Kapitel 9
Es war nicht das erste Mal, dass Jason fluchte. Schon zweimal musste er sich verstecken, weil, so wie er annahm, ihm Kastellaner über den Weg liefen – nun war es wieder der Fall.
Vor sich hinfluchend, hörte er zwei entfernte Stimmen. Schnell huschte er hinter einem Stützpfeiler, atmete tief durch und wartete darauf, dass sie an ihm vorbei liefen. Doch wie es der Teufel so wollte, blieben sie genau neben dem Pfeiler stehen und drehten sich um.
Den Atem anhaltend, presste sich Jason gegen das Mauerwerk und versuchte sich noch dünner zu machen, als er schon war. Flüchtig überlegte er, ob er die beiden ausschalten sollte, denn zwei Kastellaner waren für ihn kein Problem. Ein paar gezielte Handgriffe und deren Genick, wäre im nu gebrochen. Damals hatte er diese Methode schon öfters angewandt – kurz und schmerzlos. Das einzige Geräusch, was man hören würde, wäre das hässliche Brechen der Knochen, wenn er den Hals mit einem Ruck umdrehte. Schnell verwarf er diesen Gedanken wieder. Er wollte vorerst kein Aufsehen erregen, denn zuerst wollte er John befreien und ihn in Sicherheit wissen. Was danach geschah, war ihm egal – er wollte die Außenstation sowieso in die Luft jagen, auch wenn er damit rechnen musste, dass dieser Idar jeden Moment Alarm schlagen würde.
Horchend richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf die beiden Männer, die sich über eine gewisse Mattie unterhielten. Anscheint waren sie sich nicht sicher, mit wem sie nun zusammen war, was sie gerne essen würde und wen sie heute am meisten angelacht hatte.
Genervt rollte Jason die Augen. ‚Können die sich nicht woanders über diesen Kinderkram unterhalten?’ Ihm juckte es in den Fingern, doch noch kurzen Prozess mit diesen Grünschnäbeln zu machen, als sie sich endlich umdrehten und weiterliefen.
Schwer seufzend schüttelte Jason den Kopf, als er ihnen hinterher sah – war das hier etwa ein Ausbildungscamp für pubertierende Jungs? Bisher hatte er nämlich nicht einen gesehen, der über 20 Jahre alt war.
Nachdenklich fuhr er sich durch sein ohnehin schon verwuscheltes Haar – sollte er tatsächlich von Teenies entführt worden sein? Vielleicht war das ja auch ein Grund dafür, warum er bisher bei keinem eine Waffe entdecken konnte.
Immer noch vor sich hingrübelnd schritt er den Gang entlang – Quatsch, selbst achtzehnjährige Marines, trugen schon Waffen. Eventuell trauten die Kastellaner ihren Sprösslingen ja nicht all zu viel zu und waren deshalb vorsichtiger. Grinsend über diese Vorstellung, beschleunigte er seinen Schritt, als er auf der rechten Seite einen Raum entdeckte, dessen Tür sich im gleichen Moment öffnete, als er an ihr vorbeilaufen wollte.
Aus der Bewegung heraus, sah Jason in ein jungenhaftes Gesicht, dessen dunkle Augen ihn erst überrascht ansahen und sich dann weiteten. Blitzschnell legte er den rechten Arm um den Hals des Jungen, fasste mit seiner linken Hand den Kopf und drückte zu.
Ein kurzes Röcheln und ein anschließender schlaffer Körper, bestätigten ihm, dass dieser junge Soldat vorerst keine Gefahr mehr darstellte. Schnell zog er ihn in den Raum, ließ ihn zu Boden gleiten und sah sich um.
„Wow!“ Nun waren es seine Augen, die sich überrascht weiteten: Antikische Waffen unterschiedlichster Art und Weise, sowie jede Menge Munition, lagen fein säuberlich, in mehreren Regalen, nebeneinander aufgereiht.
Mit leuchtenden Augen überflog er das Waffenarsenal, griff sich einen Strahler und wiegte ihn kurz in der Hand, ehe er ihn sich hinten in dem Hosenbund steckte. Anschließend sah er einen Blaster und musste unweigerlich an Ronons Waffe denken. Grinsend stopfte er diesen ebenfalls in den Hosenbund und wollte schon wieder rausgehen, als er dunkle ovalförmige Eier entdeckte. Neugierig nahm er eines davon in die Hand und stutzte.
Mit leicht gewölbter Stirn und auf seiner Unterlippe kauend, betrachtete er sich dieses merkwürdige Ei – besaßen die Wraith nicht auch solche Dinger? Urplötzlich spürte er ein Summen und dann hörte er ein Ticken. Ehe er reagieren konnte, schossen mehrere Stacheln hervor und erschrocken ließ Jason es fallen. „Oh Scheiße!“
Mit weit aufgerissenen Augen, starrte er auf das, was nun wie eine Igelbespickte tickende Bombe aussah und überlegte fieberhaft, was er tun sollte. Weglaufen wäre eine Option, doch nach allem was sich hier drin befand, würde es die Außenstation oder zumindest einen Teil davon, binnen weniger Augenblicke zerreisen. Okay, das war das was er ja sowieso wollte, doch zuerst musste er John befreien. Schnaubend rieb er sich übers Kinn – also blieb ihm nur die zweite Option – nämlich versuchen das Ding wieder auszuschalten. Seufzend biss er sich auf die Lippen, starrte auf das Ei und dachte: ‚Aus!’ Doch nichts tat sich, weshalb er es laut aussprach. „Aus?! … Aus, aus, aus, aus, aus!“
Immer noch tickte diese Igelförmige Bombe fleißig vor sich hin und Jason hatte das Gefühl, als ob die Stacheln nun eine rötliche Farbe annahmen. „Oh, oh … nich’ gut, gar nicht gut!“
Mit spitzen Fingern und zusammengekniffenen Augen, hob er es zögerlich auf. Wenn er es irgendwo hinwerfen könnte oder einen Behälter finden würde … schnell sah er sich um, doch nichts dergleichen fand er. „Toll Jason und was jetzt? Auf aus reagiert das Ding ja nicht!“ Schnell betrachtete er es noch einmal von allen Seiten und entdeckte auf der Unterseite, winzig kleine Symbole … „Oh … wieso ausgerechnet antikische Symbole?“ Fluchend wollte er das Ei schon in die Ecke pfeffern, als er sich eines besseren besann. Hecktisch drückte er wahllos auf die Symbole. „Jetzt geh verdammt noch mal aus!“
Plötzlich verstummte das Ticken und die Stacheln verschwanden wieder im Ei. Welche Reihenfolge nun die richtige war, interessierte ihm nicht wirklich, er war einfach nur froh, dass es vorbei war. Aufatmend wischte er sich den Schweiß von der Stirn, als ihm nach kurzem Überlegen, eine Idee kam. Grinsend schnappte er sich ein paar Eier und noch einiges an Ersatzmunition. Das alles, stopfte er in einen Beutel, den er in einem der Regale fand und verließ dann den Raum.
°°°°
Zwei Stunden befand sich Sheppards Team, mit Karim und O’Neill, nun schon vor der Krankenstation der Junitas, nachdem sie darauf bestanden hatten, auf die Außenstation gebeamt zu werden. Aufgewärmt und durchgecheckt, warteten sie nun auf eine erlösende Nachricht.
„Wie lange dauert das denn noch?“ Unruhig lief Rodney von einer Ecke zur anderen, blieb an einem Automaten stehen, den die Junita ironischerweise ‚Replikator’ nannten und nahm sich seine sechste Tasse Kaffee.
Dieser Automat replizierte alles was man haben wollte, von Getränken bis hin zu Speisen – was McKays Augen natürlich leuchten ließ. Allerdings kannte er keinen Kaffee und Rodney musste erstmal einem Junita erklären, was das überhaupt war und woraus er bestand, damit dieser den Replikator programmieren konnte.
„So lange wie es braucht“, antwortete Karim auf Rodneys Frage und holte sich ebenfalls zwei Kaffee, wovon er einen O’Neill überreichte. „General?“
Dankend nahm Jack ihn an und musterte Sheppards Team aufmerksam. Von den Berichten her, wusste er, dass sie schon des Öfteren stundenlang vor Krankenstationen gewartet haben, egal ob es sich dabei um eine leichte oder schwere Verletzung handelte. Niemand verließ die Krankenstation, bevor sie sicher waren, dass es ihrem Teammitglied besser ging und er sich in guten Händen befand.
Schlürfend nippte Jack an seinem Kaffee, beugte sich etwas nach vorn und legte die Ellenbogen auf seine Oberschenkel. Erneut warf er einen Blick auf die Leute und bemerkte, dass jeder auf seine Art versuchte, mit der Ungewissheit, was nun mit Sheppard ist, fertig zu werden; jedoch stand die Sorge, wie ein offenes Buch in ihren Augen geschrieben.
Schnaubend schlurfte Ronon, zu diesen in der Wand befindlichen Automaten, zog sich einen Kaffee und einen Tee. „Teyla?“
Dankend nahm die Athosianerin das heiße Getränk entgegen. „Zweieinhalb Stunden sind es jetzt.“
Nickend bejahte Ronon es und lehnte sich mit der rechten Schulter gegen die Wand, als sich plötzlich die Tür öffnete und Carson erschien. Wie auf Kommando sprangen alle Sitzenden auf und schauten in Becketts besorgtes Gesicht.
„Doc?“ Ronon machte einen Schritt auf ihn zu, wobei Carsons Blick zu Boden fiel und der Satedaner augenblicklich stehen blieb.
Seufzend stopfte sich Carson die Hände in die Kitteltaschen. Wie gern, würde er ihnen jetzt eine erfreuliche Nachricht überbringen, zumal er wusste, dass sie genau das von ihm hören wollten; doch sollte er sie anlügen oder ihnen die Wahrheit sagen? Er war sich nicht sicher.
„Ich glaube, ich muss euch nicht sagen, wie knapp es diesmal war?“
Für eine Sekunde sah man ihn schweigend an, ehe Ronon erneut nachhakte: „Doc?“
„Er lebt und hat die Operation … gut überstanden.“
Ein lautes Aufatmen war zu hören, allerdings hielt sich die Euphorie in Grenzen. Jeder hatte das kurze Zögern bemerkt und ebenso, dass Beckett etwas Entscheidendes zurückhielt, weshalb Teyla ihn fragend ansah: „Carson? Wie geht es John?“
„Dr. Corsey konnte das Aneurysma erfolgreich entfernen und die Blutungen stoppen.“
„Das ist eine gute Nachricht, nicht wahr?“, wollte Rodney vorsichtig wissen.
„Ja … er ist sogar schon aufgewacht.“ Carson nahm einen tiefen Atemzug und betrachtete sich seine Schuhe.
„Können wir zu ihm?“ Hoffnungsvoll sah Teyla ihn an, worauf Beckett nickte. „Für eine Minute. Ihr solltet jedoch vorher noch wissen, dass seine Sprache etwas beeinträchtigt ist.“
„Nun, das hängt doch sicher mit der Narkose zusammen, oder?“, vermutete Karim skeptisch.
„Ja … Er hat auch noch zwei gebrochene Rippen, schwere Prellungen und Schürfwunden. Sein linker Arm ist ebenfalls gebrochen.“
„Dürfen wir dann jetzt gehen?“, fragte Rodney ungeduldig.
„Aber bitte leise.“
Dies ließen sie sich nicht zweimal sagen. Mit leisen Schritten stiefelten sie auf Johns Bett zu, wo ihnen zwei Antiker kurz zunickten und etwas zur Seite traten. Freundlich erwiderte Teyla den Gruß und richtete ihren Blick auf John, dessen Kopf in einem dicken weißen Verband gehüllt war.
Leise zog sie sich einen Stuhl heran, setzte sich neben das Bett und nahm seine Hand in die ihre. Sie spürte die Wärme seiner Haut und ein leichtes Zucken.
„Hallo John?“
Müde Augen suchten ihren Blick und wanderten anschließend hinunter zu ihrer Hand.
„Wie geht es dir?“ Es schien Teyla, als ob John Schwierigkeiten hatte ihr zu folgen, denn nur mit Mühe brachte er ein „Mhm“ hervor.
Ronon schien dies ebenfalls zu bemerken und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Hey, Buddy?“
„Ron’n“
„Ja.“ Leicht drückte Dex Johns Schulter. „Sieh zu, dass du schnell wieder auf die Beine kommst.“
Johns Blick fiel ins Leere, weshalb O’Neill leicht die Stirn runzelte und sich an Beckett wandte: „Haben Sie das gleiche Verfahren angewandt wie bei uns?“
„Nein, für eine Coiling Therapie war es zu spät.“
„Und wie haben Sie ihn operiert?“
„Mit einem Laser“, antwortete Corsey leise, was McKay jedoch nicht überhörte und daraufhin entsetzt die Augen aufriss.
„Grundgütiger“, rief er erschrocken. „Sie haben mit einem Laser in seinem Kopf rumgestochert?“
„Kein Grund zur Sorge“, versicherte ihm Carson. „Dr. Corsey wusste was er tat. Es war das einzig Richtige, um die Blutungen zu stoppen und den Colonel zu retten.“
„Mit einem Laser?!“ Entsetzt starrte McKay auf seinen Freund, dessen Augen ihn verloren ansahen.
„Hätte er es nicht getan, wäre Colonel Sheppard jetzt tot.“
„Ro’ey i au ühl“, presste John unverständlich hervor, hob zittrig einen Finger und ließ ihn schwer atmend wieder auf die Decke fallen.
„Colonel, bitte nicht überanstrengen“, meinte Corsey besorgt und stülpte ihm eine Sauerstoffmaske über die Nase.
„Wah …?“ Erschrocken zuckte John zusammen. „I ni as!“
„Doch Colonel, das brauchen Sie und es wäre besser, wenn Sie jetzt etwas schlafen.“
„il … n’it!“
Panisch über dieses Gestammel, weiteten sich Rodneys Augen. „Oh mein Gott! Er ist ein lallender Idiot!“
„McKay?!“
„Was? Hört ihn euch doch nur mal an!“ Hysterisch drehte der Kanadier sich zu Corsey. „Was haben Sie mit ihm gemacht?“ Dann warf er seine Hände über den Kopf und wandte sich an Carson. „Er hat Sheppard mit dem Laser das Gehirn weggeätzt! Dem gehört die Lizenz entzogen und eingesperrt!“ Panisch und mit einem letzten verzweifelten Blick auf seinem Freund, rannte er raus.
„Rodney?“ Sanft drückte Teyla noch einmal Johns Hand und schaute in seine Augen, in denen sich für einen Moment soviel Kummer, Schmerz und Verzweiflung widerspiegelten, dass es ihr fast das Herz zerriss. „Ich komme gleich wieder John“, flüsterte sie und eilte McKay hinterher. Teyla musste nicht lange suchen, um ihn zu finden. Der Wissenschaftler saß völlig verstört und in sich zusammengesunken, einen Gang weiter auf einer Bank.
„Was ist mit John?“, wollte Karim wissen, nachdem Beckett sie alle hinaus geführt hatte.
Unwohl biss sich Carson auf die Lippen. „Wir befürchten eine Beeinträchtigung der Feinmotorik, sowie den Verlust einiger Nervenzellen im zentralen Kortex.“ Geschockt fiel bei fast allen die Kinnlade runter.
„Meinen Sie etwa … eine Aphasie?“, fragte Jack mit bedrückter Stimme, worauf Beckett nickte. „So in etwa.“
Ronon bemerkte Karims heftiges Schlucken und knurrte Beckett gereizt an. Er verstand nicht ein Wort, von dem was sie sagten, allerdings wusste er, dass irgendetwas mit Sheppard nicht stimmte und er wollte wissen, was. „Was heißt das?“
„Das heißt, dass er wahrscheinlich nie wieder in der Lage sein wird, seinen Namen zu schreiben. Sein Sprachverständnis, ist zwar weitgehend in takt, jedoch wird er nur unter größten Anstrengungen, Sätze formulieren können, die dann am Ende allerdings unvollständig sein werden.“
Den Atem anhaltend, starrte Ronon ihn für ein paar Sekunden an – sollte McKay doch recht haben? „Wird er wieder sprechen und seinen Namen schreiben können?“
„Wir müssen erst einige Tests …“
„Wird er wieder gesund?!“, knurrte Dex gefährlich.
„Er hatte schwere Hirnblutungen …“
„Doc?!“
„Ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen. Ich würde es gerne, aber …“
Wütend knallte Ronon die Faust gegen die Wand, warf noch einmal einen Blick in Johns Richtung und lief mit zusammengepresstem Kiefer zu Teyla, die ihn mit feuchten Augen ansah. „Was haben sie gesagt?“
Verzweifelt fuhr sich Ronon durch seine Dreadlocks. Nein, niemals würde er dieses Wort in den Mund nehmen, nicht wenn es sich dabei um seinen Freund handelte. „Sheppard ist stark!“
Jammernd schüttelte Rodney den Kopf. „Diesmal kann er so stark sein wie er will, es nützt ihm nichts, wenn sein halbes Gehirn weg ist.“
„Nichts ist weg! Es ist alles noch da!“
„Ach und woher wollen Sie das wissen?“
„Weil ich es weiß! Er braucht nur Hilfe und etwas Zeit!“
Wie gern würde Rodney das glauben, doch leider verließ ihn der Optimismus an dieser Stelle.
Fortsetzung folgt