Titel: Dinge ändern sich
Serie: SG-1, in unbestimmter Zukunft
Genre: Drama
Charaktere/Pairings: Jack O'Neill
Rating: R
Anmerkung: Mein Beitrag zur aktuellen Challenge. Aufgabe: Sich vom Film "Ist das Leben nicht schön" in welcher Weise auch immer inspirieren lassen...
Er saß in einem kleinen, abgedunkelten Raum an der Wand. Auf dem kalten Boden hatte er es sich so bequem wie möglich gemacht, während er darauf wartete, dass etwas passierte. Schon einmal war er hier gewesen, aber das war lange her. Damals hatte er versehentlich das gesamte Wissen der Antiker in sein Gehirn geladen, und nur die Asgard hatten ihn danach noch retten können. Er war sich nicht sicher, ob ihn diesmal ebenfalls ein Wunder ereilen würde...
‚Dinge ändern sich‘, hatte er einmal zu Daniel gesagt, und im Gedenken daran, war er in diesen Raum zurückgekehrt, der mit seinen schwarzen Wänden und dem Stargate, dem DHD und dem Antiker-Wissensgerät als einziger Innenausstattung an Trostlosigkeit kaum zu überbieten war. Bei seiner Ankunft hatte er zunächst seinen Wunsch geäußert, ruhig und besonnen, aber als niemand reagiert hatte, war er lauter geworden. Er hatte geschrien, so lange bis seine Stimme versagt hatte, und dann hatte er geweint, Stunde um Stunde, so war es ihm vorgekommen.
Jetzt saß er also mit dem Rücken zur Wand und wartete, stumm. Sein Magen rumorte inzwischen, und er hatte Durst, doch er blieb stur, wollte erst wieder gehen, wenn er erhört worden war. Erst wenn jemand ein Urteil über ihn gesprochen hatte, wollte er sich erheben und davonschreiten, oder aber kläglich sterben. Und gerade als er sich nochmals darauf einschwor, nicht zu weichen, hörte er plötzlich eine Stimme.
„Hallo, Jack.“
Der General sah auf und erkannte, dass seine Ausdauer und seine Besessenheit endlich belohnt worden waren. Vor ihm stand ein Mann, der dem Anschein nach etwa vierzig Jahre alt sein musste. Er trug einen schwarzen Anzug und eine Sonnenbrille, die seine Augenpartie verbarg. Seine dunkelbraunen Haare waren vornehm zur Seite gekämmt. Es war, als wäre er aus dem Nichts aufgetaucht.
O’Neill begutachtete ihn einen Augenblick und formulierte dann die erste Frage, die ihm in den Sinn kam: „Wieso siehst du aus wie Agent Smith?“
Ein Schmunzeln huschte über die Lippen des Mannes. „Vielleicht weil du erst gestern Matrix gesehen hast...“
„Das war nicht gestern“, erwiderte Jack trocken. „Das ist mindestens schon eine Woche her...“
Das Lächeln des Mannes wurde breiter. „Nun denn, du kannst mich Smith nennen, oder aber Neo, wie du magst...“
Der General benötigte nur einen Augenblick, um sich zu entscheiden. „Neo ist einfacher auszusprechen. Obwohl ich mich wundere..., hast du keinen wirklichen Namen?“
„Wenn du so alt wärst wie ich, hättest auch du Schwierigkeiten, dich an deinen echten Namen zu erinnern“, erwiderte der Mann und steckte nun die Hände in seine Hosentaschen. „In jenem Moment, da du ihn endgültig vergisst, begreifst du, wie unwichtig Namen eigentlich sind. Ich handhabe es seither so, dass ich meine Gesprächspartner einen Namen für mich wählen lasse, so sie denn unbedingt darauf bestehen, dass ich einen brauche. Wie es aussieht, heiße ich für die nächsten Minuten Neo.“
„Ja, sieht ganz so aus“, sagte Jack, der nach wie vor sitzen blieb und zu seinem Gegenüber hinauf sprach. „Du weißt, weshalb ich dich gerufen habe? Oder zumindest einen von euch?“
„Ja, Jack“, antwortete Neo, „ich habe dich gehört. Obwohl ich mich frage, was dich auf den Gedanken gebracht hat, dass dir tatsächlich jemand antworten könnte. Für gewöhnlich macht keiner von uns Hausbesuche...“
„Das hier ist nicht mein Haus“, entgegnete O’Neill. „Und du hast mir geantwortet...“
„Touché.“ Noch immer hatte der Mann in Schwarz die Hände in seinen Hosentaschen vergraben und wirkte in seiner Haltung vollkommen gelassen. „Wie du weißt, ist es uns normalerweise strikt verboten, uns einzumischen. Und was immer du jetzt glaubst, ich bin nicht hier, weil du irgendetwas Besonderes wärest oder irgendetwas Großartiges geleistet hättest. Du und deine Freunde, ihr mögt uns hin und wieder den Arsch gerettet haben, aber das bedeutet noch lange nicht, dass ihr mehr Aufmerksamkeit verdient als der Rest der Galaxie.“ Er lachte leise. „Aber davon bist du auch nicht ausgegangen, nicht wahr?“
„Wieso bist du dann gekommen?“, wollte Jack wissen.
Jetzt erstarb Neos Lächeln. Er nahm seine Sonnenbrille ab und gab damit wundersame, blaue Augen preis. Er trat einen Schritt näher an den General heran und ging in die Hocke. Ganz nah war er nun dem Gesicht seines Gegenübers, und er flüsterte eindringlich: „Weil ich Mitleid habe mit solch einer armseligen Kreatur wie dir...“
„Nett gesagt“, erwiderte O’Neill, der sich nicht einschüchtern ließ. „Kann ich nun endlich mein Urteil hören?“
Da kehrte das Lächeln in das Gesicht des Mannes zurück. Er setzte wieder seine Sonnenbrille auf, erhob sich und brachte etwas Abstand zwischen sich und seinen Gesprächspartner. „Ein Urteil zu sprechen, ohne alle Fakten zu kennen, wäre töricht, findest du nicht? Also warum erzählst du mir nicht, was du getan hast, Jack?“
„Du weißt, was ich getan habe...“ O’Neill sah auf zu diesem Gesicht, das unentwegt lächelte, auf eine Weise, mit der er nichts anfangen konnte. Fast schien es, als würde sich Neo über ihn lustig machen, aber solch ein Verhalten passte überhaupt nicht zu den Aufgestiegenen, die er bislang kennen gelernt hatte.
„Erzähl es mir trotzdem“, entgegnete Neo. „Es noch einmal zu hören, könnte erleuchtend für uns beide sein...“
Jack rang nach Worten, aber ihm fiel nichts ein, nichts außer der bitteren Wahrheit. Er seufzte und sprach schließlich mit betretener Stimme: „Ich war glücklich. All die Jahre im Stargateprogramm war ich glücklich, obwohl ich es nicht hätte sein dürfen...“
„Glaubst du, es gibt jemanden, der dir das Recht auf Glückseligkeit nehmen könnte?“, fragte Neo herausfordernd.
„Ich selbst hätte es mir nehmen können“, antwortete Jack, seine Stimme nun klarer. „Ich hätte es mir nehmen müssen. Charlie hatte sich mit meiner eigenen Waffe erschossen. Mein Sohn war gestorben, und ich war glücklich. Was für ein Vater bin ich, dass ich den Tod meines Sohnes so schnell vergessen habe?“
„Mindestens ein fragwürdiger“, sagte der Mann in schwarz, „ ...wenn du es so ausdrückst.“ Er räusperte sich. „Charlie stirbt also, und eine Selbstmordmission und ein Jahr später sind bei dir alle trübseligen Gedanken weggeblasen. Und dann sagst du eines Tages zu Daniel Jackson, der dich auf den Tod deines Sohnes und deinen eigenen, damaligen Todeswunsch anspricht: ‚Dinge ändern sich.‘ Ist es das, worum es dir hier geht, Jack? Hast du dich an ein höherweltliches Wesen gewandt, damit es dich dafür verurteilt?“
„Es gibt noch mehr...“, erwiderte der General. Er hatte mit seiner Beichte begonnen, nun musste er sie beenden. „Es gibt etwas, das noch abscheulicher ist als meine Glückseligkeit, obwohl es aus ihr geboren ist.“ Er zögerte, denn das, was er drauf und dran war, preiszugeben, erschütterte ihn bis ins Mark. Es auszusprechen, war, als würde er es in Stein meißeln. Hatte er die Worte erst gesprochen, konnte er sich nicht mehr vor ihnen schützen, konnte er sie nicht mehr beiseite schieben und so tun, als würde er sich ihren Inhalt nur einbilden. Aber es führte kein Weg daran vorbei, er musste es zu Ende bringen. „In all den Jahren, da ich quer durch die Galaxie gereist bin und manchmal auch darüber hinaus, da ich Leute getroffen habe, die mir etwas bedeuten, und denen ich etwas bedeute, da ich glücklich war, da kam ich oftmals nicht umhin, mir zu denken: ‚Gut... gut, dass mein Sohn gestorben ist. Denn ohne seinen Tod wäre all das hier nicht passiert. Gut, dass er tot ist...‘“
Neo schürzte die Lippen. „Harter Stoff, Jack, harter Stoff...“ Ganz ruhig stand er da und gab keinen Aufschluss darüber, ob ihn das Gehörte in irgendeiner Art und Weise emotional berührte. „Also bleibt es dabei, ja? Du bist hier her gekommen, um dich von einem höheren Wesen richten zu lassen, weil dir eine einfache Beichte bei einem Priester offenbar nicht gut genug ist...?“ Er hielt inne und seufzte. „Jack, alles, was ich dir sagen kann, ist: Du hast dich an den Falschen gewandt. Ich mag ein Aufgestiegener sein, aber das versetzt mich noch lange nicht in die Position, ein Urteil über dich zu sprechen. Es gibt nur einen, der das kann...“ Nun schmunzelte er wieder. „Natürlich bin ich nicht gekommen, um dich zu quälen, indem ich dir diese Worte entlocke, die dir zweifellos schwer gefallen sind. Zwar bin ich nicht der Richtige, um über dich zu richten, aber womöglich kann ich dir auf andere Weise helfen...“
Mit einer raschen Handbewegung griff er in die Innentasche seines Sakkos und zog einen Gegenstand hervor, den er daraufhin Jack in den Schoß warf. Der General nahm den Gegenstand auf und stellte verdutzt fest, dass es eine Pistole war.
„Zeit, sich über eines klar zu werden, Jack...“ Für einen Moment schien es, als schimmerten seine blauen Augen durch die Gläser der Sonnenbrille, „...haben sich die Dinge geändert?“