Dies ist mein Beitrag zum Reversebang auf deutsch_fandom im Livejournal. Mella hatte ein ganz tolles Wallpaper gepostet, zu dem ich dann diese Story geschrieben habe.
Titel: Gizeh (1/3)
Autorin: Antares
Genre: Historisches AU, Canon-AU, Abenteuer, Romanze, Sci-Fi und Krimi-Elemente
Crossover: SGA mit deutlichen Anleihen bei SG-1
Pairing: John/Rodney, angedeutet Jack/Daniel
Rating: ab 12
Inhalt: Ägypten, 1929. John Sheppard leitet die Bar ‘Atlantis’ in der Nähe von Gizeh. Nachdem ein seltsamer Steinkreis gefunden wurde, überschlagen sich die Ereignisse.
Wörter: ca. 11800
Anmerkungen: Einige Anleihen bei dem 1. Spielfilm und der Episode „The Curse/Die Rückkehr des Osiris“, aus der auch ein Zitat stammt.
Link zur Fanart: http://archiveofourown.org/works/1053386
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Im ‚Atlantis’ herrschte rege Geschäftigkeit. Schon vor der Tür konnte man hören, dass sich im Innern eine große Anzahl von Leuten unterhielt und leise Musikfetzen von Klavierspiel wehten hinaus in die sternenklare Nacht. Das ‚Atlantis’ war eine Bar in Gizeh, die ganz in der Nähe der Ausgrabungen lag und vor allem von Ausländern besucht wurde. Das von dem Barkeeper handgemalte Schild über dem Eingang zeigte Ruinen, umgestürzte Säulen unter Wasser, die an das Schicksal der gleichnamigen sagenumwobenen Stadt erinnerten. Im Innern war es ein großer Raum, dessen Wände weiß gekalkt waren. Metalllampen, deren filigrane Gitter fremdartige Schatten an die Wände warfen, machten deutlich, dass man im Orient war. Das ‚Atlantis’ war vor allem bei Archäologen, Ägyptologen, oder Leute, die irgendwie mit der Erforschung der alten Hochkulturen des Nildeltas zu tun hatten, sehr beliebt.
John Sheppard, der Besitzer des ‚Atlantis’, öffnete noch eine Flasche Wein. Er sah, dass kaum mehr ein Platz frei war. Seit er die Bar vor knapp vier Jahren übernommen hatte, hatte sie stetig an Zulauf gewonnen. Da waren einmal die einzigartigen Funde von Howard Carter im Tal der Könige vor gut fünf Jahren gewesen, die den Ausgrabungen in Ägypten zu neuem Aufschwung verholfen hatten. Für Gizeh – und seine Bar jedoch noch bedeutender – war die Entdeckung des riesigen Steinkreises durch Professor Langford vor ein paar Monaten gewesen. Niemand wusste wozu der gut erhaltene Steinkreis diente, aber alle vermuteten, dass es in seiner Nähe, Werkzeuge, Gerätschaften des täglichen Lebens und vielleicht sogar noch Schätze zu finden gab. Es wimmelte seit ein paar Monaten nur so von Archäologen, die auch ein Stückchen des Ruhmes mitnehmen wollten.
Hinten links in der Ecke der Bar saß das Team des reichen Engländers Lord Kavanagh, der schon seit ein paar Jahren hier eine Grabungslizenz besaß, bisher aber noch nichts wirklich Aufregendes gefunden hatte. Vielleicht änderte es sich ja in diesem Jahr, da er zwei neue Leute in seinem Team hatte, die einen kompetenten Eindruck machten. Dr. Simon Wallace, ein Arzt, mit seiner Verlobten Elizabeth Weir, die über eine sehr gute Kenntnis der Hieroglyphen verfügte und die ihn offensichtlich zu dieser Reise überredet hatte.
John schnappte sich eine neue Weinflasche und ging zu dem Tisch an dem das französische Grabungsteam um Professor Matignon saß. Der grauhaarige Professor war ein sehr erfahrener und besonnener Mann, der sich auch von Kavanaghs manchmal polternden Ausbrüchen nicht provozieren ließ. Seine Mannschaft war sehr trinkfreudig und John setzte auf seine geistige Einkaufsliste für den nächsten Tag noch ein paar Kisten Rotwein.
Nachdem er die Franzosen mit ihrem Lieblingsgetränk versorgt hatte, schlenderte er noch weiter zu dem Tisch, an dem seine bevorzugten Gäste saßen. Jack O’Neill, ein reicher Selfmade Millionär, der sein Geld im Flugzeugbau gemacht hatte, und jetzt schon seit ein paar Jahren in Ägypten lebte, nachdem seine Frau und sein kleiner Sohn bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen waren. John hatte im ersten Jahr wirklich Sorge um O’Neill gehabt, seit aber vor zwei Jahren der junge Archäologe Daniel Jackson hier in Gizeh erschienen war, hatte er sich wieder gefangen.
John hatte keine Ahnung, was die beiden so unterschiedlichen Männer verband. Aber O’Neill hatte irgendetwas in dem jüngeren Mann gesehen und hatte mit seinem Geld ermöglicht, dass Jackson in seinem Team war, obwohl die meisten ihn für einen Spinner hielten, seitdem er in Kairo einen Vortrag gehalten hatte, in dem er behauptete, dass die Pyramiden von Außerirdischen erbaut worden waren und sie schon weit älter waren, als alle gängigen Theorien besagten.
Zu O’Neills Team gehörte noch Samantha Carter, eine entfernte Verwandte von Howard Carter, der sie aber nicht in seinem Team haben wollte, nachdem die ägyptischen Behörden ihm Schwierigkeiten mit der Anwesenheit von Frauen in den Grabkammern gemacht hatten. O’Neill plante diese Anweisung der Behörden einfach zu ignorieren. Da er aber auch noch kein neues Grab gefunden hatte, hatte er seine Absicht noch nicht unter Beweis stellen müssen. Vierter im Bunde war O’Neills Vorarbeiter Teal’c, ein sehr schweigsamer Mann mit einem goldenen Tattoo auf der Stirn. Er kam aus einer der umliegenden Ortschaften, beherrschte perfekt Englisch aber sprach kaum ein Wort und gab von daher zu vielen Gerüchten Anlass.
„Irgendetwas Neues?“, erkundigte sich John bei O’Neill jovial. „Hat Ihr neues Areal etwas Interessantes zu Tage befördert?“
„Gar nichts außer jede Menge Sand“, beschied ihm O’Neill. „Man könnte meinen, die anderen Teams laden nachts ihren Sand bei uns ab“, lachte er.
„Das hat mit der Windrichtung zu tun, Sir“, meinte Miss Carter geschäftig. „Die Fallwinde, die durch das Niltal…“
„Schon gut, schon gut“, winkte er ab. „Mir gefällt meine Theorien mit Heerscharen von Arbeitern, die nachts Sand zu uns rüberkarren, besser.“
John vermied es Dr. Jackson mit seinen Theorien zu necken, deshalb fragte er lediglich: „Und, sind Sie mit der Entschlüsselung der Hieroglyphen auf dem Steinkreis weitergekommen?“
„Ich bin mir jetzt sehr sicher, dass es ‚bab-ul-samaa’ ‚Tor zum Himmel’ heißt und in einem sehr alten Dialekt geschrieben ist. Wahrscheinlich also kultischen Charakter hatte.“
„So oft wie die Ägypter die Jehnseits-Reise thematisiert haben, dürfte das ja durchaus Sinn machen“, erwiderte Samantha Carter.
„Das Material des Kreises macht mir aber noch zu schaffen. Es wird zwar als Stein bezeichnet, aber die Geologen wissen noch nicht welcher.“
„Das kommt schon noch“, redete ihm John Mut zu. „Darf ich Ihnen noch etwas zu trinken bringen?“
„Danke, wir haben noch“, stellte Jack fest. „Aber vielleicht können Sie ihren Pianisten bitten, uns etwas Flotteres zu spielen?“
„Das ist Johann Sebastian Bach, Jack“, wandte Daniel Jackson ein. „Das ist…“
„Langweilig“, unterbrach O’Neill.
„Kunst.“
„Langweilige Kunst.“
Sie fixierten sich einen Moment mit Blicken, O’Neill verzog die Lippen, Daniel zog die Brauen nach oben, dann meinte er lächelnd zu John: „Vielleicht fühlt Bach sich in diesem Rahmen wirklich nicht so ganz wohl.“
„Ich werde Rodney bitten, etwas anderes zu spielen“, grinste John und verabschiedete sich.
Er trat zum Klavier, an dem sich sein Pianist durch ein Stück von Bach wühlte, wie er ja nun wusste. Ihm war es als Hintergrundmusik ganz passend vorgekommen, aber wenn seine Kunden ausdrücklich etwas anderes wünschten…
Er stellte sich hinter Rodney, der wie immer ein weißes Jackett mit einem dunklen Einstecktuch und einer hellen Hose trug und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Rodney McKay war seine zuletzt erfolgte Neueinstellung, er war erst seit etwa drei Monaten bei ihm tätig. Eines Abends hatte er bei ihm etwas getrunken und dann am Ende des Abends, der durch einen sehr schlechten Zitherspieler mehr recht als schlecht musikalisch untermalt gewesen war, gefragt, ob John nicht einen Pianisten brauchte. Nachdem alle Gäste gegangen waren hatte er vorgespielt und John war sofort begeistert gewesen. Er hatte Rodney auch ohne Referenzen eingestellt. Das, was er gehört hatte, hatte ihn überzeugt.
Als er Rodney gefragt hatte, wo er denn wohnen würde, hatte der rumgedruckst und es hatte sich herausgestellt, dass Rodney die letzten Nächte im Freien verbracht hatte. Bei den doch recht kalten Nächten ließ das auf große Geldnot schließen und so hatte John – ohne recht zu wissen warum – ihm angeboten, die Nacht in seiner Wohnung über dem ‚Atlantis’ zu verbringen. Und dabei war es geblieben, obwohl Rodney inzwischen genug verdiente, um sich irgendwo ein Zimmer leisten zu können. Aber John hatte ihn nie gebeten auszuziehen, denn selbst wenn Rodney manchmal sehr eigenbrötlerisch und sarkastisch sein konnte, hatte er irgendetwas an sich, dass John magisch anzog.
Es hatte tatsächlich ungefähr vierzehn Tage gedauert, bis John sich eingestanden hatte, dass das sexuelle Anziehung war. Er war selbst überrascht, denn schon lange hatte er niemanden mehr getroffen, für den er mehr als flüchtiges Interesse gehabt hätte. Jedenfalls nicht so viel Interesse, dass er etwas riskiert hätte. Ihm gefiel sein sauber strukturiertes Leben sehr gut und er hatte eigentlich nie vor gehabt, das durch eine Affäre zu gefährden.
Aber Rodney – das war etwas ganz anderes. John ertappte sich immer häufiger dabei, wie er auf Rodneys Hände starrte und sie sich auf seinem Körper vorstellte. Er hatte wilde Tagträume und feuchte Träume in der Nacht, bei denen Rodney sich immer mehr in den Vordergrund spielte. Leider war Rodney sehr ahnungslos, was das betraf. Oder vermittelte jedenfalls den Eindruck. John wusste nicht genau, wo er mit ihm stand. So laut und ungefragt Rodney seine Meinung über alles Mögliche kundtat, von politischen Fragen, bis hin zur Lästerei über ihre Gäste – was den persönlichen Bereich betraf, war er verschlossen wie ein ägyptisches Grab.
John wusste wenig genug von ihm. Er war Kanadier, Klavierspiel war sein Hobby, das er jetzt zum Beruf gemacht hatte, ohne dass John herausgefunden hatte, was sein eigentlicher Beruf war. Er war in Ägypten, weil er Abstand gewinnen musste – wovon hatte er nie erzählt. Alle vorsichtigen Anfragen hatte er geschickt umschifft, alle direkten Fragen einfach ignoriert. John hoffte, dass er nicht einen gesuchten Schwerverbrecher bei sich beherbergte – aber den Eindruck machte Rodney überhaupt nicht und so schlief John nach wie vor ruhig. Sah er mal von seinen erotischen Träumen mit Rodney in der Hauptrolle ab.
„Hey, Rodney“, sagte er sanft, als Rodney die Noten ausklingen ließ. „Unsere Gäste hätten gerne etwas Flotteres gehört. Meinst du, du findest etwas in deinem Repertoire?“
„Was ‚Flotteres’? Was für eine tolle Bezeichnung. Ha, Kulturbanausen. Aber was habe ich hier mitten in der Wüste auch schon groß anderes erwartet? Also schön, wenn die Herrschaften lieber was hätten, was zu ihrer Weinseeligkeit passt…“ Mit einem Kopfschütteln stimmte er einen bekannten Schlager an, der vor ein paar Jahren mal sehr modern gewesen war.
„Sehr schön“, lobte John an Rodneys Ohr. „Du hast dafür was gut bei mir.“ Er hatte eigentlich an einen Drink gedacht, aber als Rodney jetzt rot anlief und hüstelte, kaum die Melodie halten konnte und sich erst nach zwei Takten wieder fing, fragte sich John, woran Rodney wohl gedacht hatte. Sollte er etwa …?
Er drückte Rodneys Schulter fest mit seiner Hand, was keine Reaktion bei Rodney bewirkte. Deshalb ließ er seinen Daumen durch Rodneys Nacken streicheln und hörte Rodney hastig nach Luft schnappen. Sehr interessant. Damit er Rodney nicht zu sehr verschreckte, sagte er: „Das wird unseren Gästen gefallen“, streichelte noch einmal durch Rodneys Nacken und ging zur Bar zurück.
Rodney war gerade beim dritten Schlager angekommen, als die Tür heftig aufgestoßen wurde und der Polizeichef von Kairo, Hassan Abdel-Rachim mit Colonel Steven Caldwell die Bar betrat. Ägypten war zwei seit 1922 ein unabhängiges Königreich, aber die Briten zeigten immer noch Präsenz und Caldwell, der offiziell lediglich als ‚Berater’ da war, hatte inoffiziell durchaus Polizeigewalt.
„Keiner verlässt die Bar, bis wir ihre Aussagen aufgenommen haben“, donnerte Caldwell in den Raum.
Gemurmel setzte ein, John trat vor und sagte: „Guten Abend, Colonel Caldwell, guten Abend Mr. Abdel-Rachim. Bitte nehmen Sie doch Platz, ich bin sicher, niemand hier wird den Raum verlassen, wenn Sie uns mitteilen, worum es geht.“ John sah, dass sich zwei Polizisten rechts und links der Tür positionierten – die beiden Chefs aber glücklicherweise an dem angebotenen Tisch Platz nahmen. John gab Evan Lorne, seinem Barkeeper, ein Zeichen und der brachte Wein und einen frischen Krug Wasser an den Tisch.
Der ägyptische Polizeichef erhob sich wieder und sagte: „Lord Kavanagh, bei Ihnen im Hotel ist offensichtlich vor ein paar Stunden eingebrochen worden.“
Kavanagh sprang auf, doch Elizabeth Weir zog ihn am Ärmel zurück. „Hören wir ihn doch erst einmal zu Ende an.“
Der Ägypter fuhr fort: „Wir haben bereits mit Ihrem Angestellten…“, er suchte in seinen Unterlagen den Namen, „ einem gewissen Stephen Rayner gesprochen und er bestätigt, dass eine Kanope aufgebrochen und wahrscheinlich ihr Inhalt entfernt wurde. Darüber hinaus wurden ein goldenes Amulett und ein paar Schriftrollen gestohlen.“
Das Getuschel im Raum schwoll wieder an und mit einer energischen Geste verschaffte sich der Polizeichef erneut Ruhe. „Was aber noch viel schwerwiegender ist: Professor Jordan ist bei dem Einbruchversuch lebensgefährlich verletzt worden, seine Assistentin Sarah Gardner spurlos verschwunden.“
„Sarah ist … entführt worden?“ Kavanagh wurde kreidebleich.
„So stellt es sich uns zurzeit dar, denn abgereist ist sie nicht, alle Sachen sind noch in ihrem Zimmer.“
Jetzt erhob sich Colonel Caldwell, ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen und sagte: „Da Sie alle Professor Jordan und Miss Gardner kennen, möchten wir jetzt von Ihnen wissen, was Sie alle heute Nachmittag gemacht haben.“
„Heißt das etwa, wir werden verdächtig, den Professor angegriffen zu haben?“, fragte einer der Franzosen aufgebracht.
„Das heißt nur, dass wir versuchen wollen, ein möglichst genaues Bild zu gewinnen, was heute Nachmittag alles vorgefallen ist, wo sich jeder aufgehalten hat. Verdächtigungen sind in dieser Befragung noch keine erhalten. Wir haben lediglich Mr. Rayner, der den Professor aufgefunden hat, unter Polizeigewahrsam gestellt, denn je nachdem, was der Angreifer gesucht hat, ist er vielleicht der nächste auf der Liste.“
„Welcher Liste?“, wollte Jack O’Neill wissen.
„Das können wir jetzt noch nicht sagen. Laut Mr. Rayner, hatte keiner der Gegenstände einen besonders hohen Wert. Von daher möchten wir Sie jetzt zuerst um Ihre Aussagen bitten und danach wollen wir Sie bitten zu kontrollieren, ob auch Ihnen Dinge abhanden gekommen sind. Sie haben ja alle Ihre Hotels hier im Umkreis, von daher werden wir hier Quartier beziehen, bis Sie uns mitgeteilt haben, ob Sie ebenfalls Opfer eines Diebstahls geworden sind.“
Der Polizeichef wandte sich an John: „Gibt es hier einen Raum, den wir für die nächsten Stunden als Büro benutzen können?“
„Natürlich. Mein Büro. Bitte folgen Sie mir.“
Caldwell und Abdel-Rachim ergriffen ihre Gläser und folgten John. Sie wollten auch gleich als erstes von ihm wissen, wo er am Nachmittag gewesen war. Da er in dieser Zeit mit Rodney Abrechnungen gemacht und Bestands- und Einkaufslisten erstellt hatte, befragten sie Rodney als nächsten. Der stützte Johns Aussage und damit waren sie beide frei zu gehen und sich um die restlichen Gäste im Hauptraum zu kümmern, die einer nach dem anderen einberufen wurden.
Unter dem Vorwand Getränke einzuschenken, ging John von Tisch zu Tisch und was er heraushörte war eindeutig: alle hatten für heute Nachmittag ein Alibi – oder gaben vor, eins zu haben.
Lord Kavanagh war so erschüttert, wie er ihn nie gesehen hatte, sodass John vermutete, dass Sarah Gardner seine Geliebte war.
Zwei Franzosen wollten zuerst nicht herausrücken, wo sie gewesen waren, dann mussten sie eingestehen, in einem Hammam in Kairo gewesen zu sein, statt zu arbeiten. Sie hätten sich keinen schlechteren Termin aussuchen können, um der Arbeit fernzubleiben, dachte John mit einem spöttischen Grinsen.
Aber alles, was John in der nächsten Stunde lernte, ließ weder auf ein Motiv noch einen Täter schließen.
Nachdem Lord Kavanagh verhört worden war, war er in sein Hotel gegangen und hatte die geöffnete Kanope geholt. Die Archäologen scharten sich darum, jeder wollte einen prüfenden Blick darauf werfen. Aber nach einer Weile waren sich alle einig, dass diese Kanope nichts Besonderes an sich hatte.
„Es sind dieselben, unbekannten Hieroglyphen, die auch auf dem Steinkreise verwendet werden“, bemerkte Dr. Jackson auf einmal.
„Na und? Es gibt Dutzende von Dialekten, die wir noch nicht entziffert haben“, erwiderte Kavanagh arrogant und nahm Daniel die Kanope aus der Hand. „Wollen Sie uns wieder erzählen, dass die vom Mann im Mond im stammen?“ Er lachte höhnisch und einige stimmten in das Gelächter ein.
Dr. Jackson schob die Brille auf seiner Nase nach oben und erwiderte ruhig: „Wir alle wissen inzwischen, dass der Mond nicht von menschenähnlichen Wesen bewohnt wird. Ob es dort niederes Leben gibt, werden Forschungsreisen zeigen müssen. Aber dieser Dialekt hier, wie Sie ihn nennen, lässt doch einwandfrei vermuten, dass es sich um eine zeitlich weit zurück datierte Schrift handeln muss. Die noch vor der Entwicklung der Hieroglyphen gelegen haben muss, so wie wir sie kennen. Sehen Sie doch nur die Zeichen, das sind…“
„Unsinn ist das. Ausgemachter Unsinn.“ Lord Kavanagh wandte sich ab.
O’Neill legte Daniel eine Hand auf den Arm. „Spar dir deinen Atem. Er will es nicht sehen und deshalb wird er es auch nicht sehen.“
„Aber es ist doch offensichtlich.“ Daniel wedelte mit seinen Händen.
O’Neill nahm eine der Hände fest in seine. „Nicht für ihn, Daniel.“
Nach über drei Stunden durften dann endlich alle gehen. Rodney half John und Evan alle leeren Gläser und Flaschen einzusammeln und sie theoretisierten noch ein wenig herum, wer wohl den Angriff ausgeübt hatte, und warum, und diskutierten, wer ihnen am verdächtigsten vorgekommen war. Evan verdächtigte Lord Kavanagh – aber vor allem, weil er ihn nicht leiden konnte und er sehr knauserig mit dem Trinkgeld war. Rodney stimmte für Teal’c, weil ihm der schweigsame Mann seit dem ersten Moment an unheimlich gewesen war und John warf Daniel Jackson ein, nur um das Ganze etwas aufzumischen.
Als das ‚Atlantis’ wieder präsentabel war, verabschiedeten sie sich von Mr. Lorne, der ganz in der Nähe wohnte, und gingen die Treppe hinauf in Johns Wohnung.
„Glaubst du, dass Dr. Jackson Recht hat? Dass die Schriften ein Vorläufer der Hieroglyphen sind?“, fragte Rodney, während er sich sein Bett auf dem Sofa in Johns Wohnraum richtete.
„Keine Ahnung. Aber warum soll es vor den Ägyptern nicht noch ältere Kulturen gegeben haben?“, fragte John zurück.
„Besucher aus dem Weltraum?“ Rodney schüttelte sein Kopfkissen auf.
„Sicherlich nicht.“ John zog ein Gesicht und schüttelte den Kopf.
„Dann marschiert als nächstes also kein fünfbeiniger Außerirdischer mit Antennen auf dem Kopf ins ‚Atlantis’?“
„Ich fürchte nicht“, lachte John.
„Brauche ich auch nicht.“ Rodney breitete ein Laken über das Sofa und sagte anklagend: „Du weißt schon, dass dein Sofa eine Beule da in der Mitte hat? Das ist auf Dauer gar nicht gut für meinen Rücken.“
John stockte für eine Sekunde der Atem. Was für eine tolle Eröffnung! Er schoss alle inneren Warnungen in den Wind und sagte: „Du weißt, dass du jederzeit in mein Bett kommen kannst. Auf der breiten Matratze ist Platz genug für uns zwei.“
„Ähm … Was?“
„Falls dein Rücken zu sehr leidet. Ich meine ja nur.“ Betont nachlässig zuckte John mit den Schultern. „Überleg es dir einfach. Nacht, Rodney.“
„Uh … Nacht, John.“
John ging in sein Schlafzimmer und konnte sich ein kleines triumphierendes Grinsen nicht verkneifen. Sollte Rodney doch ruhig ein bisschen an der Einladung knabbern.
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Am nächsten Morgen fuhren John und Rodney mit einem alten Wagen, der früher von der britischen Armee genutzt, dann aber nicht wieder zurück auf die Insel verschifft worden war, nach Kairo rein. Es war nicht das erste Mal, dass Rodney John begleitete. Inzwischen wussten etliche Leute, dass er für John arbeitete und so schickte John Rodney auf die Post, während er zur Bank ging.
Gemeinsam fuhren sie dann an einem Kontor mit europäischen Waren vorbei und kauften reichlich Wein und andere Dinge, die in der Bar gebraucht wurden. Evan Lorne, der nicht nur die Bar am Abend bediente, sondern täglich auch ein wechselndes Gericht zubereitete, für Gäste, die am Abend noch der Hunger plagte, hatte ihnen eine ganze Liste mitgegeben mit Lebensmitteln, die er in der nächsten Woche brauchte. John und Rodney verbrachten fast zwei Stunden auf dem Markt und in diversen Geschäften, ehe sie alles beisammen hatten.
Sie nahmen noch ein paar Tageszeitungen mit, die nicht allzu alt waren, dann machten sie sich nach einem Gasthausbesuch auf den Rückweg.
Bereits noch in der Stadt ruckelte der Wagen seltsam. Rodney schob es erst spöttisch auf Johns Fahrkünste, aber als der Wagen zwischen Kairo und Gizeh dann fauchend und zischend liegen blieb und nicht wieder ansprang, musste auch er einsehen, dass es nicht Johns Schuld war.
Die Sonne brannte heiß vom Himmel und obwohl beide einen Hut und helle Kleidung trugen, rann ihnen der Schweiß schnell den Rücken herunter, jetzt, da sie keinen Fahrtwind mehr hatten. John öffnete die Motorhaube, aber so lange es dort drinnen dermaßen dampfte, konnte er gar nichts erkennen.
„Wenigstens verdursten und verhungern wir nicht, während wir warten“, meinte er tröstend zu Rodney und wies mit seiner Hand auf die Einkäufe, die sich im Wagen stapelten.
„Worauf warten wir denn?“, wollte Rodney wissen.
„Dass jemand vorbei kommt und uns nach Kairo zurück schleppt. Dort gibt es eine Werkstätte, wo ich den Wagen gewöhnlich reparieren lasse.“
„Aber … wie können doch jetzt nicht die ganze Zeit in der Sonne sitzen! Wir bekommen mit Sicherheit einen Sonnenstich. Damit ist nicht zu spaßen!“
„Nah, so schnell bekommt man keinen Sonnenstich“, wiegelte John ab.
„Hast du eine Ahnung! Ich bin sehr empfindlich. Ich … ich …“
„Es kommt bestimmt gleich einer vorbei.“ John legte all seine Zuversicht in den Satz, aber er wusste auch, dass es noch einige Zeit dauern konnte.
Rodney lief händeringend um den Wagen herum. „Nein, nein, nein!“
„Entspann dich.“ John nahm sich einen Apfel aus einer der Taschen und setzte sich an den Straßenrand.
„Das ist sehr schwierig, in Anbetracht meines bevorstehendes Todes.“ Rodneys Stimme wurde eine halbe Oktave höher.
„Rodney, beruhig dich.“ Plötzlich fürchtete John, dass die sengende Sonne noch sein kleineres Problem sein würde, wenn er Rodney so betrachtete, der schon viel zu schnell atmete. „Ich kann die Kiste leider nur fahren, nicht aber reparieren. Wir müssen es uns so gemütlich wie möglich machen. Komm, setz dich.“
„Ich kann nicht.“ Rodney warf John einen unglücklichen Blick zu. „Ich … will nicht in der ägyptischen Wüste mein Leben beenden.“
„Da bist du noch weit von entfernt.“
Rodney lehnte sich gegen den Wagen und glitt mit seiner Hand über das Metall. John sah, wie angestrengt er nachdachte und wunderte sich. Was genau machte McKay da? Heilung des Motors durch Handauflegen? Er rief sich zur Ordnung. Die Situation war zwar längst nicht so aussichtslos wie Rodney sie wohl gerade empfand, aber jetzt eine Stunde oder länger in der sengenden Mittagssonne herumzusitzen – er konnte sich etwas Besseres vorstellen.
Rodney kniff kurz die Augen zusammen, überlegte, zögerte, dann trat an die Motorhaube. Er beugte sich vor und murmelte etwas vor sich hin, das sehr nach einem Fluch klang. Er drehte an einigen Teilen, schraubte eines sogar ab, blies es durch, und drehte es wieder hinein.
„Rodney?“, fragte John und trommelte nervös mit seinen Finger auf seinem Hosenbein.
„Mhmm.“
„Ich gehe mal aus, dass du weißt, was du da tust?“
Keinerlei Zweifel schwang in Rodneys Antwort mit, seine Stimme klang viel ruhiger als er sich gerade noch aufgeführt hatte. „Da gehst du richtig von aus.“
„Prima.“
„Gut.“ Rodneys Kopf steckte nach wie vor unter der Motorhaube.
„Kann ich dir helfen?“
„Hast du irgendetwas dabei, was man als Keilriemenersatz verwenden könnte?“
Nach etwas Suchen fanden sie etwas, Rodney leerte noch einen verstopften Zuleitungsschlauch, drehte hier, schraubte da und dann forderte er John auf, den Wagen erneut anzulassen.
Er blubberte einmal – dann lief er fast ruhiger als zuvor. Rodney schlug die Motorhaube wieder zu und stieg ein.
„Beeindruckend“, meinte John.
„Es sollte bis zu Hause halten, dann schaue ich ihn mir mal genauer an.“
Da praktisch kein Verkehr war, sie hatten gerade mal drei von Eseln gezogene Wagen in den letzten Minuten überholt, erlaubte sich John einen längeren Blick auf Rodney. Aber sein Beifahrer sah nicht so aus, als wollte er von sich aus noch etwas hinzufügen.
„Wie kommt es, dass du …?“
„Haben wir auch die Gewürze gekauft, die Lorne haben wollte?“
„Yep.“ John verstand, wann ein Gespräch beendet war. Er würde Rodneys Wunsch respektieren. Viele von ihnen waren in Ägypten, weil sie über irgendetwas nicht reden wollten, weil sie Abstand gewinnen wollten. Er war sich sicher, dass er irgendwann auch noch einmal herausfinden würde, welches Rodneys Geheimnis war.
TBC ...