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Thema: [SGA] Nachwirkungen [NC-17]

  1. #1
    Mama, im Dienste Ihrer Majestäten Avatar von Nyada
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    Standard [SGA] Nachwirkungen [NC-17]


    Titel: Nachwirkungen
    Autor: Nyada
    Serie: Stargate Atlantis
    Genre: Angst, Drama, Friendship, slight Romance
    Rating: R/ NC-17
    Charaktere/Pairings: Main-Characters, Halling, Charin; John/Teyla
    Staffel/Spoiler: SGA 2x08 „Die Verwandlung“

    Kurzinhalt: Zwei Monate sind seit jener verhängnisvollen Nacht vergangen, die Lt. Col. John Sheppard und Teyla Emmagan an die Grenzen ihres Verstandes gebracht und die Grundfesten ihrer Freundschaft erschüttert hat. Eine Zeit voller Scham und Schuldgefühle liegt hinter John und noch nicht einmal die so simple Erklärung schafft es seine aufgewühlte Seele zu beruhigen. Auch Teyla kann nicht vergessen was geschehen ist. Plötzlich sehen sich die beiden jedoch mit einer unliebsamen Tatsache konfrontiert, die nicht nur ihr Leben grundlegend ändern könnte.

    Anmerkung des Autors: Dies ist mein Versuch, an die FF "Feuer der Verwandlung" von Kris anzuschließen, und ich hoffe, er gelingt mir. Ich muss an dieser Stelle einfach erwähnen, wie sehr mich die Geschichte von Kris gefesselt hat und ich empfehle einfach sie zu lesen; was auch mehr oder weniger zwingend notwendig ist, da es sich bei meiner FF um eine „Nachfolgestory“ handelt.

    Die grundlegende Storyline gehört Kris und ich bin wirklich froh, dass ich meine Gedanken für eine Fortsetzung (die mir schon beim Lesen der Orginalstory kamen) aufschreiben und hier posten darf.
    Des Weiteren möchte ich noch ein großes Lob an Kris persönlich loswerden, dass sie so eine geniale Geschichte geschrieben hat.

    Disclaimer: Stargate Atlantis und seine Charaktere gehören MGM Television, die grundlegende Storyline der Userin Kris.

    +o+o+o+o+




    Teyla Emmagan wusste nicht, ob sie sich auf Dr. McKays Bericht, den er gerade seinen im Besprechungsraum versammelten Teamkollegen und Dr. Weir vortrug, das Frühjahrsgewitter, das draußen, vor der Stadt tobte, oder auf das dumpfe, schmerzhafte Pochen in ihrem Kopf konzentrieren sollte.
    Sie saß mit aufgestützten Ellenbogen zwischen Elizabeth und Ronon Dex, presste die Finger an die Schläfen und versuchte, die rasenden Kopfschmerzen, die sie schon den ganzen Tag malträtierten, wegzumassieren. Nur mit allergrößter Not gelang es ihr ein Stöhnen zu unterdrücken, als Rodney erneut seine schrille Stimme erhob und über die Wichtigkeit eines Einsatzes nach M3H917 sinnierte. Er kann nichts ja dafür, sagte sie sich und holte tief Luft.

    Sie atmete in die Stille hinein, denn allem Anschein nach hatte Rodney seinen kurzen Vortrag gerade beendet und sah sie nun direkt an.

    „Wollen Sie etwas zu Dr. McKays Bericht beitragen, Teyla?“, fragte Dr. Weir die Athosianerin, die aufschreckte, als man sie ansprach.

    Bei den Antikern, nein!, rief eine Stimme in Teylas Kopf. Sie wollte nichts beitragen. Wenn sie ehrlich sein sollte, hatte sie nicht mal eine Ahnung, vorüber Rodney in den letzten zehn Minuten gesprochen hatte.
    „Nein“, beeilte sie sich deshalb schnell zu antworten, spürte nun nicht nur die Blicke von den Doktoren Weir und McKay auf sich sondern auf die von den beiden übrig gebliebenen Mitgliedern ihres Teams- Ronon und Lt. Col. John Sheppard, der etwas weiter abseits am Tisch Platz genommen hatte. Teyla erhaschte den Blick der beiden, doch nur den von John erwiderte sie.

    „Nun gut, wenn das dann alles war.“ Elizabeth Weir erhob sich, das Zeichen für die anderen, dass die Besprechung so gut wie beendet war. Dennoch blieb das Team um Col. Sheppard noch einige Augenblicke sitzen, bis Dr. Weir die Besprechung ‚offiziell’ beendete. „Wenn dem von Dr. McKay gesagtem nichts mehr hinzu zu fügen ist, können Sie nun gehen“, sagte sie. „Das wäre für heute erst einmal alles. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.“
    Elizabeth ließ ihren Blick noch einmal über das Team gleiten, drehte sich dann um und verließ den Besprechungsraum, dicht gefolgt von Dr. McKay und Col. Sheppard, die es beide sehr eilig hatten wegzukommen.

    Teyla blieb mit Ronon allein zurück und erwartete, dass auch der Sateder sich nun verabschieden würde, doch das tat er nicht. Ronon Dex, der hünenhafte Krieger vom Planeten Sateda, blieb sitzen und sah sie mit vor der Brust verschränkten Armen an. Zuerst versuchte sie seinem Blick auszuweichen und so zu tun, als sammle sie ihre Unterlagen zusammen, Unterlagen, die nur aus einem leeren Blatt Papier und einem Bleistift bestanden.

    „Teyla?“, erreichte Ronons brummige Stimme ihr Ohr. In ihr lag etwas, das die Athosianerin nicht zu deuten wusste, denn so hatte sie den Sateder noch nie reden gehört; es war ein besorgter Unterton in seiner Stimme.

    „Ja, Ronon?“ Sie faltete langsam das Blatt Papier zusammen und ließ es samt den Bleistift in ihrer Hosentasche verschwinden. Erst dann drehte sie sich zu ihrem Teamkollegen um.

    Ronon schien zu zögern und zu überlegen, ob es richtig war, was er tat; Teyla hatte ihn noch nie so nachdenklich gesehen wie gerade jetzt. „Geht’s Ihnen gut?“ Seine Frage überraschte sie.

    „Wieso sollte es mir nicht gut gehen?“ Sie verzog überrascht das Gesicht und wurde mit einem schmerzhaften Ziehen in ihrem Nacken belohnt. Gerade noch rechtzeitig schaffte sie es, ein Aufstöhnen zu verkneifen, nicht aber einen Seufzer. Nun, da Ronon ihre schmerzverzerrte Grimasse gesehen hatte, lohnte es sich nicht, es länger zu leugnen. „Ich habe nur Kopfschmerzen“, erklärte sie. „Dieses Wetter, mit dem ganzen Regen macht mich wahnsinnig.“

    „Sie sehen nicht gut aus“, bemerkte Ronon, die Augenbraue hebend.

    Teyla wusste selbst, dass sie nicht gut aussah. Der Stress der letzten Wochen hatte seine Spuren hinterlassen. Dunkle Ringe lagen unter ihren Augen, weil sie nachts nicht schlafen konnte, weswegen sie auch unter ständiger Müdigkeit litt. Das Team hatte erst vor einer Woche wieder seine alte Konstellation zurückerhalten, nachdem Dr. Beckett Col. Sheppard wieder für „dienstfähig“ erklärt hatte, und war seitdem fast pausenlos auf Einsätzen gewesen, die manchmal bis spät in die Nacht angedauert hatten. Die körperlichen Anstrengungen und der Gedanke, die Wraith im Nacken zu haben, zerrten an den Nerven.
    Ihr letzter „freier Tag“ lag jetzt fast anderthalb Monate zurück und bis zum nächsten müssten noch sechs lange Wochen vergehen, von denen Teyla glaubte, sie nicht überleben zu können. Schon jetzt fühlte sie sich tagsüber ausgelaugt, heiß und schwitzig. Sie hatte ständig Kopf- und Gliederschmerzen, war blass und hatte aufgrund ihrer Appetitlosigkeit bereist einiges an Gewicht verloren. Ronon war nicht der Erste, der ihre Veränderung bemerkt hatte. Jeder konnte sehen, dass es ihr nicht gut ging, doch die Wenigsten sprachen sie darauf an.

    „Mir geht es gut.“ Teyla spielte ihre Standardantwort ab, in der Hoffnung, dass sie Ronons Sorge besänftigen würde- tat sie aber nicht.

    „Vielleicht sollten Sie mal bei Dr. Beckett vorbeischauen“, schlug er vor.

    „Mir geht es gut, Ronon, wirklich“, beharrte die Athosianerin. Sie machte sich daran, den Besprechungsraum zu verlassen, mit noch immer fürchterlichen Kopfschmerzen, die ihr schwindelig werden ließen. Teyla seufzte.

    „Ich mache mir nur Sorgen um sie“, meinte Ronon, der ihr wie erwartet folgte. Zusammen verließen sie den Besprechungsraum, liefen die Treppen zum Gateraum hinab, vorbei am Gate und bogen in einen der Gänge ab, der zu den Wohnquartieren führte.

    „Sie brauchen sich keine Sorgen um mich zu machen. Ich bin nur etwas gestresst, müde und habe Kopfschmerzen.“

    „Dann gehen Sie wegen den Kopfschmerzen zu Dr. Beckett“, sagte Ronon entschlossen. „Sie sollten dagegen etwas unternehmen. Sheppard wird Sie ganz sicher nicht im Team behalten, wenn Sie krank sind.“

    Er wird mich nicht nur deswegen nicht im Team behalten wollen, ergänzte die Athosianerin in Gedanken den Satz ihres Freundes und seufzte. Sie spürte Johns Ablehnung in allem. In seinem Blick. In seiner Körpersprache, seiner Haltung. In seiner Art mit ihr zu reden, wenn er denn mit ihr redete. Zwei Monate waren seit jener Nacht vergangen, in der sie ihren körperlichen Begierden erlegen waren, und Teyla war klar, dass sich zwischen ihnen etwas verändert hatte. Nicht im positiven Sinne.

    John war ihr Freund gewesen. Ein Freund, dem sie alles anvertraute, sogar ihr Leben. Wenn sie genau überlegte war er sogar ihr bester Freund gewesen. Ein Freund, nicht mehr.

    Jetzt jedoch, nachdem, was zwischen ihnen passiert war, wusste sie nicht, ob sie ihn noch als ihren Freund bezeichnen konnte. Er war ihr Teamkollege und sie hatten keine Probleme zusammenzuarbeiten, aber alles was darüber hinausging… Teyla konnte sich schon gar nicht mehr daran erinnern, wann sie sich das letzte Mal allein und ungezwungen mit John unterhalten hatte. Es war Wochen her, dass sie unbefangen miteinander geredet hatten. Jetzt gingen sie sich sooft es ging aus dem Weg oder begegneten einander nur noch in Gegenwart von anderen.
    So sehr es auch schmerzte, dieses Gefühl einen guten Freund verloren zu haben, Teyla war sich sicher, dass das noch nicht alles gewesen war.
    Teyla verkrampfte sich. Was, wenn es wirklich noch schlimmer kommen würde? Aber, wie konnte es denn noch schlimmer werden? Immerhin hatte sie schon einen Freund und sein Vertrauen verloren. Wie also konnte es noch schlimmer werden als es eh schon war?

    „Teyla?“ Ronons Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Der Sateder legte den Kopf schief und musterte sie besorgt. Dass sie mitten im Gang stehengeblieben war, verwirrte ihn sichtlich. „Stimmt was nicht?“

    Die Athosianerin wusste es nicht. Sie war nur aus einem Grund stehengeblieben, nämlich aus dem, dass ein schmerzvoller Stich in ihre Schläfe, ihre Welt zum Drehen brachte. Ihr wurde schwindelig, was die Kopfschmerzen keinesfalls erträglicher machte. Mit der Hand versuchte sie sich irgendwo festzuhalten und sie fand Ronons Arm, grub ihre Nägel in das warme Fleisch, als sie glaubte, sich nicht länger auf den Beinen halten zu können.

    „Teyla?“ Sie glaubte erst, dass es wieder Ronon gewesen war, der besorgt nach ihr gerufen hatte, doch der Sateder schlang wortlos den Arm um sie, hielt sie fest, damit sie nicht strauchelte. Durch den Schleier, der sich vor ihre Augen gelegt hatte, sah sie zwei schwarze Hosenbeine auf sich zueilen. John, dachte sie, wurde aber schon im nächsten Moment enttäuscht, denn es war nicht John Sheppard, der da auf sie und Ronon zugeeilt kam sondern Major Evan Lorne.

    „Was ist denn hier los?“, rief der Major, sein Blick fiel auf die immer weiter zusammensinkende Teyla. „Was… was ist mit ihr?“

    „Irgendetwas stimmt mit ihr nicht“, antwortete Ronon, den Arm fester um Teylas Hüfte legend. „Ich glaube, sie-“

    Weiter kam er nicht, denn plötzlich spürte Teyla einen stechenden Schmerz in ihrem Zwerchfell. Sie japste auf und ehe sie wusste, was überhaupt los war, hatte ihr Mageninhalt seinen Weg bereits ihre Speiseröhre hinauf gefunden. Mit einem gurgelnden Geräusch erbrach sie sich auf den Boden. Immer und immer wieder drang ein Schwall Verdautes aus ihrem Magen hinauf. Ihr Magen schien sich komplett umzustülpen und als es in ihm nichts mehr gab, was sie hätte Erbrechen können, ging es in ein keuchendes Würgen über.

    „Wir brauchen hier sofort ein Medizinisches Notfallteam“, hörte sie Major Lorne’s Stimme stark gedämpft an ihr Ohr dringen.

    Teyla war es egal, was mit ihr passierte. Sie hing ausgelaugt und teilnahmslos in Ronons Armen, kämpfte gegen den Brechreiz, die Kopfschmerzen und den Schwindel an. Die Augen hielt sie geschlossen, denn sie wollte nicht sehen, wie sich die Welt vor ihr drehte- das würde in ihr nur erneut Übelkeit hervorrufen.

    „Teyla?“ Wieder eine neue Stimme. „Teyla, hören Sie mich?“ Die Athosianerin war zu schwach, um die Augen zu öffnen, doch als sie eine Hand an der Wange berührte, tat sie es trotzdem, mit all ihrer verbliebenen Kraft.

    Die Athosianerin war sich bewusst, dass sich um sie eine Menschenmasse versammelt hatte, doch als sie es schaffte, ihren Blick zu fokussieren, galt ihre Aufmerksamkeit nur einer einzigen Person.
    „Teyla!“, rief John, der vor ihr auf die Knie gegangen war und immer wieder sanft mit der Hand gegen ihre Wange schlug. „Hey, hey, sehen Sie mich an, Teyla!“, verlangte er. „Sie müssen wach bleiben, hören Sie? Bleiben Sie bei uns.“

    Das war das letzte, was Teyla Emmagan hörte, bevor sie in einem dichten Nebel versank und sich die Dunkelheit über ihren Körper legte.

    TBC

    Kurzer Prolog, der euch hoffentlich gefallen hat. Ich arbeite schon an dem nächsten Kapitel, das ich euch hoffentlich bis zum WE "präsentieren" darf.
    Über Feedback würde ich mich gaaaaaanz doll freuen!
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    Geändert von Nyada (30.09.2011 um 19:36 Uhr)

  2. Danke sagten:


  3. #2
    Die nach den Sternen greift Avatar von Ailya
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    Hallihallo, Moni!

    Einen tollen Einstieg, den du uns da geliefert hast. Natürlich habe ich mir noch einmal Kris' Story durchgelesen und ich finde deine FS durchaus gelungen. Durch die vielen Absätze ist sie leicht zu lesen und macht Lust auf mehr. Einzig und allein ein paar Rechtschreibfehler sind mir aufgefallen, die aber nicht weiter stören.

    Als ich mir noch einmal Feuer der Verwandlung von Kris durchlas und dann deine Kurzbeschreibung konnte ich mir schon fast denken, um was sich diese FF drehen wird. Ich habe mich auch gefragt, wie es zwischen John/Teyla weitergehen wird, denn ich bin mir sicher, dass die beiden das nicht so einfach abhaken können.
    Bin jetzt mal gespannt, ob sich mein Verdacht bestätigt und wie du das Ganze umsetzen wirst. Das du Halling und Charin erwähntest, nehme ich jetzt einfach mal so an, dass die Story Teyla in den Mittelpunkt stellen wird?

    So, ich freue mich jetzt schon auf die FS und mal schauen, was Teyla denn fehlt. (Ich kanns mir ehrlich gesagt schon fast denken).
    Liebe Grüße und vielen Dank fürs Lesen lassen
    Deine Ally

  4. Danke sagten:


  5. #3
    Major Avatar von claudi70
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    Hi,
    toller Anfang, es verspricht spannend zu werden.
    ich glaube auch zu ahnen was Teyla fehlt, aber ich werde mich da mal überraschen lassen, ob ich richtig liege.
    Bin gespannt wie es weiter geht.
    LG

  6. Danke sagten:


  7. #4
    Mama, im Dienste Ihrer Majestäten Avatar von Nyada
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    Standard Nachwirkungen

    Warnung: weiß nicht, ob der kursive Teil schon in den Bereich „sexuelle Gewalt“ fällt, aber wer das nicht lesen möchte, sollte das auch nicht tun. Ich habe deswegen auch schon das Rating höher eingestuft, weil sich während des Schreibens mir eine ganz andere Idee aufgetan hat, die ich nun weiterverfolgen möchte. Des Weiteren habe ich einen kleinen Spoiler eingefügt.

    Ich hoffe, dass euch das neue Kapitel trotzdem gefällt, und freue mich schon auf eure Kommentare.
    LG, eure Moni

    +o+o+o+o+





    And at any cruel moment's notice
    You can ruin the best
    As your body is brutally pressed
    Against the confines of your tense flesh
    And if you close your eyes tight enough
    And if you close your eyes tight enough
    The light can't get in
    Atreyu – Creature

    Ihr Hals vibrierte, als sie zu reden begann, in der verzweifelten Hoffnung, das letzte bisschen Verstand in seinem Inneren zu erreichen und ihn davon zu überzeugen, sie loszulassen.
    „J…John, bitte“, krächzte sie mühsam, denn er schien die ganze Kraft seiner Hand auf ihre Kehle zu konzentrieren. Sie bemühte sich aus seinem kräftigen Griff zu winden, doch seine Hand rührte sich keinen Millimeter, obwohl sie sich mit aller Kraft von ihm wegzudrücken versuchte.
    „B…bitte, hör auf“, presste sie hervor und klammerte sich verzweifelt an seine Hand, die immer fester zudrückte und es ihr von Sekunde zu Sekunde schwerer fallen ließ, Luft zu holen, geschweige denn sich zu konzentrieren.

    Er war nicht er selbst, sagte sie sich. Er wusste nicht, was er tat. Ihm war überhaupt nicht bewusst, was er ihr wehtat. Für ihn war es nur ein Spiel, ein Spiel, das ihn, seinen Hunger und seine Lust befriedigen sollte.
    Mehr war es für ihn nicht. Nur ein Spiel. Und sie war wohl oder übel in diesem Spiel gefangen, konnte nicht entkommen, denn er bestimmte die Spielregeln. Er war der Regelmacher.

    „John“, setzte sie erneut an, jedoch ohne Erfolg. Ein hässliches Grinsen zierte sein entstelltes Gesicht, dessen Züge mehr an die eines wilden Tieres erinnerten als an den Mann, der er einmal gewesen war. Aus gelben Schlitzaugen sah er sie an, das Funkeln in ihnen gefährlich und unberechenbar. Seine bläulich-verkrusteten Mundwinkel hingen nach unten, scharfe Zähne blitzten zwischen seinen schmalen Lippen hervor. All das, was ihn einmal ausgemacht hatte, war verschwunden und einer grässlichen Gestalt gewichen, die nach nichts anderen aus war, als zu quälen und zu töten.

    Sie wusste, dass er sie nicht hörte, aber sie konnte es trotzdem versuchen. Immerhin musste sein wahres Ich noch irgendwo da drin stecken und auch wenn die Chancen gering waren, hoffte sie, ihn irgendwie und mit eindringlichen Worten erreichen zu können.

    „Wehr dich nicht dagegen.“ Seine Stimme klang hohl und nicht wie die eines Menschen. Genaugenommen war er auch kein Mensch mehr, denn sein Aussehen veränderte sich immer mehr. Schon bald würde nichts Menschliches mehr an ihm zu finden sein und er würde nur noch ein blutrünstiges Lebewesen sein, das seinen Instinkten folgte.
    Die Art, wie er redete, löste in ihr dennoch ein eiskaltes Schaudern aus. Er bemerkte das Zittern, das ihren ganzen Körper durchfuhr, und ihre vor Anstrengung bebenden Muskeln. Er war sich bewusst, dass er stärker als sie war und nur eine schnelle Handbewegung genügt hätte, um es zu beenden.
    Doch das Spiel war für ihn noch nicht zu Ende. Er war der Regelmacher und er entschied, wann es zu Ende war.
    Seinen Mund zu seinem hässlichen Grinsen formend, neigte er den Kopf und schaute sie an.
    „Du machst es nur noch schlimmer, wenn du wehrst“, erklärte er ihr, umklammerte ihre zitternden Handgelenke fest und schob sie rückwärts gegen die Wand. Ein tiefes Grollen entkam seiner Brust, als er seinen heißen, erregten Körper gegen ihren presste, was sie aufkeuchen ließ.
    „D…das würdest du nicht tun“, wisperte sie mit weiten Augen und versuchte irgendeine Regung in seinem Gesicht zu erkennen. „John…“


    Die Angst ließ ihren Puls rasen und ihr Herz überschlug sich fast in ihrer Brust. Würde er es tun, fragte sie sich. Würde er ihr absichtlich wehtun? Sich an ihr vergreifen? Allein die Vorstellung war ihr so zuwider, dass sie zu würgen begann. Nein, sagte sie sich, er war ihr Freund. Freunde taten einander so etwas nicht an. Allerdings…
    Prüfend schaute sie ihm in die Augen. Er war nicht mehr der, der er für sie einst gewesen war. Er hatte sich geändert. Das Virus hatte ein Monster aus ihm gemacht, ein Monster, vor dem sie sich eigentlich fürchten sollte.

    Eigentlich.
    Sie fürchtete sich jedoch nicht vor ihm. So seltsam es auch klingen mochte, aber, sie vertraute ihm.

    „Wie kannst du dir da so sicher sein?“, zischte er. Es klang wie ein Fauchen; er schien wütend zu sein, dass sie ihm nicht zutraute ihr wehzutun. Er bleckte die Zähne, grinste dann ein Grinsen, dass sie innerlich erzittern ließ. Seine Augen blitzten sie hungrig an, aber es war kein Hunger nach ihrer Lebensenergie, der in ihnen zu sehen war. Unbändiges Verlangen entflammte die gelbliche Iris um seine katzenhafte Pupille, und er schien sich an ihrem verängstigten Anblick zu ergötzen.
    Sie, ihrerseits, schüttelte nur mit dem Kopf, als sie seine Erregung durch den Stoff seiner Kleidung gegen ihr Bein pressen spürte.
    „John“, entrann es ihr atemlos und sie schloss die Augen, als sie ihn herannahen sah. Ein erstickter Schrei entkam ihrer Kehle, als er seine Lippen hart auf ihre zu pressen begann. Der Kuss war brutal und raubte ihr die Sinne. Verzweifelt versuchte sie ihn wegzustoßen, was zur Folge hatte, dass er ihr murrend auf die Lippe biss. Der Eisengeschmack des Blutes schien ihn nur noch mehr anzuregen, ebenso ihr flehendes Wimmern und ihr leises Stöhnen.
    „B…bitte“, brachte sie mühsam hervor, als sie kurz auseinander wichen, um Luft zu holen. Sie merkte, wie er langsam Besitz über sie ergriff und drohte sie willenlos zu machen. Seine Gedanken infiltrierten ihren Kopf, stießen selbst in die dunkelsten Ecken ihres Seins vor. Nichts ihrerselbst blieb vor ihm verborgen. Er erforschte sie, malträtierte sie mittels seiner schmutzigen Gedanken, quälte sie. „H…hör auf, John!“

    Tatsächlich wich er kurz zurück, allerdings nur, um sie von oben bis unten zu betrachten. Sein Blick registrierte ihren Schmerz, ihre Angst und ihre Hilflosigkeit, allerdings drang es nicht zu ihm durch. Selbst wenn es das getan hätte, hätte es wohl nichts ändern können.

    Plötzlich begann er zu lächeln, was sein fremdartiges Gesicht zu einer merkwürdigen Grimasse verzog.
    „Teyla“, sagte er und zu ihrem Schrecken klang es beinahe liebevoll. Er war wenige Schritte zurückgewichen, die er nun wieder auf sie zu kam. Er bekam sie an den Hüften zu fassen und bevor sie reagieren konnte, schob er sie so weit zurück, dass sie mit dem Rücken wieder gegen die Wand stieß.
    Sie war nun gefangen.
    Zwischen ihm und der eiskalten Wand.
    „Tu das nicht“, bat sie ihm mehr aus dem Effekt heraus, als dass sie es wirklich wollte. Jede Faser ihres Körpers schrie, dass es falsch war. Ihr Verstand sagte ihr, dass es falsch war. Ihr Herz sagte ihr, dass es falsch war. Einzig und allein ihr Instinkt dürstete nach ihm und seinen Berührungen.
    „Nein, John, nein“, sagte sie wieder, dieses Mal recht lieblos, als sein männlicher Duft sie ummantelte. Er mochte zwar kein Mensch mehr sein, aber sein Geruch war geblieben. Benebelt schloss sie die Augen und nahm ihn in sich auf.
    Sie hörte sein zufriedenes Gelächter und ihr wurde klar, dass sie das, was sich in diesem Moment zwischen ihnen entwickelte, nicht mehr aufhalten konnte.
    Das Schlimmste jedoch war…
    …dass sie es
    wollte!

    Spoiler 
    Still vergoss sie eine Träne, ergab sich ihrem Schicksal, ließ sich von ihm hochheben und schlang die Beine um seine Hüfte. Ein stummes Schluchzen entkam ihr, als er sich zwischen ihre Beine zwängte und ihre Schenkel brutal auseinander schob. Gepeinigt stöhnte sie auf, als er schließlich in einer einzigen, kraftvollen Bewegung in sie eindrang.
    Ein süßer Schmerz durchschoss sie und trieb ihr zugleich die Tränen in die Augen, die hemmungslos über ihre Wangen strömten, als er sich in ihr zu bewegen begann, sie ausfüllte und ihr dabei fast schon spielerisch in den Hals biss und wohlwollend das Blut aufleckte, das aus der Wunde trat.
    Schluchzend ließ sie es über sich ergehen, ließ zu, dass er sie erniedrigte, denn sie konnte sich nicht dagegen wehren.
    Er war zu stark, als dass sie etwas hätte tun können, und es war der einzige Ausweg aus dem Ganzen.

    Sie weinte, als sie ihr Gesicht an seinem Hals vergrub und ihre Nägel sich in seine Schultern bohrten. Ein einziger lauter, schriller Schrei und ein trauriges Keuchen verkündeten ihren Höhepunkt, der ihren Partner wenige Sekunden später ebenfalls über die Klippe katapultierte und ihn aufstöhnen ließ; es war ein tiefes, animalisches Geräusch.


    „War das so schlimm?“, hörte sie ihn atemlos fragen und spürte seine Schlitzaugen auf sich liegen. Sie antwortete nicht auf seine Frage, schloss stattdessen die Augen und ließ sich von ihm wieder auf die Füße setzen.
    Das, was sie getan hatte, war falsch gewesen und es war ein schreckliches Gefühl, dass sie sich nicht hatte bremsen können. Wieder war sie ihm erlegen und dass obwohl er noch nicht einmal mehr ein menschliches Wesen war.
    Der John Sheppard, den sie gekannt hatte, war einem fürchterlichen Wesen gewichen, das kein Herz mehr besaß sondern nur darauf aus war, anderen Leuten wehzutun. Und sie hatte ihm diesen Gefallen gerade getan.

    Weinend sank sie zusammen und presste die Hände vor ihr Gesicht, als sie hörte, dass sich seine Schritte rasch und beinahe lautlos entfernten. Er war verschwunden, als sie das nächste Mal durch ihre Finger blinzelte.
    Verletzt und erniedrigt blieb die zurück. Allein mit sich selbst und dem Gedanken, einen furchtbaren Fehler begannen zu haben.


    Der explodierende Schmerz in ihren Schläfen riss Teyla Emmagan aus ihrem leichten Schlaf und die erschreckend reale Sequenz ihres Traumes ließ sie erschrocken in die Höhe fahren. Panisch begann sie sofort nach Luft zu schnappen, doch unsichtbare Hände hatten sich um ihre Kehle gelegt, erstickten ihren gellenden Schrei, den sie am liebsten ausgestoßen hätte.
    Übelkeit stieg in ihr auf, sie zitterte am ganzen Körper und ihre Schultern bebten. In ihrem sich heftig hebenden Brustkorb ratterte ihr Herz und schien sich dabei fast zu überschlagen. Ihr Puls raste, ihr Blut kochte, rauschte durch ihre Adern, stachelte ihr dazu an, schneller zu schlagen- schneller, als es gut war.
    Teyla stöhnte auf und griff nach ihrer Brust, als ein stechender Schmerz durch ihren Oberkörper fuhr und ihr die Luft abschnürte. Sie japste nach Luft, wie ein Fisch auf dem Trockenen, aber nur langsam durchflutete der Sauerstoff ihre Lungen.
    Schweiß bedeckte ihren ganzen Körper, ließ sie unbewusst frösteln. Ihr Shirt klebte an ihrem Rücken.
    Das Laken ihres Bettes war zerwühlt, zerknittert. Die Bettdecke hatte sich um ihre erhitzten, zitternden Beine gewunden.

    Jede Faser ihres Körpers schien zu zittern und ihr Kopf fühlte sich an, als stünde er kurz vor der Explosion- ein ziehender, zugleich pulsierender Schmerz, der sie auch geweckt hatte, zog sich durch ihre Schläfen.
    Ein ungutes Gefühl, ausgelöst durch den Kopfschmerz und die Bilder in ihrem Kopf, machte sich in ihr breit, ihr Magen krampfte sich zusammen, ihre Kehle begann zu kribbeln und sie hörte, wie sie zu würgen anfing.
    Mühevoll und mit einer Welt vor Augen, die sich drehte, taumelte sie geschwächt und mit der Hand vor den Mund gepresst in Richtung Badezimmer, wo sie erneut auf die Knie fiel und es gerade noch rechtzeitig schaffte, den Toilettendeckel zu heben, bevor sich ihr Mageninhalt vor ihr in die Schüssel ergoss.
    Angeekelt schloss sie die Augen und wartete tapfer darauf, dass es vorbei war, wischte sich dann mit dem Handrücken über ihren Mund. Es brannte sauer in ihrer Speiseröhre und der Geschmack von Erbrochenem in ihrem Mund, den sie vergeblich zu ignorieren versuchte, war einfach nur Ekel erregend.

    Mit einem Ächzen robbte Teyla über die dunklen Fliesen, fühlte sich schwach, ausgelaugt und zittrig, lehnte ihren pochenden Schädel gegen die kühle gekachelte Badezimmerwand und versuchte ihre wild in ihrem Kopf umhersausenden Gedanken zu ordnen, was sich ebenso unmöglich herausstellte, wie der Versuch nicht mehr an ihren Traum zu denken.
    Teyla merkte, wie sie wieder zu zittern begann und wie ihr Magen wieder zu rebellieren drohte. Sie biss sich auf die Zähne, schloss ihre Augen, versucht möglichst ruhig zu atmen.
    Sie spürte genau wie ihr Herz im Angesicht des Traum rasend schnell schlug. Nur nach und nach normalisierte sich der Rhythmus wieder. Es dauerte noch einige Sekunden, ehe sie wieder einigermaßen Herr über ihre Sinne war und langsam die Augen öffnete.

    Es war helllichter Tag und Sonnenstrahlen drangen durch die halb geschlossenen Jalousien herein, projektierten bizarre Schattenmuster auf den Badezimmerboden, die ebenso bizarre Tänze vollführten.
    Teyla ließ ihre vom Träumen ausgelaugten Augen einen Moment lang über den Boden schweifen, schloss sie dann aber mit einem leisen Stöhnen wieder.
    Ihr Atem ging noch immer rasch und ihre Zunge fühlte sich viel zu groß und pelzig an, ganz zu schweigen von dem bitteren Geschmack des Erbrochenen.
    Langsam quälte sie sich wieder auf die Beine, wobei sie sich am Waschbecken hochzog und den Blick in den Spiegel mied.
    Sie spülte ihren Mund aus und hielt ihren Kopf unter den kalten Wasserstrahl, bevor sie zu der Ansicht gelangte, dass sie eine kalte Dusche ohnehin dringend nötig hatte. Rasch entledigte sie sich ihrer verschwitzten Kleidung, betrat die Duschkabine und drehte den Wasserhahn weit in den blauen Bereich.
    Die Athosianerin erschauderte, als das eiskalte Wasser auf ihre noch immer bebenden Schultern traf, und wich im ersten Moment zurück, besann sich dann jedoch anders und stellte sich direkt unter den Wasserstrahl, der aus dem Duschkopf schoss.
    Seufzend schloss sie die Augen und ließ sich das kalte Wasser übers Gesicht, über die Haare und den Rest ihres zitternden Körpers laufen. Sie merkte, wie sich ihr Herz in ihrer Brust schmerzhaft zusammenzog, sich nach ein paar Sekunden aber wieder entspannte und in einem ruhigen, gleichmäßigen Takt weiterschlug.
    Die kalte Dusche war genau das, was sie gebraucht hatte. Der Druck in ihrem Kopf nahm ab und ihre Schultern entspannten sich. Umhüllt von eiskaltem Wasserdampf, vergaß sie fast, was ihr den Verstand raubte. Aber nur fast…

    Sie stellte das Wasser ab und trat aus der Duschkabine, vor den Spiegel, der ihr, wie erwartet, ein Bild des Grauens präsentierte.
    Teyla war bewusst, dass sie schlecht aussah, aber nicht, wie schlecht. Sie zuckte unwillkürlich zusammen, als sie jene blasse, zittrige Gestalt entdeckte, die ihr gegenüber stand und sie aus glanzlosen braunen Augen ansah. Dunkle Ringe lagen unter diesen traurigen, erschöpften Augen, die in dem bleichen, hageren Gesicht fast untergingen.
    Für einen Moment schloss die Athosianerin die Augen, beugte sich vor und presste ihre heiße Stirn gegen den kühlen Spiegel, fand allerdings nicht die Ruhe, die sie suchte. Ihr Inneres war aufgewühlt und sie fühlte sich verwirrt, wusste nicht, was Realität und was Traum war und das verstörte sie auf eine ihr unbekannte Weise.

    Ihr Traum. Der Traum war der Grund für all das hier, für ihre Misere. Es war nicht das erste Mal, dass sie ihn gehabt hatte, aber jedes Mal war er aufs Neue erschreckend real und ließ sie verstört aufwachen. Teyla wusste nicht, wann der Alptraum begonnen hatte. Sie wusste nur, dass er sie jede Nacht heimsuchte und jedes Mal, wenn sie sich hinlegte und versuchte zu schlafen. Es war jedes Mal derselbe Traum, nicht immer das gleiche Szenario, aber derselbe thematische Inhalt. Bis jetzt hatte sie nicht gewagt, sich Hilfe bei jemand zu suchen, da es ihr unangenehm war über diesen doch sehr intimen Traum zu reden.
    Die Bilder sorgten selbst bei ihr für Gänsehaut und wenn sie daran dachte, sträubten sich ihr die Nackenhaare und ihr wurde schwindelig.
    Kate Heightmeyer, die Psychologin der Basis, hatte ihr angeboten, mit ihr darüber zu reden, doch das wollte Teyla nicht. Sie wollte niemanden vom dem Traum erzählen, auch wenn er sie noch so sehr quälte, denn sie wollte um jeden Preis verhindern, dass jemand den wahren Grund herausfand.

    Teyla seufzte. Zwei Monate waren seit jener verhängnisvollen Nacht vergangen, die sie an die Grenzen ihres Verstandes gebracht hatte. Zwei Monate! Sie konnte gar nicht glauben, wie wahnsinnig schnell die Zeit vergangen war. Es waren tatsächlich zwei Monate seit jener Nacht vergangen, die alles verändert hatte.
    Zwei Monate voller Scham und offener Fragen lagen hinter ihr, die Schuldgefühle wollten einfach nicht verstummen und die Antwort auf das ‚Warum’ war noch immer nicht gefunden.
    Zwei Monate war es nun her, dass sie ihrem Verlangen erlegen war und mit einem Mann geschlafen hatte, der ihr so viel bedeutete und dessen Freundschaft sie über alles schätzte, nun aber höchstwahrscheinlich für sehr lange Zeit verloren hatte.

    Sie erinnerte sich nur ungern an die Nacht, die sie mit John verbracht hatte, denn das schürte Angst und Unsicherheit in ihr. Noch immer verstand sie nicht, warum sie es getan hatte. Nun gut, sie hatte schon immer eine besondere Beziehung zu John gehabt, aber ihre Gefühle waren stets rein platonischer Natur gewesen. John war ihr Freund, nicht mehr. Ihr Arbeitskollege und Partner, dem sie ihr Leben anvertrauen würde. Er war für sie wie der große Bruder, den sie nie gehabt hatte.

    Noch nie hatte sie sich von ihren eigenen Gefühlen so sehr beeinflussen lassen wie in jener Nacht. Je länger sie darüber nachdachte, desto klarer wurde ihr, dass es ein schlimmer Fehler gewesen war, der sie nicht nur mit Schuldgefühlen überhäufte sondern auch ihre enge Freundschaft mit John erschüttert hatte.
    Seit jenem Vorfall redete er kaum noch mit ihr, nur wenn es unumgänglich war oder Dr. McKay und Ronon dabei waren. Er hatte sich zurückgezogen und versuchte nicht einmal, ihr gegenüber zu treten, um über das zu reden, was zwischen ihnen vorgefallen war. Teyla wusste, dass John nicht gut in solchen Dingen war- das hatte er ihr selbst gesagt-, aber konnte er sich wenigstens nicht etwas bemühen?
    Die Fragen nach dem ‚Warum’ zerrissen sie und sie konnte sich nicht vorstellen, dass es ihm nicht genauso erging. Warum war er nur so stur? Warum sträubte er sich der Wahrheit zu stellen? Es war passiert und konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden, sie musste fortan mit der Tatsache leben, dass diese Nacht ihre ganze Freundschaft verändert hatte.

    Resigniert seufzend wickelte Teyla ihren nassen Körper in ein großes weißes Handtuch ein und kehrte in den Wohnbereich ihres Quartiers zurück. Es hatte keinen Sinn, sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen, und wenn sie ehrlich sein sollte, hatte sie im Moment weder Kraft noch Lust dazu.

    Ihr Quartier glich einem Schlachtfeld. Selbst trotz der heruntergelassenen Jalousien war die Unordnung nicht zu übersehen. Sie war schlicht zu ermattet gewesen, um die Kleidung wegzuräumen, die sich auf dem Boden und den Möbeln stapelte, und ihre Kopfschmerzen waren zu stark gewesen, als dass sie sich hatte aufraffen können, um die Jalousien hochzuziehen und Tageslicht hereinzulassen.
    Seit Tagen schon bewegte sich Teyla in Dunkelheit, vermied jede störende Licht- oder Lärmquelle, um unnütze Schmerzen zu vermeiden. Sie konnte sich keinen Reim daraus machen, aber irgendwie war sie gegenüber Licht und Lärm empfindlich geworden.
    Das war allerdings keine Lösung für die Tatsache, dass die Luft in ihrem Quartier buchstäblich stand und es förmlich nach Unwohlsein und Angstschweiß roch. Es musste etwas getan werden, so konnte es nicht weitergehen!

    Deswegen machte sich die Athosianerin daran, etwas Ordnung zu schaffen, sammelte die überall verstreut liegenden Kleidungsstücke zusammen, faltete sie ordentlich zusammen und legte sie in den Kleiderschrank, nicht ohne dabei selbst in frische Klamotten zu schlüpfen.
    Nach ein paar Minuten schon wirkte ihr Quartier um einiges wohnlicher und als sie schließlich die Jalousien hochzog und das Fenster weit öffnete, durchflutete die kühle Meeresluft den Raum und trug den abgestandenen Geruch hinaus.

    Auch wenn es schmerzte, fasste Teyla den Entschluss hinaus zu gehen, auf den kleinen Balkon, der an ihr Quartier angrenzte. Licht und das Rauschen des Meeres verstärkten ihre Kopfschmerzen nur noch, die frische Brise jedoch erfrischte sie. Zum ersten Mal fühlte sie sich lebendig und sie spürte, wie die Farbe in ihre Wangen zurückkehrte.
    In einer Geste der Erleichterung, verkreuzte sie die Arme vor ihrem Brustkorb, lehnte den Kopf zurück und ließ sich die kalte Luft durch die noch immer nassen Haare fahren. Das Ziehen in ihrer Kopfhaut ließ sie vergessen und war zugleich entspannend, lenkte sie ab von den Sorgen, die sie hatte.

    „Teyla, hier spricht Dr. Beckett“, gab ihr Headset auf einmal knacksend und rauschend von sich und die Athosianerin zuckte zusammen, als der schwere schottische Akzent des Arztes die Stille durchbrach. „Ich hoffe, ich störe Sie nicht gerade bei irgendetwas, aber ich müsste dringend mit Ihnen sprechen.“

    „Sie stören nicht, Carson“, teilte Teyla dem Arzt freundlich mit. „Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“

    „Es ist alles in bester Ordnung, aber ich mochte das wenn möglich gerne persönlich mit Ihnen besprechen“, erwiderte er. „Könnten Sie runter in die Krankenstation kommen, wenn Sie gerade etwas Zeit haben?“

    „Natürlich“, sagte sie. „Ich habe im Moment nichts zu tun, also werde ich gleich zu Ihnen kommen, wenn das in Ordnung geht?“

    „Sehr schön.“ Teyla konnte Carsons freundliches Lächeln förmlich vor sich sehen. „Ich werde mich dann bereithalten, meine Liebe.“


    Nachdenklich schloss Teyla die Balkontüre hinter sich und machte sich auf den Weg zur Krankenstation. Ob wirklich alles in Ordnung war, fragte sie sich besorgt. Seit ihrem kleinen Zusammenbruch im Korridor waren erst zwei Tage vergangen und Carson hatte sie erst gestern entlassen, nachdem sie eine Nacht zur Beobachtung hatte dableiben müssen. Carson hatte nichts Besorgniserregendes finden können, hatte sie aber vorsichtshalber für den Rest der Woche von allen Außenwelteinsätzen abgezogen. Damit Sie sich mal richtig ausruhen können, hatte er begründet.
    Hatte er nun vielleicht doch etwas gefunden? Teyla erinnerte sich an die Mission vorherige Woche, die sie und das Team an ihre Belastungsgrenzen gebracht hatte und sie durch das schlechte Wetter gezwungen waren, drei Tage unter den schlimmsten Bedingungen zu leben, die sie sich nur vorstellen konnte. Drei Tage ohne sauberes Wasser und Nahrung, die sich teilweise noch bewegt hatte. Drei Tage in einer kalten Höhle mit hunderten anderen Leuten, von denen die Hälfte unter einer Virusinfektion gelitten hatte.
    Was, wenn sie sich infiziert hatte? Sie erinnerte sich, wie schlimm es um einige der Menschen gestanden hatte. Elizabeth hatte zwar sofort nach ihrer Rückkehr ein medizinisches Notfallteam auf den Planeten geschickt, aber die meisten waren der Krankheit bereits erlegen gewesen. Was, wenn nun auch sie dieses Schicksal ereilen würde?

    Vor Besorgnis die Stirn runzelnd trat Teyla aus dem Transporter, der sie auf die Ebene befördert hatte, auf der die Krankenstation lag.

    Carson Beckett, der freundliche Arzt aus den schottischen Highlands, erwartete sie bereits, auch wenn er in Akten vertieft war, als sie die Krankenstation betrat. Ein strahlendes Lächeln huschte über seine Lippen und seine azurblauen Augen empfingen sie funkelnd.

    „Teyla, wie schön, dass Sie es einrichten konnten“, freute er sich und kam ihr ein paar Schritte entgegen.

    Teyla erwiderte das Lächeln des Arztes nervös, senkte dann aber unwillkürlich die Stimme. „Ist alles in Ordnung?“, fragte sie.

    „Jaja, alles in Ordnung, wie ich bereits sagte“, antwortete Carson, packte sie jedoch sanft an ihren Ellenbogen und geleitete sie in einen etwas ruhigeren Bereich der Krankenstation. „Ich will nur nicht, dass es jeder mitbekommt“, erklärte er sein Vorgehen.

    „Carson…“ Teyla lächelte nervös. „Sie sagten doch, es ist alles in Ordnung. Warum-“

    „Es ist auch alles in Ordnung“, fiel der Schotte ihr ins Wort und legte ihr beruhigend die Hände auf die Schultern. „Ich habe Sie nur gerufen, weil ich endlich die Ergebnisse Ihres Bluttests habe. Sie müssen sich keine Sorgen machen, Liebes, ich habe keine Anzeichen des Virus’ gefunden, der auf P3X771 grassierte. Sie sind vollkommen gesund.“

    Ein Gefühl der Erleichterung fuhr durch die Athosianerin und sie seufzte kurz. Sie hatte nicht die Krankheit, die die Menschen auf dem Planeten dahinraffte- das war gut. Sie war gesund. Ihr ging es gut.

    „Allerdings“, setzte Carson erneut an, „habe ich etwas anderes gefunden.“

    Teyla horchte auf. „Etwas… anderes?“, echote sie… und das nervöse Flattern in ihrer Brust kehrte augenblicklich zurück und schnürte ihr die Kehle zusammen. „Etwas anderes?“, sagte sie noch einmal.

    Nun lachte Carson. „Nichts Schlimmes, Teyla“, beruhigte er sie abermals, korrigierte sich dann aber leicht. „Jedenfalls nehme ich das an. Es ist nichts, worüber Sie sich Sorgen machen müssen, aber Sie müssen mir versprechen, dass Sie es in nächster Zeit etwas ruhiger angehen lassen, okay?“

    „In nächster Zeit?“ Teylas Kehle war staubtrocken.

    „Naja, zumindest für die nächsten sechs, sieben Monate“, schmunzelte Carson. „Der Bluttest hat ergeben, dass Ihre HcG-Werte erhöht sind, Teyla.“

    „Und, was bedeutet das?“, hakte die Athosianerin nach.

    Carsons Lächeln wurde breiter. „Dass heißt, dass Sie schwanger sind, meine Liebe“, antwortete er ihr wie selbstverständlich. „Ich würde sagen, etwa in der achten bis neunten Woche.“

    TBC

    Spoiler 
    @ Ailya und claudi70:

    Vielen, vielen Dank für eure Kommentare und es tut mir wirklich sehr leid, dass ich im Moment leider keine Zeit habe sie zu beantworten. Ich werde es aber ganz sicher nachholen, versprochen!!!!
    Geändert von Nyada (29.08.2011 um 16:49 Uhr)

  8. Danke sagten:


  9. #5
    Major General Avatar von Kris
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    Entschuldige, dass ich erst jetzt reagiere, aber in den letzten Tagen war mir nicht danach, viel zu machen. Aber nun werde ich das nachholen, ehe ich es wieder vergessen. Erst einmal vielen Dank, dass du so von meiner Geschichte inspiriert worden bist und dir die Idee zu einer Fortsetzung kam. Das ist auch ein großes Lob für einen Autoren, wie ich dir ja schon per PN geschrieben hatte.

    Die Aufgabe, die du dir ausgesucht hast, ist auch keine einfache.Teyla ist schwanger und neben den Vorwürfen, die sich die beiden machen kommt ja jetzt wahrscheinlich auch noch die Frage dazu: Wie menschlich wird das Kind sein. Brodelt nicht vielleicht auch noch der Retrovirus in seinen Genen? Werden die beiden es lieben können? Und wie arrangieren sich die beiden nun damit?

    Das erste Kapitel ist eine schöne Einführung in "die Zeit danach". Teyla und John hadern miteinander und gehen sich aus dem Weg. Teyla fühlt sich schlecht und weiß nicht warum. Dass alles kommt schon sehr gut rüber. Im zweiten Teil forcierst du das ja sehr deutlich durch den Taum. Sagen wir einmal so, er ist hart an der Grenze, aber psychologisch ausgewertet ist das auch noch eine Antwort auf das, was ihr mit John passiert ist. Im Moment sucht das Unterbewusstsein nach einer Rechtfertigung. In der Hinsicht ist es für mich auch in Ordnung, wenn sich Teyla hier eher schwach zeigt. Denn sie war in dem Moment ja schwach und weiß vermutlich immer noch nicht - warum.

    Nach dem Wachwerden hätte ich vermutlich versucht sie ein wenig aktiver darzustellen und ihr "mit sich ringen" noch ein wenig zu konkretisieren. Denn eigentlich ist sie nicht der Typ, der still leidet, sondern auch aktiv etwas unternimmt und der Sache auf den Grund geht. Ich würde mir daher auf jeden Fall bald ein Gespräch zwischen den beiden - John und Teyla - wünschen, indem sie auch aktiv sagt, was Sache ist.

    Aber ich bin mir sicher, du wirst das schon so oder so machen und ich lasse mich überraschen, wie die Geschichte weiter geht.

    Ansonsten werde ich mal zusehen, dass ich deine mit meiner Geschichte verlinke.
    Kolya, der Trust und ein irrer Serienkiller in:Im Grau der Schatten, Double Trouble & In den Händen des Schicksals. Ungekannte Abenteuerer von John Sheppard & Co in "Stargate Atlantis - Die verborgenen Szenen": Aufbruch in eine neue Welt und Das erste Jahr und Die Specials.

    John Sheppards Schicksal im Vegasverse :"Solitary Man" no more

    *Neu:* Kapitel 22 seit Okt 2016: Wenn der schlafende Tiger erwacht (Star Trek Into Darkness Prequel)
    * NEU* Doktor Who: Die Saat des Zorns * Der Schatten des Doktors * Drabbles

  10. Danke sagten:


  11. #6
    Die nach den Sternen greift Avatar von Ailya
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    Zitat Zitat von Nyada Beitrag anzeigen
    „Und, was bedeutet das?“, hakte die Athosianerin nach.

    Carsons Lächeln wurde breiter. „Dass heißt, dass Sie schwanger sind, meine Liebe“, antwortete er ihr wie selbstverständlich. „Ich würde sagen, etwa in der achten bis neunten Woche.“
    Ich wusste es!!! Eine andere Möglichkeit wäre ehrlich gesagt schwer vorstellbar, wenn nicht sogar undenkbar, gewesen.
    Aber das doch recht Vorhersehbare macht die Handlung um einiges interessanter wenn du mich fragst. Allerdings auch nicht gerade einfach, um Kris Recht zu geben. Die Schwangerschaft wird einiges komplizierter machen und ich bin mir nicht sicher, ob die beiden werdenden Eltern sich wirklich "freuen" können. Kris hat es schon angesprochen, aber ich erwähne es noch einmal: Wie menschlich wird das Kind sein? John war schließlich mit dem Retrovirus infiziert, als er und Teyla... nun ja, zusammenkamen.

    Auf jeden Fall bin ich gespannt, wie John auf die Nachricht, dass er Vater wird reagiert, und wie die beiden sich arrangieren werden. Es wird sicher nicht leicht werden.

    Um nun noch mal auf den Traum zurückzukommen. Nun ja, was soll ich sagen? Es war hart an der Grenze, aber wie sagt meine Mutter es doch immer gleich? Das Gehirn macht die unmöglichsten Sachen, um Geschehenes zu rechtfertigen.
    Auch wenn das, was zwischen den beiden vorgefallen ist, keine Vergewaltigung in dem Sinne, dass einer der beiden es nicht wollte, war.

    Tolles Kapitel und ich freue mich schon auf die FS und das Gespräch zwischen J/T.
    LG, deine Ally

  12. Danke sagten:


  13. #7
    Mama, im Dienste Ihrer Majestäten Avatar von Nyada
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    Standard Gebranntes Kind

    A/N: Gefühlte einhundert Versuche später ist es endlich geschafft. Es ist noch nicht das tiefgründige Kapitel, das ich euch versprochen habe, aber ich arbeite daran. Ich bin einfach nur froh, es endlich geschafft zu haben*seufz*!

    Dieses Kapitel ist eher emotionsgeladen, als psychologisch hinterfragend (?), denn schließlich brauche ich ja noch etwas Stoff für die nächsten Kapitel. Ich hoffe, es gefällt euch trotzdem und es würde mich freuen eure Meinung zu erfahren.

    LG, eure Moni

    +o+o+o+o+o+





    You're in the dark
    There's no one left to call
    And sleep's your only friend
    But even sleep
    Can't hide you from all those tears
    And all the pain and all the days
    You wasted pushin' them away
    It's your life, it's time you face it

    David Archuleta – Desperate


    Die ersten frühen Sonnenstrahlen kitzelten über ihre Haut, als sie mit nackten Füßen an der Wasserkante entlang spazierte, den kalten Metallboden des östlichen Piers unter ihren Fußsohlen spürend. Der Wind, der im Vergleich zu gestern deutlich an Kraft zugelegt hatte, zauste durch ihr Haar, das sie am Hinterkopf zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Einige rostbraunen Strähnen hatten sich bereits wieder gelöst und wurden von der kühlen Meeresbrise aus ihrem rosigen Gesicht gepustet.
    Es war ein schöner Tag, bedachte man, dass er noch jung war. Der feuerfarbene Sonnenball war erst vor einer halben Stunde aus dem Ozean empor gekrochen und stand noch niedrig im fast wolkenlosen Himmel. Es versprach ein schöner, sonniger Spätsommertag zu werden, der mit einem nicht minder atemberaubenden Sonnenuntergang enden würde.

    Teyla seufzte leise auf, als sie die salzige Meeresluft einzuatmen begann. Die Stille und Frische des heranbrechenden Tages genießend, ließ sie ihren Blick an der Wasserkante des Meeres entlang schweifen, das die Stadt umschloss. Strahlendweiß tänzelte die Gischt über die Wasseroberfläche und glitzerte im Licht der aufgehenden Sonne. Kleine, goldene Wellen rollten sich, schlugen leise gluckernd an den Pier und brachen mit stillem Getöse an den Befestigungen der Stadt, und das Wasser zerspritzte weit und wild in alle vier Himmelsrichtungen.
    Einige Vögel, die es sich auf den Vorsprüngen gemütlich gemacht hatten, schnatterten empört und stiegen unter lautem Protest in den rosafarbenen Morgenhimmel empor. Sie schwebten schwerelos durch die Lüfte, mit ausgebreiteten Flügeln und ließen sich vom Wind davontreiben.

    Sehnsüchtig sah Teyla den fliegenden, weißgefiederten Geschöpfen dabei zu, wie sie höher und höher in den morgendlichen Himmel stiegen und irgendwann zwischen den wenigen Federwolken verschwanden. Sie waren frei, konnten hingehen, wo auch immer sie hinwollten, mussten nicht an Morgen denken sondern lebten nur heute. Wie oft in ihrem Leben hatte sie sich gewünscht, es den Vögeln nachmachen zu können und einfach emporzusteigen, einfach davonzufliegen und so ihren Sorgen zu entfliehen. Diese Vögel besaßen nichts außer ihrem Leben; sie hatten keine Verpflichtungen und somit auch keine Sorgen. Sie waren schlichtweg frei.
    Teyla, ihrerseits, hatte schon oft bedauert, mit ihren Sorgen und Ängsten zurückbleiben zu müssen, denn sie konnte nicht so einfach davonfliegen wie es die Vögel taten. Sie war nur ein Mensch- das Glück der Sorglosigkeit blieb ihr für immer verwehrt.

    Seufzend löste die Athosianerin ihren Blick vom schwach bewölkten Himmel, zog sich ihre Schuhe wieder an und schritt dann eine kurze Brücke entlang, die sie vom Pier hinauf auf einen Steg führte, von wo aus sie den Ozean überblicken konnte- oder zumindest den Teil, der für ihre Augen fassbar war. Wenn sie sich anstrengte, konnte sie in der Ferne sogar die Küste des Festlandes ausmachen, allerdings nur an guten, klaren Tagen, so wie heute.
    Tatsächlich blitzte die Küste des Festlandes als ein schmaler, heller Streifen am Horizont auf und Teyla spürte das Ziehen in ihrer Brust, wenn sie daran dachte, dass ihr Volk quasi nur einen Steinwurf weit von ihr entfernt war.
    Wie lange war es her, dass sie zuletzt dort gewesen war? Es war schon eine zu lange Zeit vergangen und sie bedauerte es. Monate lagen zwischen heute und ihrem letzten Besuch. Sie vermisste Halling, Jinto und Wex, ihren guten, alten Freund aus Kindertagen, Kanaan, und ihre Freundin Charin, die wie eine Mutter für sie war.

    Als sie an die alte Athosianerin dachte, zog sich Teylas Herz noch weiter zusammen, und ihr wurde klar, wie sehr sie Charin doch vermisste. Ihr fehlten die gemeinsamen, manchmal stundenlangen Gespräche. Und sie konnte sich schon gar nicht mehr daran erinnern, wie Charins berühmte Wurzelsuppe schmeckte.
    Teyla vermisste Charin und deren warmherzige Art. Charin hatte immer ein offenes Ohr für sie und ihre Sorgen gehabt, und gerade jetzt brauchte Teyla eine Zuhörerin mehr als sonst.

    Mit dem Gedanken spielend, ihrer Freundin Charin wieder einmal einen Besuch abzustatten, flanierte Teyla den Steg entlang, der sie einmal um den nördlichen Pier herumführen würde, ehe sie in Kürze wieder dort angekommen würde, wo sie vor mehr als einer halben Stunde gestartet war.
    Es war schon der dritte Morgen in Folge, dass sie nicht mehr hatte schlafen können und statt sich unnütz im Bett herumzuwälzen, draußen an der frischen Luft spazieren gegangen war. Die frische Morgenluft half ihr dabei, einen klaren Kopf zu behalten und milderte auch die Symptome ihres Unwohlseins am Morgen, das sie seit nunmehr einer Woche heimsuchte.

    Teyla blieb stehen, lehnte sich gegen die eiserne Balustrade des Stegs und schloss für einen Moment die Augen, ließ sich die frische Meeresluft ins Gesicht pusten, atmete gleichmäßig tief ein und aus und versuchte sich auf ihre innere Mitte zu konzentrieren. Unwillkürlich wanderten ihre Hände während dieses meditativen Akts zu ihrem Bauch und legten sich schützend über diesen.
    Es dauerte keine zwei Sekunden und ihre Augen öffneten sich von allein und ihre Gedanken wanderten zu dem kleinen Wesen, das sie unter ihren Händen, tief in ihrem Inneren, unter ihrem Herzen trug. Zwei Tage waren vergangen, seit sie von Dr. Beckett erfahren hatte, dass sie ein Kind erwartete, und noch behielt sie es für sich. Niemand wusste, dass sie schwanger war. Nur sie und Carson. Noch nicht einmal ihrer besten Freundin, Elizabeth, hatte sie es erzählt. Es war ihr kleines Geheimnis und Teyla wollte, dass das fürs Erste auch so blieb, hatte sie sich selbst doch noch gar nicht mit dem Gedanken anfreunden können, bald Mutter zu werden.

    Nachdem sie bei Dr. Beckett auf der Krankenstation gewesen war und die Nachrichten erhalten hatte, war sie ziellos durch die Stadt geirrt, mit dem Kopf voller wirrer, sich überschlagender Gedanken. Sie war schwanger! Sie würde ein Kind bekommen! Sie- eine Mutter!
    Zunächst hatte ihr Körper panisch auf die Neuigkeiten reagiert; ihr Herz hatte wie wild in ihrer Brust geschlagen und mit einem Mal war eine nicht zu unterdrückende Übelkeit in ihr aufgestiegen. Die Gedanken waren nur so durch ihren Kopf geschossen und sie hatte versucht zu begreifen, was das nun bedeutete.
    Erst langsam hatte sie sich an den Gedanken gewöhnt, doch abgefunden hatte sie sich damit selbst zwei Tage danach noch nicht. Und wenn sie ehrlich sein sollte… dann hatte sie schreckliche Angst.
    Sie hatte Angst vor dem, was nun auf sie zukommen würde. Es war nicht die Tatsache, dass sie ein Kind erwartete, die ihr Kopfzerbrechen bereitete, sondern vielmehr die, dass es sich um Johns Kind handelte.

    Für sie war von Anfang an klar gewesen, dass niemand sonst als der Vater des Kindes in Frage kam, weil es außer dem amerikanischen Soldaten niemand anderes gegeben hatte. Sie hatte mit niemand anderem das Bett geteilt, was nur den Schluss zuließ, dass John Sheppard der Vater ihres ungeborenen Kindes war. Diese Erkenntnis machte es jedoch nicht leichter für Teyla- im Gegenteil. Zum einen war sie froh, dass ihr Ungeborenes einen ehrenhaften, tapferen Mann wie John einer war zum Vater haben würde. Andererseits fürchtete sie sich vor der Reaktion des Soldaten, der sicher nicht begeistert sein würde.
    Sie war es ja auch nicht. Sie hatte nicht geplant, schwanger zu werden, schon gar nicht von John. Er war ihr bester Freund, nicht mehr. John war für sie wie der Bruder gewesen, den sie nie hatte. Mit ihm konnte sie lachen und sich freuen; die Nacht, in der sie beiden ihren körperlichen Begierden erlegen waren, hatte diese Freundschaft bedauerlicherweise tief erschüttert, und jetzt sollte auch noch ein Kind unterwegs sein?
    Ihre gemeinsame Liebesnacht war ein einziger Akt der Verleumdung gewesen und sie beide wussten das, hatten bis jetzt allerdings noch nicht über das Geschehene geredet. Jetzt schienen sie jedoch keine andere Wahl zu haben, denn ein Kind war entstanden, ihr Kind- eine wahrscheinlich unliebsame Konsequenz, gezeugt in einem einzigen Moment der Schwäche.

    Teyla seufzte zum wiederholten Male an diesem noch recht jungen Tag und ihre Hände streichelten über ihren Bauch, der noch so flach war, dass es noch ein paar Wochen dauern würde, bevor man erahnen könnte, dass sie ein Kind in sich trug.
    Die Berührungen erfüllten Teyla mit Ehrfurcht und mit einem Mal fühlte sie, wie sich eine Welle von Emotionen ihren Weg durch sie hindurchbahnte. Sie konnte diese Emotionen nicht beschreiben; es war ein merkwürdiges Gefühl, ein warmes Flattern in ihrem Brustkorb.
    Es war eine starke Emotion, die stärkste, die sie je empfunden hatte.
    Sie lächelte, als sie begriff.
    Ganz gleich, was für Ärger auf sie zukommen würde, was für Probleme sie bekommen würde und dass dieses Kind nicht geplant war, empfand sie so etwas wie Zuneigung für ihr Ungeborenes.
    Es war… Liebe, die in ihr reifte, wenn sie daran dachte, dass sie von nun an nicht nur für sich allein zu sorgen hatte. Mit einem Mal interessierte sie es gar nicht, wie dieses Kind zustande gekommen war. Ihr war es egal, ihr war es einfach egal. Es war ihr Kind und sie liebte es, ganz gleich, was die anderen sagen und denken würde. Ganz gleich, was John dazu sagen würde-

    Ihr Gedankengang fand ein abruptes Ende, als sie an den Vater ihres ungeborenen Kindes dachte. Er musste es erfahren! Sie musste es ihm sagen! Bald; sie musste es ihm bald sagen, am besten sofort! Sie konnte und durfte nicht warten. Er hatte ein Anrecht darauf, es zu wissen; es war schließlich auch sein Kind, ob er es nun wahrhaben wollte oder nicht.
    Teyla ballte entschlossen ihre Hände zu Fäusten und ließ sie auf die Balustrade sinken. Ein Gespräch zwischen ihnen war sowieso längst überfällig und nun hatte sie endlich einen Grund zu ihm zu gehen. Bisher hatte sich alles in ihr gesträubt und sie hatte engeren Kontakt zu ihm vermieden, weil sie sich schämte. Es war nicht so, dass dieses Gefühl verschwunden war; nein, sie schämte sich noch immer. Das, was zwischen ihnen passiert war, hätte niemals passieren dürfen, und es machte sie krank, zu wissen, dass sie es einfach so zugelassen hatte. Doch sie konnten es nicht mehr ändern. Was geschehen war, war geschehen. Nun allerdings mussten sie sich mit dem nächstgelegenen Problem auseinandersetzten- ihrer Schwangerschaft. Mit dem Kind, das sie erwartete.

    ooOOoo

    John keuchte erschrocken auf und schnappte nach Luft, als das harte Holz in seine Kniekehlen schnellte und ihn zu Fall brachte. Er machte einen stolpernden Satz nach vorne, versuchte vergebens irgendwo nicht vorhandenen Halt zu finden und fiel der Länge nach auf den kalten Boden. Dort blieb er liegen- völlig außer Atem und nassgeschwitzt. Sein Herz hämmerte angestrengt in seinem Brustkorb, sein Puls raste und er hörte förmlich das Blut und Adrenalin durch seine Adern rauschen.

    „Sie sind nicht bei der Sache, Sheppard“, bemerkte Ronon Dex, sein Trainingspartner, trocken, tauchte über dem am Boden liegenden Soldaten auf und stupste diesen mit seinem Bantosstab anklagend in die Seite.

    John wusste, dass der Sateder recht hatte, versuchte es aber zu ignorieren. Das Gesicht zu einer Grimasse verziehend, rollte er sich schwerfällig auf den Rücken, setzte sich dann auf, das Brennen in seinen Kniekehlen ignorierend. Seine Unterarme waren krebsrot und kribbelten, sein malträtiertes Hinterteil schmerzte und er befürchtete, für lange Zeit nicht mehr richtig sitzen zu können.
    So langsam kam ihm der Verdacht, dass es dem Sateder Spaß machte, ihn leiden zu sehen und ihn zu vermöbeln.

    Ronon stand breitbeinig über ihm, grinste und streckte ihm seine prankenartige Hand entgegen, doch John bedachte ihn nur missbilligenden Blickes und stieß sich mit den Ellenbogen vom Boden ab.
    Ächzend kämpfte er sich auf die Beine und verharrte dann einen Moment in seiner Bewegung, als sich alles um ihn herum zu drehen begann, aber daran hatte er selbst Schuld. Er hatte seinen hünenhaften Teamkameraden gebeten nicht zimperlich mit ihm zu sein. Es war etliche Wochen her, dass sie beide zum letzten Mal trainiert hatten; er konnte sich schon gar nicht mehr daran erinnern.

    John seufzte tief und fokussierte Ronon, als der Schwindel langsam verflog und seine Gedanken wieder klarer wurden. Es war viel passiert in den letzten Wochen und er musste dringend den Kopf freibekommen. Von dem Training mit Ronon hatte er sich genau dies erhofft, doch so langsam fragte er sich, ob das wohl wirklich eine so gute Idee gewesen war; sein Hinterteil schmerzte, seine Kniekehlen brannten und sowieso erweckte er einen eher geschundenen als gesunden Eindruck.

    „Alles in Ordnung? Sollen wir lieber aufhören?“, hörte er Ronon fragen, wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und schüttelte mit dem Kopf.

    „Mir geht’s gut“, erwiderte er schnell und funkelte seinen Trainingspartner an. „Wir können weitermachen.“

    Ronon zuckte mit den Schultern und nahm wieder seine Angriffsposition ein. „ Wie Sie wollen, Sheppard.“


    Der Sateder begann um ihm herumzupirschen, wie ein Raubtier um sein ahnungsloses Opfer. Geschickt ließ er seinen Bantosstab durch seine Hände gleiten, zuckte manchmal binnen Sekunden nach vorne, täuschte einen Angriff vor.
    Doch John kannte Dromoys lange genug, um zu wissen, dass er auf den richtigen Moment wartete. Ronon würde warten, bis er eine günstige Gelegenheit erhalten würde, um ihn wieder zu Boden zu schicken. Aber das würde ihm nicht gelingen!

    Johns Blick folgte seinem Teamkameraden, nicht einmal das noch so kleinste Muskelzucken entging ihm. Nicht ein Schweißtropfen perlte von der Haut des Sateders ab und tropfte zu Boden, ohne dass er es bemerkte.

    Ronon biss sich auf die Unterlippe und seine scheinbar undurchdringlichen braunen Augen studierten ihn unermüdlich. Er schien in seinem Kopf abzuwägen, wie er ihn überrumpeln wollte, wie er ihn demütigen wollte. Das würde nicht schwer werden, hatte er sich erst einmal für eine Methode entschieden.
    Ronon hatte mit ansehen müssen, wie die Wraith seinen Planeten vernichtet hatten, wie sie seine Freunde getötet hatten. Jahrelang war er vor ihnen davongelaufen, war eine Art Freizeitbeschäftigung für diese Monster geworden. Er hatte sich nicht lange an einem Ort aufhalten können, ohne Vernichtung über ihn zu bringen.
    John konnte sich nicht vorstellen, wie der Sateder diese Jahre der Einsamkeit hinter sich gebracht hatte. Wahrscheinlich damit, dass er kämpfte…
    Er kämpfte wie kein Zweiter, konnte jeden Gegner binnen Sekunden einschätzen und wenn nötig ausschalten. Im Großen und Ganzen war er eine Bereicherung für das Team.

    Ronons tiefe Narben an seinem Arm stachen John ins Auge. Schon bei ihrem ersten Treffen hatte er begreifen müssen, dass der Sateder eine Nummer zu hoch für ihn war. Und selbst jetzt- eineinhalb Jahre später- war er sich darüber im Klaren, dass sie sich nie ebenbürtig werden würde. Im Gegensatz zu ihm und Teyla. Seit sie einander kannten, hatte sie versucht ihn in die Kunst des traditionellen athosianischen Kampfes einzuweisen und inzwischen konnte sie sogar recht zufrieden mit ihm sein… meinte er zumindest. Im Laufe des letzten Jahres hatte er sich verbessert, war nicht mehr ganz so tollpatschig wie zu Anfang und konnte seine Bewegungen besser koordinieren. Hatte sie ihn damals noch mühelos besiegen können, so musste sie sich jetzt anstrengen.

    Unwillkürlich begannen seine Gedanken zu wandern, während Ronon und er sich umpirschten. Sein letzter Kampf mit der Athosianerin lag schon Wochen zurück, dennoch konnte sich John an jede Einzelheit erinnern. Die Bilder, die hinsichtlich seiner Erinnerungen an diese Trainingsstunde in seinem Kopf auftauchten, sorgten dafür, dass John sich unweigerlich anspannte und er zuließ, dass das Geschehene vor seinem inneren Auge erneut abgespielt wurde…

    Seine Lippen pressten sich hart auf die ihren. John kostete den Moment der Vereinigung voll aus und es kümmerte ihn nicht, als er spürte, wie Teyla sich erst anspannte und sogar gegen seinen festen Griff wehrte. Denn er wusste, sie würde schon bald sanft und nachgiebig werden und seinen Kuss mit dem gleichen brennenden Verlangen erwidern, das bereits durch seine Adern pulste.

    Seufzend schloss John die Augen für einen kurzen Augenblick, und fand sich- als er sie wieder öffnete- auf dem Boden zu Ronons Füßen liegend wieder, den Bantosstab des Sateders in die Seite gepresst, dessen Knie in seiner Wirbelsäule spürend.

    „Sie sind nicht bei der Sache“, meinte Ronon wieder und es kam John vor, als klang leichte Belustigung in der Stimme seines Freundes mit. Er wollte ihm etwas erwidern, doch es überraschte ihn, als außer einem Krächzen nichts über seine Lippen kam, und er einen stechenden Schmerz verspürte, als er sich aufrichten wollte.

    Ronon schien zu merken, dass er den Luftwaffenoffizier überrumpelt hatte, beugte sich nach vorne, reichte ihm seine Hand und zog ihn mit einem Ruck hoch.

    John stöhnte leise auf und das Knacksen in seiner Rückengegend gefiel ihm überhaupt nicht, ebenso wenig der Schmerz, der Sekunden später durch seinen Rücken fuhr und ihn nach Luft schnappen ließ.

    „Stimmt etwas nicht?“, fragte Ronon und schlenderte in Richtung Fensterbank, wo er erst einmal einen großen Schluck aus seiner mitgebrachten Wasserflasche trank. Als John ihn ansah, zuckte der hünenhafte Krieger nur mit den Achseln. „Sie scheinen mir nicht bei der Sache zu sein“, antwortete er auf die Frage, die John auf der Zunge lag.

    „Ach, wie kommen Sie denn da drauf?“, fragte John sarkastisch, tat es seinem Kameraden gleich und humpelte hinter diesem her. Er sah Ronon mit den Schultern zucken und dann nach seinem Handtuch angeln.

    „Ich weiß nicht“, brummelte der Sateder in das Handtuch hinein, als er sich das Gesicht trocken wischte. „Vielleicht bedrückt Sie ja irgendwas. Kann ja mal vorkommen.“

    „Nein, alles in Ordnung“, log John, nachdem er sich den Schweiß mit dem Handtuch vom Gesicht gewischt hatte.

    „Sie wissen, dass ich merke, wenn Sie mich anlügen, Sheppard?“, sagte Ronon, ohne ihn dabei anzusehen.

    John runzelte die Stirn. „ Warum sollte ich Sie jemals anlügen, Kumpel?“


    Das Zischen der automatischen Türe verkündete, dass jemand den Trainingsraum betreten hatte und als John und Ronon sich beide umdrehten, um zu sehen, wer da gekommen war, entdeckten sie Teyla, die im Türrahmen stehengeblieben war und sie beobachtete.

    „Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen?“ Die Stimme der zierlichen Athosianerin klang höflich und zurückhaltend. Sie hatte die Hände an ihre Hüften gepresst und musterte die beiden Männer abwechselnd.

    „Nein, wir sind fertig“, brummelte Ronon drauflos. „Wollen Sie-“

    „Nein, nein.“ Teyla schüttelte mit dem Kopf. „Ich hatte nur gehofft, mit Col. Sheppard vielleicht unter vier Augen sprechen zu können.“

    John wischte sich mit dem Handtuch erneut über sein Gesicht, nicht nur um den Schweiß zu trocken, sondern auch, um seine entgleisenden Züge hinter dem Froteestoff verstecken zu können.
    Sie wollte mit ihm reden? Ungläubig wiederholte er ihre Worte in seinem Kopf, nicht in der Lage sie zu verstehen. Sie wollte tatsächlich mit ihm reden? Unter vier Augen, also allein!? Das würde das erste Mal sein, dass sie wirklich allein waren. Allein in dem Sinne von ‚nur sie zwei, niemand sonst’.
    Eine verwirrende Panik überkam John, als ihm bewusst wurde, um was die Athosianerin gerade gebeten hatte. Er durfte sich das allerdings nicht anmerken lassen. Er musste cool bleiben, seine eigene Nervosität irgendwie verstecken oder überspielen.

    „Ich habe sowieso jetzt etwas anderes vor“, hörte er Ronon sagen und spürte den prüfenden Blick des Sateders auf sich liegen. Er nickte seinem Teamkameraden zu, signalisierte ihm, dass er ruhig gehen konnte; er würde das hier schon irgendwie allein hinbekommen.

    „Gehen Sie ruhig“, sagte John und warf das nasse Handtuch locker über seine Schulter. „Sehen wir uns nachher beim Essen?“

    Ronon, der sich inzwischen seine Wasserflasche unter den einen Arm und seine Bantosstäbe unter den anderen geklemmt hatte, nickte. „Klar“, war alles, was er erwiderte, dann drehte er sich um und verließ den Trainingsraum, aber nicht ohne in der Tür noch einmal stehenzubleiben und einen fragenden Blick über seine Schulter zu werfen.


    Als sich die Türen hinter dem Sateder geschlossen hatten, schlenderte John zur Sitzbank zurück und begann damit, seine Sachen einzusammeln, wohl wissend, dass er Teyla offensichtlich auszublenden versuchte- allerdings ohne Erfolg. Seufzend hielt er inne, schloss für einen Moment besinnend die Augen, drehte sich dann zu ihr um und sah sie an.

    „Ich…ich dachte mir, wir können vielleicht…reden“, erhob sie zögernd die Stimme und leckte sich verlegen über die Lippen.

    John führte die Wasserflasche an seine Lippen und trank einen großzügigen Schluck, sah sie kokett an und kräuselte die Nase, so wie er es immer tat, wenn er versuchte den Ahnungslosen zu spielen.

    „Worüber?“

    Teyla warf einen verstohlenen Blick über ihre Schultern, als wollte sie sich vergewissern, dass sie tatsächlich allein waren. Wieder tänzelte ihre Zunge über ihre Lippen, dann kam sie näher auf ihn zu, neigte den Kopf leicht zur Seite. Ein nervöses Flimmern lag in ihren braunen Augen, mit denen sie ihn eindringlich ansah.

    „John, Du weißt, was ich meine“, sagte sie- nein, sie flüsterte beinahe. „Wir sollten darüber reden“, fügte sie hinzu.

    „Geht das nicht wann anders?“, platzte es aus ihm heraus, bevor er darüber nachdenken, geschweige denn, es zurückhalten konnte. „Ich…ich hab’ gleich ein wichtiges Meeting mit Major Lorne“, versuchte er daraufhin zu retten, was noch zu retten war.

    Ein enttäuschter Ausdruck trat auf Teylas Gesicht. „Denkst Du nicht auch, wir haben es schon zu lange totgeschwiegen?“, wollte sie wissen.

    „Also, so lange-“

    „Zwei Monate, John“, fiel die Athosianerin ihm ins Wort. „Jeder normale Mensch hätte längst darüber geredet.“

    „Ich…ich bin einfach noch nicht soweit, okay?“, log der Soldat und fühlte sich noch nicht einmal schlecht dabei. Er wusste, dass Teyla recht hatte, dass sie irgendwann darüber reden mussten, was zwischen ihnen vorgefallen war, aber er hatte wahrlich keine Lust, es jetzt zu tun.

    „Und wann wirst Du bereit sein?“ Es klang fast wie ein Vorwurf. „Sag es mir, John.“

    Ein nervöses Lächeln war die Antwort. John wagte es nicht, Teyla direkt in die Augen zu sehen, denn er fürchtete, ihrem Blick nicht standhalten zu können. Stattdessen sah er zu Boden und stemmte dabei die Hände in die Hüften. Eine bedrückende Stille breitete sich aus, bis John schließlich seinen Blick erhob, ebenso wie seinen rechten Arm, um seinen Worten mehr Ausdruck zu verleihen, und begann, seinen Standpunkt darzulegen.

    „Hör zu. Ich denke wir sollten…“

    John fiel es schwer die Worte auszusprechen. Er wollte Teyla nicht verletzen, aber das, was zwischen ihnen passiert war, es… es war nicht richtig gewesen und es durfte nie wieder vorkommen. Niemand, aber auch absolut niemand durfte je davon erfahren, sonst wäre es gut möglich gewesen, dass irgendein regeltreuer Heini seine Fähigkeiten als Teamleiter und militärischer Leiter in Frage stellte. Das durfte nicht passieren! Er musste stets unparteiisch sein, und er hatte bemerkt, dass er es in letzter Zeit nicht gewesen war.

    „Teyla“, setzte er erneut an, seufzte tief. „Ich…“ Großer Gott, warum war das nur so schwer? Er holte tief Luft, dann: „Ich denke, es war ein Fehler und wir sollten nicht mehr darüber reden. Wir sollten es… vergessen.“

    Mit schuldbewusstem Blick wartete er auf eine Reaktion.

    Die Athosianerin starrte ihn an- ungläubig, geschockt und… und mit Tränen in den Augen? Warum, zur Hölle, weinte sie denn jetzt? War sie etwa nicht derselben Meinung wie er? Sie hatte sich doch schließlich auch von ihm ferngehalten! Warum weinte sie dann?

    „Ich…“ Der Athosianerin versagte die Stimme und sie senkte den Blick. „Du… du willst es einfach so… vergessen?“ Wie kannst du nur, funkelte es in ihren Augen.

    John versuchte ihr seine Beweggründe begreiflich zu machen, doch er war sich über seine wahren Motive wohl selbst nicht ganz im Klaren. Die ganze Sache vor zwei Monaten, die Nacht, die er mit ihr unter Einfluss des Retrovirus verbracht hatte, der Sex mit ihr- das alles hatte ihn verwirrt. Er war noch nie so verwirrt in seinem Leben gewesen. Auch wenn er wusste, dass er nur ein übler Streich der Natur gewesen war, konnte er nicht vergessen, was geschehen war.
    Jede Nacht suchten ihn Alpträume heim und jedes Mal, wenn er die Augen schloss, die Erinnerungen zurück, die ihn so sehr quälten. Bilder tauchten vor seinem geistigen Auge auf; Bilder, von Teyla, die mit lustvoll verzerrtem und zugleich schuldbewusstem Gesicht unter ihm lag, ihre Stimme hoch und schrill, ihre Leidenschaft groß und ungezügelt. Wenn er die Augen schloss, sah er ihre beiden schweißbedeckten Körper, die sich unter der Bettdecke wanden; sie hatte die Beine um seine Hüften geschlungen, die Fingernägel in seine Schultern gekrallt und hob sich ihm entgegen, er küsste ihre Brüste, ihren Hals, ihr Gesicht, ihre vollen Lippen, während er das Tempo ihres Liebesspiels vorgab.

    Es war… falsch gewesen und das versuchte er ihr jetzt klar zu machen.

    „Hör zu, Teyla“, begann er von Neuem. „Du bist Mitglied meines Teams, wir arbeiten zusammen. Ich muss eine gewisse Distanz wahren um Entscheidungen unvoreingenommen treffen zu können und ich befürchte, dass ich das nicht kann, wenn ich mir ständig darüber Gedanken machen muss. Es wäre besser für mich und auch für Dich, wenn wir das einfach vergessen würden, klar?“

    Teyla nickte, sagte aber nichts, weswegen er fortfuhr.

    „Es tut mir leid, dass es soweit gekommen ist. Es war mein Fehler. Ich hätte mich nicht dazu hinreißen lassen dürfen.“ Er seufzte. „Können wir nicht einfach vergessen, dass es passiert ist?“

    „Es wäre das Beste“, sagte Teyla leise und John nickte zufrieden.

    „Ja, das wäre es.“ Er wartete, ob sie dem Gesagten noch etwas folgen ließe. Als sie jedoch schwieg, nickte er abschließend. Es war nicht ganz so gelaufen, wie er es sich erhofft hatte, aber er hoffte trotzdem, dass das Thema jetzt erst einmal vom Tisch war und er sich wieder darauf konzentrieren konnte, ihre erschütterte Freundschaft zu kitten.


    John griff gerade nach seinen Bantosstäben, die er von Halling dieses Jahr zum Geburtstag bekommen hatte, und war schon auf halbem Wege nach draußen, als Teyla auf einmal ihre Stimme erhob.

    „Aber ich kann es nicht vergessen.“

    Der Soldat blieb stehen, sendete einen gemeinen Fluch gen Himmel, ehe er sich langsam zu ihr umdrehte.

    Teyla schüttelte mit dem Kopf. „Ich…ich kann es nicht vergessen.“ Es dauerte, bis John begriff, dass es nicht ihre Stimme war, die zitterte, sondern ihr ganzer Leib. Tränen strömten ihr über die Wangen, als sie sich ihm langsam näherte. „Ich werde nie vergessen können, was passiert ist, John.“

    Hatte es ihr etwas bedeutet? Hatte sie etwa… Gefühle für ihn, sodass sie es nicht vergessen wollte? John schluckte. Nein, dass konnte nicht sein, durfte nicht sein. Er hätte das bemerkt. Aber sicher, höhnte seine innere Stimme los, aber er ignorierte sie geflissentlich, konzentrierte sich stattdessen auf das ‚Warum’. Er verstand nicht, warum die Athosianerin sich auf einmal so dagegen sträubte, zu vergessen, was geschehen war. Es war besser- für sie beide. Er wollte, dass ihre Freundschaft wieder die Qualität zurückerlangte, die sie einmal gehabt hatte, doch das ging nicht, wenn dieses… Etwas zwischen ihnen stand.

    Teyla hatte sich ihm inzwischen bis auf wenige Zentimeter genaht, blieb nun jedoch stehen und starrte zu Boden.

    „Ich werde es nicht vergessen können, weil ich…“ Sie stockte, ob nun aus Absicht oder weil ihr die Stimme erneut versagte- John konnte es nicht genau sagen. Er hatte das Gefühl, dass der Athosianerin etwas Wichtiges auf dem Herzen lag, weswegen er sich ihr ganz zuwandte und versuchte ihren Blick zu erhaschen.

    „Teyla?“, rief er sie vorsichtig. Als sie ihn ansah, glitzerten ihre braunen Augen, nicht allein wegen der Tränen, die sie vergossen hatte, sondern auch vor unterdrückter Furcht.

    „Ich“, setzte sie erneut an, „ich…bin schwanger, John. Ich erwarte ein Kind.“


    Stumm starrte der Soldat sie an. „Du bist…“, echote er lahm, als die Erkenntnis in ihn einschlug wie ein Blitz. Sie war schwanger!
    John riss die Augen und den Mund auf, klappte Letzteres jedoch wieder zu, nur um ihn gleich darauf wieder zu öffnen und ein entsetztes, schrilles „Du bist schwanger!?“ auszuspeien.

    Teyla nickte langsam und John schwante Böses. Er zog scharf die Luft ein und fuhr sich, da er nichts anderes zu tun wusste, durch seinen dunklen Haarschopf, wich ein paar stolpernde Schritte zurück. Das durfte nicht wahr sein!

    „Du bekommst ein Baby?“, wiederholte er und wieder war ein Nicken von Teyla die Antwort. John schluckte schwer und er wagte es sich gar nicht zu fragen. Sein Blick fiel auf ihren Unterleib, der nicht viel anders als sonst aussah, dann deutete er zögerlich auf sich selbst. „Ist es…“

    Dieses Mal nickte Teyla nicht, sondern antwortete ihm direkt. „Ja“, sagte sie, „es ist Dein Kind. Du bist der Vater.“

    „Oh Gott!“ John fuhr herum, damit sie nicht sah, dass ihm sämtliche Gesichtszüge entgleisten und ihm die Luft wegblieb. Sie war schwanger! Sie bekam ein Baby, sein Baby! Teyla war schwanger von ihm! Ihm! Sein Kind!
    Ganz langsam drehte er sich wieder zu ihr um. Sie hatte sich nicht bewegt, hatte nur die Arme um ihren Leib geschlungen, als wollte sie sich und ihr Kind, das sie irgendwo in sich trug, beschützen.

    „John…“

    Er seufzte und legte seine Finger an sein Nasenbein, begann es zu massieren. „Tut… tut mir leid“, sagte er mit unglaublich trockener Stimme.

    Teyla lächelte milde. „Ich weiß, es kommt überraschend-“

    „Überraschend!?“, fiel John ihr unschön ins Wort. „Ist das nicht etwas untertrieben, Teyla?“ Er hatte nicht vor, seine Stimme so…patzig klingen zu lassen, doch er konnte nicht anders. Irgendetwas ließ ihn wütend werden, weshalb er die Athosianerin mit blitzenden Augen anfunkelte.

    „Ich... es tut mir leid“, stotterte Teyla und sah ihn an. „Ich…ich wollte nicht…“

    John seufzte erneut. Seine Hand an die Stirn führend, verdeckte er seine Augen, während er leise immer wieder dieselben Worte vor sich hin murmelte: „ Oh, mein Gott, verdammt.“

    „Es…es tut mir so leid, John“, wimmerte Teyla. „Ich…ich…“

    „Genug!“ Seine mächtige Stimme donnerte auf sie nieder und brachte sie zum Schweigen. John sah, wie die Athosianerin zusammenzuckte und zurückwich, ihn mit großen Augen anstarrte und wieder am ganzen Körper zu zittern begann- sofort tat sie ihm Leid und er wollte sich bei ihr entschuldigen. Doch stattdessen setzte unerwartet sein Fluchtreflex ein und ehe er begriff, was überhaupt geschah, begann er rückwärts, von ihr weg, zu stolpern.

    „John…“

    „Nicht“, blaffte er sie an und wich ihrer Hand aus, die sie nach ihm ausstreckte. Er taumelte ein paar Schritte zurück, schüttelte mit dem Kopf. „Nicht“, wiederholte er warnend. „Lass mich. Ich… ich brauch’ Zeit, okay? Lass mich… in Ruhe. Ich brauch’ Zeit.“

    Teylas Augen füllten sich mit Tränen, sie presste die Lippen fest aufeinander und nickte traurig.


    Johns Hand schloss sich fester um die Bantosstäbe, die er hielt, als er den Trainingsraum geradezu fluchtartig verließ und mit großen Schritten den Korridor entlang eilte. Er achtete nicht darauf, dass ihm Expeditionsmitglieder verwirrt auswichen und nachsahen. Es war ihm egal, dass Leute zu tuscheln begannen, als sie ihn sahen. Er wollte einfach nur weg! Wohin? Das war ihm egal! Er wollte weg! Er brauchte Zeit für sich. Zum Nachdenken. Für sich allein.

    Ich bin schwanger. Teylas Worte begannen ihn zu verfolgen, weswegen er schneller lief. Schneller und schneller. Immer schneller. Die Leute stoben nur so auseinander, manche waren nicht schnell genug, wurden von ihm gerammt. Er beachtete sie nicht, rannte nur noch schneller, denn die Worte drohten ihn einzuholen. Es ist dein Kind- du bist der Vater, John.

    Die Welt flog jetzt nur so an ihm vorbei, er nahm sie nicht mehr war. Er wollte nur noch weg! Raus! Raus aus der Enge! Er wollte den neugierigen Blicken der anderen entfliehen, und der Wahrheit.
    Also rannte er, so schnell es ging, so weit ihn seine Beine trugen. Möglichst weit weg von allem. Von den anderen, die ihm nachsahen und verwirrt mit dem Kopf schüttelten. Von Teyla, die schwanger war. Und von dem Baby, seinem Baby.


    Die Türen öffneten sich automatisch und John kam schliddernd auf dem kleinen Balkon zum Stehen, prallte gegen die Balustrade und wäre beinahe über diese hinweg, in die Tiefe gestürzt, hätte er sich nicht mit aller Kraft an ihr festgehalten. Sein Oberkörper war weit über den Abgrund gebeugt, das Geländer presste gegen seinen bebenden Brustkorb und seine Handgelenke wurden weiß, als er sich mühsam aufrichtete, die Balustrade noch fester umklammerte und auf den Ozean hinausblickte, der die Stadt umschloss.
    Einen Moment lang herrschte Stille, dann überkam ihn wieder die Wut; die Wut auf sich selbst, auf Teyla und das Kind, dass sie erwartete, sein Kind. Die Wut und der Hass begannen in ihm zu brodeln und in ihm aufzusteigen, bis sie schließlich als ein lauter Schrei über seine Lippen kamen.

    John Sheppard schrie… und es fühlte sich verdammt gut an. Er schloss die Augen, entließ einen zweiten Schrei, der ganz Atlantis zum Verstummen brachte. Selbst das Rauschen des Meeres schien innezuhalten und dem animalisch zumutenden Klang seines Schreies zu lauschen.

    Das Gefühl gehört und beachtet zu werden, gefiel John, weswegen er mit dem Fuß gegen die Balustrade trat, Wasserflasche und Bantosstäbe zu Boden knallen ließ und dann einen weiteren, lauten, wütenden und zugleich zutiefst verzweifelten Schrei entließ.

    TBC

    Spoiler 
    Die Antworten auf eure Kommentare werde ich versuchen in den nächsten Tagen fertig zu bekommen. Tut mir leid, dass es damit heute wieder nicht geklappt hat, aber ich komme einfach nicht dazu. Das RL hat anderes mit mir vor. Ich werde es nachholen- versprochen! Indianerehrenwort!
    Geändert von Nyada (29.08.2011 um 16:55 Uhr)

  14. Danke sagten:


  15. #8
    Die nach den Sternen greift Avatar von Ailya
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    Zitat Zitat von Nyada Beitrag anzeigen
    „Genug!“ Seine mächtige Stimme donnerte auf sie nieder und brachte sie zum Schweigen. John sah, wie die Athosianerin zusammenzuckte und zurückwich, ihn mit großen Augen anstarrte und wieder am ganzen Körper zu zittern begann- sofort tat sie ihm Leid und er wollte sich bei ihr entschuldigen. Doch stattdessen setzte unerwartet sein Fluchtreflex ein und ehe er begriff, was überhaupt geschah, begann er rückwärts, von ihr weg, zu stolpern.

    „John…“

    „Nicht“, blaffte er sie an und wich ihrer Hand aus, die sie nach ihm ausstreckte. Er taumelte ein paar Schritte zurück, schüttelte mit dem Kopf. „Nicht“, wiederholte er warnend. „Lass mich. Ich… ich brauch’ Zeit, okay? Lass mich… in Ruhe. Ich brauch’ Zeit.“

    Teylas Augen füllten sich mit Tränen, sie presste die Lippen fest aufeinander und nickte traurig.


    Johns Hand schloss sich fester um die Bantosstäbe, die er hielt, als er den Trainingsraum geradezu fluchtartig verließ und mit großen Schritten den Korridor entlang eilte. Er achtete nicht darauf, dass ihm Expeditionsmitglieder verwirrt auswichen und nachsahen. Es war ihm egal, dass Leute zu tuscheln begannen, als sie ihn sahen. Er wollte einfach nur weg! Wohin? Das war ihm egal! Er wollte weg! Er brauchte Zeit für sich. Zum Nachdenken. Für sich allein.

    Ich bin schwanger. Teylas Worte begannen ihn zu verfolgen, weswegen er schneller lief. Schneller und schneller. Immer schneller. Die Leute stoben nur so auseinander, manche waren nicht schnell genug, wurden von ihm gerammt. Er beachtete sie nicht, rannte nur noch schneller, denn die Worte drohten ihn einzuholen. Es ist dein Kind- du bist der Vater, John.

    Die Welt flog jetzt nur so an ihm vorbei, er nahm sie nicht mehr war. Er wollte nur noch weg! Raus! Raus aus der Enge! Er wollte den neugierigen Blicken der anderen entfliehen, und der Wahrheit.
    Also rannte er, so schnell es ging, so weit ihn seine Beine trugen. Möglichst weit weg von allem. Von den anderen, die ihm nachsahen und verwirrt mit dem Kopf schüttelten. Von Teyla, die schwanger war. Und von dem Baby, seinem Baby.


    Die Türen öffneten sich automatisch und John kam schliddernd auf dem kleinen Balkon zum Stehen, prallte gegen die Balustrade und wäre beinahe über diese hinweg, in die Tiefe gestürzt, hätte er sich nicht mit aller Kraft an ihr festgehalten. Sein Oberkörper war weit über den Abgrund gebeugt, das Geländer presste gegen seinen bebenden Brustkorb und seine Handgelenke wurden weiß, als er sich mühsam aufrichtete, die Balustrade noch fester umklammerte und auf den Ozean hinausblickte, der die Stadt umschloss.
    Einen Moment lang herrschte Stille, dann überkam ihn wieder die Wut; die Wut auf sich selbst, auf Teyla und das Kind, dass sie erwartete, sein Kind. Die Wut und der Hass begannen in ihm zu brodeln und in ihm aufzusteigen, bis sie schließlich als ein lauter Schrei über seine Lippen kamen.

    John Sheppard schrie… und es fühlte sich verdammt gut an. Er schloss die Augen, entließ einen zweiten Schrei, der ganz Atlantis zum Verstummen brachte. Selbst das Rauschen des Meeres schien innezuhalten und dem animalisch zumutenden Klang seines Schreies zu lauschen.

    Das Gefühl gehört und beachtet zu werden, gefiel John, weswegen er mit dem Fuß gegen die Balustrade trat, Wasserflasche und Bantosstäbe zu Boden knallen ließ und dann einen weiteren, lauten, wütenden und zugleich zutiefst verzweifelten Schrei entließ.
    Was für eine Reaktion! Wow! Ich hatte mit allem gerechnet, nicht aber damit, dass John so... ausrastet. Wow, du hast mich jetzt aber echt überrascht.

    Jetzt bin ich vor allem gespannt, ob es das gewesen ist, ob John das erst einmal so beruhen lässt. Klar, er braucht Zeit, aber das rechtfertigt doch nicht so eine Aktion. Die arme Teyla tat mir richtig leid; ungewollt schwanger und der Vater des Kindes schnautzt sie so an. Tzz, wieder einmal wurde bewiesen, dass John Sheppard nicht gerade zu den feinfühligsten Menschen gehört.
    Zumindest entschuldigen sollte er sich. Vielleicht tut er das ja auch? Ich weiß nicht, was du geplant hast, aber ein Gespräch zwischen den beiden ist nun unvermeidbar.

    Was mich wundert- weiß Ronon, dass Teyla schwanger ist? Die beiden waren doch immer so gute Freunde, da würde es mich ehrlich gesagt nicht wundern, wenn er es wüsste. Auf jeden Fall wäre ein Gespräch zwischen den beiden auch interessant, aber Priorität haben jetzt erst mal John und Teyla.
    Bin gespannt, wie du das hinkriegst, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Teyla nach seinem Ausbruck so gut auf ihn zu sprechen ist, zumal sie scheinbar so etwas wie Zuneigung für das Kind empfindet. Nun ja, welche werdende Mutter tut das den nicht?

    Ich freue mich auf jeden Fall schon auf die Fortsetzung, die hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten lässt.
    Liebe Grüße und Danke fürs Lesen lassen.
    Deine Ally

    PS: Fanarts anstatt der langeweiligen 0815-Kapiteltitel? Gefällt mir, mach weiter so!

  16. Danke sagten:


  17. #9
    Mama, im Dienste Ihrer Majestäten Avatar von Nyada
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    Standard Bekenntnisse

    A/N: „Trinken wir’n Bier auf dem Pier!“ Dieser monumentale Satz von John Sheppard aus der Folge Der Schrein inspirierte mich zu diesem Kapitel, und nicht minder das Bild von ihm und Rodney, biertrinkend am Pier sitzend und über Gott und die Welt philosophierend. Diese Szene, die zugleich auch das Kapitelbild ist, ging mir nicht mehr aus dem Kopf und so musste ich sie einfach wieder aufgreifen.

    Nun, das soll alles gewesen sein und ich wünsche euch jetzt viel Spaß beim Lesen. Über Feedback würde ich mich sehr freuen!
    LG, eure Moni

    *+*+*



    Can't you see, can't you see
    That you are not like anyone?
    You'll never see through anyone else's eyes
    And who am I to certify the sanity of a twisted mind
    A victim of perception, a twisted mind
    Avantasia – Twisted Mind



    Seine Exfrau hatte immer Kinder haben wollen- er nicht. Sie war diejenige gewesen, die mit verträumtem Blick durch die Babyabteilungen der Kaufhäuser gelaufen war, während er immer nur überlegt hatte, wie er sich möglichst unauffällig aus der Affäre ziehen und verschwinden konnte. Demnach war auch sie es gewesen, die das Thema als Erste ansprach, nicht er.
    Sie wollte Kinder, konnte sich nichts Schöneres vorstellen, bezeichnete Kinder als einen Segen. Er, seinerseits, wollte keine Kinder, konnte sich durchaus etwas Schöneres vorstellen und bezeichnete Kinder als kleine, schreiende Quälgeister.
    Es war eigentlich ganz einfach, aber dennoch so furchtbar kompliziert, dass aus einer einfachen Frage der wohl größte Streit ihrer Beziehung hervorgegangen war, ohne dass einer von ihnen es beabsichtigt hatte.

    Noch heute erinnerte sich an jedes einzelne Wort, das sie sich damals im Affekt an den Kopf geworfen hatte. Er erinnerte sich ebenfalls noch an den ziehenden Schmerz, als Nancy ausgeholt hatte und ihn geohrfeigt hatte. Warum sie das getan hatte, wusste er bis heute nicht, aber sie hatte Tränen in den Augen gehabt, als ihre flache Hand seine Wange traf und sie danach wütend davonrauschte. Zwei Tage vergingen, bis er sie wiedersah, reumütig in der Tür ihres Appartements stehend, vollkommen aufgelöst und so hilflos und verlassen wirkend, dass er nicht anders konnte, als sie hereinzulassen, sich ihrer anzunehmen, sie zu beschützen. Der Teufel mochte ihn holen, aber der Versöhnungssex war grandios gewesen, der beste, den er je mit ihr gehabt hatte!

    Damit war das Thema ‚Kinder’ erst einmal vom Tisch gewesen… bis eine Bekannte in ihrem damaligen Freundeskreis verkündet hatte, dass sie ein Kind erwartete, und bei Nancy die altbekannten Gefühle und Wünsche wieder hochkamen und sie bei nächster Gelegenheit das Thema wieder ansprach. Seine Meinung hatte sich diesbezüglich nicht geändert. Für ihn waren Kinder nie eine Option gewesen, schon gar nicht, da man ihn jederzeit ans andere Ende der Welt versetzen konnte. Er wollte nicht, dass seine Kinder ohne ihn aufwuchsen und deshalb hatte er für sich beschlossen, dass es besser war, keine zu bekommen.

    Seine Meinung hatte sich nicht geändert. Vier Jahre waren seit seiner Scheidung von Nancy vergangen, sein Leben war komplizierter und gefährlicher geworden und für ein Kind hatte er weder Zeit noch Lust. Sein Leben wollte sich einfach nicht mit den wichtigen, prägenden Aufgaben eines Vaters kombinieren lassen. Er war auf dem wohl gefährlichsten Stützpunkt des ganzen Universum als militärischer Leiter stationiert, Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt, in einer fernen Galaxie, mit lebenskraftraubenden Weltraumvampiren im Nacken und das letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war ein Kind. Aber leider ging es nicht immer allein ums Wollen.
    Kompliziertes Leben, wichtige Aufgaben und Monsteraliens hin oder her- man konnte sich sein Schicksal nun mal nicht aussuchen und es kam aus Prinzip immer vollkommen anders, als man es eigentlich geplant hatte.

    Ein trotziger Laut entkam John Sheppards Kehle, als ihm das bewusst wurde, und er wurde wütend. Das Schicksal konnte ihn mal kreuzweise! Es hatte ihm schon genug eingebrockt, dieses Schicksal! Wenn es nach ihm ging, konnte es sich zum Teufel scheren, dorthin, wo es hergekommen war- er brauchte es nicht, es hatte schon genug angerichtet!

    John leerte die Bierdose, die kühl in seiner rechten Hand lag, hielt sie noch einen Augenblick lang fest, ehe er sie über die Kante des Piers warf und dann lauschte, wie sie ins Wasser eintauchte. Ein paar Dosen hatten es nicht geschafft und lagen nun auf den Wandvorsprüngen herum; es mussten an die fünf oder sechs sein, er war sich aber wegen der voranschreitenden Dunkelheit und des steigenden Alkoholpegels in seinem Blut nicht mehr ganz so sicher.

    Fast schon automatisch griff der Soldat nach dem nächsten Bier, öffnete es und schleckte mit der Zunge den bitteren Schaum auf, der aus der Dose gezischt kam, ehe er ansetzte. Der herbe Geschmack des Bieres brannte bitter auf seiner Zunge, war aber nicht mehr ganz so unangenehm wie zu Anfang.
    Es war lange her, seit er sich das letzte Mal sinnlos hatte volllaufen lassen…und er hatte beinahe vergessen, wie gut es sich anfühlte, wenn der Alkoholpegel stieg und die Sorgen immer kleiner und unbedeutender wurden. Das Blut floss warm durch seine Adern und seine Wangen glühten. Er fühlte sich gut, lebendig und war fast soweit, dass er alles andere vergaß.
    Und es gab einiges, was er gerne vergessen wollte.

    Ich bin schwanger, John. Fluchend kniff der Soldat die Augen zusammen. Es gab Gedanken und Worte, die man einfach nicht vergessen konnte, egal wie viel man trank. Teylas Worte verfolgten ihn schon den ganzen Abend. Ach was, sie verfolgten ihn schon zwei Wochen, seit dem Tag, an dem sie ihm gesagt hatte, dass sie schwanger war!
    Es waren tatsächlich zwei ganze Wochen vergangen und in Hinsicht auf diese Tatsache, fragte sich John, wie er es nur so lange ausgehalten hatte. Es war nicht so, dass er oft trank, aber in letzter Zeit war es öfters vorgekommen, dass er sich im Schutz der Dunkelheit mit einem Sixpack auf den Weg gemacht hatte. Meistens zog es ihn an den Pier, von wo aus er den Wellen zusah oder einfach nur auf dem Rücken lag und den sternenübersäeten Nachthimmel betrachtete.

    ‚Ein Bier auf dem Pier’, erlaubte er sich zu scherzen und einen weiteren kräftigen Schluck später, war die Dose geleert und er griff bereits nach der nächsten, hielt jedoch kurz inne und ließ sich dazu hinreizen in die Ferne zu starren. Grimmig presste er die Lippen aufeinander, als ihn beim Anblick des ruhigen Meeres reumütige Gefühle beschlichen und ihn plötzlich seine innere Stimme daran erinnern musste, wie falsch er sich doch verhielt. Wie sehr er diese jämmerlichen Schuldgefühle doch hasste, doch diese verquäkte Stimme in seinem Kopf hatte recht; es war falsch und es gab Wichtigeres für ihn zu tun, als am Pier herumzusitzen und sich sinnlos zu betrinken.

    John seufzte tief und stellte die Bierdose wieder beiseite. Er war gerade noch so weit Herrscher seiner mentalen Fähigkeiten, dass er ohne Weiteres beschließen konnte, dass es so nicht weitergehen durfte. Es fühlte sich zwar gut an, die Sorgen einfach mit Alkohol zu übertünchen, aber verschwinden würden sie dadurch nicht. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie zurückkamen, und so blieb ihm nur eins: Er musste sich seinen Problemen stellen, auch wenn sich allein bei dem Gedanken alles in ihm zusammenzog und lautstark protestierte.
    John war kein Mann, der sich gern seinen Problemen stellte und daranging sie zu lösen, weil es ihm schlichtweg viel zu kompliziert war. Und weil er lieber flüchtete, als Verantwortung zu übernehmen. Dass hatte er schon als Kind gemacht und diese Eigenart irgendwie nie ganz abgelegt. Im Grunde war er in solchen Situationen immer noch der kleine Junge von damals, der sich hinter dem Rock seiner Mutter versteckte und hoffte, dass sich alle Schwierigkeiten in Luft auflösten.

    Gott, wie naiv, höhnte die Stimme in seinem Kopf, doch John brachte sie mit einem nach innen gerichteten Augenrollen zum Schweigen. Das letzte, was er jetzt brauchte, war eine hartnäckige Stimme in seinem Kopf, die ihm immer wieder widersprach und vor Augen führte, was für ein schlechter Mensch er doch war.

    Gut, wenn du meinst. Die Stimme klang beleidigt, doch John beachtete sie nicht weiter und lehnte sich stattdessen vor, umschlang die Reling mit den Armen und legte dann sein Kinn darauf ab. Kalter Seewind blies ihm ins Gesicht und er hatte binnen Sekunden das Gefühl wieder vollkommen nüchtern zu sein. Seine alkoholvernebelten Gedanken wurden klarer und es gelang ihm sich zu konzentrieren und das Problem ins Auge zu fassen, das ihm schon seit zwei Wochen den Schlaf raubte. Die Tatsache, dass Teyla schwanger war.

    Es war nicht die Tatsache allein, [I]dass[/I ] sie ein Kind erwartete, sondern vielmehr die Erkenntnis, dass es auch sein Kind war, das in ihr heranwuchs. Wäre es nicht so gewesen, hätte er sich für die Athosianerin gefreut und ihr gratuliert. Für ihn war sie die geborene Mutter und ihre Kinder konnten sich glücklich schätzen. Es fiel ihm leicht, sich Teyla als liebevolle, sorgende Mutter vorzustellen, da er schon oft gesehen hatte, wie fürsorglich sie mit den Kindern ihres Volkes umging und wie die Kleinen sie dafür vergötterten. Er nahm auch an, dass die Athosianerin sich Kinder wünschte. Nun erwartete sie also eines- aber war sie glücklich? Freute sie sich?
    Erschrocken musste John feststellen, dass er nicht wusste, wie Teyla sich fühlte. Er wusste nicht, ob sie glücklich war und ob sie sich freute dieses Baby zu bekommen. Er wusste nicht, wie sie zu dem Ganzen stand, wie sie dabei dachte. Immerhin musste es auch für sie eine Überraschung gewesen sein, zu erfahren, dass sie schwanger war. Und herauszufinden, dass er der Vater war!

    John schüttelte mit dem Kopf und war enttäuscht über sich selbst. Er wusste nicht im Geringsten, wie Teyla sich fühlte. Womöglich erging es ihr nicht besser als ihm. Vielleicht hatte sie Angst und fürchtete sich vor dem, was nun auf sie zukommen würde. Wie dachte sie über das Kind? Liebte sie es? Immerhin war es aus einer Nacht hervorgegangen, für sie beide sich schämten und die sie zu vergessen versuchten. Konnte sie dieses Kind überhaupt lieben? Konnte er es?
    Die beiden letzten Wochen hatte John nach einem Anreiz gesucht zu ihr zu gehen, hatte es bis heute aber nicht getan und stattdessen den Schwanz eingezogen, sich verkrochen und war ihr ausgewichen. Nach seiner Show im Trainingsraum und dem darauffolgenden Abgang hatte er es nicht gewagt, sich bei ihr blicken zu lassen. Zum einen, weil er sich für seine Reaktion schämte, zum anderen, weil er fürchtete, sie würde ihn gar nicht sehen wollen.
    Zwei Wochen war er ihr erfolgreich aus dem Weg gegangen, was nicht gerade schwer gewesen war, hatte Dr. Beckett sie doch von Außenwelteinsätzen freigestellt.
    Er war nicht gerade stolz darauf, nein, er schämte sich dafür. Erst hatte er sie so angefahren, war dann geflüchtet und hatte sich nicht sehen lassen. Als wäre das nicht schon schlimm genug, war er ihr auch noch aus dem Weg gegangen, hatte sie gemieden wie eine Aussätzige.

    „Was bist du nur für ein schlechter Mensch“, murmelte sich John in seinen nicht vorhandenen Bart. Aber ehrlich! Was war er nur für ein schlechter Mensch? Was hatte die Athosianerin ihm getan, dass er sie so behandelte? Nicht nur er allein war hier das Opfer! Sie beide waren ihren körperlichen Begierden zum Opfer gefallen und musste nun gemeinsam mit den Konsequenzen leben.

    Hinter dem Soldaten ertönten auf einmal sich ihm nähernde Schritte und für einen irrwitzig kurzen Augenblick keimte die Hoffnung in John auf, dass es sich um Teyla handelte, die gekommen war, um mit ihm zu reden. Sie war schon immer diejenige gewesen, die Dinge nicht auf sich beruhen lassen konnte sondern ihnen immer auf den Grund gehen musste- und damit war sie das genaue Gegenteil von ihm! Er beließ es dabei, sie bohrte immer und immer weiter, wurde aktiv, machte sich auf die Suche nach Antworten, forschte nach und gab nicht Ruh, bis sie das ‚Warum’ verstanden hatte. Teyla schien eine von Natur aus neugierige, wissbegierige Person zu sein, weshalb es ihn nicht überrascht hätte, wäre sie es gewesen, die da auf ihn zukam.
    Als John sich umwandte, sah er nicht die Athosianerin auf sich zukommen sondern einen sichtlich irritierten Rodney McKay.

    Der Kanadier, der neben mit seinem Tablett-PC mal wieder sein halbes Labor mit sich schleppte, entdeckte ihn sofort.

    „Was machen Sie denn hier?“, ertönte die Stimme des Wissenschaftlers, die trotz der späten Stunde schriller und nervtötender denn je zu sein schien. John erwartete einen spitzen Kommentar, doch Rodney hielt sich auf eine für ihn untypische Art und Weise zurück. Auch wenn er keinen Hehl daraus machte, dass er überrascht war und zu so später Stunde niemanden hier draußen erwartet hatte.

    „Dasselbe sollte ich Sie fragen“, erwiderte John. McKay hatte ihm gerade noch gefehlt. Da überschüttete er sich mit Selbstvorwürfen und das Schicksal hatte nichts Besseres zu tun, als ihm Rodney McKay zu schicken! Nicht, dass er etwas gegen Gesellschaft einzuwenden hatte, aber… ausgerechnet McKay?

    Der Kanadier hatte ihn inzwischen erreicht, lehnte unschlüssig gegen die Balustrade und verhielt sich dabei auffallend ruhig. Für einen Moment schaute er auf den weiten, dunklen Ozean hinaus, ehe seine Beine einknickten und er sich, ohne ein Wort zu verlieren, neben John niederließ.

    „Die Supernova“, sagte er trocken und deutete mit dem Finger auf einen hell leuchtenden, pulsierenden Stern am Himmel, der John bisher noch nicht aufgefallen war. „Ich hatte gehofft, es ungestört genießen zu können.“

    „Es ungestört genießen zu können?“, echote John und zog die Augenbrauen hoch. Was sollte das denn nun schon wieder bedeuten?

    „Anscheinend hatten Sie dieselbe Idee“, wich Rodney aus, den Blick noch immer auf den hoch am Himmel stehenden Himmelskörper gerichtet. Fasziniert beobachtete er das Spektakel, schielte hin und wieder auf seinen Tablett-PC und schien nebenbei Johns Gegenwart völlig zu ignorieren.

    Dem Soldaten war das merkwürdig distanzierte Verhalten des Kanadiers ganz recht. Es war selten, dass Rodney so schweigsam war. Ruhige Momente, wie dieser, mussten ausgekostet werden, weswegen sich John zurücklehnte, den Kopf in den Nacken legte und nun auch dem Stern beim Sterben zusah. Eigentlich eine traurige Vorstellung, aber ein atemberaubender Anblick. Im Laufe der letzten beiden Jahre hatte er so ein Spektakel öfters zu sehen bekommen und es erfüllte ihn jedes Mal aufs Neue mit Ehrfurcht zu sehen wie riesige Himmelskörper einfach so verschwanden. Ein kurzes Aufflackern, ein letztes, verzweifeltes Aufbäumen gegen etwas, das nicht verhindert werden konnte, dann war es vorbei und wieder einmal zeigte sich, wie vergänglich alles doch war.

    Das diffuse bläuliche Licht des Sternes bannte John und faszinierte ihn so sehr, dass er zuerst gar nicht mitbekam, dass Rodney sich ihm zugewandt und die sich aneinanderreihenden Bierdosen mit hochgezogenen Brauen ins Auge gefasst hatte. Stille Kritik lag in den blauen Augen des Kanadiers und er schien nur noch nach der passenden spitzen Bemerkung zu suchen.

    „Sie trinken!?“ Es klang geradezu harmlos und unüberlegt, vielmehr überrascht, wenn nicht sogar leicht schockiert.

    Johns Mund verzog sich unwillkürlich zu einem Lächeln. Er sah seinen Kameraden ernst an, ehe er wenige Augenblicke später grinsend meinte: „Yep, schon mein ganzes Leben lang. Erst aus der Flasche, dann aus dem Glas und nun wieder aus der Flasche. Komisch, nicht wahr? Wie das Leben so spielt.“

    Rodneys Miene veränderte sich nicht; einzig und allein die Falten auf seiner Stirn wurden tiefer.

    „Wie viel haben Sie getrunken?“, erkundigte er sich vorsichtig.

    „Wieso interessiert Sie das?“, fragte John zurück und musste überrascht feststellen, dass er lallte, die Wörter verschliss und äußerst undeutlich sprach. Es musste wohl doch die eine oder andere Dose Bier mehr gewesen sein, dachte er.

    Rodney schien zu demselben Schluss gekommen zu sein, denn seine Miene verwandelte sich binnen Sekunden von skeptisch zu schockiert.

    „Sind Sie… betrunken?“, rief er laut, senkte dann allerdings die Stimme, als ob er fürchtete von jemand gehört zu werden. „Sie…Sie sind betrunken!“

    John zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Sie tun ja so, als wäre das ein Verbrechen. Ich hab ein paar Bierchen getrunken- was ist da so verkehrt dran?“ Seine guten Manieren nicht vergessend, angelte er nach einer Bierdose und hielt sie McKay hin. „Hier, nehmen Sie.“

    „Entschuldigen Sie mal, aber ich bin im Dienst“, entrüstete sich Rodney.

    „Es ist halb elf, McKay“, bemerkte John mit einem Blick auf die Uhr, „und Sie sind genauso wenig im Dienst wie ich es bin. Also…“ Er hielt ihm die Dose erneut hin. „Los, trinken Sie mit mir.“ Seine innere, verantwortungsbewusste Stimme lief in Angesicht dieser Forderung zwar wieder Amok, doch John hatte beschlossen, heute Abend nicht mehr auf sie hören.

    „Aber…“ Rodney zögerte. „Ich sollte… Sie sollten… “

    John seufzte. „Kommen Sie schon, Rodney. Nichts ist besser als ein Bier auf dem Pier! Und außerdem is’es nicht schön, alleine zu trinken.“

    Wieder kurzes Zögern und der Kanadier schien erst alle möglichen Optionen und Szenarien im Kopf durchzugehen, bevor er nach der ihm dargereichten Bierdose griff. An der metallenen Lasche ziehend, fixierte er John nachdenklich. Es war nicht Rodneys Art, jemand schweigend und kommentarlos zu betrachten. Normalerweise konnte er sich den einen oder anderen spitzen Kommentar nicht verkneifen, spukte Gift und Galle und ließ keine Möglichkeit aus, andere verbal zu demütigen.

    Nicht so, heute. Heute schwieg er, trank sein Bier, beobachtete still, verhielt sich vollkommen Rodney-untypisch. Sein Blick wanderte wieder hinaus auf den dunklen Ozean, dann hinauf zu dem glimmenden Stern, der sich ein letztes Mal aufbäumte und schlussendlich mit einem hellen Flackern erlosch.


    Schweigend saßen die beiden Männer nebeneinander und tranken ihr Bier. Die Atmosphäre war geschwängert von den schweren Gedanken, die John und Rodney durch den Kopf gingen; John, der sich fragte, wie er die Sache mit Teyla wieder geradebiegen konnte, und Rodney, der sich fragte, was seinen Komparsen wohl bedrückte.

    Es war schließlich der Kanadier, der das Schweigen brach.

    „Sie…“

    Rodney räusperte sich, leckte sich über die Lippen, schien seine Worte noch einmal zu überdenken, kam aber zu dem Schluss, dass man es nicht anders formulieren konnte, ohne dass es seinen Sinn verlor.

    „Sie haben sich betrunken.“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage; diese folgte sogleich. „Warum?“

    John klammerte sich an seine Bierdose, dachte erst nach, sah dann auf. Rodneys überraschend mitfühlende, ernsthaft interessierte Art überraschte ihn; so etwas war er von dem Kanadier nicht gewohnt, und er wusste nicht, was er antworten sollte. Die Wahrheit? Sollte er Rodney die Wahrheit erzählen, wo es doch so viel leichter war, ihn mit irgendeiner lahmen Ausrede abzuwimmeln? Rodney war immerhin ein recht leichtgläubiger Mensch und es brauchte nicht viel, um ihn loszuwerden.
    Allerdings war er allem zum Trotz auch Johns Freund- zumindest… irgendwie. Die letzten zwei Jahre hatten gezeigt, dass er sich auf Rodney verlassen konnte, auch wenn der Kanadier im Umgang immer etwas schwer zu händeln gewesen war. Doch egal wie oft er John schon zur Weißglut getrieben hatte, konnte man mit ihm auch Spaß haben. Immer wieder überraschte Rodney ihn mit seiner sanften, menschlichen Seite, die- so glaubte zumindest John- nur er kannte. Warum ihm also die Wahrheit verschweigen?

    Sie nicht töricht, John, halt die Klappe, drängte sich seine innere Stimme wieder einmal gekonnt in den Vordergrund und John kamen erste Bedenken. Menschliche Seite und Spaß hin oder her, Rodney war auch mitunter das größte Plappermaul, das er kannte, und passte er nicht auf, würde spätestens übermorgen ganz Atlantis Bescheid wissen. John wagte es nicht, sich vorzustellen, was dann los sein würde.

    „Sie wollen es mir nicht sagen, oder?“ Rodney schien seine Zweifel zu erkennen und schaute beleidigt drein. „Sie glauben doch wohl nicht etwa, dass ich Ihr Geheimnis ausplaudern würde?“

    „Wie kommen Sie nur darauf, dass ich ein Geheimnis habe?“, fragte John mit unschuldiger Miene.

    „Weil ich Sie kenne“, war die einfache Antwort des Kanadiers. „Nun ja, ich… ich bin eigentlich nicht gut darin, aber… aber… naja, man sieht Ihnen an, dass Sie etwas bedrückt.“ Er deutete vage auf die Bierdose in Johns Händen. „Und Sie betrinken sich!“

    „Ich bin nicht betrunken“, verteidigte sich John, lallend.

    „Ach nein?“ Rodneys Augenbrauen schossen nach oben. „Ihr alkoholgeschwängerter Atem sagt da aber was anderes. Also… was ist los?“

    Als John immer noch zögerte, wurde Rodney ungehalten.

    „Hey, Sie können es mir ruhig sagen!“ Er hob beschwörend seine beide Händen. „Ich werde niemanden etwas verraten. Sie sind immerhin mein Freund und ich würde nichts sagen. Wenn Sie mir allerdings nicht vertrauen, dann…“ Er ließ den Satz unbeendet, gestikulierte stattdessen mit der rechten Hand, in der er die Bierdose hielt.

    John seufzte. „Ich… ich habe im Moment nur ein paar…Probleme“, formulierte er vorsichtig.

    „Probleme?“, echote Rodney und sein neugieriger Blick durchbohrte John. „Was für Probleme?“

    „Persönliche Probleme“, antwortete John.

    „Geht es um eine Frau?“, stellte Rodney spitzfindig fest.

    „Ja… es geht um eine Frau.“ John zögerte nicht einmal, denn er wusste, was einmal begonnen hatte, konnte nicht mehr gestoppt werden. Lieber sollte Rodney die ganze Wahrheit erfahren, als Halbwahrheiten in der Stadt zu verbreiten.

    Die nächste Frage des Kanadiers erwischte ihn so eiskalt, dass er beinahe die Bierdose fallen gelassen hätte, die er gerade an seine Lippen führte.

    „Es ist Teyla, nicht wahr?“

    John verschluckte sich und spie das Bier in einer zischenden Fontäne aus, riss die Augen auf und starrte seinen Gegenüber entsetzt und überrascht zugleich an. Woher, zum Teufel, wusste er davon?

    „Was!?“, entkam es ihm heiser. „Wo… woher wissen Sie-“

    „Ronon hat’s mir erzählt“, sagte Rodney. „Er meinte beim Mittagessen, dass irgendetwas zwischen ihnen beiden nicht zu stimmen scheint.“

    „Was soll denn nicht stimmen?“, erkundigte sich John nervös. „Es ist doch alles in Ordnung.“

    „Alles in Ordnung?“ Rodney verzog verachtend das Gesicht. „Ach Sie nennen es in Ordnung, dass Teyla grundlos aus dem Team ausgeschlossen wurde und Sie beide seitdem nicht mehr miteinander reden? Hören Sie, John, ich mag zwar kein guter Beobachter sein und war sozialem Gebiet bin ich fürchterlich ichbezogen, aber selbst ein Blinder kann sehen, dass irgendetwas zwischen Ihnen und Teyla vorgefallen ist. Halten Sie mich bitte nicht für so naiv!“

    „Ich halte Sie nicht für naiv, Rodney“, entgegnete John dem Kanadier, woraufhin dieser die Stirn kraus zog.

    „Dann hören Sie verflucht nochmal damit auf, mir und Ronon etwas vorzumachen“, tadelte er ihn. „Mit den anderen können Sie das von mir aus gerne machen, aber wir sind Ihr Team und wenn etwas nicht richtig läuft, dann ist es unser Recht davon zu wissen. Zumal es das Vertrauen im Team zu beeinflussen scheint.“

    Rodney richtete seinen Blick intensiv auf John. „Nun“, meinte er, „sagen Sie mir, was los ist oder muss ich erst ungemütlich werden?“

    Ein Lächeln stahl sich unwillkürlich auf Johns Lippen, als sich Rodney vor ihm aufbaute und versuchte eine bedrohliche Miene aufzusetzen. Dem Soldaten war durchaus bewusst, dass der Kanadier es ernst meinte, doch seine Variante der Umsetzung war amüsant, wenn nicht sogar schon lächerlich.
    Doch Rodney hatte recht… und das wusste John. Es war wohl unvermeidbar, noch länger zu schweigen, weswegen John beschloss, einfach die Wahrheit zu sagen.

    „Der Grund“, begann er, „warum Teyla nicht mehr an Missionen teilnimmt…“ Er geriet ins Stocken, leckte sich mit der Zungenspitze über seine nach Bier schmeckenden Lippen. „Sie… sie ist… schwanger.“


    Die Katze war aus dem Satz und in Rodneys Gesicht begann es zu arbeiten. Seine ärgerlich angespannte Miene fiel in sich zusammen; seine Brauen hoben sich und er riss die Augen auf. Sein Mund tat sich zu einem ‚O’ auf, seine Mundwinkel begannen zu zittern.

    „Sie ist…was!?“, platzte es da aus ihm heraus und der alte, wohlbekannte Rodney war zurück. „Schwanger!? Aber wie…“

    Seine Augen wurden noch weiter, als er begriff. Er bemerkte Johns ausdrucklose Miene und sein Finger erhob sich wie von Geisterhand gegen den Soldaten.

    Sie!?“

    John nickte.

    „Sie? Aber wie…“ Rodney schüttelte ungläubig mit dem Kopf. „Moment, Moment, wollen Sie mir damit sagen, dass Sie der Vater von… Teylas Baby sind!?“

    John nickte wieder.

    „O mein Gott!“, rief sein Gegenüber aus. „Wie, zur Hölle, konnte das denn passieren? Ich meine…konnten Sie denn nicht aufpassen? Ich wusste ja nicht einmal, dass Sie mit ihr zusammen sind!“

    „Wir… sind kein Paar, Rodney“, stellte John rasch klar, was allerdings nur zu noch mehr Verwirrung auf der Seite des Kanadiers führte.

    „Aber sagten Sie nicht gerade-“ Die Reichweite des Ganzen schien Rodney zum ersten Mal sprachlos zu machen.

    „Hören Sie, Rodney“, nutzte John das Schweigen seines Teamkollegen. „Ich erwarte von Ihnen, dass Sie die Sache mit Diskretion behandeln. Im Moment wissen nur Sie, Carson, ich und Teyla davon, und ich möchte, dass das vorerst auch so bleibt. Und um eins klarzustellen: Es war nicht geplant. Es war ein…“

    „… ein Unfall?“, half Rodney ihm auf die Sprünge. „Das Baby war nicht geplant?“

    „Nicht geplant, genau“, bestätigte John. „Das war eine einmalige Sache und ist nicht weiter erwähnenswert, also-“

    „Nicht weiter erwähnenswert?“, unterbrach ihn Rodney. „Ich nehme an, Sie sind nicht begeistert, sonst würden Sie so etwas nie sagen. Immerhin ist Teyla schwanger und Sie bezeichnen es als ‚nicht weiter erwähnenswert’?“

    „McKay“, zischte John. „Es ist auch für mich nicht gerade leicht, okay? Ich dachte nicht, dass es soweit kommen würde.“

    „War das bevor Sie mit Teyla schliefen oder mehr danach?“

    Rodneys stichelnder Kommentar ließ Johns Miene verfinstern. Er hatte doch gewusst, dass es eine schlechte Idee war, dem Kanadier davon zu erzählen, gerade wegen ebendiesen Kommentaren.

    „’Tschuldigung, tut mir leid“, ruderte der Wissenschaftler schon im nächsten Moment zurück. „Ich wollte nicht… naja, ich… Sie wissen schon. Ich bin nur etwas überrascht, dass… Wow, schwanger? Wirklich? Und Sie… Wow! Das ist…“ Er brach ab, sah John an. „Ja, w…wie soll ich das finden?“

    „Was meinen Sie?“

    Rodney zuckte mit den Schultern. „Wie gesagt, Sie sehen nicht gerade begeistert aus“, meinte er. „Und nachdem zu urteilen, was Sie eben gesagt haben…“


    Stille setzte ein und die beiden Männer sahen einander schweigend an. Keiner sagte ein Wort, die letzten Worte hingen noch immer in der Luft.

    „Ich…ich habe sie angeschrieen“, sagte John schließlich, den Blick abwendend. „Sie hat’s mir gesagt und ich… ich habe sie angeschrieen.“

    „Wie lange wissen Sie es schon?“, fragte Rodney vorsichtig und schaute nun ebenfalls aufs Meer hinaus.

    „Seit zwei Wochen“, antwortete John. „Ich habe seitdem nicht mehr mit ihr geredet, bin ihr aus dem Weg gegangen und habe sie gemieden. Ich…ich fühle mich schlecht dabei, weil ich ganz genau weiß, dass mein Verhalten falsch ist.“

    „Sie sollten bei ihr sein“, murmelte Rodney.

    John nickte.

    „Ich weiß.“

    „Nein.“ Rodney schüttelte mit dem Kopf. „Ich meine, Sie sollten jetzt bei ihr sein, anstatt sich hier alleine auf dem Pier zu betrinken. Sie haben zwei Wochen damit gewartet. Gehen Sie doch einfach zu ihr! Jetzt!“

    „Sie will mich bestimmt nicht sehen“, bemerkte John, den Kopf hängen lassend.

    „Wissen Sie das ganz sicher oder vermuten Sie das bloß?“, fragte Rodney. „Wer sagt Ihnen, dass Teyla nicht darauf wartet, dass Sie zu ihr kommen? Hören Sie, John, normalerweise würde ich Ihnen so etwas nie vorschlagen, denn normalerweise würden Sie auch nicht auf mich hören, aber… Sie sollten zu ihr gehen und mit ihr reden! Es ist auch Ihr Kind und ich kann mir vorstellen, dass Sie zwei viel zu bereden haben. Also gehen Sie verflucht noch einmal zu ihr, John!“

    „Wissen Sie“- Der Soldat deutete mit der Bierdose auf seinen Kollegen- „Sie machen mir mit dieser ganzen ‚Ich gib Ihnen einen Rat’-Nummer ganz schön Angst.“

    „Ich gebe zu, dass ich schon lange darauf gewartet habe, Sie endlich mal auf den Topf setzen zu können“, gestand Rodney grinsend.

    „Endlich mal?“, wiederholte John lächelnd. „Tun Sie das nicht schon die letzten zwei Jahre lang?“


    Die beiden Männer grinsten einander an, fanden eine stumme Übereinkunft in den Augen des anderen, setzten gemeinschaftlich die Bierdosen an und leerten sie. Viele Minuten vergingen, ehe sich wieder einer der beiden zu Wort meldete.

    „Gehen Sie zu ihr“, meinte Rodney.

    „Das werde ich“, erwiderte John seufzend und warf seine leere Bierdose über den dunklen Rand des Piers.

    TBC


  18. #10
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
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    Standard

    So, habe jetzt alles in einem Rutsch gelesen und muss sagen.... ich bin begeistert....!!!
    Wow, was für eine Geschichte, sie geht unter die Haut.
    Da ist einerseits John, der immer zu seinen Taten stehen würde, aber auch der John, der damit heillos überfordert ist, zumindest was das Thema Teyla und Schwangerschaft angeht.
    Klar, er war nicht er selbst, als er sie mehr oder weniger überwältigt hat, aber trotzdem ist es ja nun mal Tatsache, dass er der Vater des Kindes ist, wobei ich doch hoffen will, dass es ein menschliches Kind wird und kein Iratus-Käfer....
    Ich glaube, John wird schon das Richtige tun, wenn er erstmal den Schock überwunden hat. Er steht dann zu dem was unabwendbar ist und wird Teyla beistehen, zu Ihr stehen, ganz sicher.
    Bin sehr gespannt wie diese Geschichte ausgeht. Ich hoffe, sie hat ein Happy End!!!

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  19. Danke sagten:


  20. #11
    Mama, im Dienste Ihrer Majestäten Avatar von Nyada
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    Standard Alles anders

    A/N: Es ist schon etwas länger her, aber ich habe meine Leser natürlich nicht vergessen. In letzter Zeit war es nur etwas stressig und ich musste mich mit familiären Veränderungen auseinandersetzen, die in Form von Familienzuwachs einhergingen. Um keine große Rede daraus zu machen: Ich habe schlicht und einfach keine ruhige Minute in den letzten beiden Wochen gehabt, war immer auf Achse und hatte demnach keine Möglichkeit mich daran zu machen, ein neues Kapitel zu schreiben.

    Ich möchte mich für meine ‚Verspätung’ entschuldigen, und zwar mit diesem neuen Kapitel, von dem ich hoffe, das es euch gefallen wird.
    Viel Spaß beim Lesen wünscht euch eure Moni.

    PS: @John's Chaya: Meine Antwort auf deinen netten Kommentar findest du am Ende des nun folgenden Kapitels.

    *+*+*




    I thought that we would just be friends.
    Things will never be the same again.
    It's just the beginning it's not the end.
    Things will never be the same again.
    It's not a secret anymore.
    Now we've opened up the door.
    Starting tonight and from now on.
    We'll never, never be the same again.
    Never be the same again.
    Melanie C – Never Be The Same Again


    Es war kurz nach halb elf, als es an ihrer Tür schellte. Das ihr wohl bekannte, penetrante Summen riss sie aus dem leichten Dämmerzustand, in dem sie sich jetzt befand, nachdem es ihr auch nach unruhigem Herumwälzen unter der Bettdecke nicht gelungen war einzuschlafen. Es war schlichtweg zum Verzweifeln, doch sie war in ihrem Inneren zu aufgewühlt, um zu schlafen, und das, obwohl sie müde und erschöpft war. Die letzten Tage hatten an ihren Nerven gezerrt, sie fühlte sich ausgelaugt und manchmal schaffte sie es nur mit allergrößter Mühe sich aufzurappeln und für den Tag bereitzumachen. Sie schämte sich für ihre ständige Erschöpfung, nicht aus dem Grund, dass sie es war, sondern vielmehr darum, weil es ihr nicht mehr möglich war alltäglichen Dingen nachzukommen. Erst gestern hatte sie das Essen mit Elizabeth absagen müssen, weil sie am Ende ihrer Kräfte war- und das noch vor dem Mittagessen!
    Natürlich hatte sie sich Rat bei Carson gesucht, der ihr versichert hatte, dass Unwohlsein und Erschöpfung in den ersten Monaten einer Schwangerschaft völlig normal sein. Ihr war jedoch nicht die winzige Runzel entgangen, die sich in die Stirn des Schotten gegraben hatte und ihr nun Sorge bereitete.
    War wirklich alles in Ordnung? Verheimlichte Carson ihr etwas? Erstere Frage versuchte sie geflissentlich zu ignorieren und sie war sich sicher, dass Carson ihr niemals etwas vorenthalten würde, es ging schließlich nicht nur um ihre Gesundheit sondern auch um die ihres ungeborenen Kindes. Eine Tatsache, die ihr schon die ein oder andere schlaflose Nacht bereitet hatte.

    Teyla öffnete ihre Augen, als es ein zweites Mal an ihrer Tür klingelte, doch statt sich zu fragen, wer da so spät noch Einlass in ihr Quartier verlangte, wanderten ihre Gedanken unwillkürlich zu dem kleinen Wesen, das in ihr heranwuchs, und ihre Hände legten sich auf ihren Bauch, der sich leicht unter ihrem Top wölbte, aber trotzdem nur für geübte Beobachter zu erkennen war.
    Zwei, fast drei, Wochen waren vergangen, seit sie erfahren hatte, dass sie schwanger war und im Gegensatz zu ihrer Behauptung, dass es mit der Zeit einfacher und leichter werden würde, fühlte sie sich schrecklich. Nicht wegen der Tatsache, dass sie ein Kind erwartete; nein, mit diesem Gedanken hatte sie sich angefreundet und merkwürdigerweise empfand sie so etwas wie… Freude, wenn sie an ihr Kind dachte. Seit jeher war es ihr Wunsch gewesen, irgendwann einmal eine Familie zu gründen und Kinder zu bekommen. Dass es nun- etwas früher als von ihr geplant- soweit sein würde, erfüllte sie mit einer freudigen Nervosität.
    Manchmal, wenn sie wie heute nachts wach in ihrem Bett lag und den Meeresgeräuschen lauschte, erwischte sie sich dabei, wie sie sich ihr Kind vorzustellen begann. Ihre Hände streichelten dabei über die für andere kaum wahrzunehmende Wölbung ihres Bauches und sie schloss die Augen, versuchte sich in ihrem Kopf ein Bild zu machen. Es kam einem meditativen Akt gleich und in ihrer Fantasie versunken, vergaß sie für einen Augenblick, dass es bei Weitem nicht so einfach war, wie sie es sich vorstellte. Es war kompliziert, so kompliziert, dass sich ihr Herz jedes Mal zusammenzog, wenn sie daran dachte. Viel zu kompliziert.

    Kompliziert. Ja, so konnte man ihre Lage nennen. Kompliziert und verzwickt. Einerseits freute sie sich irgendwie auf dieses Kind, andererseits war ihr selbstverständlich bewusst, dass alles anders werden würde… wenn es das nicht sowieso schon war. Es war nicht so wie in ihrer Vorstellung, überhaupt nicht. Es war… komplizierter. Und Teyla wusste bei aller Liebe nicht, wie es weitergehen sollte.

    Das Summen ertönte ein drittes Mal, riss die Athosianerin aus ihren Gedanken, die über die nächtliche Störung sichtlich verärgert war und sich fragte, wer beim Namen der Antiker sie so dringend zu sprechen suchte. Mitten in der Nacht, dazukommend! Es gab nur wenige Personen, denen sie eine nächtliche Störung verzeihen würde, und während sie sich widerwillig zu erheben begann, überlegte sie, wen sie wohl zu erwarten hatte. Vielleicht Elizabeth? Nein, die Expeditionsleiterin entschwand selbst recht früh in ihre inneren Gemächer. Ronon? Unwahrscheinlich. Rodney? Noch unwahrscheinlicher; Teyla bezweifelte, dass der Wissenschaftler überhaupt wusste, wo sich ihr Quartier befand. Carson? Die Möglichkeit bestand, hatte sich der Mediziner doch in den letzten beiden Wochen rührend um sie gekümmert.
    Teyla stockte leicht der Atem und sie kam ins Stolpern, als sie sich einen weiteren Namen in den Sinn rief. Ihre Schritte wurden auf einmal schwerfälliger, hinsichtlich der Möglichkeit, dass… John sie auf der anderen Seite der Tür erwartete. Er war ihr zwar die letzten beiden Wochen aus dem Weg gegangen und hatte nicht ein einziges Wort mit ihr gewechselt, aber sie hatte stets die stille Hoffnung gehegt, dass er zu ihr kommen würde.

    Teylas Herz begann in ihrer Brust schneller zu schlagen und nach einem kurzen Stoßgebet an ihre Vorfahren, marschierte sie mit erhobenem Haupt auf die Türe zu und bewegte ihre rechte Hand über das Wandpanel, woraufhin die Türhälften auseinanderglitten und den Blick auf den nächtlichen Besucher freigaben.

    Obschon sie versuchte, möglichst gelassen an die Situation heranzugehen, gelang es Teyla nicht ihre Nervosität zu verbergen, als sie die geknickte Gestalt John Sheppards vor ihrer Tür erblickte.

    „John!?“, empfing sie ihn mit zitternder Stimme.

    Die haselnussfarbenen Augen des Soldaten flackerten kurz, aber heftig, dann hob er in einer unwillkürlichen, nervösen Geste seine Hand und fuhr mit ihr durch sein kurzes, schwarzes Haar. Es war seine Art, seine Nervosität zu zeigen, wenn ihm das nicht schon durch seine geduckte Körperhaltung, seinen zerstreuten Gesichtsausdruck und seinem alkoholgeschwängerten Atem gelungen war, der ihr entgegenschlug, als er sie verlegen wie ein kleines Kind grüßte.

    „Hey, Teyla. Ich… ich hoffe, ich störe nicht?“

    Er hat getrunken. Teyla versuchte es zu ignorieren, was ihr jedoch unmöglich war, hinsichtlich der festgelegten Tatsache, dass John nie trank. Nun gut, hin und wieder ein Bier oder ein Glas Wein auf den sogenannten Weihnachts- und Neujahrsfeiern, aber nie so viel, dass sein Blick gläsern war- so wie jetzt. Seine Lider hingen träge und bei genauerem Hinsehen bemerkte sie, dass er leicht von links nach rechts schwankte und es ihm schwer fiel sie zu taxieren. Sie hatte ihn noch nie betrunken erlebt, noch nicht einmal angeheitert, auch wenn er beim letzten Tandulfest nahe dran gewesen war.

    „John, ist alles in Ordnung?“, fragte sie ihn vorsichtig, nicht wollend, dass sie ihn mit einer unüberlegten Aussage verletzte oder gar reizte, denn sie konnte ihn in diesem Zustand noch schlechter einschätzen als sonst.

    „Ja, klar, alles bestens“, erwiderte er und der Duft des Alkohols stieg ihr noch intensiver in die Nase als beim ersten Mal. Es war der malzige Geruch des Getränks, das man auf der Erde als ‚Bier’ bezeichnete und in dessen Genuss Teyla auch schon gekommen war. Es gab ähnliche Getränke in der Pegasusgalaxie, die insgesamt jedoch einen deutlich niedrigeren Alkoholwert hatten als die Variante von Johns Heimatplaneten.

    Die Athosianerin kniff die Lippen aufeinander und fasste ihren Gegenüber ins Auge. John erweckte den Eindruck, als hätte er etwas zu viel von diesem Bier gehabt, auch wenn er für sie nicht der Mann war, der seine Sorgen im Alkohol ertränkte. Ein schwarzes T-Shirt, ein rotkariertes Hemd und seine Trainingshose tragend, stand er vor ihr; erst beim zweiten Hinsehen bemerkte Teyla, dass er barfuss war. Seine schwarzen Haare glänzten im diffusen Licht der Flurbeleuchtung und standen wie gewohnt in alle Himmelsrichtungen ab. Seine Augen waren gläsern und zuckten nervös hin und her.

    „Kann… kann ich reinkommen?“

    Seine sonst so sichere Stimme klang unsicher und schwach. Er lallte leicht und ein heiserer Unterton war zu vernehmen; nichts war mehr von der Selbstsicherheit in seiner Stimme geblieben, nichts mehr von dem rauem, sinnlichen, bei dem sich Teylas Nackenhaare regelmäßig aufstellten. Alles weg. John klang wie ein Kind, das von seiner Mutter beim Klauen von Süßigkeiten erwischt worden war und sich nun zu rechtfertigen hatte. Er klang geradezu… ängstlich.

    Teyla zögerte kurz, trat dann aber einen Schritt zur Seite und deutete mit einer einladenden Handbewegung in das Innere ihres Quartiers. Ihr Wunsch, mit ihm über alles zu reden, war zu groß, um ihn ignorieren zu können, und selbst die Tatsache, dass John nicht mehr ganz der Herr seiner Sinne zu sein schien, änderte daran nichts.
    Sie ließ ihn eintreten.

    Obwohl er um Einlass gebeten hatte, dauerte es ein paar Augenblicke, ehe der Soldat ihrer Einladung auch wirklich nachkam und eintrat, bevor sich die Tür automatisch hinter ihm wieder schloss. Mit überraschend sicheren Schritten drang er in das Innere ihres Quartiers vor, welches von einem warmen Licht eingehüllt wurde, das von der Lampe auf Teylas Nachttisch erzeugt wurde.

    Die Athosianerin folgte ihm in gewissen Abstand, versuchte dabei ihr wild klopfendes Herz zu beruhigen und sich mental auf das vorzubereiten, was womöglich jetzt auf sie zukommen würde. Sie war sich darüber im Klaren, dass sie von John keine großen Worte zu erwarten hatte, und auch nicht, dass er ihr seine Gefühle ausschütten würde. Er würde um den heißen Brei herumreden, seine wahre Meinung ebenso verschleiern wie seine Gefühle. Zwei Jahre hatten ausgereicht, um in Erfahrung zu bringen, dass John Sheppard kein Mann war, der gerne offen über seine Gefühle sprach.
    Dennoch erwartete Teyla eine Stellungnahme von ihm. Er hatte schließlich zwei Wochen Zeit gehabt, um über alles nachzudenken, und sie war sich fast sicher, dass er genau aus diesem Grund heute Abend getrunken hatte. Er war leicht zu durchschauen, zumindest was das Ausblenden seiner Gefühle anging; er wollte sich ihnen nicht stellen, also versuchte er sich abzulenken, in diesem Falle mit Alkohol.
    Bei der Vorstellung, dass John sich ihretwegen betrank, wurde Teyla ganz anders und für einen winzigen Moment fühlte sie sich furchtbar schuldig. Im nächsten Moment jedoch hoffte sie, dass der Alkohol den so verkrampften, in sich gekehrten Colonel etwas aus der Reserve lockte und er ihr gegenüber ehrlich war.

    Als John sich zu ihr umdrehte, versuchte Teyla in seinen Augen zu lesen, doch das, was sie darin fand, wollte nicht so recht zu dem Rest passen. In Johns Augen blitzte Entschlossenheit auf, während sein Körper eher nach Flucht aussah. Es war eine Kunst sich daraus einen Reim zu machen und Johns wirkliches Befinden herauszufinden. Der Amerikaner versteckte sich hinter einer undurchsichtigen Maske, mit der er sie verwirrte; sie wusste nicht, was sie denken sollte, was ihr hinsichtlich ihrer eigenen Nervosität sowieso unmöglich war.


    Johns Blick traf den ihren, was sich für beide als unangenehm herausstellte, weswegen er sogleich tiefer wanderte und an ihrem Bauch hängen blieb. Teyla sah ihn schlucken, einmal, zweimal. Die Falten auf seiner Stirn wurden tiefer und wie immer, wenn er nachdachte, kräuselte sich seine schmale Nase und er presste seine Lippen zu einem geraden Strich zusammen. Er war unentschlossen- das sah sie ihm an. Unentschlossen darüber, wie er sich zu verhalten hatte. Unentschlossen über die Situation, in der sie sich befanden, warum er gekommen war, getrunken hatte, seine Gefühle, sie, das Kind- sein Kind-, schlichtweg über alles.
    Unentschlossen, nervös und sich nicht darüber im Klaren, was er tun sollte. Also tat er das, was er in solchen Situationen immer tat; Unentschlossenheit und Nervosität mit einem schiefen Grinsen und Smalltalk übertünchend.

    „Wie… ähem… geht’s Dir?“, erkundigte er sich interessiert, sein Blick noch immer an ihrem Unterleib klebend, seine Augenbrauen hebend, weil er die leichte Wölbung bemerkte.

    In der Hoffnung, so etwas die Anspannung aus der ganzen Sache herauszukriegen, beschloss Teyla einfach mitzuspielen.

    „Gut“, antwortete sie. „Mir geht es… gut.“ Die morgendliche Übelkeit, die ständige Müdigkeit und ihre Schlafprobleme verschwieg sie ihm, ebenso das Gefühl der Hilflosigkeit und ihre Angst alleingelassen zu werden.

    John nickte, räusperte sich dann und fuhr mit der Zungenspitze über seine Lippen, an deren Druck auf den ihren sich Teyla noch genau erinnerte.

    „Mit dem…“- Er machte eine unbeholfen wirkende Handbewegung und deutete auf ihren Unterleib. Das Wort ‚Baby’ lag auf seinen Lippen, doch er brach den Satz an dieser Stelle ab, schaute sie stattdessen mit fragenden Augen an.

    „Es ist alles in Ordnung“, beschränkte Teyla ihre Antwort, wohl wissend, dass jedes Wort zu viel sein mochte und ihn verschrecken könnte- und das wollte sie nicht. Sie wollte mit ihm reden. Über alles. Über das, was zwischen ihnen vorgefallen war und über die Konsequenz, über das gemeinsame Kind, das sie erwartete. Zwei Wochen waren vergangen, seit sie es ihm offenbart hatte; er hatte zwei Wochen gehabt, um darüber nachzudenken und sich eine Entschuldigung für sein rüpelhaftes, geradezu zurückweisendes Verhalten zu überlegen, das sie sehr gekränkt hatte.
    Teyla war klar, dass ihre Neuigkeiten ihn überraschend getroffen hatten und er erst darüber nachdenken musste, aber seine Reaktion hatte sie überrascht, wenn nicht sogar verängstigt. Sie hatte John noch nie so… wütend gesehen.
    Sie fragte sich, ob sich seine Meinung geändert hatte und wie er jetzt über all das dachte.

    John schien an dasselbe wie sie zu denken, denn er räusperte sich ein weiteres Mal und als er seine Stimme erhob, klang diese auf einmal wieder so, wie Teyla sie gewohnt war; ruhig, tief, männlich und klar.

    „Ich bin hergekommen, um mit Dir zu reden“, erklärte er sein Anliegen. „Über das…“- Wieder eine vage Handbewegung und wieder fiel sein Blick auf ihren Bauch, über den die Athosianerin dieses Mal eine Hand legte, als wollte sie ihr Ungeborenes vor dem nun folgenden schützen.

    „.. das Baby“, beendete John seine Satz mit versagender Stimme. „Ich… ich hab’ darüber nachgedacht.“

    „Ich auch“, fühlte sich Teyla verpflichtet, ihm zu erwidern.

    John nickte stumm.

    „Es… es tut mir leid, wie ich reagiert habe“, fuhr er fort. „Ich hätte mich… zusammenreißen sollen. Es tut mir leid, Teyla.“

    „Es muss dir nicht leid tun, John. Ich verstehe das.“

    „Nein, tust du nicht“, sagte der Soldat kopfschüttelnd. „Niemand versteht das, noch nicht einmal ich selbst. Es… es kam nur so überraschend und ich… ich hatte gehofft, dass wir das, was passiert ist vergessen können. Du weißt schon… Gras über die Sache wachsen lassen. Aber jetzt ist es nicht mehr so einfach, wo ein Baby unterwegs ist.“

    An dieser Stelle mussten sie beide unwillkürlich schmunzeln; die Ironie des Ganzen amüsierte sie.

    „In der Tat, dass ist es wohl nicht mehr“, pflichtete Teyla ihm bei und sprach, nachdem sie tief Luft geholt hatte, weiter: „Und vielleicht ist es besser, wenn wir es nicht vergessen, immerhin sind wir dadurch erst in diese Situation gekommen. Wir werden ein paar wichtige Entscheidungen diesbezüglich treffen müssen, John.“

    Sie hielt kurz inne, sah ihn dann unverwandt an.

    „Es sei denn, du möchtest, dass…“

    „Nein!“, rief er aus, ließ sie ihren Satz nicht beenden. „Auf keinen Fall! Ich… nein, Teyla. So nicht. Ich weiß, es war nicht geplant, aber…“ Wieder versagte ihm die Stimme und es war an Teyla einen erleichterten Seufzer von sich zu geben.

    „Ich verstehe“, bemühte sie sich sachlich zu bleiben, wenngleich sie innerlich am Frohlocken war, dass eine Beendung der Schwangerschaft in seinen Augen nicht zur Debatte stand. Einerseits war sie unendlich froh, dass er es nicht von ihr verlangte. Andererseits fragte sie sich, wie es weitergehen würde. Und, was dachte er?

    „Hör zu, Teyla.“ John machte einen Schritt auf sie zu und sein alkoholgeschwängerter Atem schlug ihr entgegen. Als er sah, wie sie die Nase rümpfte, grinste er entschuldigend.

    „Du hast getrunken“, bemerkte die Athosianerin vorsichtig.

    „Ja“, antwortete er ihr, „und womöglich werde ich deshalb Dinge sagen, die ich so sonst nie sagen würde, aber es ist der einzige Weg, ehrlich zu Dir zu sein, ohne Dir etwas vorzuspielen.“ Mit einem Mal war er wieder John Sheppard, ihr bester Freund, ihr Bruder, mit dem sie scherzen und herzhaft lachen konnte. Nicht der, mit dem sie ihr Bett geteilt hatte und dessen Kind sie erwartete.

    Teyla nickte.

    „Red weiter.“

    „Ich fühl’ mich furchtbar wegen dem, was zwischen uns passiert ist“, tat John wie ihm geheißen, „ und ich weiß nicht, wie ich das je wieder gutmachen kann, Teyla. Besonders jetzt nicht. Du sollst wissen, dass ich mich schäme. Ich schäme mich furchtbar; es hätte nicht passieren dürfen. Es war ein…“

    „…ein Fehler?“, half die Athosianerin ihm auf die Sprünge, senkte traurig den Blick.

    „Nein, kein Fehler, aber…“ Hilflos suchte John nach den richtigen Worten. „Wir haben eine Grenze überschritten, Teyla, und müssen nun mit den Konsequenzen leben. Ich hätte…“

    „Es ist nicht Deine Schuld, John“, unterbrach Teyla ihn. Sie hatte unfreiwillig erfahren, dass das, was zwischen John und ihr vorgefallen war, nicht mehr als eine Laune der Natur gewesen war, als Rodney beiläufig beim Mittagessen mit ihr und Ronon von Carson Entdeckung berichtet hatte. Als eine wahre ‚Pheromon-Schleuder’ hatte der Kanadier den Colonel abfällig bezeichnet, von seinem Sandwich abgebissen und dann über die Ungerechtigkeit philosophiert, dass Gott beim Austeilen des guten Aussehens nicht zu seinen Gunsten entschieden hatte. Teyla und Ronon hatten ihrem Kollegen aufmerksam gelauscht, doch während der Sateder nur die Augen verdreht hatte, hatte es in Teylas Kopf zu arbeiten begonnen…
    … und nach einer Weile hatte sie verstanden. Die Natur hatte John und ihr einen bitteren Streich gespielt! Ihr Gewissen beruhigte das allerdings nicht.

    „Ich fühle mich aber schuldig“, widersprach der Soldat ihr und begann energisch mit dem Kopf zu schütteln. „Verdammt, es hätte nicht passieren dürfen! Und jetzt…“ Seine blitzenden Augen fixierten ihren Bauch.

    „Wir müssen damit leben“, sagte Teyla ruhig, als sie sah, wie sehr ihn das alles mitnahm; sein Atem ging schneller, seine Schultern bebten und die glaubte sogar zu sehen, dass sich Tränen in seinen Augen sammelten.

    „Aber ich weiß nicht, ob ich das kann“, erklärte John etwas lauter und schärfer. „Ich wollte nie… Und jetzt… Ich meine… Sieh uns doch nur einmal an! Was aus uns geworden ist. Wir können nicht mehr normal reden, weil ich… ich mich einfach deswegen schäme. Ich schäme mich, Dir unter die Augen zu treten, weil ich Angst davor habe, wie Du über mich denkst oder dass Du böse auf mich bist.“

    „John“, seufzte Teyla und streckte aus Reflex ihre Hand nach ihm aus und berührte ihn an der Wange. Zu ihrer eigenen Überraschung zuckte er nicht zurück, sondern schloss die Augen und lehnte sich nach Geborgenheit suchend gegen sie. „Ich bin nicht böse auf Dich. Warum sollte ich es auch sein?“

    „Ich hab Dir… wehgetan“, war Johns Erwiderung und seine Schultern bebten hinsichtlich der Bilder in seinem Kopf noch stärker. „Ich habe Dich…“ Bevor er weiterreden konnte, legte Teyla ihm einen Finger an die Lippen.

    „Du hast nichts dergleichen getan“, beruhigte sie ihn. „Weißt Du, ich habe viel darüber nachgedacht, und bin zu dem Schluss gekommen, dass wir es, wie Du es sagtest, nicht mehr ändern können. Wir haben mit den Konsequenzen zu leben, die es uns unmöglich machen zu vergessen, was passiert ist. Vergessen werden wir es nicht, aber wir können damit leben. Wir müssen es, John.“

    Der Soldat nickte, öffnete seine Augen wieder und sah sie an.

    „Das Baby“, murmelte er leise.

    „Ich will dieses Kind“, entgegnete Teyla ihm entschlossen, sich an die starken Empfindungen erinnernd, die sich in ihr regten, wenn sie an ihr Ungeborenes dachte. „Auch wenn…“ Sie stockte kurz, fuhr dann aber fort. „Ich habe es mir immer anders vorgestellt, aber jetzt, wo es begonnen hat, will ich es auch beenden.“


    Ein nicht zu ignorierenden Verlangen nach Zärtlichkeit und Geborgenheit trieb Teyla in Johns starke Arme, die er zögernd um sie legte, als sie in sie hineinlief, sich an ihn drückte und ihr Gesicht in dem Stoff seines T-Shirts vergrub, seinen maskulinen Geruch in sich aufnahm und die Augen schloss.

    „Ich will dieses Kind“, wiederholte sie flüsternd. Sie wollte dieses Kind wirklich, ganz gleich was er dazu sagen würde. Wenn notwendig, würde sie es auch alleine aufziehen, aber aus Erfahrung wusste sie, dass John Sheppard viel zu sehr Gentleman war, als eine Frau im Stich zu lassen.

    John hielt sie in seinen Armen, wie ein guter Freund es tat. Wie ein Bruder, der seine kleine Schwester tröstete. Nicht wie ein Liebhaber, der auf Leidenschaft aus war. Dieses Kapitel war abgeschlossen und würde wahrscheinlich nie wieder offen getan werden. Die Nacht, die sie miteinander verbracht hatten, war eine einmalige Sache gewesen, eine Erfahrung, die sie hatten machen müssen, ein schlechter Schachzug des Schicksals. Womöglich würde ihre Freundschaft noch lange darunter leiden, aber Teyla war fest entschlossen, alles zu tun, um ihr Verhältnis zu John wieder zu kitten. Ein Kind war unterwegs, was jedoch nichts an der Tatsache änderte, dass John für sie nicht mehr als ein Freund war… und nunmehr der Vater ihres Kindes. Nicht mehr, nicht weniger, ein Freund.

    „Ich weiß“, murmelte John in ihre Haare und sie spürte, wie er sie fester an sich drückte, sich eine Hand jedoch von ihr löste und sich ihren Weg hinunter, zu ihrem Unterleib bahnte und auf der leichten Rundung platzierte, die durch den Stoff ihres Tops zu spüren war.

    „Ich…ich wollte nie Kinder haben“, gestand er ihr leise und Teyla blickte zu ihm auf; der Unterton in seiner Stimme verriet, dass er noch nicht fertig war. „Ich fühlte mich nicht bereit dazu, aber…“

    Er brach ab.

    Teyla nickte und legte den Kopf zur Seite, als sie sah, wie er seine Lippen zusammenkniff, sie Sekunden später wieder löste. Sie entschloss sich dazu, seine Aussage schweigend hinzunehmen, denn sie wusste, was er wirklich hatte sagen wollen. Vielleicht war er noch nicht bereit, Vater zu werden, aber der Ausdruck in seinem angespannten Gesicht verriet ihr, dass er es ihr und dem Kind zuliebe versuchen würde.
    Die Athosianerin seufzte, als sie die Wärme von Johns Hand verspürte, und legte ihre Hand auf seine. Es war ein äußerst intimer Moment, aber sie beide wussten, dass es in Ordnung war. Sie brauchten es, vergewisserten einander durch diese Geste, dass sie für einander da waren und den anderen nicht im Stich lassen würden. Ein langer Weg stand ihnen bevor, der gewiss nicht einfach werden würde. Alles war anders. Alles hatte sich verändert. Es wurde mit neuen Karten gespielt. Ein neuer Anfang musste getan werden; sie mussten diesen Anfang gemeinsam wagen, schließlich ging es sie beide etwas an. Sie beide mussten fortan Verantwortung für ihr Handeln übernehmen, auch wenn das Überwindung kostete. Aber es ging nicht anders.
    Denn alles war anders!

    TBC


    Ich habe mich gegen ein alles klärendes Gespräch der beiden entschieden, sondern für eine langsame Entwicklung, die sich bis zur Geburt des Kindes hin ausdehnen wird. Für mich sind John und Teyla zwei sehr emotionale Menschen (Auch wenn Ersterer das nicht immer so zeigt), die Zeit brauchen, um zu verarbeiten, und diese Zeit werde ich ihnen geben. Es wird nicht leicht für sie werden, weil im nächsten Kapitel noch ein unerwarteter Umstand dazukommen wird, aber ich will jetzt noch nicht zu viel verraten, sonst wäre es ja nicht mehr so spannend, gell?

    Spoiler 
    @John's Chaya: Wow, alles in einem Rutsch? Ich bin... wie sagtest du es gleich noch...begeistert. Kein Wunder also, dass dir die Geschichte "unter die Haut geht". Mir geht es genauso, was nicht unbedingt immer zum Vorteil ist, denn einerseits will ich es gefühlvoll gestalten. Andererseits möchte ich mich an die Vorlage von Kris halten, die ein Pairing/ eine Romanze zwischen den beiden nicht vorzieht. Obwohl ich das zugern darauf hinauflassen würde!

    Ich glaube, John wird schon das Richtige tun, wenn er erstmal den Schock überwunden hat. Er steht dann zu dem was unabwendbar ist und wird Teyla beistehen, zu Ihr stehen, ganz sicher.
    So schätze ich ihn auch ein und du kannst dir sicher sein, dass sie einander noch sehr brauchen werden,denn wie oben erwähnt wird es ihm nächsten Kapitel eine unerwartete (böse) Überraschung geben.

    Klar, er war nicht er selbst, als er sie mehr oder weniger überwältigt hat, aber trotzdem ist es ja nun mal Tatsache, dass er der Vater des Kindes ist, wobei ich doch hoffen will, dass es ein menschliches Kind wird und kein Iratus-Käfer....
    Spoiler 
    Du hast es erraten, meine Liebe, du hast es erraten.


    So, damit bedanke ich mich für deinen netten Kommentar und hoffe, dass du dich auch an diesem Kapitel erfreuen konntest.
    LG, deine Moni

  21. Danke sagten:


  22. #12
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
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    Standard

    Wow, das war wieder ein faszinierendes, spannendes Kapitel.
    Das sehr viel von Johns Gefühlswelt zeigt und ich hatte recht, er steht zu Teyla und ihrem gemeinsamen Kind.

    Er weiß halt was sich gehört, auch wenn sie nur als Freunde für ihr Kind gemeinsam sorgen, so hat es doch dann Vater und Mutter.

    Es ist zwar traurig, dass John sich erstmal Mut antrinken musste, aber so sind die Männer halt.
    Da ist John wohl keine Ausnahme, aber er tut wie gesagt dann wenigstens das Richtige.

    Und in meinen Augen sind sie auch zwei sehr emotionale Menschen, da gebe ich Dir recht.

    Tolles Kapitel und ich kann die Fortsetzung kaum erwarten!!!

    Spoiler 
    Und ohje, verstehe ich das im Spoiler richtig, ich hab recht???
    Och nöööö.... will ich aber nicht.
    Geändert von John's Chaya (25.09.2011 um 18:47 Uhr)

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  23. Danke sagten:


  24. #13
    Die nach den Sternen greift Avatar von Ailya
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    Standard

    Hey, hey, Moni!

    Sorry, dass ich mich erst jetzt melde, aber ich hatte die letzten Tagen einfach so viel um die Ohren, dass ich's nicht eher geschafft habe.

    Aber ich habe dich natürlich nicht vergessen- wie könnte ich auch bei diesem tollen, gefühlvollen Kapitel, dass du fabriziert hast.
    Wow, ich konnte gar nicht aufhören es zu lesen, und ich bin froh, dass alles so "gut" ausgegangen ist. John hat sich also für Teyla und das Kind entschieden, auch wenn die beiden nur als Freunde für das Baby sorgen wollen. Immerhin- besser als gar nichts oder das er das Kind nicht animmt.

    Ich finde, in diesem Kapitel hast du uns einen sehr guten Einblick in das Gefühlsleben der beiden gegeben und gezeigt, dass die Freundschaft der beiden stärker ist als alles andere. Ich kann mir vorstellen, dass der Aufbau von Vertrauen noch etwas Zeit beanspruchen wird, doch die beiden werden es schaffen...
    Spoiler 
    ... zumal ich persönlich glaube, dass das Ganze zwischen den beiden nicht zu mehr als nur Freundschaft führen wird. Dafür kenne ich dich zu gut, Süße.


    So, jetzt bin ich aber auf die FS gespannt und vor allem darauf, wie J/T weiter mit der Sache umgehen werden, schließlich kommt eine gewaltige Aufgabe auf sie zu. Nicht nur, dass sie Eltern werden sondern auch, dass sie die emotionalen/psychischen Grenzen noch zu überwinden haben.

    Vielen Dank fürs Lesen lassen und hoffentlich bis bald!
    Deine Ally

  25. Danke sagten:


  26. #14
    Mama, im Dienste Ihrer Majestäten Avatar von Nyada
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    Standard Eine böse Überraschung, Teil 1

    A/N: Kennt ihr auch diese serieninternen Mehrteiler, die welche sein sollen, aber solche absolut Mehrteiler untypischen Namen haben wie z.B. Instinkt und Die Verwandlung. Wir, als ahnungslose Zuschauer, würden nicht einmal darauf kommen, dass es sich bei diesen beiden Episoden um Mehrteiler handelt, weswegen die Autoren die große Güte bewiesen und Teil 1 und Teil 2 an die jeweilige Folge hinzugefügt haben.
    Warum ich mich jetzt darüber beschwere, mögt ihr euch fragen, und die Antwort… Nun ja, es gibt keine. Eigentlich wollte ich euch nur darauf vorbereiten, dass die beiden nächsten Kapitel genau so ein „kapiteltiteltechnisch“ nicht zusammenpassender Mehrteiler sind.

    Also, viel Spaß beim Lesen und genießt das schöne Wetter solange es noch da ist!
    Liebste Grüße, eure Moni





    There’s something, something about this place
    Something about lonely nights and my lipstick on your face
    Something something about my cool Nebraska guy
    Yeah something about
    Baby you and I
    Lady Gaga – You and I



    Einige Wochen später


    Sie wusste nicht, wie es passiert war. Sie wusste nur, dass es passiert war. Warum konnte sie sich nicht erklären. Es war passiert und nun nicht mehr zu ändern. Sie wusste nicht, ob sie es falsch finden sollte, es möglicherweise sogar zu verurteilen hatte.
    Aber, genaugenommen, war gar nichts Falsches daran. Es war nichts Verbotenes und ja auch nicht das erste Mal, dass es geschehen war.
    Nur
    dieses Mal…

    Mit weit aufgerissenen Augen lag sie auf dem Rücken, wie ein hilfloses, umgestoßenes Insekt, starrte die Decke über sich an und versuchte sich einzureden, dass sie nichts Falsches oder gar Verbotenes getan hatte. Doch obwohl sie das wusste, wollte es ihr nicht gelingen. Ob es nun die Tatsache, dass sich ihr Magen schuldbewusst zusammenkrampfte, oder der Mann war, der friedlich neben ihr schlummerte und dessen Bettdecke soweit hochgerutscht war, dass er unfreiwillig sein entblößtes, durchaus ansehnliches Hinterteil präsentierte- sie wusste nicht, was ihr den Schlaf raubte.

    Um sie herum herrschte Dunkelheit, die Geräusche der Nacht drangen durch die dünnen Zeltwände, ebenso die nächtliche Kälte. Es würde womöglich noch mehrere Stunden dauern, ehe die ersten Sonnenstrahlen übers Land krochen und sie aufstehen und der ganzen verwirrenden Situation entfliehen könnte. Allein die Vorstellung, allein in der Dunkelheit zu liegen, bombardiert von Verwirrung und Scham, ließ sie erschaudern.
    Obwohl es
    allein nicht wirklich traf…

    Ganz, ganz langsam drehte sie ihren Kopf auf die andere Seite und starrte in das Gesicht des Mannes, der neben ihr schlief. Der schwache Mondschein machte es ihr möglich seine Züge trotz der Dunkelheit genau zu erkennen; sie sah seine geschwungenen Wangenknochen und seine spitz zulaufende Nase, die sie geküsst hatte, und seine schmalen, vom Küssen noch ganz gerötete Lippen, die sie an Stellen berührt und liebkost hatten und von denen sie nie angenommen hatte, dass sie ihr so viel Befriedigung verschaffen konnten. Er hatte seine Augen geschlossen, seine wunderschönen grünen Augen, die sie an die hiesigen Waldseen und an den herbstlichen Waldboden erinnerten. Die mit dichten, schwarzen Wimpern gesäumten Lider des Mannes zuckten und sie sah, wie er im Schlaf seine Mundwinkel hob.
    Ein leises, zufriedenes Geräusch drang über seine Lippen und augenblicklich überkam sie wie aus dem Nichts der Wunsch diese zu küssen. Sie wollte ihn jedoch nicht wecken, denn das würde bedeuten, dass sie mit ihm reden musste.

    Leise seufzend rollte sie sich auf die Seite und fuhr fort ihn mit stiller Faszination beim Schlafen zu beobachten. Ihr war klar, dass am Morgen nichts mehr so sein würde, wie es einmal gewesen war. Die Vergangenheit hatte einige Veränderungen mit sich gebracht, und ihre Beziehung zu diesem Mann hatte in den letzten Wochen, Monaten starke Umwälzungen erlebt. Wie es wohl jetzt aussehen würde? Sie wunderte sich, wie es nun weitergehen würde.

    Ehe sie sich bewusst wurde, was sie tat, beugte sie sich vor und drückte ihm einen sanften Kuss auf die Lippen, die nach dem Wein schmeckten, den er am Abend getrunken hatte. Einen Moment lang hielt sie ihre Lippen auf die seinen gepresst, genoss die Wärme, die von ihnen ausging, und das Kribbeln, das durch ihren ganzen Körper jagte. Es war ein merkwürdiges Kribbeln, das sie nicht einzuschätzen wusste. Einerseits war es das, wonach sie sich so lange gesehnt hatte. Andererseits verwirrte es sie, weshalb sie ihre Lippen (wenn auch widerwillig) von seinen löste und sich zurücklehnte.

    Die weit reichenden Konsequenzen, die ihr Handeln haben würde, wurden ihr in diesem Moment erst richtig bewusst, aber merkwürdigerweise war ihr das egal. Zum ersten Mal in ihrem Leben zählte für sie nur der Moment, nur der Anblick des Mannes, der neben ihr schlief, zu dem sie eine enge Freundschaft verband und der Gefühle in ihr wachrief, die sie verwirrten und gleichzeitig mit tiefer Zufriedenheit erfüllten. Sie wusste nicht, wie es weitergehen würde, wenn er am Morgen erwachte, und wenn sie ehrlich sein sollte, wollte sie sich darüber jetzt noch keine Gedanken machen.

    Einfach den Augenblick genießen, sagte sie zu sich selbst, streckte die Hand nach ihm aus und streichelte über seine Wange, schloss die Augen, als das Kribbeln in ihren Fingerkuppen begann und sich dann durch ihren ganzen Körper ausbreitete.

    Sie wusste nicht,
    wie es passiert war. Sie wusste nur, dass es passiert war und nichts mehr so sein würde, wie es einmal gewesen war.

    ooOOoo

    Einige Tage zuvor


    Auf ihrem Schreibtisch häuften sich Missionsberichte und Briefe, die darauf warteten, beantwortet zu werden, eine Kiste, die irgendein Wissenschaftler dort vergessen hatte, versperrte ihr den Weg in ihr Büro und so musste sie wohl oder übel über das klobige Ding hinwegsteigen, und zu allem Überfluss bekam sie nun auch noch schrecklichen Hunger. Das stetige Grummeln in ihrem Magen hielt schon seit ganzen drei Stunden an, verstärkte sich von Stunde zu Stunde, und das nun nicht mehr ganz so dezente Knurren wies sie darauf hin, dass es doch keine gute Idee gewesen war, das Frühstück einfach so ausfallen zu lassen.
    Vielleicht sollte sie in die Mensa hinuntergehen und sich ein Sandwich holen, vielleicht auch ein Stück Kuchen, wenn noch eines von Dr. Espositos Geburtstag übriggeblieben oder Rodneys Klauen entgangen war. Andererseits, sie hatte sich schon für gestern vorgenommen endlich den sich auf ihrem Schreibtisch türmenden Papierkram zu erledigen; Col. Sheppard hatte bei seinem morgendlichen Besuch, der stets mit einer Tasse Kaffee verbunden war, amüsiert die Augenbraue hochgezogen und ihr seinen ‚Ich verstehe Sie’-Blick zugeworfen, war aber überraschend schnell wieder verschwunden gewesen.
    Sie konnte John verstehen und fragte sich zugleich, wie er nun immer schaffte seinen Papierkram jeden Monat pünktlich und einigermaßen gründlich abzugeben, denn es war kein Geheimnis, dass John Sheppard Büroarbeiten hasste und viel lieber seine Freizeit damit verbrachte auf den Pieren Golf zu spielen.
    Sich vornehmend, ihn irgendwann einmal nach seinem „Geheimnis“ zu fragen, ließ sich Elizabeth Weir hinter ihrem Schreibtisch nieder und betrachtete das Chaos auf ihrem Schreibtisch. Briefe, Missionsberichte, Mitarbeiterbewertungen- alles wild durcheinander gewirbelt und es war nicht ein Funken Ordnung zu erkennen.
    Elizabeths ausgeprägter Sinn für Ordnung protestierte in Hinsicht auf dieses Chaos und ihre Hände begannen wie von allein sich zu bewegen, um den Papierhaufen zu beseitigen. Vergessen war die dämliche Kiste, vergessen war der Hunger, das Grummeln in ihrem Bauch, und vergessen waren die Kopfschmerzen, die sich vorhin angekündigt hatten.


    Als der Alarm eines eingehenden Wurmloches wenige Minuten später ertönte, nahm Elizabeth ihn zuerst gar nicht wahr, so versunken war sie in ihrer Arbeit, einen Brief von General Landry zu beantworten und sich gleichzeitig zu überlegen, wie sie höflich ausdrücken konnte, dass eine Inspektion durch das IOA-Mitglied Richard Woolsey ‚nicht von Nöten war’. Erst als Sergeant Chucks Stimme sie ereilte, wurde ihr klar, dass es jetzt nicht um den bebrillten Mann mit der Vorliebe für Anzüge ging, sondern um die Person, die sich schickte, das Gate zu durchqueren.

    Seufzend erhob sich Elizabeth und verließ ihr Büro, nicht ohne einen schnellen Blick auf die Uhr zu werfen und die Stirn zu runzeln. Es wurde in den nächsten Stunden niemand zurückerwartet; Major Lornes Team befand sich auf einer mehrtägigen Mission und würde erst morgen zurückkehren, und sonst befanden sich keine Teams auf Außeneinsätzen. Einzig und allein Teyla Emmagan war heute Morgen aufgebrochen; die Athosianerin wollte ein paar Tage bei ihrem Volk verbringen, dem die Erntesaison bevorstand.
    Bei diesem Gedanken vertieften sich die Falten auf Elizabeths Stirn. Sie erwarteten Teyla nicht vor übermorgen zurück. Was, wenn nun sie es war? Ob irgendetwas passiert war? Elizabeths Sorge wuchs, als sie auf den am Kontrollpult sitzenden Chuck Campbell zusteuerte. Sie war sich fast sicher, dass irgendetwas nicht stimmte. Ihr Gefühl sagte ihr, dass etwas passiert war, und auf ihr Bauchgefühl konnte sie sich verlassen.

    „Dr. Weir.“ Sergeant Chuck sah auf, als er seine Vorgesetzte herannahen sah.

    „Sergeant, was gibt es?“

    „Wir empfangen soeben eine Videoübertragung von Neu Athos Ma’am“, antwortete der kanadische Tortechniker und bestätigte damit Elizabeths Verdacht.

    „Teyla?“, fragte sie.

    Sergeant Chuck schüttelte mit dem Kopf, doch Elizabeth wusste nicht, ob sie darüber Erleichterung empfinden sollte oder nicht.

    „Nein, Ma’am. Es ist der ID-Code von…“ Er stutzte kurz. „Nun ja, er nennt sich Halling und er möchte Sie sprechen. Er meint es sei sehr dringend.“ Chucks Betonung beunruhigte die Expeditionsleiterin noch mehr, weshalb sie ihm rasch mit einer Handbewegung zu verstehen gab, den Athosianer durchzustellen.

    „Na, mal schauen, was er so dringendes mit mir zu bereden hat“, sagte sie, sich dem Monitor zuwendend, auf dem im nächsten Augenblick auch schon das bekannte Gesicht Hallings erschien. Dieser schien sich inmitten der athosianischen Siedlung zu befinden, denn man konnte Stimmen und Kinderlachen im Hintergrund hören. Er blinzelte ein paar Mal in die Kamera des MALP, das zur Verständigung zwischen den Athosianern und Atlantis diente, ehe sich ein nervöses Lächeln auf seinem wettergegerbten Gesicht ausbreitete.

    „Dr. Weir“, begrüßte er sie höflich und neigte den Kopf zur Seite. „Es ist erfreulich, dass Sie es einrichten konnten.“

    „Man sagte mir, Sie hätten etwas Dringendes mit mir zu besprechen?“, kam Elizabeth gleich auf den Punkt. „Ist etwas mit den Vorräten nicht in Ordnung, die wir Ihnen geschickt haben? Benötigen Sie mehr?“

    Halling winkte ab.

    „Sie waren sehr großzügig zu uns, Dr. Weir, und ich möchte mich noch einmal bedanken“, antwortete Halling, „aber das ist bedauerlicherweise nicht der Grund meines Ersuchens. Es geht um Teyla.“

    Elizabeths Magen krampfte zusammen. „Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte sie.

    „Ich will nicht lügen“, meinte Halling und senkte bedrückt den Kopf. „Es geht ihr sehr, sehr schlecht, Dr. Weir. Wir machen uns große Sorgen um sie. Es fing alles vor ein paar Stunden an und seitdem geht es ihr immer schlechter. Unsere Heilerin hat ihr bestes getan, aber jetzt denken wir, dass es vielleicht besser wäre, wenn Ihr Arzt, Dr. Beckett, nach ihr sehen würde.“

    „Selbstverständlich.“ Elizabeth nickte. „Sagen Sie ihr, dass Dr. Beckett auf sie warten wird. Ich werde ihm sofort Bescheid geben-“

    „Ich befürchte, dass Teyla nicht in der Lage ist, nach Atlantis zurückzukehren“, fiel der Athosianer ihr ins Wort. „Sie kann sich kaum noch bewegen und ist sehr schwach.“ Er seufzte. „Ich sagte ja, es ist sehr ernst. Wenn es Ihnen keine Umstände macht, würden wir es begrüßen, wenn Dr. Beckett zu uns kommt.“

    „Zu schwach?“, echote Elizabeth besorgt.

    „Ich wünschte, ich könnte Ihnen mehr sagen, aber ich kann es nicht“, entgegnete Halling. „Unsere Heilerin, Charin, vermutet, dass es mit dem Kind zusammenhängt, das Teyla erwartet, und sie macht sich große Sorgen, dass sie es verliert.“

    „Ich werde Dr. Beckett sofort zu Ihnen schicken“, versprach Elizabeth, verabschiedete sich von Halling und wandte sich, nachdem die Verbindung beendet worden war, an den Tortechniker, der sie fragend ansah.

    „Sergeant, bitte informieren Sie mir unverzüglich Dr. Beckett und Col. Sheppard“, wies sie ihn an.

    „Ma’am?“

    Sofort, Chuck“, wiederholte Elizabeth mit Schärfe. Sie wartete auf das gehorsame Nicken des Sergeants, dann machte sie sich in Richtung ihres Büros von dannen, den Kopf voller Gedanken und in Sorge um ihre schwangere Freundin, der es- laut Halling- sehr schlecht ging. Das Kind verlieren? Ein unvorstellbar schlimmer Gedanke und Elizabeth reichte allein die Vorstellung und sie musste sich setzen, weil ihr schwindelig wurde.
    Sie nahm hinter ihrem Schreibtisch Platz, faltete die Hände ineinander und lehnte sich zurück, schloss die Augen. Ihre Gedanken wanderten zu Teyla. Sie wusste, wie sehr die Athosianerin sich auf ihr Baby freute, auch wenn ihre Schwangerschaft in dem Sinne nicht geplant gewesen war. Bei jeder Gelegenheit sprach Teyla über das Kind; gestern erst hatte sie Elizabeth das kleine schwarz-weiße Ultraschallbild gezeigt und sich ihre Hand geschnappt, als sich das Baby in ihr bewegt hatte. Elizabeth hatte nicht schlecht gestaut.
    Und nun sollte es vorbei sein? Elizabeth war sich sicher, dass Teyla es nicht verkraften würde, würde ihrem Ungeborenen etwas zustoßen.
    Ebenso wenig wie John es ertragen würde.

    Elizabeth empfand es als richtig, dass man den Colonel informierte, wenngleich sie noch immer nicht genau wusste, wie er zu der ganzen Sache stand. Sie entsann sich an Johns verbissene Miene, als er und Teyla eines Tages in ihrem Büro aufgetaucht waren und sie von der Schwangerschaft der Athosianerin in Kenntnis gesetzt hatten.
    Zuerst hatte Elizabeth die beiden wie vom Donner gerührt angestarrt, dann stieg Freude in ihr auf und das Bedürfnis, die beiden zu umarmen, überkam sie… doch dann bemerkte sie Johns Blick und ihr wurde schlagartig klar, dass die beiden sich nicht so über das Kind freuten, wie sie es eigentlich sollten.
    John hatte sie gebeten, sich zu setzen, und ihr dann die ganze Geschichte erzählt; von ihm, Teyla, der Sache mit dem Retrovirus, das ihn und seine DNS verändert hatte, von der Nacht, die er unfreiwillig mit der Athosianerin verbracht hatte, und dass die Konsequenz daraus das Kind war, das Teyla nun erwartete.
    Die Expeditionsleiterin hatte den beiden absolute Verschwiegenheit versprochen und ihnen alles Gute gewünscht- ihr war in dem Moment einfach nichts Besseres eingefallen und sie wollte ihre Freunde nicht kränken.

    Seit diesem Tag waren einige Wochen vergangen und Elizabeth wusste noch immer nicht, wie John über das Ganze dachte. Sie hatte ihn seitdem nur selten privat gesprochen und ihm zuliebe das heikle Thema so gut wie möglich vermieden, hatte ihn nicht darauf angesprochen, während es bei ihren Gesprächen mit Teyla fast ausschließlich um das Baby ging. John war in jener Hinsicht verschlossener, und Elizabeth war der Meinung, dass dies seine Methode war mit alldem klarzukommen. Ob er sich nun auf das Kind freute oder nicht würde sie sicher bald erfahren.
    Wenn es denn dazu kommen würde…

    Elizabeth verschloss seufzend die Augen vor der Vorstellung, dass der Soldat womöglich nie die Möglichkeit bekommen würde, es herauszufinden. Es war nur zu hoffen, dass Carson rechtzeitig kam, um Schlimmeres zu verhindern.

    ooOOoo

    John war sofort klar, dass etwas nicht stimmte, als er Carson Beckett entdeckte, der mit wehendem weißen Kittel in die Mensa gerauscht kam, dabei eine Gruppe Wissenschaftler auseinandersprengte wie eine Flipperkugel, schliddernd zum Stehen kam und sich suchend umsah.

    „Colonel!“, rief er etwas außer Atem, als er den Soldaten an einem der Tische sitzend und sein Mittagessen genießend entdeckte. „Colonel, ein… ein Glück, dass ich Sie erwische“, japste der Schotte, noch während er sich seinen Weg durch die Mensa bahnte. Rodney, mit dem John zusammen zum Mittag aß, wurde von Carson geflissentlich ignoriert, was der Kanadier wiederum mit einem leisen, unzufriedenen Grummeln hinnahm.

    „Doc“, empfing John den Arzt, „um Himmels Willen, warum haben Sie es denn so eilig? Ist jemand gestorben?“, scherzte er.

    „Noch nicht“, war Carsons Antwort die so gar nicht zu seiner sonst so einfühlsamen, zurückhaltenden Art passen wollte. „Haben Sie gar nicht mitbekommen, dass man versucht hat, Sie zu erreichen?“

    John schüttelte mit dem Kopf. Carsons Nervosität stimmte ihn unruhig und ließ in ihm das miese Gefühl aufsteigen, dass etwas passiert war. Heute war sein erster freier Tag seit anderthalb Jahren und er hatte sein Headset in seinem Quartier gelassen, in der Erwartung dass man eventuell anfallende Aufgaben an seinen Vertreter, Major Lorne, abkommandieren würde.

    „Ich habe heute meinen freien Tag“, sagte er deshalb schnell. „Wussten Sie das nicht? Major Lorne…“

    „Was ist denn überhaupt los?“, mischte sich nun auch Rodney in das Gespräch ein, der inzwischen sein Sandwich verdrückt hatte, sah interessiert zwischen John und Carson hin und her und wartete darauf, dass man ihn in die Unterhaltung mit einbezog.

    „Wir haben gerade eine Nachricht von Neu Athos erhalten“, begann Carson so schnell zu berichten, dass John zuerst gar nicht mitbekam, worum es ging. „Halling kontaktierte uns vor etwa zehn Minuten. Wir müssen sofort aufbrechen! Es geht um Teyla. Ihr und dem Baby scheint es nicht gut zu gehen. Sehr schlecht sogar, wenn ich Dr. Weir richtig verstanden habe! Es besteht Grund zur Sorge!“

    „Moment…“ John hob die Hände, als hoffte er dadurch die Tragweite des Ganzen noch besser zu verstehen. Ernst sah er Carson an. „Wie war das, bitte?“

    „Ich kann Ihnen leider auch nichts Genaueres sagen“, bedauerte der Mediziner, „aber Dr. Weir hat mir gebeten, Sie zu suchen und dann sofort aufzubrechen.“

    „Was ist mit Teyla und dem Baby?“, wollte Rodney wissen, doch er fand weder bei John, der soeben verstanden hatte, warum Carson so in Eile war, noch bei dem Schotten selbst Gehör, denn beide Männer sprangen nach einem kurzen Blickwechsel auf, liefen los und ließen den Kanadier allein zurück.

    ooOOoo

    Als John wenige Minuten später durch das Gate trat, wurde ihm bewusst, dass er lange nicht mehr auf Neu Athos gewesen war. Das letzte Mal war vor gut einem Jahr gewesen, direkt nachdem man die Athosianerin auf diesen Planeten umgesiedelt hatte. In den ersten Wochen war er beinahe jeden Tag dort gewesen, hatte beim Aufbau geholfen, bei der Errichtung einer Bleibe für Teylas Volk.
    Von Anfang an hatte er die Athosianer als friedliebendes Volk kennengelernt, denen etwas an der Zusammenarbeit mit den Menschen von der Erde lag. Sie selbst waren einfache Menschen, Farmer, die in ständiger Angst vor den Wraith gelebt hatten. Das Abkommen zwischen ihren beiden Völkern war von Vorteil für beide Seiten; die Athosianer halfen den Menschen von der Erde beim Kennenlernen ihrer Galaxie und dem Finden neuer Verbündeter. Im Gegensatz dazu wurden sie vor den Wraith beschützt, bekamen Nahrungsmittel und medizinische Versorgung aus Atlantis.
    Zusammen hatten sie das erste Jahr in der fremden Galaxie erfolgreich gemeistert, was nicht zuletzt auf die enge Zusammenarbeit des ranghöchsten Offiziers mit der Anführerin der Athosianer zurückzuführen war.

    Carson Becketts Stimme, die ihn bat, doch auf ihn zu warten, riss John aus seinen Gedanken und der Soldat drehte sich zu dem Arzt um, der ihn nach Neu Athos begleitete. Die Blicke der beiden Männer trafen sich. Sie beide waren nur aus einem Grund hier, der sowohl für John als auch Carson unangenehmer und furchteinflößender nicht sein konnte. Zusammen teilten sie die Ungewissheit über das, was sie erwartete… und noch viel mehr.
    In Carsons Blick lag ein Ausdruck, den nur John einzuordnen und zu deuten wusste, denn die beiden Männer teilten ein Geheimnis. Ein Geheimnis, von dem nur sie beide wussten und das noch für einige Zeit eines bleiben sollte.
    Denn nur Carson kannte die Wahrheit und John wollte, dass das fürs Erste auch so blieb. Bis jetzt wussten nur sehr wenige, ausgewählte Personen von dem Geheimnis, das John für sich zu behalten versuchte.
    Ebenso wie Teyla, der es aber mit voranschreitender Zeit immer schwerer fiel, dieses Geheimnis vor den anderen zu verstecken.

    Johns Magen krampfte sich zusammen, als er an die Athosianerin und ihr ungeborenes Kind dachte, der Grund, warum er nach Neu Athos gekommen war und er sich schrecklich fühlte. Er wusste, was es zu bedeuten hatte, dass sich sein Herz in seiner Brust überschlug… auch wenn er es nicht wahrhaben wollte.
    Die Kiefer des Soldaten mahlten aufeinander, während er und Carson sich der athosianischen Siedlung näherten, und als schließlich das Lachen der Kinder zu ihm durchdrang, verspürte er diesen altbekannten Schmerz in seiner Brust, den er schon viel zu oft in seinem Leben hatte spüren müssen. Es war der Schmerz des Verlustes. Es war Angst. Das erste Mal hatte er ihn bewusst wahrgenommen, als seine Mutter gestorben war. Dann als sein bester Freund von einem Auto überfahren worden war und als seine Ehefrau Nancy ihn verlassen hatte. Es war ein stechender Schmerz, der sich nicht ignorieren ließ, und er wurde von Sekunde zu Sekunde schlimmer, wurde so stark, dass John fürchtete, einen Infarkt zu bekommen.

    „Mein Junge, ist alles in Ordnung?“ Ihm war gar nicht bewusst, dass er stehengeblieben war, zu Boden starrte und nach Atem rang. Erst als Carson ihn ansprach und ihm die Hand auf die Schulter legte, zuckte John zusammen.

    „Ja… natürlich, alles in Ordnung“, log er, doch das war es nicht. Es war überhaupt nichts in Ordnung und Carson schien das zu bemerken.

    „Es wird schon alles gut werden“, sprach er mit ruhiger Stimme und John spürte den warmen Druck von Carsons Hand an seiner rechten Schulter. Stumm teilten sie die Wahrheit miteinander, ohne auch nur ein Wort zu sprechen. In den letzten Wochen war es oft vorgekommen, dass die beiden Männer Blicke untereinander ausgetauscht hatten, die alles sagten. Worte waren in dieser Zeit überflüssig gewesen und John war zugegeben froh, dass Carson nicht zu den Menschen gehörte, die Sachen an die große Glocke hingen.

    Doch heute schien selbst die freundliche, zusichernde Art des Schotten nichts zu bringen, denn das Gefühl der Angst wollte einfach nicht verschwinden, und so hörte sich John sagen: „Wenn Sie das glauben wollen.“

    „Sie unterschätzen, wie stark Menschen sein können“, versuchte Carson ihn zu beruhigen, „egal wie klein sie sein mögen.“

    John kniff die Lippen aufeinander und wich dem Blick seines Begleiters aus, denn er wollte nicht, dass dieser sah, dass ihm Tränen in die Augen stiegen. Er wollte nicht, dass jemand anderes sah, wie schwach er war. Er als militärischer Leiter der Basis konnte und durfte es sich nicht erlauben vor anderen Emotionen zu zeigen, auch wenn es ihm schwer fiel.

    „Wir…wir sollten weitergehen“, brachte er mit gepresster Stimme hervor und marschierte weiter, horchte kurz, ob man ihm folgte, richtete den Blick dann eisern nach vorn, als er Carsons eilige Schritte hinter sich hörte.


    Bis zur athosianischen Siedlung waren es nur ein paar hundert Meter, trotzdem kam es John vor, als wolle der Lauf nicht enden und begleitet von quälenden Vorstellungen fiel es ihm schwer, einen Fuß vor den anderen zu setzen und sich nicht allzu große Sorgen zu machen. Die Tränen waren inzwischen wieder getrocknet, ein paar wenige waren über seine Wange gelaufen, als Carson nicht hingesehen hatte, und hatten eine salzige Spur hinterlassen.
    Er wusste nicht einmal, warum es ihn so mitnahm. Früher hätte es ihn nicht einmal interessiert, ihn total kaltgelassen, aber in den letzten Wochen hatte er sich verändert. Ihm war nicht entgangen, dass die Nachricht, dass er Vater werden würde, etwas mit ihm angestellt hatte, was er nicht verstand.
    Er war… einfühlsamer geworden, sensibler, etwas, was er nicht von sich erwartet hatte, nachdem er Menschen hatte sterben sehen. Nein, er hatte noch nie zu den besonders einfühlsamen Menschen gehört. Seine Karriere hatte es nicht zugelassen. Früher hatte er sich nur selten von seinen Gefühlen leiten lassen, denn er wusste, dass es nur selten schlau war, auf sein Herz anstatt auf den geschulten Verstand zu hören. Nicht nur ein Mann hatte sterben müssen, weil er diese einfache Regel außer Acht gelassen hatte. Und so hatte er sich geschworen, nur wenn es absolut unvermeidbar war auf sein Herz zu hören… was ihn schließlich um seine Ehe mit Nancy gebracht hatte.
    Zu dieser damaligen Zeit hatte er wirklich gedacht, er war unfähig, weswegen er beschlossen hatte, seine Gefühle und Emotionen von nun an für sich zu behalten…
    … doch nun musste er feststellen, dass das nicht länger möglich war. Teyla und das Baby bedeuteten ihm zu viel, als dass er es einfach verstecken konnte!

    John dachte über die letzten Wochen nach und wie sich seine Einstellung zu der Schwangerschaft seiner besten Freundin geändert hatte. Gut, es fiel ihm noch immer schwer, die Tatsache zu akzeptieren, dass es sein Kind war, und er wünschte sich noch immer, es rückgängig machen zu können. Nicht wegen dem Kind, sondern vielmehr wegen seiner Freundschaft zu Teyla, die sichtlich darunter litt, was zwischen ihnen vorgefallen war. Keiner von ihnen sprach das Thema an, doch es stand immer zwischen ihnen. Wann immer er sie sah, musste er daran denken, was er ihr angetan hatte. Und jetzt, wo sich ihre Schwangerschaft nicht mehr länger vor den anderen verbergen ließ und die Leute zu reden begannen, wurde ihm schmerzhaft bewusst, dass er es nicht rückgängig machen konnte.
    Teyla erwähnte nie, dass sie sich wünschte, es ungeschehen machen zu können, aber er wusste, dass sie darüber nachdachte. Sie sagte stets, dass sie sich nun auf das Kind freute, doch ihre Augen sprachen eine ganz andere Sprache.
    Seit dem Abend, an dem er zu ihr gegangen war, waren nunmehr fast zwei Monate vergangen und sie hatten nur wenige Male zusammengesessen und über ihre Situation geredet. Für sie beide war es unangenehm, weshalb ihre „Gespräche“- wenn man sie den so nennen konnte- bisher noch zu keinem klaren Ergebnis geführt hatten, außer, dass sie dem Baby eine Chance geben wollten.
    In den letzten Wochen hatte John sich viele Gedanken darüber gemacht, wie es weitergehen würde. Ein Kind in Atlantis großziehen- sie mussten verrückt sein! Er konnte und wollte einfach nicht verstehen, warum er damals, als er mit ihr geschlafen hatte, sich nicht der möglichen Konsequenzen bewusst gewesen war und… Maßnahmen ergriffen hatte. Womöglich lag es daran, dass seine Sinne benebelt waren. Oder er hatte es in dem Moment schlichtweg vergessen. Aber nun…ein Baby!
    Er stand noch immer zu seiner Meinung, dass das Schicksal sich den Falschen ausgesucht hatte, wenngleich die Vorstellung, Vater zu werden, nicht mehr ganz so befremdlich wie zuerst war. Er wagte sich sogar anzunehmen, dass es eine Herausforderung war, die es so nicht noch einmal in seinem Leben geben würde.


    Die athosianische Siedlung kam genau in diesem Moment in Sicht und von Weitem sah John bereits, dass sie von Halling und einem zweiten Athosianer erwartet wurden, den John nicht kannte. Kaum dass man sie entdeckt hatte, kamen die beiden Männer auf ihn zu, schnell, mit eiligen Schritten und besorgten Gesichtern.

    „Col. Sheppard, sei gegrüßt“, rief Halling und legte, als sie einander weit genug genähert hatten, die Hände auf Johns Schulter und senkte seine Stirn gegen die des Colonels. Dieser erwiderte den athosianischen Gruß, ehe seine Augen suchend über Hallings Schultern hinwegwanderten.

    „Wo ist sie?“, fragte er, ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren.

    „Sie ist im Zelt unserer Heilerin, Charin“, antwortete der fremde Mann und John musterte ihn kurz. Er war etwas kleiner als er selbst, hatte kurzes schwarzes Haar, einen dunklen Bartansatz und braune Augen. Seine Kleidung wies ihn als einen Athosianer aus, doch John war ihm noch nie zuvor begegnet.

    Halling bemerkte das Zögern des Colonels. „Das ist Kanaan“, stellte er den Mann vor. „Er ist erst vor Kurzem von einer seiner langen Reise zurückgekehrt und war mit Teyla zusammen, als sie zusammengebrochen ist.“

    „Zusammengebrochen?“, schaltete sich nun auch Carson ein, dessen medizinisches Interesse geweckt worden war.

    Kanaans Augen verengten sich, als er erst John und dann den ihn begleitenden Arzt ansah, dann nickte er kurz. „Teyla und ich haben zusammen den Saatstand der Felder am östlichen Waldrand begutachtet, als sie sagte, dass sie sich nicht gut fühle. Sie hat das Bewusstsein verloren, noch bevor sie den Satz beendete. Ich konnte sie gerade noch rechtzeitig auffangen und habe sie dann zurück in die Siedlung gebracht.“

    „Charin hat ihr bestes getan“, sprang an dieser Stelle Halling ein, „doch als die Blutungen vor einer halben Stunde einsetzten-“

    „Blutungen?“ Die Panik war ganz deutlich aus Carsons Stimme und seinem schweren schottischen Akzent herauszuhören und auch Johns Herz sackte ein ganzes Stück tiefer, als er den Sinn von Hallings Worten begriff.

    „Charins Zelt, huh?“, wiederholte er und die beiden Athosianer nickten, deuten beide auf ein etwas abseits stehendes Zelt, aus dem weißer Rauch aufstieg.


    Carson und Halling waren bereits vorausgegangen und John machte sich daran ihnen zu folgen, als die Stimme des anderen Mannes ihn ereilte und ihn zurückrief.

    „Colonel!“ Kanaan hatte die Arme vor der Brust verschränkt, als John stehenblieb und sich zu ihm umdrehte. Er schaute sich kurz um, doch anscheinend schienen alle anderen viel zu sehr mit ihren eigenen Tätigkeiten beschäftigt zu sein, als die Spannung zu bemerken, die in der Luft lag.

    John schluckte, als er den Mann langsam auf sich zukommen sah.

    „Ich kenne Sie nicht“, begann Kanaan, „ und werde mir deswegen auch kein vorschnelles Urteil über Sie erlauben, aber Sie sollen wissen, dass mir Teyla sehr am Herzen liegt und ich es nicht mag, wenn man mit ihr und ihren Gefühlen spielt.“

    „Wie bitte, was?“ John hob die Augenbrauen und trat nun ebenfalls einen Schritt auf den Athosianer zu. „Wovon sprechen Sie überhaupt?“

    Kanaan lächelte ein kleines, hämisches Lachen. „Ich bitte Sie, Colonel, wir beide wissen, wovon ich spreche. Es ist doch wohl offensichtlich, dass Teyla für Sie nicht mehr ist, als eine Frau, die sie aus Versehen geschwängert haben.“

    Das hatte gesessen! John spürte die Wut in sich aufsteigen und den Wunsch, diesem großkotzigen Mann seine Faust ins Gesicht zu schlagen. Was erlaubte der sich eigentlich!? Er kannte ihn nicht einmal, und dennoch erlaubte er sich, so über ihn zu reden?

    „Hören Sie mal zu… Kanaan.“ John war bemüht, seine zitternde Stimme unter Kontrolle zu halten. Er erhob einen Finger gegen den anderen Mann und hielt ihn ihm direkt vor die Nase, die dieser stolz in die Höhe reckte. „Ich weiß nicht, was Sie für ein Problem mit mir haben, da Sie mich- wie Sie sagten- nicht kennen, aber eins sollten Sie wissen. Mir liegt ebenfalls etwas an Teyla. Uns verbindet eine sehr enge Freundschaft und wenn ich Sie noch einmal so über sie oder mich sprechen hören, garantiere ich für nichts.“

    „Sie würden das nicht wirklich tun wollen“, knurrte Kanaan.

    „Teyla bedeutet mir mehr, als Sie denken, und ich erlaube nicht, dass Sie so abwertend über sie sprechen“, wiederholte John mit gepresster Stimme.

    Endlich trat Kanaan einen Schritt zurück, doch das hämische Grinsen verschwand nicht aus seinem rattenartigen Gesicht. „Ich habe ja auch nicht von Teyla gesprochen“, sagte er, „ sondern von Ihnen, Colonel. Und Ihre Worte sehe ich als Drohung an.“

    John runzelte die Stirn. „Super“, brachte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, „dann haben wir ja wenigstens etwas gemeinsam.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und ließ Kanaan stehen. Ihm war völlig egal, was dieser Kerl von ihm dachte, doch er erlaubte es nicht, dass man so… abfällig von ihm oder von Teyla sprach.
    Zumal jetzt etwas ganz anderes zählte, als irgendwelche stichelnder Worte eine dahergelaufenen, eifersüchtigen Kerls, der nicht zum Schuss gekommen war.

    Hatte er das gerade wirklich gedacht? John blieb stehen und wunderte sich über seine eigenen Gedanken. Als ihm bewusst wurde, was er zu diesem Kanaan gesagt hatte, zog sich ihm wieder der Magen zusammen und ein neuer Schmerz ging von seiner Brust aus, als ihm klar wurde, dass dieser Mann und Teyla einander nahe zu stehen schienen und Kanaan sichtlich interessiert daran zu sein schien, dass er verschwand.

    Ohne darüber nachzudenken, wirbelte John herum und starrte wutentbrannt zurück in die Richtung, aus der gekommen war; Kanaan stand noch immer dort und sah ihm nach. Als er den wütenden Blick des Soldaten bemerkte, verzogen sich seine Lippen zu einem hässlichen Grinsen, und John verspürte Abscheu vor diesem Mann.

    ‚Ich beobachte Sie’, schien Kanaan wortlos mit seinen Lippen zu formen und John zuckte unwillkürlich zusammen, aber nicht vor Angst, sondern vielmehr erzitterte er vor Wut und unterdrückten Hass auf diesen Kerl. Der sollte ihn noch kennenlernen, schwor er sich und stapfte dann davon, um Teyla beizustehen.

    TBC

    Tut mir leid, aber ich kann’s einfach nicht lassen, die beiden aufeinander zu hetzen*grins*.

  27. Danke sagten:


  28. #15
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
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    Standard

    Oh jeeee.... arme Teyla, hoffentlich kommt Carson nicht zu spät.
    Und John macht sich doch recht viele Gedanken um Teyla und das Kind, sollte da doch mehr sein als nur Freundschaft?
    Dieser Kanaan ist schon eine merkwürdige Type, warum geht er John so an? Hat ihm Teyla von John erzählt?
    John reagiert ganz schön heftig auf Kanaan, was mich wiederum glauben lässt, dass er wirklich mehr für Teyla zu empfinden scheint.

    Oh man, meine Neugier macht mich wahnsinnig, will sofort mehr Input!!!

    War wieder ein klasse Kapitel!!!

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  29. Danke sagten:


  30. #16
    Mama, im Dienste Ihrer Majestäten Avatar von Nyada
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    Standard Nicht allein, Teil 2

    A/N: Ich weiß, es hat dieses Mal wieder etwas länger gedauert, aber mich hatte in den letzten Tagen eine besonders fiese Erkältung fest im Griff und ich habe lieber das Bett gehütet und Kamillentee getrunken, als mich vor den PC zu setzen und zu schreiben.
    Jetzt geht es mir aber wieder gut und ich darf euch voller Stolz das neue Kapitel präsentieren, das mein persönlicher Favorit ist; besonders stolz bin ich auf die letzte Szene. Ich will jetzt nicht allzu viel verraten- lest es selbst!

    Liebste Grüße, eure Moni

    *+*+*




    You know I remain right by your side
    Push through the rain and into the fire
    'Cause when I said I loved you
    Its just what I meant
    So when you asked me where was I when
    Every time I was right by your side
    James Morrison – Right By Your Side


    John war nicht darauf vorbereitet gewesen, dass ihn Teylas Anblick so sehr mitnahm. Nichts ahnend war er in das Zelt getreten, hatte nach der Athosianerin Ausschau gehalten und die Luft angehalten, als er sie schließlich entdeckt hatte. Ihr Anblick war schlichtweg… besorgniserregend und trostlos und verschlug ihm den Atem. Blass und ausgemergelt lag sie in dem für ihren dürren Körper viel zu großem Bett, bedeckt von einem warmen Quilt, der sie vollkommen unter sich zu begraben schien.
    Soweit John sich erinnern konnte, hatte er sie noch nie so gesehen- schwach, zerbrechlich und sichtlich mit ihren Kräften am Ende. Wie vom Donner gerührt blieb er stehen und starrte sie an, während Carson bereits zu ihr geeilt war, ihren kraftlosen Arm hochhob, ihren Puls kontrollierte und ihr eine Hand auf die blasse, schweißbedeckte Stirn legte. John musste nicht erst auf die Einschätzung des Arztes warten, um den Ernst der Lage zu erkennen.

    Den Kloß in seinem Hals herunterschluckend, setzte sich John in Bewegung und näherte sich vorsichtig dem Bett der Athosianerin, richtete seinen Blick auf Carson, der nun zu ihm aufsah und unmerklich mit dem Kopf schüttelte. John wusste diese Geste des Schotten nicht zu deuten, aber seine feinen Sinne, die er sich im Laufe seiner Soldatenlaufbahn angeeignet hatte, schlugen Alarm.

    „Wir sollten sie nach Atlantis zurückbringen“, sagte Carson, die anscheinend besinnungslose Athosianerin ins Auge fassend.

    „Doktor?“ Halling, der die beiden Männer begleitet hatte, trat nun ebenfalls an das Bett heran und musterte seine Freundin besorgt. „Was fehlt ihr?“

    Carson antwortete, dass er es nicht genau wusste und sie unverzüglich nach Atlantis zurückkehren mussten, wo er genauere Untersuchungen durchführen könnte. Abermals betonte er, dass die Zeit drängte und es sehr ernst zu sein schien.

    „Ich werde sofort einen Jumper anfordern“, entschied John und war schon dabei, das Zelt zu verlassen, als eine schwache Stimme an sein Ohr drang, die ihn rief. Er wirbelte herum und sah, dass Teyla die Augen aufgeschlagen hatte und in seine Richtung blickte. Zuerst schien sie ihn nicht ausmachen zu können und sie schloss die Augen wieder, als drohte die Ohnmacht wieder Besitz über sie zu ergreifen.

    „Teyla?“ John ließ sich auf der Kante des Bettes nieder und griff ihrer Hand. Eiskalt lag sie in seiner, zitterte und fühlte sich kraftlos an. Vorsichtig drückte er sie, ganz sanft, denn er fürchtete, ihr irgendwie wehzutun.
    Als die Athosianerin ihre braunen Augen aufschlug und ihn anblickte, lächelte er. „Hey.“

    Es war nicht mehr als ein heiseres Krächzen, dass über Teylas Lippen drang, und John beeilte sich ihr seinen Finger an die zitternden, aufgesprungenen Lippen zu legen. Er schüttelte mit dem Kopf und betrachtete sorgenvoll ihr eingefallenes, aschfahles Gesicht.

    „Nicht reden“, befahl er ihr sanft und sie schloss seufzend die Augen. Dunkle Schatten lagen unter diesen, die trüb und glanzlos waren, als sie sie Sekunden später wieder öffnete und ihn ansah.

    „Carson ist auch hier“, sagte er ihr und deutete über seine Schulter hinweg auf den Arzt, der am Fußende des Bettes stand.

    „Wir bringen Sie nach Atlantis, Mädchen.“ Die Stimme des Schotten klang weich, war jedoch mit Sorge angereichert.

    Teyla nickte oder versuchte es zumindest, schloss ihre Augen… nur um sie kurz darauf wieder zu öffnen und sich geradezu panisch umzusehen. Ihre Lippen bebten und John sah, wie sie andere Hand anzuheben versuchte, aber auf ganzer Linie scheiterte, und sie kraftlos auf die Matratze zurückfallen ließ.

    „M…mein…“ Die Athosianerin leckte sich über die trockenen Lippen.

    „Versuchen Sie nicht zu sprechen“, ermahnte Carson sie, doch Teyla schien ihn gar nicht gehört zu haben.

    „M…mein B…baby“, krächzte sie und dieses Mal schaffte sie es, unter Aufbringung all ihrer verbliebenen Kraft, ihre Hand anzuheben und auch ihren Bauch zu legen, der sich unter dem erdfarbenen Quilt wölbte.

    „Wir werden dafür sorgen, dass Ihrem Baby nichts passiert, meine Liebe, aber Sie müssen sich jetzt schonen und Ihre Kräfte sparen.“ Carson trat wieder an das Bett heran. „Wir bringen Sie nach Atlantis und werden Sie dort untersuchen, ja?“

    Wieder ein schwaches Nicken, dann wanderten die braunen Augen der Athosianerin zu John, der auf ihre Hand starrte. Als er ihren durchbohrenden Blick spürte, sah er auf und lächelte sie an.

    „Was machst Du nur für Sachen?“ Er versuchte, die Stimmung etwas aufzulockern, wunderte sich aber selbst darüber, wie schwach seine eigene Stimme klang. Verlegen räusperte sich, was auch sein Lächeln einstürzen ließ. Teyla so daliegen zu sehen, nagte stärker an ihm, als er zugeben wollte, und er klammerte sich an ihre eiskalte Hand, als fürchtete er, sie könne ihm einfach so wegsterben.
    Er hatte…Angst.

    Tatsächlich gelang es ihm durch seine Aussage so etwas Ähnliches wie ein Lächeln auf Teylas Gesicht zu zaubern, auch wenn es nicht bei Weitem so strahlend war wie er es sonst von ihr gewohnt war.

    „Ich werde einen Jumper anfordern“, hörte John Carson leise seine eigenen Worte wiederholen und nickte.

    „Beeilen Sie sich“, wies er ihn an, ohne seine Augen dabei von Teyla abzuwenden, die ihre wieder geschlossen hatte, und ihrem angestrengten Atmen zu lauschen. Besorgt beobachtete er ihre Brust, die sich krampfhaft und unregelmäßig hob und nach ein paar Sekunden wieder senkte. Ein dumpfes Rasseln drang aus ihrem Brustkorb, ein leises Pfeifen entkam ihrer Kehle.
    Ihre Hand drückend, konnte es John aus einem plötzlichen Impuls heraus, gar nicht schnell genug gehen. Er wusste nicht warum, aber auf einmal hatte er das dringende Bedürfnis, Teyla so schnell wie möglich zurück nach Atlantis zu bringen- ganz egal, was das kosten würde.

    „Es dauert eine halbe Stunde, bis der Jumper hier sein wird“, murmelte er still vor sich hin, nicht annehmend, dass Carson ihn gehört hatte, doch der Schotte hatte ihn gehört, und als John sich zu ihm umwandte, fand er Verständnis in den blauen Augen des Arztes.

    „Wir könnten sie selbst nach Atlantis bringen“, meinte Carson, sich an Halling wendend. „Haben Sie eine Bahre oder eine Trage hier?“, fragte er den Athosianer, der ihn erst etwas irritiert ansah, dann aber nickte.

    „Natürlich, ich werde sie holen“, sagte er, neigte seinen Kopf und verschwand, um das Geforderte zu besorgen.

    „Ich helfe Ihnen“, beeilte Carson sich zu sagen, John einen vielsagenden Blick zuwerfend. Der Soldat, seinerseits, nickte stumm, sah dann den beiden davongehenden Männern hinterher. Eine stille Übereinkunft war zwischen ihm und dem Arzt getroffen worden und John war sich sicher, dass Carson nichts unversucht lassen würde… genauso wenig wie er es tun würde.
    Das war es, was ihn so sehr verwirrte. Nicht der Wunsch, zu helfen, einem Mitglied seines Teams zu helfen. Es ging hier nicht nur um Teyla. Nicht mehr. Nicht nur ihr Leben galt es zu… retten.


    John nahm wieder auf der Bettkante Platz, als Halling und Carson gegangen waren, sein Blick ruhte auf der schlafenden Athosianerin. Es schien ein unruhiger Schlaf zu sein, denn ihre Lider zuckten und er sah, wie sich ihre Augen hin und her bewegten. Hier und da entkam ein Seufzen ihrer Kehle, ein leises, irgendwie gequält klingendes Geräusch, das es ihm eiskalt den Rücken hinablaufen ließ. Ihre Stirn glänzte fiebrig, war aber eiskalt, als er sie mit der Hand berührte. Sowieso schien alles an ihr ein einziger Widerspruch zu sein. Heute Morgen noch hatte er sie beim Frühstück gesehen und sie war die Fröhlichkeit in Person gewesen, hatte Zufriedenheit ausgestrahlt und mit geröteten, vollen Wangen am Tisch mit ihm gesessen. Ihr Lachen hallte noch immer in seinen Ohren nach…
    … und jetzt war sie nicht mehr als ein blasses Häufchen Elend, ein spirreldürrer Strich in der Landschaft. Alles an ihr schien irgendwie weniger geworden zu sein; ihre Arme wirkten zerbrechlich, das volle, gesunde Gesicht von heute Morgen war einer eingefallenen Fratze gewichen.
    Fast so, als hatte man ihr das Leben herausgesaugt.

    Ein Seufzen entkam Johns Kehle. Oh Teyla, dachte er und fuhr vorsichtig über ihre schweißnasse und doch eiskalte Stirn. Zum ersten Mal seitdem alles begonnen hatte, hatte er keine Scheu mehr davor, sie zu berühren. Er empfand es als richtig und hatte keine Angst mehr, dass sie es irgendwie missverstehen könnte. Was sollte da auch groß missverstanden werden, fragte er sich. Sie war seine Freundin, nicht mehr, auch wenn das einige dachten, seit ihre Schwangerschaft bekannt geworden war. Die wildesten Gerüchte gingen seither in Atlantis herum und allesamt trieben John jedes Mal zur Weißglut. Wenn die wüssten!
    Aber nein, rief er sich dann jedes Mal zur Raison, es war besser, wenn niemand wusste, wie es wirklich war. Ein Geheimnis, genau. Ein Geheimnis. Niemand brauchte zu wissen, dass Teyla ein Kind von ihrem Vorgesetzten und Teamleader erwartete… auch wenn das einige schon erahnten.

    John kniff ärgerlich die Lippen zusammen. Wie immer, wenn er seine Gedanken wandern ließ, kam er unwillkürlich auf das Thema zurück, das er eigentlich zu vermeiden suchte. Es war nicht so, dass er sich nicht damit auseinander gesetzt hätte, schließlich ließ es sich nicht einfach totschweigen. Doch er hatte gehofft, dass jetzt, wo die privaten Dinge zwischen ihm und Teyla geklärt waren, etwas Normalität in sein Leben zurückkehren würde. Daran, dass das wahrscheinlich nie der Fall sein würde, wurde er jeden Tag aufs Neue erinnert. Wann immer er Teyla sah. Wann immer er an sie dachte und er dachte oft an sie. Beängstigend oft. Genaugenommen hatte er seit Monaten nicht mehr aufgehört an sie zu denken. Sie verfolgte ihn überall hin, wirklich überall hin.
    Nicht einmal in seinen Träumen konnte er ihr entfliehen. Seit Monaten hatte er denselben Traum, der immer darin gipfelte, dass er schreiend aus dem Schlaf fuhr und für den Rest der Nacht ziellos umherirrte, unfähig zur Ruhe zu kommen, geschweige denn ein Augen zu zu tun und zu schlafen.
    Wenn er sie jetzt so dort liegen sah, fühlte er sich unwillkürlich an diesen Traum erinnert und seine Nackenhaare stellten sich auf. Es war nicht die Sorte von Traum, die man einfach vergessen konnte. Der Inhalt beunruhigte ihn, es beunruhigte ihn, dass er überhaupt in der Lage war… so etwas zu träumen, sich vorzustellen. Er hatte gelesen, dass das Unterbewusstsein durch Träume versuchte, das Geschehene zu verarbeiten, doch er glaubte nicht, dass das durch diesen Traum gelingen würde. Dazu war er viel zu… angsteinflössend.

    Den Atem anhaltend, versuchte John die Gedanken beiseite zu schieben, aber er konnte es nicht. Sein Blick fiel auf Teyla und bei dem Gedanken, ihr etwas… Derartiges an zu tun, sträubte sich alles in ihm. Wie könnte er ihr je etwas tun? Sich… sich an ihr vergreifen und sie dann fallen zu lassen wie ein überdrüssig gewordenes Spielzeug? Ja, wie ein… Lustobjekt, das man hervorholte, wenn einem danach war. In seinem Traum behandelte er sie genauso und auch wenn er wusste, dass nicht er es war und er so etwas nie tun würde, fiel es ihm schwer damit fertig zu werden.
    Zumal er wusste, dass sie in der Nacht vor ein paar Monaten für ihn wirklich nicht mehr als ein Mittel zum Zweck gewesen war, ja, ein Lustobjekt, an dem er sein Verlangen gestillt hatte.

    John fiel es schwer, sich einzureden, dass es vorbei war, denn jedes Mal, wenn er Teyla sah, wurde ihm bewusst, dass es noch lange nicht vorbei war. Es begann jetzt erst. Aus ihrer Vereinigung war ein neues Leben hervorgegangen, dass sie stets an den wohl größten Fehler seines Lebens erinnern würde. An die Nacht, in der er die Freundschaft zu Teyla zerstört und ihr Vertrauen verloren hatte.
    Zwar bestritt die Athosianerin dies, aber dennoch wusste John, dass sich zwischen ihnen etwas Grundlegendes verändert hatte, dass es nie mehr so wie zuvor sein würde. Eine Freundschaft konnte viele Hindernisse überwinden, aber er war sich darüber im Klaren, dass sie dieses Mal eine Grenze überschritten hatten.
    Vielleicht, kam es ihm plötzlich in den Sinn, wäre es besser so, wenn das Schicksal es hier beenden würde. Der Schmerz des Verlustes würde tief sitzen, allerdings nur eine zeitlang. Ein einfacher Cut! Schluss, aus, Ende.

    Es war ihm fast schon unheimlich, aber mit einem Mal wünschte sich John, dass es hier enden würde. Dass das Leben, das sie geschaffen hatten, einfach aufhören würde… zu existieren. Einfach… Schluss!


    „J…John?“ Der Soldat zuckte zusammen, als Teylas schwache Stimme zu ihm durchdrang, und er schob rasch die Gedanken beiseite; die Athosianerin hatte die Augen geöffnet und sah ihn direkt an.

    „Hey, Schlafmütze“, grüßte er sie, um ein aufmunterndes Lächeln und darum bemüht, sich nichts anmerken zu lassen.

    „W…was…“ Ihre Kehle schien staubtrocken zu sein, dem Krächzen nach zu urteilen. Rasch griff John nach dem Becher, der neben dem Bett stand, führte ihn an Teylas ausgetrocknete Lippen und ließ sie ein paar kleine Schlucke trinken, strich ihr dabei das Haar aus dem Gesicht und rückte mit einer Hand das Kissen hinter ihrem Rücken zurecht.
    Teyla schloss seufzend die Augen, als das frische Wasser ihre trockene Kehle hinablief, ließ sich dann gegen das Kissen zurückfallen. Sie schien tatsächlich etwas zu Kräften gekommen zu sein, denn als sie ihre Stimme erhob, klang diese einigermaßen klar.

    „W…warum bist du h…hier, John?“

    „Einer muss doch aufpassen, dass Du keinen Unsinn machst“, antwortete er ihr, nahm den Becher entgegen und stellte ihn weg. „Halling hat uns kontaktiert und gemeint, dass es Dir nicht gut geht.“

    Teylas müde, trübe Augen ruhten auf ihm, als er sprach.

    „I…ich, ich weiß nicht“, begann sie angestrengt zu sprechen, „w…was passiert ist. Ich war draußen auf… auf dem Feld und p…plötzlich…“

    „Ich weiß“, fiel John ihr sanft ins Wort, als er sah, wie sehr es sie anstrengte zu reden, und sein Magen krampfte sich zusammen. „Ich weiß“, sagte er noch einmal, etwas leiser.


    Teylas Erwiderung war ein leises Stöhnen und sie verzog das Gesicht, fast so, als hatte sie Schmerzen. Eine schmerzverzerrte Miene breitete sich auf ihrem blassen Gesicht aus und neuer Schweiß trat aus den Poren.

    „Whoa, hey, hey!“ John bekam sie an den Schultern zu fassen, als sie nach vorne wegkippte, und richtete sie wieder auf. „Hey, Teyla, alles in Ordnung?“ Sein Blick fiel auf ihre Hände, mit denen sie sich an ihren Bauch klammerte.

    „I…ich weiß e…es nicht“, keuchte die Athosianerin mit furchterfülltem Blick, biss die Zähne zusammen, was das Stöhnen jedoch nicht aufhalten konnte, ebenso wenig das leise Jammern, was mit den Schmerzen, die sie hatte, einherging.
    „E…es ist...das… Baby“, brachte sie schließlich mühsam hervor, die Augen verdrehend und sich gegen John lehnend, der sie an sich gezogen hatte und sie stützte. „I…irgendetwas stimmt…nicht“, stöhnte sie.

    Doch das wusste John selbst, als er den dunklen Fleck bemerkte, der sich durch den schweren Stoff des Quilt sog und von dem dieser eiserne Geruch in seine Nase aufstieg. Teyla stöhnte lauter auf, als sie das Blut entdeckte, und John merkte, wie die Kraft sie erneut zu verlassen drohte, schlang die Arme fester um ihren Leib, ließ dabei den immer größer werdenden Fleck nicht aus den Augen. Verdammt, nein, schoss es ihm durch den Kopf und er drehte sich panisch um, als er hörte, wie jemand das Zelt betrat. Wie froh er doch war, Carson zu entdecken, und Halling, der die Bahre bei sich hatte.
    Dass Kanaan die beiden begleitete war ihm in diesem Moment egal; er hielt Teyla fest an sich gepresst und hoffte nur, dass die Hilfe nicht zu spät kam. Zumindest für sie.


    ooOOoo

    Es war kurz nach fünf, als einer ihrer end- und ziellosen Streifzüge Elizabeth vor die Tür des Quartiers geführt hatte, in dem sie hoffte auf John Sheppard zu treffen. Vielleicht, gestand sie ein, war ihr kleiner abendlicher Spaziergang doch nicht ganz so ziellos gewesen, denn sie hatte das starke Bedürfnis überkommen, mit dem Soldaten zu reden. Sie hatte es so lange wie möglich herausgeschoben, aber schließlich hatte sie es in ihrem Büro einfach nicht mehr ausgehalten und sich, nachdem sie das Licht gelöscht hatte, auf den Weg gemacht.
    Zögerlich streckte sie daher die Hand aus und wollte das Wandpanel berühren, das den lantianischen Klingelmechanismus auslöste, aber da öffnete sich aus heiterem Himmel die Türe genau in diesem Augenblick vor ihr und Elizabeth zog ihre Hand überrascht zurück. Sie erwartete, in ein verdutztes Gesicht zu blicken, doch niemand war an der Tür, um sie in Empfang zu nehmen, stattdessen hörte sie eine wohlbekannte Stimme rufen:

    „Kommen Sie rein, Elizabeth.“

    Die Expeditionsleiterin war einen Moment lang verwirrt, bis ihr klar wurde, dass John die Tür wohl mittels seiner Gedanken geöffnet haben musste. Was aber nicht die Tatsache erklärte, dass er wusste, dass sie es war, die da um Einlass suchte.
    Doch sie tat wie ihr geheißen, trat ein und durchquerte mit langsamen Schritten den kleinen Eingangsbereich, der für die Quartiere der Stadt typisch war, betrat dann den eigentlichen Wohnraum. Sie blieb stehen und entdeckte den Soldaten auf seinem Bett sitzend und recht gelangweilt in einer Golfzeitschrift blätternd.

    „Woher wussten Sie, dass ich es bin?“, fragte sie ihn, woraufhin John die Zeitschrift zuklappte und beiseite legte. Er machte einen betrübten Eindruck auf sie, was nicht zuletzt an seinen Mundwinkeln lag, die nach unten deuteten, obwohl er sie anlächelte.

    „Entweder Sie oder McKay, der mich braucht, um irgendeine Gerätschaft zu aktivieren“, antwortete John. „Und da mich Rodney in letzter Zeit seltsamerweise in Ruhe gelassen hat- was ich immer noch nicht verstehe-, blieben also nur noch Sie übrig.“

    Sich über seine Eigenschaft, selbst jetzt noch seine sarkastische Ader beizubehalten, wundernd, machte Elizabeth einen Schritt auf ihn zu, blieb aber gleich darauf wieder stehen und musterte ihn mit gerunzelter Stirn.

    „Wie… geht es Ihnen, John?“, erkundigte sie sich vorsichtig, wohl wissend, dass man ihn in diesem Zustand schlecht einschätzen und seine Reaktion immer anders als erwartet ausfallen konnte.

    „Wie soll ich mich Ihrer Meinung denn fühlen?“, war seine Erwiderung, die genau so ausfiel, wie Elizabeth erwartet hatte; er versuchte alles herunterzuspielen und setzte eine Maske auf, die übertünchte, wie es wirklich um ihn stand.

    „Ich weiß es nicht“, sagte sie, „sagen Sie es mir.“

    John zuckte mit den Achseln und meinte, dass es ihm gut ging, was ihm Elizabeth allerdings nicht glaubte. Wann immer John Sheppard behauptete, dass es ihm gut ging, war meistens das Gegenteil der Fall. So auch jetzt. Sie konnte es ihm ansehen. Nicht nur, dass er sie anlog, sondern auch, dass es ihm furchtbar ging.

    „Sie wissen, dass ich sehe, wenn Sie mich anlügen“, rügte sie ihn und nahm neben ihm auf der Bettkante Platz; er, seinerseits, rührte sich kein bisschen, faltete stattdessen die Hände im Schoß und schaute auf seine schwarzen Stiefelspitzen hinab.

    „Bin ich so leicht zu durchschauen?“, wollte er mit einem mundwinkelumspielenden Lächeln wissen.

    „Sagen wir einfach, Sie sind ein miserabler Lügner, John“, erwiderte Elizabeth ihm, nun ebenfalls lächelnd, seufzte dann und sah ihn von der Seite an. Ihr war klar, dass er ihr nicht von allein sagen würde, wie er sich fühlte, dazu war er viel zu sehr in sich gekehrt. Sie kannte ihn gut genug, um so naiv zu sein, zu glauben, dass John Sheppard sich ihr öffnen würde. Der Soldat sprach nicht gerne über sich, sodass sie trotz zwei gemeinsamer Jahre nicht viel über ihn oder seine Vergangenheit wusste. Sie wusste nur so viel, dass sie verstand, warum er so war, wie er war.
    Als Kind und Jugendlicher hatte er es nicht leicht gehabt; seine Mutter war nach langer schwerer Krankheit gestorben, als er neun gewesen war, und sein Vater… Nun ja, John hatte noch nie über seinen Vater gesprochen, nur ein einzelnes Bild, das auf dem kleinen Tischchen neben dem Bett des Soldaten stand, erinnerte an die Präsenz von Johns Vater, dessen Verhältnis zu seinem ältesten Sohn nicht gerade rosig zu sein schien. Elizabeth hatte nie nachgefragt, schließlich musste es einen Grund haben, warum John seinen Vater ihr gegenüber oder auch sonst noch nie weiter erwähnt hatte. Elizabeth hatte nie nachgefragt, schließlich musste es einen Grund haben, warum John seinen Vater ihr gegenüber oder auch sonst noch nie weiter erwähnt hatte.
    Dennoch glaubte sie, dass dies der Hauptgrund war, dass John so ein komplizierter, in sich gekehrter Mensch war, der niemand an sich heranließ und sein Leid, seine Probleme lieber für sich zu behalten, als sie herauszuposaunen, wie manch anderer es tat. Demnach war es schwer auf ihn einzugehen, zumal er sich nicht gerne helfen ließ. Er akzeptierte es zähneknirschend, dass sich andere um ihn Sorgen machten, aber alles was darüber hinausging, versuchte er jedes Mal abzublocken.
    Weswegen sich Elizabeth wunderte, dass er sie so einfach hereingebeten hatte und zuließ, dass sie forschende Fragen stellte.

    In diesem Augenblick fragte sich Elizabeth, ob es wirklich die richtige Entscheidung gewesen war, zu ihm zu gehen, oder ob sie ihn nicht doch besser allein gelassen hätte. Einen Moment lang spielte sie mit dem Gedanken, sich einfach wieder zu verabschieden und die Sache hier und jetzt abzubrechen, aber da hörte sie John seufzen und wusste, dass sie jetzt nicht gehen konnte.


    John saß neben ihr, seine Finger fistelten an dem Saum der aufgeschlagenen Bettdecke und seine Zähne bohrten sich immer wieder in seine Unterlippe. Unwillkürlich schnitt er dabei Grimassen, runzelte die Stirn und zog die Augenbrauen zusammen. Hier und da setzte er an, öffnete den Mund, schloss ihn aber gleich darauf wieder. Etwas lastete ihm auf der Seele- das stand nicht zur Diskussion-, doch er scheute sich davor, es auszusprechen. Es war ihm fremd und unangenehm, sich anderen Leuten zu offenbaren, auch wenn es sich nur um Elizabeth handelte, seine wahrscheinlich beste Freundin in der Stadt.

    „Ich…ich habe noch immer nichts Neues gehört“, kam es schließlich und doch irgendwie überraschend über seine Lippen.

    Elizabeth nickte stumm. „Ich auch nicht“, sagte sie leise. Deswegen war sie zu ihm gekommen. Weil inzwischen drei Stunden vergangen waren- fast vier- und niemand etwas gehört hatte. Sie wusste, dass John es hasste zu warten und untätig herumzusitzen- sie selbst konnte es ebenfalls nicht leiden. Sie wollte ihm Gesellschaft leisten, ihm das Warten etwas erleichtern und ihm zeigen, dass er nicht der Einzige war, der sich Sorgen machte, dass sie an ihn dachte. Und an Teyla und das Baby.

    „Seit drei Stunden warte ich“, meinte John und seine Unterlippe begann zu zittern. „Seit drei gottverdammten Stunden. Und… nichts!“ Wut war plötzlich aus seiner Stimme herauszuhören; Wut und Enttäuschung, aber auch Angst und Sorge.

    „Es geht ihr bestimmt gut“, versuchte Elizabeth beruhigend auf ihn einzureden, wohl wissend, dass es nichts bringen würde.

    „Dann wäre inzwischen jemand gekommen und hätte mir gesagt, wie es ihr geht. Aber nein, seit drei Stunden sind die da drin.“ John schüttelte mit dem Kopf. „Seit drei Stunden, Elizabeth!“

    Elizabeth sah es vor, darauf nichts zu erwidern sondern stattdessen zu schweigen und es mit einem wissenden Nicken abzutun. Es hatte keinen Sinn jetzt mit John eine Diskussion zu beginnen, von der sie wusste, dass sie sie nicht für sich entscheiden konnte. John war ein schwieriger Streit- und Diskussionspartner, den man nicht so leicht überlisten konnte, und ihre Streitgespräche gingen stets so aus, dass sie den Kürzeren zog, seinem Charme erlag oder einfach nur den Rückzug antrat.
    Sie wollte sich nicht mit ihm streiten oder gar diskutieren. Schon gar nicht jetzt. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für böse Worte und Gedanken.

    „Sie machen sich Sorgen“, bemerkte sie leise, woraufhin John seine Wut tatsächlich für einen kurzen Augenblick zu vergessen schien und schief grinste.

    „Ihre Gabe, das Offensichtliche in Worte zu fassen, ist beeindruckend, Elizabeth“, entgegnete er, seufzte, presste die Lippen aufeinander, sagte dann: „Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich mir keine Sorgen mache.“

    „Warum sind Sie dann hier?“, fragte die Expeditionsleiterin. „Warum sind Sie nicht auf der Krankenstation?“ Es war nicht als Vorwurf gemeint gewesen, aber anscheinend schien John ihn genau als so etwas anzusehen, denn er verzog das Gesicht.

    „Und mir die Beine in den Bauch zu stehen?“ Er schüttelte mit dem Kopf. „Dort würde ich mir nur noch nutzloser vorkommen. Nein.“

    Elizabeth nickte und schwieg vorsichtshalber. Sie hatte nicht vor, von einem Fettnäpfchen ins nächste zu stapfen. Stattdessen faltete sie die Hände in ihrem Schoß. Aus dem Augenwinkel heraus sah sie, wie John seinen Kopf in ihre Richtung drehte und sichtlich verwirrt darüber zu sein schien, dass sie nicht weiter nachbohrte oder versuchte etwas aus ihm herauszukitzeln. Sie hatte es noch nie einfach so bei einer Sache belassen- das wusste sowohl Elizabeth selbst als auch John, den das plötzliche Schweigen seiner Vorgesetzten zu irritieren schien.

    „Keine weiteren Fragen?“

    „Ich bin nicht hier, um Sie auszufragen, John“, erklärte sie ihm. „Ich dachte mir nur, Sie könnten etwas Gesellschaft vertragen. Damit Sie nicht alleine… warten müssen.“

    John lächelte verlegen und fuhr sich mit der Hand durch seinen dunklen Haarschopf, ebenfalls eine verlegende Geste. „Ja… danke dafür.“

    Elizabeth nickte. „Es wird schon alles gut werden“, sagte sie abermals. „Da bin ich mir sicher. Teyla ist eine Kämpferin-“

    „Es ist nicht das, worum ich mir Sorgen machen“, fiel ihr John plötzlich ins Wort. „Ich weiß, dass sie nicht aufgeben wird. Ich wundere mich nur, wie es… weitergehen wird. Wissen Sie, Elizabeth, ich habe in letzter Zeit viel nachgedacht… und… und ich bin mir jetzt nicht mehr so sicher, ob… ob das alles so richtig ist.“

    „Dass es nicht richtig ist?“, echote Elizabeth, ihn leicht verwirrt anblinzelnd. Es war neu, dass John Sheppard so offen sprach, und sie wusste nicht, wie sie sich richtig zu verhalten hatte. Sie wollte, dass er weiter redete, fürchtete aber, dass jedes Wort, das sie sprach, oder jede unbewusste Regung in ihrem Gesicht in zurückschreckte.

    „Dass das alles nicht richtig ist, ja“, wiederholte der ihr gegenüber sitzende Soldat nickend und seine Finger gruben sich in die Matratze unter ihm. „Ich… ich weiß nicht…“ Er kam ins Stocken. „Vorhin- auf Neu Athos…für einen Augenblick wünschte ich mir, es wäre vorbei und wir könnten weitermachen, als sei es… nie passiert. Einfach vorbei.“

    „Sie meinen-“

    Johns Nicken bestätigte Elizabeths Verdacht und seine folgenden Worte, trafen sie unvorbereitet. „Ja, ich hab’ mir gewünscht, dass das Baby es nicht schafft. Ich meine… dadurch ist alles so kompliziert geworden. Es wäre besser, wenn…“

    „…wenn es nicht mehr da wäre?“, beendete Elizabeth den Satz ihrer Gegenüber.

    „Ich habe mit niemanden darüber gesprochen… und irgendwie fühle ich mich nicht wohl dabei, aber es ist nicht das erste Mal“, gestand John, den Blick auf Elizabeth richtend. „Es ist nicht das erste Mal, dass ich mir wünsche, dass das Baby einfach… stirbt, Elizabeth. Es… es wäre soviel besser. Für uns alle.“

    „John…“ Elizabeth wusste nicht, was sie sagen sollte, also schwieg sie. Jedes Wort konnte jetzt zu viel sein.

    Johns Blick wich wieder von ihr und er ließ ihn aus dem Fenster, hinaus auf den offenen Ozean schweifen. „Können Sie sich vorstellen, wie mies ich mich deswegen fühle? Ich meine… normalerweise sollte man von mir erwarten, dass ich zumindest so tue, als würde ich mich freuen, und für kurze Zeit dachte ich tatsächlich, dass das so ist. Ich empfand so etwas wie… Freude. Aber jetzt… Jetzt nicht mehr.“

    Elizabeth holte tief Luft und wählte ihre Worte mit Bedacht, ehe sie weitersprach. „Es ist verständlich, dass Sie verwirrt sind, John, immerhin ist das alles unter Umständen zustande gekommen, die sowohl Sie als auch Teyla sich sicher anders vorgestellt haben, aber Sie können es jetzt nicht mehr ändern. Und sich zu wünschen, dass es einfach… vorbei ist… Das ist auch keine Lösung und das wissen Sie genauso gut wie ich, John.“

    Der Soldat zu ihrer Rechten wurde still und ein trauriger, hilfloser Ausdruck kroch in seine grünen Augen. Sie hatte John Sheppard noch nie hilflos erlebt und auch nicht daran geglaubt, dass es je soweit kommen würde. Auch Angst schien ihm fremd zu sein. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass seine Augen seine wirklichen Gefühle zeigten, so wie damals, als sich der Iratuskäfer in seinen Hals verbissen hatte. Das war das erste Mal gewesen, dass sie den Colonel- damals noch Major- voller Angst erlebt hatte. Jetzt war derselbe Ausdruck in seinen Augen, zusammen mit Verwirrung und jeder Menge anderer Emotionen, die ihn zu übermannen drohten.

    „Es wird alles gut werden“, wiederholte Elizabeth, streckte ihre Hand aus und legte sie dem Soldaten auf die Schulter, der unter ihrer Berührung kurz zusammenzuckte, sich dann aber recht schnell entspannte.


    John war gerade dabei, ihr zu antworten, als sein Funkgerät knackte und nach wenigen Augenblicken Carsons akzentstarke Stimme brüchig erklang.

    „Col. Sheppard, bitte kommen.“

    „Hier Sheppard“, sprach John in sein Headset. „Carson… wie…wie geht’s ihr?“

    „Aye“, erklang es am anderen Ende. „Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie selbst vorbeikommen würden, Colonel. Es…es gibt da etwas, was Sie sich ansehen sollten. Sie sollten sich beeilen.“

    John schwieg einen Moment lang, dann bestätigte er Carson, dass er sich unverzüglich auf den Weg machen würde, und erhob sich. Elizabeth, ihrerseits, blieb sitzen und sah zu ihm auf.

    „Was ist denn los?“, fragte sie, obwohl sie jedes einzelne Wort des schottischen Arztes mitbekommen hatte.

    „Ich weiß nicht“, erwiderte John ihr, der schon auf halbem Weg zur Tür war, als sie sich endlich erhob und ihm nachlief. „Irgendetwas stimmt nicht.“


    TBC

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  32. #17
    Die nach den Sternen greift Avatar von Ailya
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    Standard

    Hallöchen, Moni!

    „Aye“, erklang es am anderen Ende. „Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie selbst vorbeikommen würden, Colonel. Es…es gibt da etwas, was Sie sich ansehen sollten. Sie sollten sich beeilen.“

    John schwieg einen Moment lang, dann bestätigte er Carson, dass er sich unverzüglich auf den Weg machen würde, und erhob sich. Elizabeth, ihrerseits, blieb sitzen und sah zu ihm auf.

    „Was ist denn los?“, fragte sie, obwohl sie jedes einzelne Wort des schottischen Arztes mitbekommen hatte.

    „Ich weiß nicht“, erwiderte John ihr, der schon auf halbem Weg zur Tür war, als sie sich endlich erhob und ihm nachlief. „Irgendetwas stimmt nicht.“
    Ogottogott, ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache! Gar kein gutes Gefühl*kopfschüttel*. Mein Verdacht, dass das Baby nicht das ist, wofür wir es alle halten, wurde mit diesem Kapitel bestärkt… und ich weiß echt nicht, wie ich das finden soll. Einerseits weiß ich, dass du auf das Dramatische stehst, aber andererseits würde ich am liebsten „NEEEEEEEIN“ schreien. Ich meine… ein Retrovirus-Baby? Das kann doch nicht gut gehen*seufz*.

    Und als hätten John&Teyla nicht schon genug mit sich selbst und ihren Gefühlen (?) zu kämpfen, taucht jetzt auch noch Kanaan auf, der sich mit John anlegt. O Mann, läuft das etwa auf einen Hahnenkampf hinaus? Wäre sicher interessant…

    Besonders gut gelungen fand ich auch noch das Gespräch zwischen Elizabeth und John; da bestätigt sich für mich mal wieder, dass die beiden gute Freunde sind. Was ich mir wünsche? Etwas mehr Interaktion zwischen den beiden, denn komischerweise finde ich so langsam Gefallen an diesem Pairing. Also… hau in die Tasten und schreib für die beiden noch ein paar schöne Szenen.

    Jetzt warte ich aber erst einmal gespannt auf das neue Kapitel, denn ich habe das Gefühl, dass es jetzt erst so richtig losgeht. Es bleibt für John/Teyla nur zu hoffen, dass ich mit meinem Verdacht nicht recht habe… aber ich befürchte das Schlimmste.

    Vielen Dank fürs Lesen lassen
    Deine Ally

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  34. #18
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
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    *Schreck* Mein Gott, was muss die arme Teyla denn noch alles ertragen und auch John macht sich riesige Sorgen um Teyla... aber nur um Teyla.
    Irgendwie kann man ihn schon verstehen, auch wenn ich dachte er hat sich damit abgefunden Vater zu werden... ist wohl doch nicht so.
    Ist ja auch kein schöner Akt gewesen, als das Baby gezeugt wurde. Aber es ist nun mal da, hoffe ich doch dass es noch da ist.

    Oh man, wenn das Baby nicht in ordnung ist, können Teyla und John damit umgehen?

    Das ist sehr feinfühlig von Liz sich so an John ranzutasten, vielleicht wird sie ihm noch eine größere Stütze sein als sie es bisher schon war.

    Jetzt heißt es erstmal Daumen drücken für Teyla und das Baby. Ich hoffe, beide überleben und das Baby ist normal....ach... schön wärs doch. Aber ich glaub ja nicht....

    Bitte schnell das nächste Kapitel posten und vielleicht kann Carson ja daran was drehen.... von wegen Retrovirus....!!!

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  35. Danke sagten:


  36. #19
    Mama, im Dienste Ihrer Majestäten Avatar von Nyada
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    Standard In statu nascendi

    A/N: Ausnahmsweise gibt es jetzt schon das nächste Kapitel, aber nur, weil ich nächste Woche an einer Fortbildung teilnehmen und deswegen wohl keine Zeit zum Schreiben haben werde.

    Ich hoffe, das neue "eilige" Kapitel gefällt euch und ich wünsche euch noch ein schönes Restwochenende
    Liebste Grüße, eure Moni

    *+*+*





    If you ever leave me baby,
    Leave some morphine at my door
    ‘Cause it would take a whole lot of medication
    To realize what we used to have,
    We don’t have it anymore.
    Bruno Mars – It will rain



    Die zwei Personen, die ihr Bett flankierten, waren nicht mehr als zwei unförmige Schatten, die sich leise miteinander unterhielten und wahrscheinlich dachten, sie höre und verstehe sie nicht. In der Tat konnte sie nicht verstehen, was geredet wurde, denn es waren nur undeutliche Wortfetzen, die ab und zu zu ihr durchdrangen. Das Gesprochene klang abgehakt, da sie zwischendurch immer wieder in die Besinnungslosigkeit abrutschte, ein paar Sekunden später jedoch wieder zu sich kam, den Anschluss so aber verloren hatte und die Unterhaltung der beiden Personen keinen Sinn ergab.
    Sie musste allerdings nicht raten, um sie erkennen, dass die beiden Männer- sie war sich sicher, dass es Männer waren- sich Sorgen machte. Man hörte es in ihren Stimmen; sie sprachen leise miteinander und in klaren Momenten konnte sie sehen, dass sie die Köpfe gesenkt hatten.

    In ihrem Kopf dröhnte es. Die Schmerzen, gepaart mit dem dumpfen, schwindeligen Gefühl, wurden von Sekunde zu Sekunde schlimmer und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als schreien zu können, doch ihre Kehle war staubtrocken und sie brachte nicht einmal ein Stöhnen zustande. Sie wusste, dass man ihr Schmerzmittel gegeben hatte, aber diese schienen schon lange nicht mehr zu wirken. Der stetig zunehmende Druck in ihrem Kopf und das Ziehen in ihrem Unterleib zeugten davon. Sie fragte sich nur, warum die beiden Männer nichts unternahmen, schienen sie sich doch darüber im Klaren zu sein, dass sie Schmerzen hatte und Qualen litt.

    Sie versuchte auf sich aufmerksam zu machen und die Hand zu heben, doch ihre Gliedmaßen fühlten sich an wie lästige Fremdkörper, die nicht zu ihr gehörten und sie demnach auch nicht befehligen konnte.
    Stattdessen hörte sie, wie sich plötzlich eine dritte, eine weibliche Stimme in das Gespräch einschaltete; sie klang noch besorgter als die der beiden Männer, die verstummt waren, als die Frau ihre Stimme erhoben hatte. Es war eine klare, reife Stimme, die einer älteren Frau, die sie kannte.

    Charin, dachte sie und der Gedanke an ihre alte Freundin, die wie eine Mutter für sie war, gab ihr die Kraft erneut einen Versuch zu starten, die Augen zu öffnen. Es kostete sie eine Menge Anstrengung, aber schließlich schaffte sie es und wurde mit einem unscharfen Bild belohnt, doch das genügte ihr vollkommen.
    Es war tatsächlich die gute alte Charin, die am Fußende des Bettes stand und zu den beiden Männern sprach, die sie nun als Halling und Kanaan identifizieren konnte. War sie noch immer auf Neu Athos? Nein, das konnte nicht sein, denn sie erinnerte sich vage daran, wie John und Dr. Beckett ihr versprochen hatten, sie nach Atlantis zu bringen. Sie erinnerte sich auch an den Grund, nämlich an ihren Zusammenbruch, als sie gemeinsam mit Kanaan den Saatstand begutachtet hatte. Sie erinnerte sich an die furchtbaren Schmerzen, die sie plötzlich verspürt hatte, und daran, dass sie zusammengebrochen war. Das nächste, an was sie sich erinnerte, war Johns besorgtes Gesicht, das über ihrem erschien. Der Druck seiner warmen, maskulinen Hand und seine ruhige Stimme, mit der er ihr versprach, dass ihr und ihrem Kind nichts passieren würde.

    Ihr Kind!

    Schlagartig riss sie weit die Augen auf und ihrer Kehle entkam ein hoher, krächzender Laut, der die Aufmerksamkeit ihrer Freunde weckte, die um ihr Bett verteilt standen; Charin hielt erschrocken inne, Halling wandte seinen Blick in ihre Richtung, während Kanaan bereits an ihre Seite geeilt war und nach ihrer Hand griff.

    „Teyla?“, hörte sie ihn flüstern; sie war sich fast sicher, dass er nicht flüsterte, sie nur zu schwach war oder ihr Bewusstsein wieder zu verlieren drohte.

    „Den Vorfahren sei Dank!“ Das war Charins Stimme, die fröhlich die Hände über ihrem ergrauten Haar zusammenschlug und sich ihr nun ebenfalls näherte. „Teyla, Kind, wir haben schon befürchtet, wir hätten Dich verloren!“

    „Wir haben uns fürchterliche Sorgen gemacht“, sagte Kanaan, dessen Stimme tatsächlich etwas brüchig klang, und streckte seine Hand aus, um ihr über die Wange zu streicheln, eine Berührung, die so vertraut und kraftgebend war, dass sich Teyla dagegen lehnte und die Augen schloss und für einen Moment vergaß sie alles, war nur froh, dass ihre Freunde hier bei ihr waren. Dieses Glücksgefühl dauerte allerdings nur wenige Augenblicke an, denn dann wurde ihr bewusst, was passiert war.

    „Nein, Teyla, nein!“ Hallings Hände drückten sie zurück in die Kissen, als sie versuchte sich aufzurappeln. „Du musst Dich schonen hat Dr. Beckett gesagt. Du hast einen schweren Eingriff hinter Dir.“

    „M…mein Kind“, stöhnte die bettlägerige Athosianerin.

    „Mach Dir darum keine Sorgen“, meinte Kanaan und drückte ihre Hand. „Du wirst Dir darüber keine Gedanken machen müssen.“

    W…was!?“ Teylas Augen öffneten sich vor Panik, als sie den Sinn von Kanaans Worten realisierte. „Aber…“

    „Sei unbesorgt, Kind.“ Charin streckte ihre Hände nach ihr aus und berührte sie zusichernd an der Schulter. „Deinem Sohn geht es gut. Er ist wohlauf.“ Ihre Hand wanderte von Teylas Schulter hinab zu deren gewölbten Bauch und ruhte dort für einige Sekunden, ehe Charin fortfuhr: „Er ist ein Kämpfer und hat einen starken Geist; er kommt sehr nach seiner Mutter, scheint aber genau so stur wie sein Vater zu sein.“

    Etwas in Charins Stimme und die Zuversicht, dass es ihrem Kind gut ging, beruhigte Teyla und mit einem leisen Seufzen lehnte sie sich zurück. Ein Sohn, dachte sie, schloss die Augen und lächelte. Die Vorfahren hatten ihr einen Sohn geschenkt! Sie würde einen Jungen bekommen und es ging ihm gut!
    Sie schlug ihre Lider auf und blinzelte ihre Freunde mit tränenfeuchten Augen an… und plötzlich wurde ihr klar, dass es nicht die Gesichter waren, die sie erwartet hatte zu sehen.

    „Teyla?“ Kanaan bemerkte ihr irritiertes Stirnrunzeln als Erster. Natürlich freute sie sich, sie zu sehen, doch eine seltsame Leere war in ihr und das Gefühl, allein gelassen worden zu sein, ließ sich nicht ignorieren.

    „Mein Kind“, sagte Charin, „ist alles in Ordnung?“ Sie und Halling sahen Teyla aus besorgten blauen Augen an.

    Diese sah sich um und fragte, als sie niemanden entdecken konnte: „W…wo… wo ist John?“


    ooOOoo


    „Und Sie sind sich da… sicher, Carson?“, fragte Elizabeth Weir schluckend. Ein paar Sekunden waren vergangen, ehe sie die Worte des Arztes verstanden hatte, und sie sah nun verstohlen zu John herüber, der neben ihr stand und schweigend auf den Computermonitor starrte.

    Carson, der bis eben noch an seinem Schreibtisch gesessen hatte, erhob sich nun langsam und nickte. „Ich befürchte ja, Elizabeth“, antwortete er zögerlich. „Ich… ich habe es dreimal kontrollieren lassen und es noch zweimal selbst geprüft, um sicher zu sein, dass kein Fehler unterlaufen ist.“ Er hielt kurz inne, meinte dann aber: „Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, außer, dass es so ist, wie es ist. Es besteht kein Zweifel mehr.“

    Elizabeth nickte. Ihr war klar, was Carsons fürchterliche Entdeckung zu bedeuten hatte, nur wusste sie nicht, wie sie darauf zu reagieren hatte. Ihr Blick fiel wieder auf John, der sich allmählich aus seiner Schockstarre zu lösen schien, die Augen zusammenkniff und wieder öffnete, das ein paar Mal hintereinander tat, ehe er genug Kraft zusammenhatte, um etwas zu sagen.

    „Das heißt…“ Nach nur zwei Wörtern brach der Soldat wieder ab, deutete stattdessen mit dem Finger auf den Monitor. Dann schüttelte er jedoch prompt mit dem Kopf. „Das…das kann nicht sein. Da muss ein Fehler vorliegen!“

    „Colonel“, sprach Carson, „ich selbst habe es überprüft. Es liegt kein Fehler vor, so leid es mir tut. Glauben Sie mir.“

    „Überprüfen Sie es noch einmal“, verlangte John schroff, die Augen noch immer auf den Monitor gerichtet.

    „Ich denke nicht, dass das-“

    „Das war keine Bitte, Carson“, wiederholte John mit bebenden Nasenflügeln und stemmte die Hände in die Hüften. „Tun Sie’s einfach!“

    „John.“ Elizabeth streckte die Hand nach ihm aus und der Soldat zuckte zusammen, als sie ihn an der Schulter berührte.

    „Nein!“, rief er, seine Hände abwehrend hebend und die Expeditionsleiterin bestimmt von sich wegdrückend. „Nein, ich will, dass das nochmal überprüft wird!“, beharrte er. „Da…da muss ein Fehler vorliegen, Elizabeth.“

    Die Expeditionsleiterin schüttelte mit dem Kopf. „Es wurde überprüft, John“, sagte sie ruhig, seufzte dann. Sie wusste, dass John aufgebracht war, sie selbst konnte es ja auch nicht glauben, aber das war kein Grund ungehalten oder gar schroff zu werden.

    „Aber…“ Johns Hände ballten sich zu Fäusten und er begann wieder mit dem Kopf zu schütteln, während er den Monitor weiter anstarrte. Kurz flackerten seine grünen Augen zu Carson herüber. „Das… das kann nicht sein, Doc. Ich meine, ich… Das kann nicht sein!“, meinte er mit immer leiser werdender Stimme.

    „Es ist durchaus möglich, dass die Manipulation Ihrer DNS damals weiter fortgeschritten war, als wir angenommen haben“, erwiderte Carson. „Wir hatten damals keinen Einfluss darauf, da wir noch überhaupt nicht wussten, was in Ihnen vorging, John.“

    „Sie glauben… ich bin schuld?“ Der Soldat schüttelte den Kopf und senkte ihn dann betroffen, auf seine gefalteten Hände hinabstarrend. „Natürlich bin ich das.“ Ein Seufzen und dann ein leises ‚Verdammt’.

    „Aye“, seufzte Carson, nun den Monitor abschaltend, und antwortete auf Elizabeths Frage hin, wie es denn nun weitergehen würde: „Das weiß ich nicht. Es kann sein, dass das Virus bei dem Fötus gar nicht ausbricht. Teylas Kind ist ein Träger des Virus’. Das bedeutet aber nicht-“

    „Was bedeutet es dann, Carson?“, wurde er von John unterbrochen, der ihn mit vor Verzweiflung blitzenden Augen ansah. „Seien wir doch mal ehrlich. Tatsache ist, dass ein Baby unterwegs ist, das das Retrovirus in sich trägt, das mich in ein Monster verwandelt hat. Dieses Virus ist überhaupt an allem Schuld und wir alle wissen, wie es weitergehen wird.“

    „John, nichts ist sicher“, versuchte Elizabeth ihn zu beruhigen. „Wir wissen nicht, wie sich das Virus verhalten wird. Carson meinte, dass durchaus die Chance besteht, dass es nie ausbrechen wird, nicht wahr?“

    Carson nickte. „Dass das Kind ein Träger ist, bedeutet nicht, dass das Virus ausbrechen wird, genau. Nun gut, es besteht ein geringes Risiko, aber wenn wir sofort mit der Behandlung starten, dann-“

    „Weiß Teyla es?“, fiel John ihm erneut ins Wort. „Carson, weiß Teyla es?“, wiederholte er etwas schärfer, als der Mediziner schwieg.

    „Ich habe es ihr noch nicht gesagt“, gab Carson zu. „Ich…ich wusste nicht wie.“

    „Wir müssen es ihr aber sagen“, sagte Elizabeth, wurde allerdings, noch ehe sie weiterreden konnte, von Johns Kopfschütteln unterbrochen. Der Soldat sprang von dem Stuhl auf, auf dem er vorübergehend Platz genommen hatte, und begann umherzulaufen. Nach ein paar Sekunden, jedoch, blieb er stehen und wandte sich zu seiner Vorgesetzten und Carson um. In seinen Augen flackerte Entschlossenheit auf, die Elizabeth dazu brachte mit dem Kopf zu schütteln.

    „Nein“, weigerte sie sich. „Nein, John, dass können Sie nicht machen! Es wäre falsch!“

    „Was wäre falsch daran?“, verlangte der Soldat von ihr zu wissen. „Wir leben doch bereits mit einer Lüge- was ist an einer weiteren auszusetzen?“

    Elizabeth machte einen Schritt auf ihn zu. „John“, sagte sie mit gepresster Stimme, „das können Sie nicht von mir erwarten. Es geht hier nicht einfach darum, eine Vaterschaft zu verheimlichen. Sie wollen einer Mutter vorenthalten, dass ihr Kind sich womöglich irgendwann in ein…“

    „… ein Monster verwandeln kann?“, beendete John ihren Satz. „Ja, das will ich und das kann ich, denn das ist auch mein Kind, von dem wir hier reden, Elizabeth.“

    Die Expeditionsleiterin schüttelte mit dem Kopf. „Das werde ich nicht zulassen“, erwiderte sie. „Sie können nicht von mir erwarten, dass ich schweige. Wir können und dürfen es Teyla nicht vorenthalten. Sie ist die Mutter!“

    „Und ich bin der Vater, verflucht nochmal“, brach es aus John heraus und seine Stimme donnerte auf die überraschte Elizabeth herab, vor der er sich nun bedrohlich, mit blitzenden Augen aufbaute. „Und ich sage, dass Sie die Klappe halten und kein Wort darüber vor Teyla verlieren werden!“

    Colonel“, mahnte Elizabeth ihn, „mäßigen Sie Ihren Ton mir gegenüber.“

    John gab einen verachtenden Laut von sich und wich zurück. „Ich denke nicht einmal daran“, entgegnete er, erhob dann den Finger gegen sie. „Halten Sie sich aus meinen Angelegenheiten heraus, Elizabeth. Das geht Sie gar nichts an!“

    „Und wie es mich etwas angeht“, zischelte Elizabeth. „Ich werde nicht zulassen, dass Sie Teyla mit einer Lüge leben lassen“, tadelte sie ihn, woraufhin er wieder auf sie zukam. Zwei Schritte und er stand direkt vor ihr, blickte auf sie herab. Er sah bedrohlich aus, sein Atem ging schneller und Elizabeth zählte die Sekunden, bis er die Zähne fletschte, was er allerdings nicht tat.

    „Ich sage es Ihnen nur noch einmal“, knurrte er. „Halten Sie sich daraus, Dr. Weir. Falls Sie auch nur ein Wort verlieren sollten, garantiere ich für nichts.“

    Elizabeth kniff die Augen zusammen. „Sollte das gerade eine Drohung sein, Colonel?“

    „Sehen Sie es als Warnung an“, war die Antwort und John drehte sich um, um zu gehen, und rauschte davon. Elizabeth wusste nicht wohin er nun gehen würde, konnte es sich aber denken. Genaugenommen war es ihr aber egal, denn sie konnte noch immer nicht glauben, dass sie gerade von John Sheppard bedroht worden war. Vor nicht einmal zwanzig Minuten hatten sie zusammen in seinem Quartier gesessen und er hatte sich ihr geöffnet und ihr das Gefühl gegeben, dass er sie brauchte. Und jetzt?



    Elizabeth starrte noch einige Sekunden in die Richtung, in die John verschwunden war, ehe Carsons Räuspern sie aus ihren Gedanken riss.

    „Was…was werden Sie jetzt tun?“, hörte sie den Schotten fragen und wandte sich zu ihm um.

    „Ich weiß nicht, was Sie jetzt tun werden, Carson“, meinte sie, „aber ich werde jetzt etwas essen gehen.“

    Carson sah sie überrascht an. „Sie werden also nicht-“

    „Das ist nicht meine Aufgabe“, antwortete Elizabeth schweren Herzens, denn genau in diesem Augenblick erkannte sie Johns wirkliche Beweggründe und nahm alles zurück, was sie soeben gedacht hatte. „Das ist nicht meine Aufgabe“, wiederholte sie, wandte sich lächelnd an Carson, der sie noch immer verdutzt ansah. „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend, Carson.“

    Und damit verabschiedete sie sich von dem Arzt, wohl wissend, dass es nicht ihre Aufgabe war, Teyla über die neusten Erkenntnisse zu unterrichten. Sich die Situation von eben noch einmal ins Gedächtnis rufend, erkannte sie das flehende Funkeln in Johns grünen Augen, der in diesem Moment total überfordert gewesen und sich womöglich gar nicht darüber im Klaren war, dass er sie unwillkürlich gebeten hatte, ihm nicht seine Aufgabe abzunehmen.
    Auf dem Weg zur Kantine wurde Elizabeth klar, was die Neuigkeiten für den Soldaten bedeuten mussten und dass er womöglich selbst erst einmal darüber nachdenken musste, ehe er imstande war, Teyla damit zu konfrontieren. Ja, John Sheppard war schon ein komplizierter Mensch und Elizabeth wurde bewusst, dass sie ihn wohl nie verstehen würde. Er hatte aus Verzweiflung heraus gehandelt, auch wenn er das nie zugeben würde, und genau das war der Grund, warum sie ihm verzieh. Natürlich war sie wütend gewesen, dass er so mit ihr geredet hatte, wusste aber auch, dass er es unter normalen Umständen nie getan hätte.
    Nur dass die Umstände heute alles andere als normal waren.


    ooOOoo


    Als Teyla das nächste Mal die Augen aufschlug und einen kurzen Blick auf die Uhr riskierte, waren zwei Stunden vergangen; Halling und Charin waren verschwunden, nur Kanaan war auf dem Stuhl neben ihrem Bett eingeschlafen… und von ihren Freunden von Atlantis fehlte noch immer jede Spur. Sie sah sich um, konnte jedoch weder Ronon, noch Rodney, noch Elizabeth und schon gar nicht John entdecken, obwohl Halling ihr versprochen hatte, nach ihm zu suchen.

    Teyla seufzte, was Kanaan aus seinem anscheinend nur leichten Schlaf riss. Er öffnete die Augen, blinzelte verschlafen in ihre Richtung und lächelte, als er bemerkte, dass sie wach war. Sofort griff er wieder nach ihrer Hand und begann sie in seiner aufzuwärmen und mit dem Daumen über ihren Handrücken zu streichen, was Teyla ein weiteres Seufzen entlockte.

    „Du bist wach“, bemerkte er leise.

    „Das bin ich“, erwiderte sie. Ihre Stimme klang nunmehr kräftiger, nachdem Charin ihr ein Glas Wasser herangeschafft und sie dazu gezwungen hatte, es auszutrinken.

    „Wie fühlst Du Dich?“, erkundigte sich Kanaan mitfühlend, ihre Hand noch immer haltend und sie besorgt musternd. „Hast Du Hunger? Durst? Soll ich Dir etwas zu Trinken holen? Ein Glas Wasser vielleicht?“

    „Nein, nein“, winkte Teyla ab. „Mir geht es gut, Kanaan, sei unbesorgt. Ich bin nur etwas müde.“

    Das brachte ihren Gegenüber zum schmunzeln. „Und das von der Frau, die fast den ganzen Tag verschlafen hat“, meinte er grinsend und sie ins Auge fassend. „Wir haben uns wirklich große Sorgen um Dich gemacht, Teyla. Ich habe mir sehr große Sorgen gemacht“, fügte er leise hinzu.

    „Kanaan, mir geht es gut.“ Teyla drückte seine Hand und schloss die Augen. Sie war froh, dass er bei ihr gewesen war, als sie zusammengebrochen war, und auch, dass er jetzt bei ihr war und sie nicht allein sein musste.

    „Ich soll Dich von… Ronon grüßen“, meinte Kanaan. „Er und ein kleiner, nerviger Mann waren hier, als Du geschlafen hast.“

    „Kleiner…nerviger Mann?“, echote Teyla. „Dr. McKay?“

    Kanaan nickte. „Ja, genau, Dr. McKay war sein Name. Ein komischer Kerl, wenn du mich fragst.“

    „War Col. Sheppard auch hier?“, fragte Teyla. John hatte sich bis jetzt nicht blicken lassen, aber vielleicht war er zusammen mit Ronon und Dr. McKay hier gewesen. Ihre Hoffnung wurde allerdings je zerschlagen, als sie Kanaans starre Miene bemerkte.

    „Nein, er ist nicht hier gewesen“, antwortete der Athosianer trocken. Teyla wusste, dass Kanaan nicht viel von John hielt, nachdem sie ihm erzählt hatte, was zwischen ihr und dem Soldaten von der Erde vorgefallen war. Kanaan wollte einfach nicht verstehen, wie sie mit einem Mann arbeiten konnte, der sie „hintergangen“, „benutzt“ und sich an ihr „vergriffen“ hatte. Es schien sich nichts an Kanaans Einstellung geändert hatte, auch wenn Teyla beteuert hatte, dass sie John nicht böse war und ihm verziehen hatte.

    „Kanaan…“

    „Meine Meinung wird sich nicht ändern“, fiel Kanaan ihr ins Wort und gab ihr somit keine Gelegenheit sich auszusprechen. „Er ist nicht gut für Dich.“ Kopfschüttelnd redete er weiter: „Ich kann nicht glauben, dass Du Dich auf so einen… Kerl eingelassen hast.“

    „Ich habe mich nicht auf ihn „eingelassen“, Kanaan“, widersprach Teyla ihm. „Es ist nichts zwischen mir und Col. Sheppard. Wir sind Freunde, nicht mehr.“

    „Du erwartest nur ein Kind von ihm“, bemerkte Kanaan abfällig.

    Teyla runzelte die Stirn. „Du sagst es so, als wäre es etwas Schlimmes.“ Sie fürchtete Kanaans Reaktion, die sogar noch schlimmer und härter ausfiel, wie von ihr erwartet. Als er sprach, verspürte sie ein Stich in ihrem Herzen und sie konnte nicht glauben, dass diese Worte tatsächlich von einem ihrer besten Freunde kamen.

    „Wie soll ich es Deiner Meinung nach denn finden, dass Du diesen… Bastard austrägst?“

    Bastard!?“, wiederholte Teyla geschockt und ihre Hände fielen auf ihren rundlichen Bauch. „Kanaan, ich hoffe Du bist Dir bewusst, dass es mein Kind ist, von dem Du sprichst. Wie kannst Du es einen… Bastard schimpfen?“

    Kanaans Miene blieb unbewegt. „Ist es das nicht?“, stellte er kühl die Gegenfrage. „Du kannst froh sein, dass Du Torrens Tochter bist, sonst hätten die älteren Männer und der Rat Deine kleine Liaison mit dem Colonel sicher nicht ungestraft gelassen. Eigentlich ist es unfair. In unserem Volk werden Traditionen…“

    „Ich kenne die Regeln, Kanaan“, fiel Teyla ihm ins Wort. „Ich bin mir allerdings keines Fehlers bewusst, der Bestrafung bedarf.“

    Kanaan erhob sich von seinem Stuhl und ließ ihre Hand los. „Du hast Unzucht getrieben, Teyla“, sagte er. „Du weißt, was unsere Regel besagen.“

    „Ja, das weiß ich“, erwiderte sie. „Mein Vater war es, der sie ins Leben gerufen hat.“

    „Dann schämst Du Dich also nicht, dass Du Beischlaf mit einem Mann hattest, mit dem Du nicht verheiratet bist? Wie würde sich wohl nur Dein Vater fühlen, wenn er wüsste, dass seine eigene Tochter ihn so hintergangen hat?“

    „Es ist noch so, dass ich es gewollt hätte!“, rief Teyla, die Kanaans Worte schwer getroffen hatten. Sie spürte Wut in sich aufsteigen, die ihr die Kehle zuschnürte und ihr die Tränen in die Augen trieb, und sie klammerte sich an ihren Bauch.

    „Warum hast Du es dann getan?“, verlangte Kanaan zu wissen. „Warum, Teyla? Sag’ es mir!“ Als sie nicht antwortete, rutschte er näher an sie heran, beugte sich über sie und fasste sie prüfend ins Auge. „Hat er Dich dazu gezwungen?“

    Teyla schüttelte mit dem Kopf. „Nein“, sagte sie, „er hat mich nicht dazu gezwungen. Ich habe es freiwillig getan.“

    „Oh“, machte Kanaan, „wenn ich mich richtig erinnere, hast Du gerade noch behauptet, dass Du es nicht wolltest. Was soll ich Dir jetzt glauben, Teyla?“

    „Es ist kompliziert.“

    „Unzucht zu treiben bezeichnest Du also kompliziert? Ich bin gespannt, ob der Rat dergleichen Meinung ist.“

    Teyla sah ihn mit weiten Augen an. „Das…das würdest Du nicht tun“, flüsterte sie. „Das kannst Du nicht tun, Kanaan.“

    „Warum nicht? Ist es nicht meine Aufgabe als Mitglied der Gemeinschaft?“

    „Du würdest mich nie verraten. Wir sind Freunde.“

    „Freunde hintergehen einander nicht, Teyla“, behauptete Kanaan. „Freunde tun nichts Törichtes, was den anderen verletzt. Doch genau das hast Du getan! Ich weiß nicht, ob ich Dir das verzeihen kann.“ Er ließ sich auf der Bettkante nieder und blickte ihr tief in die Augen. „Du bedeutest mir wirklich sehr viel, Teyla.“

    „Kanaan, nicht.“ Die Athosianerin schüttelte mit dem Kopf. „Bitte, nicht. Mach es nicht komplizierter als es ist, bitte.“

    „Kannst Du Dir vorstellen, wie es sich anfühlt, für Jemanden so viel zu empfinden, nur um dann zu erfahren, dass dieser Jemand sich bereits einem anderen zugewandt hat und nun ein Kind von diesem anderen Mann erwartet?“

    „Kanaan…“

    Unbeirrt für er fort. „Ich hatte gehofft, dass dies ein Neubeginn für uns ist, Teyla, und ich hoffe noch immer, dass Du es Dir anders überlegst. Ich habe all die Jahre gewartet. Und nun, wo ich hoffte endlich eine Chance bei Dir zu haben, verletzt Du mich. Aber… aber ich bin bereit darüber hinwegzusehen.“

    „Kanaan, nein.“

    „Warum nicht?“, fragte er sie, packte sie an ihren Oberarmen und schüttelte sie leicht. „Sag mir, warum Du Dich weigerst, Teyla? Warum versteckst Du Dich vor Deinen Gefühlen? Hast Du denn nicht verstanden? Ich liebe dich, Teyla Emmagan! Und ich bin bereit über Dein Vergehen hinwegzusehen. Ich kann und ich werde es Dir und Deinem Kind zuliebe ignorieren. Ich wäre bereit zu schweigen, wenn Du uns nur eine Chance geben würdest.“

    Teyla lehnte sich zurück, versucht, sich aus Kanaans festem Griff zu befreien. „Wir können das nicht, Kanaan. Ich kann das nicht!“ Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, lockerte Kanaan seinen Griff und sie fiel zurück in die Kissen. Verwirrt sah sie ihn an; seine Augen waren weit und seine Mundwinkel zuckten. Ein trauriger, zugleich geschockter Ausdruck war in seinem Gesicht und seine Stimme klang brüchig, als er sie erhob.

    „Du liebst ihn“, bemerkte er.

    „Was?“ Teyla neigte den Kopf zur Seite. „Wen?“

    „Den Colonel“, antwortete Kanaan und verzog das Gesicht. „Du liebst ihn! Pah, ich hätte es wissen müssen.“

    „Nein“, beeilte sich Teyla zu sagen. „Nein, wie kommst Du nur darauf? Ja, er ist der Vater meines Kindes, aber wird sind nur Freunde, nicht mehr.“

    Kanaan erhob sich. „Ich bitte Dich, Teyla, ich kenne Dich lange genug, um zu wissen, wann Du lügst. Versuche also nicht, mir etwas vorzutäuschen.“

    „Das ist die Wahrheit, Kanaan“, beteuerte die Athosianerin. „Ich empfinde nichts für John, außer Freundschaft, und er hat meinen Respekt. Ich achte ihn, als einen Freund und nun als Vater meines Sohnes.“

    „Soweit ich weiß, verurteilte das Gesetz Deines Vaters auch das Falschaussagen“, sagte Kanaan. „Du lügst also gerade nicht nur mich an, sondern trittst auch das Gesetz Deines Vaters mit Füßen. Das Leben hier hat Dich sehr verändert, Teyla. Vielleicht wäre es besser gewesen, Du hättest nicht so viel Zeit mit den Leuten von der Erde zugebracht und wärst mehr bei Deinem Volk gewesen.“

    Teyla fühlte sich jämmerlich. „Warum glaubst Du mir nicht, Kanaan? Was erwartest Du von mir?“, fragte sie ihn.

    „Dass Du mir die Wahrheit sagst“, antwortete er.

    „Das habe ich getan. Das ist die Wahrheit!“

    Kanaan schüttelte mit dem Kopf. „Tut mir leid, aber das glaube ich Dir nicht. Ich kann es in Deinen Augen sehen. Sie enttarnen Dich als Lügnerin, Teyla. Denkst du wirklich, mir entgeht dieses Funkeln? Wann immer Du von ihm gesprochen hast, konnte ich es sehen! Du kannst mir nicht weismachen wollen, dass Du nichts für diesen Mann empfindest.“ Als Teyla schwieg und auf ihre gefalteten Hände hinabstarrte, zuckte ein gehässiges Grinsen über Kanaans Lippen.
    „Wusste ich es doch“, brummte er.

    „Kanaan, bitte.“ Teyla sah zu ihm auf. „Es ist nicht so, wie Du denkst. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie schwer es für mich ist und wie… verwirrt ich bin.“

    „Dass heißt, Du liebst ihn doch?“

    „Ich weiß es nicht“, antwortete sie. „Ich weiß nicht, was ich für ihn empfinde. Ich sagte doch, es ist kompliziert.“

    „Für mich klingt es alles andere als kompliziert“, war Kanaans Erwiderung.

    „Es…es tut mir leid“, sagte Teyla leise. „Ich weiß nicht…“ Sie seufzte. „Ich wünschte, Du hättest es nicht auf diese Weise erfahren müssen.“

    Kanaan entfernte sich nickend von ihrem Krankenbett. „Vielleicht“, meinte er, „wäre es besser, wenn ich nach Neu Athos zurückkehre. Da ich hier nicht mehr willkommen bin.“ Er senkte den Kopf und wandte sich dann, ohne sie anzusehen, zum Gehen um. „Es war schön, Dich mal wieder zu, Teyla. Ich hoffe, dass es Dir weiterhin gut ergehen wird.“

    „Kanaan“, bat Teyla, „bitte, tu’ das nicht.“ Er, seinerseits, erhörte ihr Flehen jedoch nicht, blickte sie ein letztes Mal aus seinen braunen Augen an, ehe er ging und sie mit dem schrecklichen Gefühl zurückließ, einen Freund verloren zu haben.
    Teyla sank zurück in die Kissen, als er gegangen war. Ihre Augen klebten noch immer an dem Punkt, wo er gestanden hatte, ihre Hände lagen noch immer auf ihrem Bauch. Zärtlich begann sie über die stetig wachsende Rundung zu streicheln und lächelte traurig, als sie die ersten, leichten Tritte ihres Sohnes spürte und einen kurzen Einblick in seine Gedankenwelt erlangte.
    Es war eine einzigartige Gabe, der einzige Weg mit ihrem Sohn im Mutterleib Kontakt aufzunehmen. Seine Gedanken waren ein einziges Chaos, er war aufgebracht, verwirrt, genauso wie sie es war.

    „Ssht, alles ist gut“, flüsterte sie und streichelte über ihren Bauch. „Du brauchst keine Angst haben. Ich bin-“ Das plötzliche Gefühl, beobachtet zu werden, ließ Teyla verstummen und sie drehte ihren Kopf leicht nach links, wo sie John gegen einen Pfeiler lehnen sah, in der einen Hand ein Tablett und in der anderen eine Wasserflasche haltend. Die Lippen fest aufeinander gepresst, der Blick irritiert und überrascht zugleich. Die Stirn gerunzelt, die grünen Augen fragend.
    Sie wusste, worüber er nachdachte. Und mit dem Verdacht, dass er schon länger dort gestanden hatte, kam die Erkenntnis, dass er alles mit angehört hatte.

    „John“, seufzte die Athosianerin. „Wie…wie lange stehst Du da schon?“

    „Lange genug“, war seine knappe Antwort. Er stieß sich von dem Pfeiler ab, kam zu ihr herüber geschlendert und stellte das Tablett und die Wasserflasche auf dem kleinen Tisch neben ihrem Bett ab. „Falls Du Hunger oder Durst hast.“

    „Vielen Dank, John“, sagte Teyla, lächelte kurz. Als sie Blickkontakt zu ihm aufzubauen versuchte, wich er aus und begann sich stattdessen eine Ausrede zusammenzustammeln.

    „Ähem… ich… ich habe Rodney versprochen, dass ich ihm bei… einem Projekt helfe.“ Er räusperte sich, deutete vage in Richtung Ausgang. „Ich…ähem… ich sollte jetzt besser gehen.“

    „John?“ Der Soldat, der schon daran war, zu gehen, drehte sich zu ihr um, als sie ihn rief, und zog die Augenbraue hoch, als sie ihm die Hand entgegenstreckte. „Gib mir Deine Hand“, bat Teyla ihn.

    „Was… warum?“

    „Gib mir einfach Deine Hand, John.“ Sie nahm seine Hand, die er ihr zögerlich reichte, entgegen, hielt sie für einen Moment in ihrer und genoss die Wärme, die von ihr ausging. Sie fühlte sich so stark in ihrer an, doch sie wusste, dass sie sich nicht davon ablenken lassen durfte, also drehte sie, sodass die Handfläche nach innen deutete, und platzierte sie auf ihrem Bauch; John zuckte kurz zusammen und sie spürte, wie er ihr die Hand zu entziehen versuchte, doch sie hielt sie fest.
    „Dieses Mal musst Du es aber spüren“, sagte sie leise, drückte seine Hand mit ihrer etwas fester auf ihre Bauchdecke.

    „Teyla, wir sollten-“ Das Kind bewegte sich in ihrem Inneren, trat genau dorthin, wo die Hand seines Vaters auflag, und John verstummte. Seine Augen weiteten sich und für eine Sekunde glaubte Teyla, ein klitzekleines Lächeln um seine Mundwinkel herum zu erkennen.

    „Spürst Du das?“, flüsterte sie. Als John nickte, nahm sie seine Hand und führte sie auf die andere Seite ihres Bauches. „Manchmal kann man schon einen Fuß oder einen Ellenbogen spüren“, erklärte sie ihm leise, während sie zusammen auf die nächste Bewegung des Kindes warteten.

    Teyla nutzte diese kleine Pause. „John, was Du da eben gehört hast…“

    Der Soldat löste seinen Blick von ihrem Bauch und sah sie an. „Vergessen wir es einfach, okay? Es ist alles in Ordnung so wie es ist, nicht wahr?“

    „Ja“, bestätigte Teyla nickend. „Wir sollten es einfach vergessen. Du hast recht. Es ist alles in bester Ordnung.“

    „Gut.“ John blickte wieder auf seine Hand hinab. „So, ein Junge also?“

    „Es wird ein Junge, ja“, erwiderte Teyla, wohl wissend, dass das Thema damit vorerst abgeschlossen war. Vorerst, denn zumindest für sie gab es noch einiges zu besprechen und sie sah in Johns Augen, dass er ebenso dachte wie sie, er es nur nicht zugeben wollte.

    John seufzte, strich nun mit seiner großen, warmen Hand über ihren Bauch; eine für ihn ungewöhnliche Geste. Sie zeugte von Gefühlen und Emotionen, die er mit seinem ungeborenen Sohn verband und die er anders nicht zu zeigen wusste.

    „Teyla“, sagte er schließlich. „Es gibt da etwas, das du wissen musst. Es… es geht um das Baby.“

    TBC

    Kapiteltitelbedeutung: Im Zustand des Entstehens (In statu nascendi)


  37. #20
    zigtausend Jahre alt ... ;-) Avatar von John's Chaya
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    Wow, da war Liz wohl sehr überrascht, so kannte sie John wohl noch gar nicht. Zumindest nicht ihr gegenüber, aber seine Reaktion zeigte nur, dass er total überfordert ist, aber genau zu wissen scheint, dass er es Teyla sagen will. Gut, dass es Liz noch erkannt hat.

    Man, dieser Kanaan ist echt eine nervige Type, Teyla jetzt so unter Druck zu setzen finde ich nicht in Ordnung, das gehört sich nicht.

    Und ich hoffe wirklich sehr, dass das Baby den Retrovirus wirklich nur in sich trägt und er nicht ausbricht. Was das aber dann für seine Nachkommen bedeuten würde.... daran mag ich gar nicht denken.

    Hat Kanaan trotzdem recht mit seiner Vermutung... hat sich Teyla vielleicht doch in John verliebt... verstehen könnte ich es sogar. Denn John ist ein toller Mann und er wird auf jedenfall zu seiner Verantwortung stehen, ganz sicher. Das hat man ja auch schon bei seinem Ausraster ins Liz Büro gemerkt.

    Ich drücke ihnen auf jedenfall beide Daumen, es muss einfach alles gut ausgehen... ich möchte es so gerne. Ich liebe Happy Ends!!!

    Das war wieder ein spannendes Kapitel, wo ordentlich die Emotionen hochgekocht haben. Ich bin so gespannt wie das alles weitergeht.

    Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

  38. Danke sagten:


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