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Miranda

Treu bis zur letzten Minute

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So ihr Lieben, da will ich jetzt auch mal etwas in meinen Blog schreiben. Und fange da mal mit einer Kurzgeschichte an. Die Idee dazu, kam mir spontan auf Arbeit und ich dachte, dass ich es mal nieder schreibe und mir dann einfach mal ein paar Meinungen dazu anhöre.

Also, viel Spaß beim lesen

Treu bis zur letzten Minute

Die Sonne neigte sich schon langsam dem Horizont entgegen und tauchte den Himmel in schwache rosa und rote Töne und in ein kräftiges Lila. Megan stand an der Reling und genoss noch die allerletzten Sonnenstrahlen. Sie schloss die Augen und spürte die Wärme auf ihrer Haut. Merkte, wie der Wind über ihr Gesicht strich und durch ihre Haare fuhr. Sie genoss den Moment, bis sie ein fröhliches Kinderlachen hinter sich hörte.
Sie drehte sich um und hockte sich dann hin, breitete ihre Arme aus und schloss dann ihren kleinen fünfjährigen Sohn in die Arme.
„Mummy, schau mal, was Daddy mir gemacht hat“, rief er völlig begeistert und glücklich und hielt in seiner rechten Hand ein kleines Holzschiff in die Höhe.
„Das ist wunderschön, Jack“, antwortete sie lächelnd, während sie sich wieder aufrichtete und ihren Sohn auf ihre Hüften setzte. Sie entdeckte dann am anderen Ende des Decks ihren Mann und lächelte noch breiter, während er auf sie zukam.
„Schau mal Schatz, dahinten ist Daddy.“ Jack drehte sich herum und fing an, aufgeregt zu zappeln, bis Megan ihn herunter ließ und der Kleine auf seinen Vater zurannte. Megan lachte leise, als Will, ihr Mann, Jack auf seine Schultern hob und der Kleine vergnügt mit seinem neuen Spielzeug spielte.
„Hallo mein Schatz“, begrüßte Will dann seine Frau und küsste sie kurz auf die Stirn.
„Hallo“, erwiderte sie und lehnte sich dann gegen ihn und an die Reling, während sie die Mannschaft der Amaryllis beobachteten, wie sie die Lichter anzündeten, Tische und Stühle an Deck trugen und einfach fröhlich waren.
„Sechs Jahre“, flüsterte Will seiner Frau dann ins Ohr und lächelte.
„Sechs wundervolle Jahre“, flüsterte sie und ergriff seine Hand. Es war ihr sechster Hochzeitstag, den sie natürlich mit der ganzen Mannschaft feierten. Es herrschte an diesem Abend eine ausgelassene und fröhliche Stimmung. Es wurde gegessen, getrunken, gesungen und getanzt.

Als es dann tief in der Nacht war, schliefen die meisten schon. Entweder in ihren Hängematten, oder an Deck gegen ein Fass oder an die Reling gelehnt. Es war eine sternenklare Nacht, die See war friedlich und die Amaryllis wiegte sich im Wind, fuhr beständig ihren Kurs Richtung Heimat in den sicheren Hafen.
Der kleine Jack war schon vor Stunden in sein Bett geschafft worden und Will trug seine Frau auf den Armen in ihre gemeinsame Kajüte und legte sie sanft aufs Bett.
„Hab ich dir schon einmal gesagt, dass ich dich liebe?“, flüsterte er sanft und strich mit seiner Hand sacht durch ihre langen blonden Haare.
„Ja, das hast du, aber ich kann es nicht oft genug hören“, antwortete sie ihm.
„Dann werde ich es dir an diesen Abend einfach immer und immer wieder sagen, denn ich liebe dich.“ Megan lächelte überglücklich und küsste ihn dann einfach.

******

Am nächsten Morgen, die Sonne ging gerade auf, wurde heftig an die Tür der Kajüte des Kapitäns geklopft. Will öffnete träge seine Augen, gähnte und lächelte dann verschmitzt, als er seine Frau unter sich liegen sah und küsste sie zärtlich auf die Stirn.
„Käpt‘n?“, fragte es dann von draußen.
„Ich bin wach. Was gibt es?“
„Das sollten Sie sich besser selbst ansehen.“
„Aye …“, meinte er leicht genervt, er wollte den Morgen lieber mit seiner Frau verbringen. „Ich komme sofort.“ Also quälte er sich aus dem Bett, deckte Megan wieder zu, dass sie auch ja nicht fror und zog sich an. Bevor er jedoch die Kajüte verlassen konnte, murmelte es hinter ihm:
„Wo willst du hin?“ Er drehte sich lächelnd zu ihr um und setzte sich dann neben sie aufs Bett.
„An Deck. Irgendetwas ist los, bestimmt nichts Besonderes und dann bin ich ganz schnell wieder da. Schlaf weiter, mein Schatz.“ Er küsste sie auf die Stirn und verschwand. Megan indes schlief weiter.

An Deck wurde er sofort von seinem ersten Offizier in Empfang genommen.
„Was gibt es denn so dringendes?“
„Schau selber, Will“, und zeigte nach Osten. Am Himmel tat sich eine meterhohe schwarze Wand auf. Sie schien jedes Licht völlig zu verschlingen und obwohl die See bis jetzt noch relativ ruhig war, wusste Will, dass es ein Monstersturm war. Und er wusste nicht, ob sie das durchstehen würden. Doch er durfte keine Angst zeigen als Kapitän. Seine Mannschaft vertraute auf ihn.
„Du hast Angst“, bemerkte aber der alte Smith neben ihm. Er kannte Will schon sein Leben lang und wusste, wann er Angst hatte und wann nicht.
„Ja, das habe ich, alter Freund“, gab er leise zu. „Er ist zu groß, um drum herum zu segeln.“
„Und was ist, wenn wir am Rand entlang segeln?“
„Der Sturm erstreckt sich über den ganzen Horizont, man sieht kein Ende. Nein, wir segeln mitten hindurch. Vielleicht haben wir Glück und erreichen das Auge des Sturms. Meistens ist dann das Schlimmste überstanden. Das restliche Stück müssten wir dann auch schaffen.“
„Wenn bis dahin die Amaryllis nicht entzwei gerissen wird.“
„Ich weiß, mein Freund, ich weiß. Aber wir haben keine andere Wahl.“ Will richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Spürte wie ein Teil seiner Mannschaft hinter ihm stand und auf Befehle wartete.
„Ich übernehme das Steuer!“, rief er dann und der Steuermann machte ihm bereitwillig Platz. „Weckt alle anderen auf, auch meine Frau. Sie soll dann hoch zu mir kommen und ihr anderen sichert die Ladung, sichert die Kanonen. Bindet alles fest, was umher geworfen werden kann. Alle, die sich nicht zwangsläufig an Deck aufhalten müssen, verschwinden unter Deck. Sichert alles in den Kajüten. Los, los, los. Beeilt euch!“ Rief er über das Deck und seine Befehle wurden sofort aufs Genaueste ausgeführt.
Im Bauch des Schiffes wurde die gesamte Ladung mit Seilen fixiert, ebenso die Kanonen, die zu tödlichen Geschossen werden konnten. Der Rest der Mannschaft weckte die noch Schlafenden und wies sie an, entweder mitzuhelfen oder ihre Kajüte zu sichern.
Megan wurde unsanft aus dem Schlaf gerissen und zog sich sofort an, als sie merkte, dass etwas nicht stimmte. Bevor sie aus der Kajüte verschwand, warf sie einen prüfenden Blick auf ihren Sohn. Zum Glück schlief er friedlich, also lief sie an Deck und zu ihrem Mann.
„Was ist los?“, fragte sie. Will streckte einen Arm nach ihr aus und ergriff ihre Hand, zog sie dann an sich, während er weiter sein Schiff auf dem Sturm zu steuerte.
„Siehst du das?“ Megan richtete ihren Blick geradeaus und erstarrte.
„Oh mein Gott.“, entfuhr es ihr.
„Ich will, das du alles in unserer Kajüte, was nicht niet- und nagelfest ist, irgendwo unterbringst, es festbindest, egal, was du machst, es soll nur keinen Schaden anrichten können. Weck Jack und bleib mit ihm in unserer Kajüte.“
„Und du?“
„Ich bleibe hier.“ Sie schaute ihn angsterfüllt an. Er lächelte sanft.
„Keine Sorge, mein Schatz, ich habe so einen Sturm schon einmal miterlebt. Ich werde uns sicher da durch manövrieren.“
„In Ordnung. Ich vertraue dir. Ich liebe dich“, flüsterte sie noch und küsste ihn, bevor sie mit Smith, dem ersten Offizier, verschwand, ihren Sohn weckte und alles sicherte.

Etwa eine Stunde später, kam der Sturm rasend auf sie zu. Eine schwarze, todbringende Wand. Man konnte Blitze darin sehen und sie auch schon hören. Stur geradeaus hielt die Amaryllis ihren Kurs und wurde bald darauf von der schwarzen Dunkelheit verschluckt. Wie eine Nussschale von den Wellen hin und her geworfen. Ebenso die Menschen an Deck. Einige hielten sich an irgendetwas fest. An und unter Deck, doch einige warf es hin und her, sie knallten gegen Wände oder die Reling. Oder versuchten noch, sich irgendwo festzuklammern, damit die Wellen sie nicht mit in die tiefe See zogen.
Will spannte alle seine Muskeln an, um das Steuer gerade zu halten. Sie mussten ihren Kurs halten, aber ob das tatsächlich so war, konnte er nicht sagen. Er konnte nur hoffen. Blitze zuckten wie gierige Hände durch die Luft, als würden sie jeden Moment nach dem Schiff greifen und es in einem flammenden Meer untergehen lassen.
Indes drückte Megan ihren kleinen, völlig verängstigten Sohn an sich und versuchte, ihn zu beruhigen. Er hatte seine kleinen Hände in ihrem Kleid vergraben, in der einen hielt er sein neues Holzschiff, und sein Gesicht an ihre Brust gedrückt, während er weinte.
„Ganz ruhig, mein kleiner Schatz. Wir sind hier unten sicher. Daddy schafft das schon“, redete sie ihm gut zu, obwohl sie selbst vor Angst zitterte. Sie hatte das Gefühl, als würden das Grollen und das Donnern eine Ewigkeit andauern. Das Wasser leckte an den Planken, wie ein gieriges Untier, das sie jeden Moment verschlingen wollte. Und dann, auf einmal, ganz plötzlich, herrschte Stille. War es vorbei?
An Deck schauten sich die Mannschaftsmitglieder um. Die See war friedlich, über ihnen blauer Himmel und die Sonne. Sie befanden sich im Auge des Sturms. Schöpften neue Hoffnung.
„Gut gemacht, Männer!“, lobte Will seine Mannschaft und ruhte sich ein wenig aus. „Räumt soweit alles auf, zurrt die Seile fester. Es ist noch nicht vorbei.“
Und als sie dieses Martyrium ein zweites Mal erlebten, war es noch heftiger, noch gewaltiger, noch tödlicher. Megan konnte die Schreie der Männer an und unter Deck hören. Oder war es ihr eigener Schrei? Auf einmal fuhr ein Ruck durch das Schiff und sie wurden nach vorn geschleudert. Es krachte, hörte sich so an, als würde Holz bersten.
„Jack, ist dir was passiert?“, fragte sie den Kleinen sofort.
„Mummy, ich hab Angst“, kam es mit verweinter Stimme von ihm.
„Ich weiß, mein Schatz, ich weiß“, versuchte sie ihn zu trösten und nahm ihn wieder in den Arm. Und hatte ein ungutes Gefühl. Das Schiff schwankte nicht mehr gar so sehr hin und her. Trotz allem konnte sie noch den Sturm draußen toben hören.
„Hör mir jetzt gut zu, mein Schatz. Wir gehen jetzt gleich nach draußen, was immer passiert, halt dich gut an mir fest. Ok?“ Jack nickte und krallte sich an seiner Mutter fest. Megan richtete sich wieder auf und trat dann in den Gang hinaus.
„Rennt alle weg! Das Schiff sinkt!“, schrie ein Matrose und rannte an ihr vorbei. Also hatte sie richtig vermutet, aber gleichzeitig gebetet, dass es nicht zutraf. Sie rannte an Deck, auf dem die Hölle zu toben schien. Das Wasser schwappte über die Reling, sie sah, wie ein Matrose von den Beinen gerissen und in die stürmische See gezogen wurde. Er würde ertrinken. Sie drückte den Kopf ihres Sohnes an ihre Schulter, er sollte das alles nicht mit ansehen. Sie suchte das Deck nach ihrem Mann ab und sah ihn, wie er völlig durchnässt immer noch am Steuer stand und es eisern in seinen Händen hielt. Sie rannte auf ihn zu.
„Verdammt, Megan, was machst du hier?!“, rief er durch den Wind hindurch.
„Das Schiff sinkt“, antwortete sie und hielt ihren Sohn fest an sich gedrückt.
„Ich weiß. Ich würde ja gern die Rettungsboote zu Wasser lassen, aber da würde ich meine Mannschaft in den sicheren Tod schicken. Da sind sie hier sicherer“, erwiderte er und sie merkte, wie er wirklich Mühe hatte, das Steuer zu halten.
„Will, ich hab Angst.“
„Ich weiß, mein Schatz. Wir schaffen das schon. So schnell gebe ich nicht auf“, lächelte er sie zuversichtlich an, obwohl er selbst nicht allzu optimistisch war. Dann zog er seine Frau zu sich heran und stellte sie so, dass sie zwischen seinen Armen gefangen war, wenn er das Steuer hielt.
Er merkte, wie es immer schwieriger wurde, das Schiff zu steuern, beinahe unmöglich. Er merkte, dass es schwerer wurde, dass es sich mit Wasser füllte, das es sinken würde. Doch er würde bleiben, sein Schiff nicht im Stich lassen, bis zur letzten Minuten würde er treu zu seiner Mannschaft und zu seiner Familie stehen.
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Persönliches

Kommentare

  1. Avatar von DraudeA
    Mega super Miranda.
  2. Avatar von Miranda
    Hey danke. Wie gesagt, war ein spontaner Einfall. Schön, wenn es dir gefällt