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Thema: Stargate Atlantis - Der 'Alte Rat'

  1. #1
    Airman First Class Avatar von Gwelwen
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    Standard Stargate Atlantis - Der 'Alte Rat'

    Titel: Stargate Atlantis - Der 'Alte Rat'
    Fandom: SGA
    Autor: Gwelwen
    Personen: John Sheppard, Dr. Rodney McKay, Teyla Emmagan, Ronon Dex, Dr. Jennifer Keller
    Rating: PG12

    Klappentext:
    Kurz nach der Rückkehr in die Pegasus-Galaxie
    Es sollte eine einfache und kurze Mission werden: Colonel Sheppard und sein Team suchen zusammen mit Dr. Jennifer Keller eine Heilpflanze, die nach den spärlichen Angaben der Antiker sehr hilfreich für die Menschen wäre. Doch bereits kurz nach der Ankunft auf dem Planeten nehmen unvorhergesehene Dinge ihren Lauf: Das Team klagt über Kopfschmerzen und eine Gruppe Krieger, die in einer ihnen fremden Sprache kommunizieren, nimmt sie gefangen, Ohne Möglichkeit auf Verständigung finden sie sich in einem gut bewachten Höhlenverlies wieder. Die einzige Person, mit der sie sich schließlich verständigen können, ist eine weitere Gefangene. Was hat es mit dieser geheimnisvollen jungen Frau auf sich? Und was ist der 'Alte Rat', von dem sie spricht und den Teyla und Ronon aus alten Erzählungen kennen?

    Disclaimer:
    Das Produkt Stargate Atlantis und die darin vorkommenden Personen gehören MGM, 20th Century Fox, den verantwortlichen Produzenten und Autoren sowie allen anderen Anspruchsinhabern. Weitere Personen, Völker, Orte, etc. wurden von mir kreiert und mit Leben gefüllt. Jegliche Ähnlichkeiten zu lebenden oder toten Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Widmung:
    Diese Geschichte widme ich Rachel, Jewel, Jason, David, Joe und allen anderen der Atlantis-Crew, die meine Phantasie durch den 'Ring der Vorfahren' in die Pegasus-Galaxie getragen haben. Auf dem Weg zurück in die Milchstraße brachte sie dann diese Geschichte mit...

    Hinweis:
    Ich habe versucht diese Geschichte so zu schreiben, dass auch Leser, die Stargate Atlantis nicht kennen, die Zusammenhänge verstehen. Daher werden einige Erklärungen für die SGA-Kenner überflüssig sein...


    Und nun geht's los! Viel Spaß beim Lesen!


    Prolog

    „Könnt ihr mir mal erklären, warum ich unbedingt hierhin mitkommen sollte? Das MALP hat keinerlei Zivilisation angezeigt. Keinerlei Technologie – geschweige denn einem Lebenszeichen von auch nur einem Menschen! Dieser Planet besteht nur aus Gestrüpp!“ missmutig folgte Rodney seinem Team, das einen schmalen Trampelpfad entlang ging. Die Spuren im Boden ließen vermuten, dass es sich dabei um einen Wildwechsel von reh- oder hirschähnlichen Tieren handelte. Der Wald zu beiden Seiten war dicht und urwüchsig und schloss sich über ihren Köpfen wieder zusammen. Nichts deutete auf die Anwesenheit von Menschen hin. Die einzigen Geräusche um sie herum kamen von den Tieren, die hier lebten. Vögel zwitscherten, mal leise und melodisch, mal laut und schrill, und Insekten surrten und brummten flink hin und her. „Ich bin der brillanteste Wissenschaftler auf Atlantis und sollte mich um die Entdeckung und Erforschung unbekannter Technologie kümmern! Und was mache ich anstelle dessen? Ich krieche hier durch diesen Urwald und verplempere meine kostbare Zeit – während in Atlantis die Arbeit auf mich wartet!“ fuhr er fort, während er etwas ungelenk über einen umgestürzten Baumstamm kletterte.
    Es stimmte: Dr. Rodney McKay war wirklich ein ausgezeichneter Wissenschaftler. Gerade etwas über 30 Jahre alt, hatte er einige bemerkenswerte Theorien aufgestellt und konnte nahezu jede fremde Technologie, ungeachtet ihres Alters oder Zustandes, zum Leben erwecken. Doch seine soziale Kompetenz tendierte gegen Null.
    In der Regel überhörten seine Teamkollegen seine Ausbrüche. Sie waren es gewohnt, dass Rodneys Meckereien den größten Teil ihres Weges begleiteten. Doch sie wussten auch, wenn es darauf ankam, würde Rodney ihnen zur Seite stehen.
    Auch jetzt ignorierten Teyla und Ronon ihn. Sie wechselten nur einen kurzen Blick und gingen weiter.
    Teyla Emmagan, die Führerin der Athosianer, einem Volk, das auf Atlantis Schutz gefunden hatten, war eine junge Frau mit wachen, tiefgründigen Augen. Sie kannte die Gefahren der Pegasus-Galaxie und unterstützte die Atlantis-Mission bei ihren Expeditionen durch das Sternentor. Sie war nicht nur eine weise Führerin, sondern auch eine ausgezeichnete Kämpferin, die mit nahezu tänzerischen Bewegungen ihre Feinde besiegte. Sie gehörte seit den Anfängen zu dem Team und trug die Uniform der Atlantis-Mission genauso selbstverständlich, wie die Kleidung ihres Volkes.
    Ronon Dex gehörte ebenfalls zu der Expedition, doch er trug stets seine eigene Lederkleidung. Er war ein ausgebildeter Krieger und einer der wenigen Überlebenden seines Volkes. Mit seinen fast zwei Metern Länge, seiner kräftigen Statur und seinen wilden Rasterzöpfen hatte er bereits viele wichtige Kämpfe ausgefochten und gewonnen. Sein Kampfgeist loderte stets in seinen braunen Augen – eine ungezähmte Kraft, die sich jederzeit offenbaren konnte.
    „Jetzt klettern wir schon über eine Stunde hier herum und haben nichts erreicht! In der Zwischenzeit hätte ich auf Atlantis ganze Galaxien erforschen können!“ maulte Rodney weiter. „Ist das so schwer zu verstehen, dass ich dort gebraucht werde?“
    „Die wöchentliche Übertragung zur Erde, die heute ansteht, macht doch Selenka!“ meldete sich nun eine entnervte Stimme von vorne. „Und soviel ich weiß, sind es immer dieselben langweiligen Handgriffe! Nichts, wofür man ein Genie wie Sie bräuchte!“ Lieutenant Colonel John Sheppard war nicht nur der Anführer dieses Außenteams, sondern er war auf Atlantis das hochrangigste Militärmitglied. Dabei war er eigentlich kein Vorzeigesoldat. Sein Eigenwille hatte ihm bei seiner Militärkarriere oft mehr geschadet als genutzt. Doch hier am anderen Ende des Universums hatte ihn und sein Team genau dieser Eigenwille oft das Leben gerettet. Er war in die Rolle des Chefs unverhofft hinein gestoßen worden, als sein Vorgesetzter getötet worden war. Doch er war mit seinen Aufgaben gewachsen und füllte nun diese Rolle souverän aus. Obwohl viele seiner Untergebenen wesentlich älter waren als er, wurde er von seinem Team geschätzt und akzeptiert. Sie standen geschlossen hinter ihm und vertrauten seinen Entscheidungen. Und auch er verließ sich auf sie. Trotz allem, was er bisher an Schrecklichem erlebt hatte, hatte er sich neben seinem Eigenwillen, seinen trockenen Humor und seine Lausbubenhaftigkeit bewahrt, die durch seine locker gestylte Kurzhaarfrisur – nicht gerade sehr Militärkonform – offenkundig wurde.
    Rodneys Ausbrüche kannte er nur zu gut. Er wusste, dass Rodney nicht so schnell verstummen würde, konnte sich jedoch den etwas spöttischen Ausspruch nicht verkneifen. Und wie er vermutet hatte, nahm Rodney den dargebotenen Faden sofort auf: „Es geht doch nicht um diese alberne Datenübertragung! Es geht um Atlantis! Atlantis – eine riesige Stadt, die es zu erforschen gilt! Hinter jeder Tür kann sich eine Sensation verstecken! Und ich bin genau der Richtige, um diese Sensationen zu finden!“
    Sheppard grinste: „Soviel ich weiß, sind wir wegen so einer Sensation hinter einer von Atlantis Türen hier an diesem Ort!“
    „Pah!“ Rodney verzog verächtlich das Gesicht. „Dieses Gewächs soll eine Sensation sein?“
    „Dieses Gewächs ist eine Pflanze von unschätzbarem Wert!“ ertönte nun eine zarte weibliche Stimme. „Wenn die Angaben in der Datenbank der Antiker stimmen, könnte diese Pflanze eine ganze Menge unserer Krankheiten heilen. Krebs, Aids… das könnte schon bald der Vergangenheit angehören!“ Die Stimme gehörte Dr. Jennifer Keller, einer hervorragenden Medizinerin, die seit einiger Zeit die Krankenstation auf Atlantis leitete. Sie hatte in den vergangenen Minuten aufmerksam die Umgebung nach dieser Pflanze abgesucht. Dabei hatte sie ihren Kopf so sehr hin und her bewegt, dass der geflochtene Zopf ihrer blonden Haare an ihrem Rücken stetig hin und her geschwungen war. Nun ließ sie jedoch für eine Sekunde von ihrer Suche ab und blickte Rodney tadelnd an. „Es muss nicht immer nur Technologie sein, die der Menschheit hilft!“
    Rodney war für einen Augenblick verstummt. Er ärgerte sich innerlich. Er mochte Jennifer sehr und ahnte, dass seine Worte nicht unbedingt nett gewesen waren. Seitdem sie beide befreundet waren, versuchte er, darauf zu achten, was er sagte. Doch das war überhaupt nicht leicht.
    Jennifer, die ihn ja nur zu gut kannte, wartete nicht auf eine Antwort, sondern drehte sich um und machte sich wieder auf die Suche.
    Teyla und Ronon traten an Sheppard vorbei und folgten der Ärztin. Als Rodney ebenfalls an Sheppard vorbei trat, meinte dieser trocken: „So beeindrucken Sie sie nicht!“
    Rodney seufzte innerlich und folgte den anderen schweigend.
    Sheppard schmunzelte, als er ihm hinterher sah. Gerade als er seiner Gruppe folgen wollte, zuckte plötzlich ein stechender Schmerz durch seinen rechten Unterarm. Er verzog das Gesicht und ballte seine Hand zu einer Faust. Sekunden später war der Schmerz verflogen. Nur noch ein leichtes Spannungsgefühl blieb zurück – das gleiche, dass er schon eine ganze Weile verspürte und sich inzwischen bis in den Kopf ausbreitete. Er hatte sich wohl beim morgendlichen Kampftraining mit Teyla eine Zerrung geholt. Kopfschüttelnd lockerte er seinen Arm und schritt zügig aus, um zu den Anderen aufzuschließen.
    „Alles in Ordnung?“ fragte Teyla, die nun den Schluss der Gruppe bildete.
    „Klar!“ meinte Sheppard und versuchte, das Pochen in seinem Arm zu ignorieren.
    „Dort ist sie!“ jubelte in diesem Augenblick Dr. Keller. Sie hatten eine kleine Lichtung erreicht und dort in der Sonne wuchs der gesuchte kleine Strauch. Jennifer verließ den Trampelpfad und lief zu ihm hinüber. Dort angekommen, besah sie sich den Strauch ehrfürchtig von allen Seiten. Der reich verzweigte Busch war noch nicht mal einen halben Meter hoch. Seine runden, fingernagelgroßen Blätter waren tief grün und ledrig und die stecknadelkopfgroßen weißen Blüten verströmten einen schweren Duft.
    „Ist der Duft nicht herrlich?“ fragte Jennifer und sog genießerisch die geschwängerte Luft ein.
    Als Rodney den Duft wahrnahm, musste er sofort heftig niesen. „Oh nein! Das auch noch!“ Mit einer abwehrenden Handbewegung wich er einige Schritte zurück.
    Sheppard hatte zu der Gruppe aufgeschlossen und trat an Rodney vorbei, ohne auf seinen Ausspruch zu reagieren: „OK, Doc. Wir haben die Pflanze gefunden – was nun?“
    „Wir werden zwei oder drei dieser Setzlinge mitnehmen.“ antwortete Jennifer und machte sich direkt an die Arbeit. Teyla kniete sich neben sie und half ihr dabei, die kleinen Pflanzen auszugraben.
    „OK, während hier dieses Gestrüpp ausgebuddelt wird, werde ich schon mal zum Tor gehen und auf Atlantis Bescheid sagten.“ meinte Rodney, der aufgeregt seinen Puls gefühlt hatte, und wollte gehen, doch Sheppard trat ihm in den Weg: „Wir werden gemeinsam zurückgehen, McKay! Ob Sie nun ein paar Minuten eher oder später zurück auf Atlantis sind, ist doch wohl egal!“
    „Dafür habe ich keine Zeit. Ich habe ein paar ganz eindeutige Anzeichen einer allergischen Reaktion. Ich muss also sofort aus diesem Umfeld!“ entgegnete Rodney aufgeregt.
    „Allergische Reaktion?“ Sheppard sah ihn skeptisch an.
    „Schnupfen, Halsschmerzen, Fieber, Kopfschmerzen, Herzrasen…!“ zählte Rodney atemlos auf. „Wahrscheinlich ist es dieses Kraut da!“
    „Das glaube ich nicht!“ erwiderte Jennifer, ohne sich von der Pflanze abzuwenden. „Davon stand nichts in der Antiker-Datenbank.“
    „Abgesehen davon, dass ich kein Antiker bin, sondern ein Mensch und somit eine ganz andere Physiologie habe, möchte ich nicht warten, bis ich in einen anaphylaktischen Schock falle um damit den Beweis zu erbringen, dass meine Theorie stimmt!“ entgegnete Rodney aufgebracht.
    „Wenn wirklich die Gefahr bestehen sollte, dass Sie keine Luft mehr bekommen sollten, wäre es dann nicht klüger, in der Nähe des Doktors zu bleiben?“ fragte Sheppard und sah ihn fragend an.
    „Ich bilde mir diese Kopfschmerzen nicht ein!“ knurrte Rodney und ballte seine Fäuste. Doch da er der Logik in Sheppards Worten nichts entgegenzusetzen hatte, nickte er widerstrebend.
    Um Sheppards Mundwinkel zuckte es verdächtig, als er sich wieder der Medizinerin zuwandte: „Wie weit sind wir?“
    „Fast fertig!“ antwortete Teyla und erhob sich. Nachdem sie einen kurzen Blick auf Rodney geworfen hatte, der in einiger Entfernung ungeduldig wartete, trat sie an Sheppard heran: „Mit einem hat Rodney Recht: Auch ich habe Kopfschmerzen. Sie haben angefangen, kurz nachdem wir durch das Tor gegangen waren. Zuerst war es nur ein dumpfes Gefühl, aber inzwischen sind sie stärker geworden. Auch Jennifer hat mir eben gestanden, dass sie Kopfschmerzen hat. Sie hatte es jedoch auf die Aufregung zurückgeführt.“
    „Und ich dachte, Rodneys stundenlanges Gejammer wäre der Grund für meine Kopfschmerzen!“ meinte Sheppard nun doch etwas beunruhigt.
    „Ich fürchte nicht!“ Teyla sah ihn aufmerksam an.
    „Wir werden den kürzesten Weg zurück nehmen!“ entschied Sheppard. „Rodney sollte davon jedoch vorerst nichts erfahren, sonst werden wir ihn den ganzen Rückweg tragen müssen!“
    „OK, wir sind soweit!“ rief Jennifer zufrieden und stand auf.
    „Na endlich!“ meinte Rodney und machte sich sofort auf den Weg. Doch bereits nach wenigen Schritten blieb er wie vom Donner gerührt stehen. Mit angehaltenen Atem und weit aufgerissenen Augen starrte er auf die rußgeschwärzte Lanzenspitze, die seine Weste in Brusthöhe berührte und aufzuspießen drohte. Die Hände, die diesen Speer umschlossen, gehörten einem kräftigen jungen Mann in einem braunen Lendenschurz. Seine wirren braunen Haare wurden von einem breiten roten Stoffband aus dem Gesicht gehalten. Die braunen Augen blickten Rodney starr an.
    Sheppard und Teyla hatten sofort ihre P-90 gehoben und zielten zunächst auf den einzelnen Angreifer und auch Ronon hatte seine Energie-Waffe gezogen. Doch plötzlich tauchten um sie herum weitere Krieger auf, die mit Lanzen oder Pfeil und Bogen auf das Außenteam zielten. Schließlich waren sie von ungefähr 20 der Fremden umstellt. Jennifer ließ erschrocken den Setzling fallen, den sie gerade in ihre Tasche packen wollte und zog sich hinter Teyla zurück.
    „Nicht schießen!“ rief Sheppard seinen Leuten zu.
    Für einen Augenblick herrschte Stille. Dann rief einer der Fremden ihnen etwas zu. Es waren Worte in einer völlig fremd klingenden Sprache.
    Als er verstummt war, stellte Sheppard sich vor, der böses ahnte: „Ich bin Lieutenant Colonel John Sheppard. Wir sind in friedlicher Absicht hier. Wir wollten nur etwas von dieser Pflanze für wissenschaftliche Zwecke! Wir…“ Er brach ab, als ein neuer Schwall der fremden Worte zu hören war.
    „Teyla, Ronon, könnt ihr verstehen, was dieser freundliche Herr uns mitteilen will?“ fragte Sheppard, ohne den Krieger aus den Augen zu lassen.
    „Ich habe diese Sprache noch nie gehört!“ antwortete Ronon sofort.
    „Tut mir Leid, ich erkenne sie ebenfalls nicht!“ verneinte auch Teyla.
    Sheppard seufzte: „Da habe ich schon zwei Aliens im Team und kann trotzdem auf keinen Dolmetscher zurückgreifen!“
    „Vielleicht kann einer von ihnen die allgemeine Verkehrssprache der Antiker?“ überlegte Rodney, der ein paar Schritte zurückgewichen war.
    „Dann sollten Sie es einfach mal testen!“ forderte Sheppard ihn auf.
    „Warum ausgerechnet ich?“ fragte Rodney. „Jeder im Team hat doch inzwischen genug Unterricht gehabt, um ein paar Brocken zu sprechen!“
    „McKay!“ erklang Sheppards mahnende Stimme.
    Rodney schloss für einen kurzen Augenblick die Augen und holte tief Luft. Dann begann er stockend in der Sprache der Lantianer: „Mein Name ist Doktor Rodney McKay. Wir sind Forscher und in friedlicher Absicht hier!“
    Der Krieger, der ihn mit der Lanze bedrohte, sah ihn weiter mit dem gleichen Ausdruck an. Auch die anderen Krieger zeigten mit keiner Regung, ob sie die Worte verstanden hatten.
    „War einen Versuch wert!“ murmelte Sheppard.
    „Und was tun wir jetzt?“ fragte Ronon.
    Sheppard dachte nach. Er wusste genau, dass es sinnlos wäre. Selbst mit ihren Automatikwaffen würden sie nicht alle Angreifer abwehren können und vielleicht gab es noch weitere Krieger, die sich irgendwo versteckt hatten. Und der Weg bis zum Tor war einfach zu weit, um sich bis dorthin den Weg frei zu schießen. Außerdem wollte er nicht wegen simplen Sprachproblemen ein Blutbad anrichten. „Nehmt die Waffen runter und sichert sie!“
    „Wir sollen uns doch nicht etwa ergeben?“ fragte Rodney erstaunt.
    „Doch, genau das will ich. Bisher scheinen es nur Sprachschwierigkeiten zu sein. Wenn wir uns nicht aggressiv verhalten, werden sie uns vielleicht als ungefährlich ansehen und freilassen!“ antwortete Sheppard, während er seine Waffe mit vorsichtigen Bewegungen sicherte.
    „Und wenn nicht?“ fragte Rodney entsetzt.
    „Nun, dann wird Major Lorne seinen Einsatz bekommen und uns retten!“ antwortete Sheppard schlicht und legte seine Waffe vorsichtig auf den Boden. Zögernd folgten Teyla und Ronon ihm.
    Die Fremden hatten aufmerksam jede Bewegung der Eingekreisten beobachtet. Nun kamen sie vorsichtig auf die Gruppe zu. Während die meisten weiter die Bogen gespannt hielten, traten einige vor und nahmen die Schusswaffen an sich, sowie auch sämtliche Ausrüstungsgegenstände. Dann banden sie ihnen mit Seilen die Hände auf den Rücken.
    „Ich weiß nicht, ob das so ein toller Plan war!?“ zweifelte McKay.
    Als einer der Krieger Sheppards rechten Arm anfasste und nach hinten zog, um ihn zu fesseln, durchzuckte ihn ein stechender Schmerz. Ihm kamen langsam Zweifel, dass dies wirklich nur eine simple Zerrung war.

    ***

    Die Krieger traten nun mit ihnen auf einem anderen Pfad in den Wald hinein. Völlig lautlos und mit geschmeidigen, anmutigen Bewegungen führten sie das Team einen Weg entlang, der schließlich an einem Felsenhang hinauf führte. Hier angekommen, verließen ein paar der Krieger den Weg und tauchten in den dichten Wald ein. Wenige Augenblicke später waren sie nicht mehr zu sehen.
    „Kein Wunder, dass wir sie nicht vorher gesehen oder gehört haben!“ meinte Ronon halblaut.
    „Ja, wirklich hervorragende Waldläufer!“ wisperte Sheppard.
    „Sie sind bestens ausgebildet für den Kampf! Ihre gesamten Körperbewegungen zeugen davon!“ fuhr Ronon fort.
    „Ich unterbreche ja nur ungern, aber diese Waldläufer haben uns gefangen genommen! Sollten wir nicht lieber einen Plan ausarbeiten, wie wir heil hier raus kommen können?“ unterbrach Rodney.
    „Ich denke, wir werden gleich sehen, ob Plan A funktioniert!“ meinte Sheppard, da sie in diesem Moment um den Felsen herum auf eine weite flache Ebene traten. In der Ferne erhoben sich schneebedeckte Berge. Doch hier unten blühten die Wiesenblumen und verströmten einen würzigen Duft, der bunte Schmetterlinge anlockte. Im sanften Wind flatterten sie von einer Blüte zur anderen. Ein Bach plätscherte leise vor sich hin. Er floss in einer weiten Wellenlinie durch die Ebene. Auf der anderen Seite des Baches lag die Siedlung. Sie bestand aus einfachen Holzhütten oder großen Zelten aus Stoff und Leder. Hinter den Hütten waren kleine Gartenparzellen angelegt.
    Ein paar Kinder spielten Fangen und liefen ausgelassen hin und her. Bei diesem Spiel kamen sie einer älteren Frau in die Quere, die zwischen zwei Hütten heraustrat und einen großen Weidenkorb trug. Mit einer kurzen Handbewegung verscheuchte sie die Kinder und trat zu ein paar anderen Frauen, die in einer Gartenparzelle Gemüse ernteten. Der Wind trug ihre klaren Stimmen über die Ebene zu den Ankömmlingen.
    „Sie singen!“ Rodney sah verblüfft zu den Frauen hinüber, während sie langsam auf die Siedlung zugingen.
    „Es hört sich wundervoll an!“ sagte Jennifer, die für einen kurzen Augenblick ihre Angst vergaß.
    „Wisst ihr eigentlich, wann wir das letzte Mal auf ein Volk getroffen sind, das so friedlich gelebt hat?“ fuhr McKay fort. „Nichts scheint sie zu beunruhigen! Ich meine: Seht euch nur dieses Utopia an!“
    „Nur weil die Frauen singen, heißt das noch lange nicht, dass die Wraith nicht hier herkommen. Vielleicht ist das ihre Kultur, ihre Art zu leben!“ überlegte Sheppard. Die Wraith waren grausame Lebewesen, die sich von der Lebensenergie der Menschen, die in dieser Galaxie lebten, ernährten. Sie verbreiteten nicht nur während ihren Erntefeldzügen Angst und Schrecken. Auch in ihrer Abwesenheit prägten sie das Leben der Menschen, die sich nie wirklich sicher fühlen konnten.
    Das Lied der Frauen war inzwischen verstummt. Sie hatten die Gruppe bemerkt und kamen ihnen langsam entgegen. Ihre Bewegungen waren genauso fließend und leicht wie die der Krieger. Es war ihnen keine Spur von Furcht oder Argwohn anzusehen, als die Gefangenen an ihnen vorbei ins Lager geführt wurden. Im Gegenteil, fast sah es so aus, als ob sie neugierig auf sie waren.
    Auch in der Siedlung unterbrachen die Bewohner ihre Arbeit und blickten ihnen offen in die Augen. Die gesamte Umgebung strömte tiefe Ruhe und Frieden aus.
    „Das ist ja fast unheimlich!“ murmelte Sheppard leise.
    „Es ist mehr als das!“ meldete sich Teyla, die neben ihm ging. „Ich spüre keinerlei Angst oder Besorgnis! Keine Dunkelheit! Keinen Schmerz! Weder bei den Frauen und Kindern hier im Dorf, noch bei den Kriegern. Nichts, was darauf deuten könnte, dass Wraith hier waren oder hier her kommen werden! So etwas habe ich noch nie erlebt! Egal wie gut sich die Menschen in ihren Welten darauf einstellen, eine gewisse Furcht bleibt sonst immer spürbar!“
    „Könnten die Kopfschmerzen der Grund dafür sein, dass du dies nicht wahrnimmst?“ fragte Sheppard.
    „Nein, das glaube ich nicht!“ Teyla schüttelte den Kopf. „Diese Menschen leben in einer Ruhe, die es eigentlich gar nicht geben dürfte! Jedenfalls nicht hier in der Nähe der Wraith!“

    ***

    Die Krieger führten sie zu einer der Hütten im hinteren Bereich der Siedlung. Auf einem Holztisch, der vor der Hütte stand, legten sie die Ausrüstung des Teams. Während zwei Krieger rechts und links des Tisches mit gespanntem Bogen stehen blieben, traten die anderen zurück. Gleichzeitig traten die Bewohner des Dorfes näher heran. Spätestens jetzt erkannte man ihre Ähnlichkeit untereinander. Alle Männer und Frauen waren etwa mittelgroß, und hatten braune oder schwarze Haare und dunkle Augen.
    „Nun, bei so vielen Zuhörern stehen unsere Chancen gut, jemanden zu finden, der uns versteht!“ munterte Sheppard seine Leute auf.
    „Hoffen wir es!“ Ronon zweifelte daran. „Sie sehen nicht so aus, als ob sie viel mit anderen Völkern handeln würden!“
    In diesem Moment ging eine lautlose Bewegung durch die Menge. Ein Mann trat aus der Tür. Er trug eine dunkelbraune Lederhose und ein helles offenes Stoffhemd, das an den Säumen dunkel abgesetzt war und seine kräftigen Muskeln nicht verdecken konnte. An seinem durchtrainierten Körper schien kein Gramm Fett zu viel zu sein. Seine braunen Haare, die ihm bis auf die Schultern fielen, wurden mit einem breiten Band aus seinem Gesicht gehalten. Die fast schwarzen Augen blickten die Fremden durchdringend an. Er war nicht mehr zwanzig, eher etwas über dreißig, doch da in der Siedlung wesentlich ältere Männer – sogar Greise – lebten, war es erstaunlich, dass er der Führer der Gruppe war.
    Hinter ihm trat eine junge Frau aus der Hütte, die jedoch nicht an den Tisch und die Gefangenen herantrat. Sie blieb halb im Schatten der Überdachung an einem Holzträger stehen und blickte zu ihnen hinüber. Sie trug wie die meisten Frauen in dieser Siedlung eine hellbraune Lederhose und ein weißes Stoffhemd mit farbigen Absetzungen. Ihre leuchtend blonden Haare fielen ihr in zwei offenen Zöpfen locker vorne über die Schultern bis hinab zu den Hüften. Obwohl man ihr Gesicht im Schatten nur erahnen konnte, bemerkte Teyla eine ungewöhnliche Präsenz, die von ihr ausging. Fasziniert und verwirrt zugleich konnte sie ihren Blick nicht von ihr wenden. Wer war nur diese Person?
    Ihre Freunde hatten der Unbekannten nur einen kurzen Blick geschenkt. Sie sahen bereits eine ganze Weile wieder auf den Anführer der Siedler, als auch Teyla ihren Blick von der Frau abwandte.
    Der Blick des Anführers hatte sich zunächst starr auf die Fremden gerichtet. Dann blickte er auf den Tisch vor ihm. Er ignorierte jedoch die Waffen, die dort ausgebreitet waren, und nahm einen der verpackten Setzlinge in die Hand. Dann blickte er Sheppard direkt in die Augen und fing an, in der fremden Sprache zu sprechen. Es waren nicht viele Worte, jedoch zeigte sein bohrender Blick, dass er nicht gerade erfreut war. Dieser Blick änderte sich auch nicht, als er schwieg.
    Jennifer, die sich für die Gefangennahme verantwortlich fühlte – schließlich waren sie ihretwegen auf diesen Planeten gekommen – versuchte den Blick des Anführers zu ignorieren. Während sie an Sheppard vorbei zum Tisch trat, versuchte sie ihre Anwesenheit zu erklären: „Wir haben erfahren, dass diese Pflanze ein sehr wichtiges Heilmittel gegen viele unserer Krankheiten...“ Sie brach ab, als einer der Krieger vortrat und drohend den gespannten Bogen auf sie richtete. Mit vor Schreck aufgerissenen Augen blieb sie starr stehen.
    „Doc, überlassen Sie das mir!“ Sheppard zog sie schnell zurück und stellte sich schützend vor sie. Der Krieger trat sofort in seine alte Position zurück.
    Rodney atmete hörbar aus, als sich Jennifer nun wieder in relativer Sicherheit neben ihm befand.
    Sheppard konzentrierte sich sofort wieder auf den finster drein blickenden Anführer. Da dieser weiter schwieg, räusperte er sich kurz bevor er sich vorstellte: „Mein Name ist Lieutenant Colonel John Sheppard. Meine Freunde und ich sind in friedlicher Absicht hergekommen!“
    Schweigen. Niemand reagierte.
    „Kann mich irgend jemand verstehen?“ fragte Sheppard und sah in die Runde.
    „Das hatten wir doch schon mal!“ meinte Rodney genervt.
    „Dann sind Sie jetzt dran, McKay!“ forderte Sheppard ihn auf. „Versuchen wir es auf Alt-Lantianisch!“
    Rodney rollte mit den Augen. Dann sagte er in der alten Verkehrssprache der Antiker: „Ich bin Dr. Rodney McKay. Wir kamen durch das Sternentor als friedliche Forscher! Kann mich jemand verstehen?“
    Wieder Schweigen und keinerlei Reaktion.
    „Wie ich gedacht habe! Und was nun?“ fragte Rodney Sheppard.
    „Haben sie nicht noch ein paar Worte in einer anderen Sprache auf Lager?“ zischte Sheppard.
    „Ich bin Wissenschaftler und froh, dass ich trotz der Kopfschmerzen noch einigermaßen klar denken kann!“ antwortete Rodney bissig. „Außerdem bin ich kein Universalübersetzer!“
    „Hey, sie meinen so ein Ding, das die Crew der Enterprise besitzt?“ entgegnete Sheppard. „Das ist ein tolles Gerät. – Warum haben wir so etwas eigentlich nicht?“
    „Weil wir so etwas bisher nicht gebraucht haben! In der Milchstraße wird nun einmal auf den meisten Planeten eine dem Englischen sehr ähnliche Sprache gesprochen – schließlich stammen die meisten von der Erde. Und hier in der Pegasus-Galaxie hatten wir so etwas auch noch nicht nötig.“ antwortete Rodney altklug.
    „Aber jetzt könnten wir so etwas gut gebrauchen, da stimmen sie mir doch zu, oder?“ konterte Sheppard. Als Rodney nickte, fügte er an: „Dann setzen Sie das auf ihre To-Do-Liste! Und zwar möglichst weit nach oben!“
    „Dazu müssten wir hier erst einmal raus kommen!“ antwortete McKay schnippisch.
    „John!“ Teyla unterbrach den Dialog der beiden, als der Anführer seine Augen zu zwei engen Schlitzen zusammen kniff.
    „Was sollen wir tun – jetzt, da wir wissen, dass sie uns nicht verstehen?“ wisperte Ronon in Sheppards Ohr. „Unsere Waffen liegen in Reichweite und werden nur von zwei Bogenschützen bewacht. Ich habe ein Messer und könnte mich losschneiden…“
    „Abgesehen davon, dass wir nicht wissen, wie viele sonst noch auf uns zielen, würden wir das Leben der Dorfbewohner riskieren!“ wisperte Sheppard zurück. „Ich denke nicht, dass sie uns töten werden – jedenfalls nicht sofort vor all den Augenzeugen. Wir werden abwarten. Atlantis wird uns Hilfe schicken, wenn wir nicht zurückkommen!“
    Der Anführer hatte scheinbar genug gesehen und gab den Kriegern ein Zeichen.


  2. Danke sagten:


  3. #2
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    Sorry, dass ich so lange nichts von mir habe hören lassen. In den letzten Monaten hatte mich meine Gesundheit leider so richtig am Wickel...

    Ich hoffe, dass trotz der langen Wartezeit noch der ein oder andere von euch weiterlesen wird. Ich versuche, die nächsten Szenen auch zeitnah reinzustellen ;-)

    In meinem Blog habe ich erwähnt, dass für mich Bücher und Musik untrennbar miteinander verwoben werden können. Genauso gehts natürlich auch mit Musik und dem Selbstgeschriebenen.

    Daher habe ich mir gedacht, da wo es passt, auch einen Musikvorschlag mitzuliefern.

    Für den bereits geposteten Prolog wären das:
    Szene 1: Fluidity (Solitudes)
    Szene 2: Storms in Africa (Enya)
    Szene 3: Concerning Hobbits (Soundtrack Der Herr der Ringe)
    und zum Schluss: SGA Main Titles

    Und hier die Vorschläge für die nächsten Szenen:
    Spoiler 
    komplettes Kapitel: Night Bird (Deep Forrest)
    Szene 1: A Storm is Coming (Soundtrack Der Herr der Ringe)
    Szene 3: Loch na Calli (Clannad)
    Szene 4: Hope Fails (Soundtrack Der Herr der Ringe


    Ich bin natürlich auch offen für eure musikalischen Vorschläge!

    Und nun geht es weiter. Viel Spaß beim Lesen und Hören!



    Die Höhle


    Sheppard und sein Team wurden nun von den Kriegern zwischen zwei Hütten hindurch zu einem der Felsen geführt, die dem Gebirge vorgelagert waren und die steil in den blauen, wolkenlosen Himmel hinauf ragten. Am Fuße des Felsens gähnte der dunkle Schlund einer großen Höhle. Vor dieser Höhle erstreckte sich eine Wiese, auf der weder Baum noch Strauch wuchs.
    Die Höhle selbst ging nicht tief in den Felsen hinein und war auch nicht sehr verwinkelt. Sie bestand streng genommen nur aus einem Raum mit drei fensterlosen Wänden. Ein paar verstreute Felsquader, zwei alte Feuerstellen und wenige in den Felsen gehauene Sitzgelegenheiten waren alles, was neben den dicken hölzernen Gitterstäben, die die Höhle nach draußen abschlossen, auffielen.
    Das Team wurde durch eine Tür in die Höhle geführt. Dort angekommen, lösten die Krieger ihre Fesseln. Dabei gingen sie sehr sorgfältig vor. Während draußen zwei Krieger mit gespanntem Bogen sicherten, wurden zuerst Jennifer, Rodney und Teyla losgebunden. Dann banden sie Ronon und Sheppard los, wobei sie zur Sicherheit einen Arm der Gefangenen festhielten.
    In Sheppards Fall war das der rechte Unterarm. Sofort durchschoss Sheppard ein Stich, der sich blitzartig von seinem Unterarm in den gesamten Körper ausbreitete. Für den Bruchteil einer Sekunde wurde ihm schwarz vor Augen. Er konnte gerade noch einen Aufschrei unterdrücken, doch sein schmerzverzerrtes Gesicht sprach Bände.
    Die Krieger hatten dies entweder nicht bemerkt, oder sie ignorierten es einfach. Jedenfalls verließen sie wortlos die Höhle und verschlossen hinter sich die stabile Gittertür. Zwei Krieger bezogen am Höhleneingang Stellung, die anderen gingen zurück in die Siedlung. Dort schien das Leben wieder seinen normalen Gang zu gehen, denn man konnte verschiedene Stimmen und das Lachen der Kinder, die ihr Spiel wieder aufgenommen hatten, vernehmen.
    „Soviel zu unserem Plan, im Dorf jemanden zu finden, der unsere Sprache versteht!“ seufzte Rodney und rieb sich seine schmerzenden Handgelenke.
    „John, alles in Ordnung?“ fragte Teyla beunruhigt. Sie hatte seinen schmerzverzerrten Gesichtsausdruck genau gesehen und kam nun besorgt auf ihn zu.
    „Es ist alles in Ordnung!“ presste John, immer noch atemlos, heraus.
    „Nun, dass sah mir eben nicht danach aus!“ meldete sich Jennifer, die ebenfalls bemerkt hatte, was geschehen war.
    „Es ist wirklich alles in Ordnung!“ wiederholte Sheppard abwehrend. Da der Schmerz wieder nachgelassen hatte, war seine Stimme nun bestimmter. „Ich habe mir wohl heute Vormittag beim Kampftraining eine kleine Zerrung geholt – nichts Schlimmes also!“
    „Lassen Sie mal sehen!“ forderte Jennifer ihn auf.
    Sheppard verdrehte unwillig die Augen. Doch als er erkannte, dass Jennifer nicht locker lassen würde, krempelte er widerstrebend seinen Ärmel hoch. Als sein Blick auf die Innenseite seines Unterarms fiel, stockte sein Atem erneut – jedoch nicht der Schmerzen wegen. „Das hat mir gerade noch gefehlt!“
    Teyla und Jennifer starrten sprachlos auf die Stelle, die Sheppards Aufmerksamkeit erregte.
    Auf der Unterseite des Unterarms war eine etwa handtellergroße Schwellung zu sehen, die grau-schwarz verfärbt war. An dieser Stelle hatten sich ebenfalls kleine Knoten gebildet. Sie ähnelte der Mutation, die Sheppard vor einigen Jahren erlitten hatte, als er sich mit dem Retro-Virus infiziert und beinahe in einen Wraith-Käfer verwandelt hatte.
    „Das ist nicht gut!“ sagte er in die entstandene Stille hinein.
    „Was ist nicht gut?“ Rodney war hellhörig geworden und kam näher. Als er den Grund dieses Ausspruchs erblickte, wurde er aschfahl im Gesicht. „Oh nein!“
    „Colonel, seit wann haben Sie diese Schmerzen?“ fragte Jennifer, die sich wieder gefangen hatte.
    „Sie fingen an, kurz nachdem wir durch das Tor gekommen sind!“ antwortete Sheppard. „Sie waren zunächst kaum zu spüren. Lediglich ein leichtes Ziehen hin und wieder…“
    „Und wie fühlen Sie sich sonst?“ erkundigte sich Dr. Keller. „Fühlen Sie sich wie damals, als Sie infiziert wurden?“
    Sheppard schüttelte den Kopf: „Damals habe ich mich ausgezeichnet gefühlt. Ich hatte keinerlei Schmerzen und war in Top-Form! Dies hier ist ganz anders! Und das mal ganz abgesehen von den Kopfschmerzen!“
    „Was soll das heißen?“ meldete sich McKay verwirrt.
    „Das soll heißen, dass Sie nicht der Einzige sind, der Kopfschmerzen hat!“ antwortete Sheppard schnell. „So wie es aussieht, ist davon keiner verschont geblieben!“
    „Aber… Warum hat mir das denn keiner gesagt?“ stammelte Rodney entsetzt und sah in die Runde.
    „Nun, hätte Sie das etwa beruhigt?“ konterte Sheppard.
    „Natürlich nicht!“ antwortete Rodney und stockte. Die Augen vor Panik weit aufgerissen fuhr er fort. „Das bedeutet ja, dass wir uns alle mit dem da – was auch immer es ist – angesteckt haben! Und dank Ihrer Idee, sich zu ergeben, sitzen wir jetzt in einer Zelle und können gar nichts tun!“ Rodney fing an, aufgeregt seine Arme nach Hinweisen dieser Mutation abzusuchen.
    „Rodney, versuche einfach ruhig durchzuatmen!“ Jennifer legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm.
    Doch Rodney lachte hysterisch auf: „Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll, damit ihr die Dringlichkeit versteht: Wir haben uns mit irgendeinem Alien-Virus oder was Ähnlichem angesteckt. Wenn wir nicht sofort etwas unternehmen, werden wir alle elendig krepieren oder zu diesen widerlichen Käfern mutieren – noch bevor Atlantis uns zur Hilfe kommen kann!“
    „OK McKay! Das reicht jetzt!“ fuhr Sheppard ihn nun ungehalten an. „Ich möchte nichts mehr von Ihnen hören. Weder von Kopfschmerzen, noch von Tod, Krepieren oder Mutieren! Setzen Sie sich in eine Ecke und halten Sie Ihre Klappe, wenn Sie nichts Konstruktives beizutragen haben!“ Sheppards Geduld war endgültig erschöpft. Neben den Kopfschmerzen und den Schmerzen im Arm war Rodney die dritte Störquelle, die ihn davon abhielt, einen klaren Gedanken zu fassen.
    „Ich denke nicht, dass wir alle solche Mutationen befürchten müssen!“ meldete sich Teyla mit ruhiger Stimme in der entstandenen angespannten Stille zu Wort. „Wenn dem so wäre, hätten wir alle mit Einsetzen der Kopfschmerzen auch diese Schmerzen und die Mutation bekommen müssen – ist es nicht so, Jennifer?“
    „Was nicht ist, kann ja noch werden!“ warf Rodney dazwischen.
    Jennifer wiegte den Kopf: „Solange ich keine Tests machen kann, kann ich nur Vermutungen anstellen. Aber ich denke, dass wir es mit zwei verschiedenen Fällen zu tun haben. Einmal die Kopfschmerzen und einmal die Mutation. Kopfschmerzen können vielfältige Gründe haben. Vielleicht reagieren wir auf eine Pflanze allergisch, vielleicht haben wir alle eine beginnende Erkältung, …Was diese Mutation angeht: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in Ihrem Körper, Colonel, etwas von diesem Retro-Virus zurückgeblieben ist, dass durch irgendetwas wieder aktiviert wurde. – Vielleicht ist es der gleiche Auslöser, wie bei unseren Kopfschmerzen, vielleicht jedoch auch etwas ganz anderes!“
    „Und was soll das gewesen sein?“ fragte Rodney. „Das vorausgeschickte MALP hat nichts entdeckt. Ich habe die Werte selbst geprüft, bevor wir durchs Gate hier hin gereist sind. Und da wir, kurz nachdem wir durch das Tor gingen, infiziert wurden – denn zu diesem Zeitpunkt fingen die Schmerzen ja an – ist das alles doch recht merkwürdig. Das ist für mich etwas mehr wie nur der pure Zufall. Daher sehe ich auch keinen Grund, die beiden Symptome zu trennen!“
    „Bestände die Möglichkeit, dass wir uns beim Durchqueren des Wurmloches infiziert haben?“ erkundigte sich Sheppard bei Rodney.
    „Wie soll denn das bitte gehen?“ entgegnete McKay genervt.
    „Nun, Sie sind der Spezialist!“ Sheppard zuckte die Schultern. „Mir kam nur in den Sinn, was passieren würde, wenn bei der letzten Aktivierung des Tores irgendetwas aus irgendeinem Grund im Speicher zurückgeblieben wäre! Zum Beispiel einer dieser Wraith-Käfer! Und dass sich dieses Etwas mit uns verbunden hat, als wir durch das Tor gingen!“
    „Nein, so etwas kann auf gar keinen Fall passieren!“ widersprach Rodney heftig und rollte mit den Augen über so viel Unwissen. „Das Wurmloch schließt sich erst, wenn alles auf der anderen Seite rematerialisiert wurde. Sollte etwas im Speicher verbleiben – was nur durch eine Fehlfunktion passieren kann – wird dieser Abdruck immer schwächer, bis er schließlich verschwindet. Spätestens jedoch bei der neuen Aktivierung des Wurmloches wird dieser Zwischenspeicher komplett gelöscht.“
    „OK, es hätte ja sein können... Hat sonst noch jemand eine Idee, die uns weiterbringen könnte?“ fragte Sheppard in die Runde.
    Die Umstehenden schüttelten den Kopf und schwiegen.
    Sheppard dachte kurz nach, während er sein Team aufmerksam musterte. Selbst Teyla und Ronon sah man nun an, dass sie heftige Kopfschmerzen hatten. Teyla rieb sich die Schläfen und Ronon blinzelte mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Ich denke, einen Kampf gegen diese durchtrainierten Krieger werden wir in unserem Zustand nicht durchhalten können. Wir müssen also abwarten, bis die Kopfschmerzen besser werden und wir eine Flucht riskieren können oder Atlantis uns zur Hilfe kommt! Doktor, gibt es irgendetwas, was wir jetzt gegen die Kopfschmerzen tun können?“
    „Nun, eine Möglichkeit wäre, dem Körper Ruhe zu gönnen. Wir sollten uns versuchen zu entspannen und vielleicht sogar etwas zu schlafen!“ schlug Dr. Keller vor.
    „Schlafen, das ist eine wahrhaft gute Idee! Ich will ja nicht kleinlich sein, aber wir befinden uns in einer Zelle. Und ich kann weit und breit kein Bett sehen.“ maulte Rodney sofort. „Mein Rücken wird keine einzige Nacht auf diesem harten Boden verkraften!“
    „Also, wenn Sie Kopfschmerzen haben, sind Sie wirklich nicht zu ertragen!“ sagte Sheppard entnervt, während er sich auf einen Steinquader setzte.
    „Da kommt jemand!“ meldete sich Ronon, der die ganze Zeit so gut es ging die Umgebung mit im Blick gehalten hatte.

    ***

    Zwischen den Hütten erschienen soeben drei Frauen, die mit großen Körben und einem Kessel bepackt waren. Zwei von ihnen waren noch sehr jung, doch die dritte hatte schlohweißes Haar. Ihr Gesicht war vom Alter gezeichnet. Tiefe Falten durchzogen ihre Haut. Und doch blickten ihre dunklen Augen wach umher. Die Frauen gingen ohne zu zögern auf die Tür des Verließes zu. Als sie herangetreten waren, öffnete ihnen einer der Wächter wortlos die Tür und ließ sie ein. Dann schloss er diese und bezog wieder Stellung.
    Ohne eine Spur von Angst den Gefangenen gegenüber, traten die Frauen heran und stellten die Körbe auf den Boden. Eine der jungen Frauen machte sich daran, Holz in der Feuerstelle aufzuhäufen, die andere holte aus ihrem Korb zusammengezurrte Felle und Decken und legte sie auf ein paar Steinquader, die in der Nähe der Feuerstelle lagen. Die ältere Frau hatte zunächst die Arbeit der jungen Frauen beobachtet, doch als die Feuerstelle vorbereitet war, hockte sie sich hin und holte zwei Steine aus dem Beutel, der an ihrem Gürtel hing. Mit einem einzigen gezielten Hieb der Steine aneinander stoben die Funken in das bereitgelegte Zündmaterial und wenige Augenblicke später loderten die ersten Flammen auf. Eine der Frauen setzte nun den Kessel auf die Feuerstelle, der bereits mit Wasser gefüllt war. Die Ältere warf einen Stoffbeutel mitsamt Inhalt hinein. Gleichzeitig stellte eine der jüngeren Holzbecher auf einen Steinquader und legte zwei Laibe Brot, eingewickelt in ein Tuch, dazu.
    Während die Frauen mit geübten Handgriffen diesen Tätigkeiten nachgingen, starrten die Gefangenen, die sich nur wenige Armlängen von ihnen entfernt befanden, ungläubig zu ihnen hinüber. Hatten die Frauen keine Angst, dass die Gefangenen einen Fluchtversuch planen würden und sie vielleicht sogar als Geiseln genommen werden konnten?
    „Sie scheinen zu wissen, dass wir im Augenblick nicht viel gegen sie ausrichten können!“ flüsterte Teyla. „Mit diesen Kopfschmerzen werden alle schnellen Bewegungen zur Qual.“
    „Und doch sind die Krieger draußen bereit, den Frauen zur Hilfe zu eilen!“ bemerkte Ronon. Er hatte mit einem Blick gesehen, dass die Krieger scheinbar unbeteiligt vor der Tür wachten, jedoch jederzeit bereit waren, einzugreifen.
    Das Wasser im Kessel fing langsam an zu kochen und ein angenehmer Duft nach ätherischen Ölen verteilte sich in der Höhle.
    „Der Beutel, der sich im Kessel befindet, beinhaltet allem Anschein verschiedene Heilkräuter“ überlegte Jennifer und atmete den wohltuenden Duft tief ein.
    Eine der jungen Frauen nahm nun eine Schöpfkelle und füllte etwas von dem heißen Wasser in einen der bereitgestellten Holzbecher. Dann deutete sie an, davon zu trinken und fasste sich an den Kopf. Während ihr Gesichtsausdruck für einen kurzen Augenblick schmerzverzerrt aussah, änderte sich ihre Mimik danach in ein sanftes Lächeln.
    „Bedeutet dass, wenn wir dies trinken, werden unsere Kopfschmerzen nachlassen?“ fragte Jennifer, die sich vorsichtig etwas auf die Frauen zu bewegt hatte. Im Gegensatz zu den Männern, die draußen standen und sie bewachten, schienen die Frauen nicht ganz so unnahbar zu sein.
    Die Frau reichte ihr den Becher und lächelte sie ermutigend an.
    „Ich würde davon nicht trinken! Das Wasser könnte vergiftet sein!“ meldete sich Rodney von hinten.
    Doch Jennifer ignorierte seinen Einwand, lächelte zurück und nahm einen kleinen Schluck. Der Tee schmeckte angenehm würzig. Jennifer spürte, wie sich die ätherischen Öle in ihrem Körper verteilten. „Danke!“ Sie nickte der Fremden zu. Als die Frau sich zurückziehen wollte, fasste Jennifer vorsichtig nach ihrem Arm.
    Sofort spannten die Krieger, die vor der Höhle Wache hielten, ihre Bogen und richteten die Pfeile auf Jennifer. Doch bereits wenige Worte von der älteren Frau, die auf Jennifer zutrat und sie aufmerksam musterte, besänftigten sie, so dass sie ihre Bogen wieder senkten. Teyla, Ronon und Sheppard, die nahezu gleichzeitig Jennifer zur Hilfe eilen wollten, verharrten in ihrer Bewegung und warteten angespannt ab, was nun passieren würde.
    Jennifer, die nun doch kurz gezögert hatte, sprach nun, da sich die Situation wieder beruhigt hatte, leise in der Sprache der Antiker: „Entschuldigt bitte! Aber wir brauchen eure Hilfe! Mein Name ist Jennifer. Ich bin ebenfalls eine Heilerin! Einer von uns hat eine Verletzung am Arm und braucht meine Hilfe!“ Während sie dies sagte, deutete sie auf ihren Arm und verzog das Gesicht, als ob sie Schmerzen hätte. Dann malte sie auf den staubigen Boden ein Kreuz. „Könnt ihr mir meine medizinische Ausrüstung geben damit ich ihn versorgen kann?“
    Die Frauen besprachen sich kurz. Dann zeigte die Ältere auf Jennifers Arm und dann auf die Gruppe.
    „Colonel Sheppard!" Dr. Keller sah ihn auffordernd an.
    „Meinen Sie, dass das eine gute Idee ist?“ fragte Sheppard zweifelnd.
    „Sie wollen uns helfen!“ Jennifer sah ihn aufmunternd an.
    Widerstrebend trat er vor und zog seinen Ärmel hoch. Die beiden Frauen traten heran. Als sie die Mutation sahen, zuckte die Junge erschrocken zurück und stammelte ein paar Worte. Auch die Ältere stockte kurz, dann kniff sie wortlos die Augen zusammen und blickte John forschend an. Sie hatte sich jedoch schnell gefangen und rief der jungen Frau, die zurückgewichen war, in einem ruhigen Ton ein paar Worte zu. Da sie jedoch zunächst nicht reagierte und weiterhin vor sich hin starrte, scheuchte sie sie nun mit heftigen Armbewegungen und ein paar lauteren Worten hinaus.
    „Bitte, in meiner Ausrüstung befindet sich etwas, was ihm helfen könnte!“ bat Jennifer inständig die ältere Frau und versuchte mit ein paar Handbewegungen ihren Rucksack zu beschreiben.
    Doch die Frau bot ihnen nur den zubereiteten Tee an und ignorierte ihre Versuche, sich verständlich zu machen.
    „Jennifer, komm her und setze dich!“ sagte Teyla und zog sie behutsam zurück. „Du hast alles versucht. Jetzt müssen wir einfach abwarten!“
    Jennifer gab sich nur ungern zufrieden und setzte sich unglücklich auf ein ausgebreitetes Fell.
    „Vielleicht hat das Ganze doch etwas gebracht!“ meldete sich da Ronon und blickte nach draußen.

    ***

    Die junge Frau kam wieder aus der Siedlung zurück und trat zielstrebig auf die Höhle zu. Neben ihr schritt die Frau mit den blonden, langen Haaren, die Teyla bereits aufgefallen war. Im hellen Licht der Nachmittagssonne leuchtet ihr Haar rötlich auf, was durch das rote Lederband, dass ihre Haare aus dem Gesicht hielt, noch verstärkt wurde. Sie überragte die untersetzte Frau neben ihr um eine ganze Kopflänge und wirkte doch zierlich. Ihre gesamte Erscheinung unterschied sich so stark von den Anderen, dass sie völlig fehl am Platz wirkte. Sheppard musste bei ihrem Anblick unvermittelt an Cynthia-Ann Parker, eine Frau aus den frühen Tagen Amerikas, denken. Die Wächter ließen sie ohne eine Erklärung zu verlangen, in die Höhle. Dort angekommen, nickte sie kurz den beiden wartenden Frauen zu, die sie ebenfalls mit einem kurzen Nicken begrüßten. Dann trat sie an die Feuerstelle und legte ihr Stoffbündel, das sie bei sich getragen hatte, auf den Boden. Als sie sich den Gefangenen zuwandte, funkelten ihre tief grünen Augen im Schein des Feuers eigentümlich auf. Während ihr Gesicht frisch und jugendlich aussah, direkt an der Schwelle vom Teenager zum Erwachsenen, wirkten ihre Augen seltsam alt – so als ob sie schon alles in der Galaxie gesehen hätten.
    Ohne eine Spur von Angst ging sie auf die Gefangenen zu und bedeutete Sheppard, den Ärmel hochzukrempeln, was dieser zögernd tat. Die Frau nahm seine Hand und drehte den Arm zum Licht. Nichts ließ erkennen, dass sie dieser Anblick erschrak oder beunruhigte. Im Gegenteil, ihre Bewegungen zeugten von Ruhe und Sicherheit und ihre Hand, die seine nun hielt, war angenehm warm und wirkte beruhigend. Sie nickte nur kurz und wechselte ein paar Worte mit der Frau, die außerhalb der Höhle stehen geblieben war, und nun fort eilte. Erst danach ließ sie Johns Hand los und deutete auf einen Steinquader, der nahe am Feuer lag. In der Zeit, in der Sheppard sich hinsetzte, zog sie ein Messer aus der Scheide, die an ihrem Gürtel baumelte und legte es in die heiße Glut des Feuers.
    Beim Hinhocken rutschten ihre hüftlangen Haare, die sie in zwei offenen Zöpfen trug, nach vorne und kamen dem Feuer gefährlich nahe. Flink schob sie die Haare wieder zurück, so dass sie über ihren Rücken fielen. Sheppards Blick blieb an einer dünnen Haarsträhne hängen, die auf ihrer gesamten Länge mit einem schmalen, roten Lederband fest verflochten war.
    Nun öffnete sie ihren Beutel und besah sich den Inhalt, bestehend aus verschiedenen Kräuterbündeln und kleinen Holzschächtelchen. Zunächst entnahm sie aus einer dieser kleinen Holzgefäße etwas Pulver und ließ es über das Feuer rieseln. Sofort stoben glitzernde Funken auseinander und man vernahm ein leises Zischen. Dann zerrieb sie mit geschickten Handbewegungen in einer flachen Holzschüssel verschiedene der Kräuter mit etwas Wasser zu einer dicken Paste. Die junge Frau war inzwischen wieder in der Höhle angekommen und reichte ihr frisch gepflückte leuchtend grüne Blätter, die nun ebenfalls in der Paste unter gerührt wurden.
    Als alles gut verrührt war, stellte sie die Schale vorsichtig ab, nahm das Messer aus dem Feuer und prüfte mit den Fingern, wie heiß die Klinge inzwischen geworden war. Sie schien mit dem Ergebnis nicht zufrieden zu sein und legte es wieder zurück ins Feuer.
    „Also, wenn du das vorhast, was ich denke, dann…“ Sheppard sah besorgt auf das Messer und dann auf das Mädchen, das sich nun direkt vor ihn hin kniete. „Doc, würde das Ausbrennen etwas bringen?“ erkundigte er sich bei Jennifer, ohne das Mädchen aus den Augen zu lassen.
    „Nicht, wenn es sich um das Retro-Virus handelt!“ antwortete Jennifer zögernd, die das Ganze ebenfalls genau beobachtete.
    Da das Mädchen nun seinen Arm ergriff, blieb ihm keine Zeit mehr, um zu überlegen. Reflexartig zog er darum den Arm zurück. Das Mädchen hob den Kopf und sah ihn schweigend an. Dann streckte sie ihm die Hand entgegen und verharrte in dieser Stellung. Sheppard blickte in ihre grünen Augen und schien in sie hineingezogen zu werden. Er wusste nicht, was es war, aber etwas sagte ihm, dass er ihr vertrauen sollte. Langsam legte er seinen Arm in ihre geöffnete Hand. Das Mädchen lächelte sanft und nahm nun die Schale mit der Paste. Sorgfältig verteilte sie diese auf der gesamten mutierten Stelle seines Unterarms. Dann griff sie nach dem Messer. Sheppard hielt die Luft an, als sie die breite Seite des Messers leicht auf die aufgetragene Paste drückte. Doch der befürchtete Schmerz blieb aus. Stattdessen spürte er eine angenehme Wärme, die sich von seinem Arm in seinen ganzen Körper ausbreitete.
    Das Mädchen drückte das Messer nur ein paar Sekunden auf die Paste. Dann ließ sie es achtlos neben sich fallen und machte sich daran, einen Verband aus dünnen Baumwolltüchern anzulegen.
    Sheppard bemerke eine Bewegung neben sich und blickte hoch. Ronon stand schräg hinter ihm und peilte vorsichtig auf das Messer. Das Mädchen kniete so nah vor ihm, dass er es mit Leichtigkeit hätte überwältigen können. Doch sie war noch fast ein Kind. Sollten sie sich mit ihr als Geisel die Freiheit erkämpfen? Sie waren in einer Höhle, umgeben von hervorragend ausgebildeten Kriegern und viel zu weit vom Sternentor entfernt. Es war einfach zu riskant. Schnell schüttelte er kaum merklich den Kopf und hielt Ronon davon ab, das Messer an sich zu nehmen.
    Unerwartet erscholl in diesem Augenblick von draußen eine kräftige Stimme. Es war der Anführer der Krieger, der auf der Wiese stehen geblieben war und auf das Geschehen in der Höhle blickte.
    Schnell griffen die zwei jungen Frauen die leeren Körbe und folgten der Alten nach draußen. Vor dem Anführer blieben sie ehrfurchtsvoll stehen. Die Ältere redete leise mit ihm, während er seinen Blick nicht von der Höhle löste.
    Das Mädchen musste ihn ebenfalls gehört haben. Sie blieb jedoch vor John knien und beendete ohne Hast ihre Arbeit. Als der Verband fertig war, drehte sie sich zum Feuer und schöpfte Wasser aus dem Kessel in einen Becher, den sie dann Sheppard reichte. Sie nickte ihm aufmunternd zu, zeigte zuerst auf den Becher, dann auf seinen verbundenen Arm und seinen Kopf. Dann steckte sie das Messer ein, schnürte ihr Bündel und stand mit einer fließenden Bewegung auf. Ohne einen weiteren Blick auf die Gefangenen zu werfen, verließ sie die Höhle und trat zu dem wartenden Anführer.

    ***

    Das Gespräch zwischen dem Anführer, dem Mädchen und der älteren Frau wurde leise geführt. Der Blick des Anführers, dessen Gesicht sie als einziges von der Höhle aus sehen konnten, ließ jedoch den Schluss zu, dass es sich um ein ernstes Thema handelte.
    „Wüsste zu gerne, worüber die gerade sprechen!“ meinte Ronon, der trotz seiner Kopfschmerzen keine Ruhe fand und das Geschehen draußen aufmerksam beobachtete.
    „Vielleicht legt sie ein gutes Wort für uns ein!?“ überlegte Jennifer.
    „Was für einen Grund hätte sie, uns zu helfen?“ meinte Rodney pessimistisch und kickte ein paar Steine zur Seite, bevor er eins der Felle auf dem harten Boden ausbreitete.
    Unvermittelt wurde das Gespräch nun lauter und einige Wortfetzen drangen bis in die Höhle hinein. Mit ausladenden Handbewegungen und lauter Stimme sprach der Anführer nun mit dem jungen Mädchen, dass nun ebenfalls lauter sprach. In ihrer Stimme lag eine Bestimmtheit, die die Umstehenden erstaunt aufsehen ließ. Die beiden jüngeren Frauen hatten sich etwas zurückgezogen, doch nun kam eine der Frauen wieder näher und rief aufgeregt ein paar Worte dazwischen. Das Mädchen fuhr unbeirrt fort und trat beim Sprechen einen Schritt auf den Anführer zu. Dann schwieg sie. Ihre letzten Worte hatten wie eine Bombe eingeschlagen. Alle Umstehenden blickten erwartungsvoll auf den Anführer und warteten auf seine Reaktion. Die herbeigeeilte Frau blickte fassungslos von dem Mädchen auf den Anführer und zurück.
    Endlich, nach endlosen Sekunden sprach der Anführer. Es waren nur einige wenige Worte, doch sie veranlassten die hinzu getretene junge Frau, vor ihm nieder zu fallen. Mit bebender Stimme schien sie ihn flehentlich um etwas zu bitten. Doch er blickte unverwandt auf das Mädchen vor ihm, das seit es geendet hatte, regungslos vor ihm stand.
    Energisch packte die Ältere die verzweifelte Frau und zog sie zurück.
    Nun rief der Anführer einen Krieger herbei, der neben dem Mädchen stehen blieb. Wortlos reichte sie ihm ihren Beutel. Dann löste sie die Schnalle ihres Gürtels, an dem ihr Messer hing, und gab ihm auch diesen. Zuletzt zog sie das breite rote Lederband von ihrem Kopf und legte es zu ihrem Gürtel. Die junge Frau hatte in den Armen der Alten alles genau beobachtet. Nun konnte sie den Anblick nicht mehr ertragen und lief weinend zurück ins Dorf, als ein weiterer Krieger auf das Mädchen zutrat und es Richtung Höhle führte.
    "Wir sind alle nur Menschen - Maschinen stehen in der Küche!" (Danny Wilde)

  4. Danke sagten:


  5. #3
    Airman First Class Avatar von Gwelwen
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    Vielen Dank an die Danke-Sager Ermanmeraz und Galaxy und natürlich auch an die zahlreichen anderen Leser.

    Für die unter euch, die sich musikalisch auf die nächsten Szenen einstellen wollen, hier meine Vorschläge:

    Spoiler 
    Szene 1: Twilight and Shadow (Soundtrack Der Herr der Ringe)
    Szene 2: Evening Falls (Enya)
    Szene 3: Exile (Enya)


    Und nun geht es weiter...


    Die Höhle (Fortsetzung)

    „Kann mir einer bitte erklären, was da gerade passiert ist?“ wisperte John ungläubig und blickte zu dem Mädchen hinüber, das sich wortlos auf den Felsquader gesetzt hatte, der sich am weitesten entfernt von den beiden Feuerstellen und den Gefangenen befand. Sie saß aufrecht mit leicht angewinkelten Beinen und blickte unverwandt zwischen den Gitterstäben hindurch auf einen festen Punkt irgendwo auf der weiten Wiese.
    Der Anführer war verschwunden. Ebenso die Frauen und die meisten Krieger. In der Ebene war eine bedächtige Stille eingekehrt, die durch die immer länger werdenden Schatten verstärkt wurde. Der Abend kam und die Bewohner der Ebene versammelten sich anscheinend zum Essen um die zahlreichen Feuer vor den Hütten, da man von der Höhle aus nun eine Reihe von schmalen Rauchwolken erkennen konnte.
    „Ich bin mir nicht sicher!“ sagte Teyla zögernd und blickte das Mädchen forschend an. Dabei verengten sich ihre Augen für einen kurzen Augenblick. „Mir ist hier niemand aufgefallen, der diese roten Lederbänder nicht auf dem Kopf trägt. Selbst die Kinder tragen sie... Wenn dies ihr Stammeszeichen ist und der Anführer ihr dies abgenommen hat, dann…“
    „… wurde sie von dem Stamm verstoßen!“ vollendete Ronon den Satz.
    Ronons und Teylas Augen trafen sich.
    „Sind wir schuld?“ fragte Jennifer erschrocken. „Sie wurde doch nicht verstoßen, weil sie uns helfen wollte?“
    „Der Anführer war nicht gerade erfreut gewesen, sie bei uns in der Höhle vorzufinden!“ bemerkte Ronon. „Vielleicht hat sie damit gegen eine Anweisung verstoßen!“
    „Ich weiß zwar nicht, was das Mädchen dem Anführer an den Kopf geworfen hat, aber sie war wohl definitiv nicht seiner Meinung und er nicht ihrer.“ meinte Sheppard. „Und so wie es aussieht, fackelt er nicht lange mit Bestrafung, wenn ihm nicht der Respekt entgegengebracht wird, der ihm seiner Meinung nach gebührt. Und was das für eine Strafe ist: Eine junge Frau zu einer Gruppe fremder Gefangener, über die man rein gar nichts weiß, zu sperren, zeugt jedenfalls überhaupt nicht von auch nur einer Spur Interesse an ihrem Wohlergehen.“
    „Ja, das ist ziemlich kalt und gefühllos.“ stimmte Jennifer zu.
    „'Unzivilisierte Wilde' trifft es wohl am Besten!“ murmelte Rodney und nahm eine Decke von dem Stapel, den die Frauen mitgebracht hatten.
    „Wenn ihn diese kurze Unterhaltung schon zu einem solchen Schritt veranlasst, dann bin ich mal gespannt, was uns noch bevorsteht!“ überlegte Ronon düster.
    „Nun, nichts ist gefährlicher als gekränkte Eitelkeit!“ bemerkte Sheppard trocken. Doch auch er machte sich Sorgen.
    Teyla hatte während des Wortwechsels einen Becher mit heißen Tee gefüllt und trat nun langsam an das Mädchen heran. Nur eine Armweite entfernt hockte sie sich hin und hielt ihr den Becher entgegen. „Du brauchst keine Angst vor uns zu haben! Wir werden dir nichts tun!“
    Das Mädchen reagierte nicht. Es blickte weiter geradeaus.
    Teyla stellte den Becher neben sie und rückte langsam in ihr Gesichtsfeld. „Mein Name ist Teyla!“ sagte sie in der Sprache der Antiker und legte die Hand auf ihre Brust. „Teyla!“ Dann deutete sie auf Ronon, der näher getreten war. „Ronon!“ Nacheinander stellte sie die anderen vor. Als das Mädchen immer noch nicht reagierte, stand sie leise seufzend auf und trat mit Ronon zu den anderen zurück. „Sie sieht durch mich hindurch, als ob ich nicht da wäre!“
    „Sie muss unwahrscheinliche Angst haben!“ Jennifer blickte voller Mitleid zu ihr hinüber.
    „Ihre gerade Körperhaltung spricht genau das Gegenteil!“ meinte Sheppard zweifelnd.
    „Es ist vielleicht ihre Art, sich vor uns zu schützen!“ überlegte Teyla.
    „Oder es ist eine Falle!“ meldete sich Rodney beiläufig zu Wort, während er ein weiteres Fell über die bereits vor ihm ausgebreiteten legte.
    „Wofür brauchen die eine Falle, wir sitzen bereits im Gefängnis!“ Ronon schüttelte den Kopf.
    „Es wäre nicht das erste mal, dass man versucht, uns mithilfe einer unschuldig aussehenden Person auszuhorchen!“ konterte Rodney und sah Ronon überheblich an.
    „Wenn dem so wäre, würden unsere Bewacher dann nicht aufpassen, dass ihr nichts geschieht?“ erkundigte sich Ronon und blickte Rodney herausfordernd an.
    „Nun, sie werden es wahrscheinlich sehr unauffällig tun!“ sagte Rodney und prüfte die Dicke der aufeinander gestapelten Felle und Decken. Unzufrieden griff er nach der nächsten Decke und entrollte sie.
    Ronon beachtete ihn nicht weiter und wandte sich an Sheppard: „Die Art der Bewachung hat sich geändert. Als die Frauen hier waren, hatten die Krieger alles, was hier drin geschah, unauffällig aber fest im Blick. Und sie waren bereit, jederzeit einzugreifen. Diese Wachsamkeit haben sie jetzt nicht mehr. Ihnen ist egal, was mit dem Mädchen passiert! Sie ist genauso ihre Gefangene, wie wir es sind!“
    Rodney lachte kurz abfällig auf und strich sorgfältig die ausgebreitete Decke glatt.
    Sheppard, der ihm bereits eine Weile mit gerunzelter Stirn zusah, fragte nun: „McKay, würden Sie mir mal sagen, was das werden soll?“
    Rodney unterbrach seine Arbeit und sah zu ihm hinüber. „Jennifer hat doch gesagt, dass wir uns ausruhen oder besser noch schlafen sollten, damit die Kopfschmerzen besser werden!“
    „Ja, das hat sie! Und?“ erkundigte sich Sheppard.
    „Und? - Das fragen sie noch?“ Rodney verdrehte die Augen. „Ich bin dabei, diesen ärztlichen Rat umzusetzen!“
    „Ihnen ist aber schon klar, dass die Decken und Felle für uns alle gedacht sind?“ hakte Sheppard nach.
    „Oh, keine Sorge! Ich habe Jennifer nicht vergessen!“ entgegnete Rodney und lächelte Jennifer an, die sein Lächeln mit widerstreitenden Gefühlen erwiderte.
    Sheppard hob eine Braue: „Na dann bin ich ja beruhigt!“
    „Sie brauchen jetzt gar nicht sarkastisch zu werden. Sie als ausgebildeter Soldat sollten im Stehen schlafen können. Ronon und Teyla sind ebenfalls daran gewöhnt, in freier Natur zu übernachten. Ich hingegen muss auf meinen Rücken achten. Ich kann auf keinen Fall nur mit einem dieser dünnen Felle auf diesem steinharten und eiskalten Boden schlafen. Das würde mein Rücken auf gar keinen Fall aushalten! Sie wissen genau, dass ich auf Atlantis eine speziell angefertigte Matratze habe, die mir mein Arzt verschrieben hat. Wenn ich also neben meinen Kopfschmerzen nicht auch noch höllische Rückenschmerzen bekommen soll, dann…“
    „OK, ich habe verstanden, McKay!“ wehrte Sheppard den aufgebrachten Redeschwall ab. „Bauen Sie sich ihr Bett-Deluxe! Aber lassen Sie uns, die – noch – das Vorrecht eines gesunden Rückens haben, auch noch ein paar Decken und Felle. Ich habe nämlich keine Ahnung, wie kalt es hier nachts wird!“

    ***

    Die beiden Lagerfeuer in der Höhle knisterten leise vor sich hin und erleuchteten einen kleinen Umkreis um sie herum. Der größere Rest der Höhle lag jedoch im Halbdunkel. Geheimnisvolle Schatten tanzten an den grob behauenen Wänden und der Decke der Höhle entlang. Alles außerhalb der Höhle lag, mit Ausnahme einiger weniger verstreuter Lagerfeuer, die in der Ferne brannten, in tiefer Finsternis.
    Die Nacht war hereingebrochen und hatte die Ebene und ihre Bewohner in eine tiefe Ruhe eingehüllt und die Geräusche des Tages verstummen lassen. Die schmalen Sicheln dreier Monde standen am klaren Nachthimmel – so nah, dass sie sich fast berühren konnten. Sie bildeten eine Art hellen Ring um einen tiefschwarzen Kreis.
    „So etwas sieht man auch nicht alle Tage!“ murmelte Sheppard, der dieses Naturschauspiel gebannt von seinem Sitz aus beobachtet hatte. Nun wandte er seinen Blick auf die nähere Umgebung.
    Teyla und Jennifer lagen nahe beim Feuer und schliefen in dicke Felle eingerollt. Ronon hatte sich in seinen langen Ledermantel gehüllt und schlief ebenfalls tief und fest. Sheppard hätte ihn schon längst wecken müssen, damit er selbst auch ein paar Minuten schlafen konnte. So hatten sie es jedenfalls am Abend abgesprochen. Doch er war wegen der Schmerzen hellwach und hatte daher beschlossen, ihn schlafen zu lassen.
    Ein lauter Schnarcher ließ Sheppard zum anderen Feuer blicken. Rodney hatte es sich auf seinen zahlreichen Decken gemütlich gemacht und schlief nun endlich tief und fest – nicht ohne am Abend noch mehrmals auf seinen empfindlichen Rücken verwiesen zu haben. Sheppard lächelte kopfschüttelnd. Rodney war wirklich einmalig!
    Nun wandte er sich zur anderen Seite. Im Halbdunkel saß das blonde Mädchen. Es hatte sich seit dem Nachmittag nicht gerührt und blickte immer noch hinaus auf diesen imaginären Punkt. Sie hatte weder von dem Tee genommen, noch etwas von dem Brot, dass Jennifer ihr am Abend gereicht hatte. Der Tee war inzwischen kalt und das Brot sicherlich trocken. Was mochte nur in ihrem Kopf vorgehen?
    Sheppard fröstelte. Es war wie befürchtet sehr kühl geworden. Selbst hier in der Nähe des Feuers kroch die feuchte Kälte unter die Kleidung. Er wickelte die umhängende Decke enger um seinen Körper. Dann blickte er wieder zu dem Mädchen in ihrer dünnen Baumwollbluse und fluchte innerlich. ‚Toll, Sheppard! Während du hier im Warmen sitzt, holt das Mädchen sich den Tod!’ Laut sagte er: „Hey, Kleine! Du musst doch furchtbar frieren. Komm doch ans Feuer!“
    Das Mädchen reagierte nicht.
    „Ich würde auch nicht auf ‚Kleine’ reagieren! Aber solange ich deinen richtigen Namen nicht weiß, muss ich dich doch irgendwie ansprechen!“ murmelte er und erhob sich seufzend, was nach dem langen regungslosem Sitzen gar nicht so einfach war. „Mann, ich werde dafür langsam zu alt!“ John musterte sie kurz, dann kam ihm eine Idee. „Weißt du, ich werde dich erstmal Cynthia-Ann nennen! Das ist nicht so unpersönlich!“ Zufrieden nickte er und ging zu dem Mädchen herüber. „Ich habe keine Ahnung, was du angestellt hast, um hier zu sein. Aber du solltest dich ans Feuer setzten, bevor du dir den Tod holst! Also komm, Cynthia-Ann!“ Er reichte ihr seine Hand, um sie hochzuziehen, doch sie reagierte nicht und blickte weiterhin starr in die Ferne. Sheppard ließ die Hand sinken und schüttelte den Kopf. Nachdem er eine Weile schweigend neben ihr gestanden hatte, nahm er seine Decke und legte sie ihr über die Schultern. Dann ging er zurück an seinen Platz und setzte sich seufzend.
    Da er nun keine Decke mehr hatte, kroch die Kälte der Nacht schnell an ihm hoch. Während er seine Hände dem Feuer entgegen hielt, blickte er sich nach einer weiteren Decke um. „So wie es aussieht, hat unser Prinz auf der Erbse alle Decken für sich beansprucht!“ seufzte Sheppard und blickte düster zu Rodney hinüber, der leise schnarchte. Sein Blick blieb an den beiden Decken hängen, mit denen sich Rodney zugedeckt hatte, und nach kurzem Zögern ging er leise zu ihm hinüber und nahm ihm vorsichtig die oberste Decke weg. Als er sich in diese eingerollt hatte und wieder am Feuer saß, grinste er zufrieden. „Rodney wird morgen sicher nicht erfreut sein, aber… was soll’s?“ Zufrieden sog er die kühle aber würzige Nachtluft ein und lehnte sich gegen einen der Felsquader.
    Nach kurzer Zeit ruhte sein Blick wieder auf dem Mädchen. Er bewunderte ihre ruhige und würdige Haltung. Dass sie in dieser kalten Nacht getrennt von ihrem Volk hier war, verband sie miteinander. Sheppard fühlte sich für sie mit verantwortlich. „Ich wünschte, ich könnte etwas für dich tun, Cynthia-Ann!“ murmelte er voll Mitgefühl. „Ich wünschte, ich könnte dir zeigen, dass du uns vertrauen kannst. Wir sind nämlich eigentlich ganz OK! Selbst Rodney ist ohne Kopfschmerzen wesentlich erträglicher. Ohne ihn wäre es manchmal sogar richtig langweilig!“ Sheppard brach ab und starrte zu den drei Monden hinauf. Ihm war bewusst geworden, dass er in der allgemeinen Verkehrssprache der Antiker gesprochen hatte. Nach einer kurzen Pause fuhr er jedoch fort. „Weißt du, dass ich diese Sprache bisher noch nie außerhalb des 'Klassenzimmers' gesprochen habe? Ich habe mich bisher immer irgendwie herausreden können – obwohl wir sie seit Monaten pauken und sie angeblich ziemlich einfach zu erlernen sein soll. Selbst Dr. Keller spricht sie fast schon fließend, und dass als Jüngste im Team… Aber ich.. ich war schon in der Schule nicht gerade ein Sprachgenie. Und jetzt, wo wir zum ersten Mal mit dem guten alten Englisch nicht weiterkommen, bringen uns die Stunden Vokabel lernen auch nicht weiter. Aber wahrscheinlich ist es ganz gut, dass du diese Sprache nicht sprichst, ich habe wahrscheinlich eine fürchterliche Aussprache…“
    Draußen im Dunkeln regte sich was. Die Wachen, die bisher vor der Höhle gesessen hatte, wurden von zwei Kriegern abgelöst, die urplötzlich aus dem Dunkel in den Schein des Lagerfeuers traten. Bevor die beiden nun ihrerseits in der Dunkelheit verschwanden, wechselten sie ein paar leise Worte mit ihrer Ablösung. Dann war es wieder still.
    Sheppard blickte ins Feuer und beobachtete, wie eine kleine Flamme sich über einen frischen Zweig fraß, der aus der Feuerstelle hinaus ragte. Als er ihn hinter die abgrenzenden Steine des Lagerfeuers drückte, spürte er, wie sich der Schmerz in seinem Arm wieder bemerkbar machte. Er nahm den Arm zurück und zog eine Grimasse.
    „Werden die Schmerzen besser?“
    „Ja, das werden sie. Ehrlich gesagt hätte ich nicht gedacht, dass dieses Grünzeug hilft. Aber so wie es aussieht...“ Sheppard brach abrupt ab. Diese helle Stimme gehörte weder Teyla noch Dr. Keller, die beide tief und fest schliefen. Sein Blick wanderte über das Feuer hinweg ins Halbdunkel. Konnte es sein, dass die Kleine etwas gesagt hatte, oder hatte er sich das eingebildet?
    Er hielt den Atem an, als er bemerkte, dass das Mädchen ihre Sitzposition verändert hatte. Sie hatte das Gesicht in seine Richtung gewandt und Sheppard meinte sogar, im Halbdunklen ihre tief grünen Augen auf ihn gerichtet zu sehen. Wie lange mochte sie ihn schon beobachten?
    Er zweifelte immer noch daran, ob er sich die Worte nur eingebildet hatte, als das Mädchen mit ruhiger Stimme sprach: „Du solltest die Kraft der Natur niemals unterschätzen, Colonel!“
    Ihre Stimme war hell und klar. Sie benutzte die alte Antikersprache, und dennoch klang sie aus ihrem Mund gänzlich anders, denn ihre weiche Tonmelodie machte jedes Wort zu etwas lange nachklingendem.
    Sheppard schwieg. In seinem Kopf tanzten die Gedanken geradezu wild durcheinander. Was hatte das zu bedeuten? Warum brach das Mädchen ihr Schweigen? Und wie sollte er jetzt darauf reagieren? Es gab so vieles, was er wissen wollte, und doch wollte er das Mädchen nicht verschrecken. Daher zwang er sich, es langsam anzugehen. Mit einer einladenden Handbewegung fragte er: „Willst du dich nicht hier her ans Feuer setzen?“
    Sheppard war sich nicht sicher, ob das Mädchen die erneute Einladung annehmen würde und noch weniger wusste er, was er tun sollte, wenn sie sich wieder weigern würde. Doch nach einigen Sekunden erhob sich das Mädchen. Trotz ihrem langen bewegungslosem Sitzen, geschah das mit einer gleichmäßigen grazilen Bewegung, wie Sheppard bewundernd bemerkte. Die Decke fest um ihren Körper geschlungen, trat sie langsam auf ihn zu. Auf halbem Weg blieb sie stehen und deutete auf den Kessel. „Darf ich?“
    Sheppard nickte nur und sah ihr dabei zu, wie sie sich warmen Tee in einen der Becher füllte. Dann setzte sie sich ihm gegenüber ans Lagerfeuer. Den wärmenden Becher fest mit den Händen umschlossen, richtete sie ihren Blick auf die züngelnden Flammen zwischen ihnen.
    Sheppard beobachtete sie schweigend. Ihr aufrechter Sitz, den auch die umhüllende Decke nicht verdecken konnte, spiegelte auch jetzt wieder den Stolz ihres Volkes wider. Die Flammen des Lagerfeuers funkelten geheimnisvoll in ihren tief grünen Augen, die unverwandt hinein blickten. Doch obwohl sie sich bemühte, ruhig und gelassen zu wirken, meinte Sheppard eine gewisse Anspannung bei ihr zu sehen.

    ***

    Erst nachdem sie den Becher geleert zur Seite gestellt hatte, hob sie den Blick und sah Sheppard direkt in die Augen. Dieser Blick war so intensiv, dass Sheppard tief durchatmen musste. Als er seine Fassung zurückgewonnen hatte, sagte er: „Mein Name ist John Sheppard.“
    „Ich weiß!“ antwortete das Mädchen.
    „Nun, da du uns den ganzen Abend und mir die halbe Nacht zugehört hast, weißt du wahrscheinlich noch viel mehr!“ Sheppard seufzte: „Ich weiß im Gegensatz gar nichts von dir!“
    Das Mädchen lächelte sanft: „Man nennt mich Lejannah, die Gefährtin von Shandor, dem Anführer der Shinar.“
    „Du bist die Frau des Mannes, der uns hier eingesperrt hat!?“ Sheppard sah sie zugleich erstaunt und verwirrt an. „Warum gibst du erst jetzt zu erkennen, dass du uns verstehst? Du hast doch bereits mittags auf dem Dorfplatz gewusst, dass wir friedliche Forscher sind und hättest dies deinem Mann sagen können!“
    „Ihr behauptet, ihr seid in Frieden gekommen. Und doch tragt ihr viele Waffen, die das ganze Dorf auslöschen könnten!“ entgegnete Lejannah mit ruhiger, aber bestimmter Stimme.
    „Diese Waffen gehören zu unserer Standardausrüstung.“ erklärte Sheppard. „Sie dienen unserer Verteidigung vor allem bei Wraithangriffen.“
    „Wraith?“ Lejannah blickte ihn verständnislos an.
    „Bitte tue nicht so, als ob du nicht wüsstest, von was ich rede. Mag sein, dass die... Shinar noch nie einen Wraith gesehen haben.“ Sheppard schüttelte den Kopf. „Aber ich bin mir sicher, dass du genau weißt, wovon ich spreche! Du kennst die Wraith!“
    „Warum denkst du das?“ fragte Lejannah erstaunt.
    „Im Gegensatz zu den beiden Frauen, die geradezu geschockt von der Mutation an meinem Arm waren, konnte man meinen, du hättest so etwas nicht das erste Mal gesehen!“ antwortete Sheppard und ließ seinen Gegenüber nicht aus den Augen.
    Lejannah hielt seinem Blick stand: „Man hatte mir bereits mitgeteilt, um was es sich handelt!“
    Sheppard ließ sich nicht beirren: „Dies ist nicht der einzige Grund, warum ich dies behaupte. Neben der Tatsache, dass du scheinbar als einzige diese Sprache kannst, in der wir uns gerade unterhalten, siehst du auch nicht so aus, als ob deine Eltern aus diesem Stamm kommen. Ich bin zwar kein Genetiker oder Mediziner, aber so viel weiß ich, dass zwischen klein und dunkel und groß und blond ein nicht unwesentlicher Unterschied besteht. Du bist keine gebürtige Shinar! Und dies ist nicht deine eigentliche Heimat! Dass alles lässt mich zu dem Schluss kommen, dass du schon Bekanntschaft mit den Wraith gemacht hast.“ Es waren harte Worte. Und doch war er sich sicher, dass es das Richtige war, um sie aus der Reserve zu locken. Er musste endlich wissen, was hier gespielt wurde.
    „Du bist ein aufmerksamer Krieger, John!“ Lejannah erhob sich und trat an die Gitterstäbe heran. Ihr Blick ging zu den drei Monden am sternenklaren Nachthimmel, während Sheppard gespannt abwartete. Ohne sich zu ihm umzudrehen, sprach sie weiter. „Als ich geboren wurde, hatte mein Volk den Großen Krieg gegen die Wraith bereits verloren. Verzweifelt versuchten sie, ihre Stellungen zu halten und das Unvermeidbare hinauszuzögern. Doch sie wurden immer weiter zurückgedrängt, so dass auch die letzten Zufluchtsstätten nicht mehr sicher waren. Die Vorstöße der Wraith wurden immer tödlicher. Bei einem dieser Angriffe wurde ich verletzt. Meine Familie entschied sich, mich durch den Ring zu schicken, damit ich Zeit hätte wieder gesund zu werden. Ich habe nie wieder etwas von ihnen gehört…“ Lejannah trat wieder an das Feuer und setzte sich. In ihren Augen stand der Schmerz über den Verlust.
    „Es tut mir Leid!“ Sheppard sah sie mitfühlend an.
    „…Die Shinar nahmen mich schließlich auf und ich wurde Shandors Gefährtin.“ fuhr Lejannah fort und straffte ihren Rücken. Mit aller Kraft drängte sie die aufkommenden Erinnerungen zurück und verschloss sie wieder tief in ihrem Innern. „Ich habe kennen gelernt, wie es ist, ohne Angst vor den Wraith zu leben. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar!“
    „Und doch sitzt du nun mit uns in dieser Höhle fest! Was ist geschehen, dass dein Mann dich unter Arrest gestellt hat? Worum ging es bei eurem Wortwechsel?“ erkundigte sich Sheppard vorsichtig. „Ich hoffe nicht, dass wir der Auslöser waren!“
    Lejannah blickte ihn ruhig an: „Muss man in deiner Welt die Wraith fürchten?“
    Sheppard stutzte kurz. Dieser Themenwechsel kam sehr überraschend. Konnte es sein, dass sie ihn aushorchte? Bedächtig wählte er daraufhin die folgenden Worte: „Dort, wo ich ursprünglich her komme, kennt man die Wraith nicht. Mein Heimatplanet liegt sehr weit entfernt. Aber seitdem wir hier sind, sind uns diese Kreaturen schon des Öfteren über den Weg gelaufen und wir wissen, was sie anrichten. Wir haben daher auf einem unbewohnten Planeten eine Basis errichtet und suchen Verbündete im Kampf gegen die Wraith!“ In dieser Situation fand er es angemessen, erst einmal zu verschweigen, dass die verloren geglaubte Stadt Atlantis ihre Basis war.
    „Wenn die Wraith eure Welt nicht kennen, warum kehrt ihr nicht dorthin zurück?“ fragte Lejannah.
    „Nun, das ist kompliziert!“ antwortete Sheppard ausweichend. Als er Lejannahs fragenden Blick sah, fuhr er fort. „Zum einen haben wir hier Freunde gefunden, denen wir helfen wollen, zum anderen sind wir Forscher und in dieser Galaxie gibt es nun mal eine Menge zu entdecken!“
    „Dann wandelt ihr auf den Spuren der Vorfahren!“ sagte Lejannah und sah ihn wieder an.
    „So könnte man es nennen!“ stimmte er ihr zu.
    Lejannah nickte und wandte ihren Blick in die Flammen.
    Sheppard blickte sie weiter aufmerksam an: „Lejannah, jetzt, wo du uns etwas kennen gelernt hast, kannst du deinem Mann nicht sagen, wer wir sind und das Missverständnis aus der Welt schaffen?“
    Lejannah schüttelte schweigend den Kopf.
    „Oder glaubst du mir nicht?“ forschte Sheppard nach.
    Ihr Kopf ruckte augenblicklich hoch, die grünen Augen auf seine gerichtet: „Doch, ich glaube dir!“
    „Warum hilfst du uns dann nicht?“ fragte Sheppard verwirrt. „Du könntest uns als Übersetzerin einen großen Gefallen tun!“
    „Du vergisst, dass auch ich hier sitze!“ Lejannah senkte den Blick.
    „Aber du könntest es doch versuchen!?“ hakte Sheppard nach. Als sie erneut den Kopf schüttelte, fragte er: „Kannst du mir wenigstens sagen, warum wir eingesperrt wurden und was man mit uns vorhat?“
    „Das ist ebenfalls kompliziert!“ antwortete Lejannah kurz.
    Als sie nicht fort fuhr, ermunterte Sheppard: „Versuchs einfach!“
    Doch anstatt auf diese Bitte einzugehen, legte sie sich in ihre Decke eingehüllt auf den Steinboden und sagte: „Wir sollten noch etwas schlafen, denn die Sonne wird bald aufgehen!“
    Sheppard blickte sie immer noch an, als sie bereits die Augen geschlossen hatte. Er wusste, dass sie seinen Fragen ausgewichen war – genau jenen Fragen, die etwas Licht in das Dunkel gebracht hätten. Doch ihm blieb nichts anderes übrig, als geduldig zu warten. Sie hatte ihm von sich erzählt und Sheppard war sich sicher, dass es die Wahrheit gewesen war. Und sie würde ihnen mehr erzählen, wenn sie soweit war.
    "Wir sind alle nur Menschen - Maschinen stehen in der Küche!" (Danny Wilde)

  6. Danke sagten:


  7. #4
    Airman First Class Avatar von Gwelwen
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    Vielen Dank an die beiden "Knöpfchen-Drücker" Ermanmeraz und In4no und an die zahlreichen anonymen Leser. Ich hoffe ihr bleibt trotz der langen Pause weiter am Ball.

    Doch bevor es weiter geht, noch meine musikalischen Vorschläge:

    Spoiler 
    Szene 1: The sun in the stream (Enya)
    Szene 3 Evenstar (Soundtrack Der Herr der Ringe)


    Die Höhle (Fortsetzung)

    Die Dämmerung schimmerte schwach hinter den Bergspitzen hervor, als Ronon erwachte. Beim Aufrichten fiel sein Blick sofort auf die neben dem Lagerfeuer schlafende Lejannah. Sie lag auf der Seite und hatte ihre Beine eng an den Körper gezogen. Der Kopf lag auf den angewinkelten Armen und wurde von hellen blonden Haarsträhnen umrahmt, die sich aus den beiden Zöpfen gelöst hatten. Ihr Atem hob ihren Brustkorb gleichmäßig auf und ab. Sie wirkte klein und zerbrechlich, hilflos und unglaublich jung, ja fast kindlich und doch strahlte sie eine Reinheit aus, die einem den Atem raubte. In diesem steinernen Gefängnis war sie völlig fehl am Platz.
    Ronons Bewegungen hatten Sheppard, der im Sitzen eingedöst war, hochgeschreckt.
    „Hatten wir nicht abgemacht, dass ich eine Wache übernehme?“ erkundigte sich Ronon bei ihm, während er sich wunderte, dass er nicht von selbst rechtzeitig wach geworden war. Es musste wohl an dem Tee liegen...
    „Hat sich eben so ergeben...“ Sheppard zuckte mit den Schultern. „Wie geht es Ihnen?“
    „Bereit, um von hier zu verschwinden!“ antwortete Ronon munter.
    Sheppard schmunzelte: „Das ist ein Wort!“
    Auch Teyla wurde nun wach und setzte sich auf.
    „Teyla, alles in Ordnung?“ Ronon sah fragend zu ihr hinüber.
    „Ja, ich denke schon! Die Kopfschmerzen scheinen fast weg zu sein!“ antwortete Teyla langsam und wandte sich an Sheppard. „John, wie geht es Ihnen? Was macht Ihr Arm?“
    „Die Schmerzen sind besser geworden!“ antwortete Sheppard. „Und die Mutation ist nicht unter dem Verband hervor gekrochen! Daher bin ich guter Dinge!“
    Teyla atmete beruhigt auf. Dann fiel ihr Blick ebenfalls auf Lejannah.
    „Ihr ist es zum Schluss dort hinten doch etwas zu kalt geworden!“ erklärte Sheppard trocken, der ihren Blick bemerkte. Doch dann erhob er sich und machte den beiden ein Zeichen, mitzukommen. Etwas Abseits erklärte er, was in der Nacht passiert war. „Ich habe die Nacht etwas über unseren ‚Gast’ herausgefunden: Sie versteht die alte Verkehrssprache der Antiker! Ihr Name ist Lejannah und ihr Volk wurde von den Wraith vernichtet. Sie wurde von diesem Volk, den Shinar, aufgenommen und ist nun die Frau von Shandor, diesem schweigsamen Anführer! Sagt Ihnen dieses Volk etwas? Haben Sie schon einmal davon gehört?“
    Ronon und Teyla schüttelten den Kopf.
    „Hat sie etwas dazu gesagt, warum sie von ihrem Mann eingesperrt wurde?“ erkundigte sich Teyla.
    „Nein!“ Sheppard schüttelte den Kopf.
    „Wichtiger wäre, ob sie gesagt hat, was man uns vorwirft!?“ meinte Ronon und sah Sheppard an.
    Doch dieser schüttelte erneut den Kopf: „Nein, auch dazu hat sie nichts gesagt!“
    Ronon hob erstaunt eine Augenbraue: „Warum haben Sie sie dazu denn nicht befragt?“
    „Oh, das habe ich. Allerdings ist sie diesen Fragen geschickt ausgewichen.“ bemerkte Sheppard. „Aber ich denke, ich konnte sie davon überzeugen, dass wir friedliche Forscher sind und dass sie uns vertrauen kann.“
    „Die Frage ist, ob wir ihr vertrauen können!“ meinte Ronon misstrauisch.
    „Ich denke…“ Sheppard brach ab. Er spürte, dass er beobachtet wurde. Als er sich umdrehte, blickte er in die wachen Augen Lejannahs, die ihn von ihrer liegenden Position aus beobachtete. „Ich hoffe, du hast gut geschlafen!“ Sheppard wechselte sofort in die alte Sprache. Er trat zurück ans Lagerfeuer und setzte sich wieder auf seinen Platz. Teyla folgte ihm und nickte Lejannah zu, die sich nun aufrichtete und gespannt von Einem zum Anderen blickte. Während Teyla sich neben Sheppard niederließ, hockte sich Ronon zwischen Sheppard und Lejannah hin und musterte sie aufmerksam.
    Sheppard, der Lejannahs Vertrauen nicht verlieren wollte, erklärte: „Ich habe Teyla und Ronon gerade erzählt, worüber wir uns die Nacht unterhalten haben!“
    „Ich verstehe!“ Lejannah nickte langsam. Ihr Blick wandte sich zu Teyla, die ihr aufmunternd zunickte. Lejannah lächelte leicht und nickte ebenfalls. Dann blickte sie zu Ronon, der sie immer noch prüfend ansah.
    „Er hat uns außerdem erzählt, dass du die eigentlichen Fragen nicht beantwortet hast!“ sagte Ronon nun als sich ihre Blicke trafen.
    „Ronon!“ zischte Sheppard warnend. Er wollte nicht riskieren, dass Lejannah sich wieder zurückzog und ihnen nichts mehr sagte.
    Lejannah erwiderte Ronons Blick ruhig. Schließlich erhob sie sich schweigend und setzte sich wieder dorthin, wo sie am Abend zuvor bereits gesessen hatte. Sie zog die Beine leicht an und drückte die Fußsohlen gegeneinander. Dann ließ sie die Hände mit den Handflächen nach oben auf den Höhlenboden sinken und schloss die Augen.
    „Ronon, das war eben nicht gerade schlau! Wenn sie Angst vor uns hat, wird sie nichts sagen!“ fuhr Sheppard ihn wütend an.

    ***

    Der Tag erwachte langsam. Die schwarzen Umrisse des Gebirges hoben sich von Minute zu Minute deutlicher von dem immer heller werdenden Himmel ab. Schließlich fand der erste Sonnenstrahl den Weg ins Tal und weckte die Vögel auf, die in den Bäumen geschlafen hatten. Zunächst nur zaghaft, dann immer lauter und eindringlicher trällerten sie ihre Lieder hinaus in den neuen Tag.
    Nun erwachte auch die Siedlung. Öfen wurden angeheizt, um den frisch zubereiteten Brotteig zu backen. Freilaufende Ziegen und Kühe wurden auf der Ebene gemolken. Und wieder erklang das ausgelassene Lachen der spielenden Kinder.
    Jennifer, die bis jetzt noch tief und fest geschlafen hatte, wurde von den Geräuschen wach und bewegte sich.
    „Guten Morgen Jennifer!“ begrüßte Teyla sie.
    „Morgen!“ antwortete Jennifer und setzte sich auf.
    Nun kam auch Lejannah wieder in Bewegung. Sie erhob sich leise und steckte sich die losen Strähnen, die ihr ins Gesicht fielen, hinter die Ohren. Dann begab sie sich an das Lagerfeuer und begann, den Rest des Tees in die leeren Becher zu gießen. Als sie den Kessel geleert hatte, hob sie ihn am Henkel hoch und trug ihn Richtung Tür.
    In diesem Augenblick erschienen zwischen den Hütten die alte Frau und eine der jungen Frauen vom Vortag und schritten über die taudurchnässte Wiese auf die Höhle zu. Sie trugen beide jeweils einen großen geflochtenen Korb, dessen Inhalt mit einem Tuch abgedeckt war.
    Lejannah war ein paar Schritte von der Tür entfernt stehen geblieben und wartete mit gesenktem Kopf. Einer der Wächter trat an die Tür und ließ die beiden Frauen herein. Die Jüngere stellte ihren Korb vor Lejannah ab und nahm schweigend von ihr den Kessel entgegen. Dann drehte sie sich um und trat aus der Höhle hinaus. Doch sie ging nicht zurück zur Siedlung, sondern wandte sich seitlich entlang des Felsens und verschwand aus ihrem Blickfeld.
    Lejannah nahm den Korb und folgte der Alten zu den Lagerfeuern. Dort angekommen stellte sie ihn zwischen Teyla und Sheppard und schob das Tuch zur Seite. Unter dem Baumwolltuch kamen nun einige geräucherte Würste und ein längliches Stück Käse zum Vorschein. Außerdem lagen vier noch warme Brotlaibe daneben. Der köstliche Duft nach frischem Brot, der sich mit dem würzigen Duft der Würste und dem herben Duft des Käses vermischte, weckte die Lebensgeister der Umstehenden.
    „Nun, verhungern werden wir jedenfalls nicht!“ meinte Sheppard und nickte der alten Frau dankbar zu, die in einiger Entfernung mit ausdruckslosem Blick stand.
    „Mhmm, frisches Brot…!“ ertönte eine schläfrige Stimme. Rodney hatte noch im Schlaf den Duft des Essens in sich aufgenommen und erwachte nun. „Ich liebe frisches Brot mit einem herzhaften Stück Wurst…! Oh mein Rücken! Diese Nacht werde ich noch monatelang in meinen Knochen spüren!“ Steif setzte er sich auf und hielt sich den schmerzenden Rücken. Als er die Decke zur Seite schob um aufzustehen, stockte er. „Hatte ich gestern nicht zwei Decken?“
    „Guten Morgen Rodney!“ begrüßte Sheppard ihn mit einem unschuldigen Blick. „Gut geschlafen?“
    Rodney sah ihn erbost an: „Na toll! Jetzt werde ich zu den Kopf- und Rückenschmerzen auch noch eine Erkältung bekommen!“ Er wollte noch mehr sagen, doch da er näher getreten war, konnte er nun den gefüllten Korb sehen. Jetzt, als er bemerkte, dass der Duft keine Einbildung war, sondern das dazugehörende Essen direkt vor ihm lag, wurden seine Bewegungen geradezu flink. „Habe ich einen Hunger! Aber dass ist ja auch kein Wunder, schließlich haben wir gestern Abend ja nur etwas Trockenbrot bekommen!“
    Lejannah hielt ihm lächelnd den Korb entgegen und Rodney nahm sich beherzt von dem Dargereichten. Dann setzte er sich auf eine Decke und biss abwechselnd in das Brot und in die Wurst hinein.
    Auch die Anderen griffen nun zu.
    Als alle etwas zu Essen hatten, stellte Lejannah den Korb wieder auf den Boden und trat zurück zu der jungen Frau, die inzwischen mit dem frisch aufgefüllten Kessel wieder in die Höhle getreten war und ihn bereits auf das Feuer gesetzt hatte. Die alte Frau war ebenfalls herangetreten und ließ einen frisch gefüllten Kräuterbeutel in den Kessel gleiten.
    Lejannah blieb vor ihnen stehen und senkte den Kopf. Es sollte eine demütige Haltung sein, doch dadurch, dass Lejannah die beiden deutlich überragte, wirkte es etwas surreal.
    Die junge Frau schien durch sie hindurch zu sehen, bevor sie sich immer noch schweigend umdrehte, die Höhle verließ und zurück in die Siedlung ging.
    Der Blick der alten Frau blieb weiter ausdruckslos, auch als sie ein paar Schritte zurück trat und den Weg zu ihrem Korb frei gab.
    Lejannah trat an den Korb heran und ging vor ihm mit einer fließenden Bewegung in die Knie. Als sie das Tuch hob, lächelte sie. In dem Korb lag ihr Kräuterbündel. Ehrfürchtig nahm sie es in die Hand und öffnete es. Eine Bewegung an der Tür ließ sie aufblicken. Dort stand die junge Frau, die gestern weinend in die Siedlung gelaufen war. Ihre Augenlider schienen immer noch etwas rot und geschwollen zu sein und ihr Blick lag traurig auf Lejannah. In ihren Händen hielt sie die grünen Zweige, die sie auch gestern frisch gepflückt hatte. Schweigend trat sie ein und nach einem kurzen Blick auf die alte Frau, die sich nun Richtung Tür zurückzog, hockte sie sich neben Lejannah und half ihr bei der Zubereitung der Heilpaste.
    Als diese fertig war, setzte sich Lejannah vor Sheppard und löste den Verband. Die angetrocknete Paste weichte sie mit etwas von dem alten, lauwarmen Teewasser auf und wischte den Arm gründlich ab. Dann besah sie sich aufmerksam die Mutation.
    „Sie ist kleiner geworden!“ bemerkte Sheppard erstaunt. „Das Zeug hilft tatsächlich!“
    Jennifer, die näher getreten war, um ebenfalls einen Blick darauf zu werfen, nickte erleichtert. „Ja, das ist sie! Schade nur, dass wir keine Möglichkeit haben, um uns diese Pflanzen genauer anzusehen! Vielleicht heilen sie noch ganz andere Krankheiten!“
    „Wenn ich mich richtig erinnere, hat uns der Wunsch nach einem Superheilmittel erst in diese Lage gebracht!“ moserte Rodney halblaut zwischen zwei Bissen.
    Lejannah tastete inzwischen vorsichtig um die Mutation herum und blickte Sheppard forschend an. „Schmerzt das?“
    „Ein wenig!“ antwortete Sheppard wahrheitsgemäß in der Sprache, die sie verstand.
    Rodney verschluckte sich an einem Bissen und hustete heftig. Als er wieder zu Atem kam, presste er hervor: „Sie versteht die Alte Sprache der Antiker?“
    „Oh ja!“ antwortete Sheppard.
    „Aber… warum sagt mir das denn keiner?“ stammelte Rodney und wusste nicht, was er davon halten sollte.
    „Nun, wir wollten Sie nicht beim Schlafen stören!“ entgegnete Sheppard kurz und wandte sich wieder an Lejannah, die ihm zufrieden zulächelte. „Es wird heilen, John!“ Dann verteilte sie sorgfältig die frische Paste auf der Mutation.
    Die junge Frau stand währenddessen auf und trat an die Gitterstäbe. Einer der Wächter trat auf der anderen Seite zu ihr heran und überreichte einen Gegenstand. Dann nahm er seinen Bogen und richtete ihn auf Sheppard. Als sie sich umdrehte und sich wieder neben Lejannah kniete, erkannten die Anderen, dass es sich um ein Messer handelte. Die rußgeschwärzte Klinge zeigte an, dass das Messer im Feuer gelegen hatte. Sie gab es nicht an Lejannah weiter, sondern drückte es selbst auf die auf Sheppards Arm aufgetragene Paste. Lejannah hielt lediglich den Arm fest.
    Doch als die Frau das Messer bereits nach wenigen Sekunden zurückziehen wollte, hinderte Lejannah sie daran, indem sie ihre Hand mit dem Messer ergriff und noch einige Sekunden auf die Paste drückte.
    Sheppard spürte, wie sich erneut die angenehme Wärme in seinem Körper verteilte und schloss die Augen.
    Noch bevor sich die Hitze der Klinge in Johns Haut sengen konnte, zog Lejannah ihre Hand zurück. Die junge Frau stand auf und gab das Messer an den Wächter zurück, der seinerseits den Bogen senkte und zurück trat. Die Frau drehte sich wieder zu ihnen um und ging wortlos zurück zum Feuer, wo sie die Gegenstände, die sie zur Zubereitung der Paste benötigt hatten zusammen sammelte und in den Korb legte.
    Lejannah ließ sich von diesen Vorgängen nicht ablenken und verband Johns Arm mit einem sauberen Stoffstreifen.
    Als sie damit fertig war und sich umdrehte, war die junge Frau mit dem Korb bereits zur Tür getreten. Dort angekommen drehte sie sich noch einmal kurz um. Es schien so, als ob sie ihr Schweigen beenden wollte, denn um ihren Mund zuckte es verdächtig. Doch die Alte scheuchte sie schnell mit ein paar Armbewegungen hinaus. Sie selbst trat hinter ihr zur Tür und drehte sich auch nicht mehr um, als sie über die Wiese zurück ins Dorf schritt.

    ***

    „Bin ich eigentlich der Einzige, den es wundert, dass die Kleine auf einmal diese Sprache sprechen kann?“ fragte Rodney aufgebracht in die Runde.
    „Es ist doch verständlich, dass sie erst sicher sein wollte, bevor sie sich uns offenbart!“ versuchte Teyla zu erklären.
    „Ach ja?“ entgegnete Rodney zweifelnd. „Und was sagt uns, dass wir ihr vertrauen können?“
    „Nun, sie hat mir gesagt, wer sie ist!“ antwortete Sheppard.
    „Klasse!“ Rodney lachte kurz auf. „Solange sie sich weigert, uns zu helfen, kann ich ihr nicht vertrauen!“
    „McKay, eins nach zwei anderen!“ mahnte Sheppard. „Ich bin mir sicher, dass sie uns helfen wird, wenn wir ihr etwas Zeit geben!“
    „Und wie viel Zeit soll das sein? Sie werden uns nicht Ewigkeiten hier gefangen halten!“ meldete sich Ronon zu Wort. „McKay hat recht – auch wenn ich dass nicht gerne zugebe!“
    „Das ist… nett! Danke Ronon!“ antwortete Rodney, irritiert über Ronons Zustimmung.
    „Nun, ich werde Ihnen beweisen, dass ich recht habe!“ entgegnete Sheppard überzeugter, als er eigentlich war. „Und bis dahin verlange ich von Ihnen, dass Sie ihre Zweifel für sich behalten. Außerdem möchte ich, dass wir ab jetzt möglichst nur noch in der alten Sprache der Antiker sprechen. Ich möchte ihr zeigen, dass sie uns vertrauen kann. Und ich will nicht, dass sie denkt, wir würden hinter ihrem Rücken etwas planen!“
    „Also sollen wir abwarten und Tee trinken?“ Rodney war damit gar nicht einverstanden. „Und während wir warten, erzählen wir ihr doch von unserer Basis Atlantis und unseren anderen kleinen und großen Geheimnissen! Vielleicht wird unsere Nymphe dann etwas gesprächiger!“
    „Ich habe ihr nichts von Atlantis erzählt!“ presste Sheppard wütend hervor. „Und Sie brauchen mich auch nicht an die Sicherheitsprotokolle zu erinnern!“
    „Da bin ich mir nicht so sicher!“ Rodney lachte spöttisch. „Sie wären nicht der erste Mann, der wegen einer Frau…“
    „Schluss jetzt!“ fuhr Sheppard ihn an. Als er bemerkte, dass Lejannah, die von ihrem Platz in einiger Entfernung aus ihre Unterhaltung aufmerksam beobachtete, bei seinen scharfen und lauten Worten zusammenzuckte, zügelte er sich und fuhr leiser fort. „Wenn Sie mir nicht trauen, können Sie unserer Unterhaltung ja als Anstandsdame beiwohnen!“ Er ließ Rodney stehen und trat zu Lejannah heran. „Darf ich mich zu dir setzen?“
    Lejannah nickte schweigend. Sie hatte sich etwas von dem frischen Brot genommen und kaute bedächtig.
    Sheppard setzte sich und auch die anderen traten näher und machten es sich auf den Decken und Fellen bequem. Teyla und Jennifer nickten Lejannah freundlich zu, während Rodney und Ronon sie eher mit ernsten und forschenden Blicken musterten.
    Lejannah schien dies nicht zu entgehen, als sie einen Blick in die Runde warf. „Du hast gesagt, dass ihr ein Volk friedlicher Forscher seid, und doch streitet ihr euch von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang!“ Sie blickte Sheppard traurig an.
    Sheppard nickte zögernd: „Ich denke, für jemanden, der unsere Sprache nicht spricht, sieht es so aus. Es ist aber eher eine harmlose Diskussion gewesen! Tut mir Leid, wenn wir dich erschreckt haben.“ Rodney, der Sheppards mahnenden Blick auffing, schloss seinen bereits für eine sarkastische Erwiderung geöffneten Mund und schwieg.
    „Worüber habt ihr diskutiert?“ erkundigte sich Lejannah.
    „Nun, meine Freunde – und auch ich – haben ein paar Fragen, die wir uns einfach nicht beantworten können!“ antwortete Sheppard vorsichtig. „Und wir fragen uns, warum du uns nicht dabei helfen willst, etwas Licht in das Dunkel zu bringen?!“
    „Ich habe nie behauptet, dass ich euch nicht helfen will!“ widersprach Lejannah erstaunt.
    „Warum erklärst du uns dann nicht, warum wir festgenommen wurden und die Nacht in diesem Gefängnis verbringen mussten? Oder warum du uns nicht übersetzt? Oder warum du überhaupt hier bist?“ fragte Rodney gereizt und ließ sich auch nicht von Sheppards wütendem Zwischenruf: „Rodney, hör sofort auf!“ unterbrechen.
    Sheppard seufzte: „Auch wenn ich es etwas anders formuliert hätte, aber die Fragen sind durchaus berechtigt, Lejannah.“
    Lejannah schüttelte den Kopf: „Ich bin nicht befugt, euch darauf zu antworten!“
    „Das war ja klar!“ Rodney zog eine Grimasse.
    „Lejannah, bei unseren Völkern ist es üblich, Gefangenen zu sagen, warum sie eingesperrt werden. Es gibt ihnen die Chance, sich zu verteidigen. Du hast ein paar Jahre bei den Shinar verbracht. Du kennst ihre Gesetze. Kannst du uns nicht sagen, was man uns vorwirft?“ versuchte Teyla zu vermitteln.
    Lejannah schwieg einige Augenblicke. Sie dachte nach und legte dabei die Stirn in leichte Falten. Schließlich sagte sie leise: „Ihr seid durch den Ring getreten ohne den Hüter vorher um Erlaubnis zu bitten. Außerdem habt ihr Waffen bei euch getragen.“
    „Lejannah, du weißt, warum wir Waffen bei uns hatten.“ antwortete Sheppard erleichtert darüber, dass sie ihnen nun geantwortet hatte. „Und dass wir den Hüter vorher hätten fragen müssen, wussten wir nicht. Kannst du ihnen das nicht sagen? Vielleicht können wir uns auf irgendetwas verständigen? Wir sind nicht gekommen, um Ärger zu machen, sondern um Freunde zu finden!“
    Lejannah schüttelte den Kopf: „Ich werde den Shinar nichts erklären!“
    „Toll, jetzt wissen wir, warum wir hier sitzen und können doch nichts dagegen tun!“ meckerte Rodney und griff erneut in den Essenskorb. Frustriert biss er in eine geräucherte Wurst.
    „Lejannah, du bist die Einzige, die uns helfen könnte. Bitte sprich mit ihnen und erkläre ihnen, warum wir hier sind! Versuch es wenigstens!“ bat Sheppard eindringlich.
    Lejannah schüttelte den Kopf: „Es hätte keinen Zweck!“
    „Erst wenn man es versucht, kann man mit Sicherheit sagen, ob es klappt oder nicht!“ meldete sich Ronon zu Wort. „Jeder Kämpfer sollte sich dieser Tatsache stellen! Wenn man nichts tut, ist man schon so gut wie tot!“
    „Es hätte keinen Zweck!“ wiederholte Lejannah. Zögernd fügte sie hinzu: „Es liegt nicht mehr in ihrer Hand!“
    Teyla stutzte. „Was meinst du damit?“ fragte sie und blickte Lejannah aufmerksam an.
    Lejannah erwiderte ihren Blick. „Es liegt nicht mehr in der Hand der Shinar, das Urteil zu sprechen!“
    „Und in wessen Hand liegt es dann?“ fragte Sheppard unbehaglich.
    Lejannah machte eine kurze Pause. Dann antwortete sie: „Der 'Alte Rat' wird entscheiden!“
    „Der 'Alte Rat'?“ wiederholte Ronon und wechselte einen kurzen überraschten Blick mit Teyla. „Du meinst den 'Alten Rat'? Das große Konzil der vereinigten Planeten?“
    Lejannah nickte.
    „Er existiert noch?“ Teyla sah abwechselnd von Lejannah zu Ronon.
    „Kann mich bitte jemand mal aufklären?“ fragte Sheppard irritiert in die Runde.
    Teyla blickte ihn mit vor Aufregung und Freude glänzenden Augen an. „Der 'Alte Rat' oder das große Konzil der vereinigten Planeten wird in den ältesten Legenden meines Volkes erwähnt. Die Vorfahren haben ihn eingesetzt zur Verwaltung der vielen Planeten und den darauf Lebenden. Auch mein Volk hatte Kontakt zu diesem Rat, bis die Wraith vor vielen tausend Jahren den Krieg gegen die Vorfahren gewannen. Hin und wieder haben Reisende meines Volkes Berichte darüber gehört, dass der 'Alte Rat' noch bestehen würde! Wir hielten dass jedoch eher für unbestätigte Gerüchte.“
    „Das stimmt! Den alten Erzählungen nach hat das Schwestervolk der Vorfahren – die Xantaner – den 'Alten Rat' weitergeführt.“ bestätigte Ronon Teylas Angaben. „Als Sateda von den Wraith angegriffen wurde, hat meine Regierung Kundschafter ausgesandt, um den 'Alten Rat' zu finden, doch ohne Erfolg.“
    „Xantaner – davon habe ich noch nie etwas gehört. Ein Schwestervolk der Antiker? Hätten wir dann nicht schon längst in den Datenbanken auf sie stoßen müssen?“ fragte Rodney skeptisch.
    „Die Xantaner waren damals schon das ‚Geheime Volk’! Sie haben nie viel von sich preisgegeben! Den Legenden nach kennt kein Außenstehender die Gateadresse, die zu ihrem Planeten führt! Wahrscheinlich haben Sie deshalb auch bisher nichts über sie gefunden!“ antwortete Ronon. „Colonel, wenn der 'Alte Rat' noch existiert, sollten wir unbedingt mit ihm sprechen. Eine Allianz mit den Xantanern könnte uns eine große Hilfe sein im Kampf gegen die Wraith!“
    „Vorausgesetzt, die Xantaner existieren noch!“ schränkte Sheppard ein.
    Rodney lachte kurz auf: „Vorausgesetzt, der 'Alte Rat' ist nach all den Jahrtausenden noch das, was er früher mal war und ist nicht korrumpiert worden!“
    „Der 'Alte Rat' ist weise und gerecht!“ sagte Lejannah ruhig.
    „Das würde ich auch sagen, wenn ich nicht in Fesseln vor ihn treten müsste!“ widersprach Rodney. „Aber wir sollten nicht vergessen, dass wir sie als angeklagte Verbrecher kennen lernen werden. Wie werden sie darauf reagieren? Werden sie diesen Hinterwäldlern recht geben oder uns?“
    Lejannahs Gesicht verfinsterte sich, doch sie erwiderte ruhig: „Auch ich werde vor den 'Alten Rat' treten und ich vertraue seinem Urteil!“
    „Warum du, Lejannah?“ fragte Jennifer entsetzt. Sie hatte dem Gespräch schweigend gelauscht. Doch nun war sie beunruhigt. Warum sollte die Frau des Anführers vor Gericht gestellt werden? Was hatte sie getan? Etwa weil sie es gewagt hatte, eine andere Meinung zu haben und diese auch kundzutun?
    „Ist es, weil du meine Wunde versorgt hast? Hast du deswegen Schwierigkeiten bekommen?“ fragte nun auch Sheppard nach.
    „Es ist kompliziert!“ Lejannah blickte in die tanzenden Flammen. Ihre ausweichenden Worte ließen Sheppard innerlich aufseufzen. Es waren genau die Worte, die er gerne benutzte, wenn er nicht direkt auf eine Frage antworten wollte; die Worte, die er auch ihr gegenüber gebraucht hatte. Und auch Lejannah hatte diese Worte bereits in ihrem ersten Gespräch benutzt. Dass sie es nun wieder tat, ließ in Sheppard die Vermutung aufkommen, dass sie genau wusste, wie er diese Worte gemeint hatte. Unvermittelt sprach Lejannah weiter: „Wir werden aufbrechen, wenn die Sonne hoch steht. Bis zum 'Alten Rat' ist es etwas über eine Tagesreise. Ihr solltet euch noch etwas ausruhen!“ Lejannah nickte ihnen noch einmal zu. Dann stand sie auf und setzte sich wieder abseits hin.
    "Wir sind alle nur Menschen - Maschinen stehen in der Küche!" (Danny Wilde)

  8. Danke sagten:


  9. #5
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    Vielen Dank an Dicker1, Galaxy, In4no und Kappisoft und die anderen heimlichen Mitleser.

    Für die musikalische Einstimmung habe ich diesmal nur einen Vorschlag:

    Spoiler 
    Tears/River's Eyes (Soundtrack Firefly)


    Die Höhle (Fortsetzung)

    „Das ist unsere Möglichkeit! Wir werden auf dieser Reise unsere Bewacher überwältigen und zum Tor flüchten!“ Rodney sah die anderen zufrieden an.
    „Selbst wenn wir es schaffen sollten, die Wachen zu überwältigen, wir haben keinen ID-Code, den wir senden können! Die Geräte zur Übermittlung des Codes liegen zusammen mit unseren Waffen und der anderen Ausrüstung in der Hütte des Anführers.“ bemerkte Sheppard. „Und da Atlantis den Schild nicht ohne Grund deaktivieren wird und ich nicht in alle meine Einzelteile zerlegt werden und im Nirwana verschwinden will, sollten wir es nicht riskieren, doch durchs Tor zu gehen!“
    „Nun, wir könnten aber wenigstens zu einem anderen Planeten fliehen! Auf einen Planeten, von dem wir wissen, dass dort regelmäßig unsere Teams anwesend sind!“ erwiderte Rodney und fügte schnell hinzu: „Wir sind über einen Tag überfällig. Atlantis hätte uns schon längst ein Rettungsteam schicken sollen. Vielleicht ist etwas passiert! Wir sollten jedenfalls nicht auf Verstärkung warten, sondern selbst etwas unternehmen!“
    Sheppard nickte langsam: „Das wäre eine Möglichkeit! Ronon, Teyla, was denken Sie? Können wir einen Fluchtversuch planen?“
    Als sowohl Ronon als auch Teyla zögerten, schüttelte Rodney missbilligend den Kopf: „Ich verstehe euch nicht! Sonst geht ihr Militärs keinem Kampf aus dem Weg. Und nun sitzt ihr untätig da und tut so, als ob ich verrückt wäre. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, die Kopfschmerzen hindern euch daran, klar zu denken und zu kämpfen!“
    „Ich habe keine Kopfschmerzen mehr!“ entgegnete Ronon nun und richtete sich auf. „Ich bin der Ansicht, dass wir unsere Chance nutzen und vor den 'Alten Rat' treten sollten!“
    „Der Meinung bin ich auch!“ stimmte Teyla zu. „Wir können nicht wissen, wann wir wieder die Gelegenheit dazu bekommen. Und vielleicht wird unsere Flucht ein Zusammentreffen mit ihm für immer verhindern!“
    Sheppard, der sich in dieser Hinsicht gar nicht so sicher war, gab zu bedenken: „Es gibt keinen Beweis, dass der 'Alte Rat' noch so ist, wie er in den alten Legenden beschrieben wird.“
    „Dieses Risiko müssen wir eingehen!“ antwortete Ronon bestimmt.
    Sheppard sah fragend auf Teyla, die ihm schweigend zunickte. Er seufzte. Ihm war klar, dass er ohne Ronons und Teylas Hilfe nicht fliehen konnte. Daher schlug er einen Kompromiss vor: „Wir haben noch etwas Zeit, bis sie uns aus dieser Höhle raus lassen. Ich werde versuchen, von Lejannah noch mehr Informationen über den Rat zu erhalten. Danach werde ich eine Entscheidung treffen.“

    ***

    Langsam wanderte die Sonne höher und höher. Während draußen von der Siedlung her eine ganze Sinfonie von Geräuschen zu ihnen in die Höhle hinein drang, war es im Innern der Höhle still. Nur das Holz in den beiden Feuern knackte hin und wieder.
    Das Team ruhte schweigend. Jeder hing seinen Gedanken nach und hoffte auf ein gutes Ende.
    Sheppard schöpfte aus dem Kessel Tee in zwei Becher. Mit diesen zwei Bechern bewaffnet, trat er zu Lejannah, die immer noch abseits der Gruppe saß und reichte ihr einen. Wortlos nahm sie ihn entgegen. Sheppard nickte und setzte sich zu ihr. „Auch wenn ich sonst kein Teetrinker bin – dieser schmeckt richtig gut!“
    „Und er ist gut bei Kopfschmerzen und müden Augen!“ fügte Lejannah hinzu und pustete leicht in ihren Becher hinein.
    „Allerdings!“ bestätigte Sheppard und musterte sie von der Seite. Sie schien gesprächsbereit zu sein. Jedenfalls war ihre Körperhaltung nicht mehr so angespannt wie am Abend zuvor. Vorsichtig begann er: „Lejannah, ich möchte dir danken! Du hast dich um meinen Arm gekümmert! Und du hast uns dein Vertrauen geschenkt und unsere Fragen so gut es dir ging beantwortet!“
    Lejannah nickte: „Ich danke dir für dein Verständnis, dass ich euch nicht alles beantworten kann!“
    „Je mehr du uns erzählst, desto mehr habe ich das Gefühl, dass wir schuld daran sind, dass du jetzt hier bist und nicht bei deinen Ehemann! Besser gesagt, ich fürchte, ich bin der Grund!“ fuhr Sheppard fort. „Ich wünschte, ich könnte dir irgendwie helfen!“
    Lejannah schüttelte den Kopf: „Du solltest dich um euer Problem kümmern. Wenn ihr vor den 'Alten Rat' tretet, geht es nur um euch!“
    „Genau, es wird um uns gehen! Wir halten zusammen und haben gemeinsam schon so einiges erlebt. Aber du bist ganz allein, wenn du vor den 'Alten Rat' trittst! Und das ist etwas, was ich nicht akzeptieren kann!“ sagte Sheppard und sah sie ernst an.
    Lejannah schwieg, erwiderte jedoch seinen Blick und hielt ihn fest. Sheppard wartete ungeduldig. Schließlich löste sich Lejannahs Blick von ihm. „Es freut mich, jemanden zu treffen, der die Alte Sprache spricht. Eure Lehrer müssen sehr gut sein!“
    „Nun…!“ Sheppard hatte nicht mit diesem Themenwechsel gerechnet und wusste nicht, was er darauf antworten sollte.
    Lejannah lächelte sanft: „John, du solltest in dieser Angelegenheit mehr von dir überzeugt sein. Du sprichst die Sprache sehr gut – fast so gut wie jemand, der sie von klein auf gelernt hat! Nur…“ Sie zögerte.
    „Ja?“ Sheppard sah sie fragend an. Was kam nun?
    „Was bedeutet ‚Cynthia-Ann’?“ Lejannah sah ihn fragend an. „Diesen Ausdruck kenne ich nicht!“
    Sheppard lachte laut auf. Er war erleichtert und ein bisschen belustigt: „Selbstgespräche belauschen ist nicht gerade ‚Ladylike’!“
    Lejannah runzelte die Stirn: „Ein unbekanntes Wort durch ein anderes fremdes Wort zu ersetzten, ist nicht gerade hilfreich!“
    „Tut mir Leid!“ Sheppard schmunzelte. „Ich meinte, dass eine feine Dame keine Selbstgespräche anderer Leute belauscht.“
    „Dann hättest du nicht in dieser Sprache sprechen dürfen, sondern nur leise im Innersten!“ antwortete Lejannah prompt und ein belustigtes Grinsen huschte über ihr Gesicht, dass sie noch jünger aussehen ließ.
    „Nun, da hast du wohl recht!“ auch Sheppard grinste. Sieh an, dachte er, die harte Schale bröckelt!
    „Was bedeutet nun ‚Cynthia-Ann’?“ fragte Lejannah erneut.
    „Mit Cynthia-Ann meinte ich dich!“ antwortete Sheppard. Als Lejannah ihn verwirrt ansah, erklärte er. „Nun, ich wusste nicht, wie du heißt und wollte dich nicht die ganze Zeit mit ‚Kleine’ anreden. Dass fand ich irgendwie unpersönlich. Daher wählte ich diesen Namen aus. Er kam mir direkt in den Sinn, als du dir zum ersten Mal meinen Arm angesehen hast.“
    „Warum? Hat er eine bestimmte Bedeutung?“ erkundigte sich Lejannah.
    „Cynthia-Ann Parker ist eine Person, die in dem Land, in dem ich aufgewachsen bin, fast jeder kennt. Sie lebte vor ungefähr 150 Jahren. Den Erzählungen nach muss sie so ausgesehen haben wie du: schlank, blonde lange Haare – nur ihre Augen waren tiefblau und nicht grün.“ begründete Sheppard seine Wahl. „Sie war das Kind von Einwanderern und wurde nach einem Angriff, bei dem ihre Familie getötet wurde, von einem Stamm Eingeborener aufgenommen. Sie wuchs bei ihnen auf und lernte ihre Lebensweise kennen, die so ganz anders war, als die ihres Volkes. Sie lernte von der Medizinfrau alles über die Heilkunst des Stammes. Später wurde sie die Frau eines Häuptlings und gründete mit ihm eine Familie.“ Als Sheppard endete, sah er sie aufmerksam an. Wie würde sie darauf reagieren?
    Lejannahs Augen leuchteten: „Ich verstehe! Es ist eine Ehre, diesen Namen zu tragen! Vielen Dank!“
    „Bin ich der Grund dafür, dass du vor den 'Alten Rat' treten musst?“ fragte Sheppard nach einer Weile und kam damit wieder zum ursprünglichen Gesprächsthema zurück.
    „Als ich sagte, dass es kompliziert ist, meinte ich dies auch so! Ich glaube nicht, dass ein Außenstehender alles völlig verstehen wird!“ Lejannah blickte ihn ernst an. Sie machte eine Pause, bevor sie mit Blick auf die Flammen fortfuhr. „Es ist Zeit für Shandor, eine Familie zu gründen! Wir werden unsere Verbindung trennen, damit er eine Shinar zur Frau nehmen kann!“
    Sheppard sah sie irritiert an. „Aber…“
    „Kein aber!“ Lejannah sah ihm direkt in die Augen. „Es ist etwas Persönliches! Etwas, was nur Shandor und mich angeht! ... Ich hätte es dir nie gesagt, wenn du nicht so hartnäckig gefragt hättest. Aber jetzt möchte ich nicht weiter davon sprechen! Und ihr solltet euch gedanklich auf eure Zeit vor dem 'Alten Rat' einstimmen!“

    ***

    „Sie ist doch noch so jung!“ Jennifer sah verständnislos von einem zum anderen.
    Sheppard hatte gerade von dem Gespräch mit Lejannah berichtet und nicht nur Jennifer war nach dieser unerwarteten Neuigkeit verwirrt.
    „Vielleicht ist sie doch nicht so jung, wie wir gedacht haben!“ überlegte Teyla und sah zu ihr hinüber.
    „Egal wie alt sie ist, sie ist auf jeden Fall nicht zu alt, um diesem Shandor Kinder zu schenken!“ murmelte Sheppard. Er konnte es ebenfalls noch nicht fassen.
    „Manche Völker halten eine strenge Blutlinie ein und Lejannah ist keine aus dem Volk der Shinar.“ meinte Ronon. „Es könnte sein, dass Shandors Sohn nur dann Anspruch auf die Führerposition hat, wenn er aus einer Verbindung mit einer Shinar hervorgeht.“
    „Und das fällt dem Anführer erst jetzt ein, wo er sie bereits geheiratet hat?“ Sheppard schüttelte unwillig den Kopf.
    „Was wird denn mit ihr passieren?“ fragte Jennifer besorgt.
    „Kein Ahnung!“ antwortete Sheppard. „Sie möchte dazu nicht mehr sagen!“
    „Viel entscheidender ist die Frage, was wir jetzt von dem 'Alten Rat' zu erwarten haben – jetzt, da wir wissen, dass er sozusagen der Scheidungsanwalt sein wird! Mal angenommen, dies ist auch der tatsächliche Grund!“ mischte sich Rodney ein. „Können wir wirklich riskieren, unsere Leben in seine Hände zu legen? Oder sollten wir besser versuchen, zu fliehen? – Ich persönlich bin für letztere Option! 10.000 Jahre sind eine lange Zeit! In dieser Zeit kann sich die Definition von Gut und Böse bei den Richtern sehr geändert haben.“
    „Es gibt keinen Grund, dem 'Alten Rat' nicht zu vertrauen!“ entgegnete Teyla ruhig.
    „Ich bitte dich, Teyla! Dass ist doch dumm!“ entfuhr es Rodney. „Du kennst den Rat nur aus alten Erzählungen deines Volkes! Du solltest ihn nicht so ohne weiteres verteidigen!“
    „Es ist in keinster Weise ‚dumm’!“ erwiderte Ronon und trat einen Schritt näher an Rodney heran. „Der 'Alte Rat' ist in jeder Weise integer! Das war er immer und das wird er immer sein. Auf Sateda hätte sich jeder seinem Urteil unterworfen!“
    „Und das sagt der Mann, der sonst keinem Kampf aus dem Weg geht und jedem unbekanntem äußerst misstrauisch gegenübersteht!“ Rodney schüttelte den Kopf.
    Bevor Ronon darauf etwas erwidern konnte, hielt Sheppard ihn zurück: „Ich würde gerne euren Optimismus teilen und den 'Alten Rat' kennen lernen. Aber zurzeit ist es mir einfach zu riskant. Sollte sich eine Gelegenheit bieten, werden wir sie nutzen und verschwinden!“
    „John, wenn wir fliehen, werden wir vielleicht nie wieder die Gelegenheit erhalten, den 'Alten Rat' zu treffen!“ wandte Teyla ein. „Wir würden uns eine Chance verbauen, ein Bündnis mit ihnen zu schließen.“
    „Wir werden als Gefangene vor ihn treten. Ich denke nicht, dass er unter diesen Umständen mit uns ein Bündnis schließen wird!“ Sheppard schüttelte den Kopf.
    „Wir sollten es wenigstens versuchen!“ meinte Ronon.
    Sheppard seufzte: „Nun, sollten wir keine passende Gelegenheit finden, um zu verschwinden, werden wir ja sehen, ob ihr Recht behaltet! Sollte sich uns jedoch eine Möglichkeit bieten, werden wir sie ergreifen! Und das bedeutet, wir werden alle gehen – ohne weitere Diskussionen, verstanden?!“ Er sah Teyla und Ronon ernst und forschend an.
    Teyla nickte zögernd.
    „Ronon?“ Sheppard blieb hartnäckig, auch als Ronon sich unwillig von ihm weg drehte. „Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“
    Ronon war absolut nicht damit einverstanden, gab schließlich jedoch nach. Ohne sich zu Sheppard umzudrehen presste er ein kurzes „OK!“ heraus.
    Sheppard nickte zufrieden. „Nun… dann ruht euch noch etwas aus. Wer weiß, wie anstrengend unsere Reise noch wird!“ Sheppard war erstaunt, dass Teyla und Ronon dem 'Alten Rat' so sehr vertrauten und war erleichtert, dass er sie trotzdem für den Fluchtplan gewonnen hatte – wenn auch nur sehr widerwillig. Nun musste er sich nur noch um eins kümmern. Langsam trat er zu Lejannah, die damit angefangen hatte, die Decken und Pelze zu kleinen Bündeln zu verschnüren. Die schmalen Lederriemen, die sie dazu benutzte, hatten die Frauen am Morgen mitgebracht. Geschickt schlang sie die Riemen um die zusammengefalteten und gerollten Decken und Pelze und band sie so zusammen, dass daraus regelrechte Tragetaschen entstanden.
    „Meinst du, dass Rodney sein komplettes Lager benötigt?“ fragte Lejannah und schlug kraftvoll eine Decke aus, die sie vom Boden hochgenommen hatte. Kleinere Steine und Staub lösten sich und fielen zurück auf den Boden. „Wir werden die Nacht auf weichem Boden und unter freiem Himmel verbringen. Und da wir unsere Ausrüstung selbst tragen müssen...“
    „…und ich keine Lust habe, ihm sein Bett hinterher zu tragen, wird er sich wohl etwas einschränken müssen!“ vollendete Sheppard ihren Satz und grinste. Erfreut stellte er fest, wie vertraut sie bereits mit ihm umging.
    „Dann werde ich ihm eine Decke und den Pelz fertig machen!“ meinte Lejannah schmunzelnd.
    „Lejannah!“ Sheppard legte seine Hand auf ihren Arm und brachte sie dazu, von ihrer Arbeit aufzusehen. Ihre Blicke trafen sich. „Ich habe keine Ahnung, was dich vor dem 'Alten Rat' erwartet. Aber so wie es aussieht, wirst du erneut deine Heimat verlieren…“ Sheppard stockte, da er nicht wusste, wie Lejannah darauf reagieren würde, doch sie blickte ihn ohne eine Regung abwartend an. Sheppard gab sich einen Ruck und fuhr fort „Was ich sagen wollte: Wir werden jede Gelegenheit nutzen, um von hier zu verschwinden. Wenn du willst, kannst du mit uns kommen! Ich bin mir sicher, dass du es bei uns weit besser haben wirst, als… na ja, hier!“
    Lejannahs Blick hatte sich geändert. Erstaunen ließ ihre Augen weit werden: „Du würdest mich mit in deine Heimat nehmen? Und ich könnte dort wohnen?“
    „Nun, wir würden bestimmt einen schönen Flecken für dich finden!“ Sheppard lächelte.
    „Aber ich bin nicht von deinem Volk!“
    „Auch Teyla und Ronon sind nicht von meinem Volk – und streng genommen auch Rodney nicht! – Trotzdem leben wir zusammen!“ antwortete Sheppard.
    Lejannah sah ihn einen Augenblick schweigend an, dann sagte sie ruhig, während sie sich wieder ihrer Arbeit zuwandte: „Ich danke dir für dein Angebot! Aber du kannst dem 'Alten Rat' vertrauen! Er wird für uns alle die richtige Entscheidung fällen.“
    „Nun, das scheinen alle in dieser Galaxie Geborenen zu meinen!“ murmelte Sheppard. Laut sagte er: „Du hast noch etwas Zeit für deine Entscheidung!“
    "Wir sind alle nur Menschen - Maschinen stehen in der Küche!" (Danny Wilde)

  10. Danke sagten:


  11. #6
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    Danke an meine Leser, vor allem an Galaxy und skydiver.

    Hier wieder meine musikalischen Vorschläge:

    Spoiler 
    Szene 1: Granaria - Tribal Dance - Edwards/Jones
    Trail of Tears - Clannad
    Szene 2: Celtic Dawn - Vangelis
    oder (für die dHdR-Fans): The Ring goes South - Soundtrack Der Herr der Ringe



    Der Weg

    Es war bereits Mittag, als Shandor und die Krieger die Gefangenen aus der Höhle holten. Auf beiden Seiten mit Kriegern geflankt, wurden sie zurück auf den Dorfplatz geführt, wo die Bewohner bereits schweigend auf sie warteten. Shandor, der sich an die Spitze gesetzt hatte, trat zügig an den Versammelten vorbei und folgte einem Pfad, der zwischen den letzten Hütten hinauf auf die Hochebene führte.
    Kurz nachdem sie die letzte Behausung hinter sich gelassen hatten, hörten sie hinter sich einen Ruf. Da Shandor stehen blieb und sich umdrehte, verharrten auch die Krieger in ihrem Schritt.
    Die Stimme gehörte der jungen Frau, die bei Lejannahs Festsetzung in verzweifeltes Weinen ausgebrochen war. Mit gerafftem Rock lief sie nun an den Kriegern vorbei und sank vor Shandor auf die Knie. In dieser Stellung verharrte sie, während sie ein paar leise Worte sprach.
    Shandor trat daraufhin schweigend einen Schritt beiseite und gebot den Kriegern, die ihm am nächsten standen mit einem Kopfnicken, es ihm gleich zu tun. Dadurch machten sie Lejannah, die hinter ihnen gestanden hatte, den Weg frei. Langsam trat sie zwei Schritte zu der knienden jungen Frau vor, blieb jedoch noch hinter Shandor stehen.
    Die junge Frau sprach immer noch leise in der fremden Sprache und Lejannah antwortete ihr ebenso leise. Mit ruhigen, nachdrücklichen Worten versuchte sie, die Frau zu beruhigen. Nach einem kurzen Wortwechsel erhob sich die Frau und trat schweigend zu Lejannah heran. Ihre Blicke trafen sich, als sie ihre Arme langsam seitwärts ausstreckten. Als sich dann ihre Handflächen berührten, senkten beide ihren Kopf und legten die Stirn aneinander. Es erinnerte Teyla an die Begrüßung und Verabschiedung von guten Freunden bei ihrem eigenen Volk.
    Diese Haltung hielten die beiden ein paar Sekunden. Dann senkten sie die Arme und traten jeweils einen Schritt zurück. Die junge Frau hatte Tränen in den Augen, als sie aus der Falte ihres Rockes etwas hervor zog. Lejannah schien sofort zu erkennen, was es war, denn sie schluckte merklich und kniete sich nun hin. Erst als die junge Frau sich daran machte, es ihr auf den Kopf zu legen, erkannten auch die Anderen, dass es sich um einen aufwendigen Kopfschmuck in Form eines Hufeisens handelte. Neben farbigen dünnen Lederbändern waren goldene und silberne Drähte lose miteinander verflochten. Verschiedene Ornamente und echte Blumen waren in dieses Geflecht eingefügt und machten es zu einem wirklich besonderen Geschenk.
    Als Lejannah sich erhob, schimmerten ihre Augen verdächtig. Sie nickte noch einmal der jungen Frau zu, die nun rückwärts einige Schritte zurück trat und ebenfalls mit den Tränen rang.
    Shandor setzte sich wortlos wieder in Bewegung. Lejannah trat hinter ihn und die Gefangenen folgten zusammen mit ihren Bewachern. Der Pfad, den sie nun einschlugen, führte sie an einer Steilwand empor auf eine weitere Hochebene. Dort folgten sie dem Pfad, der sich zunächst am Rande des Grates entlang schlängelte.
    Als der Pfad von dem steilen Grat wegführte, blieb Shandor stehen und blickte hinunter. Direkt unter ihnen lag das Dorf. Die Bewohner hatten sich noch nicht vom Versammlungsplatz zurückgezogen. Man erkannte sie deutlich an ihrer bunten Kleidung. Auch am Ausgang des Dorfes stand immer noch die junge Frau. Der leichte Wind trug von dort unten ihre klare helle Stimme hinauf. Lejannah trat wortlos neben Shandor und folgte seinem Blick hinunter. Sheppard, der befürchtete, dass Shandor sie hinunter stürzen würde, wollte schnell neben sie treten, wurde jedoch von einem Krieger daran gehindert.
    Lejannah starrte einige Augenblicke hinunter. Dann trat sie abrupt zurück und drehte sich um. Mit einer ruhigen Bewegung nahm sie den Kopfschmuck von ihrem Kopf und reichte es einem der Krieger, der es behutsam in ein Tuch einwickelte und zu seinem Gepäck steckte.
    Shandor war ebenfalls zurückgetreten und gab den anderen das Zeichen zum Aufbruch. Wortlos setzte er sich an die Spitze. Lejannah trat wieder hinter die zwei Krieger, die direkt hinter Shandor gingen.

    ***

    Der Pfad führte die ungewöhnliche Reisegruppe zunächst quer über das Plateau, dann folgte ein weiterer steiler Anstieg zwischen zwei eng aneinander gedrängten Felswänden. Der Pfad führte hier über loses Geröll und kostete die Gruppe bei jedem Schritt ihre gesamte Aufmerksamkeit. Als die Felsen schließlich zurückwichen und sie wieder festen, ebenen Boden unter sich hatten, atmeten alle auf.
    Vor ihnen erstreckte sich nun eine weite Ebene, die mit dürrem Gehölz und langen, ausgebleichten Gräsern bewachsen war. Dahinter ragten zwei hohe Berggipfel in den blauen Himmel, die mit glitzerndem Schnee bedeckt waren.
    „Hoffentlich müssen wir die nicht rauf!“ keuchte Rodney, nachdem er die letzte steile Passage hinter sich gelassen hatte. „Ich bin Wissenschaftler und kein Bergsteiger!“ Er blieb stehen und versuchte, seinen Atem unter Kontrolle zu bekommen. Doch als er bemerkte, dass die beiden Krieger, die das Schlusslicht bildeten, düster zu brummen anfingen und drohend nach ihren Waffen griffen, beeilte er sich, den anderen zu folgen.
    Jennifer, die ebenfalls Bedenken beim Anblick des Bergmassivs bekommen hatte, zuckte zusammen, als sie sich zu Rodney umblickte und die finsteren Gesichter der Krieger hinter ihm bemerkte. Obwohl sie sich schnell abwandte, spürte sie ihre Blicke weiterhin in ihrem Nacken und ein unbehaglicher eisiger Schauer lief ihr über den Rücken. Was würde sie jetzt dafür geben, an ihrem eigentlichen Arbeitsplatz – der Krankenstation auf Atlantis – zu sein. Zügig trat sie zu Teyla hinüber. Obwohl ihre Freundin unbewaffnet war und gegen die Pfeile und Speere der Krieger nichts ausrichten könnte, fühlte sie sich an ihrer Seite sicherer.
    Lejannah, die nur ein paar Schritte vor ihnen ging, lachte leise auf. Sie wandte sich kurz zu Rodney um und sagte: „Nein, keine Sorge! Wir müssen nur an den Fuß der Schwestern.“
    „Wie bitte?“ Rodney stolperte ihr verwirrt hinterher.
    „Die beiden Berggipfel werden die Schwestern genannt!“ erklärte Lejannah und ließ sich etwas zu ihm zurückfallen. „Sie symbolisieren das Volk der Lantianer und der Xantaner und ihre unauslöschliche Verbundenheit. Der 'Alte Rat' kommt an dieser Stelle bereits seit tausenden von Jahren zusammen.“
    Sie hatten inzwischen das Ende der Felsreihen erreicht. Als sie nun zwischen den letzten Felsen heraus auf die offene Ebene traten, zerrte sofort der kalte, böige Wind an ihrer Kleidung.
    „Nicht gerade ein Ort zum Verweilen!“ bemerkte Sheppard, während er sich die Jacke enger um den Körper schlang.
    „Bis zum Abend sollten wir den schützenden Wald erreicht haben.“ erklärte Lejannah und zog ihre Pelzjacke an, die sie bisher in einem eng geschnürten Bündel bei sich getragen hatte.
    Ihr Gepäck hatte sie dazu vor sich hingestellt.
    Auch Shandor und die Krieger zogen sich nun nacheinander eine wärmende Jacke über, wobei ein Teil der Krieger stets die Gefangenen im Auge behielt und bereit war, von ihren Waffen Gebrauch zu machen.
    Sheppard nutzte die Gelegenheit und trat an Lejannah heran, als ihre Bewacher zu den anderen Kriegern traten. Dies war die erste Möglichkeit seit Reisebeginn, dass er an Lejannah herankam, die bisher von diesen Kriegern von ihnen abgeschirmt worden war. Als Lejannah ihre Jacke angezogen und zugeschnürt hatte, half er ihr, das Gepäck wieder zu schultern, behielt dabei jedoch ihre Bewacher im Blick, die jederzeit zurückkommen konnten. Erleichtert nahm er jedoch zur Kenntnis, dass sie nach dem steilen Aufstieg, den sie nur hintereinander hinauf klettern konnten, nicht nur nebeneinander über die weitläufige Ebene gehen konnten, sondern auch mehr Freiraum bekamen, da sich ihre Bewacher etwas zurückzogen und weit gefächert über die Ebene schritten. Doch auch wenn es oberflächlich so aussah, als ob die Krieger ihre Bewachung eingestellt hätten, blieb es den wachsamen und geschulten Augen von Sheppard, Teyla und Ronon nicht verborgen, dass die Krieger sie genau im Auge behielten und jederzeit bereit waren, einen Fluchtversuch zu unterbinden.
    Sheppard musste dem Anführer und seinen Kriegern widerwillig Anerkennung zollen. Hier auf der Ebene waren sie ein gutes Ziel. Es gab nichts, was ihnen Schutz bot. Ein Fluchtversuch wäre daher völlig sinnlos. Dementsprechend konnten die Krieger auch den Raum etwas öffnen.
    Nun blieb Sheppard die Hoffnung, dass das Nachtlager ihnen eine Möglichkeit zur Flucht geben würde. Er beabsichtigte, Lejannah nach den Begebenheiten zu fragen.
    Eine ganze Weile schritten Sheppard und Lejannah nun schon schweigend nebeneinander her. Dann fragte Sheppard ohne vom Boden aufzuschauen: „Dieser Lagerplatz, von dem du erzählt hast, kannst du ihn mir etwas genauer beschreiben?“ Als Lejannah nicht reagierte, blickte er auf. Er war sich sicher, dass Lejannah seine Frage genau verstanden hatte. Wie von ihm vermutet, trafen sich ihre Blicke sofort. „Werden wir weit weg von dem erwähnten Wald lagern?“ hakte er daher nach.
    Lejannah schüttelte den Kopf: „John, ich werde weder mit dir gehen, noch euch bei einer Flucht helfen!“ Sie hatte die Worte leise, aber mit einer Bestimmtheit gesagt, die Sheppard zunächst verstummen ließ. Während Lejannah einige Schritte zur Seite trat, um einen Zweig von einem unscheinbaren, gedrungenen Strauch abzubrechen, der sich flach über den Boden ausbreitete, blickte er hilfesuchend zu Teyla und Ronon. „Ihr könntet mich ruhig etwas dabei unterstützen!“ presste er leise heraus.
    Ronon ignorierte ihn und blickte in die andere Richtung. Er akzeptierte Sheppard als Colonel und als Freund und hatte all die Jahre, die sie sich schon kannten, bereitwillig seine Befehle ausgeführt. Doch diesmal würde es nicht so sein. Er musste dem 'Alten Rat' unbedingt gegenüber treten. Er gehörte zu der Geschichte seines Volkes. Eines Volkes, dass nach dem letzten verheerenden Angriff der Wraith fast vollständig vernichtet worden war. Doch nun, da er erfahren hatte, dass der 'Alte Rat' noch existierte, konnten vielleicht auch die wenigen Überlebenden seines Volkes, die nun in der ganzen Galaxie verteilt waren, ihre Hoffnung zurückerhalten. Und auch ihren Stolz!
    Doch auch wenn man es ihm nicht ansah, zerriss es ihn innerlich, seinen Freund enttäuschen zu müssen, der dies alles niemals verstehen würde.
    „Teyla!“ zischte Sheppard, da auch sie schweigend weiterging, und sah sie drängend an.
    Doch Teyla schüttelte den Kopf. Leise aber bestimmt bat sie: „John, lass sie in Ruhe! Sie ist mit dem 'Alten Rat' aufgewachsen und vertraut ihm.“
    Lejannah war wieder zur Gruppe zurückgetreten und reichte Jennifer den Zweig. An den starren, dunkelbraunen Ästen des Zweiges befanden sich kleine, ledrige Blätter, rund und bläulich-grün. Sie standen im starken Kontrast zu den schneeweißen, noch kleineren Blüten und den etwa genauso großen, tief roten Beeren.
    „Was ist das?“ fragte Jennifer, nachdem sie den Zweig genau betrachtet hatte.
    „Dass ist die wichtigste Heilpflanze der Shinar.“ antwortete Lejannah. „Jeder einzelne Bestandteil der Pflanze wirkt anders. Wir werden sie für Johns Arm benötigen, also hebe sie gut auf.“
    „Vielen Dank!“ Jennifer lächelte sie dankbar für diese Information an und steckte dann den Zweig so vorsichtig in ihr Deckenbündel, als wäre er ein kostbarer Schatz, den es zu retten galt.
    „Du bist eine gute Heilerin!“ stellte Teyla fest und trat neben sie. Seit sie wusste, dass es den 'Alten Rat' noch gab, brannte sie darauf, mehr über ihn zu erfahren. Tausend Fragen beschäftigten sie: Warum hatte er sich vor so vielen Jahren von ihrem Volk zurück gezogen? Warum war ihr Volk ihm so lange nicht mehr begegnet? Was tat der 'Alte Rat' für die Menschen in dieser Galaxie? Und im Kampf gegen die Wraith? Gab es im Rat noch Xantaner – das geheimnisvolle Schwestervolk der Antiker? Auch wenn diese Fragen in ihrem Kopf wild herumschwirrten und lautstark eine Antwort forderten, hatte Teyla sich bisher zurückgehalten, auch nur eine dieser Fragen laut auszusprechen, obwohl Lejannah ihr bestimmt das ein oder andere über den 'Alten Rat' erzählen könnte. Sie hatte Lejannah jedoch erst einmal Gelegenheit geben wollen, sie etwas besser kennen zu lernen. Und sie wollte es vermeiden, dass sie sich zurück zog – so wie sie es am Morgen getan hatte. Nun hoffte Teyla, dass sie im Laufe eines Gesprächs die ein oder andere Frage stellen könnte.
    Lejannah lächelte wehmütig. „Es gibt unsagbar viel zu lernen!“
    „Das ist wahr!“ Viele hätten über diese Bemerkung geschmunzelt, da Lejannah ja fast noch ein Kind war. Doch Teyla zeigte es, wie viel Lejannah schon in so jungen Jahren erlebt haben musste. Innerlich seufzte sie. Wie wünschte sie sich doch, dass die Wraith für immer aus ihrer aller Leben verschwinden würden. Kinder hatten ein Recht darauf, als Kinder groß zu werden – ohne ständige Angst und den allgegenwärtigen grausamen Tod durch die Wraith. Und genau das war es, wofür sie kämpfte. Für alle Kinder. Und natürlich für Torren, ihren Sohn, den sie auf Atlantis zurück gelassen hatte. Wärme stieg in ihr auf, als sie an die Verabschiedung im Torraum dachte. Torren war an der Hand seines Vaters heran gehüpft und hatte ihr laut lachend zugewunken.
    „Du stammst nicht von Johns Heimatplaneten.“ Lejannahs Stimme riss Teyla aus ihren Gedanken. Verwirrt blickte sie zu ihr hinüber: „Woher...?“
    Lejannah unterbrach sie lächelnd: „Dein Volk kennt den 'Alten Rat'. Außerdem verhältst du dich anders als die Anderen.“
    Teyla nickte schmunzelnd: „Ja, du hast recht. Ich bin eine Athosianerin und stamme aus dieser Galaxie.“
    „Wie hast du John kennen gelernt?“ erkundigte sich Lejannah, während sie sich nach einer weiteren Pflanze bückte, einen Zweig abbrach und zufrieden betrachtete.
    Teyla bemerkte hinter dieser beiläufig gestellten Frage, dass Lejannah tiefes Interesse hatte. Und dieses Interesse gab ihr die Möglichkeit, etwaige Bedenken ihnen gegenüber abzubauen. Bereitwillig gab sie daher Auskunft: „John kam mit einem Team auf unseren Planeten. Sie waren erst kurz zuvor in diese Galaxie gekommen und hatten noch nie etwas von den Wraith gehört. Sie wollten mit uns Handel treiben und suchten nach einer Möglichkeit, eine Basis aufzubauen. Leider griffen die Wraith kurz nach ihrer Ankunft bei uns an. Als sie wieder verschwunden waren, brachten John und der Rest seiner Männer die Überlebenden mit durch den Ring der Vorfahren auf ihre Heimatbasis in Sicherheit.“
    „Du und dein Volk müssen ihnen sehr dankbar gewesen sein.“ bemerkte Lejannah während sie den Zweig in ihrer Manteltasche verstaute.
    „Ich gehörte nicht zu ihnen!“ stellte Teyla richtig. „Ich war von den Wraith gefangen genommen worden. Zusammen mit einigen von meinem und von Johns Volk saß ich in einer Zelle in einem Wraith-Hiveschiff.“
    „Du konntest ihnen entkommen?“ Lejannah blickte sie erstaunt an.
    „John hat mich und die anderen gerettet.“ antwortete Teyla voller Dankbarkeit, während die Bilder von damals vor ihrem geistigen Auge vorbei zogen. „In seiner Heimat sagt man, dass man niemanden zurück lässt. Und so machte er sich, nachdem er die Überlebenden in Sicherheit gebracht hatte, mit einer kleinen Gruppe auf, um uns zurück zu bringen. Und dass, obwohl er kaum etwas über die Wraith wusste.“
    „Er muss ein guter und mutiger Krieger sein, wenn er trotz seiner fehlenden Kenntnisse über die Wraith so erfolgreich war.“ meinte Lejannah anerkennend.
    „Ja das ist er!“ stimmt Teyla zu. „Das ist auch der Grund, warum ich bei diesen Menschen geblieben bin. Sie haben mir und meinem Volk und allen anderen in dieser Galaxie Hoffnung im Kampf gegen die Wraith gegeben. Und ich unterstütze sie gerne, obwohl es mir gerade zu Anfang überhaupt nicht leicht gefallen ist, getrennt von meinem Volk zu sein.“
    „Das verstehe ich!“ Lejannahs Blick schweifte über die Ebene, als ob sie etwas suchen würde.
    Teyla biss sich auf die Lippen: „Es tut mir Leid. Ich habe mich dazu entschlossen, von meinem Volk getrennt zu leben. Und ich kann es jederzeit besuchen. Du hattest hingegen keine Wahl!“
    „Es muss dir nicht Leid tun!“ Lejannah wandte sich ihr wieder zu. Auf ihrem Gesicht lag Dankbarkeit. „Ich habe meine Familie und mein Volk durch die Wraith verloren. Doch andere nahmen mich auf und wurden zu meiner neuen Familie. Ich habe neue Mütter und Väter und Brüder und Schwestern bekommen.“
    Teyla wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Schließlich waren es die gleichen Mütter und Väter und Brüder und Schwestern, die sie nun verstießen. Und doch sprach Lejannah ohne Bitterkeit von ihnen. Hatte sie etwa noch nicht begriffen, was hier geschah? Oder hoffte sie auf ein Wunder? Oder ging hier noch etwas ganz anderes vor sich? Etwas, was ihnen allen bisher verborgen geblieben war?
    „Meine Worte haben dich verwirrt!“ Lejannah war Teylas Blick nicht entgangen.
    „Nun, die Shinar bringen dich vor den 'Alten Rat'.“ Teyla wählte ihre Worte sorgsam. Sie wollte Lejannah nicht noch zusätzlich Schmerzen bereiten.
    Lejannah schwieg zunächst. Dann entgegnete sie: „Wenn eine Dekade endet, fängt eine andere an! Und die Trauer des Alten vermischt sich mit der Freude des Neuen!“ Aus diesen Worten sprach mehr als nur Hoffnung und Zuversicht.
    Teyla nickte und schwieg. Sie bewunderte Lejannahs Einstellung. Einige Schritte gingen sie so nebeneinander her. Dabei beobachtete sie Lejannah von der Seite, die immer wieder zu den zwei Berggipfeln blickte. Schließlich gab sie sich einen Ruck: „Lejannah, darf ich dich etwas fragen? Ich würde so gerne etwas mehr über den 'Alten Rat' hören. Was kannst du von ihm erzählen?“
    Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Ronon unauffällig näher trat. Auch er brannte darauf, mehr über den Rat zu erfahren. Selbst Sheppard, der bisher schweigend vor ihnen her gestapft war, war neugierig auf Lejannahs Reaktion.
    Die Angesprochene blickte Teyla lächelnd an: „Es stimmt, was man sich in alten Geschichten erzählt. Er ist gerecht und beschützt die Menschen vor den Wraith. Es gibt keinen Grund, vor ihm Angst zu haben!“
    „Hast du ihn schon einmal getroffen?“ erkundigte sich Teyla, die mehr wissen wollte als die Phrasen, die Lejannah bereits benutzt hatte.
    Lejannah lachte auf: „Würdest du meinen Worten dann mehr Glauben schenken?“
    Teyla musste das verneinen und schüttelte den Kopf.
    „Geduldet euch noch etwas. Schon bald werdet ihr den 'Alten Rat' kennen lernen.“ Lejannah lächelte zu den beiden Schwestern hinüber.
    "Wir sind alle nur Menschen - Maschinen stehen in der Küche!" (Danny Wilde)

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