen war der Jaffa aufgesprungen und konnte den aufgebrachten Mann gerade noch davon abhalten mit einem gezielten Schlag ins Gesicht nachzulegen. Wilde Blicke tauschten ihre Besitzer im Sekundentakt, bis Jack plötzlich die Tränen sah, die das Blau in den Augen seines Freundes unterwanderten. Alle Wut darin war einen beängstigenden Schleier aus Furcht und Sorge gewichen, der Jack sofort innehalten ließ.

    „Was ist passiert?“, bettelte er mit gebrochener, leiser Stimme um eine Antwort, während er von Daniel abließ. „Ich bitte dich, mach endlich den Mund auf!“

    Die Lippen des Archäologen begannen zu beben und die ersten Tränen liefen zaghaft über seine Wange.

    „Sie war an einer Tankstelle … fünf Straßen von ihrem Haus entfernt“, schluckte er wieder und wieder, als könnte er den furchtbaren Gedanken, der ihm wie ein fetter Kloß im Hals hing, einfach runterschlucken. „Keine zwei Stunden nachdem sie die Party verlassen hatte. Verstehst du? Sie war angetrunken und sie war völlig durch den Wind! In diesem desolaten Zustand ist sie Auto gefahren. Was ist, wenn sie sich was angetan hat? … Was ist, wenn sie seit zwei Wochen irgendwo tot in einem Straßengraben liegt?“

    Stille. Kein einziger Laut war mehr zu hören, außer dem schweren Atem der drei Männer. Die Luft war gefüllt mit Gefühlen, an denen sie beinah zu ersticken drohten. Sämtliche wütende Farbe schwand von Jacks Wangen. Der Schock, der über ihm hereinbrach, raubte ihm sämtliche Sinne und hinterließ an dessen Stelle nichts als puren, reinen Schmerz. Die Wahrheit tat weh, Daniel konnte es sehen, denn ein einziger Blick in das Gesicht seines Freundes offenbarte die bröckelnde Fassade des souveränen Soldaten. Die bloßen Andeutungen ihres möglichen Schicksals legten sich wie eine schwere Bleidecke über Jacks Herz, brachten es beinah zum Stillstand. Es war Daniel, der sich zuerst wieder fing. Aber auch wenn der Archäologe seinen besten Freund nicht noch mehr leiden sehen wollte, als er es ohnehin schon tat, so blieb der Wunsch ungebrochen, dem sturen Mann vollends die Augen zu öffnen.

    „Wir wissen doch beide, dass deine liebreizende Wissenschaftlerin nichts weiter als ein schwacher Versuch ist, zu verschleiern, wen du wirklich liebst.“ Mit Teal´cs Hilfe hievte er sich mühsam vom Boden hoch und kam wankend auf seinen Füßen zu stehen. Seine Worte allerdings strotzten vor bestechender Geradlinigkeit.
    „Und ich bete zu Gott, dass ich den Tag nicht erleben muss, an dem das euer beider Untergang sein wird…“

    „… aber ich befürchte, dafür ist es vermutlich längst zu spät“, klopfte er Jack auf die Schulter und wandte sich an den Jaffa. „Kommst du, Teal´c? Mir ist der Appetit vergangen und so wie ich Jack kenne, will er sicherlich keinen Zeugen für das, was jetzt kommt ….“

    Seine Schritte verhallten ganz langsam, bevor die Tür hinter ihm mit einem lauten Knall zufiel.

    „Ich muss mich wirklich für das Verhalten von Daniel Jackson entschuldigen“, verneigte sich der Jaffa. „Aber er wollte nur das Beste, O`Neill. Er ist zutiefst besorgt um das Wohlbefinden seiner Freunde. Ich hoffe, du behältst vor allem das im Gedächtnis. Wenn du es wünscht, ich könnte heute Nacht ….“

    „Nein Teal´c“, lief er zu dem großen Fenster, starrte in seinen ausladenden Garten und drehte sich nicht mehr um. Der Jaffa verstand auch ohne viele Worte.

    „Ganz wie du willst, O`Neill.“

    Mit Teal´c verabschiedete sich auch der letzte Funken Leben in ihm und die bedrückende Stille um ihn herum war kaum erträglich. Er war wieder einmal dazu verdammt, auf die Konsequenzen seiner fatalen Fehler zu warten. Sein Kopf füllte sich mit einer Leere, die ihn an die Sinnlosigkeit seines Lebens nach Charlies Tod erinnerte, eine Leere, die nun erneut seine einsame Seele ergriff und ihm seine eigene Unfähigkeit aufzeigte, rechtzeitig zu reagieren, wenn eine Situation derart außer Kontrolle geriet, dass sie den Verlust eines geliebten Menschen zur Folge hatte.

    Liebe.

    Ein Wort, das er im Zusammenhang mit ihr, niemals gewagt hatte, auszusprechen. Von einem seltsamen Verlangen getrieben schleppte er sich zum Kamin und ergriff das Bild, dessen Rahmen geschmeidig in seiner Hand lag, als sein Daumen über die wellige Maserung des Holzes fuhr. Das Foto, das Daniel klammheimlich auf einem ihrer obligatorischen Treffen in seinem Garten geschossen hatte. Sie stand neben ihm am Grill. Amüsiert über einen seiner Witze schenkte sie ihm jenes Lächeln, das sie ganz allein für ihn reserviert hatte. Ihr Anblick ließ ihn nach seinem Bier greifen, das er mit einem Zug leerte, bevor er in die Küche schlich und hinter der Spüle den Wein erspähte, den sie vor ein paar Wochen zur letzten Teamnacht mitgebracht hatte. Er öffnete ihn, kehrte ins Wohnzimmer zurück und sank leise stöhnend auf die Couch, die Flasche in der einen Hand und das Foto so fest in der anderen, als hinge sein Leben daran.

    Seine Fingerspitzen glitten zärtlich über ihr herzhaft lachendes Gesicht auf dem Bild und er schloss seine Augen, stellte sich vor, wie es sich anfühlen würde, sie genauso zu berühren, ihre weiche Haut zu spüren, jeden ihrer lieblichen Züge zu ertasten, ihre zarten Lippen zu erkunden.
    Ja, er verehrte sie … so wie fast jeder andere Mann im SGC und mindestens dreiviertel aller Männer, die auf Missionen ihren Weg gekreuzt hatten. All die Jahre über hatte er versucht, sich selbst zu belügen, sodass es fast eine Selbstverständlichkeit war, zu seiner Entscheidung zu stehen, seine Gefühle für sie zu ignorieren, stets professionell zu bleiben und sie nicht an sich heranzulassen. Seit dem Tag, an dem sie in diesen Konferenzraum gelaufen kam und sein Herz mit nur einem einzigen Lächeln gestohlen hatte, gab sie seinem wertlosen Leben nach Charlies Tod einen neuen Sinn. Aber wer war er, dass er seine persönlichen Bedürfnisse über ihre Karriere, für die sie so hart arbeiten musste, hätte stellen können? Also hatte er seine Gefühle beiseitegeschoben und sich damit abgefunden, sie von der Ferne zu begehren, denn solange sie überhaupt ein Teil seines Lebens war, hatte er auch mit diesem Opfer leben können. Was wenn er sie nie nun wiedersehen würde? Allein die Vorstellung, ihr nicht gesagt zu haben, wieviel sie ihm wirklich bedeutete, trieb ihn fast in den Wahnsinn ….

    Um aus seinen düsteren Gedanken zu fliehen, drehte er den Fernseher an, zappte wild von einem Sender zum nächsten und blieb ausgerechnet bei einem der vielen Musikkanäle hängen. Auch wenn ihm der Text des Songs nur noch tiefer in den Abgrund zu reißen drohte, konnte er einfach nicht weiterschalten und das erste Mal seit dem Tod seines Sohnes erlaubte er sich, in seinem Selbstmitleid zu versinken, als ein paar einsame Tränen auf das Bild der Frau tropften, die er so heimlich liebte, dass ihn diese Erkenntnis wie aus heiterem Himmel traf. Niemand war da, um den Zusammenbruch des großen Jack O`Neill mitzuerleben und nur Gott allein wusste, welche Hölle er gerade durchquerte …


    Mal wieder alleine in diesem Haus heute Nacht.
    Der Fernseher läuft, die Lautstärke ist runter gedreht
    und eine Flasche Wein...
    Da sind Bilder von dir und mir an den Wänden um mich herum.
    Die Art und Weise wie es war und wie es hätte sein können umgibt mich.
    Ich werde niemals darüber hinwegkommen, dass du gegangen bist.
    Ich war nie jemand,
    der gerne seine Gefühle zeigte.
    Und ich dachte, stark zu sein, bedeutet,
    niemals die Kontrolle zu verlieren.
    Aber ich bin betrunken genug um meinem Schmerz freien Lauf zu lassen.
    Zur Hölle mit meinem Stolz.
    Lasse ihn wie Regen von meinen Augen fallen.
    Heute Nacht will ich weinen.
    Würde es helfen, einen traurigen Song anzuhören,
    „All by myself“
    würde mich sicher hart treffen,
    jetzt wo du gegangen bist...

    Aber ich werde nie über dich hinwegkommen
    wenn ich mich so verstecke.



    Keith Urban „Tonight I wanna cry“
    https://www.youtube.com/watch?v=7MJycU-2FRU


    Es dauerte nicht lange, bis er den Wein geleert hatte, dem dann auch noch eine halbe Flasche Bourbon folgte, die er zu seiner Überraschung trotz seines bereits erheblich alkoholisierten Zustandes noch im Schrank gefunden hatte.

    „Geschieht dir recht, O`Neill“, nuschelte er in sich hinein, lag dabei mehr, als er saß und schleuderte die leere Flasche mit voller Wucht an die Wand gegenüber, wo sie zerschellte und sich die tausend Teile, in die sie gebrochen war, am ganzen Boden verstreuten. Aber es störte ihn nicht mehr, denn nur wenige Momente später, übermannte ihn der Schlaf, der ihn wenigstens für ein paar Stunden vergessen lassen konnte ….

    ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------

    Es war weit nach Mitternacht, als ihn ein energisches Klopfen weckte. Er kämpfte, seine Augen öffnen zu können, aber seine Lider waren schwer wie Blei und er spürte bereits die massiven Kopfschmerzen, die sich einstellten, als die Person vor der Tür auch noch klingelte.

    „Verschwinde“, war alles, was seine Lippen formen konnten und er bezweifelte, dass ihn irgendwer gehört hatte. Es kostete seine letzte Kraft, sich hochzuhieven, um auf seinen wackligen Beinen zur Tür zu schwanken, wobei es laut unter seinen Füßen knirschte. Welch Glück, dass er es in seinem Zustand zuvor nicht einmal mehr geschafft hatte, sich die Schuhe auszuziehen, dachte er, als er die überall am Boden verstreut liegenden Scherben sah. An der Tür angekommen, seufzte er laut auf und wunderte sich, wo zur Hölle er den Schlüsselbund aufgegabelt hatte, der auf wundersame Weise um seinen Finger baumelte. Zu dumm nur, dass keiner davon ins Schloss passte, ganz egal, wie sehr er sich auch bemühte.

    „Fuck“, fluchte er laut über seine eigene Unfähigkeit, während sich runderum alles drehte. Sosehr er das Gebräu mochte, als er es sinnlos in sich hineingekippt hatte, umso mehr hasste er es jetzt.

    „Jack? Was geht da drinnen vor? Ich mache mir Sorgen?“, ließ ihn die Stimme auf der anderen Seite der Tür wissen.

    „Verdammt“, erkannte er sofort, um wen es sich handelte. „Jules?“

    „Jack bitte, mach die Tür auf“, schrie sie mit einem Hauch Angst in ihrer Stimme. „Ich habe schon gefühlte tausend Mal versucht, dich anzurufen. Ich mache mir Sorgen.“

    „Ja, ja“, murmelte er. „Wenn ich wüsste wie …“, als der Schlüssel wie ein Wunder doch noch ins Schloss rutschte. Nur Bruchteile von Sekunden später schoss die verstörte junge Frau an ihm vorbei und stoppte ebenso schnell wieder, als sie das Chaos sah, das sich ihren Augen bot.

    „Gott Jack, was in aller Welt ist hier passiert?“, hielt sie sich erschrocken die Hand vor den Mund.

    „Nichts, das erwähnenswert wäre“, war alles, was er darauf antwortete, bevor er zurück auf sein Sofa sank, seine Ellenbogen am Knie und den Kopf zwischen seinen Händen vergraben. „Ein kurzer Besuch im Bad und ich bin wie neu. Wenn du mich einen Augenblick entschuldigen würdest?“, erhob er sich stöhnend und verschwand wie ein Schatten hinter der Badezimmertür.

    Julie setzte sich auf den Platz auf dem er gerade gesessen war, lehnte sich an und bemerkte etwas Stechendes an ihrer rechten Hüfte. Mit ihrer Hand griff sie hinter sich und zog es unter dem Kissen hervor. Ein Bilderrahmen kam zum Vorschein, den sie mit einem denkbar unguten Gefühl festhielt und dann umdrehte. Ihr schlimmster Verdacht bestätigte sich.

    SIE!

    „Hm“, biss Julie heftig ihre Zähne zusammen, um den Fluch, der ihr bereits auf ihren Lippen lag, zu unterdrücken. Eine Welle der Eifersucht stieg in ihr auf und spülte jeden klaren Gedanken weg. Die Art, wie Carter ihm zulächelte, ließ einen kalten Schauer über ihren Rücken laufen, aber noch viel schlimmer war, dass er ihren Blick auf die gleiche Weise erwiderte. Unwillkürlich schweiften ihre Augen über den Raum, das Chaos, das er angerichtet hatte und die Mengen Alkohol, die er vernichtet haben musste. Warum war es nötig gewesen, sich so zu betrinken? Sie war nicht dumm. Der furchtbare Verdacht, der schon solange in ihrem Kopf spukte, erhärtete sich mehr und mehr und verzehrte sie bei lebendigem Leibe. Aber sie wäre nicht Julie Denaux, wenn sie so einfach aufgeben würde. Hass machte sich ganz langsam in ihrem Bauch breit. Blinder, erbarmungsloser Hass. Ja, sie hasste Samantha Carter. Aus tiefstem Herzen.

    „Er gehört zu mir“, fauchte sie, als sie das Bild voller Wut auf den Boden warf, wo es ebenso wie Jacks Flasche in tausend kleine Teile zerschellte. Ohne darüber nachzudenken, nahm sie das Foto, lief zum Kamin und warf es in die schimmernde Glut. Mit einer unglaublichen Zufriedenheit beobachtete sie, wie das Stück Papier in Flammen aufging und mit ihr die Frau, die ihr nehmen wollte, was ihr gehörte. Alles, was davon übrigblieb waren kleine schwarze Fetzen.

    „Was tust du da?“ Jacks Stimme ließ sie erschrocken zusammenzucken. Sie konnte seinen Körper spüren, der sich fest gegen ihren Rücken presste. Sein heißer Atem brannte auf der Haut ihres Nackens, als sich seine Arme um ihren Oberkörper schlangen. Die Erkenntnis, dass er nicht wusste, was sie gerade getan hatte, zauberte ihr ein beinah teuflisches Lächeln ins Gesicht, während sich seine Lippen zärtlich über ihren Hals bewegten und sie ihren Kopf zur Seite neigte, um ihm einen besseren Zugang zu verschaffen.

    Doch mit einem Mal änderte sich seine Stimmung komplett, als er sie schroff am Arm zur Seite schubste, um sie vorwärts mit ihren Händen gegen die Wand zu drücken und gleichzeitig ihre Hüfte an die seine zu ziehen. Sie hatte weiß Gott keine Ahnung, was er in seinem Zustand vorhatte, war er doch ganz offensichtlich noch himmelweit von nüchtern entfernt. Dennoch spürte sie seine wachsende Erregung an ihrem Rücken. Sie bemerkte, wie er hektisch am Reißverschluss seiner Jeans fummelte und die letzte Barriere, die es zwischen ihm und seiner Erlösung zu überwinden galt, seine Beine hinabrutschte, bevor er ihren Rock ruckartig über ihre Hüften zerrte und ihren Slip nicht weniger barsch beiseiteschob.

    Spoiler 
    „Jack … was …?“, hauchte sie mit einer Mischung aus Erregung und Angst, als er mit seinem Knie ihre Beine auseinanderzwang, ihren Oberkörper nach vorn drückte und mit einem harten Stoß tief in sie eindrang. Ein erstickter Schrei löste sich aus ihrer Kehle und ging sofort in ein lustvolles Stöhnen über, während seine Bewegungen schneller und kräftiger wurden. Seine starken Hände, die an ihren Hüften Halt suchten, drängten sie, sich seinem Rhythmus anzupassen, ihm zu folgen, wohin er sie führte, auch wenn das nicht die Art von Sex war, die sie von ihm gewohnt war.
    Plötzlich hielt er inne und sie hörte sein schweres, keuchendes Atmen. Das erste Mal, seit sie mit ihm zusammen war, wusste sie nicht, was wirklich in ihm vorging. Wie aus dem Nichts stieß er erneut zu. Fester. Härter. Einmal. Zweimal, seiner Erlösung, was auch immer das gerade sein mochte, näher und näher und nur wenige Sekunden später spürte sie die feurige Hitze, mit der er ihr Inneres ausfüllte.

    Stöhnend brach er über ihr zusammen, klammerte sich an sie, wie ein kleiner Junge, der nach Schutz suchte. Jack wusste, so sollte es nicht sein, mit der Frau zu schlafen, die man liebte, so schnell und grob, kein Vergleich dazu, wie er Carter lieben würde, wenn er jemals die Chance dazu hätte. Es war ein simpler Versuch, sich abzulenken, den Schmerz, der in ihm brannte wie Feuer, mit Nähe zu löschen, aber es funktionierte nicht.


    Daniel hatte recht. Mit allem. Nicht einmal in seinen Gedanken erlaubte er sich, sie beim Vornamen zu nennen. Resigniert zog er sich aus dem warmen, weichen Körper zurück, den ihm Julie, ebenso wie ihr Herz, jeden Tag auf einem Silbertablett servierte, streifte seine Hose wieder nach oben und lehnte sich nach ein paar Schritten an die Tür zum Schlafzimmer.

    Die junge Frau hatte sich noch immer keinen Millimeter bewegt, starrte unbeirrt auf den Boden und dachte nach, ob sie es wagen konnte, ihn in seinem jetzigen Zustand zu drängen, entschied sich aber, dass sie nicht einfach darüber hinweggehen konnte, als war nichts passiert. Schnell schob sie ihren Rock wieder nach unten und drehte sich zu Jack um, der bereits nach der Türklinke gegriffen hatte. Er sah zu ihr rüber, aber seine Augen waren erschreckend leer … und kalt.

    „Was ist los, Jack?“, schlang sie die Arme um ihren fröstelnden Oberkörper, den bei seinem Anblick ein eisiger Schauer überlief.

    „Ich bin müde“, ignorierte er mit voller Absicht die Frage, auf die er weder antworten wollte, noch konnte, also trat er wortlos die Flucht ins Schlafzimmer an und ließ sich dort entkräftet auf sein Bett fallen, ohne auch nur darüber nachzudenken, auf sie zu warten. Seine Sicht verschwamm mit jeder verstreichenden Sekunde. Er spürte, wie die letzten trüben Gedanken aus seinem Kopf wichen und er in einen erlösenden Schlaf glitt.

    Julie war ihm inzwischen gefolgt und betrachtete für eine Weile den schlafenden Mann, den sie so viel mehr wollte, als sonst irgendjemanden zuvor. Langsam trat sie ans Bett, zog sich vollständig aus und befreite auch ihn von seiner Hose, bevor sie sich hinter ihn legte, sich eng an seinen Rücken schmiegte und ihren Arm besitzergreifend um seine Taille legte. Ab und an murmelte er unverständliche Dinge vor sich hin, doch dann raunte er im Traum diesen einen Namen, der sich wie ein spitzer Dolch mit voller Wucht durch ihr Herz rammte.

    „Saaam ….“

    Es tat weh! Sosehr, dass sie glaubte, den seelischen Schmerz mit jeder Faser ihres Körpers spüren zu können, aber aufgeben war keine Option, nicht für Julie Denaux. Niemals! Nein, sie würde mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln kämpfen. Ganz automatisch zog sich ihr Arm noch fester um ihn, fesselte ihn an sie. Es war Zeit, dafür sorgen, dass diese verfluchte Frau aus seinem Gedanken, seinem Herzen und schlussendlich auch aus seinem Leben verschwand … und wenn es das letzte war, was sie tat.

    „Du gehörst mir, Jack O`Neill …“, hauchte sie zärtlich, aber mindestens genauso verbissen, gegen seinen Hals. „… Und nur mir allein!“
    Geändert von Sumanira (30.03.2017 um 21:25 Uhr)

  15. Danke sagten:


  16. #10
    First Lieutenant Avatar von Angelika
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    Danke Susann. Du schreibst wirklich toll und die Story ist extrem spannend.

  17. #11
    Staff Sergeant Avatar von Sumanira
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    Hallo liebe Angelika, es tut mir leid, dass ich wieder solange brauche. Leider kann ich dir nicht mehr DANKE sagen mit dem Button, aber ich tue es dann einfach so. Es ist wirklich klasse, dass du noch mitliest,lad dir dann mal das 6. Kapitel hoch

    Ganz liebe Grüße Susann

    ************************************************** ****************************************


    WARNUNG!!!

    Auch in diesem Kapitel spielt wieder Gewalt eine Rolle! Definitiv P18! Angedeutete Folter, Tod und seelische Grausamkeit!



    ************************************************** ******************************************

    Einfach so weiter machen
    ist keine Option
    Ich muss hier ausbrechen
    wenn du das hier liest
    bin ich schon auf und davon
    Ich will mein Leben selbst gestalten
    muss es wenigstens probier'n
    Ich brauche die Kontrolle zurück
    kann nicht mehr nur funktionier'n

    Ich bin doch keine Maschine
    Ich bin ein Mensch aus Fleisch und Blut
    Und ich will leben
    bis zum letzten Atemzug
    Ich bin ein Mensch
    mit all meinen Fehlern
    Meiner Wut und der Euphorie
    Keine Maschine
    Ich leb' von Luft und Fantasie


    By Tim Bendzko „Keine Maschine“



    Ihr Labor war der einzige Ort an diesem Montagmorgen, an dem er die Stille fand, nach der er gesucht hatte. Alles in diesem Raum roch nach ihr und wann immer er vom Bildschirm ihres Laptops hochblickte, flammte die Hoffnung in ihm auf, sie würde plötzlich dort hinter dem Tisch sitzen und an irgendeinem der verdammten Alienspielzeuge basteln, die überall verteilt standen. Aber jedes Mal, wenn er aufschaute, war da nur unerträgliche Stille und … Einsamkeit.

    „Doohickies“, leuchteten seine Augen für einen Moment voller Zuversicht auf und er tippte es ein, doch mit ihr hatte ihn auch das Glück verlassen.

    Zugriff verweigert!

    „Verflucht“, fegte er die Blätter, die neben ihm lagen, wutentbrannt mit einer Handbewegung vom Tisch, sodass sie wild durch den ganzen Raum segelten und fuhr sich dann mit beiden Händen durch die Haare.

    Er konnte es nicht mehr ertragen. Nach fast einer Stunde und gefühlten zweihundert Möglichkeiten hatte er das dringende Bedürfnis, dieses störrische Teil einfach gegen die Wand zu werfen. Jeder Versuch, das Passwort zu knacken, schlug fehl, dabei wollte er so dringend wissen, an was sie vor ihrem Entschluss, den großen Houdini zu geben, gearbeitet hatte. Es musste doch irgendeinen Hinweis geben! Aber Carter wäre eben nicht Carter, wenn sie nicht auch in diesem Punkt ganze Arbeit geleistet hätte, so wie man es von ihr gewohnt war.

    Resigniert rieb er sich seinen Nacken und klappte den Deckel mit zitternder Hand zu. Noch im selben Augenblick drifteten seine Gedanken in ungebetene Gefilde ab. Die Erinnerungen an den vergangenen Abend waren allenfalls vage, verschwommene Bilder, die in seinem hämmernden Kopf Roulette spielten. Seine Schläfen pochten, brannten wie Feuer. Er hatte Julies Gefühle mit Füßen getreten, soviel war noch in seinem schwammigen Gedächtnis hängen geblieben und er konnte nicht verstehen, warum sie noch immer so hartnäckig seine Nähe suchte. Den ganzen Morgen über hatte sie getan, als sei alles in bester Ordnung. Das von ihm hinterlassene Chaos war bereits beseitigt, noch bevor sie ihn mit einem liebevollen Kuss geweckt hatte, ihm ein überwältigendes Frühstück auf den Tisch zauberte und mit ungeahntem Enthusiasmus über die anstehende Mission redete, die sie beide erneut für drei Tage gemeinsam auf einen anderen Planeten führen würde. Seine Kraft zu diskutieren tendierte gen Null. Es war definitiv nicht der passende Zeitpunkt über ihr Verhältnis zu reden, also schwieg er. Die anschließende Fahrt ins SGC war ebenso wortlos verlaufen, zumindest was ihn betraf, aber sie war nicht müde geworden, sich ihre heile Welt weiter aufrecht zu erhalten, während er versuchte, nicht heillos in all den Horrorszenarien zu versinken, die sich wieder und wieder in seinem Kopf abspielten. Er konnte einfach an nichts Anderes mehr denken. Carter war seine untergebene Offizierin, lag voll und ganz in seiner Verantwortung, die er aufs sträflichste vernachlässigt hatte. Nach dem Angriff auf Julie hätte er sie niemals gehen lassen dürfen.

    Sein frühmorgendlicher Besuch in Hammonds Büro hatte auch keine weiteren Erkenntnisse gebracht, die ihm hätten weiterhelfen können, sie zu finden. Dass der Tankwart, ein junger Mann mit ausgeprägtem Personengedächtnis, Carter nach mehr als zwei Wochen überhaupt noch erkannt hatte, grenzte schon an ein Wunder. Ein Blick auf seine Uhr entlockte ihm ein lautes Stöhnen. Kurz nach halb zehn. Das Wissen, dass er das anstehende Briefing nicht ohne eine Kopfschmerztablette durchstehen würde, formte den Wunsch, noch auf einen Sprung in der Krankenstation vorbeizuschauen, um seiner Lieblingsärztin einen Besuch abzustatten.

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    Daniel war der erste im Konferenzraum, aber er fühlte sich vollkommen fehl am Platz. Die ganze Nacht hatte er kein Auge zugemacht, war gewandert vom Wohnzimmer in die Küche und zurück. Der akute Schlafmangel der letzten Tage forderte so langsam seinen Tribut. Auch vergangene Nacht hatte wieder ein Albtraum den nächsten gejagt, ein Teufelskreis, aus dem es seit Tagen kein Entrinnen gab. Sein Denken drehte sich nur noch darum, dass Sam verschwunden war. Alles andere verlor an Bedeutung. Es war als verfolgten ihn die Erinnerungen an sie durch die langen grauen Korridore, in die Cafeteria, den Torraum, den Konferenzraum. Seine beste Freundin war einfach überall. Dieser Ort war sie! Jede Art von Technik, die eingesetzt wurde, jede Seele, die an ihm vorüberstreifte, ja sogar jede noch so kleine Schraube im SGC war irgendwie ein Teil von ihr. Der Gedanke, ausgerechnet jetzt auf eine dreitägige Mission zu gehen, nicht hier zu sein, falls man Sam doch noch finden würde, verschnürte ihm die Brust und lag wie ein zentnerschwerer Klumpen auf seiner Seele. Nicht einmal die Aussicht auf die Möglichkeit, den verlassenen, alten Antikertempel auf P8X-784 zu erkunden, konnte daran etwas ändern. Sollten sie nicht hier sein … wenn sie zu ihnen zurückkehrte? Doch der Druck auf Hammond von Seiten des Pentagon, war einfach zu groß, denn noch nie zuvor hatte ein unbewohnter Planet ein solch enormes Vorkommen an Trinium aufgewiesen, wie dieser.

    Mit einem lauten Stöhnen schob Daniel seinen Sessel an den Tisch, um seine Ellenbogen abzustützen und seinen schweren Kopf in seine Hände zu legen. Die Ruhe tat gut und ehe er sich versah, klappten seine Lider zu.

    „Guten Morgen Dr. Jackson“, begrüßte ihn eine Frauenstimme und sein Blick schoss mit einem Mal wieder hellwach zur Tür. Er rieb sich seine verschwommenen Augen unter der Brille und entdeckte Dr. Denaux, die mit verschränkten Armen im Türrahmen lehnte. „Schlecht geschlafen letzte Nacht?“

    Daniel schwankte zwischen der Möglichkeit, sie einfach nur zu ignorieren oder doch zu antworten, aber ganz gleich, was er wählte, es würde auf jeden Fall unschön für die selbstverliebte Diplomatentochter enden. In den letzten Tagen hatte er eine gewisse Abneigung gegen sie entwickelt und er konnte es inzwischen einfach nicht länger verbergen.

    „Guten Morgen, Doktor Denaux“, erwiderte er mit einem entsprechend scharfen Unterton in seiner Stimme. „Ganz allein heute? Wo haben sie Jack gelassen? Wenn sie hier sind, kann er ja nicht weit sein!“

    „Er wollte nur noch kurz zur Krankenstation. Ich glaube, er brauchte dringend etwas gegen seinen üblen Kater. Sie und Teal´c waren ja heute Nacht überraschenderweise schon weg, als ich bei ihm ankam.“

    Kater? In Daniels Erinnerung war Jack noch nüchtern, als er und Teal´c ihn verlassen hatten, aber ihr Hinweis lieferte ihm die Bestätigung, dass er mit all seinen Anschuldigungen direkt ins Schwarze getroffen hatte. Sein bester Freund schien sich tatsächlich sinnlos betrunken zu haben und der Grund lag offen auf der Hand. Und nichtsdestotrotz hatte er diese Frau wieder in sein Haus und offenbar auch in sein Bett gelassen? Unwillkürlich biss sich Daniel auf die Lippen und ballte seine Hände zu Fäusten, um die erneut in ihm aufsteigende Wut zu unterdrücken.
    Mit wenigen Schritten überwand Julie die Distanz zum Tisch, stützte ihre Hände darauf ab und beugte sich zu ihm vor.

    „Glauben sie nicht, ich wüsste nicht, wie gern sie mich loswerden wollen, Daniel!“, spürte er ihren heißen Atem an seiner Wange und sah gleichzeitig das übertriebene Lächeln auf ihren Lippen. „Aber ich bin die Frau in Jacks Leben und ich kann ihnen nur raten, sich endlich damit abzufinden.“

    „Wirklich?“, lachte der Archäologe bitter auf, drehte sich soweit um, dass ihr Gesicht keine handbreit von ihm entfernt war und sog die explosive Spannung zwischen ihnen förmlich in sich auf, bevor er sie nicht weniger provokant angrinste. „Es mag ja durchaus sein, dass sie die Frau in Jacks Bett sind, Doktor … aber die Frau in seinem Herzen … ist Sam!“

    Ihre dunklen Augen starrten ihn wortlos an, verengten sich zu schmalen Schlitzen und er sah, wie jeder einzelne ihrer sonst so wohlsortierten, ach so lieblichen Gesichtszüge zu entgleisten drohten. Alles, was er darin sah, war blanker Hass. Die vergiftete Stimmung zwischen ihnen füllte den ganzen Raum, ließ die Luft vor Kälte knistern und schwirren, sodass selbst Teal´cs Eintreffen zunächst von beiden unbemerkt blieb.

    „Ich habe in der Cafeteria auf dich gewartet, Daniel Jackson!“ Erschrocken zog sich Julie von Daniel zurück, doch ihr Blick bohrte sich selbst jetzt noch mit aller Schärfe in ihn, als wollte sie ihn damit gleich hier und jetzt direkt in die Hölle befördern. Daniel war klar, dass seine unerwünschte Aussage für sie wie eine offene Kriegserklärung sein musste. Aus der unterschwelligen Abneigung war also offene Feindschaft geworden, aber wenigstens waren die Fronten von nun an geklärt. Kein weiterer Austausch geheuchelter Höflichkeiten.

    Gerade als Daniel seinem Freund antworten wollte, betraten alle vier Mitglieder von SG 5 und zwei der Wissenschaftler von SG 7 den Raum, gefolgt von General Hammond, dem man die seelischen Strapazen der letzten Zeit deutlich ansehen konnte. Für den älteren, herzensguten Mann gehörten alle seine Leute zu einer Familie, um die er sich sorgte, wie ein Vater um seine Kinder, aber Sam stand ihm als die Tochter eines seiner ältesten Freunde einfach näher, als so manch anderer und die Tatsache, dass sie seit fast zwei Wochen unauffindbar war, machte seinem ausgeprägten Verantwortungsbewusstsein schwer zu schaffen. Der General hatte es vorgezogen, ihr Verschwinden vorläufig nicht an die große Glocke zu hängen, um die Gerüchteküche, dessen Auswüchse er nur zu gut kannte, nicht noch weiter anzuheizen. Jeder, auch Hammond, wusste, welche Art von Mutmaßungen bezüglich der Beziehung seiner beiden Offiziere seit Jahren im SGC grassierten wie ein Grippevirus.

    „Guten Morgen, meine Herrschaften“, begrüßte er alle Anwesenden, die sich in der Zwischenzeit am Tisch verteilt und hingesetzt hatten, während seine Augen fragend über die Runde flogen. „Wo ist Colonel O`Neill?“

    „Auf dem Weg“, erklang die Stimme des Gesuchten bereits von Weitem, noch bevor er die Treppen vom Kontrollraum hochgelaufen kam und seinen Platz zwischen Hammond und Julie einnahm. Nun, da endlich alle anwesend waren, erklärte der General noch einmal eingehend die Rahmenbedingungen der bevorstehenden Mission und er wurde nicht müde, immer wieder zu betonen, welch einzigartige Möglichkeiten sich aus einem solch enormen Vorkommen an Trinium ergeben könnten, denn weder das MALP noch das UAV hatten irgendwelche Hinweise auf noch existierendes, intelligentes Leben geliefert, abgesehen von den Überresten eines alten Tempels etwa drei Meilen Fußmarsch vom Tor entfernt. Am Tisch herrschte ungewöhnliche Ruhe und jeder schien mit seinen eigenen Gedanken dazu beschäftigt.

    „Nun, wenn es dann keine weiteren Fragen mehr gibt, bitte ich sie alle sich morgen um 0900 im Torraum einzufinden. Ausgeschlafen und fit“, betonte Hammond auffallend deutlich und warf dabei einen scharfen Blick in Jacks Richtung. „Wegtreten!“

    „Ah, uhm General!“, platzte Daniels Stimme in die bereits einsetzende Aufbruchsstimmung, die daraufhin sofort zum Stillstand kam und alle dazu bewegte, sich wieder zu setzen.

    „Doktor Jackson?“

    „Wenn es keine Umstände macht, würde ich mir morgen gern Teal´c und Sergeant Jones mitnehmen, um mir die Ruinen genauer anzusehen, die uns das UAV gezeigt hat“, bat er den General und wusste genau, wie ungebeten sein Anliegen bei Jack war, doch die junge Frau von SG 7 war mehr als interessiert an diesen Dingen, wurde jedoch in ihrem eigenen Team, was das betraf, leider sträflich unterschätzt. Während der beiden letzten Missionen hatte Daniel ihr Interesse an alten Sprachen und Kulturen entdeckt und ihr versprochen, sich für sie einzusetzen, wenn es darum ging, ihren Wissensdurst zu stillen. Sie war Sam in allem so unglaublich ähnlich. Immer bestrebt vorwärts zu kommen, sich zu entwickeln, sowohl was ihre militärische Karriere betraf, als auch auf wissenschaftlicher Ebene und Daniel imponierte dieser ungebrochene, jugendliche Enthusiasmus. Allerdings war ihm dabei auch nicht entgangen, dass die zweifelsohne attraktive, junge Frau ein Auge auf ihn geworfen hatte. Das komplizierte die ganze Sache zwar ein wenig, aber er war sich sicher, dass es mit der nötigen professionellen Distanz möglich war, ihr zu helfen, ohne in ihr irgendwelche falschen Hoffnungen auf mehr zu erwecken. Mit großen Erwartungen saß sie ihm gegenüber, ihre lange lockige Mähne sorgfältig zu einem militärisch korrekten Zopf gebunden und mit einem unmissverständlichen Strahlen in ihren großen grünen Augen, das im Notfall den ganzen Raum hätte ausleuchten können. Leider war auch Jack die aufflammende Leidenschaft im Gesicht des jungen Sergeant nicht entgangen.

    „Das ist vergeudete Zeit, General!“, konnte sich der mürrische Colonel nicht verkneifen, seine Meinung kund zu tun, aber auch wenn in dessen derzeitiger Verfassung mit allem zu rechnen war, ahnte Daniel wahrlich nicht, was auf ihn zukam, als sich Jack schwerfällig von seinem Stuhl erhob, um sich am Tisch abzustützen und ihn mit einem lauten Seufzen anzusehen.

    „Mal ehrlich Daniel, wir wissen doch beide, dass du nicht in den Ruinen graben willst, sondern lieber in den Tiefen unseres hübschen, jungen Sergeant hier.“

    Daniel stockte der Atem und er glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Hatte er das jetzt allen Ernstes gesagt? Selbst für Jack war diese Art vom Kommentar weit unter seinem Niveau. Die Vernunft riet ihm, seinen zutiefst verbitterten Freund einfach zu ignorieren, aber die in heißen Wellen aufschäumende Wut in seinem Inneren machte das aussichtslose Unterfangen so gut wie unmöglich und er konnte die Worte nicht mehr aufhalten.

    „Glaubst du Jack? Soweit ich mich erinnern kann, ist das doch wohl eher dein Spezialgebiet“, rutschte ihm reflexartig heraus, während sein Blick dabei geradewegs über den Tisch flog und dort auf Julies weit aufgerissene Augen traf. Nun war auch dem Letzten am Tisch klar, was sich gerade anbahnte. Binnen Sekunden glich die Atmosphäre im Konferenzraum der einer antarktischen Höhle und die kannte Jack zur Genüge. Es war so ruhig, dass man sein eigenes Herz schlagen hören konnte und keiner der Anwesenden traute sich die unnatürliche, beklemmende Stille zu durchbrechen.

    „Schon möglich“, verneigte der schwer atmende Colonel seinen Kopf, beugte sich noch ein Stückchen weiter nach vorn und verfing sich in Daniels festgefrorenem Blick. „Und dazu bin ich noch wesentlich erfolgreicher als du … Daniel!“ Das Kratzen in Jack Stimme war das einzige Anzeichen seiner verletzten Gefühle, die er auf keinen Fall bereit war zu zeigen. Angriff war die einzige Verteidigung, die er kannte.

    „Das ist also neuerdings deine Art, mit Freunden umzugehen?“, erwiderte der Archäologe, in dessen Worten man die Enttäuschung spürte, die aber schon im nächsten Moment in bitteren Zynismus umschlug. Jedes weitere Wort war wie Benzin, das man in einen bereits außer Kontrolle geratenen Flächenbrand schüttete. „Ach ja, ich vergaß … dieses Vorgehen hat sich für dich schon einmal als äußerst erfolgreich erwiesen. Hast du nicht auch Sam auf diese Weise vertrieben? Vielleicht kannst du so auch gleich noch Teal´c und mich für immer loswerden? Spart Zeit, Jack!“

    „Verdammt nochmal“, mischte sich nun General Hammond ein, schnappte geistesgegenwärtig nach dem Arm seines 2IC, der Daniel schon am Kragen packen wollte und verhinderte so gerade noch, dass die Situation völlig außer Kontrolle geriet.
    „Was zur Hölle ist eigentlich in sie beide gefahren?“

    „Sei vorsichtig, was du sagst, Daniel oder ich …“, ignorierte der hitzköpfige Colonel seinen Vorgesetzten und blies dem jungen Mann verächtlich schnaubend seinen Atem ins Gesicht.

    „Oder was, Jack?“ Maßlose Aufregung brachte Daniels Stimme zum Beben. „Willst du mich verprügeln? Würde jedenfalls bestens zu deinem Militärgehabe passen, hinter dem du dich versteckst. Aber das wird die Dinge auch nicht ändern … oder deine Fehler ungeschehen machen! Sam ist verschwunden und du wirst mit deinem Teil der Schuld leben müssen.“

    „Wie bitte? Sagten sie gerade Major Carter ist verschwunden?“, sprang Lieutenant Hailey plötzlich entsetzt von ihrem Stuhl auf. „Ich dachte, sie sei lediglich im Urlaub?“

    „Das steht hier nicht zur Debatte, Lieutenant“, fauchte General Hammond ungewohnt schroff über den Tisch und ließ die vollkommen verdutzte Offizierin damit abrupt verstummen. Auch wenn ihn gerade brennend interessierte, was die seltsam emotionale Reaktion der jungen Frau hervorgerufen hatte, galt es zuerst einmal die beiden Mitglieder seines Flaggschiffteams, die sich benahmen wie zwei pubertierende Teenager, endlich in ihre Schranken zu weisen. „Colonel O´Neill, Doktor Jackson, in mein Büro … SOFORT!“

    Der über alle Maßen verärgerte Hammond wies den inzwischen überraschend still gewordenen Männern den Weg und folgte ihnen in sein Büro, bevor er die Tür laut krachend hinter sich zuwarf. In einer solch explosiven Stimmung war auch mit dem ansonsten so friedfertigen General nicht mehr zu spaßen.

    „Also! Hätten sie zwei wohl die Güte mir zu erklären, was zwischen ihnen beiden vorgeht?“, ließ er sich in die Lehne seines Stuhles fallen und wartete.

    Jack und Daniel standen reglos wie zwei ungezogene Schuljungen, die nach einer Pausenhofprügelei in das Büro des Direktors zitiert worden waren, vor Hammonds Schreibtisch und schwiegen. Während der Colonel mit den Händen in den Hosentaschen einfach nur den Fußboden musterte, schnitt Daniel unentwegt Grimassen und starrte dabei Löcher in die Luft.

    „Nun meine Herren“, verschränkte der General seine Arme streng vor der Brust. „Es ist ja nicht so, als würde ich dieses kleine Spielchen nicht gern noch eine Weile fortführen, aber wie sie wissen dürften, ist meine Zeit begrenzt. Also entweder sie überwinden ihre persönlichen Differenzen … und zwar ganz schnell, oder ich sehe mich gezwungen SG 1 solange zu trennen, bis sie beide wieder zur Vernunft kommen.“

    „Ganz wie sie wünschen, Sir“, salutierte Jack steif, dem der Ernst in der Stimme des älteren Mannes keinesfalls entgangen war, würdigte Daniel aber dabei keines Blickes. „Ich möchte mich in aller Form für mein Verhalten von eben bei ihnen entschuldigen. Es war in höchstem Maße unprofessionell und kindisch.“

    „Wahre Worte, Colonel … wahre Worte!“, stöhnte Hammond angestrengt auf.

    „Ich denke, eine Trennung dürfte nicht notwendig sein General“, fügte Daniel mit Bedacht an, verkniff sich aber ebenfalls, seinen eigentlich besten Freund dabei anzusehen. „Ich kann die Ruinen auch zu einem späteren Zeitpunkt besuchen.“

    Beide begriffen schnell, dass es das beste war, sich vorerst zusammenzureißen, wenigstens nach außen hin. Es gab zweifellos einen Riss in der bisher so felsenfesten Freundschaft der beiden grundverschiedenen Männer, die trotz aller Gegensätze so viele Hürden gemeinsam überwunden hatten und es machte Daniel eine Heiden Angst, nicht zu wissen, wie er den tiefen Graben wieder schließen sollte, der sie gerade trennte. Sie würden einander so dringend brauchten, sollten sich seine schlimmsten Befürchtungen im Hinblick auf Sams Schicksal tatsächlich bewahrheiten.

    „Nein“, protestierte Jack heftig, ehe aus seiner festen Stimme ein brüchiges Flüstern wurde. „Ich meine … es ist okay für mich. Nimm Teal´c und Sergeant Jones …. “ Er stöhnte schwerfällig, hielt kurz inne und Daniel konnte sehen, wie sich der übermächtige Schmerz immer tiefer in die Gesichtszüge seines besten Freundes grub. „Es tut mir so leid, Daniel … wirklich. Ich war einfach nur ….“

    „Ich weiß Jack“, fiel ihm der junge Mann unvermittelt ins Wort und schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln. „Ich weiß …. Mir tut es auch leid. Wir haben uns beide nicht sonderlich mit Ruhm bekleckert.“

    Ein forsches Klopfen an der Tür unterbrach die beginnende Versöhnung und Lieutenant Hailey steckte ihren Kopf durch den leicht geöffneten Spalt, bevor sie ohne vorherige Aufforderung ihres Vorgesetzten einfach eintrat.

    „Ich kann mich nicht erinnern, sie reingebeten zu haben“, erklärte Hammond, dessen Blick aber sofort auf die zwei Umschläge fiel, an denen sich die junge Offizierin festklammerte, wie an einem wertvollen Schatz.

    „Ich bitte sie mein Verhalten zu entschuldigen, General Sir, aber das hier duldet absolut keinen Aufschub mehr“, stand sie stramm wie ein Zinnsoldat vor dem Schreibtisch des älteren Mannes, bevor ihre Erklärung wie ein Wasserfall von ihren Lippen sprudelte. „Sie wissen, dass ich bis vor zwei Tagen noch auf P3M-712 war und ich schwöre, wenn ich geahnt hätte, dass sie nach Major Carter suchen ….“ Sams Name alarmierte alle drei Männer gleichermaßen, während die aufgeregte Frau einfach weiterredete.

    „Ich habe die ganze Zeit versucht, nicht darüber nachzudenken, was sie wohl damit bezwecken wollte … warum sie mir die beiden Umschläge überhaupt gegeben hat, wenn sie sie doch früher oder später auch persönlich hätte übergeben können. Sie meinte, ich dürfe sie ihnen frühestens in drei Wochen aushändigen, aber sie sagte auch, ich solle immer daran denken, genauso auf mein Herz zu hören, wie auf meinen Verstand. Und mein Herz sagt mir, ich sollte keine Sekunde länger warten.“

    Mit zittrigen Händen streckte sie Hammond den größeren von beiden Umschlägen entgegen und reichte Daniel den kleineren.

    „Wann hat sie ihnen die gegeben?“, wollte Jack sofort wissen, der inzwischen begonnen hatte ruhelos vor ihr auf und ab zu laufen.

    „Am Morgen nach Dr. Jacksons Einweihungsparty stand sie damit vor meiner Tür. Es war kurz vor fünf Uhr und bei Gott …“, keuchte Hailey leise und blickte schuldbewusst auf ihre ineinander verschränkten Finger. „… Sie war nur ein Schatten ihrer selbst, aber ich dachte, naja, sie ist vielleicht einfach nur überarbeitet und der Urlaub würde ihr sicher guttun. Ich hatte wirklich keine Ahnung ….“

    „Schon gut Lieutenant. Sie haben sich nichts vorzuwerfen“, versicherte ihr der General mit einem warmen Lächeln. „Wenn sie uns jetzt bitte allein lassen würden!“

    „Wie sie wünschen, Sir“, seufzte sie enttäuscht und verließ, wenn auch nur widerwillig, den Raum.

    Hammond betrachtete den an ihn adressierten Umschlag eine Weile, bevor er sich ein Herz fasste und ihn öffnete, um den Inhalt mit einer bösen Vorahnung herauszuziehen. Hochkonzentriert flogen seine Augen über das, was darauf geschrieben stand und er konnte einfach nicht glauben, was er las. Vollkommen sprachlos reichte er das Blatt weiter an Jack, der mit offenem Mund vor ihm stand und ihn voller Erwartung anstarrte.

    Der Colonel zögerte einen Moment, unsicher, ob er es wirklich sehen wollte, wissen wollte, doch er wusste genau, es würde auch dann nicht verschwinden, wenn er es ignorierte. Er hatte schon viel zu oft die Augen verschlossen, vor dem, was sich seit Wochen direkt vor ihm abspielte.

    Kündigung.

    Schon das allererste Wort reichte, um ihm den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Mehr brauchte er nicht zu lesen. Immer wieder schüttelte er seinen Kopf, stöhnte laut auf und schloss seine Augen. Das konnte sie nicht tun. Nicht nach all den Jahren Kampf um Anerkennung und Respekt. Nicht nach all den Entbehrungen, dem Verzicht auf das gemeinsame Stückchen Glück, das sie sich beide nur deshalb verweigert hatten, um ihre Karriere nicht zu gefährden, die sie nun einfach so achtlos in den Dreck warf? Wann in aller Welt war die ganze Sache nur so furchtbar außer Kontrolle geraten? Warum tat sie das? Dieser Job war ihr Leben und nun stellte sie alles in Frage, wofür sie so hart gearbeitet hatte? Er klammerte sich förmlich an den einzigen Gedanken, der ihn jetzt noch aufrecht hielt.

    „Carter würde die Air Force niemals freiwillig verlassen, General. Ich sage ihnen, irgendetwas stimmt hier nicht, Sir“, schoss es explosionsartig aus ihm heraus und er wandte sich sofort an seinen besten Freund, der völlig abwesend auf den Brief in seinen zitternden Händen starrte und mit seinen eigenen Gedanken kämpfte. Sein Name stand liebevoll auf die Vorderseite des Umschlages geschrieben. Weshalb hatte sie ausgerechnet ihn ausgewählt? Warum nicht Janet? Oder Jacob oder Gott weiß wen? Und überhaupt war Sam kein Mensch, der Briefe schrieb, um sich mitzuteilen. Die Endgültigkeit, die durch diese untypische Geste schimmerte, ließ einen kalten Schauer über seinen Rücken laufen. Dann setzte sein Verstand ein und er grübelte. Würde sie wirklich zuerst kündigen und ihrem Leben dann ein Ende setzen? War es überhaupt ein Abschied? Keine der Fragen und Antworten, die wie ein zerstörerischer Kugelhagel durch seinen Kopf schossen, ergaben irgendeinen Sinn.

    „Herrgott nochmal Daniel, nun mach ihn doch endlich auf“, forderte Jack mit einer gehörigen Portion Ungeduld und hatte wahrlich Mühe seine Hand im Zaum zu halten, die nur allzu gern nach dem Umschlag gegriffen hätte, um ihn selbst aufzureißen, aber so schwer es ihm auch fiel, er hatte zu respektieren, dass Daniel offenbar derjenige war, dem sie am meisten vertraute.

    Der Archäologe atmete noch einmal tief durch. Die Blicke der beiden Männer waren gebannt auf ihn gerichtet, als er den Brief öffnete, das sorgsam gefaltete Blatt Papier herauszog und seine Augen langsam darüber hinwegstreiften. Jack konnte die hauchdünnen Schweißperlen sehen, die sich mit jeder Zeile allmählich auf der Stirn seines besten Freundes sammelten und die Zustände, die seine Gesichtszüge durchliefen, während er las. Immer wieder rückte sich Daniel angestrengt, beinah zwanghaft seine Brille zurecht und schluckte, als lägen ihm Carters Worte wie ein unüberwindbarer Brocken im Hals. Jack konnte es kaum mehr aushalten. Furcht, Ungewissheit, Neugierde. Alles wirbelte in einem Strudel des Zwiespalts durcheinander, während er wartete und wartete … und wartete. Die Zeit schien still zu stehen und die Spannung in ihm war qualvoll aufreibend. Er fühlte bereits, wie ihm die Gewalt über seine Nerven entglitt, als Daniel endlich unter einem Tränenschleier zu ihm aufblickte.

    Er blinzelte einige Male und ein Schmerz, den Jack zuerst nicht verstand, flackerte in seinen Augen auf.
    „Ich denke, ihr solltet das auch hören“, flüsterte er und kam Jacks unausgesprochenem Flehen zuvor. Mit bebender Stimme begann er vorzulesen.


    Daniel … Hey!

    Tja, wo soll ich beginnen, etwas zu erklären, was ich selbst nicht verstehe?
    Du warst von Anfang an viel mehr als ein Freund für mich. Du warst wie ein Bruder und seid ich dich kenne, wollte ich genauso ein Mensch sein, wie du es bist. Jemand, dessen Herz immer offen ist. Jemand, zu dem man aufschauen kann. Jemand, der mit sich im Reinen ist, in sich ruht … und wage es ja nicht, etwas Anderes zu behaupten. Du hast es nie für notwendig befunden, irgendwem etwas zu beweisen. Wieso auch? Du warst einfach immer du selbst.

    Genau deshalb glaube ich, du kannst am ehesten begreifen, wie es sich anfühlt, jeden Morgen in den Spiegel zu sehen und eine völlig fremde Person darin zu entdecken. Jemanden, den man nicht mehr kennen will, weil er sich sooft hat verbiegen lassen, dass nichts mehr von dem übrig ist, was er einmal sein wollte.

    Ich habe mich verloren, Daniel. Irgendwo auf meinem langen Weg, die Karriereleiter zu erklimmen. Aber nun ist es Zeit, meinen eigenen Weg zu finden, die Ketten zu sprengen, die mich gefangen halten und nicht länger auf der Stelle zu treten. Ich kann mir vorstellen, wie verrückt das jetzt für dich klingen mag, ausgerechnet aus meinem Mund, aber ich hoffe sosehr, dass wenigstens du mich verstehst. Es tut mir unendlich leid, ohne ein Wort der Erklärung gegangen zu sein. Es tut mir leid, wenn ich euch verletzt habe … oder es noch tue, aber ich kann einfach nicht mehr anders. Und es tut mir leid, euch angelogen zu haben. Euch viel zu lang jemand vorgespielt zu haben, der ich längst nicht mehr war. Ich will … nein ich muss zu mir zurückfinden. Allein! Sucht nicht nach mir, lasst mir einfach die Zeit, die ich brauche.

    Bitte, gib Janet und Cassie einen Kuss von mir und sag meiner Prinzessin, ganz gleich, was kommt, ich liebe sie sehr.
    Aber auch Teal´c und General Hammond sollen wissen, dass ich sie für immer in meinem Herzen trage. Wenn Dad wieder einmal vor der Tür steht, sag ihm von mir, dass er der beste Vater ist, den ich mir hätte wünschen können.
    Und was Colonel O´Neill betrifft … ich hoffe, er weiß, welche Ehre es für mich war, unter seinem Kommando zu dienen. Ohne ihn wäre ich niemals so weit gekommen. Er hat mich mehr geprägt, als jeder andere … das werde ich ihm nie vergessen.

    In tiefer Liebe
    Sam



    Für einen Augenblick glaubte Jack zu ersticken. Die Luft wurde immer dünner mit jedem Satz, der durch seinen Kopf sickerte. Dachte er bis eben noch, nichts zu fühlen, so traf ihn nun wie ein Rammbock die gesamte Bandbreite an Emotionen. Frust, Enttäuschung, Verzweiflung … Angst. Alles entlud sich mit einem heftigen Faustschlag gegen Hammonds randvoll gefüllten Aktenschrank, aus dem ein ganzer Stapel Papiere herausrutschte und sich kunstvoll über dem Boden verteilte.

    „Verloren? … Verloren? Himmel Herrgott, wie kann sie uns sowas antun?“ Wutentbrannt rupfte er Daniel den Brief aus der Hand, zerriss ihn in vier Teile und warf ihn in die Luft, während seine aufgebrachte Stimme, die sich von Wort zu Wort zu einem lauten Brüllen steigerte, zwischen den Wänden des kleinen, engen Raumes widerhallte. Es war ihm vollkommen egal, dass ihn das gesamte SGC hören konnte. Was hatte er jetzt noch zu verlieren, wo ihn das wichtigste in seinem Leben einfach so verlassen hatte. „Scheiß auf die verfluchte Ehre!“, ließ er seinem unbändigen Zorn ohne Rücksicht auf den verärgerten Gesichtsausdruck seines Vorgesetzten freien Lauf und erhob erneut seine Faust. „Ich kann diesen Bullshit nicht mehr hören!“

    „Jack bitte, hör auf damit!“ Geistesgegenwärtig griff Daniel nach der Hand seines Freundes, bevor er ein weiteres Mal auf das unschuldige Regal einschlagen konnte. Der mitfühlende Archäologe ahnte, dass er wie so oft auf körperlicher Ebene zu kompensieren versuchte, was er emotional nicht verarbeiten konnte. Jack war kein Mann großer Worte. Behutsam schlossen sich Daniels Finger um sein Handgelenk. „Wir müssen ihren Wunsch respektieren. DU … musst ihren Wunsch respektieren.“

    „Ich muss gar nichts Daniel“, fauchte Jack zurück, der es einfach nicht schaffte, seine überschäumende Frustration über ihre eigenmächtige Entscheidung zu kontrollieren. „Sie soll ihren verdammten Hintern hierher schwingen, damit ich ihr sagen kann, was ich davon halte, einfach wie ein Feigling davonzulaufen, anstatt sich uns Auge um Auge zu stellen.“

    „Mäßigen sie endlich ihren Ton, Colonel“, sprang Hammond, der sich noch gut an das Schicksal seines Autos nach Daniels vermeintlichem Tod vor ein paar Jahren erinnern konnte, zur Rettung seines Inventars hinter seinem Schreibtisch hervor, als das Telefon klingelte. Der General warf seinem laut keuchenden 2IC einen letzten warnenden Blick zu, bevor er den Hörer abnahm.
    Für einen Moment war Jack abgelenkt, konzentrierte sich ausschließlich auf Hammonds Telefongespräch. Daniel war dankbar für die kleine Atempause. Doch die hielt nicht lange an, als sowohl ihm, als auch seinem aufgewühlten Freund klar wurde, um wen es sich dabei drehte.

    „Wo haben sie es gefunden?“, fragte der ältere Mann besorgt und wurde dabei zunehmend hektischer. „Nein Major … sie haben vollkommen recht. … Weshalb sollte sie das tun?“ Die Art wie er sich immer wieder die Stirn rieb, gefiel Jack ganz und gar nicht.
    „Nein, nein! Bleiben sie dort und sagen sie denen, sie sollen nichts anrühren! Gott weiß, was sie alles da drin liegen hat, das nicht für die Augen der Öffentlichkeit bestimmt ist. Ich schicke ihnen Colonel O`Neill vorbei.“

    Mit einem tiefen Atemzug legte er auf und blickte Jack an, als erwartete jede Sekunde einen erneuten Ausbruch.
    „Man hat Major Carters Auto gefunden. In einem kleinen Waldstück außerhalb der Stadt, direkt an einer Lichtung. Es war vollkommen mit Ästen bedeckt und die Polizei nimmt an, dass jemand …“, er stöhnte leise auf, bevor er nach Fassung ringend weitersprach. „… nicht wollte, dass wir es finden.“

    „Ich wusste es“, entfuhr es Jack triumphal, auch wenn ihm der Geschmack der Erkenntnis bitter auf der Zunge lag. Was wenn sie irgendwer zu alle dem gezwungen hatte? Die Erklärung erschien ihm logischer, als dieser seltsame Brief, auch wenn sie ihm zugegebenermaßen noch viel weniger gefiel, aber letzten Endes musste es einen Zusammenhang geben.

    „Nehmen sie Doktor Jackson mit und fahren sie dahin, Colonel. Vielleicht kommt so endlich Licht ins Dunkel … zumindest hoffe ich das. In der Zwischenzeit werde ich sehen, wie lange ich diese Kündigung im Zweifelsfall zurückhalten kann.“

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    „Du glaubst also allen Ernstes, sie hat ihr Auto selbst dorthin gebracht und es dann weshalb mit Ästen zu bedecken?“ Jack blieb wie versteinert vor dem Aufzug stehen und blickte Daniel ungläubig an. „Um mit uns verstecken zu spielen?“, ließ er seinem beißenden Sarkasmus freien Lauf. „Vielleicht wurde sie aber auch einfach nur dazu gezwungen, all das zu tun, um uns auf eine falsche Fährte zu locken oder hast du die ganze Sache mit Adrian Conrad schon vergessen?“

    „Jack“, begann er vorsichtig und hoffte endlich die Mauer zu durchbrechen, die er aus reinem Selbstschutz um sich errichtet hatte. Ihr gemeinsamer Ausflug in das kleine Waldstück, von dem sie gerade erst zurückgekehrt waren, hatte sich als ebenso sinnlos erwiesen, wie all die anderen Bemühungen der letzten zwei Wochen, dabei hatten sie sich beide so viel mehr vom Fund ihres Autos versprochen. „Ich weiß, du willst das nicht hören, aber vielleicht solltest du auch in Betracht ziehen, dass sie nur einfach nicht gefunden werden will. Vor allem nicht von uns ….“

    „Carter würde ihre Karriere niemals für eine solche Gefühlsduselei hinwerfen“, wehrte sich Jack weiter vehement gegen diese Vorstellung und stapfte wütend in den leeren Fahrstuhl. Doch Daniel dachte nicht daran lockerzulassen und zwängte sich hinter ihm durch die Tür. Er sah sich bereits ein weiteres Mal, gemeinsam mit seinem Freund, diskutierend in Hammonds Büro stehen. Grübelnd beobachtete er, wie Jack mit eingefallenen Schultern und zusammengekniffenen Augen an der gegenüberliegenden Wand lehnte und zitternd einatmete. Er wirkte müde, aber nicht etwa körperlich, sondern seelisch und nun wollte er ihm auch noch den letzten Funken Hoffnung nehmen, der ihm geblieben war?

    Auf Ebene achtundzwanzig sprangen schließlich die Türen vor ihnen auf und Jack konnte es gar nicht schnell genug gehen, der Gesellschaft seines Freundes und alledem, was er ihm zu sagen hatte, zu entkommen. Doch seine Sturheit spornte Daniel nur noch weiter an, sich keinesfalls von dem innerlich getriebenen Mann abhängen zu lassen, der rastlos entlang der tristen, grauen Gänge fegte. „Sieh den Tatsachen ins Auge Jack …“, rief er ihm nach Luft ringend hinterher, als dieser wie vom Donner gerührt vor der kleinen Treppe zum Kontrollraum stehenblieb.

    Die Erkenntnis durchzuckte den Colonel wie ein elektrischer Schlag. Alles um ihn herum begann sich zu drehen und seine Gedanken überschlugen sich. Mit letzter Kraft krallte er sich Halt suchend am Arm seines Freundes fest, der soeben zu ihm aufgeschlossen hatte.

    „Oh Mein Gott, Daniel“, keuchte Jack, während sich die ganze unheilvolle Szene von damals noch einmal vor seinem geistigen Auge abspielte. Genau hier war er gestanden und hatte sie angesehen, wie jetzt Daniel, als er sie zum Wohl der Mission mit voller Absicht verletzt hatte.


    “Carter?“

    „Sir?“

    „Was ist?“

    „Kann ich irgendwas für sie tun?“

    „Wie meinen Sie das?“

    „Na ja Sir … bei allem Respekt, sie wirken irgendwie völlig verändert.“

    „Nein, Carter! Ich habe mich immer nur verstellt, solange sie da waren. Jetzt bin ich einfach nur ich selbst!“



    „Was ist denn los? Geht es dir nicht gut?“, hielt der Archäologe seinen kreidebleichen, schwankenden Freund fest und hatte keine Ahnung, was gerade passierte. Unter seinen Händen, die ihn mühsam aufrecht hielten, spürte er Jacks Herz, das so schnell raste, dass man die einzelnen Schläge kaum mehr auseinanderhalten konnte.

    „Carter ist gar nicht auf der Erde, Daniel!“, presste er sich mit weit aufgerissenen Augen hervor. „Wie konnte ich nur so dumm sein? Sie hat mich quasi mit der Nase darauf gestoßen und ich Idiot habe es nicht verstanden. Womöglich hätte ich sie noch abhalten können, aber ich habe ihr wie immer nicht richtig zugehört.“

    „Ich verstehe kein Wort, Jack! Würdest du mir bitte ….“

    „Keine Zeit Daniel“, unterbrach er ihn hektisch und riss sich los, um in seinem Adrenalinrausch die Stufen in Richtung Kontrollraum zu überwinden und dann gleich weiter in den Konferenzraum zu rennen, wo sich Hammond gerade in einem Gespräch mit Colonel Reynolds befand.

    „Ich weiß, wo sie ist, General“, platzte Jack rücksichtslos dazwischen und schob den laut protestierenden, älteren Mann einfach weiter durch die offene Tür seines Büros ins Innere des kleinen Raumes. Colonel Reynolds schüttelte nur den Kopf, als gleich darauf auch Daniel an ihm vorbeischoss wie eine Rakete am Nachthimmel und sich gerade noch durch den geöffneten Spalt presste, bevor Jack die Tür hinter sich schloss.

    „Was soll das, Colonel?“, wollte Hammond, dessen Geduld mit seinem 2IC so langsam an seine Grenzen geriet, mit glutrotem Gesicht wissen.

    „Ja genau“, mischte sich Daniel ein. „Das wüsste ich auch gern!“

    „Die ganze Zeit habe ich mir mein Hirn zermartert, was sie mit diesem gottverdammten Satz gemeint haben könnte“, begann Jack aufgeregt umherzulaufen, während alles schwallartig aus ihm herausbrach. „Am Abend vor ihrem Verschwinden hat sie mir einen Satz an den Kopf geworfen. Einen Satz, den ich einmal zu ihr sagte, kurz bevor ich auf diese Undercover Mission ging, um Maybourne zu überführen. General, Carter ist seit über zwei Wochen spurlos verschwunden und es war, als jagten wir einem Phantom hinterher, dabei konnten wir sie auf der Erde niemals finden … weil sie schon längst nicht mehr hier ist, sondern mit den Tok´ra auf dieser verfluchten Mission … entgegen meines ausdrücklichen Befehls! Sehen sie, in ihrem Brief hat sie geschrieben, es täte ihr leid, uns alle belogen zu haben, aber womit sollte sie uns belogen haben, wenn nicht damit?“

    Hammond sank auf seinen Stuhl, während Daniel, offenbar in einer Art Schockstarre gefangen, an der Wand lehnte und seine Augenlider aufeinanderpresste. Der Blick des Generals fiel unwillkürlich auf den Umschlag am Schreibtisch, aber er fühlte sich einfach unfähig einen zusammenhängenden Gedanken zu fassen. Zu tief saß der Schock. Zu sehr brannte die Wahrheit in seiner Kehle. War sie nicht immer seine perfekte Vorzeigeoffizierin gewesen, ein Musterbeispiel an Pflichtbewusstsein und Aufrichtigkeit? Aber je länger er über Jacks Worte nachdachte, umso mehr lüftete sich das Geheimnis, das sich um ihr mysteriöses Verschwinden rankte. Konnte es wirklich sein und wenn ja, warum? Was brachte einen derart Kopf gesteuerten Menschen dazu, eine solch impulsive, unbedachte Entscheidung zu treffen? Natürlich war ihm nicht entgangen, dass sie seit ihrer Rettung von der Prometheus immer öfter abwesend wirkte, beinah grüblerisch und nun verfluchte er sich dafür, das geplante Gespräch mit Dr. McKenzie auf ihr Bitten immer wieder verschoben zu haben. Hatte sie tatsächlich so wenig Vertrauen, dass sie sich nicht im Stande sah, sich irgendwem zu öffnen? Sein Herz blutete für die inspirierende junge Frau, die für ihn immer wie eine Tochter war. Alle Türen, die ihr soweit offen gestanden hatten, fielen mit einem Mal ins Schloss. Sollte der Verdacht tatsächlich zur Gewissheit werden, und genauso sah es aus, dann war es ohne Zweifel das Todesurteil für ihre Karriere, aber viel schlimmer noch … womöglich auch für sie selbst.

    „Ich habe keine Ahnung, was wir jetzt tun sollen“, gestand der General schließlich mit gebrochener Stimme ein und ließ seine Hand laut krachend auf Sams Kündigung fallen. „Auch wenn wir sie finden, wüsste ich nicht, wie ich ihr helfen sollte. Nichts könnte sie unter diesen Umständen vor dem Militärgericht bewahren. Was sie getan hat, ist Verrat und sollte sie überleben, was auch immer sie da draußen tut, dann wird sie den Rest ihres Lebens in Fort Leavenworth zubringen.“

    Langsam sickerten die Worte durch Jacks Verstand. Bis eben hatte ihn nur der Gedanke beschäftigt, wo sie war, ob sie noch lebte und wie er sie schnellstmöglich zurückholen konnte, doch nun brach die gesamte Tragweite ihres Handelns mit voller Wucht über ihn herein. Ganz sicher war er nicht bereit, sie aufzugeben, weder an die Tok´ra, noch die Goa´uld und noch viel weniger an einen übereifrigen Militärrichter, der keine Ahnung hatte, womit sie alle jeden Tag da draußen konfrontiert waren. Womöglich hatte sie Regeln gebrochen, aber sie war ganz sicher kein Verräter. Sein Hirn arbeitete bereits übereifrig an einer Lösung und plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.

    „Wir könnten die Mission doch im Nachhinein offiziell machen, General … ihr so die Legitimation geben. Niemand müsste es wissen, Sir und ich wäre bereit, alle Konsequenzen dafür zu tragen. Wir holen sie und alles wird wieder gut“, stützte sich Jack am Tisch ab und sah ihn erwartungsvoll an. Ein siegessicheres Lächeln brachte wieder Leben in sein zuvor versteinertes Gesicht und es brach Hammond fast das Herz, ihm auch die letzte Hoffnung auf ein Wunder zu nehmen.

    „Der Bericht über die Besprechung liegt bereits seit über einer Woche in Washington“, erwiderte er mit tränenverschleiertem Blick. „Tut mir leid, Colonel ….“

    „Mal angenommen, du recht hast Jack“, meldete sich Daniel, der sich bisher aufs Zuhören und Nachdenken beschränkt hatte, unerwartet zu Wort. „Dann müssten wir sie doch eigentlich nur rechtzeitig finden, bevor irgendjemand in Washington Wind von der Sache mit den Tok´ra bekommt. Noch glauben doch alle, sie sei im Urlaub und wir hätten sie nicht gefunden. Keiner weiß, dass sie nicht auf der Erde ist ….“

    „Er hat recht Sir“, stimmte Jack euphorisch ein und versuchte seine Gedanken zusammenzufügen, bevor er seinen Vorgesetzten mit wild entschlossener Miene ansah. „Sir, ich denke, es ist höchste Zeit, den Tok´ra einen kleinen Besuch abzustatten.“

    Seine Worte waren kaum ausgesprochen, als auf einmal die Sirenen aufheulten und Sergeant Harrimans Stimme über die Lautsprecher tönte. „Außerplanmäßige Aktivierung von außen, General Hammond bitte in den Kontrollraum! Ich wiederhole, außerplanmäßige Aktivierung von außen!“

    „Darüber reden wir nachher weiter, Colonel“, sprang der General von seinem Stuhl auf, bohrte ihm im Vorübergehen seinen Zeigefinger in die Brust und stürmte an ihm vorbei. Nichts Gutes ahnend signalisierte Jack seinem besten Freund mit einem Nicken, ihm zu folgen. Im Kontrollraum herrschte bereits hektische Betriebsamkeit. Teal´c, der direkt von seinem Quartier gekommen war, musste sich ebenso wie seine beiden Freunde einen Weg durch die wild umherlaufenden Menschen bahnen, bevor er sich gemeinsam mit ihnen hinter Hammond einreihte und zusah, wie die Symbole eines nach dem anderen einrasteten.

    „Erwarten wir jemanden, General?“, wollte Jack wissen und beobachtete die Soldaten, die sich vor der Rampe aufstellten und ihre Waffen auf das Tor richteten.

    „Nicht, dass ich wüsste. Es steht kein Team aus“, murmelte der General kaum hörbar vor sich hin und beugte sich über Sergeant Harriman, der bereits ungeduldig auf den Bildschirm starrte und auf einen Code wartete, der noch im selben Augenblick eintraf.

    „Es ist Master Bra´tac, Sir.“

    „Iris Öffnen“, befahl er und setzte sich zusammen mit den drei Mitgliedern von SG 1 in Richtung Torraum in Bewegung. Zu jedermanns Erleichterung war es tatsächlich Teal´cs alter Freund, der nur wenig später den schimmernden Ereignishorizont verließ und ihnen mit einer Kugel unter dem Arm gestemmt entgegentrat. Jacks Blick klebte neugierig an dem ungewöhnlichen Mitbringsel und er war sich sicher, so etwas schon einmal gesehen zu haben. Die Erleuchtung ließ nicht lange auf sich warten. Ein Goa´uld Kommunikator! Aber aus irgendeinem Grund beschlich ihn das seltsame Gefühl, dass er besser nicht wissen wollte, was den weisen Jaffa dazu bewogen haben könnte, dieses Ding mit hierher zu bringen.

    „Tek'ma'tae Bra´tac“, reichte Teal´c seinen Freund den Unterarm, so wie es die Jaffa untereinander pflegten und verneigte seinen Kopf respektvoll vor dem älteren Mann, der seine Geste sofort erwiderte. „Was verschafft uns die Ehre deines unerwarteten Besuches?“

    „General Hammond, Colonel O`Neill, Doktor Jackson“, begrüßte Bra´tac auch den Rest der Versammelten, doch das gewohnte Lächeln im Gesicht des Jaffas blieb diesmal aus, was Jack nur noch mehr in seinem Glauben bestärkte, dass dies kein reiner Höflichkeitsbesuch war. „Wir sollten besser nach oben gehen. Es gibt da etwas, dass ihr euch dringend ansehen solltet ….“

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    Die Stimmung im Konferenzraum war gedrückt. Jack konnte seine Augen einfach nicht von der Kugel abwenden, die der Jaffa an der Stirnseite des großen Tisches platzierte, während alle ihren Platz einnahmen. Anstatt des üblichen Gemurmels herrschte betretene Stille. Daniel, der nicht müde wurde, seine Brille im Sekundentakt neu auf seiner Nase zu justieren, saß ihm genau gegenüber und es schien ihm nicht viel besser zu gehen. Selbst auf Teal´cs Gesicht, aus dem man nur höchst selten etwas herauslesen konnte, zeichnete sich eine für ihn ungewöhnliche Unruhe ab. Die Kugel schien einen merkwürdigen Reiz auszuüben. Irgendetwas ging von ihr aus, das zwar jeder spüren konnte, aber keiner zu deuten wusste.

    „Nun spann uns nicht noch länger auf die Folter, Bra´tac“, verzog Jack sein Gesicht und versuchte die Nervosität zu unterdrücken, die sich ganz allmählich in ihm hocharbeitete und auszubrechen drohte. Er war weiß Gott kein geduldiger Mensch und nach allem, was dieser Tag schon an bitteren Erfahrungen in Petto hatte, bevorzugte er es, auch den nächsten Akt in seinem persönlichen Drama möglichst schnell hinter sich zu bringen. „Welche Art intergalaktische Katastrophe hast du uns denn heute mitgebracht?“

    Bra´tacs ausdruckslose, düstere Miene erhellte sich nicht um eine winzige Nuance. Sein Blick fiel in die Runde und musterte andächtig jedes einzelne Gesicht, als glaubte er sie ein letztes Mal so zu sehen. Schließlich räusperte er sich und holte tief Luft.

    „Wo ist Major Carter?“, begann er mit einem leisen Zittern in seiner Stimme, das Jack bisher noch nie zuvor bei ihm bemerkt hatte, ganz egal, wie aussichtslos und verzwickt die Situation auch sein mochte. Der Mann war gewöhnlich die Ruhe selbst und jetzt wirkte er, als tobte ein gewaltiger Sturm in seinem Inneren, der nur darauf wartete über sie alle hereinzubrechen.

    „Nun ja“, war Jacks prompte Antwort und er hustete gequält, als er von seinem Stuhl aufsprang und auf den starren Gesichtsausdruck des Jaffa traf, der am Ende des Tisches stand und wartete. „Offiziell ist sie seit über zwei Wochen im Urlaub.“ Seine Stimme brach. Jeder einzelne Muskel in ihm verspannte sich und er rieb sich nervös die Stirn. In seinen Augen leuchtete eiserne Entschlossenheit, aber auch eine gehörige Portion Unmut, der ihn beim Gedanken an Carters Alleingang erneut heimsuchte.
    „Aber wir befürchten, sie ist ohne unser Wissen auf eine ungenehmigte Mission mit den Tok´ra gegangen. Bevor du kamst, hatten wir gerade beschlossen, unseren Freunden einen kleinen Besuch deswegen abzustatten.“

    „Tja“, seufzte Bra´tac laut auf. „Das dürfte nicht mehr notwendig sein. Setz dich wieder hin, O`Neill“, fügte er in einem Befehlston an, der bei Jack alle Nackenhaare aufstellte. „Ich hätte euch das …“, sein Blick fiel auf die Kugel, die am Tischende lag. „… wirklich gerne erspart, aber ich denke, ihr solltet das mit euren eigenen Augen sehen, um es zu glauben.“

    Jack hatte es geahnt, von der ersten Sekunde an, in der Bra´tac mit diesem verdammten Ding wie der Henker höchstpersönlich dort einmarschiert war. Das Urteil für all seine Fehler in den letzten Jahren schien gefällt und nun war es Zeit für die Vollstreckung. Wortlos folgte er der Aufforderung des Jaffa, zog wie in Trance seinen Stuhl heran und setzte sich, während sich sein Magen in Erwartung dessen, was nun folgte, schmerzhaft zusammenzog. Die Panik, die unwillkürlich in Jacks Kopf heranreifte, legte sich wie ein Schlinge um seinen Hals, zog sich immer fester und fester und schnürte ihm allmählich die Luft ab. Aber wie es aussah, war er nicht der Einzige, der mit seinen Ängsten kämpfte, denn auch Daniel rutschte ruhelos auf seinem Stuhl herum und drehte mit absonderlicher Ausdauer den Stift in seiner Hand.

    „Ishtars Ha´tak ist vor drei Stunden auf Tartarus eingetroffen. Pelnec hat uns wie versprochen sofort kontaktiert und uns dabei auch diesen Kommunikator zukommen lassen. Wir haben uns die Aufzeichnung sofort angesehen …“, stöhnte der Jaffa und schloss einen Moment die Augen.

    „Warum sollten wir das sehen, Bra´tac“, fragte General Hammond ungeduldig, aber zugleich voller Angst, aber er ignorierte die Frage einfach und fuhr unbeirrt fort.

    „Während Ishtar unterwegs zu Anubis war, gab es auf Uruk eine Art Tribunal. Es gibt Menschensklaven und Jaffa in Gestiannas persönlichen Diensten, denen kein Chip implantiert wurde, weil sie den Planeten regelmäßig verlassen müssen, wenn sie mit ihr reisen. Dazu gehören in erster Linie Söldner, Leibsklaven und ihr Lotar. Aber dennoch wagen es die wenigsten davon zu fliehen, denn es werden gewöhnlich nur Personen ausgewählt, die eine Familie zurücklassen würden und das Wissen um deren Schicksal … in der Regel ein grausamer, qualvoller Tod … hält fast alle davon ab, es auch nur zu versuchen. Aber von Zeit zu Zeit kommt es vor. Ishtar findet gewöhnlich immer einen großen Gefallen daran, zuzusehen, wenn Gestianna ihren perfiden Hang zu Gewaltexzessen auslebt …“, stockte Bra´tacs Stimme und jeder spürte, wieviel Kraft es ihn kostete, seine Fassung zu wahren, als er ein kleines Teil hervorzog, das aussah wie eine Art Miniaturfernbedienung. „Nun, weil sie dieses Mal aber nicht persönlich anwesend sein konnte, wurde es dort aufgezeichnet und auf das Mutterschiff übertragen ….“

    „Ihr könnt dieses Ding ohne Goa´uld aktivieren?“, warf Jack verwirrt ein und sah, wie der Jaffa nickte. Ein kurzer Knopfdruck genügte und schon erwachte die unheilvolle Kugel vor ihrer aller Augen zum Leben.

    Im ersten Moment erschien alles verschwommen. Jacks Herz begann zu rasen und Beklemmung machte sich in ihm breit. Noch immer sah man nichts, außer massive Steinmauern, wohin das Auge blickte. Fackeln brannten in der hereinbrechenden Dunkelheit und beleuchteten die unmittelbare Umgebung feuerrot. Die Hölle, dachte er kurz, zumindest stellte er sie sich so vor. Der Schauplatz sah aus wie ein Innenhof, der enormen Größe nach zu urteilen, womöglich von einer Art Festung umgeben. Man hörte leise Trommeln, die den Takt angaben. Zuerst langsam, dann etwas schneller. Plötzlich schärfte sich das Bild. Alle zuckten zusammen, bei dem, was sich ihnen offenbarte. Auf dem Boden eines riesigen Podestes lag ein junger Mann. Ein grausames Röcheln drang aus seiner Kehle. Seine Hände klebten am Boden und alle Finger standen in verrückten Winkeln ab. Knochensplitter stachen durch seine zerrissene Haut, während sich unaufhörlich Blut um seine Knöchel sammelte. Sein schmerzverzerrtes Gesicht war geschwollen, blau unterlaufen und überall klafften kleine Wunden. Der Mann versuchte verbissen, sich auf seine Unterarme zu stemmen, sich aufzubäumen und irgendwie vorwärts zu schleifen, doch wie aus dem Nirgendwo schoss ein Energiestrahl aus dem Dunkel und traf ihn. Seine Arme gaben mit einem markigen, nassen Knacken nach und sein Körper kippte schlaff zur Seite. Nichts auf der Welt glich dem Geräusch von brechenden Knochen. Fragmente schimmerten durch seine blassen verkrümmten Rippen und ragten aus dem rohen Fleisch hervor. Eine tiefrote Blutlache dehnte darunter und vermischte sich mit dem Dreck am Boden. Jack kannte den Anblick von Folter und Tod nur zu gut, der in ihn seit seiner Gefangenschaft im Irak nachts regelmäßig aus dem Schlaf riss, schweißgebadet, panisch wie ein verängstigtes Kind. Man konnte die bestialischen Schmerzen des jungen Mannes nur erahnen und es grenzte an ein Wunder mit welch unmenschlicher Kraft er der drohenden Ohnmacht trotzte.

    Die Aufnahme schwenkte auf den riesigen Platz davor und obwohl dieser bis in den letzten Winkel mit Menschen gefüllt war, herrschte eine gespenstische Totenstille, ein verzehrendes Vakuum der Furcht. Jack musste sich zwingen seinen Blick nicht auf der Stelle abzuwenden, solange er es noch konnte, doch welchen Sinn hatte es schon, vor der Realität davonzulaufen, wenn sie einen früher oder später doch einholte? Der Grund für die Hartnäckigkeit des Mannes wurde immer klarer, als das Bild, das Jack gnadenlos aus seinen fliehenden Gedanken riss, so schnell weitersprang, dass er kaum folgen konnte. Mit gnadenloser Härte wurde sowohl er, als auch der Rest der entsetzten Anwesenden in das nächste Drama katapultiert. Erschüttert sah er ein in mehrere Lagen Stoff gewickeltes Bündel direkt am Abgrund liegen. Es bewegte sich. Es strampelte. Und mit der Erkenntnis, kam der Schock.

    „Oh mein Gott … ein Baby!“, brachte Jack bebend hervor und er musste hart schlucken, um das Gefühl der Übelkeit, das in ihm aufstieg, wieder in die Tiefen seines schauernden Körpers zu drängen. Aus seinem Augenwinkel sah er Daniel, der seinen Kopf entkräftet in seine Hände fallen ließ.

    „Wer tut denn sowas?“, keuchte auf einmal eine weibliche Stimme vom anderen Ende des Raumes, doch keiner blickte zu Janet auf, als sie die Tür hinter sich schloss, langsam nähertrat und ebenso hypnotisiert, wie alle anderen auf die grausamen Bilder starrte. Jeder für sich wirkte gefangen in seinem eigenen Entsetzen, das noch lange kein Ende zu nehmen schien.

    Nur noch ein paar verschwindende Zentimeter, trennten das nun zu schreien beginnende Baby jetzt noch vom freien Fall in die Tiefe. Jack verspürte den schier übermächtigen Drang, aufzuspringen und es in seine Arme zu reißen, um es zu beschützen vor dem, was auch immer dort lauerte … wer auch immer dort lauerte.

    Der ganze Raum hielt den Atem an. Niemand bewegte sich. Niemand sprach. Die Brutalität dieser Szene war kaum mehr auszuhalten, doch Jack hatte zu oft am eigenen Leib erfahren müssen, dass es für alles eine Steigerung gab.
    Irgendwo im Hintergrund wimmerte eine Frau, flehte und bettelte in kläglichen Tönen, die ihm durch Mark und Bein gingen. Man konnte nur ihre Umrisse erkennen, doch es genügte, um zu wissen, dass sie am Boden kniete und auf brutalste Weise von zwei maskierten Männern nach unten gepresst wurde. Ihr erstickter Schrei, als auch sie ein Energiestoß traf, jagte über den ganzen Platz und das laute Hallen zwischen den kahlen Steinwänden verstärkte ihr Echo. Doch plötzlich waren Schritte zu hören, die sich der Frau näherten und mit ihnen erklang eine dumpfe metallische Stimme, unverkennbar die eines Goa´uld.

    „Seht euch genau an, was mit Verrätern passiert!“, trat die Gestalt ganz langsam aus der Finsternis und ihre Silhouette näherte sich der hilflosen Frau. „Von mir habt ihr keine Gnade zu erwarten, denn ich werde töten, was euch lieb und teuer ist, sollte noch einmal jemand versuchen, mich zu täuschen, zu verraten oder sich gegen mich aufzulehnen.“

    Auch wenn er bisher nur ihren Schatten sah, wusste Jack, dass es sich dabei nur um Gestianna handeln konnte. Mühsam presste er die modrige Luft aus seinen Lungen, als müsse er daran ersticken. In seinem Bewusstsein schwelte ein furchtbarer Gedanke, der sein Herz von innen zu zerreißen drohte. Was, wenn die Mission fehlgeschlagen war und Gestianna Carters wahre Identität aufgedeckt hatte? War sie vielleicht schon seit zwei Wochen Gefangene dieses Teufels in Menschengestalt, während er seine Zeit mit einer von vornherein sinnlosen Suche vergeudet hatte? War Carter womöglich die wimmernde Frau im Hintergrund? Allein, gefoltert und zu Tode gequält. Nein … nein … bitte nicht! Das Mantra wiederholte sich in seinem Kopf wie ein stilles Gebet, bis er es nicht mehr aushielt

    „Ausmachen“, schrie er schließlich und schoss von seinem Stuhl hoch, riss Bra´tac die Fernbedienung aus den Händen und stoppte das grausame Schauspiel, noch bevor das Unheil seinen Lauf nahm. „Wozu soll das gut sein? Ist das irgend so ein Jaffa Ding? Stell dich den Tatsachen, oder was? Schlimm genug, was wir bereits anschauen mussten, aber ich weigere mich, mir mit anzusehen, wie dieses Monster Carter und das Baby tötet.“

    „O`Neill“, umschloss Bra´tac die zitternde Hand des kreidebleichen Colonels mit der seinen und flüsterte ihm beschwörend ins Ohr. „Ich bitte dich … vertrau mir.“

    Jack schloss seine Augen und hielt sich krampfhaft an der Tischplatte fest, damit er nicht das Gleichgewicht verlor. Konnte man wirklich von ihm verlangen, nach ihrem Verschwinden auch noch Zeuge ihres Todes zu werden? In seinem Kopf herrschte komplette Leere. Er empfand absolut nichts. Seine Sinne arbeiteten auf Hochtouren, doch seine Gefühle waren komplett ausgeschalten. Das letzte, was ihn jetzt noch vorm Durchdrehen bewahrte. Sein Herz war nicht bereit, die erschütternde Wahrheit zu akzeptieren. Er spürte, wie Bra´tac ihm das Kästchen langsam wieder aus dem Fingern zog, während sich die andere Hand des Jaffa mit sanften Druck auf seine Schulter legte.
    „Es muss sein …“, betonte er ein weiteres Mal und schon lief das Bild weiter.

    Mühsam schlug Jack seine Lider auf und alles was er sah, waren diese Augen. Jene, die er unter Millionen erkennen würde. Jene, die ihn fesseln konnten, wann immer sie ihn anblickten. Sie gehörten der Frau, ohne die nichts in seinem Leben irgendeinen Sinn machte. Er schnappt nach Luft und klammerte sich an den letzten Strohhalm, den er zu fassen bekam. Carter war eine Kämpfernatur. Sie würde nicht aufgeben. Nein! Sie würde sich verteidigen bis zum letzten Blutstropfen, um dann zu ihm zurückzukehren und ihn aus diesem furchtbaren Albtraum erlösen. Für den Bruchteil einer Sekunde keimte Hoffnung in ihm auf, als sein Blick ihren Körper hinabglitt und er das Schwert sah, das sie fest mit ihren Händen umklammerte.

    „Ja“, murmelte Jack so leise vor sich hin, dass seine Worte kaum zu erahnen waren. „Kämpf Carter, Kämpf!“

    Langsam hob sie die tödliche Waffe empor, vor ihr der röchelnde, junge Mann, der dem Tod näher war, als dem Leben. Ihre geliebten blauen Augen leuchteten wie zwei funkelnde Juwelen, doch urplötzlich ließ ein helles Glühen alle Wärme darin in einem Meer aus Wahnsinn und Gewalt ertrinken und brachte Jacks Herz zum Stillstand. Ihr Antlitz strahlte im goldenen Abendlicht, ihre weichen Züge fast bis zur Unendlichkeit verzerrt und ein eisiges Lächeln zog über ihre Lippen, als sie die tödliche Waffe brutal durch den Rücken des qualvoll brüllenden Mannes bohrte. Die Erkenntnis traf Jack wie ein niederschmetternder Schlag in die Magengrube. Von einem Moment auf den anderen blieb die Welt um ihn stehen und versank in endlosem Schmerz. Niemand anderes als Carter war die kaltblütig mordende Bestie … Carter war … Gestianna!


    DANKE fürs Lesen!

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